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download Göttingen, 7. Oktober 2015 - · PDF fileStrahlenschutzkommission (SSK). Notwendigkeit der stationären Durchführung der Ganzkörperszintigraphie mit I-131 beim Schilddrüsenkarzinom

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  • Deutsche Gesellschaft fr Nuklearmedizin e.V. Sparkasse Hannover Prsident: Prof. Dr. J. Kotzerke Konto-Nr. 340 340, BLZ 250 50 180 IBAN DE29 250501800000340340, BIC SPKHDE2H

    Krankenkassen verweigern die Kostenbernahme des stationren Aufenthaltes

    In zunehmendem Mae lehnen die Krankenkassen in Deutschland die bernahme der Kosten fr den im Rahmen der Radiojodtherapie erforderlichen stationren Aufenthalt der Patienten ab. Nach Auffassung der Kassen erfolge der stationre Krankenhausaufenthalt aufgrund von Strahlenschutz-bestimmungen zum Schutz der Bevlkerung, so dass eine medizinische Indikation fr die stationre Behandlung nicht vorliege.

    Hierzu nimmt die Deutsche Gesellschaft fr Nuklearmedizin Stellung:

    Die Radiojodtherapie ist eine seit Mitte des letzten Jahrhunderts weltweit anerkannte und einge-setzte Therapie (Sawin 1997) und wird in mehreren nationalen und internationalen Leitlinien und interdisziplinren Empfehlungen abgebildet (Fhrer 2012, Paschke 2015). Sie kommt bei der Beseitigung der Schilddrsen-berfunktion und der Volumenreduktion einer Schilddrsenvergre-rung zur Anwendung (Dietlein 2007, Stokkel 2010). Die adjuvante Ablation von postoperativ verbliebenem Restschilddrsen- bzw. Schilddrsenkarzinomgewebe sowie die kurative oder palliative Therapie von radiojodspeichernden Schilddrsenkarzinomrezidiven, Lymphknoten- oder Fernmetastasen stellen weitere Anwendungsgebiete dar (Dietlein 2007b, Luster 2008). Im Kontext des Tumormanagements sind auch diagnostische Anwendungen bei unklar steigenden Tumor-markern oder gestrtem Tumormarkernachweis gesetzlich fr mindestens 48 Stunden stationr vorzusehen (Empfehlung 190 der Strahlenschutzkommission (SSK) vom 22./23. April 2004). Allein in Deutschland werden pro Jahr etwa 50.000 Therapien in 120 nuklearmedizinischen Therapieein-richtungen durchgefhrt (Lorenz 2015).

    Die hohen Erfolgsraten bei der Beseitigung der berfunktionen bei Morbus Basedow und fokalen Autonomien in immerhin 90 % der Flle und der guten langfristigen Heilungschancen bei Krebs-erkrankungen in einem frhen Stadium durch die Kombination von Operation und anschlieender Radiojodtherapie bei ebenfalls rund 90 % der Behandlungen besttigen diese Therapieform als etabliertes und sehr erfolgreiches Verfahren.

    Wird die Indikation zur Radiojodtherapie gestellt, handelt es sich um die Therapie der Wahl. Der Einsatz des Radiopharmakons erfolgt somit zum Zwecke der Behandlung der jeweiligen Erkrankung unter Anwendung einer individuell auf der Basis medizinischer Notwendigkeiten kalkulierten Therapiedosis.

    Stellungnahme zum stationren Aufenthalt im Rahmen der Radiojodtherapie fr gesetzlich krankenversicherte Patienten

    Gttingen, 7. Oktober 2015

  • DGN e. V. Stellungnahme zum stationren Aufenthalt im Rahmen der Radiojodtherapie Seite 2

    Ohne die Einnahme von Radiojod aus medizinischer Indikation, wrden die erforderlichen Strahlen-schutzmanahmen (Personal, Bevlkerung) nicht anfallen; insofern ist diese Einnahme als unmittel-bare kausale Ursache anzusehen.

    Die stationre Aufnahme erfolgt dementsprechend nach individuell erfolgter Therapieentscheidung aufgrund der behandlungsbedrftigen Erkrankung des Patienten zum Zwecke der Durchfhrung der Radiojodbehandlung.

    Rechtliche Rahmenbedingungen

    Die Durchfhrung der Radiojodtherapie setzt die spezielle personelle Fachkunde (Anwesenheit des rztlichen Strahlenschutzbeauftragten, Personal mit Fachkunde im Strahlenschutz), rumlich-apparative Mindeststandards (bauliche Manahmen, Rckhaltevorrichtungen fr Abwasser und Abluft, Messgerte) und eine Genehmigung nach 3 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) voraus. Diese Voraussetzungen werden auf einer Radiojodtherapiestation erfllt. Sie stellen eine besondere therapiespezifische Qualifikation und Kompetenz des Krankenhauses dar und zwar unabhngig von den im Wesentlichen auf die geltenden Strahlenschutzbestimmungen zurck-zufhrenden rechtlichen Bestimmungen. Der Umfang der sich aus dem Fnften Buch des Sozial-gesetzbuches (SGB V) ergebenden Leistungsverpflichtungen und -ansprche kann grundstzlich nicht losgelst von weiteren gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmt werden.

    Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf vollstationre Behandlung in einem zugelasse-nen Krankenhaus ( 39 SGB V), sofern das Behandlungsziel nicht anderweitig durch teilstationre, vor- und nachstationre oder ambulante Behandlung erreicht werden kann.

    Die Behandlungsbedrftigkeit im Krankenhaus besteht bei einem Krankheitszustand, dessen Behandlung aus medizinischen Grnden den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses (geschultes Pflegepersonal, apparative Mindestausstattung, intensive Behandlung durch rufbereite rzte) erforderlich macht (BSG SozR 2200 184 Nr. 11, 22, 28).

    Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Radiojodtherapie zweifelsfrei vor. Die stationre Einweisung erfolgt alleine zum Zweck der Krankenbehandlung. Behandlungsalternativen im Sinne einer ambulanten Durchfhrung der Radiojodtherapie bestehen in Deutschland nicht. Aufgrund der mageblichen Strahlenschutzbestimmungen (Atomgesetz in der Ausfhrungsbestimmung der Strahlenschutzverordnung [StrlSchV] i. d. F. der Bekanntmachung vom 11. Dezember 2014 (BGBl. I 2010) und der Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin kann die unbestritten medizinisch indizierte Radiojodtherapie in Deutschland nur unter stationren Bedingungen erbracht werden.

    Immanente Verknpfung von Therapie und Kontrollmanahmen

    Die vom eingesetzten Radiopharmakon ausgehende ionisierende Strahlung stellt das therapeutische Prinzip dar. Notwendige Strahlenschutzmanahmen sowie die berwachung sind unvermeidliche Folgen der spezifischen Eigenschaften des radioaktiven Therapieprparates, die seine Heilwirkung begrnden. Die Anwendung der radioaktiven Stoffe und die sich daraus ergebenden Schutzma-nahmen sind untrennbar miteinander verknpft. Therapie und resultierender stationrer Aufenthalt stellen eine Behandlungseinheit dar. Kontroll- und berwachungsaufwand sind daher mit der Heilwirkung immanent und zwingend verbunden.

    Die stationre Unterbringung in geeigneten Rumlichkeiten und unter geeigneten Kontrollma-nahmen ist somit genauso integraler Bestandteil der Behandlung wie die Gewhrleistung steriler Umgebungsbedingungen fr einen operativen Eingriff.

    Zustzliche medizinische Aspekte

    Whrend des stationren Aufenthaltes sind rztliche Kontrollen insbesondere der erzielten Dosis, aber auch des Zustands des Patienten zur Erkennung von Nebenwirkungen sicherzustellen:

    Zur Planung einer nuklearmedizinischen Behandlung ist die Dosis fr die zu behandelnden Organe bzw. Gewebe sowie fr besonders strahlensensible Organe im Voraus zu ermitteln und danach die zu verabreichende Aktivitt entsprechend zu bemessen. Um eine ausreichende bereinstimmung der intratherapeutisch erzielten mit der geplanten Dosis sicherzustellen, sind kontinuierlich individuelle Messungen whrend des posttherapeutischen stationren Aufenthaltes heranzuziehen.

  • DGN e. V. Stellungnahme zum stationren Aufenthalt im Rahmen der Radiojodtherapie Seite 3

    Dies bedingt medizinisch indizierte Untersuchungen der Aufnahme und der Retention des Radiopharmakons, welche mehrmals tglich bis zur Erreichung der Entlassaktivitt durchgefhrt werden. Damit wird die Biokinetik der applizierten radioaktiven Stoffe im Krper bestimmt. Ist die angestrebte Strahlendosis im Zielgewebe nicht erreicht, wird unmittelbar unter Fortfhrung der stationren Bedingungen die weitere Applikation des Radiopharmakons erfolgen. Gegebenenfalls werden weitere Manahmen zur Beeinflussung der Biokinetik ergriffen. Auf diese Weise wird zu jedem Zeitpunkte eine kontinuierliche Optimierung der Therapie sichergestellt. Darber hinaus werden kostenaufwndige Mehrfachtherapien mit kumulativ hherer Strahlenexposition des Patienten vermieden.

    Medikamentengabe, intratherapeutische Dosisbestimmung und Strahlenschutzmanahmen stellen in medizinischer Hinsicht eine untrennbare Behandlungseinheit dar, welche sich auf den Gesamt-aufenthalt erstreckt. Die stationre Unterbringung gengt damit nicht nur rechtlichen Vorgaben, sondern dient auch der Gewhrleistung einer optimalen medizinischen Qualitt (hnlich wie z. B. ein postoperativer Klinikaufenthalt).

    Eine Reduktion der medizinisch erforderlichen Therapiedosis zum Zwecke der Vermeidung eines stationren Aufenthaltes sowie der Verzicht auf die rztlich permanent kontrollierte und therapie-relevante Unterbringung und Versorgung des Patienten entspricht nicht dem Stand von Wissen-schaft und Technik und wird von der Deutschen Gesellschaft fr Nuklearmedizin als inadquat und unethisch abgelehnt.

    Literatur

    1. Dietlein M, Dressler J, Eschner W, Grnwald F, Lassmann M, Leisner B et al. Verfahrensanweisung zur Radioiodtherapie (RIT) beim differenzierten Schilddrusenkarzinom (Version 3). Nuklearmedizin 2007; 46 (5) : 2139.

    2. Dietlein M, Dressler J, Grnwald F, Leisner B, Moser E, Reiners C et al. Leitlinie zur Radioiodtherapie (RIT) bei benignen Schilddrusenerkrankungen (Version 4). Nuklearmedizin 2007; 46 (5): 2203.

    3. Fhrer D, Bockisch A, Schmid KW. Euthyroid Goiter With and Without Nodules Diagnosis and Treatment. Dtsch Arztebl Int 2012; 109 (29-30): 50616.

    4. Lorenz R, Buck A, Reiners C. Stationre nuklearmedizinische Therapie 2010 bis 2012 in Deutschland Analyse der strukturierten Qualittsberichte. Nuklearmedizin 2015; 54 (2): 618.

    5. Luster M, Clarke SE, Dietlein M, Lassmann M, Lind P, Oyen WJ et al. Guidelines for radioiodine therapy of differentiated thyroid cancer. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2008; 35 (10): 194159.

    6. Paschke R, Lincke T, Mller SP, Kreissl MC, Dralle H, Fassnacht M. The Treatment of Well-Differentiated Thyroid Carcinoma. Dtsch Arztebl Int 2015; 112 (26): 4528.

    7. Sawin CT, Becker DV. Radioiodine and the treatment of hype