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BKA-601.408/0006-V/2/2011 Prof. Heinz Mayer, Rechtsgutachten zur Zulässigkeit universitätsautonomer Studiengebühren
BEARBEITER ● HERR MAG DR KARL IRRESBERGER PERS. E-MAIL ● [email protected]
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Information für den Herrn Bundeskanzler zu Handen Mag. Maria Elisabeth Stubits-Weidinger und Dr. Alexander Klingenbrunner
Zulässigkeit universitätsautonomer Studiengebühren; Rechtsgutachten des o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer
Zu dem vorgelegten Rechtsgutachten des o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer nimmt der
Verfassungsdienst wie folgt Stellung:
Anlass und Inhalt des Gutachtens:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 30. Juni 2011, G 10/11, § 91
Abs. 1 bis 3 und 8 des Universitätsgesetzes 2002, und damit die für die Einhebung
von Studiengebühren durch die Universitäten zentralen Gesetzesbestimmungen, als
verfassungswidrig aufgehoben; die Aufhebung tritt mit Ablauf des 29. Februar 2012
in Kraft.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung hat
o. Univ.-Prof. Dr. Heinz Mayer ein Rechtsgutachten zur Frage erstellt, wie die
Rechtslage ist, wenn die aufgehobene Regelung nicht durch eine gesetzliche Neure-
gelung ersetzt wird, genauer gesagt, ob die Universitäten diesfalls befugt sind, eine
Neuregelung (über die Einhebung von Studiengebühren) im Rahmen ihrer Sat-
zungsautonomie zu treffen. Das Gutachten bejaht diese Frage.
Mayer konstatiert, dass der VfGH gegen Studienbeiträge an sich keine verfassungs-
rechtlichen Bedenken geäußert hat und dass einige Gesetzesbestimmungen, die die
Existenz von Studienbeiträgen voraussetzen, auch nach Inkrafttreten der Aufhebung
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dem Rechtsbestand angehören werden, wie zB über die Entrichtung, Einhebung und
Aufteilung (§ 91 Abs. 4 bis 7 UG 2002 in der geltenden Fassung, die im Anlassver-
fahren noch nicht anzuwenden waren) sowie den Erlass und die Rückerstattung der
Studienbeiträge (§ 92 UG 2002); wesentliche Fragen sind aber dann ungeregelt, so
etwa, wer unter welchen Voraussetzungen zur Leistung von Studienbeiträgen ver-
pflichtet ist und in welcher Höhe diese zu entrichten sind.
Diese Lücke kann nach Mayer durch das – einer gesetzlichen Determinierung nicht
bedürftige – Satzungsrecht der Universitäten im Sinne des Art. 81c B-VG gefüllt wer-
den; diese können die näheren Bestimmungen durch Verordnung treffen.
Dazu ist im Einzelnen zu bemerken:
Das Satzungsrecht der Universitäten
Die öffentlichen Universitäten „handeln im Rahmen der Gesetze autonom und kön-
nen Satzungen erlassen“ (Art. 81c Abs. 1 zweiter Satz B-VG) Diese im Jahr 2008
durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 2/2008 Bestimmung fasste (so die
Regierungsvorlage 314 BlgNR XXIII. GP) bis dahin bestehende verfassungsrechtli-
chen Regelungen betreffend die Universitäten in einer allgemeinen Bestimmungen in
einer allgemeinen Bestimmung zusammen. Ersetzt wurde insbesondere § 2 Abs. 2
des Universitäts-Organisationsgesetzes 1993. Nach dieser Verfassungsbestimmung
waren die Universitäten „im Rahmen der Gesetze und Verordnungen“ „zur weisungs-
freien (autonomen) Besorgung ihrer Angelegenheiten befugt“.
Die zugrundeliegende Regierungsvorlage erläuterte hiezu (1125 BlgNR XVIII. GP 45):
„Durch die Formulierung „im Rahmen der Gesetze" soll den Universitäten ein weite-rer Handlungsspielraum eröffnet werden, als dies die Formulierung „auf Grund der Gesetze" im Hinblick auf die eher restriktive Interpretation des Legalitätsprinzips ge-mäß Art. 18 B-VG durch die Höchstgerichte zuließe. Der Handlungsspielraum der Universitätsorgane wird aber nach dieser Bestimmung des Entwurfs jedenfalls dadurch eingeschränkt, daß.von den autonomen Universitätsorganen keine Hand-lungen gesetzt werden dürfen, die der bestehenden Rechtsordnung widersprechen sowie dadurch, daß die in der Rechtsordnung ausdrücklich vorgesehenen Gebots-vorschriften von den Universitätsorganen zu beachten sind.
Hieraus leitet Mayer ab, dass die Organe der Universitäten Regelungen betreffend
ihre Angelegenheiten auch dann treffen können, wenn eine gesetzliche Grundlage
fehlt; das Gesetz ist demnach für das Handeln der Universitäten im autonomen Be-
reich keine unabdingbare Grundlage, die im Verfassungstext genannten „Satzungen“
sind dann verfassungsunmittelbare, gesetzesergänzende Verordnungen.
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Dabei übergeht Mayer einzelne weitere Passagen, die die Erläuterungen zu § 2
Abs. 2 UOG 1993 als widersprüchlich erscheinen lassen. Diesen zufolge wurde die
Formulierung, wonach Angelegenheiten „im Rahmen der Gesetze und Verordnun-
gen" zu besorgen sind, in Art. 118 Abs. 4 B-VG über den eigenen Wirkungsbereich
der Gemeinden vorgefunden. Wie Mayer an anderer Stelle (Das österreichische
Bundes-Verfassungsrecht4, 474) in Übereinstimmung mit der Judikatur des VfGH
und der herrschenden Lehre ausführt, stellt Art. 118 Abs. 4 B-VG klar, dass auch im
eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde das Legalitätsprinzip uneingeschränkt gilt.
Dies gilt – angesichts der identen Formulierung – auch für das Satzungsrecht der
Universitäten. Weiters ist anzumerken, dass auch nicht-terretoriale Selbstverwal-
tungskörper nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur
auf Grund (vgl. bloß VfSlg. 16.853/2003 mwN) der Gesetze Verordnungen erlassen
können. Bereits im Erkenntnis VfSlg. 7903/1976 hat der Verfassungsgerichtshof ein
„gelockertes Legalitätsprinzip“ für autonome Satzungen abgelehnt.
Vor diesem Hintergrund erscheint bemerkenswert, dass das in Rede stehende Er-
kenntnis vom 30. Juni 2011 zwar Gesetzesbestimmungen, die von Universitätsorga-
nen anzuwenden sind, wegen Verstoßes gegen das aus dem Legalitätsprinzip erflie-
ßende Determinierungsgebotes aufgehoben hat, jedoch mit keinem Wort andeutet,
dass dieses Determinierungsgebot für Handlungen von Universitätsorganen über-
haupt nicht gelte. Vielmehr verlangt der VfGH gerade für das Studienbeitragsrecht
eine besonders genaue gesetzliche Determinierung:
„Gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden. In ständiger Rechtsprechung tut der Verfassungsge-richtshof dar, dass daher bereits im Gesetz die wesentlichen Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns umschrieben sein müssen (...). Der Verfassungs-gerichtshof hat aber auch ausgesprochen, dass angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzli-cher Regelung sein können, ganz allgemein davon auszugehen sei, dass Art. 18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt (...). Eine besonders genaue gesetzliche Determinierung ist dabei in jenen Bereichen geboten, in denen eine exakte Vorherbestimmung möglich ist und in de-nen das Rechtsschutzbedürfnis (...) eine solche erfordert (...). Dies trifft auch auf den Bereich des Studienbeitragsrechts zu.“
Bei Mayers Lösung entsteht das zumindest merkwürdige Ergebnis, dass die gesetz-
liche Regelung wegen punktueller Determinierungsmängel praktisch zur Gänze be-
seitigt wurde, nun aber eine autonome Rechtssetzung durch die Universitäten prak-
tisch ohne gesetzliche Determinierung möglich geworden sein soll, wobei lediglich
die Satzung eine besonders genaue Determinierung vornehmen muss.
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Es ist auch keineswegs so, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden
Erkenntnis die verbliebenen fragmentarischen Bestimmungen bewusst als gesetzli-
chen Rahmen belassen hätte, in dem sich universitätsautonome Studienbeitragsre-
gelungen zu entfalten hätte. Vielmehr sah er § 91 Abs. 4 bis 6 als ebenfalls mit
Abs. 1 des § 91 UG in untrennbarem Zusammenhang stehend an und hätte sie da-
her aufgehoben, wenn die von ihm anzuwendende Fassung noch in Geltung gestan-
den wäre; folglich hätte er die geltenden Abs. 4 bis 6, da diese dieselben Regelungs-
gegenstände betreffen wie die frühere Fassung, in gleicher Weise aufgehoben wie
Abs. 1 bis 3 und 8, wenn sie bereits im Anlassfall anzuwenden gewesen wären. Auf
dem Boden der Mayerschen Auffassung hätte der Verfassungsgerichtshof einen un-
trennbaren Zusammenhang zwischen Regelungen über Umfang und Höhe von Stu-
dienbeiträgen einerseits und solchen über deren Fälligkeit und Einhebung anderer-
seits verneinen müssen.
Der gesetzliche Rahmen
Aber auch wenn man Mayer folgt und innerhalb eines nicht determinierungsbedürfti-
gen gesetzlichen Rahmens Handlungsfreiheit der Universitäten annimmt, ist zweifel-
haft, ob der nach der Aufhebung verbleibende „Rahmen“ Raum für autonome Fest-
setzung von Studiengebühren Raum lässt.
Die noch bestehenden gesetzlichen Regelungen setzen nämlich ihrerseits eine ge-
setzliche Regelung der Studienbeiträge voraus. So nennt § 22 Abs. 1 Z 9 UG unter
den Aufgaben des Rektorats die „Einhebung der Studienbeiträge in der gesetzlich
festgelegten Höhe“. Auch wäre schwer nachvollziehbar, warum (in § 91 UG) weiter-
hin einheitliche Bestimmungen zur Einhebung des Studienbeitrages bestehen soll-
ten, die viel bedeutsameren Fragen des Bestehens der Beitragspflicht und der Bei-
tragshöhe aber der Regelung durch die einzelnen Universitäten anheimgegeben sein
sollten. Und schließlich sieht § 91 Abs. 5 UG (in Singularform) einen – unter den be-
teiligten Universitäten aufzuteilenden – Studienbeitrag von Studierenden, die ein von
mehreren Universitäten gemeinsam eingerichtetes Studium betreiben oder die zu
mehreren Studien verschiedener Universitäten zugelassen sind, vor. Auch die Rege-
lungen über die Zulassung zum Studium, insbesondere jene über die Zulassungsfris-
ten (vgl. § 61 Abs. 2 arg. „Studierende gemäß § 91 Abs. 2“) stellen auf eine gesetzli-
che Regelung der Studiengebühren ab.
All diese Regelungen setzen offensichtlich einen gesetzlich festgelegten Studienbei-
trag voraus.
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Wenn aber der Gesetzgeber selbst erkennbar das Bestehen einer gesetzlichen Re-
gelung des Studienbeitrages voraussetzt, kann nicht derselbe Regelungsgegenstand
in den der Autonomie der Universitäten gezogenen Rahmen fallen.
Auch gilt zu bedenken, dass nach Wirksamwerden der Aufhebung § 91 Abs. 6 UG in
Geltung bleibt, wonach der Bundesminister „nähere Bestimmungen zur Einhebung
des Studienbeitrages“ durch Verordnung festzulegen hat.
Auf Grundlage der Auffassung Mayers müsste der BMWF auf Grundlage der Sat-
zungen eine Verordnung erlassen, was aber angesichts des Art. 18 Abs. 2 B-VG ver-
fassungswidrig wäre.
Zusammenfassend ist der Verfassungsdienst daher der Ansicht, dass die Universitä-
ten nur auf Grund einer gesetzlichen Bestimmung und nicht eines „autonomen Sat-
zungsrechts“ Verordnungen (Satzungen) betreffend Studienbeiträge erlassen können
sowie eine Vielzahl von Bestimmungen des UG von einer gesetzlichen Regelung von
Studienbeiträgen ausgeht bzw. diese voraussetzt.
19.10.2011 HESSE eh.
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