Gutachten des Verfassungsdienst - Studiengebühren

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BALLHAUSPLATZ 2 1014 WIEN TEL.: (+43 1) 53115/0 WWW.BUNDESKANZLERAMT.AT DVR: 0000019 BKA-601.408/0006-V/2/2011 P r o f . H e i n z M a y e r , R e c h t s g u t a c h t e n z u r Z u l ä s i g k e i t u n i v e r s i t ä t s a u t o n o m e r S t u d i e n g e b ü h r e n BEARBEITER HERR MAG DR KARL IRRESBERGER PERS. E-MAIL [email protected] TELEFON 01/53115/2249 Information für den Herrn Bundeskanzler zu Handen Mag. Maria Elisabeth Stubits-Weidinger und Dr. Alexander Klingenbrunner Zulässigkeit universitätsautonomer Studiengebühren; Rechtsgutachten des o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer Zu dem vorgelegten Rechtsgutachten des o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer nimmt der Verfassungsdienst wie folgt Stellung: Anlass und Inhalt des Gutachtens: Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 30. Juni 2011, G 10/11, § 91 Abs. 1 bis 3 und 8 des Universitätsgesetzes 2002, und damit die für die Einhebung von Studiengebühren durch die Universitäten zentralen Gesetzesbestimmungen, als verfassungswidrig aufgehoben; die Aufhebung tritt mit Ablauf des 29. Februar 2012 in Kraft. Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung hat o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer ein Rechtsgutachten zur Frage erstellt, wie die Rechtslage ist, wenn die aufgehobene Regelung nicht durch eine gesetzliche Neure- gelung ersetzt wird, genauer gesagt, ob die Universitäten diesfalls befugt sind, eine Neuregelung (über die Einhebung von Studiengebühren) im Rahmen ihrer Sat- zungsautonomie zu treffen. Das Gutachten bejaht diese Frage. Mayer konstatiert, dass der VfGH gegen Studienbeiträge an sich keine verfassungs- rechtlichen Bedenken geäußert hat und dass einige Gesetzesbestimmungen, die die Existenz von Studienbeiträgen voraussetzen, auch nach Inkrafttreten der Aufhebung

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Gutachten des Verfassungsdienst - Studiengebühren

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BALLHAUSPLATZ 2 ● 1014 WIEN ● TEL.: (+43 1) 53115/0 ● WWW.BUNDESKANZLERAMT.AT ● DVR: 0000019

BKA-601.408/0006-V/2/2011 Prof. Heinz Mayer, Rechtsgutachten zur Zulässigkeit universitätsautonomer Studiengebühren

BEARBEITER ● HERR MAG DR KARL IRRESBERGER PERS. E-MAIL ● [email protected]

TELEFON ● 01 /53115/2249

Information für den Herrn Bundeskanzler zu Handen Mag. Maria Elisabeth Stubits-Weidinger und Dr. Alexander Klingenbrunner

Zulässigkeit universitätsautonomer Studiengebühren; Rechtsgutachten des o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer

Zu dem vorgelegten Rechtsgutachten des o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer nimmt der

Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

Anlass und Inhalt des Gutachtens:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 30. Juni 2011, G 10/11, § 91

Abs. 1 bis 3 und 8 des Universitätsgesetzes 2002, und damit die für die Einhebung

von Studiengebühren durch die Universitäten zentralen Gesetzesbestimmungen, als

verfassungswidrig aufgehoben; die Aufhebung tritt mit Ablauf des 29. Februar 2012

in Kraft.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung hat

o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer ein Rechtsgutachten zur Frage erstellt, wie die

Rechtslage ist, wenn die aufgehobene Regelung nicht durch eine gesetzliche Neure-

gelung ersetzt wird, genauer gesagt, ob die Universitäten diesfalls befugt sind, eine

Neuregelung (über die Einhebung von Studiengebühren) im Rahmen ihrer Sat-

zungsautonomie zu treffen. Das Gutachten bejaht diese Frage.

Mayer konstatiert, dass der VfGH gegen Studienbeiträge an sich keine verfassungs-

rechtlichen Bedenken geäußert hat und dass einige Gesetzesbestimmungen, die die

Existenz von Studienbeiträgen voraussetzen, auch nach Inkrafttreten der Aufhebung

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dem Rechtsbestand angehören werden, wie zB über die Entrichtung, Einhebung und

Aufteilung (§ 91 Abs. 4 bis 7 UG 2002 in der geltenden Fassung, die im Anlassver-

fahren noch nicht anzuwenden waren) sowie den Erlass und die Rückerstattung der

Studienbeiträge (§ 92 UG 2002); wesentliche Fragen sind aber dann ungeregelt, so

etwa, wer unter welchen Voraussetzungen zur Leistung von Studienbeiträgen ver-

pflichtet ist und in welcher Höhe diese zu entrichten sind.

Diese Lücke kann nach Mayer durch das – einer gesetzlichen Determinierung nicht

bedürftige – Satzungsrecht der Universitäten im Sinne des Art. 81c B-VG gefüllt wer-

den; diese können die näheren Bestimmungen durch Verordnung treffen.

Dazu ist im Einzelnen zu bemerken:

Das Satzungsrecht der Universitäten

Die öffentlichen Universitäten „handeln im Rahmen der Gesetze autonom und kön-

nen Satzungen erlassen“ (Art. 81c Abs. 1 zweiter Satz B-VG) Diese im Jahr 2008

durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 2/2008 Bestimmung fasste (so die

Regierungsvorlage 314 BlgNR XXIII. GP) bis dahin bestehende verfassungsrechtli-

chen Regelungen betreffend die Universitäten in einer allgemeinen Bestimmungen in

einer allgemeinen Bestimmung zusammen. Ersetzt wurde insbesondere § 2 Abs. 2

des Universitäts-Organisationsgesetzes 1993. Nach dieser Verfassungsbestimmung

waren die Universitäten „im Rahmen der Gesetze und Verordnungen“ „zur weisungs-

freien (autonomen) Besorgung ihrer Angelegenheiten befugt“.

Die zugrundeliegende Regierungsvorlage erläuterte hiezu (1125 BlgNR XVIII. GP 45):

„Durch die Formulierung „im Rahmen der Gesetze" soll den Universitäten ein weite-rer Handlungsspielraum eröffnet werden, als dies die Formulierung „auf Grund der Gesetze" im Hinblick auf die eher restriktive Interpretation des Legalitätsprinzips ge-mäß Art. 18 B-VG durch die Höchstgerichte zuließe. Der Handlungsspielraum der Universitätsorgane wird aber nach dieser Bestimmung des Entwurfs jedenfalls dadurch eingeschränkt, daß.von den autonomen Universitätsorganen keine Hand-lungen gesetzt werden dürfen, die der bestehenden Rechtsordnung widersprechen sowie dadurch, daß die in der Rechtsordnung ausdrücklich vorgesehenen Gebots-vorschriften von den Universitätsorganen zu beachten sind.

Hieraus leitet Mayer ab, dass die Organe der Universitäten Regelungen betreffend

ihre Angelegenheiten auch dann treffen können, wenn eine gesetzliche Grundlage

fehlt; das Gesetz ist demnach für das Handeln der Universitäten im autonomen Be-

reich keine unabdingbare Grundlage, die im Verfassungstext genannten „Satzungen“

sind dann verfassungsunmittelbare, gesetzesergänzende Verordnungen.

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Dabei übergeht Mayer einzelne weitere Passagen, die die Erläuterungen zu § 2

Abs. 2 UOG 1993 als widersprüchlich erscheinen lassen. Diesen zufolge wurde die

Formulierung, wonach Angelegenheiten „im Rahmen der Gesetze und Verordnun-

gen" zu besorgen sind, in Art. 118 Abs. 4 B-VG über den eigenen Wirkungsbereich

der Gemeinden vorgefunden. Wie Mayer an anderer Stelle (Das österreichische

Bundes-Verfassungsrecht4, 474) in Übereinstimmung mit der Judikatur des VfGH

und der herrschenden Lehre ausführt, stellt Art. 118 Abs. 4 B-VG klar, dass auch im

eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde das Legalitätsprinzip uneingeschränkt gilt.

Dies gilt – angesichts der identen Formulierung – auch für das Satzungsrecht der

Universitäten. Weiters ist anzumerken, dass auch nicht-terretoriale Selbstverwal-

tungskörper nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur

auf Grund (vgl. bloß VfSlg. 16.853/2003 mwN) der Gesetze Verordnungen erlassen

können. Bereits im Erkenntnis VfSlg. 7903/1976 hat der Verfassungsgerichtshof ein

„gelockertes Legalitätsprinzip“ für autonome Satzungen abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund erscheint bemerkenswert, dass das in Rede stehende Er-

kenntnis vom 30. Juni 2011 zwar Gesetzesbestimmungen, die von Universitätsorga-

nen anzuwenden sind, wegen Verstoßes gegen das aus dem Legalitätsprinzip erflie-

ßende Determinierungsgebotes aufgehoben hat, jedoch mit keinem Wort andeutet,

dass dieses Determinierungsgebot für Handlungen von Universitätsorganen über-

haupt nicht gelte. Vielmehr verlangt der VfGH gerade für das Studienbeitragsrecht

eine besonders genaue gesetzliche Determinierung:

„Gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. In ständiger Rechtsprechung tut der Verfassungsge-richtshof dar, dass daher bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen (...). Der Verfassungs-gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzli-cher Regelung sein können, ganz allgemein davon auszugehen sei, dass Art. 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (...). Eine besonders genaue gesetzliche Determinierung ist dabei in jenen Bereichen geboten, in denen eine exakte Vorherbestimmung möglich ist und in de-nen das Rechtsschutzbedürfnis (...) eine solche erfordert (...). Dies trifft auch auf den Bereich des Studienbeitragsrechts zu.“

Bei Mayers Lösung entsteht das zumindest merkwürdige Ergebnis, dass die gesetz-

liche Regelung wegen punktueller Determinierungsmängel praktisch zur Gänze be-

seitigt wurde, nun aber eine autonome Rechtssetzung durch die Universitäten prak-

tisch ohne gesetzliche Determinierung möglich geworden sein soll, wobei lediglich

die Satzung eine besonders genaue Determinierung vornehmen muss.

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Es ist auch keineswegs so, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden

Erkenntnis die verbliebenen fragmentarischen Bestimmungen bewusst als gesetzli-

chen Rahmen belassen hätte, in dem sich universitätsautonome Studienbeitragsre-

gelungen zu entfalten hätte. Vielmehr sah er § 91 Abs. 4 bis 6 als ebenfalls mit

Abs. 1 des § 91 UG in untrennbarem Zusammenhang stehend an und hätte sie da-

her aufgehoben, wenn die von ihm anzuwendende Fassung noch in Geltung gestan-

den wäre; folglich hätte er die geltenden Abs. 4 bis 6, da diese dieselben Regelungs-

gegenstände betreffen wie die frühere Fassung, in gleicher Weise aufgehoben wie

Abs. 1 bis 3 und 8, wenn sie bereits im Anlassfall anzuwenden gewesen wären. Auf

dem Boden der Mayerschen Auffassung hätte der Verfassungsgerichtshof einen un-

trennbaren Zusammenhang zwischen Regelungen über Umfang und Höhe von Stu-

dienbeiträgen einerseits und solchen über deren Fälligkeit und Einhebung anderer-

seits verneinen müssen.

Der gesetzliche Rahmen

Aber auch wenn man Mayer folgt und innerhalb eines nicht determinierungsbedürfti-

gen gesetzlichen Rahmens Handlungsfreiheit der Universitäten annimmt, ist zweifel-

haft, ob der nach der Aufhebung verbleibende „Rahmen“ Raum für autonome Fest-

setzung von Studiengebühren Raum lässt.

Die noch bestehenden gesetzlichen Regelungen setzen nämlich ihrerseits eine ge-

setzliche Regelung der Studienbeiträge voraus. So nennt § 22 Abs. 1 Z 9 UG unter

den Aufgaben des Rektorats die „Einhebung der Studienbeiträge in der gesetzlich

festgelegten Höhe“. Auch wäre schwer nachvollziehbar, warum (in § 91 UG) weiter-

hin einheitliche Bestimmungen zur Einhebung des Studienbeitrages bestehen soll-

ten, die viel bedeutsameren Fragen des Bestehens der Beitragspflicht und der Bei-

tragshöhe aber der Regelung durch die einzelnen Universitäten anheimgegeben sein

sollten. Und schließlich sieht § 91 Abs. 5 UG (in Singularform) einen – unter den be-

teiligten Universitäten aufzuteilenden – Studienbeitrag von Studierenden, die ein von

mehreren Universitäten gemeinsam eingerichtetes Studium betreiben oder die zu

mehreren Studien verschiedener Universitäten zugelassen sind, vor. Auch die Rege-

lungen über die Zulassung zum Studium, insbesondere jene über die Zulassungsfris-

ten (vgl. § 61 Abs. 2 arg. „Studierende gemäß § 91 Abs. 2“) stellen auf eine gesetzli-

che Regelung der Studiengebühren ab.

All diese Regelungen setzen offensichtlich einen gesetzlich festgelegten Studienbei-

trag voraus.

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Wenn aber der Gesetzgeber selbst erkennbar das Bestehen einer gesetzlichen Re-

gelung des Studienbeitrages voraussetzt, kann nicht derselbe Regelungsgegenstand

in den der Autonomie der Universitäten gezogenen Rahmen fallen.

Auch gilt zu bedenken, dass nach Wirksamwerden der Aufhebung § 91 Abs. 6 UG in

Geltung bleibt, wonach der Bundesminister „nähere Bestimmungen zur Einhebung

des Studienbeitrages“ durch Verordnung festzulegen hat.

Auf Grundlage der Auffassung Mayers müsste der BMWF auf Grundlage der Sat-

zungen eine Verordnung erlassen, was aber angesichts des Art. 18 Abs. 2 B-VG ver-

fassungswidrig wäre.

Zusammenfassend ist der Verfassungsdienst daher der Ansicht, dass die Universitä-

ten nur auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung und nicht eines „autonomen Sat-

zungsrechts“ Verordnungen (Satzungen) betreffend Studienbeiträge erlassen können

sowie eine Vielzahl von Bestimmungen des UG von einer gesetzlichen Regelung von

Studienbeiträgen ausgeht bzw. diese voraussetzt.

19.10.2011 HESSE eh.

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