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Dr. Christian Wiggers Rechtsanwalt Planungsrechtlicher Umgang mit dem Lebensmitteleinzelhandel

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Dr. Christian WiggersRechtsanwalt

Planungsrechtlicher Umgang

mit dem Lebensmitteleinzelhandel

6. NRW-Nahversorgungstag – 15. Februar 2017, Bergkamen

I. Planungsrechtliche Steuerung des Einzelhandels

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Raumordnung

Landes- und Regionalplanung

Gemeindliche Bauleitplanung

Flächennutzungsplanung / Bebauungsplanung

Zulassung von Einzelvorhaben

Im Gebiet mit Bebauungsplan:

- Baugebiet gemäß §§ 2 ff. BauNVO,

- § 11 Abs.3 BauNVO bei Großflächigkeit

Im unbeplanten Innenbereich:

- § 34 BauGB (Abs. 2 ggf. i.V.m. § 11 Abs. 3 BauNVO)

- § 34 Abs. 3 BauGB: Keine schädlichen Auswirkungen

6. NRW-Nahversorgungstag – 15. Februar 2017, Bergkamen

I. Planungsrechtliche Steuerung des Einzelhandels

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Schutz zentraler Versorgungsbereiche durch

§ 11 Abs. 3 BauNVO und § 34 Abs. 3 BauGB

Schutzzweck: Sicherung der verbrauchernahen

Versorgung durch zentrale Versorgungsbereiche

Mittel: Räumliche Steuerung der Ansiedlung von

großflächigen Einzelhandelsbetrieben und EKZ

Erforderlichkeit u. a. wegen demographischen Wandels

(siehe z. B. Gesetzesbegründung zu § 34 Abs. 3 BauGB)

ABER:

Fraglich: Unvereinbarkeit mit Europarecht aufgrund

unzulässigen Konkurrenz- und Wettbewerbsschutzes?

Fraglich: Anwendbarkeit auf Online-Handel bzw. dessen

planungsrechtlich relevante Erscheinungsformen?

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II. Vereinbarkeit mit dem Europarecht

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Planungsrechtliche Steuerung der Einzelhandelsansiedlung:

Beschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit / Eingriff (+)

Mögliche Rechtfertigung? Zu prüfen ist:

1. Werden zulässige Ziele verfolgt? Zwingendes Allgemeininteresse?

2. Maßnahme geeignet und erforderlich, um die Ziele zu erreichen?

Keine rein wirtschaftlichen Ziele!

(vgl. EuGH Urt. v. 24.03.2011 – C-400/08, EU-KOM / Spanien)

Nach deutscher Rechtsprechung: Rechtfertigung (+):

Planungsrecht verfolgt zulässige Zwecke und ist wettbewerbsneutral

Wohl andere Bewertung:

EU-Kommission und Deutsche Monopolkommission

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II. Vereinbarkeit mit dem Europarecht

Nach deutscher Rechtsprechung: Rechtfertigung (+), z.B.:

BVerwG, Urteil vom 16.12.2010 – 4 C 8.10

OVG Lüneburg, Urteil vom 25.04.2012 – 1 KN 215/10

BVerwG, Beschluss vom 30.05.2013 – 4 B 3/13

BVerwG, Beschluss vom 10.10.2013 – 4 BN 36.13

VGH München, Urteil vom 16.09.2014 – 1 N 10.1932

Danach gilt:

Die verfolgten Zwecke (städtebauliche Entwicklung, Verbraucher- und Umweltschutz)

sind zwingende Gründe des Allgemeininteresses

Die Städteplanung verfolgt keine wirtschaftlichen Ziele, sie ist „wettbewerbsneutral“

Fließen zur Erreichung der planerischen Ziele wirtschaftliche Aspekte mit ein (z.B.

Kaufkraftabfluss als Indikator), ist das zu akzeptieren, solange die planerischen Ziele den

eindeutigen Schwerpunkt bilden

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II. Vereinbarkeit mit dem Europarecht

EU-Kommission sieht Verletzung der Niederlassungsfreiheit und gibt

Empfehlungen zum nationalen Reformprogramm in Deutschland:

KOM [2013] 355 final, 29.05.2013:

o „Im Einzelhandel werden Marktzutritte durch

Planungsvorschriften erheblich behindert.“

o Empfehlung, „dass Deutschland Planungsbeschränkungen

beseitigt, die Marktzutritte im Einzelhandel in unangemessener

Weise einschränken“.

KOM [2014] 406 final, 02.06.2014:

o „Im Einzelhandelssektor wird der Markteintritt durch die Planungsvorschriften in

bestimmten Bundesländern nach wie vor signifikant eingeschränkt.“

o Empfehlung, „dass Deutschland die Anstrengungen zur Beseitigung bestehender

Planungsvorschriften, die Markteintritte im Einzelhandel behindern, verstärkt“.

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III. Anwendbarkeit auf den Onlinehandel

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Onlinehandel – Einzelhandel im Sinne des Planungsrechts?

Eigentlicher Verkauf erfolgt online

Büro (= Internetzugang)

Buchhaltung / Controlling, Administration

„Vollzug“ des Verkaufsgeschäfts

Warenlager: Vorhalten der Ware, Versand, Verteilung

Lieferung (Versand)

Unklar: Abholung:

o Abholboxen (automatisierte Übergabe)

o Abholstationen (persönliche Übergabe)

Hier bauplanungsrechtliche Fragen

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III. Anwendbarkeit auf den Onlinehandel

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Definition Einzelhandel nach BVerwG

(z.B. BVerwG BauR 2009, 307 m.w.N.):

Einzelhandel im planungsrechtlichen Sinne ist der

unmittelbare Verkauf von Waren an Endverbraucher

Planungsrechtliche Merkmale des Einzelhandels:

Verkauf/Abgabe an Letztverbraucher (+)

Unbestimmter Kreis an Käufern (+)

Unklar: Verkaufsfläche (groß- oder kleinflächig) -???-

o Warenlager mit Abholmöglichkeit („Abhollager“)

o Abholmöglichkeiten mit persönlicher Übergabe

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III. Anwendbarkeit auf den Onlinehandel

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Gebiet mit Bebauungsplan

Nutzungsart muss im jeweiligen Gebietstyp nach der

BauNVO zulässig sein

§ 11 Abs. 3 BauNVO: Großflächigkeit der Verkaufsfläche?

Unbeplanter Innenbereich – § 34 BauGB

§ 34 Abs. 3 BauGB: Schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche?

o Prognose der Umsatzumverteilung – heute noch schwierig, da keine

ausreichenden Daten – mangelnde Flächendeckung

o Vergleich vorhandene und hinzutretende Verkaufsfläche

o Vom Schutzzweck erfasst: Schädlichkeit für die verbrauchernahe Versorgung

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IV. Fazit:

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Die planungsrechtliche Steuerung der Einzelhandelsansiedlung stellt

eine Beschränkung der EU-Niederlassungsfreiheit dar

Nach deutscher Rechtsprechung ist diese aber gerechtfertigt, weil das

Planungsrecht zulässige Zwecke verfolgt und wettbewerbsneutral ist

Wohl andere Bewertung durch die EU-Kommission

Keine oder nur eingeschränkte Steuerungsmöglichkeit des

Onlinehandels über die üblichen planungsrechtlichen Kriterien

wie z.B. Verkaufsflächengröße, Umsatzumverteilung.

Die Bestimmung städtebaulicher Zentrenschädlichkeit von

Abhollagern und -stationen des Onlinehandels ist derzeit noch

nicht geklärt.

Die Anwendbarkeit von § 11 Abs. 3 BauNVO und § 34 Abs. 3 BauGB

ist deshalb nur sehr eingeschränkt.

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Impressionen vom 6. NRW-Nahversorgungstag

Fotos: Jan Weckelmann

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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