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MEMORANDUM Berlin EMEA 100032272 Gutachtliche Stellungnahme zu den planungsrechtlichen Konsequenzen des prognostizierten reduzierten Verkehrsaufkommens für die B 178n – Abschnitt 1.1 - im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und der DEGES -

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MEMORANDUM Berlin

EMEA 100032272

Gutachtliche Stellungnahme

zu den planungsrechtlichen Konsequenzen des prognostizierten reduzierten Verkehrsaufkommens für die B 178n – Abschnitt 1.1

- im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und der DEGES -

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Gliederung A.  Hintergrund und Aufgabenstellung ................................................................................................. 3 

B.  Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ............................................................................ 5 

C.  Prognose der Verkehrsmenge A 4 – AS Weißenberg – S 112 ........................................................ 7 

D.  Rechtliche Würdigung .................................................................................................................. 10 

I.  Materielle Anforderungen an die Planfeststellung .................................................................... 10 

II.  Folgerungen für die weitere Planung der B 178, Abschnitt 1.1 ................................................ 13 

1.  Planrechtfertigung ................................................................................................................. 13 

2.  Grenzen des zwingenden (strikt einzuhaltenden) Rechts ...................................................... 16 

a)  Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG ................................................................. 16 

b)  Umweltverträglichkeit, insbesondere Schutz europäischer Vogelschutzgebiete .............. 19 

aa)  Europäisches Vogelschutzgebiet „Feldgebiete in der östlichen Oberlausitz“ ........... 20 

bb)  Artenschutz ............................................................................................................... 23 

3.  Raumordnung ........................................................................................................................ 24 

4.  Dimensionierung des Vorhabens .......................................................................................... 25 

a)  Dimensionierung gemäß technischer Regelwerke ............................................................ 25 

aa)  Ausgestaltung gemäß RAL ....................................................................................... 26 

bb)  Kriterien für die straßenbauliche Ausgestaltung gemäß RAL .................................. 27 

cc)  Dimensionierung der B 178, Abschnitt 1.1 gemäß RAL .......................................... 29 

dd)  Reichweite der Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung .................. 30 

b)  Zulässigkeit von RAL abweichender Dimensionierung ................................................... 34 

III.  Prozessuale Risiken............................................................................................................... 39 

Anhang ................................................................................................................................................. 41 

I.  Projektbeschreibung Abschnitt 1.1 ........................................................................................... 41 

II.  Auszüge aus den RAL .............................................................................................................. 42 

1.  Straßenkategorien nach den RIN und Geltungsbereich der RAL ......................................... 42 

2.  Entwurfsklassen und grundsätzliche Gestaltungsmerkmale ................................................. 42 

3.  Anhaltswerte für Abweichungen von der ausgewiesenen Entwurfsklasse ........................... 42 

4.  Regelquerschnitt 11,5+ ......................................................................................................... 43 

5.  Regelquerschnitt 15,5............................................................................................................ 44 

6.  Regelquerschnitt 21 .............................................................................................................. 44 

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A. Hintergrund und Aufgabenstellung

Zwischen der Bundesautobahn BAB A 4 (AS Weißenberg) und der Bundesgrenze zur Tschechischen Republik bzw. der Republik Polen ist der Neubau der Bundes-straße B 178 vorgesehen.

Bisher nicht realisiert ist (neben dem Abschnitt 3.3) der 1. Teilabschnitt A 4 bis Nostitz (S 112) (Abschnitt 1.1 – das „Vorhaben“).1

Er schließt an den Abschnitt 1.2 (S 112 westlich Nostitz bis Bundesstraße B 6 nörd-lich Löbau) an. Die gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Dresden für diesen Abschnitt 1.2 gerichteten Klagen hatte das BVerwG mit Urteilen vom 26. Oktober 20052 abgewiesen. Gleiches gilt für die Klagen gegen andere Ab-schnitte der B 178.3

Für das Gesamtprojekt Neubau B 178 steht nach dem Bedarfsplan zum FStrAbG der vordringliche Bedarf fest.

Für das Vorhaben („Neubau B 178 A 4 – Nostitz“, Abschnitt 1.1) stellte die DEGES als Projektträger für die BR Deutschland, vertreten durch den Freistaat Sachsen, am 5. Januar 2010 den Antrag auf Planfeststellung. Im Anschluss an die Erörterung des Vorhabens im Jahre 2011 erarbeitete die DEGES 2012 eine Tekturplanung (Ände-rungsplanung), die sie im Januar 2013 der Planfeststellungsbehörde übergab.4

Die Erörterung zum Vorhaben gemäß der Tekturplanung fand im Juni 2014 statt.5

Der Antrag aus dem Jahr 2010 sah auf Grundlage der ursprünglichen Verkehrsunter-suchung aus dem Jahr 2008 (mit dem Prognosehorizont 2020) einen vierstreifigen Ausbau dieses Abschnitts im (den damaligen Regelwerken genügenden) Regelquer-schnitt („RQ“) 20 vor.

Die im Zuge der Tekturplanung erarbeitete Verkehrsprognose 2013 (mit dem Prog-nosehorizont 2025) kam zu einer deutlich niedrigeren Verkehrsbelegung; gleichwohl sah die Planung weiterhin einen vierstreifigen Ausbau vor.

1 Zur Beschreibung des Abschnitts 1.1 s. die kartografische Beschreibung unten (Anhang I).

Das Vorhaben Neubau B 178 umfasst die folgenden Planungs- und Bauabschnitte:

1.1 BAB A 4 bis S 112 Nostitz (5,1 km; Planfeststellungsverfahren);

1.2 S 112 Nostitz bis B 6 nördlich Löbau (6,3 km; Verkehrsfreigabe 2008);

2 Ortsumgehung Löbau (4,1 km; Verkehrsfreigabe 2001);

3.1 S 148 Löbau bis S 143 Obercunnersdorf (5,9 km; Verkehrsfreigabe 2010);

3.2 S 143 Obercunnersdorf bis S 128 Niederoderwitz (10,2 km; Verkehrsfreigabe 2013);

3.3 S 128 Niederoderwitz bis B 178 alt Oberseifersdorf (5,9 km; Planfeststellungsverfahren);

4 Nordumgehung Zittau (4,1 km; Verkehrsfreigabe 2000);

5 B 99 bis Bundesgrenze Deutschland/Polen einschließlich Grenzbrücke (1,3 km; Verkehrsfreigabe 2013).

2 BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2005 – 9 A 33.04, 34.04, 49.04; vorangegangen waren die Beschlüs-se vom 14. Juli 2005 – 9 VR 20.04 21.04, 33.04, 37.04 in den vorläufigen Rechtsschutzverfahren.

3 S. etwa BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 9 A 9/10 zum Abschnitt 3.2 (S 143 östlich Obercunners-dorf bis S 128 bei Niederoderwitz) und Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06 zum Abschnitt 3.1 (S 148 bei Löbau bis S 143 bei Obercunnersdorf).

4 S. die Angaben zum Projektstand auf www.deges.de. 5 S. Wortprotokoll Erörterungstermin zum Vorhaben „B 178n, Verlegung BAB A 4 bis Bundesgrenze

D/PL und D/CZ, 1. Abschnitt, Teil 1“, Tektur a und Planergänzung, 5. Dezember 2014.

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Planfeststellungsbehörde ist seit dem 1. März 2012 die Landesdirektion Sachsen (zuvor Regierungspräsidium bzw. im Zuge der Verwaltungsneuordnung Landesdi-rektion Dresden).

Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 teilte die Landesdirektion Sachsen dem Sächsi-schen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) unter Bezug-nahme auf eine Besprechung vom 20. Januar 2015 mit, dass aus ihrer Sicht

„infolge der von 17.500 Kfz/24h auf nur noch 12.500 Kfz/24h ge-sunkenen, prognostizierten Verkehrsmengen (Verkehrsprognose 2025) die Trasse mit ihrem derzeitigen Querschnitt nicht gerichts-fest planfestgestellt werden …“6

könne. Die aktuelle Verkehrsentwicklung habe die ältere Planung überholt, und mit Blick auf die naturschutzrechtlichen Betroffenheiten und die Beeinträchtigung der Eigentumsbelange sei, auch mit Blick auf eine sonst gegebene Existenzgefährdung, eine Planung mit einem „geringeren Querschnitt zwingend erforderlich.“7

An einem Informationsgespräch zu dieser neuen Entwicklung, das am 3. März 2015 im SMWA stattfand, nahmen u. a. Vertreter des SMWA und der DEGES, Abgeord-nete des Deutschen Bundestages und des Sächsischen Landtags, die Landräte der Landkreise Görlitz und Bautzen, die (Ober-)Bürgermeister von Löbau, Zittau, Wei-ßenberg, Herrnhut und Mittelherwigsdorf sowie Vertreter der Interessengruppe B 178 und der IHK Dresden teil.8 Dabei traten unterschiedliche Auffassungen zuta-ge, welche planungsrechtlichen Konsequenzen aus der korrigierten Verkehrsprogno-se zu ziehen seien, konkret: ob ein vierstreifiger Bau des Abschnitts – weiterhin – gerichtsfest planfestgestellt werden könnte.

Zur Klärung der unterschiedlichen Auffassungen wurde im Anschluss an das Ge-spräch zum einen vereinbart, dass die Verkehrsprognose 2013 durch die Ingenieur-gruppe IVV GmbH Berlin („ivv“) überprüft werden soll. Zum anderen sind wir ge-beten worden, in einer gutachtlichen Stellungnahme die fachplanungsrechtlichen Zu-sammenhänge zu erläutern, insbesondere die rechtlichen Voraussetzungen für die Planfeststellung einer vierstreifig dimensionierten Strecke darzulegen und die bishe-rigen Überlegungen der Landesdirektion Sachsen zur Abwägung zu prüfen.

Wir fassen hierfür zunächst die Ergebnisse der Verkehrsprognosen zusammen (C.) und skizzieren sodann den planungsrechtlichen Rahmen für die Zulassung des Vor-habens (dazu D.I.). Anschließend betrachten wir die sich hieraus ergebenden Folge-rungen für die weitere Planung des Vorhabens (dazu D.II.), insbesondere mit Blick auf die erforderliche Planrechtfertigung, die durch zwingendes Recht für die Vorha-benzulassung gesetzten Grenzen, die Vorgaben zur Dimensionierung des Vorhabens sowie die prozessualen Risiken bei drei- bzw. vierstreifiger Planfeststellung.

Unserer Einschätzung liegen die uns von DEGES, SMWA, Landesdirektion Sachsen und ivv überlassenen Dokumente und gegebenen Informationen zugrunde.

6 S. Ergebnisvermerk vom 5. März 2015, S. 1. 7 S. hierzu auch den Vermerk der Landesdirektion Sachsen vom 1. August 2014 „Verfahrensstand

B 178n Abschnitt 1.1“. 8 S. Teilnehmerliste zum Ergebnisvermerk vom 5. März 2015.

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B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Auf Grundlage der jüngsten, mit der Tekturplanung vorgelegten Verkehrsprognose kann aus unserer Sicht ein dreistreifiger Neubau der B 178 von der A 4 bis Nostitz (S 112) voraussichtlich „gerichtsfest“ planfestgestellt werden.

Ein Festhalten an einer vierstreifigen Vorhabenplanung wäre demgegenüber mit weit höheren rechtlichen Risiken verbunden.

Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist unabhängig von der Verkehrsprognose nach wie vor gegeben. Das Vorhaben ist im Bedarfsplan zum FStrAbG als vordring-licher Bedarf aufgeführt. Diese gesetzliche Bedarfsfeststellung ist für die Planfest-stellungsbehörde und nachfolgend für die Gerichte verbindlich. Sie wird auch nicht durch die Verkehrsprognose 2013 in Frage gestellt. Dass die Bedarfsfeststellung durch den Gesetzgeber evident unsachlich und aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr haltbar wäre, ist angesichts der prognostizierten Verkehrsbelegung (noch) nicht erkennbar.

Für die nach der Verkehrsprognose zu erwartende Verkehrsbelegung ist nach den einschlägigen Richtlinien für die Anlage von Landstraßen („RAL“) gemessen an der großräumigen Verbindungsfunktion und hieraus folgender Einstufung in die Ent-wurfsklasse 1 („EKL 1“) eine straßenbauliche Ausgestaltung im dreistreifigen RQ 15,59 vorgesehen.

Die RAL sehen bei einer „sehr hohen Verkehrsnachfrage“ ausnahmsweise auch die Möglichkeit einer Ausgestaltung im vierstreifigen RQ 21 vor; dies kommt insbeson-dere in der Nähe von größeren Siedlungsräumen oder wegen der Bündelung von Verbindungen in bestimmten Netzteilen in Betracht.

Für eine ausnahmsweise größere Dimensionierung könnte hier angeführt werden, dass auf dem Abschnitt 1.1 der von der A 4 kommende Verkehr gebündelt wird. Als weitere verkehrliche Gründe könnten Gesichtspunkte der Verkehrssicherheit oder die bauliche Angleichung an den nachfolgenden Abschnitt 1.2 genannt werden. Ein belastbarer Nachweis für das ausnahmsweise Vorliegen derartiger besonderer Grün-de ist aus unserer Sicht aber bisher nicht geführt worden.

Da nach der Verkehrsprognose 2013 eine „sehr hohe Verkehrsnachfrage“ nicht zu erwarten ist, dürfte vielmehr der Regelfall eines dreistreifigen Ausbaus nach den RAL mit Blick auf die erreichbare Verkehrsqualität und die erzielbare durchschnitt-liche Fahrtgeschwindigkeit für das Vorhaben ausreichend sein. Auch ist ein derart hoher Schwerverkehrs- bzw. Lkw-Anteil, der für eine größere Dimensionierung sprechen könnte, nach den aktuellen Prognosen nicht zu erwarten.

Die gesetzliche Bedarfsfestlegung sieht für das Vorhaben keinen zwei-, sondern ei-nen vierstreifigen Neubau vor. Die Bedarfsfestlegung gibt damit eine vierstreifige Dimensionierung nicht bindend vor und steht einer dreistreifigen Ausgestaltung nicht entgegen, wenn mit ihr der vom Gesetzgeber gesehene Verkehrsbedarf nach näherer Prüfung sachgerecht bewältigt werden kann.

9 Die Zahlenangabe bezieht sich jeweils auf die Kronenbreite des Regelquerschnitts (hier: 15,5 m). Die

Einzelheiten der straßenbaulichen Ausgestaltung ergeben sich aus den RAL. Im Fall des RQ 15,5 sind drei Fahrstreifen (kein Standstreifen) vorgesehen, wobei der Überholfahrstreifen alternierend in beiden Fahrtrichtungen angelegt wird (durchgängig dreistreifiger, einbahniger Querschnitt). S. unten Anhang II.5. zu den hier grundsätzlich in Betracht kommenden Regelquerschnitten.

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Aus den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung ergeben sich keine Vorgaben für die Dimensionierung, insbesondere ergeben sich aus dem Ziel der Raumordnung, das Vorhaben Neubau B 178 bedarfsgerecht zu realisieren, keine Pflicht zur Ver-wirklichung, womöglich in einer bestimmten Dimensionierung. Die im Ergebnis des durchgeführten Raumordnungsverfahrens nach § 15 ROG festgestellte Raumverträg-lichkeit wird nicht durch eine geringere Dimensionierung in Frage gestellt, zumal dieser keine raumbedeutsamen Auswirkungen beigemessen werden können.

Selbst wenn verkehrliche Gründe prinzipiell neben einer dreistreifigen auch eine vierstreifige Ausgestaltung zulassen würden, eine dreistreifige Ausgestaltung also nicht zwingend vorgeben und das Planungsermessen nicht auf diese Variante redu-ziert wäre, so wäre eine vierstreifige Dimensionierung wegen der weitergehenden, insoweit planerisch nicht gebotenen Beeinträchtigung von Eigentumsrechten und Umweltbetroffenheiten jedenfalls höchst problematisch und voraussichtlich abwä-gungsfehlerhaft.

Eine vierstreifige Dimensionierung geht mit einer stärkeren Inanspruchnahme von Flächen einher. Diese wäre nur dann planerisch erforderlich, wenn die mit dem Vor-haben verfolgten verkehrlichen Ziele nach aktuellem Erkenntnisstand nicht bereits mit einer geringeren Dimensionierung erreicht werden können, sondern ein verkehr-licher Bedarf für eine größere Dimensionierung absehbar ist.

Sowohl mit Blick auf die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und die Anforderungen an die Belange des Allgemeinwohls, die darzulegen sind, um ggf. auch eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG rechtfertigen zu können, als auch hinsichtlich der Umwelt-verträglichkeit (insbesondere naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, Natura 2000-Gebietsschutz, Artenschutz) fehlt es dagegen an den Rechtmäßigkeitsvoraussetzun-gen für einen weitergehenden Eingriff und würde daher mindestens eine Fehlge-wichtung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange drohen, wenn keine der-art überwiegenden verkehrlichen Belange vorliegen, dass zur Erreichung der mit dem Vorhaben verfolgten verkehrlichen Ziele eine vierstreifige Dimensionierung planerisch erforderlich ist.

Insbesondere wäre eine etwaige erhebliche Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets nicht im Wege einer ggf. notwendigen Abweichungsprüfung zulassungsfä-hig. Auch eine Ausnahme für die Verwirklichung eines artenschutzrechtlichen Ver-botstatbestands könnte dann nicht erteilt werden. Eine Abweichung bzw. Ausnahme dürfte nämlich nicht erlaubt werden, wenn die Ziele der Planung auch mit geringeren Beeinträchtigungen (also mit einer reduzierten Dimensionierung) erreicht werden können. Das Vorhaben könnte dann sogar wegen Verstoßes gegen strikte Rechts-normen unzulässig sein. Der Nachweis, dass eine vierstreifige Dimensionierung des Vorhabens etwa aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendig wäre, liegt aus unse-rer Sicht bisher nicht vor.

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C. Prognose der Verkehrsmenge A 4 – AS Weißenberg – S 112

Die als Teil des ursprünglichen Antrags auf Planfeststellung 2010 vorgelegte Ver-kehrsuntersuchung von 200810 kam für den Prognosenetzfall 2020 zu einer Ver-kehrsbelegung von 19.000 Kfz/24h nördlich der AS Weißenberg und von 17.400 Kfz/24h südlich der AS Weißenberg.11 Der Anteil von Lkw > 2,8 t wurde in beiden Abschnitten mit 15 % tags (06:00 bis 22:00) bzw. 20 % nachts (22:00 bis 06:00) prognostiziert.

Auf Grundlage dieser prognostizierten Querschnittsbelegung kam die Verkehrsun-tersuchung zu dem Ergebnis, sowohl der Querschnitt RQ 15,5 (mit einer Kronenbrei-te von 15,5 m und drei Fahrstreifen) als auch der Querschnitt RQ 20 (mit einer Kro-nenbreite von 20 m und vier Fahrstreifen)12 seien für das Vorhaben geeignet. Dabei sei dem RQ 20 der Vorzug zu geben, da sich eine Ausgestaltung anhand des RQ 15,5 hinsichtlich der Verkehrsbelegung bereits im oberen Einsatzbereich befinde und mit einem hohen Anteil an Schwerverkehr zu rechnen und die Verkehrssicherheit bei Wahl des RQ 20 höher sei.

Auf der Grundlage der prognostizierten Verkehrszahlen wurde daher mit Blick auf die Verkehrsfunktion der Straße (A I – überregionale Straßenverbindung)13 ein vier-streifiger Ausbau im RQ 20 gewählt und dessen Planfeststellung beantragt. Nach den (damals geltenden) RAS-Q 96 entspreche dieser Regelquerschnitt in Abhängigkeit von der Straßenkategorie und der Verkehrsstärke der angestrebten Verkehrsqualität, der Verkehrssicherheit und der Wirtschaftlichkeit.14

Die im Zuge der Tekturplanung erarbeitete Verkehrsprognose von Januar 201315 kam unter Berücksichtigung der Landesverkehrsprognose (Zielhorizont 2025) jedoch zu einer deutlich niedrigeren Verkehrsbelegung.

Sie prognostizierte für den (südlichen) Abschnitt S 112 – AS Weißenberg nur noch 12.000 Kfz/d16 mit einem Schwerverkehrsanteil von Lkw > 3,5 t von 18 % (bei 2.200 Fahrzeugen) und für den (nördlichen) Abschnitt AS Weißenberg – A 4 nur noch 11.500 Kfz/d mit einem Schwerverkehrsanteil von 19 % (bei weiterhin 2.200 Fahrzeugen).

10 Dr. Brenner Ingenieurgesellschaft mbH, B 178 (n) Verlegung A 4 bis Bundesgrenze D/PL und D/CZ,

1. Bauabschnitt Teil 1, Anschluss A 4 –S 112 (Nostitz), Verkehrsuntersuchung vom 12. Februar 2008. 11 DTV Montag bis Freitag (= DTVw); die entsprechenden, für die schalltechnischen Prognoseberechnun-

gen erforderlichen DTV-Werte Montag bis Sonntag betragen 17.500 bzw. 16.00 Kfz/24h. 12 Ein (vierstreifiger, zweibahniger) Regelquerschnitt mit einer Kronenbreite von 20 m (RQ 20) ist nach

den geltenden RAL nicht vorgesehen. 13 S. Erläuterungsbericht, Unterlage 1, S. 4 (1.2 Straßenbauliche Beschreibung) unter Bezugnahme auf die

damaligen Richtlinien für die Anlage von Straßen – Teil: Linienführung („RAS-L“). – Vgl. nunmehr die RAL mit Bezugnahme auf die Richtlinien für integrierte Netzgestaltung („RIN“). Im Geltungsbe-reich der RAL werden folgende Verbindungsfunktionsstufen unterschieden: I – großräumig; II – über-regional; III – regional; IV – nahräumig. Für Autobahnen kommen nur die Verbindungsfunktionsstufen I und II sowie zusätzlich 0 – kontinental in Betracht.

14 S. Erläuterungsbericht, Unterlage 1, S. 4 (1.2 Straßenbauliche Beschreibung). 15 Ingenieurbüro K. Langenbach Dresden GmbH, B 178n VKE 321.1, Verlegung von A 4 bis Bgr. D/PL

und D/CZ, 1. Teilabschnitt A 4 bis Nostitz (S 112), Verkehrsplanerische Untersuchung – Prognose 2025 – mit Stand vom 18. Januar 2013.

16 Die Verkehrsplanerische Untersuchung weist nur die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke an Werktagen (DTVw) und nicht auch die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) aus.

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Gegenüber der Verkehrsuntersuchung aus 2008 liegen die zu erwartenden Verkehrs-stärken hiernach um 7.500 Kfz/24h im nördlichen und 5.400 Kfz/24h im südlichen Abschnitt niedriger (jeweils gemessen am DTVw).17 Dies entspricht einer Verminde-rung der prognostizierten Verkehrsvolumina um fast 40 % im nördlichen und ein knappes Drittel im südlichen Abschnitt.

Während die Gesamtverkehrsbelegung um fast 40 % nördlich der AS Weißenberg und um knapp ein Drittel im südlichen Abschnitt sinkt, ist eine weniger starke Redu-zierung des Lkw-Verkehrs zu erwarten. Bezogen auf Lkw > 2,8 t (unter Berücksich-tigung der vorstehend erläuterten Umrechnung) sinkt die Zahl der Lkw,18 wobei die Reduzierung nachts stärker ausfällt als am Tag (im südlichen Abschnitt bleibt sie nahezu gleich). Insgesamt ergibt sich eine Reduzierung von etwa 10 % tags und ei-nem Drittel nachts für den nördlichen und eine Reduzierung von nur etwa 1 % tags und einem Viertel nachts für den südlichen Abschnitt.

17 Unmittelbar anhand der Verkehrsprognosen lässt sich ein Vergleich zwischen den Anteilen des Lkw-

bzw. Schwerverkehrs wegen der unterschiedlichen Bezugsgrößen (> 2,8 t bzw. > 3,5 t) nicht vorneh-men.

Legt man einen von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in der Vergangenheit hierfür genutzten Umrechnungsfaktor von 1,17 (zur Umrechnung des Anteils an Lkw > 3,5 t auf Lkw > 2,8 t) zugrunde (s. hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 9 A 19.11 [Stadtautobahn Berlin – A 100], NVwZ 2013, 649 [653 Rz. 33]), ergeben sich hieraus nach der Verkehrsplanerischen Untersuchung Lkw-Anteile > 2,8 t von 21,5 % bzw. 22,4 % (bei jeweils umgerechnet 2.574 Fahrzeugen). Die Zahl der Lkw > 2,8 t fällt noch größer aus, wenn ein in jüngerer Zeit teilweise zugrunde gelegter Umrechnungs-faktor von 1,25 angewendet würde; dann ergäbe sich eine Belegung mit Lkw > 2,8 t von 2.750 Fahr-zeugen, was einem Anteil am Gesamtverkehr von 23,9 % im nördlichen und 22,9 % im südlichen Ab-schnitt entspräche.

Gegenüber der ursprünglichen Verkehrsprognose erhöht sich der Lkw-Anteil sowohl tags als auch nachts, wobei die Erhöhung des Tagesanteils (von 15 % auf 21,5 % bzw. 22,4 %) um fünf Prozentpunk-te höher ausfällt als der Nachtanteil.

18 Die Zahl der Lkw > 2,8 t würde allerdings noch größer ausfallen, wenn ein in jüngerer Zeit in der Ver-kehrswissenschaft teilweise zugrunde gelegter bzw. diskutierter Faktor zur Umrechnung der Zahl von Lkw > 3,5 t in Lkw > 2,8 t von 1,25 (und nicht 1,17) angewendet würde:

Dann ergäbe sich eine Belegung mit Lkw > 2,8 t von 2.750 sowohl tags als auch nachts, und zwar in beiden Abschnitten. Dies entspräche einem Anteil am Gesamtverkehr von 23,9 % im nördlichen bzw. 22,9 % im südlichen Abschnitt (also einer Erhöhung um 8,9 bzw. 3,9 Prozentpunkte im nördlichen, 7,9 bzw. 6,5 Prozentpunkte im südlichen Abschnitt). Die Zahl der Lkw würde sich damit im nördlichen Abschnitt um 100 bzw. 1.050 Fahrzeuge (oder 3,5 % bzw. 27,6 %) reduzieren; im südlichen Abschnitt ergäbe sich tags eine Erhöhung um 140 Fahrzeuge oder 5,4 %, nachts eine Reduzierung um 730 Fahr-zeuge oder 20,9 %.

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Trotz der reduzierten Zahl der Lkw steigt deren prozentualer Anteil an der insgesamt noch stärker verringerten Gesamtverkehrsmenge; er wird mit 22,4 % im nördlichen und 21,5 % im südlichen Abschnitt prognostiziert.

Die Verkehrsplanerische Untersuchung kam vor diesem Hintergrund zu dem Ergeb-nis, dass der RQ 15,5 angesichts der prognostizierten verminderten Verkehrsmen-ge geeignet sei und sich aus der zu erwartenden Verkehrsstärke dieser Regelquer-schnitt unmittelbar ableite. U. a. aus Gründen der Verkehrssicherheit und der kon-tinuierlichen Fortführung der Streckencharakteristika werde der RQ 20 aber weiter-hin empfohlen.

Zu dieser Empfehlung gelangte auch eine Stellungnahme von Prof. Lippold, des Lehrstuhlinhabers für Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen am Institut für Ver-kehrsplanung und Straßenverkehr an der TU Dresden.19 Er begründete dies mit Si-cherheitserwägungen bei Vermeidung von Unstetigkeiten durch vermeidbare Quer-schnittswechsel.

Auf dieser Grundlage blieb es bei der Planung eines vierstreifigen Ausbaus und zwar aus denselben Erwägungen wie im Rahmen der ursprünglichen Planung, d. h. mit Blick auf Verkehrsqualität, Verkehrssicherheit und Wirtschaftlichkeit.20 Der Erläute-rungsbericht bezog sich weiterhin auf die RAS-L.21

19 Technische Universität Dresden, Prof. Dr. Lippold, Gutachten B 178n, 1. BA Weißenberg / Nostitz,

Wahl des Regelquerschnitts, 2. Januar 2013. 20 S. Erläuterungsbericht, Unterlage 1 a, S. 4 (1.2 Straßenbauliche Beschreibung). 21 Die RAL wurden 2012 erarbeitet und mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 08/2013

vom 16. Mai 2013 bekanntgemacht.

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D. Rechtliche Würdigung

Die Zulassung („Genehmigung“) von Bundesstraßen des Fernverkehrs erfolgt im Wege der Planfeststellung nach §§ 17 ff. FStrG22 i.V.m. §§ 72 ff. VwVfG23.

Nach § 17 Satz 1 FStrG dürfen Bundesfernstraßen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Für das Planfeststellungsverfahren gelten nach § 17 Sätze 3 und 4 FStrG die §§ 72 bis 78 VwVfG bzw. die entsprechenden landes-rechtlichen Vorschriften24 nach Maßgabe des FStrG.

Bundesstraßen des Fernverkehrs (Bundesfernstraßen) sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FStrG öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und ei-nem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind. Sie gliedern sich in Bundesautobahnen und in Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten (§ 1 Abs. 2 FStrG). Der Neubau B 178 ist eine Bundesfernstraße in diesem Sinne und bedarf der Planfeststellung auf Grundlage des § 17 FStrG.

I. Materielle Anforderungen an die Planfeststellung

Die materiellen Anforderungen an eine Planfeststellung ergeben sich nur teilweise aus dem FStrG selber. Ausdrücklich sieht § 17 Satz 2 FStrG nur vor, dass bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksich-tigen sind (Abwägungsgebot).

Wie jede andere rechtsstaatliche Verwaltungsentscheidung hat aber auch die Plan-feststellung die Grenzen des zwingenden Rechts zu wahren, das nicht im Wege der Abwägung überwunden werden kann. Hierzu gehören neben den eigentumsrechtli-chen Belangen einschließlich möglicher Existenzgefährdungen von Unternehmen insbesondere die Grenzen des (europäischen) Naturschutzrechts.

- Potenziell Enteignungsbetroffenen können eine umfassende Prüfung der Plan-feststellung durch die Gerichte beanspruchen, weil sie im Lichte des Art. 14 Abs. 3 GG eine Inanspruchnahme ihres privaten Eigentums für die Planung nur durch einen „in jeder Hinsicht rechtmäßigen“ Planfeststellungsbeschluss hin-nehmen müssen (Vollüberprüfungsanspruch).25

Einer fernstraßenrechtlichen Planfeststellung kommt enteignungsrechtliche Vorwirkung zu: Die Träger der Straßenbaulast können zur Verwirklichung ih-res Vorhabens eine Enteignung betreiben und es bedarf im Enteignungsverfah-ren keiner weiteren Feststellung der Zulässigkeit der Enteignung (s. § 19 FStrG).

22 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) vom 6. August 1953, BGBl. I S. 903, neugefasst durch Bekanntma-

chung vom 28. Juni 2007, BGBl. I S. 1206, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 31. Mai 2013, BGBl. I S. 1388.

23 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003, BGBl. I S. 102, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 25. Juli 2013, BGBl. I S. 2749.

24 Nach § 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens- und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG) gilt das VwVfG des Bundes in der jeweils geltenden Fas-sung entsprechend. Es ergeben sich insoweit im vorliegenden Fall keine Abweichungen vom VwVfG.

25 S. aus der jüngeren Rechtsprechung nur BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 – 9 A 64.07, BVerwGE 134, 308 Rz. 23 f.; Urteil vom 30. Mai 2012 – 9 A 35.10, NVwZ 2013, 147 Rz. 19; Urteil vom 10. Oktober 2012 – 9 A 19.11 [Stadtautobahn Berlin – A 100], NVwZ 2013, 649 Rz. 13; dazu auch Schütz, in: Ziekow, Handbuch des Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 28.

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Da eine Enteignung „nur zum Wohle der Allgemeinheit“ zulässig ist, dürfen vorhabenbedingt keine Flächen in Anspruch genommen (und ggf. enteignet) werden, die für das Vorhaben zur Erreichung der damit verfolgten Ziele26 nicht benötigt werden.

Eigentumsbetroffene können daher auch eine Prüfung der Planrechtfertigung be-anspruchen. Gemessen an den Zielsetzungen des FStrG muss das Vorhaben ver-nünftigerweise geboten und in diesem Sinne erforderlich sein. Bei Vorhaben, de-ren Erforderlichkeit in einem Bundesbedarfsplan für die Planfeststellung ver-bindlich festgelegt worden sind, ergibt sich die Planrechtfertigung bereits aus dieser gesetzlichen Vorgabe. In einem solchen Fall können unter dem Gesichts-punkt der evidenten Unsachlichkeit der Bedarfsfestlegung und der Überschrei-tung der Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens nur verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht werden.27

- Dies gilt zum anderen hinsichtlich naturschutzrechtlicher Belange, insbeson-dere mit Blick auf den Natur- und Artenschutz in Gestalt der restriktiven Ein-griffsregelung nach §§ 14 ff. BNatSchG, auf den umfassenden Schutz von Ge-bieten gemeinschaftlicher Bedeutung (FFH-Gebiete) und Europäischer Vogel-schutzgebiete – Natura 2000 – nach § 34 BNatSchG und auf den (besonderen europäischen) Artenschutz nach §§ 44 f. BNatSchG.28

Diese gesetzlichen Vorgaben sind einer Abwägung nicht zugänglich. Nur im Rahmen der jeweils geltenden Regelungen sind Befreiungen oder Ausnahmen im Einzelfall möglich. Grundvoraussetzung ist auch hier die Erforderlichkeit des Eingriffs zur Verwirklichung eines hinreichend gewichtigen Vorhabens.

- Schließlich muss ein fernstraßenrechtliches Vorhaben in Einklang stehen mit den übergeordneten Planungen, insbesondere mit den Vorgaben der Raumord-nung. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den Zielen der Raumordnung, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ROG29 u.a. bei raumbedeutsamen Planungen und Maß-nahmen öffentlicher Stellen zu „beachten“ sind, denen also grundsätzlich strikte Bindungswirkung zukommt, und Grundsätzen sowie sonstigen Erfordernissen der Raumordnung, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 a.E. ROG in Abwägungs- oder Ermessensentscheidungen (nur) zu „berücksichtigen“ sind. Grundsätze der Raumordnung können bei der Abwägung gegenüber anderen abwägungsrelevan-ten Belangen hintangestellt werden.30 Dies gilt auch für die sonstigen Erforder-nisse der Raumordnung, zu denen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ROG auch die Ergeb-nisse förmlicher landesplanerischer Verfahren wie des Raumordnungsverfahrens (nach § 15 ROG) gehören. Dem Ergebnis der raumordnerischen Prüfung raum-

26 Vgl. unter dem Gesichtspunkt der Null-Variante Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17

Rn. 39: etwa Beseitigung eines Unfallschwerpunkts, Erhöhung der Kapazität einer Straße, Entlastung einer Ortsdurchfahrt von Durchgangsverkehr.

27 Ständige Rechtsprechung, s. etwa BVerwG, Urteil vom 8. Juni 1995 – 4 C 4.94, BVerwGE 98, 339 (347 f.); Urteil vom 8. Januar 2014 – 9 A 4/13, BVerwGE 149, 31 Rz. 34 ff.; vgl. auch Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17 Rn. 38.

28 Überblick bei Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17 Rn. 64 ff. 29 Raumordnungsgesetz (ROG) vom 22. Dezember 2008, BGBl. I S. 2986, zuletzt geändert durch Art. 9

des Gesetzes vom 31. Juli 2009, BGBl. I S. 2585. – Etwas hiervon Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Gesetz zur Raumordnung und Landesplanung des Freistaates Sachsen (Landesplanungsgesetz – SächsLPlG) vom 11. Juni 2010, GVBl. S. 174. Nach § 1 Abs. 1 SächsLPlG regelt das Gesetz (nur) Ergänzungen zum Raumordnungsgesetz (des Bundes).

30 Goppel, in: Spannowsky/Runkel/Goppel, ROG, 2010, § 4 Rn. 53.

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bedeutsamer Maßnahmen und Planungen, d. h. der Feststellung ihrer Raumver-träglichkeit oder -unverträglichkeit, kommt also keine strikte Bindungswirkung (Beachtenspflicht) zu, sondern kann im Wege der Abwägung überwunden wer-den. Eine strikte Bindung an Ziele der Raumordnung setzt voraus, dass die zu-ständige Stelle bei der Aufstellung des Ziels beteiligt worden ist und ihm nicht widersprochen hat (vgl. § 5 ROG); im Übrigen bleibt die Festlegung von Aus-nahmen oder ein Zielabweichungsverfahren vorbehalten (§ 6 ROG).

Auch soweit kein striktes Recht einschlägig ist, können Vorhabenträger und Plan-feststellungsbehörde nicht frei agieren. Nach ständiger Rechtsprechung verlangt das in § 17 Satz 2 FStrG positivierte Abwägungsgebot, dass

- erstens eine Abwägung überhaupt stattfindet,

- zweitens in die Abwägung alle Belange eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden müssen,

- drittens die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange nicht verkannt wird und dass

- viertens der Ausgleich zwischen ihnen nicht in einer Weise vorgenommen wird, die zum objektiven Gehalt der Belange außer Verhältnis steht.31

Die gerichtliche Überprüfung ist insoweit auf das Vorliegen von Abwägungsfehlern beschränkt und die Fehlerfolgen sind durch gesetzliche Regelungen zum „Planer-halt“ beschränkt, die eine Nachbesserung fehlerhafter Entscheidungen in gewissem Umfang erlauben.32 Hat die Zulassungsbehörde die rechtlichen Grenzen der Abwä-gung eingehalten, etwa bei der Prüfung planerischer Alternativen, so wird das Ab-wägungsgebot nicht verletzt, wenn eine andere planerische Lösung unter bestimmten Gesichtspunkten als vorzugswürdig angesehen werden könnte. Vielmehr steht der Planfeststellungsbehörde die Befugnis zu, im Rahmen des Planungsermessens die-jenige planerische Gestaltung zu wählen, die den von ihr (rechtmäßig) priorisierten Zielen am besten entspricht. Dann prüfen die Gerichte nicht, ob eine andere planeri-sche Entscheidung „besser“ wäre.33

Welche Gesichtspunkte im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Insbesondere die Dimensionierung, die Prüfung von planerischen Alternativen (einschließlich der Linienführung) und die Bildung von Planungsabschnitten können Gegenstand der Abwägung sein.

Als spezielle planungsrechtliche Form des Abwägungsgebots wird der Grundsatz der Konfliktbewältigung angesehen, wonach eine Planfeststellung alle durch das Vorhaben und das Verfahren aufgeworfenen Probleme aufarbeiten und einer Lösung

31 Ständige Rechtsprechung, s. nur BVerwG, Urteil vom 14. Februar 1975 – IV C 21.74, BVerwGE 48, 56

(63 ff.); Urteil vom 7. Juli 1978 – 4 C 79.76 u. a., BVerwGE 56, 110 (122 f.); Beschluss vom 20. Dezember 1988 – 7 NB 2.88, BVerwGE 81, 128 (132 ff.); Urteil vom 27. März 1992 – 7 C 18.91, BVerwGE 90, 96 (101 f.); Urteil vom 19. August 2004 – 4 A 9/04, UA S. 5 f.; Überblicke bei Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17 Rn. 41 ff.; Ziekow, in: ders. Handbuch des Fachplanungs-rechts, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 1 ff. sowie Schütz, a.a.O., § 8 Rn. 49 ff.; Steinberg/Wickel/Müller, Fach-planung, 4. Aufl. 2012, § 3 Rn. 107 ff.

32 S. § 75 Abs. 1a VwVfG (zuvor § 17e Abs. 6 FStrG); dazu Sauthoff, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17e Rn. 37 ff.; aus der Rechtsprechung etwa BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 – 4 C 2.03, BVerwGE 120, 276 (283).

33 Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 36 (zum Abschnitt 3.1 der B 178).

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zuführen muss.34 Eine Planfeststellung darf nur ausnahmsweise einen durch das Vorhaben aufgeworfenen Problemkomplex ausklammern und einer späteren Ent-scheidung vorbehalten.

Verkehrsprognosen sind zum einen zum Nachweis eines Bedarfs für das Vorhaben von Bedeutung, sei es für die Planfeststellungsbehörde, sei es – bei Bedarfsplanvor-haben wie dem vorliegenden – für den Gesetzgeber des FStrAbG. Zum anderen spielt die Prognose der zu erwartenden Verkehrsstärke eine Rolle für die Berechnung der Lärmauswirkungen und damit für die Ausgestaltung von Lärmschutzmaßnahmen und für die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens.35

II. Folgerungen für die weitere Planung der B 178, Abschnitt 1.1

Unter Berücksichtigung der deutlich nach unten korrigierten Verkehrsprognose 2013 gilt im Hinblick auf das Vorhaben (Abschnitt 1.1 des Neubaus B 178) das Folgende:

1. Planrechtfertigung

Keine Auswirkungen hat die Verkehrsprognose für die Planrechtfertigung. Unter dem Gesichtspunkt des fernstraßenrechtlichen Bedarfs sehen wir keine Bedenken an der grundsätzlichen Zulässigkeit des Vorhabens.

Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörde brauchen den Bedarf für das Vorha-ben, d. h. dessen fernstraßenrechtliche Erforderlichkeit, auch nicht anhand der zu erwartenden Verkehrsbelegung einzelfallbezogen und vorhabenkonkret nachzuwei-sen, solange die gesetzliche Bedarfsfeststellung gilt, eine Änderung nicht konkret absehbar ist und die gesetzliche Bedarfsfeststellung nicht im verfassungsrechtlichen Sinne als willkürlich angesehen werden muss.

Grundsätzlich ist der Bedarf für das Vorhaben durch den Gesetzgeber des FStrAbG und damit die Planrechtfertigung verbindlich festgestellt worden. Das Vorhaben B 178n ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ([kartographische] Anlage zum FStrAbG36) aufgeführt.

Nach der Karte zum FStrAbG in der Fassung des 5. Änderungsgesetzes vom 4. Oktober 200437 gilt bezogen auf den Neubau der B 178 Folgendes:

- Von der BAB A 4 in Höhe Weißenberg ist der Neubau einer Bundesstraße mit vier Streifen38 in südliche Richtung bis zur (bestehenden) B 6 vorgesehen.

- Nach Querung der B 6 folgt ein Abschnitt, der als laufendes und fest disponier-tes Vorhaben eingestellt ist, der ebenfalls mit vier Streifen neu gebaut wird.

34 Vgl. Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17 Rn. 49. 35 Nicht Gegenstand dieser gutachtlichen Stellungnahme sind die – methodischen – Anforderungen an

Verkehrsprognosen; s. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 9 A 19.11 [Stadtautobahn Berlin – A 100], NVwZ 2013, 649 Rz. 20 ff.

36 Gesetz über den Ausbau der Bundesfernstraßen (Fernstraßenausbaugesetz – FStrAbG) vom 30. Juni 1971 in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Januar 2005, BGBl. I S. 201, zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006, BGBl. I S. 2833.

37 BGBl. I S. 2574. 38 Der Bedarfsplan sieht nur eine zwei-, vier-, sechs- oder achtstreifige Dimensionierung vor, keine

dreistreifige.

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- Hieran schließt sich der neu eingestellte Neubau weiter in südliche bzw. südöst-liche Richtung bis Zittau an, der nur zweistreifig gebaut werden soll.

- Das gesamte Vorhaben ist als vordringlicher Bedarf eingestuft.

Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 FStrAbG entsprechen die in den Bedarfsplan aufgenomme-nen Bau- und Ausbauvorhaben den Zielsetzungen des § 1 Abs. 1 FStrG. Nach Satz 2 der Norm ist die Feststellung des Bedarfs für die Linienbestimmung nach § 16 FStrG und für die Planfeststellung nach § 17 FStrG verbindlich.

Diese gesetzgeberische Festlegung des fernstraßenrechtlichen Bedarfs wird durch eine später erstellte Verkehrsprognose grundsätzlich nicht in Frage gestellt (dazu so-gleich).

Dass für das Vorhaben B 178n ein Bedarf besteht, entspricht auch der Bundesver-kehrswegeplanung. Diese ist nicht (außen-)rechtsverbindlich, sondern stellt „nur“ ei-nen politischen Investitionsrahmen und ein Planungsinstrument dar, mit dem bun-desweit für die Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße die realisierbaren und finanzierbaren Planungen zusammengefasst werden; eine verbindliche Finanzie-rungszusage oder ein Finanzierungsprogramm ist damit freilich noch nicht verbun-den.39 In diesem Sinne wird mit dem Bundesverkehrswegeplan vor allem die Investi-tionsstrategie der Bundesregierung festgelegt.40

- Die gesetzliche Feststellung des Bedarfs im FStrAbG knüpft an die Aufnahme des Vorhabens in den Bundesverkehrswegeplan 200341 an.

Ein Abschnitt der B 178 (n Löbau – s Löbau) ist darin als laufendes und fest dis-poniertes Vorhaben aufgeführt, fünf weitere Abschnitte (unter den lfd. Nr. 96 bis 100) als neue Vorhaben. Unter lfd. Nr. 96 ist darunter auch der Abschnitt „A 4 – B 6n Löbau“ mit einer Länge von 11,7 km und Investitionskosten in Höhe von 77,0 Mio. Euro aufgeführt. Als Bautyp ist eine vierstreifige Errichtung ohne Sei-tenstreifen vorgesehen.42

- Der (noch nicht beschlossene) Bundesverkehrswegeplan 2015, auf dessen Grundlage möglicherweise auch eine Überarbeitung des Bedarfsplans zum FStrAbG erfolgen wird, enthält zwei Abschnitte der B 178, nämlich die Ab-schnitte 1.1 und 3.3,43 als laufende Vorhaben, d. h. Maßnahmen des Bedarfs-plans 2004, die im neuen Bundesverkehrswegeplan (als fest disponierte Vorha-ben) nicht mehr untersucht werden, sondern im Bezugsfall des neuen Bundes-verkehrswegeplans enthalten sind.

Unter lfd. Nr. 1548 bzw., bezogen auf den Freistaat Sachsen, lfd. Nr. SN 7, ist das Vorhaben „Nostitz – A 4“ mit einem vierstreifigen44 Neubau vorge-sehen. Der unter lfd. Nr. 1547 bzw. SN 6 aufgeführte Abschnitt „Niederoderwitz

39 S. Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, Einf Rn. 29. 40 S. dazu die Angaben auf der Internetseite des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruk-

tur unter http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/G/bundesverkehrswegeplan-2003.html. 41 Beschluss der Bundesregierung vom 2. Juli 2003. 42 S. Bundesverkehrswegeplan 2003, S. 140. 43 S. oben Fußn. 1 zu den Planungs- und Bauabschnitten der B 178. 44 Auch dem Bundesverkehrswegeplan ist eine dreistreifige Dimensionierung fremd (s. oben Fußn. 38). –

Zu der Reichweite der Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung im FStrAbG zur Dimen-sionierung eines Vorhabens nachfolgend unter D.II.4.a)dd)).

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– Zittau“ soll als zweistreifiger Neubau ausgeführt werden. Beide Abschnitte sind mit der Bemerkung „Fertigstellung des Gesamtprojekts“ versehen. Für diese fest disponierten Vorhaben, die einer nochmaligen Überprüfung nicht mehr un-terzogen werden, wird hiernach (weiterhin) ein Verkehrsbedarf gesehen, der eine entsprechende Investitionsentscheidung des Bundes rechtfertigt.

Auf die nach aktuellem Stand zu erwartenden Verkehrsbelegung kommt es für die Planrechtfertigung als solche nicht an. Selbst eine mangelhafte projektbezogene Verkehrsprognose würde keine Rückschlüsse auf die den Prognosen des Bedarfs-plans und deren Überprüfung und Bestätigung durch das Bundesverkehrsministeri-um zugrunde liegenden Annahmen zulassen.45 Eine neue Verkehrsprognose spielt erst dann eine Rolle, wenn anhand der hiernach zu erwartenden Verkehrsbelegungen feststeht, dass die Bedarfsfestlegung durch den Gesetzgeber evident unsachlich war und verfassungsrechtlich keinen Bestand haben kann.46

Tatsächlich belegt die Verkehrsplanerische Untersuchung – Prognose 2025 – mit Stand vom 18. Januar 2013 aber, dass für das Vorhaben weiterhin ein Bedarf besteht, wenn auch mit deutlich nach unten korrigierten Verkehrszahlen. Selbst eine Ver-kehrsbelegung, die noch einmal etwa ein Drittel niedriger liegt als die prognostizier-ten Verkehrszahlen, würde die Bedarfsentscheidung nach der Rechtsprechung des BVerwG zum Abschnitt 3.2 der B 178n nicht entfallen lassen.47

Vor diesem Hintergrund spricht – auch mit Blick auf die sachlichen Erwägungen des BVerwG in den Entscheidungen zu anderen Abschnitten der B 17848 – nichts dafür, dass die Bedarfsfestlegung des Gesetzgebers unter dem Gesichtspunkt einer eviden-ten Fehleinschätzung verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre.

Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BVerwG in Klageverfahren zu anderen Abschnitten der B 178:

- So hat das BVerwG in Bezug auf den unmittelbar südlich an den hier betrachte-ten Abschnitt 1.1 angrenzenden Teilabschnitt 1.2 (S 112 Nostitz bis B 6 nördlich Löbau) entschieden, die Feststellung des Bedarfs sei nicht evident unsachlich und auch nicht durch zwischenzeitlich eingetretene tatsächliche Änderungen in Zweifel zu ziehen.49

- U. a. in Bezug auf den Teilabschnitt 3.1 hat das BVerwG klargestellt, dass Än-derungen der für die Bedarfsfeststellung maßgeblichen Grundlagen die Verbind-lichkeit des Bedarfsplans grundsätzlich nicht entfallen lassen; nach der Konzep-tion des FStrAbG sei es Aufgabe des Gesetzgebers, auf solche Änderungen zu reagieren, wovon der Gesetzgeber aber gerade abgesehen habe und auch bei der Fortschreibung des Bedarfsplans zum FStrAbG mit dem 5. Änderungsgesetz aus

45 S. nur BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 – 9 A 4/13, BVerwGE 149, 31 Rz. 35 m.w.N. 46 Zu diesem Prüfungsmaßstab s. nur BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 – 9 A 20/08, NVwZ 2011, 177

Rz. 38 f. 47 S. BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 9 A 9/10, Rz. 20 (zum Abschnitt 3.2 der B 178) bei einer (von

den dortigen Klägern behaupteten) Verkehrsbelegung von nur 8.300 Kfz/24h. 48 S. hier nur BVerwG, Urteil vom 23. März 2011 – 9 A 9/10, Rz. 19 ff. (zum Abschnitt 3.2 der B 178). 49 S. nur BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2005 – 9 A 49.04, Rz. 22 ff.; ebenso zuvor schon Beschluss

vom 14. Juli 2005 – 9 VR 37.04, Abdruck S. 3 ff.

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200450 auf Grundlage des Bundesverkehrswegeplans 2003 unverändert von ei-nem verkehrlichen Bedarf ausgeht.51

Trotz der deutlich reduzierten Prognose des Verkehrsaufkommens ist die Zulässig-keit des Vorhabens unter dem Gesichtspunkt der Planrechtfertigung hiernach nicht zu beanstanden.

2. Grenzen des zwingenden (strikt einzuhaltenden) Rechts

Das deutlich reduzierte Verkehrsaufkommen kann auch bei fortbestehendem Bedarf aber mit Blick auf die Grenzen des zwingenden Rechts Bedeutung haben und einer vierstreifigen Ausgestaltung (im RQ 21) entgegenstehen. Dies macht der Sache nach die Landesdirektion Sachsen geltend.

Unter Berücksichtigung der bisher vorgebrachten Einwendungen und Stellungnah-men sind im vorliegenden Zusammenhang namentlich der Schutz des Eigentums nach Art. 14 GG einschließlich der möglichen Existenzgefährdung Betroffener so-wie der Belang der Umweltverträglichkeit (Beeinträchtigung eines Europäischen Vogelschutzgebiets) zu beachten.

Einwender haben im Anhörungsverfahren vorgebracht, dass eine vierstreifige Aus-gestaltung aus diesen Gründen rechtswidrig wäre, und in Aussicht gestellt, einen Planfeststellungsbeschluss, der einen vierstreifigen Ausbau vorsieht, gerichtlich an-greifen zu wollen.

Die Dimensionierung eines Straßenbauvorhabens ist dabei nicht durch Rechtsvor-schriften bindend bzw. zwingend vorgegeben. Der Vorhabenträger hat ein planeri-sches Ermessen, welche verkehrlichen Ziele er mit einem Vorhaben verfolgen will. Diese Ziele bilden – ihre Legitimität unterstellt – den Bezugspunkt für die rechtliche Prüfung.

a) Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG

Eine vierstreifige Ausgestaltung könnte, so die Befürchtung der Landesdirektion, zu einer Fehlgewichtung und -bewertung des Eingriffs in das durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Eigentumsrecht führen, wenn die für eine solche Dimensionierung spre-chenden (verkehrlichen) Belange kein solches Gewicht haben, dass sie die gegen-über einer nur dreistreifigen oder gar zweistreifigen Ausgestaltung weitergehende Inanspruchnahme des Eigentums tragen.

Einem Planfeststellungsbeschluss kommt nach § 19 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 FStrG ent-eignungsrechtliche Vorwirkung zu, denn er entscheidet verbindlich über die Zuläs-sigkeit der Enteignung, ist dem Enteignungsverfahren zugrunde zu legen und für die Enteignungsbehörde bindend.52

Eine Enteignung ist nach Art. 14 Abs. 3 GG nur zum Wohle der Allgemeinheit zu-lässig. Sie muss erforderlich sein und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Durch die Enteignung muss der – mit dem Vorhaben – beabsichtigte Zweck gefördert werden. Es darf kein milderes Mittel als eine Enteignung in diesem

50 S. hierzu den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1657. 51 S. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 27. 52 Vgl. Kromer/Müller, in: ders./Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 19 Rn. 36 f.

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Umfang gegeben sein und der angestrebte Erfolg muss in angemessenem Verhältnis zur Enteignungswirkung stehen.53

Die Inanspruchnahme des Eigentums ist daher auf das für die Erreichung der pla-nerischen Ziele Notwendige zu reduzieren, andernfalls dient es nicht dem Wohle der Allgemeinheit.

Diese Bedingung ist bei der Zulassung eines Straßenbauvorhabens erfüllt, wenn in der Planfeststellung eine rechtmäßige Abwägungsentscheidung getroffen worden ist; für die im Grunderwerbsverzeichnis bezeichneten Flächen steht dann fest, dass das Vorhaben, für das sie benötigt werden, dem Wohle der Allgemeinheit dient und die bezeichneten Grundstücke enteignet werden können.54

Welche Dimensionierung mit Blick auf die Eigentumsgarantie und die Zulassung der Enteignung zulässig ist, bestimmt sich daher anhand der im Einzelfall mit dem Vor-haben verbundenen planerischen (verkehrlichen) Ziele. Den damit verbundenen Be-langen müsste im Rahmen der Abwägung ein solches Gewicht zukommen, dass sie die angestrebte straßenbauliche Ausgestaltung und den damit verbundenen Flä-chen(mehr)bedarf rechtfertigen.

Stellt man die Auswirkungen einer Ausbildung im RQ 15,5 der Ausbildung im RQ 21 gegenüber, so führt letztere offensichtlich zu einer größeren Flächeninan-spruchnahme. Wie groß der Flächenmehrbedarf im Fall der vierstreifigen Ausgestal-tung unter Berücksichtigung der ohnehin vorgesehenen Ein- und Ausfädelungen und Kreuzungen mit dem nachgeordneten Straßennetz sowie dem Anschluss an den Ab-schnitt 1.2 ist, können wir nicht abschließend einschätzen. Bei einer überschlägigen Rechnung ergibt sich ein Flächenmehrbedarf von etwa 28 Hektar (bei etwa 5.100 m Trassenlänge und einer Verbreiterung um 5,5 m).

Bei der Bewertung der Eigentumsbelange, insbesondere auch mit Blick auf eine mögliche Existenzgefährdung betroffener Betriebe, ist zu berücksichtigen, dass sich das Gewicht der individuellen Betroffenheiten im Einzelfall noch verstärken kann, weil auch Summationseffekte der Flächeninanspruchnahme in vorherigen Planungs-abschnitten (hier insbesondere Abschnitt 1.2) zu berücksichtigen sind.55 Daher ist mit Blick auf eine mögliche Existenzgefährdung durch die Inanspruchnahme des Ei-gentums nicht nur auf die im Abschnitt 1.1 selbst benötigten Flächen abzustellen, sondern auch die Inanspruchnahme etwa im Abschnitt 1.2 zu betrachten.

Auch wenn eine vierstreifige Dimensionierung gegenüber einer dreistreifigen Aus-gestaltung naturgemäß einen größeren Flächenverbrauch bedingt, bedeutet dies nicht zwingend, dass eine vierstreifige Ausgestaltung zu einer Fehlgewichtung der Eigen-tumsbelange führt, etwa auch mit Blick auf die Existenzgefährdung.

- So ist im Einzelfall zu prüfen, ob eine Existenzgefährdung aufgrund Inanspruch-nahme von Grundeigentum (erst) bei einer vierstreifigen Ausgestaltung gegeben ist, und nicht ebenso schon bei einer dreistreifigen Dimensionierung.

53 St. Rspr., s. BVerwG, Urteil vom 21. Dezember 1961 – I C 9.60, BVerwGE 13, 258 (259); Urteil vom

18. August 1964 – I C 48.63, BVerwGE 19, 171 (172 f.); Urteil vom 27. Januar 1967 – IV C 228.65, BVerwGE 26, 131 (133); vgl. Kromer/Müller, in: ders./Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 19 Rn. 5.

54 S. Kromer/Müller, in: ders./Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 19 Rn. 27. 55 S. BVerwG, Beschluss vom 14. Juli 2005 – 9 VR 21.04, S. 9 (zum Abschnitt 1.2).

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Im Zuge der ursprünglich beantragten Planfeststellung hat ein Einwender vor-gebracht, dass das Vorhaben zu einer Flächeninanspruchnahme im Umfang von etwa 11 % der von seinem landwirtschaftlichen Betrieb genutzten Flächen führt.56 Unterstellt man diesen Anteil als zutreffend, so liegt es nach überschlä-giger Abschätzung eher fern, dass eine Existenzgefährdung durch eine Reduzie-rung auf eine dreistreifige Ausgestaltung vermieden werden kann. Bereits bei ei-nem Umfang der Flächeninanspruchnahme von 5 % ist eine Existenzgefährdung grundsätzlich denkbar, weil nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen wer-den kann, dass der Flächenverlust durch betriebliche Umstrukturierungs- und Anpassungsmaßnahmen ausgeglichen werden kann.57

Auch im Hinblick auf das von einer Kfz-Werkstatt genutzte Betriebsgrundstück an der S 55 wäre letztlich gutachterlich zu beurteilen, wie sich eine Reduzierung des Querschnitts auswirken würde. Eine dreistreifige Dimensionierung des Vor-habens wäre mit Blick auf dieses Grundstück, das in einem Umfang von etwa 35 % dauerhaft vorhabenbedingt in Anspruch genommen und entzogen werden soll,58 vorteilhaft. Eine Inanspruchnahme erfolgt zwar nicht durch den (ggf. in seinem Querschnitt zu reduzierenden) Straßenkörper der B 178n selber. Doch würde anstelle des großräumigen halben Kleeblatts, das bei einem Vierstreifer erforderlich würde, eine räumlich kleinere Anbindung an die S 55 (S 55n) genü-gen, die im Rahmen des Vorhabens verlegt werden muss.

- Das BVerwG erkennt an, dass es nicht unbedingt zu einer Fehlgewichtung der Eigentumsbelange führt, wenn keine Dimensionierung gewählt wird, die den Flächenverbrauch minimiert. Was den Abschnitt 3.1 der B 178n anbelangt, war nach dem Bedarfsplan nur ein zweistreifiger Ausbau vorgesehen, mit dem durch Eigentumsbetroffene angegriffenen Planfeststellungsbeschluss aber ein dreistrei-figer Ausbau zugelassen worden.

Aus Sicht des BVerwG habe die Planfeststellungsbehörde

„die Dimensionierung der Neubautrasse in seine Überlegungen einbe-zogen und rechtsfehlerfrei abgewogen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte einem dreistreifigen Querschnitt 15,5 gegenüber dem von den Klägern für ausreichend gehaltenen Querschnitt 10,5 den Vorrang einräumt, weil drei Fahrstreifen eine deutlich höhere Ver-kehrssicherheit und eine Verbesserung der Verkehrsqualität bieten. Zusatzfahrstreifen sind insbesondere auf Steigungsstrecken wie bei dem hier in Rede stehenden Gelände sowie bei der Belastung mit grenzüberschreitendem LKW-Verkehr angezeigt …“ 59

Hiernach haben gewichtige verkehrliche Erwägungen bei der Planung des Vor-habens dafür gesprochen, den Abschnitt nicht nur zweistreifig auszugestalten. Dies war aus Sicht des BVerwG auch unter Berücksichtigung der größeren Flä-cheninanspruchnahme gerechtfertigt und frei von Abwägungsfehlern.

Eine größere Flächeninanspruchnahme, die durch einen vierstreifigen gegenüber ei-nem nur dreistreifigen Ausbau bedingt ist, muss also nicht per se zu einer Fehlge-

56 Einwendungsschreiben des anwaltlichen Vertreters vom 20. Mai 2010. 57 S. Pasternak, in: Aust/Jacobs/Pasternak, Enteignungsentschädigung, 7. Aufl. 2014, Rn. 308. 58 S. Gutachten zu den Auswirkungen einer Grundstücksinanspruchnahme durch die geplanten Baumaß-

nahmen für die Bundesstraße B 178n, Verkehrseinheit 321/1, April 2011. 59 S. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 40 (zum Abschnitt 3.1).

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wichtung der Eigentumsbelange führen. Unter dem Gesichtspunkt des Wohls der Allgemeinheit kann ein größerer Flächenumgriff im Einzelfall gerechtfertigt sein. Dies muss aber entsprechend der zuvor zitierten Rechtsprechung des BVerwG durch – gemessen an dem Gewicht der Eigentumsbetroffenheit – hinreichend gewichtige nachvollziehbare verkehrliche Belange gerechtfertigt werden (dazu 4.b)).

b) Umweltverträglichkeit, insbesondere Schutz europäischer Vogelschutzgebiete

Auch mit Blick auf die Umweltverträglichkeit ist eine vierstreifige Ausgestaltung und der damit einhergehende größere Flächenverbrauch nicht per se rechtswidrig.

Die Umweltverträglichkeit des Vorhabens ist jedenfalls in die Abwägung einzustel-len. Bestimmte Gesichtspunkte der Umweltverträglichkeit fallen aber unter strikte Rechtsnormen, die nicht im Wege der Abwägung überwunden werden können:

- So sieht die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach §§ 14 ff. BNatSchG vor, dass der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet ist, jede vermeidbare Be-einträchtigung von Natur oder Landschaft zu unterlassen. Dabei sind Beeinträch-tigungen vermeidbar, wenn zumutbare Alternativen, um den mit dem Eingriff verfolgten Zweck am gleichen Ort ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erreichen, gegeben sind (§ 15 Abs. 1 BNatSchG).

- In ähnliche Richtung geht der Schutz von Natura 2000-Gebieten. Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit (§ 34 Abs. 1 BNatSchG), dass das Projekt zu erheb-lichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist das Projekt unzuläs-sig. Nach § 34 Abs. 3 BNatSchG darf ein Projekt hiervon abweichend nur zuge-lassen oder durchgeführt werden, soweit es aus zwingenden Gründen des über-wiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirt-schaftlicher Art, notwendig ist (Nr. 1) und zumutbare Alternativen, um den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beein-trächtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind. Bei Betroffenheit prioritärer Lebensraumtypen oder Arten können nur bestimmte zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 4 BNatSchG).

- Der (besondere europäische) Artenschutz stellt an die Zulässigkeit von Vorha-ben nochmals ähnliche Anforderungen. Von den Zugriffs-, Besitz- und Ver-marktungsverboten nach § 44 BNatSchG können gem. § 45 Abs. 7 BNatSchG im Einzelfall weitere Ausnahmen zugelassen werden u. a. aus anderen zwingen-den Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art (§ 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG). Auch nach § 45 Abs. 7 Satz 2 BNatSchG darf eine Ausnahme aber nur dann zugelas-sen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind.

Die Einhaltung dieser strikten Vorgaben kann wie ausgeführt nicht im Wege der Abwägung überwunden werden. Unberührt bleibt die planerische Gestaltungsfreiheit des Vorhabenträgers, insofern er die mit seinem Projekt verfolgten planerischen Zie-le definiert, die Maßstab der weiteren naturschutzrechtlichen Prüfung sind. Bestimm-te Einbußen bei der planerischen Zielerreichung werden dem Vorhabenträger dabei jedoch zugemutet, insbesondere wenn hierdurch eine erhebliche Beeinträchtigung von Schutzgütern nach europäischem Naturschutzrecht vermieden werden kann.

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Hiervon unberührt gilt das erwähnte allgemeine Gebot der Eingriffsminimierung nach § 15 Abs. 1 BNatSchG.

aa) Europäisches Vogelschutzgebiet „Feldgebiete in der östlichen Oberlausitz“

In den Einwendungen und Stellungnahmen im Anhörungsverfahren zum Ab-schnitt 1.1 der B 178n ist naturschutzrechtlich insbesondere die erhebliche Beein-trächtigung des Europäischen Vogelschutzgebiets „Feldgebiete in der östlichen Oberlausitz“, das auf einer Länge von etwa 3.700 m durchquert wird, geltend ge-macht worden.60

Der Natura 2000-Gebietsschutz nach § 34 BNatSchG greift für „Projekte“. Dieser Begriff wird durch das BNatSchG nicht mehr legaldefiniert.61 Mit einem „Projekt“ werden, wie § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG (habitatschutzrechtliche Alternativenprü-fung) voraussetzt, immer bestimmte planerische Ziele verfolgt. Danach ist ein Vor-haben, das zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets führt, unzulässig (und es darf keine Ausnahme erteilt werden), wenn „sich

die mit dem Straßenbauvorhaben verfolgten Ziele, die ihrerseits von einem Bewerten und Gewichtesetzungen anderer Ziele abhängig sind, naturverträglicher erreichen lassen.“62

In diesem Sinne setzt eine Alternativlösung voraus, dass sich die zulässigerweise verfolgten Planungsziele ggf. mit Abstrichen grundsätzlich noch erreichen lassen; dies ist nicht mehr der Fall, wenn die Abstriche praktisch auf ein anderes Projekt hinauslaufen.63 Systemalternativen (etwa Schiene statt Straße) sind ebenso wenig Al-ternativen im Sinne der Vorschrift wie die Null-Variante, weil damit andere Ziele verfolgt bzw. die Planungsziele gar nicht erreicht würden.

Die Alternative muss dabei zumutbar sein, d. h. eine Alternative muss auch mit Blick auf wirtschaftliche Belange des Vorhabenträgers und andere öffentliche Be-lange (wie ggf. Lärmschutz) realisierbar sein.64

Auf Grundlage der uns vorliegenden Planungsunterlagen, Einwendungen und Stel-lungnahmen (etwa von RegioConsult) können wir unsererseits nicht sicher abschät-zen, ob eine drei- gegenüber einer vierstreifigen Dimensionierung des Vorhabens zur Vermeidung einer erheblichen Beeinträchtigung des Europäischen Vogelschutzge-biets „Feldgebiete in der östlichen Oberlausitz“ führen würde.65

60 S. etwa Einwendungsschreiben der Rechtsanwaltskanzlei Cornelius Hartmann vom 20. Mai 2010; Re-

gioConsult, Stellungnahme zur Planunterlage 1a – Erläuterungsbericht –, Juni 2013; Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei Labbé & Partner vom 8. April 2014 mit gutachtlichen Stellungnahmen von Regi-oConsult.

61 S. Mühlbauer, in: Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht, 3. Aufl. 2013, § 34 BNatSchG Rn. 3.

62 BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 – 4 A 11/02, NVwZ 2004, 732 (736). 63 Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Januar 2004 – 4 A 11/02, NVwZ 2004, 732 (736); Urteil vom 17. Januar

2007 – 9 A 20/05, NVwZ 2007, 1054 Rz. 143. 64 Zum Ganzen Mühlbauer, in: Lorz/Konrad/Mühlbauer/Müller-Walter/Stöckel, Naturschutzrecht,

3. Aufl. 2013, § 34 BNatSchG Rn. 22. 65 Unübersichtlich wird die Konfliktlage auch dadurch, dass streitig ist, ob das betreffende Europäische

Vogelschutzgebiet auch im Hinblick auf den Ortolan fehlerfrei ausgewiesen wurde oder ein faktisches Vogelschutzgebiet, für das ein absolutes Verschlechterungsverbot gelten würde, zu beachten ist.

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- Nach unserem grundsätzlichen Verständnis sind für das vom Vorhaben unmit-telbar betroffene Europäische Vogelschutzgebiet „Feldgebiete in der östlichen Oberlausitz“ unter Berücksichtigung der Schadensbegrenzungsmaßnahmen (u. a. Anlage einer Grünbrücke) keine erheblichen Beeinträchtigungen zu erwarten.66 Aus den uns vorliegenden Planungsunterlagen ergibt sich, dass das Vorhaben verträglich im Sinne des § 34 BNatSchG ist und es dementsprechend einer Aus-nahmeentscheidung nicht bedarf, auch nicht bezogen auf den Ortolan.67

- Die Querung des Europäischen Vogelschutzgebietes „Feldgebiete in der östli-chen Oberlausitz“ durch das Vorhaben in einem vierstreifigen Querschnitt bean-sprucht per definitionem einen größeren Flächenumgriff als eine dreistreifige Ausgestaltung. Dies spricht zunächst einmal dafür, dass es sich um eine „natur-verträglichere“ Lösung handelt.

Der geringere Flächenbedarf ist zwar für sich genommen habitatschutzrechtlich nicht ausschlaggebend. Entscheidend kommt es darauf an, ob ein Projekt bezo-gen auf die Erhaltungsziele des betreffenden Gebiets, d. h. in Bezug auf das Ge-biet in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Be-standteilen verträglich ist. So stützen sich die Einwendungen und Stellungnah-men entscheidend auf die Tatsache eines geringeren Flächenbedarfs bei nur drei- oder zweistreifigem Ausbau, enthalten aber keine naturschutzfachliche Begrün-dung, warum sich eine geringere Dimensionierung mit Blick auf die Erhaltungs-ziele bzw. den Schutzzweck als verträglicher erweist.

Auf Grundlage der fachgutachterlichen Einschätzung, dass eine vierstreifige Dimensionierung (jedenfalls) unter Berücksichtigung der Schadensbegren-zungsmaßnahmen mit den Erhaltungszielen verträglich ist, dürfte eine geringere Dimensionierung aus naturschutzfachlicher Sicht „besser“ sein, weil sie einen geringeren Flächenverbrauch bedingt. Nach dem Fachgutachten führt aber nicht erst die Ausgestaltung im dreistreifigen Querschnitt zur Verträglichkeit des Vor-habens.68

Für eine dreistreifige Ausgestaltung kann auch sprechen, dass sich hierdurch auch der Bedarf an Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und damit der entspre-chende Flächenbedarf und resultierende Eigentumsbetroffenheiten verringern.69

- In den uns vorliegenden Einwendungen und Stellungnahmen, etwa von Regio-Consult, wird ohne nähere Begründung behauptet, durch eine Querschnittsredu-zierung könnten die Auswirkungen auf die Avifauna, insbesondere auf den Orto-lan reduziert werden.

66 S. Erläuterungsbericht, Unterlage 1 a, S. 38 ff. 67 Außerhalb des Gegenstands dieser gutachtlichen Stellungnahme liegen u. a. die von Einwendern vorge-

brachten Bedenken an der Ungeeignetheit von Schadensbegrenzungs- / CEF-Maßnahmen, die wir fach-lich nicht bewerten können. Wir haben auch nicht überprüft, ob die fachgutachterliche Einschätzung der Verträglichkeit des Vorhabens mit dem Natura 2000-Gebietsschutz als solche zutreffend ist.

68 In den Einwendungen und Stellungnahmen, etwa von RegioConsult, wird behauptet, die Auswirkungen auf die Avifauna würden bei einer Querschnittsreduzierung derart reduziert, dass möglicherweise die Erheblichkeitsschwelle unterschritten wird.

69 Eine detaillierte Einschätzung der Auswirkungen einer dreistreifigen Ausführung auf die Eigentumsbe-troffenheit ist im Rahmen dieser Stellungnahme nicht zu leisten. Dies könnte der Fall sein, wenn für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, deren Umfang bei einer geringeren Dimensionierung ebenfalls ver-ringert werden könnte, weniger Flächen, die in Privateigentum stehen, in Anspruch genommen (und ggf. enteignet) werden müssten.

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Ob der reduzierte Bedarf entscheidenden Einfluss auf die Bewertung der Erheb-lichkeit bzw. Verträglichkeit hat und unter diesem Gesichtspunkt die Wahl des Querschnitts naturschutzfachlich zwingend ist, können wir nicht abschließend beurteilen. In jedem Fall ist der dreistreifige Ausbau aus naturschutzfachlicher Sicht wünschenswert.

Weitergehend wird in den Einwendungen und Stellungnahmen mit Blick auf die reduzierten Verkehrsbelegungen argumentiert, es sei bei einem geringeren Stra-ßenquerschnitt auch eine andere Trassenführung denkbar, die auf eine Inan-spruchnahme des Vogelschutzgebiets „Feldgebiete in der östlichen Oberlausitz“ vollständig verzichtet (etwa 2-spurige Alternative entlang der S 112). Hierbei überlagern sich Erwägungen der planungs- und der naturschutzrechtlichen Al-ternativenprüfung.70

Es lässt sich jedoch fragen, ob es sich bei einer solchen veränderten Trassenführung nicht bereits um ein „anderes Projekt“ handelt. So wür-de eine derart abweichende Trassenführung zu einer anderen Anbin-dung an die BAB A 4 (nicht mehr in Höhe Weißenberg) führen; dies könnte auch mit Blick auf die gesetzliche Bedarfsfestlegung und den darin vorgesehenen, groben Trassenverlauf problematisch sein. Hiervon hängt ab, ob eine solche Trassenführung außerhalb des Vogelschutzge-biets eine sich aufdrängende Alternative im Rahmen des vorliegenden Planfeststellungsverfahrens darstellt.

- Aus dem – im Nachgang zur Einreichung der Tekturplanung auf Veranlassung der damaligen Landesdirektion Dresden erstellten – Umweltvergleich zwischen dem damals vorgesehenen RQ 20 und dem RQ 15,5 im Hinblick auf die Arten-schutz- und Vogelschutzbelange ergibt sich letztlich nichts anderes.71 Auch hier-nach ist ein reduzierter Querschnitt naturschutzverträglicher, ohne dass erst hier-durch die Grenze der erheblichen Beeinträchtigung unterschritten würde.

Aus diesem Vergleich ergibt sich, dass für die betroffenen, signifikanten Vogel-arten Eisvogel, Neuntöter, Rotmilan, Schwarzmilan, Schwarzspecht, Wachtel-könig, Wespenbussard, Baumfalke, Grauammer, Kiebitz, Saatgans, Blässgans und Wendehals „keine bewertungsrelevanten Unterschiede“ bei einer nur dreistreifigen Ausgestaltung gegeben sind.

Für den Ortolan kommt der Umweltvergleich zu dem Ergebnis, dass sich bei ei-nem geringeren Querschnitt eine „geringfügige Verbesserung“ ergibt, wobei die bisherigen Schadensbegrenzungsmaßnahmen weiterhin erforderlich sind. Die Verbesserung ergibt sich namentlich durch die Verringerung der Lärmreichwei-ten und die dadurch mögliche weitere Nutzung bestimmter Singwarten.

Bezogen auf den Weißstorch ergibt sich eine „geringfügige nicht signifikante Verbesserung“, weil sich die Inanspruchnahme von potentiellen Nahrungsgebie-ten verringert und diese Vogelart auch direkt neben der Straße nach Nahrung sucht; angesichts der potentiell zur Verfügung stehenden Nahrungsfläche von über 4.000 ha Offenland wird diese Verbesserung aber nicht als signifikant be-wertet.

70 Die Prüfung planerischer Alternativen bzw. die Überprüfung der getroffenen Alternativenauswahl sind

nicht Gegenstand dieser gutachtlichen Stellungnahme. 71 B 178 Abschnitt 1.1, Umweltvergleich RQ 20 und RQ 15,5, Artenschutz- und Vogelschutzbelange,

22. Mai 2014.

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Vor diesem Hintergrund würde eine Querschnittsreduzierung (Reduzierung um beidseitig der Straße je 2,25 m, bezogen auf RQ 20 und RQ 15,5) naturschutz-fachlich eine Verbesserung darstellen, jedoch keine veränderte Bewertung der Verträglichkeit des Vorhabens zur Folge haben.

Wir nehmen an, dass dies im Vergleich der Auswirkungen des RQ 21 zum RQ 15,5 entsprechend gilt. Es wäre hiernach eine naturschutzfachliche Verbes-serung der Vorhabenverträglichkeit, aber kein entscheidender Sprung bei der Bewertung zu erwarten.

- Wäre entgegen der bisherigen Verträglichkeitsprüfung – im Sinne von Einwen-dungen – doch eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele zu erwar-ten, würde der Effekt noch weiter reichen. Dies ist nach unserem Verständnis freilich bislang nicht untersucht worden (weil hierfür angesichts der Einschät-zung, dass das Vorhaben nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung führt, auch kein Anlass bestand). Dann wäre denkbar, dass eine erhebliche Beeinträchtigung durch die Reduzierung des Querschnitts und den damit einhergehenden Flä-chenminderbedarf dazu führt, dass die Schwelle der Erheblichkeit unterschritten und das Vorhaben verträglich im Sinne des § 34 BNatSchG wird. Dies wäre ggf. fachlich näher abzuschätzen; angesichts der Größe des Vogelschutzgebiets und des Umfangs der Reduzierung der Flächeninanspruchnahme wäre eine solche Auswirkung für uns jedenfalls nicht offensichtlich.

Im Rahmen einer dann für eine vierstreifige Ausführung notwendigen Abwei-chungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG wäre zu prüfen, ob die dreistreifige Ausführung eine zumutbare Alternative darstellt. Dies läge in die-sem Szenario – unter der Prämisse, dass hierdurch die Erheblichkeitsschwelle unterschritten wird – nahe.

Entsprechendes gilt für die vorhabenbedingt ebenfalls in Anspruch genommenen Na-tura 2000-Gebiete FFH-Gebiet „Täler um Weißenberg“ und FFH-Gebiet „Basalt und Phonolithkuppen der östlichen Oberlausitz“. Für beide Gebiete sind erhebliche Be-einträchtigungen nach den FFH-Verträglichkeitsprüfungen nicht zu erwarten, so dass eine Querschnittsreduzierung auch insoweit nicht zur Sicherstellung der Verträglich-keit des Vorhabens mit den Erhaltungszielen notwendig ist. Auch insoweit käme es durch eine Querschnittsverminderung aber ersichtlich zu einer naturschutzrechtli-chen Optimierung im Sinne einer Minimierung des Eingriffs.

bb) Artenschutz

Der artenschutzrechtliche Fachbeitrag gelangt zu der Einschätzung, dass bezogen auf die untersuchten Arten unter Berücksichtigung der Schadensbegrenzungsmaßnah-men keiner der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände nach § 44 BNatSchG er-füllt und dementsprechend auch keine Ausnahmeentscheidung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG erforderlich ist.

Der Umweltvergleich zur Reduzierung des RQ 20 auf RQ 15,5 kommt zu dem Er-gebnis, dass bezogen auf die möglicherweise betroffenen, wertgebenden Vogelarten Braunkehlchen, Grünspecht, Mäusebussard, Rebhuhn, Schwarzkehlchen, Steinkauz und Waldkauz „keine bewertungsrelevanten Unterschiede“ zu erwarten sind.

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Bezogen auf die Feldlerche verbessere sich Beeinträchtigungssituation, bezogen auf die Wachtel ergebe sich eine „Reduzierung der Betroffenheit“.

Das Große Mausohr ist nicht Gegenstand des Umweltvergleichs, wurde aber im Rahmen des artenschutzrechtlichen Fachbeitrags abgearbeitet; das nachgewiesene Vorkommen liegt im Waldgebiet auf dem Strohmberg und damit deutlich außerhalb der von der Straße ausgehenden Lärmisophone. Bezogen auf diese Art dürften sich aus der Reduzierung des Querschnitts keine bewertungsrelevanten Unterschiede er-geben, da die Gestaltung des Querschnitts keinen entscheidenden Einfluss auf den Umfang der Verlärmung der Umgebung haben dürfte, erst recht in einigem Abstand vom Trassenverlauf.

Falls entgegen diesen Wertungen im Verfahren doch eine Verletzung eines arten-schutzrechtlichen Verbotstatbestands angenommen und eine Ausnahmeentscheidung erforderlich würde, wäre mit Blick auf den einzelnen Verbotstatbestand zu bewerten, ob durch eine Querschnittsverminderung die Verwirklichung des Verbots für die je-weils betroffene einzelne Art vermieden werden kann.

3. Raumordnung

Aus raumordnerischen Vorgaben ergeben sich keine Maßgaben für die Dimensionie-rung des Vorhabens. Nach dem Landesentwicklungsplan 201372 ist das Vorhaben als eine Neubaumaßnahme festgelegt, für die nach dem Bedarfsplan für die Bundesfern-straßen der vordringliche Bedarf festgestellt worden ist. Es wird unter dem Ziel „Z 3.2.5“ aufgeführt. Hiernach sind die „als Trassen Neubau festgelegten Neubaumaß-nahmen von Bundes- und Staatsstraßen […] bedarfsgerecht zu realisieren.“ Aussa-gen über die Dimensionierung enthält der LEP 2013 nicht.

Die Ziele der Raumordnung sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen öffentlicher Stellen zu „beachten“. Raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen, die im Widerspruch zum Ziel der bedarfsgerechten Realisierung der B 178n im Ab-schnitt A 4 bis Nostitz stehen würden, könnten mithin nicht zugelassen werden.

Aus dem Ziel der Raumordnung der bedarfsgerechten Realisierung folgt freilich umgekehrt keine Pflicht, das Vorhaben zu realisieren. Eine Realisierungspflicht folgt auch nicht aus der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens für die B 178n als im Sinne von § 1 RoV73 „raumbedeutsame Planung und Maßnahme“. In diesem Ver-fahren wird nach § 15 Abs. 1 Satz 1 ROG die Raumverträglichkeit geprüft, wobei nach Satz 2 der Norm die raumbedeutsamen Auswirkungen der Planung oder Maß-nahme unter überörtlichen Gesichtspunkten zu prüfen sind. Im Raumordnungsver-fahren wurde die Raumverträglichkeit des Vorhabens B 178n festgestellt.

Auch hieraus ergeben sich keine detaillierten Vorgaben für die Dimensionierung. So ist die Dimensionierung eines Vorhabens grundsätzlich nicht Gegenstand der Raum-verträglichkeitsprüfung nach § 15 ROG. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Prüfprogramm des Raumordnungsverfahrens, das die raumbedeutsamen Auswirkun-gen unter überörtlichen Gesichtspunkten beurteilt. Auf diese Auswirkungen hat na-mentlich die vier- oder dreistreifige Dimensionierung des Vorhabens aber keinen

72 Erlassen durch Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über den Landesentwicklungsplan Sachsen

(Landesentwicklungsplan 2013 – LEP 2013) vom 14. August 2013. 73 Raumordnungsverordnung vom 13. Dezember 1990, BGBl. I S. 2766, zuletzt geändert durch Art. 5

Abs. 35 des Gesetzes vom 24. Februar 2012, BGBl. I S. 212.

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Einfluss. Sie ist daher allein auf der Ebene der Vorhabenzulassung (Planfeststellung) unter dem Gesichtspunkt konkreter Betroffenheiten abzuwägen.

4. Dimensionierung des Vorhabens

Es hängt damit sowohl eigentumsrechtlich als auch unter dem Gesichtspunkt der Umweltverträglichkeit von dem Gewicht der zulässigerweise verfolgten, verkehrli-chen Ziele ab, ob nur ein dreistreifiger Ausbau gerechtfertigt ist oder eine vierstreifi-ge Ausgestaltung in Betracht kommt. Vor dem Hintergrund der skizzierten Grenzen des zwingenden Rechts stellt sich die Frage, welche Dimensionierung aus verkehrli-chen Gründen erforderlich ist. Nur eine aus verkehrlicher Sicht erforderliche vier-streifige Ausgestaltung kann den größeren Flächenverbrauch im Verhältnis zu den potentiell enteignungsbetroffenen Eigentümern und im Licht der betroffenen um-weltrechtlichen Schutzgüter rechtfertigen.

Die Dimensionierung des Vorhabens ist abgesehen vom Eingreifen strikter Rechts-normen Gegenstand der fachplanerischen Abwägung, die von den Gerichten auf Abwägungsfehler überprüft wird. Teilweise wird die Frage der Dimensionierung auch im Zusammenhang mit der – ebenfalls dem Abwägungsgebot zuzuordnenden – Alternativenprüfung angesprochen.74

Soweit zwingende Rechtsnormen eine bestimmte Gestaltung nicht vorgeben bzw. verbieten, ist nicht notwendig nur eine einzige straßenbauliche Ausgestaltung recht-mäßig, sondern können mehrere Ausgestaltungsvarianten denkbar sein, ohne dass dies rechtlich zu beanstanden wäre.

Vorgaben zur Dimensionierung eines Straßenbauvorhabens ergeben sich aus techni-schen Regelwerken (dazu a)), die zwar keine außenrechtsverbindlichen Rechtsnor-men darstellen, aber gleichwohl verwaltungsintern bindend wirken, insbesondere auch im Rahmen der Auftragsverwaltung zwischen Bund und jeweiligem Bundes-land.

Die Einhaltung der allgemeinen Regelwerke indiziert grundsätzlich, dass eine Stra-ßenplanung frei von Abwägungsfehlern ist, insofern sie sich an dem in den Richtli-nien getroffenen Ausgleich widerstreitender Ziele orientiert. Eine Abweichung muss grundsätzlich durch besondere Umstände des Einzelfalls gefordert oder jedenfalls planerisch nahegelegt werden.

Nach der hier relevanten RAL ist ein dreistreifiger Ausbau im RQ 15,5 vorgesehen. Die RAL schließen eine andere Dimensionierung zwar nicht kategorisch aus, so dass grundsätzlich auch ein anders dimensionierter, etwa der bisher geplante vierstreifige Ausbau in Betracht kommen kann. Anhand der uns vorliegenden Unterlagen lässt sich eine solche Dimensionierung aber angesichts der erwarteten Verkehrsbelegung nicht mit besonderen verkehrlichen Belangen im Einzelfall rechtfertigen.

a) Dimensionierung gemäß technischer Regelwerke

Auf Grundlage der technischen Regelwerke (hier: der RAL) wäre eine Ausgestal-tung der B 178 anhand des Regelquerschnitts RQ 15,5 im vorliegenden Fall frei von Abwägungsfehlern. Einer dreistreifigen Ausgestaltung steht auch nicht etwa die ge-

74 So beispielsweise in BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 40 (zum Abschnitt 3.1 der

B 178).

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setzliche Bedarfsfeststellung entgegen, weil sich diese nicht auf die drei- oder vier-streifige Ausgestaltung erstreckt.

aa) Ausgestaltung gemäß RAL

Maßgeblich für die Frage der straßenbaulichen Ausgestaltung sind die RAL, Ausga-be 2012,75 die die Richtlinien für die Anlage von Straßen – Teil: Linienführung („RAS-L“) und die Richtlinie für die Anlage von Straßen – Teil: Querschnitt („RAS-Q“) abgelöst haben. Der in den damaligen RAS-L enthaltene RQ 20, auf dessen Grundlage andere Abschnitte der B 178n planfestgestellt worden waren, ist in den geltenden RAL nicht mehr vorgesehen.76

Die RAL als spezielles technisches Regelwerk bestimmen die fachplanerische Ab-wägung; sie sind bei der Planfeststellung zu berücksichtigen. Die Zulassungs-, also Planfeststellungsbehörde ist an solche technische Regelungen zwar nicht unmittelbar gebunden. Denn sie gelten grundsätzlich nur verwaltungsintern. Da sie aber regel-mäßig auch den Stand der Technik festschreiben, können sie über die allgemeinen Vorschriften der Verkehrssicherheit auch rechtliche Wirkung entfalten.77

Die verwaltungsinterne Bindung des Vorhabenträgers führt freilich dazu, dass Planungen von vornherein anhand der Richtlinien entwi-ckelt werden, was sich mittelbar auf den Antrags- und Entschei-dungsgegenstand der Zulassungsbehörde auswirkt.

Ungeachtet einer möglichen Bindungswirkung sind technische Regelwerke für die Abwägung von Bedeutung. Denn die technischen Regelwerke stellen in Abhängig-keit von der Straßenkategorie und der zu erwartenden Verkehrsbelegung einen pla-nerischen Ausgleich zwischen der angestrebten Verkehrsqualität, der Verkehrssi-cherheit und der Wirtschaftlichkeit sowie der Umweltverträglichkeit dar.78

Mit Blick auf diese Erwägungen ist eine bauliche Straßenausgestaltung gemäß den jeweils anwendbaren technischen Regelwerken grundsätzlich frei von Abwägungs-fehlern. Anders formuliert: ein RQ, der sich gemessen an der zu erwartenden Ver-kehrsbelegung im Rahmen dessen hält, was die einschlägigen technischen Regel-werke vorsehen, ist in rechtlicher Hinsicht regelmäßig nicht zu beanstanden. In die-sem Sinne ist in verkehrlicher Hinsicht (nur) eine solche straßenbauliche Ausgestal-tung notwendig und auch sachgerecht, wie sie nach den technischen Regelwerken vorgesehen ist, denn sie ist hinsichtlich der mit einer straßenbaulichen Ausgestaltung verfolgten Ziele der Verkehrsqualität, der Verkehrssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit grundsätzlich die optimale Lösung.

Hieraus folgt, dass eine weitergehende Planung auch haushaltswirt-schaftlich rechtfertigungsbedürftig ist und die Finanzierung größer dimensionierter Maßnahmen und höherer Kosten regelmäßig nicht erwartet werden kann. Ob es zur Möglichkeit der Finanzierung einer vierstreifigen Dimensionierung der B 178n eine Abstimmung mit

75 S. hierzu das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau Nr. 08/2013 vom 16. Mai 2013, mit dem die RAL

bekanntgegeben wurden. 76 Die von den RAL abweichende Wahl des RQ 20 könnte also nur noch mit dem Gesichtspunkt der Ein-

heitlichkeit der Ausgestaltung der vierstreifig ausgeführten Teilstrecken der B 178n gewählt werden, für die insoweit aber keine Notwendigkeit ersichtlich ist.

77 Vgl. Kromer, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 17 Rn. 12 f. 78 Vgl. hierzu die RAL, Ausgabe 2012, S. 12 ff.

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dem Bundesverkehrsministerium gegeben hat – und mit welchem Inhalt –, ergibt sich aus den uns vorliegenden Unterlagen und In-formationen nicht.

bb) Kriterien für die straßenbauliche Ausgestaltung gemäß RAL

Für die Ausgestaltung von Landstraßen sind nach den RAL folgende Gesichtspunkte bzw. Kriterien maßgeblich:

- Ausgangspunkt der straßenbaulichen Ausgestaltung ist die Verbindungsfunkti-onsstufe der betreffenden Landstraße gemäß den Richtlinien für integrierte Netzgestaltung („RIN“; s. hierzu unten Anhang II.1).

Bei der funktionalen Straßennetzgliederung wird zwischen großräumigen, über-regionalen, regionalen und nahräumigen Verbindungsfunktionen unterschie-den.79

- Auf dieser Grundlage wird eine Landstraße („LS“) unabhängig von der straßen-rechtlichen Widmung als Bundes-, Landes-, Staats-, Kreis- oder Gemeindestraße einer Straßenkategorie zugeordnet.

Bei Landstraßen wird hierbei zwischen den Kategoriengruppen LS I bis LS IV unterschieden (s. hierzu unten Anhang II.1).80 Die RAL gelten dabei nur für die Landstraßen dieser vier Straßenkategorien.

- Die Bezugsgröße für den Straßenentwurf (s. zu den grundsätzlichen Gestal-tungsmerkmalen unten Anhang II.2) wiederum, d. h. für die Ausgestaltung einer Straße, ist die Entwurfsklasse („EKL“).

Grundlage für die Zuordnung zu einer EKL ist die funktionale Straßennetzglie-derung. Dabei wird auf Grundlage der nach vorstehenden Grundsätzen ermittel-ten Straßenkategorie unter Berücksichtigung der zu erwartenden Verkehrsnach-frage die EKL für einen Streckenzug festgelegt.81

Im Regelfall folgt aus der Kategorie LS 1 wegen der Funktion als Fernstraße auch die EKL 1; Landstraßen der Kategorie II (Überregional-Straße) fallen in die EKL 2, der Kategorie III (Regional-Straße) in die EKL 3 und der Kategorie IV (Nahbereichs-Straße) in die EKL 4. Die EKL 4 kommt für Bundesfernstraßen allerdings nach dem Allgemeinen Rundschreiben nicht in Betracht.

- Nach den RAL kann in Abhängigkeit von der zu erwartenden Verkehrsnachfrage von der nach der Straßenkategorie grundsätzlich vorgesehenen EKL im Einzel-fall abgewichen werden (s. unten Anhang II.3).82

So ist bezogen auf die Straßenkategorie LS I (die im Regelfall zur EKL 1 führt) bei einer Verkehrsbelegung von weniger als 12.000 Kfz/24h der Bau in der EKL 2 vorgesehen.

79 Für Landstraßen ist, anders als bei Autobahnen, die Verbindungsfunktionsstufe kontinental nicht vorge-

sehen; s. oben Fußn. 13. 80 S. RAL (oben Fußn. 78), Tabelle 1. 81 S. RAL (oben Fußn. 78), Tabelle 7. 82 S. RAL (oben Fußn. 78), Tabelle 8.

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Eine in der Straßenkategorie LS II eingestufte Landstraße ist normalerweise in die EKL 2 eingestuft. Bei einer Verkehrsbelegung von weniger als 8.000 Kfz/24h ist die niederrangigere EKL 3 vorgesehen, bei einer Verkehrsbelegung von mehr als 15.000 Kfz/24h demgegenüber die höherrangigere EKL 1.

In der Straßenkategorie LS I ist eine Erhöhung von der EKL 1 (etwa auf eine EKL 0) nicht vorgesehen. Allerdings kann auch hier bei einer hohen Verkehrs-belegung die Ausbildung mit einem anderen Regelquerschnitt erforderlich wer-den (dazu sogleich).

Generell soll für Streckenzüge die EKL möglichst einheitlich gewählt werden. Zum Streckenzug gehören dabei die Teile des Netzes zwischen Knotenpunkten, an denen eine geplante Landstraße mit einer anderen Straße gleicher oder höher-rangiger Verbindungsfunktionsstufe verknüpft ist.83

- Von der EKL sind die Gestaltungsmerkmale Planungsgeschwindigkeit, Betriebs-form, Anpassung der Linienführung, Überholprinzip und Querschnitt sowie Verkehrsführung in Knotenpunkten abhängig (s. zu den Gestaltungsmerkmalen unten Anhang II.2).84

Für Straßen der EKL 1 ist generell die Entwurfsgeschwindigkeit von 110 km/h und die Betriebsform Kraftfahrstraße vorgesehen. Als Regelquerschnitt ist der dreistreifige RQ 15,5 mit einem verkehrstechnischen Mittelstreifen und wechsel-seitiger Anordnung von (durchgängig alternierenden) Überholfahrstreifen vorge-sehen (s. zu RQ 15,5 unten Anhang II.5).85

Für Straßen der EKL 2 ist der zweistreifige RQ 11,5+ vorgesehen, bei dem ab-schnittsweise Überholfahrstreifen angelegt werden. Als Entwurfsgeschwindig-keit ist 100 km/h vorgesehen, die Straße ist für die Benutzung durch Radfahrer ausgeschlossen (s. zu RQ 11,5+ unten Anhang II.4).86

- Wie ausgeführt, ist in der Straßenkategorie LS I eine Erhöhung von der EKL 1 nicht vorgesehen. Allerdings kann bei einer sehr hohen Verkehrsbelegung die Ausbildung mit einem anderen Regelquerschnitt erforderlich werden.

Nach dem Allgemeinen Rundschreiben können zweibahnig vierstreifige Regel-querschnitte im Zuge ansonsten einbahniger anbaufreier Bundesstraßen erforder-lich werden, wenn abschnittsweise aufgrund der zu erwartenden Verkehrsnach-frage mit einbahnig zwei- oder dreistreifigen Regelquerschnitten keine ausrei-chende Qualität des Verkehrsablaufs gewährleistet werden kann („Straßen der Entwurfsklassen EKL 1 bis EKL 3 mit sehr hoher Verkehrsnachfrage“).87

Für kurze Abschnitte bis zu einer Länge von 15 km und einer Verkehrsnachfrage von maximal 30.000 Kfz/24h soll dann der Regelquerschnitt RQ 21 zur Anwen-dung kommen (s. zu RQ 21 unten Anhang II.6); bei darüber liegenden Verkehrs-

83 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 18. 84 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 19. 85 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 19/20, 27. 86 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 21, 27 f. 87 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 22.

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stärken ist der zweibahnige Querschnitt nach den Vorgaben der Richtlinien für die Anlage von Autobahnen („RAA“) zu planen.88

Die RAL enthalten keine konkrete Vorgabe, wann eine sehr hohe Verkehrsbele-gung gegeben ist; unter Berücksichtigung der Verkehrsbelegungen, die im Ein-zelfall eine Abweichung vom Regelquerschnitt rechtfertigen, dürfte eine solche sehr hohe Verkehrsnachfrage aber erst bei einer Verkehrsbelegung von mehr als 20 bis 25.000 Kfz/24h gegeben sein.

Mit dem Verfahren des Handbuchs für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen („HBS“) ist im Einzelfall nachzuweisen, dass die Strecken und die Knotenpunkte der geplanten Strecke die angestrebte Stufe der Verkehrsqualität erreichen; ferner ist zu prüfen, ob bei einer geänderten EKL auf den Netzabschnitten insgesamt die Ziel-vorstellungen der RIN hinsichtlich der für die Straßenkategorie angestrebten Pkw-Fahrtgeschwindigkeit erreicht werden.89

cc) Dimensionierung der B 178, Abschnitt 1.1 gemäß RAL

Auf Grundlage der RAL ist für die B 178 im Abschnitt 1.1 eine Ausgestaltung im dreistreifigen RQ 15,5 vorzusehen. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

- Der hier zu betrachtende Abschnitt der B 178 ist als (Teil einer) großräumige(n) Straßenverbindung vorgesehen und fällt damit unter die Straßenkategorie LS I.

Nach unserem Verständnis stuft der Bund auch den Abschnitt 1.1 in diese Ver-bindungsfunktionsstufe ein. Dies ist aus unserer Sicht mit Blick auf die Verbin-dung in den tschechischen bzw. polnischen Raum und die Anbindung des Raums Görlitz – Hoyerswerda – Bautzen auch nachvollziehbar.

Wir halten daher den Hinweis von Einwendern, bei der B 178 handele es sich nur um eine Landstraße, die der Verbindungsfunktionsstufe „überregional“ zu-zuordnen sei, nicht für durchgreifend. Das BVerwG hat in den Urteilen zu den anderen Abschnitten der B 178 keine Zweifel an der vorgesehenen Verbindungs-funktion geäußert, sondern im Gegenteil die grenzüberschreitende Funktion der Straßenverbindung hervorgehoben.

- Dieser Abschnitt ist damit grundsätzlich in der EKL 1 und damit nach den Vor-gaben der RAL im dreistreifigen Regelquerschnitt RQ 15,5 (einbahniger Quer-schnitt mit Überholfahrstreifen als durchgängig dreistreifige Straße) auszugestal-ten.

Nach den RAL kommt angesichts der zu erwartenden Verkehrsbelegung eine Aus-gestaltung im – nur ausnahmsweise im Einzelfall vorgesehenen – Regelquerschnitt RQ 21 grundsätzlich nicht in Betracht. Dies ergibt sich aus den folgenden Überle-gungen:

- Ein zweibahniger vierstreifiger Ausbau ist nach den RAL nur dann gerechtfer-tigt, wenn eine sehr hohe Verkehrsbelegung gegeben ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

88 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 29. 89 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 19.

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- Die zu erwartenden Verkehrszahlen liegen sehr deutlich unterhalb der für diesen „Sonderquerschnitt“ erforderlichen Verkehrsnachfrage von bis zu 30.000 Kfz/24h. Zwar quantifizieren die RAL nicht näher, wann die Verkehrsnachfrage sehr hoch ist; da die RAL aber bezogen auf die LS I die Prüfung einer nieder-rangigeren EKL bereits bei einer Verkehrsnachfrage von weniger als 12.000 Kfz/24h vorsehen, dürfte eine „sehr hohe Verkehrsnachfrage“ erst ab einer Ver-kehrsbelegung von 20. bis 25.000 Kfz/24h gegeben sein.

- Eine derart hohe Verkehrsbelegung ist nicht zu erwarten. Nach der verkehrspla-nerischen Untersuchung ist nur mit einer Verkehrsbelegung von (im südlichen Abschnitt) maximal 12.000 Kfz/24h (am DTVw) zu rechnen. Die durchschnittli-che tägliche Verkehrsstärke (DTV) liegt erfahrungsgemäß noch unter der durch-schnittlichen täglichen Verkehrsstärke an Werktagen.

- Die zu erwartende Verkehrsbelegung in dem betrachteten Abschnitt der B 178 liegt damit sogar in der Nähe der Verkehrsbelegung, bei deren Unterschreiten auch eine Ausgestaltung in einer niedrigeren EKL (hier: EKL 2 im Regelquer-schnitt RQ 11,5+) in Frage kommt.

Gemessen allein an der Verkehrsbelegung lässt sich auf Grundlage der RAL eine Ausgestaltung in einem „höheren“ Regelquerschnitt (hier: im RQ 21 anstelle des nach den RAL vorgesehenen RQ 15,5) nicht begründen.

Die Ausgestaltung im RQ 15,5 ist daher aufgrund der erwarteten Verkehrsbelegung nach den RAL mit Blick auf die Ziele für die Gestaltung von Landstraßen (Ver-kehrssicherheit, Verkehrsqualität, Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit) grund-sätzlich ausreichend und stellt in diesem Sinne die optimale Lösung dar. Eine solche Dimensionierung kann daher grundsätzlich abwägungsfrei planfestgestellt werden.

dd) Reichweite der Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung

Eine andere, von den Vorgaben der RAL abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die gesetzliche Bedarfsfestellung in dem FStrAbG für den Ab-schnitt 1.1 einen vierstreifigen Ausbau vorsieht. Einem dreistreifigen Ausbau im RQ 15,5 steht die Bedarfsfeststellung nicht entgegen, weil sie insoweit nicht präjudi-ziell ist und die fachplanerische Abwägung hinsichtlich der Dimensionierung des Vorhabens nicht vorwegnimmt.

Die Bindungswirkung der gesetzlichen Bedarfsfeststellung umfasst die Feststellung des verkehrlichen Bedarfs und die Netzverknüpfung. Zum Regelungsgehalt der Be-darfsplanung gehören die zeichnerischen Darstellungen, die wie etwa die Anzahl der Spuren die dem festgestellten Bedarf entsprechende Kapazität der Trasse konkreti-sieren. Diese Rahmenvorgaben sind bindend. Alle anderen Aspekte bedürfen der Konkretisierung der nachfolgenden Planungsstufen.90 Insbesondere die Trassenfüh-rung wird durch den Bedarfsplan nicht festgelegt und bedarf der weiteren Planung in den nachfolgenden Verfahrensschritten der Linienbestimmung und der Planfeststel-lung.91

In diesem Sinne legt der Bedarfsplan das zusammenhängende Verkehrsnetz nicht nur linienmäßig, sondern auch in Bezug auf die Kapazität der Straße in Gestalt eines

90 BVerwG, Urteil vom 8. Januar 2014 – 9 A 4/13, BVerwGE 149, 31 Rz. 32 m.w.N. 91 So auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1657, S. 18: zu den

planerischen Ebenen Sauthoff/Witting, in: Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl. 2013, § 16 Rn. 5 ff., 21 ff.

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beispielsweise vier- oder gar sechsstreifigen Ausbaus fest.92 Es kommt demnach nicht darauf an, ob eine geringere Dimensionierung möglich oder ausreichend wäre; entscheidend ist, ob die planfestgestellte Dimensionierung zur Verwirklichung des Planungszieles vernünftigerweise geboten ist.93

Im vorliegenden Fall ist wie ausgeführt für den Abschnitt von der A 4 bis Nostitz nach dem Bedarfsplan zum FStrAbG ein vierstreifiger Neubau vorgesehen.94

Die Bindungswirkung, die sich wie ausgeführt auch auf die grundsätzliche Dimensi-onierung der Straße bezieht, schließt es allerdings nicht aus, dass das Vorhaben als Ganzes oder in der vorgesehenen Dimensionierung an Belangen scheitert, die nach den Anforderungen des Abwägungsgebots größeres Gewicht haben als die Erfüllung des festgestellten Bedarfs.95 Insbesondere wird mit der Aufnahme in den Bedarfsplan die abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nicht vor-weggenommen, denn mit ihr ist abschließend und verbindlich nur über eine der tat-bestandlichen Zulassungsvoraussetzungen (nämlich die Planrechtfertigung) ent-schieden.

Dementsprechend wird die Planungsbehörde auch nicht von der Verpflichtung ent-bunden, alle für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange abzuwägen. Selbst eine dem Bedarf entsprechende, unter verkehrlichen Aspekten optimale oder vor-zugswürdige Trasse kann an entgegenstehenden öffentlichen oder privaten Belangen scheitern. Der grundsätzliche Verkehrsbedarf stellt nur einen unter vielen Belangen dar, die bei einer Straßenplanung zu berücksichtigen sind. Ob er sich entsprechend seinem Gewicht im Rahmen der Gesamtabwägung durchsetzt, hängt von der Bedeu-tung der Belange ab, die gegen das Vorhaben sprechen, was sich nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen lässt.96

Daher muss sich die Planungsbehörde auch „Klarheit über die Art und die Bedeu-tung der das Vorhaben tragenden Interessen“ verschaffen.97 Dabei ist in der Recht-sprechung des BVerwG geklärt, dass im Rahmen der planerischen Abwägung die Frage des Verkehrsbedarfs nicht abweichend von den gesetzgeberischen Vorgaben entschieden werden darf.98

Der Aufnahme eines Straßenbauvorhabens in den Bedarfsplan liegt eine Kosten-Nutzen-Analyse des Gesetzgebers zugrunde; dies schließt es aus, im Planfeststel-lungsverfahren oder auch im gerichtlichen Verfahren die zugrunde liegende Kosten-

92 S. BVerwG, Urteil vom 26. März 1998 – 4 A 7/07, Rz. 12; Urteil vom 21. März 1996 – 4 C 19.94,

BVerwGE 100, 370 (385). 93 S. BVerwG, Urteil vom 26. März 1998 – 4 A 7/07, Rz. 13. 94 S. oben D.II.1. Wir gehen im Folgenden davon aus, dass im (für die anwendbare Sach- und Rechtslage

maßgeblichen) Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses der Bedarfsplan zum FStrAbG weiterhin einen vierstreifigen Ausbau vorsehen wird. Selbst wenn der Bundesverkehrswegeplan 2015 zu einem anderen Verkehrsbedarf kommen sollte, so heißt dies noch nicht, dass der Bedarfsplan zum FStrAbG gleichfalls angepasst wird, zumal der Bundesverkehrswegeplan 2015 die zuvor schon als vor-dringlichen Bedarf aufgeführten Vorhaben als laufende und fest disponierte Vorhaben keiner erneuten Überprüfung unterzieht (sondern sie gleichsam „nachrichtlich“ übernimmt).

95 Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 1998 – 4 A 7/07, Rz. 27; Urteil vom 8. Juni 1995 – 4 C 4.94, BVerwGE 98, 339 (353).

96 S. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996 – 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 (254 f.); Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 3/95, Rz. 19.

97 BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 3/95, Rz. 19. 98 S. etwa BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2005 – 9 A 49.04, Rz. 30 (zum Abschnitt 1.2 der B 178); Ur-

teil vom 25. Januar 1996 – 4 C 5.95, BVerwGE 100, 238 (254).

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Nutzen-Analyse unbeachtet zu lassen und eine erneute Prüfung zu fordern bzw. vor-zunehmen.99 Dementsprechend richtet sich die Aufgabe der Planungsbehörde, sich Klarheit über die Art und die Bedeutung der das Vorhaben tragenden Interessen zu verschaffen, nicht auf die Durchführung einer erneuten Kosten-Nutzen-Analyse, vielmehr ist der im Bedarfsplan prognostizierte und anerkannte Bedarf in die Abwä-gung einzustellen. Das – relative – Gewicht in der Gesamtabwägung ergibt sich da-bei aus den Planungszielen, die der Gesetzgeber mit der Aufnahme des Vorhabens in den Bedarfsplan verbunden hat und die vor dem Hintergrund der konkreten Pla-nungssituation der zeichnerischen Darstellung des Bedarfsplans zu entnehmen sind.100

Da für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgebend ist, muss die Planfeststellungsbehörde auch neue Erkenntnisse in ihre Entscheidung einbeziehen, also etwa zwischen der Bedarfsplanung für ein Straßen-bauvorhaben und dem Zeitpunkt der Planfeststellung eingetretene oder hinreichend sicher zu erwartende tatsächliche Veränderungen, soweit sie sich auf das Gewicht u. a. der Abwägungsbelange auswirken können.101

Die Feststellung eines verkehrlichen Bedarfs ist auch für die Abwägungsentschei-dung ersichtlich von zentraler Bedeutung und – wie vom Gesetzgeber entschieden – grundsätzlich in die Abwägung einzustellen. Dies schließt es aus, ein anderes Vor-haben zu errichten (etwa Bundesstraße anstelle Bundesautobahn) oder eine Kapazität der Straße vorzusehen, die mit den gesetzgeberischen Vorgaben und den planeri-schen Grundlagen etwa zur Netzverknüpfung, die der gesetzgeberischen Entschei-dung zugrunde lagen, nicht vereinbar ist.

Dementsprechend schließt die gesetzliche Bedarfsfestlegung es im vorliegenden Fall nicht aus, im Ergebnis der Abwägung und auf Grundlage der RAL einen dreistreifi-gen Regelquerschnitt zu wählen. Hierfür sprechen die folgenden Erwägungen:

- Der dreistreifige Neubau hält sich im Rahmen der verbindlichen Bedarfsfeststel-lung. Bei der Festlegung eines vierstreifigen Neubaus hat der Gesetzgeber einen bestimmten Verkehrsbedarf zugrunde gelegt, der eine solche Dimensionierung rechtfertigt. Er ist also auf Grundlage ihm vorliegender Planungen zu der Folge-rung gelangt, die betreffende Straßenverbindung müsse eine entsprechende Ka-pazität aufweisen.

Eine (nur) dreistreifige Dimensionierung steht nicht in Widerspruch zu dieser gesetzgeberischen Konzeption. Denn diese straßenbauliche Ausgestaltung ist da-zu geeignet, den bezogen auf den Neubau der B 178 vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Verkehrsbedarf insbesondere mit Blick auf die bezweckte Verbin-dungsfunktion zu befriedigen. In diesem Sinne würde die Frage des Verkehrsbe-darfs auch nicht abweichend von den gesetzgeberischen Vorgaben entschieden, wenn ein dreistreifiger anstelle eines vierstreifigen Neubaus planfestgestellt würde. Ob etwas anderes für den Fall gelten würde, in dem eine nur zweistreifi-ge Ausgestaltung planfestgestellt würde, braucht hier nicht vertieft zu werden.

99 BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 3/95, Rz. 15 f. – Bezogen u.a. auf den Abschnitt 1.1 erfolgt

eine solche Überprüfung des Verkehrsbedarfs auch nicht im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung 2015 (s. oben 1); das hier zu betrachtende Vorhaben wird darin als nicht disponibles, laufendes Vorha-ben eingestellt.

100 BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 3/95, Rz. 19. 101 BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1997 – 4 C 3/95, Rz. 10.

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- Dass auch die Wahl eines dreistreifigen Ausbaus den vom Gesetzgeber für einen vierstreifigen Ausbau zugrunde gelegten Verkehrsbedarf befriedigt, bestätigt ein Blick auf die Regelquerschnitte gemäß den RAL. Denn die (für Straßen der Ka-tegorie LS I im Regelfall vorgesehene) EKL 1 sieht grundsätzlich eine Ausge-staltung im dreistreifigen Regelquerschnitt RQ 15,5 vor und nur ausnahmsweise bei einer sehr hohen Verkehrsnachfrage eine Dimensionierung im RQ 21.

Der Gesetzgeber dürfte mit der Bedarfsfestlegung und der Vorgabe eines vier-streifigen Bedarfs kaum bezweckt haben, dass diese Abschnitte unabhängig vom Umfang der konkreten Verkehrsnachfrage grundsätzlich im vorgesehenen RQ 21 bzw. nach den RAA ausgestalten zu lassen, wenn dies im konkreten Fall nicht erforderlich ist. Der Umfang der Verkehrsnachfrage und die Dringlichkeit der Planung und Realisierung brauchen auch nicht zu korrelieren. Vielmehr dürfte der Gesetzgeber bei der Bedarfsfestlegung die einschlägigen technischen Regel-werke im Blick gehabt haben und davon ausgegangen sein, dass die Projekte an-hand der im Einzelfall sinnvollen Regelquerschnitte verwirklicht werden sollen.

Entsprechend kennt die gesetzliche Bedarfsfeststellung auch keinen dreistreifi-gen Regelquerschnitt.

- Für dieses Verständnis spricht auch die Begründung des Gesetzgebers zum 5. Gesetz zur Änderung des FStrAbG. Hiernach ist

„ein dreistreifiger Ausbau von Bundesstraßen […] nicht kapazitätsre-levant und gehört deshalb nicht zum Regelungsgehalt des Bedarfs-plans.“102

Der Gesetzgeber hat in dem Bedarfsplan bezogen auf Bundesstraßen nur einen zwei- oder einen vierstreifigen Ausbau vorgesehen, nicht aber auch einen dreistreifigen. Der Gesetzgeber geht also offenkundig davon aus, dass ein dreistreifiger Ausbau die Kapazität der betreffenden Straße nicht signifikant er-höht bzw. verkleinert und deshalb eine derartige, verbindliche Vorgabe zur Di-mensionierung auf der Ebene der gesetzlichen Bedarfsfeststellung entbehrlich ist. Der Begründung des Gesetzgebers ist ferner zu entnehmen, dass dieser einen dreistreifigen Ausbau auch bei einer gesetzlich vorgesehenen zwei- oder vier-streifigen Ausgestaltung für möglich hält. Da eine solche Dimensionierung nicht „kapazitätsrelevant“ ist und nicht zum Regelungsgehalt des Bedarfsplans gehört, steht eine dreistreifige Ausgestaltung auch nicht in Widerspruch zur gesetzlichen Bedarfsfeststellung.

- Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Rechtsprechung des BVerwG zu ande-ren Abschnitten der B 178. Wie ausgeführt, ist nach dem Bedarfsplan ab-schnittsweise ein vierstreifiger, teilweise ein nur zweistreifiger Ausbau vorgese-hen; letzteres ist der Fall für die Strecke ab Höhe Löbau (S 148), also ab Ab-schnitt 3 des Gesamtvorhabens.

Sowohl Abschnitt 3.1, der unmittelbar an den vierstreifig ausgebauten Ab-schnitt 2 angrenzt, als auch Abschnitt 3.2 sind dreistreifig (im Regelquerschnitt RQ 15,5) ausgebaut worden, obwohl wie dargelegt die gesetzliche Bedarfsfest-legung hier nur eine zweistreifige Ausgestaltung vorsieht.

Das BVerwG führte hierzu in Bezug auf Abschnitt 3.1 aus, der

102 S. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 15/1657, S. 22.

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„im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Ausbau mit einem Zusatz-fahrstreifen wird von dem im Bedarfsplan vorgesehenen zweistreifigen Ausbau nicht ausgeschlossen. Eine derartige Bau- und Betriebsform mit abwechselnden Überholmöglichkeiten für die beiden Fahrtrichtun-gen dient in erster Linie der Verkehrsqualität und der Verkehrssicher-heit.“ 103

Dabei wies das BVerwG den klägerischen Einwand zurück, aufgrund der zu er-wartenden Verkehrsmenge sei nur ein zweistreifiger Ausbau gerechtfertigt.

„Selbst unter Zugrundelegung der von den klägerischen Gutachtern prognostizierten Verkehrsbelastungen von mindestens 13.000 - 14.000 Kfz/24 h wäre die Grundlage für die ursprüngliche, auch den gewähl-ten Regelquerschnitt rechtfertigende Bedarfsentscheidung nicht entfal-len …“104

Die ursprüngliche Bedarfsentscheidung sah einen vierstreifigen Ausbau vor; erst mit der Änderung des FStrAbG war für diesen Abschnitt nur noch ein zweistrei-figer Ausbau vorgesehen.

So wie die Festlegung eines zweistreifigen Ausbaus eine dreistreifige Ausgestal-tung nicht ausschließt (wenn dies etwa aus Gründen der Verkehrsqualität und der Verkehrssicherheit geboten ist), steht hiernach die Festlegung eines Bedarfs mit einer vierstreifigen Dimensionierung ebenso wenig einer dreistreifigen stra-ßenbaulichen Gestaltung entgegen. Eine Planfeststellung, die im vorliegenden Fall einen dreistreifigen Ausbau vorsieht, setzt letztlich die gesetzgeberische Be-darfsentscheidung um. Sie wäre unter diesem Gesichtspunkt auch abwägungs-fehlerfrei, weil die Planfeststellungsbehörde das relative Gewicht des Verkehrs-bedarfs in der Gesamtabwägung zutreffend und entsprechend der vom Gesetz-geber mit der Aufnahme in den Bedarfsplan angestrebten Weise berücksichtigt.

Dies entspricht auch der vom BVerwG vorgesehenen Aufgabenverteilung zwi-schen der Bedarfsfestlegung durch den Gesetzgeber und Abwägung durch die Planfeststellungsbehörde, die sich Klarheit über die Art und die Bedeutung der das Vorhaben tragenden Interessen verschaffen und tatsächlich eingetretene bzw. zu erwartende Veränderungen berücksichtigen muss. Der vom Gesetzgeber ver-bindlich festgestellte Verkehrsbedarf setzt sich bei der Planfeststellung für einen dreistreifigen Ausbau gegenüber anderen Belangen durch; die Bindungswirkung schließt es demgegenüber nicht aus, dass im vorliegenden Fall die vorgesehene vierstreifige Dimensionierung an Belangen scheitert, denen ein größeres Ge-wicht beizumessen ist.

b) Zulässigkeit von RAL abweichender Dimensionierung

Auf der Grundlage der einschlägigen technischen Regelwerke ist eine Ausbildung der B 178 im Abschnitt 1.1 im RQ 15,5 vorgesehen. Dies stellt eine mit Blick auf die Gesichtspunkte Verkehrssicherheit, Verkehrsqualität, Wirtschaftlichkeit und Um-weltverträglichkeit optimierte Lösung dar. Wir sehen keine Anhaltspunkte, dass eine solche planerische Lösung abwägungsfehlerhaft sein könnte.

103 S. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 28 (zum Abschnitt 3.1). 104 S. BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 28 (zum Abschnitt 3.1; Hervorh. nur hier).

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Die dreistreifige Ausgestaltung im RQ 15,5 gemäß den RAL ist rechtlich indes nicht zwingend vorgegeben. Es ist eine Frage der Abwägung (unter Beachtung der strikten Rechtsnormen), ob auch eine vom Regelfall des RQ 15,5 abweichende vierstreifige Ausgestaltung im RQ 21 planfestgestellt werden kann. Wir sehen nicht, dass der „Abwägungsspielraum“ der Planfeststellungsbehörde hier „auf Null“ reduziert wäre, dass also jede andere Ausgestaltung von vornherein abwägungsfehlerhaft wäre.105

Nach den vorstehenden Erwägungen kommt eine von den RAL abweichende Di-mensionierung (hier: im RQ 21) mit Blick auf die Bedeutung und das Gewicht der Eigentums- und Umweltbelange jedoch nur dann in Betracht, wenn hinreichend ge-wichtige verkehrliche Gründe eine solche Ausgestaltung fordern. Eine Ausgestaltung in einem vierstreifigen Regelquerschnitt würde stärkere Umweltbetroffenheiten und eine stärkere Inanspruchnahme von Grundeigentum auslösen, die nur mit gewichti-gen verkehrlichen Zielen gerechtfertigt werden können.

Wie dargelegt ermöglichen die RAL unter Berücksichtigung der zu erwartenden Verkehrsbelegung eine Abweichung von dem grundsätzlich vorgesehenen Regel-querschnitt. Der Gesichtspunkt des Verkehrsbedarfs wird mithin durch die RAL – abschließend – berücksichtigt. Der prognostizierte Verkehrsbedarf rechtfertigt auch keine Abweichung vom dreistreifigen Regelquerschnitt.

Dies schließt aber nicht aus, dass aus anderen verkehrlichen Gründen eine abwei-chende Ausgestaltung in Betracht kommen kann. Zwar stellen die RAL einen opti-mierten Ausgleich zwischen den Zielen der Verkehrssicherheit, der Verkehrsqualität, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit dar; dies steht einer Ausgestal-tung, bei der aus Gründen des Einzelfalls einem dieser Gesichtspunkte ein größeres Gewicht beigemessen wird als im Regelfall, aber nicht von vornherein entgegen.

Derartige Umstände, die eine andere Gewichtung im vorliegenden Fall rechtfertigen und eine andere straßenbauliche Ausgestaltung rechtfertigen könnten, sehen wir im vorliegenden Fall allerdings nicht. Aus unserer Sicht ergeben sich solche Umstände auch nicht aus dem Lippold-Gutachten.106 Im Einzelnen:

- Eine von den RAL abweichende straßenbauliche Ausgestaltung könnte mit Blick auf einen hohen Lkw-Anteil in Betracht zu ziehen sein.

Auch die RAL selbst sehen, allerdings nur in Bezug auf die EKL 3 und EKL 4, in Abhängigkeit von der Schwerverkehrsstärke die Möglichkeit einer Abwei-chung von den Regelquerschnitten vor. Danach kommt der EKL 4 nur bei einem Schwerverkehrsanteil von bis zu 150 Fahrzeugen/24h in Betracht, und bei einem geringen Schwerverkehrsanteil von weniger als 300 Fahrzeugen/24h kann der in EKL 3 grundsätzlich vorgesehene Regelquerschnitt mit reduzierter Fahrstreifen-breite ausgestaltet werden.107

Für die EKL 1 und 2 enthalten die RAL keine solchen Vorgaben; diese Nicht-Erwähnung schließt es aber nach unserer Auffassung nicht von vornherein aus, im Fall eines besonders hohen Lkw-Anteils auch in diesen Entwurfsklassen eine abweichende Ausgestaltung zu wählen.

105 Zu der „Reduzierung des Planungsermessens auf Null“ etwa Kopp/Schenke, VwVfG, 20. Aufl. 2014,

§ 114 Rn. 35. 106 S. oben Fußn. 19. 107 S. RAL (oben Fußn. 78), S. 28. – Die RAL lassen, soweit ersichtlich, offen, ob hierunter Lkw > 2,8 t

oder > 3,5 t zu verstehen sind. Für die vorliegende Betrachtung ist dies nicht ausschlaggebend.

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Wir sehen allerdings vorliegend nicht, dass ein besonders hoher Lkw- oder gar Schwerverkehrsanteil gegeben ist: Nach der Verkehrsprognose 2013 beträgt der Anteil an Lkw > 3,5 t bei 2.200 Fahrzeugen je nach Abschnitt 18 % bzw. 19 % (umgerechnet auf Lkw > 2,8 t damit jeweils um die 22 %). Für uns ist nicht er-sichtlich, dass dies ein besonders hoher Lkw-Anteil ist, der signifikant über dem Regelfall liegt und daher etwa aus Gründen der Verkehrssicherheit (sicheres Be-gegnen und Überholen) eine größere Dimensionierung nahelegen könnte.

Der Lkw-Anteil dürfte jedoch immerhin gegen eine Ausgestaltung im EKL 2 sprechen, die auf Grundlage der zu erwartenden Verkehrsbele-gung grundsätzlich denkbar ist. Aus unserer Sicht dürfte mit Blick auf die Ziele für die Gestaltung von Landstraßen (insbesondere sicheres Begegnen und Überholen) eine Ausgestaltung im RQ 11,5+, der keine durchgängige Überholmöglichkeit vorsieht, angesichts des Lkw-Anteils von fast einem Viertel sachwidrig sein.

Dieser Lkw-Anteil hat nach unserem Verständnis aber keine Auswirkungen auf die Verkehrsqualität. Die angestrebte Stufe der Verkehrsqualität wird nach den Ergebnissen des Verfahrens des HBS auch bei diesem Lkw-Anteil bei einer dreistreifigen Ausgestaltung erreicht; insbesondere wird im Netzabschnitt insge-samt, also unter Berücksichtigung der anderen Abschnitte der B 178n, die für die Straßenkategorie angestrebte Pkw-Fahrtgeschwindigkeit erreicht, die niedriger liegt als die Entwurfsgeschwindigkeit, d. h. der Lkw-Anteil hat insoweit voraus-sichtlich keine Auswirkungen auf die durchschnittliche Fahrtgeschwindigkeit.

- Eine andere Ausgestaltung kann grundsätzlich auch wegen des Gebots der ein-heitlichen Ausgestaltung der Streckenzüge erwogen werden. Denn die RAL sehen vor, dass die Entwurfsklasse für Streckenzüge nach Möglichkeit einheit-lich gewählt werden „soll“.

In seinem Gutachten hebt Lippold diesen Gesichtspunkt hervor und argumen-tiert, aus Sicherheitsgründen seien „Unstetigkeiten“ zu vermeiden:

„Die in der Summe mit einem Querschnittswechsel verbundenen Ände-rungen stellen einen erheblichen Bruch in der Streckencharakteristik dar, der für einen so kurzen Streckenabschnitt nicht ratsam ist. Die Einbußen stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Einspa-rung von Baukosten.“

Diese Erwägungen sind aus unserer Sicht insofern unvollständig, als sie auf die Einsparung von Baukosten, also auf Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte abstellen, dabei aber den Flächenmehrverbrauch und die stärkeren Eigentums- und Um-weltbetroffenheiten nicht thematisieren. So scheidet der Gutachter den RQ 26 aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes aus, ohne diese Frage für den RQ 20 im Vergleich zum RQ 15,5 zu berücksichtigen.

Unabhängig davon, ob der einheitlich auszugestaltende Streckenzug in Nostitz endet,

- zwar ist die S 112 eine Straße niederrangigerer Verkehrsfunktion, doch schließen die RAL auch für einen solchen Fall nicht aus, einen Streckenzug an einem Knoten mit einer solchen niederrangigeren Stra-ßenkategorie enden zu lassen, wenn die so gebildeten Teile eine deut-lich unterschiedliche Verkehrsnachfrage aufweisen

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halten wir den Gesichtspunkt der einheitlichen Ausgestaltung schon deshalb nicht für durchgreifend, weil die B 178n nicht insgesamt vierstreifig ausgebaut worden ist. Die vierstreifige Ausgestaltung ist nur in den Abschnitten 1.2 bis 2 ausgebildet worden, d. h. im Raum Löbau, so dass sich hier eine Überlagerung mit der Umgehung des Ortes und der insoweit höheren Verkehrsnachfrage ergibt. Dementsprechend dürfte dem Gebot der einheitlichen Ausgestaltung der Streckenzüge für Abschnitte außerhalb des Raums Löbau kein besonders großes Gewicht beizumessen sein. Auch die Teilabschnitte in Abschnitt 3 sind nach un-serem Verständnis jeweils dreistreifig im Regelquerschnitt RQ 15,5 und nicht im Regelquerschnitt RQ 20 ausgebildet worden.108 Eine für die B 178n typische, einheitliche Streckencharakteristik sehen wir dementsprechend nicht. Vielmehr ist die Streckencharakteristik der B 178n eher dadurch geprägt, dass sie strikt an der zu erwartenden Verkehrsbelegung ausgerichtet ist.

Angesichts der relativ geringen Verkehrsbelegung im Abschnitt 1.1 sehen wir auch nicht, dass ein vierstreifiger Ausbau mit der Erwägung begründet werden könnte, es handele sich bei diesem Abschnitt um die noch fehlende Verknüpfung zwischen der A 4 und der bereits für den Verkehr freigegebenen B 178n. Nach den Prognosen scheint generell für den Pkw-Verkehr die Verkehrsrelation zwi-schen dem Raum Löbau und Bautzen (Süd) gewichtiger als die Verbindung zur BAB A 4. Die Verkehrsteilnehmer haben die Möglichkeit, sich frühzeitig auf die Ausbaumerkmale einzustellen, sowohl wenn sie aus Norden (nach Verlassen der BAB A 4) kommen, als auch bei einem Passieren des Abschnitts 1.1 aus der Südrichtung (aus dem Raum Löbau).

- Dass bauliche Besonderheiten (etwa Ein- und Ausfädelungen an der An-schlussstelle, Verknüpfung mit dem nachgeordneten Straßennetz an der Kreu-zung mit der S 55n und mit der S 112n, Übergang zu Abschnitt 1.2) unter Be-rücksichtigung der Trassenlänge von nur rd. 5,1 km einen vierstreifigen Ausbau fordern, scheint uns unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit nicht aus-geschlossen, aber bislang nicht nachgewiesen.

- Generell sehen wir bislang keine Erwägungen der Verkehrssicherheit, die eine vierstreifige Ausgestaltung nahelegen oder sogar erfordern. Die entsprechenden Erwägungen in dem Lippold-Gutachten halten wir nicht für durchgreifend.

Das Gutachten enthält keine konkrete Begründung dafür, dass ein vierstreifiger Regelquerschnitt aus Gründen der Verkehrssicherheit erforderlich ist und ein dreistreifiger Regelquerschnitt vorliegend – abweichend von der Regel der RAL – zu einer signifikanten Risikoerhöhung führen würde und daher nicht in Frage kommt.

Dass generell eine größere Dimensionierung mit Blick auf die Verkehrssicher-heit vorzugswürdig ist und dass das Sicherheitsniveau beim RQ 15,5 generell niedriger ist als beim RQ 21, liegt auf der Hand. Dies ist aber grundsätzlich in der Abwägung der RAL berücksichtigt worden und vermag, solange kein wirkli-cher Sonderfall vorliegt, eine weitergehende Inanspruchnahme von Grundeigen-tum und Umweltgütern nicht zu rechtfertigen. Der nach den RAL vorgesehene Regelquerschnitt stellt einen optimierten Ausgleich der generell relevanten Be-lange einschließlich der Verkehrssicherheit dar; eine abweichende Ausgestaltung

108 S. hierzu BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2008 – 9 A 27/06, Rz. 1 (zum Abschnitt 3.1) und Urteil vom

23. März 2011 – 9 A 9/10, Rz. 1 (zum Abschnitt 3.2).

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ist nur dann erforderlich, wenn die Verkehrssicherheit aufgrund der spezifischen Besonderheiten des Einzelfalls trotz der typisierenden Regelquerschnittsbildung besonders gefährdet ist.

Andernfalls läge auch keine Rechtfertigung dafür vor, höhere Kosten für eine im Einzelfall besonders hohe Verkehrssicherheit in Kauf zu nehmen. Dies ginge zu Lasten der Finanzierung anderer Projekte – und gerade deswegen kommt der Einheitlichkeit der Planungspraxis für den Bund besondere Bedeutung zu.

Daher kommt auch dem Gesichtspunkt der Querschnittswechsel keine relevante Bedeutung zu. Querschnittswechsel mögen aus Gründen der Verkehrssicherheit allgemein unerwünscht sein. Dies vermag für sich genommen ein Absehen von einem Querschnittswechsel aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht zu be-gründen. Dass im vorliegenden Fall ein Querschnittswechsel die Verkehrssi-cherheit in besonderer Weise beeinträchtigen würde und die nach den RAL und der ihnen zugrunde liegenden typisierenden Betrachtung nicht mehr hinnehmbar ist, können wir dem Gutachten Lippold nicht entnehmen.

- Auch die Unterschreitung von Mindestknotenabständen oder die Notwendigkeit von Fahrzeug-Rückhalteeinrichtungen begründen nach unserer Einschätzung keine solchen Gefahren, dass sie einen vierstreifigen Ausbau erforderlich ma-chen würden. Dass die Überlagerung der wegweisenden Beschilderung die Auf-nahmefähigkeit der Kraftfahrer deshalb überfordern könnte, weil dies mit einer Beschilderung für einen Querschnittswechsel abgestimmt werden muss, und dies zu Unfällen führen kann, begründet keine konkreten Gefährdungen der Ver-kehrssicherheit. Auch ggf. notwendige Fahrzeug-Rückhalteeinrichtungen betref-fen nicht Gesichtspunkte der Verkehrssicherheit im konkreten Fall, sondern al-lenfalls Querschnittswechsel an sich; auch hierin sehen wir keine Erwägungen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit eine abweichende Ausgestaltung des RQ erforderlich machen würde, die auf einen Querschnittswechsel am Übergang zum Abschnitt 1.2 verzichtet. Bei der Auf- oder Abfahrt zur BAB A 4 ist ein Querschnittswechsel ohnehin unvermeidlich.

- Schließlich vermögen wir auch keine überwiegenden Gründe, die im Einzelfall eine Abweichung vom RQ 15,5 erfordern, darin zu erblicken, dass eine vierstrei-fige Ausgestaltung mit Blick auf ein schlüssiges Gesamtkonzept und zur Bildung von Kapazitätsreserven sinnvoll sei, wie der Gutachter argumentiert.

Angesichts der prognostizierten Verkehrsbelegung sind bei einer dreistreifigen Ausgestaltung ohnehin derart große Kapazitätsreserven gegeben, dass sogar eine Verdoppelung der Verkehrsmengen möglich wäre, ohne dass eine Ausbildung in einem vierstreifigen Querschnitt aus Gründen der Verkehrsqualität erforderlich würde. Selbst eine Überschreitung der Prognosewerte in fernerer Zukunft – die ohnehin nach der Einschätzung der Verkehrsprognose und von ivv ausgeschlos-sen erscheint – würde also keine „Überdimensionierung“ rechtfertigen, zumal rechtlich nur auf eine Prognose der Entwicklung in 15-20 Jahren nach Planfest-stellung abzustellen wäre.

Soweit der Gutachter Prof. Lippold demgegenüber ausführt, zur

„Absicherung eines in sich schlüssigen Verkehrskonzepts für den Ge-samt-Streckenzug der B 178 als Bundesfernstraße mit sich langfristig entwickelnden Verkehren nach PL und CZ ist es nicht sinnvoll, im letz-

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ten, kurzen Abschnitt vor der Autobahn den Gesamtverkehr über einen schmaleren Querschnitt als in den davorliegenden Abschnitten zu füh-ren“,

sehen wir auch hierin keine überwiegenden Gründe, die eine abweichende Di-mensionierung fordern würden. Die B 178n ist ohnehin nicht einheitlich ausge-bildet, so dass eine einheitliche Streckencharakteristik nicht gegeben ist; schon deshalb überzeugt es nicht, zu argumentieren, nur bei einer einheitlichen Ausbil-dung sei ein sicherer Verkehrsablauf zu gewährleisten.

Soweit der Gutachter meint, verkehrskonzeptionell sei eine Änderung des Stra-ßenquerschnitts auf dem letzten Streckenabschnitt vor einer Einmündung in die Autobahn „nicht vertretbar“, fehlt hierfür eine nähere Begründung.

Aus verkehrlicher Sicht ist es nach unserer Einschätzung mit Blick auf die mit der Straßenbaugestaltung verbundenen Ziele insgesamt nicht zu beanstanden, wenn der Abschnitt 1.1 im RQ 15,5 ausgebildet wird, weil dieser angesichts der zu erwarten-den Verkehrsstärke unter Berücksichtigung der Verkehrsfunktion und der daraus re-sultierenden Straßenkategorie bei typisierender Betrachtung nach den RAL den an-erkannten Regeln der Technik entspricht und damit frei von Abwägungsfehlern ist.

Zwingende Gründe für eine ausnahmsweise abweichende Dimensionierung sind für uns nicht ersichtlich, auch wenn eine solche grundsätzlich ebenfalls in Betracht kommen mag. Sie wäre aber nur dann ihrerseits frei von Abwägungsfehlern, wenn für eine solche größer dimensionierte Ausgestaltung hinreichend gewichtige ver-kehrliche Gründe angeführt werden könnten, weil nur dann die weitergehenden Ei-gentums- und Umweltbetroffenheiten gerechtfertigt werden könnten. Solche Erwä-gungen könnten auch vorliegend theoretisch in der Vermeidung konkret drohender Unfallschwerpunkte liegen, aber sicher nicht in der bloßen, prognostisch nicht ge-forderten Erhöhung der Kapazität des Abschnitts oder in der Entlastung einer Orts-durchfahrt von Durchgangsverkehr.

Unserer Einschätzung nach sind solche Gründe auch mit dem Lippold-Gutachten nicht belastbar nachgewiesen. Nach derzeitigem Stand wäre daher eine dreistreifige Ausgestaltung in dem nach den RAL für den Regelfall vorgesehenen RQ 15,5 zu empfehlen.

III. Prozessuale Risiken

Nach den vorstehenden Erwägungen dürfte nach derzeitigem Stand nur die Planfest-stellung einer dreistreifigen Ausgestaltung in dem nach den RAL vorgesehenen RQ 15,5 „gerichtsfest“ sein. Dies deckt sich mit den eher apodiktisch mitgeteilten Erwägungen der Landesdirektion. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn ein gerichtlich belastbarer und gegen Klagen Enteignungsbetroffener oder Umweltver-bände zu verteidigender Nachweis dafür vorliegt, dass namentlich aus Gründen der Verkehrssicherheit eine von den RAL abweichende größere Dimensionierung erfor-derlich ist, auch wenn die prognostizierte Verkehrsbelastung am unteren Ende der einschlägigen EKL liegt.

Für den Fall, dass gleichwohl an einer vierstreifigen Ausgestaltung festgehalten würde, müsste man bereit sein, die folgenden prozessualen Risiken einzugehen:

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- Die Wahl eines vierstreifigen Regelquerschnitts könnte als Verletzung strikt bindender Rechtsnormen (namentlich des Naturschutzrechts) beurteilt werden. Jedenfalls liegt nach jetzigem Stand die Annahme eines Abwägungsfehlers, nämlich einer Fehldimensionierung nahe.

- Ein unterstellter Abwägungsmangel wäre nach unserer Einschätzung wohl auch nicht unerheblich. Nach der Planerhaltungsvorschrift des § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG (zuvor: § 17e Abs. 6 FStrG) sind Mängel bei der Abwägung der berühr-ten öffentlichen und privaten Belange zwar nur dann erheblich, wenn sie offen-sichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Dies wäre vorliegend aber wohl der Fall, denn das Fehlen hinreichend gewichtiger verkehr-licher Gründe für eine vierstreifige Ausgestaltung wäre offensichtlich und die Relevanz der Überdimensionierung auf die Abwägung – aufgrund des weiterge-henden Eingriffs in Eigentums- und Umweltbelange – nicht zu bestreiten.

- Nicht sicher vorhersehbar ist, ob im Fall eines solchen Abwägungsmangels das BVerwG den Planfeststellungsbeschluss aufheben oder nur für rechtswidrig und nichtvollziehbar erklären würde. Letzteres würde voraussetzen, dass der festge-stellte Abwägungsmangel in einem ergänzenden Planfeststellungsverfahren (durch eine Tektur) behoben und durch einen Planergänzungsbeschluss geheilt werden könnte. Wir halten dies nicht für ausgeschlossen, solange eine dreistrei-fige Dimensionierung sich nicht auf die Alternativenprüfung für den Trassenver-lauf auswirkt (s. oben II.2.b)). Ob die Trassenwahl ungeachtet der Dimensionie-rung Bestand haben kann, müsste im Fall einer Umplanung des Vorhabens (dreistreifige Ausführung) auch die Planfeststellungsbehörde prüfen. Dieser Fra-ge, also den konkreten Auswirkungen einer Umstellung des Vorhabens auf eine dreistreifige Dimensionierung, wäre ggf. in einer gesonderten Stellungnahme nachzugehen.

Nach derzeitigem Stand wäre eine solche dreistreifige Ausgestaltung (in dem nach den RAL für den Regelfall vorgesehenen RQ 15,5) die rechtlich sicherste Planung und dementsprechend juristisch zu empfehlen.

Berlin, den 7. Juli 2015

Prof. Dr. Norbert Wimmer Dr. Benjamin Schirmer Rechtsanwalt Rechtsanwalt

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Anhang

I. Projektbeschreibung Abschnitt 1.1

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II. Auszüge aus den RAL

1. Straßenkategorien nach den RIN und Geltungsbereich der RAL

2. Entwurfsklassen und grundsätzliche Gestaltungsmerkmale

3. Anhaltswerte für Abweichungen von der ausgewiesenen Entwurfsklasse

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4. Regelquerschnitt 11,5+

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5. Regelquerschnitt 15,5

6. Regelquerschnitt 21