H. Dettleff: Übergänge aus der beruflichen Bildung in die Hochschule 6 Thesen zum Übergang von...

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Vortrag von Henning Dettleff auf der Expertenkonferenz "Bildungsübergänge gestalten" am 16.11.12 in Bochum. Die Konferenz „Bildungsübergänge gestalten“ ist ein Projekt der Stiftung Mercator in Kooperation mit der Ruhr Universität Bochum. http://www.stiftung-mercator.de/themencluster/integration/expertenkonferenz-bildungsuebergaenge.html

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Expertenkonferenz „Bildungsübergänge gestalten“

Forum 6: Übergänge aus der beruflichen Bildung in die Hochschule

6 Thesen zum Übergang von Beruf bzw. beruflicher Bildung zur Hochschule

1. Konkurrenz in Zeiten des demografischen Wandels: Berufliche und hochschulische Bildung konkurrieren um gute Schulabgänger.

Aufgrund der demografischen Entwicklung gibt es immer weniger Jugendliche. Je mehr jun-ge Menschen studieren, desto schwieriger wird es für ausbildende Betriebe, gut qualifizierte Nachwuchskräfte für eine duale Ausbildung zu gewinnen. Dies kann mittel- bis langfristig zu Fachkräfteengpässen im mittleren Qualifikationssegment, insbesondere im gewerblich-technischen Bereich, führen.

Erleichterte Übergangsmöglichkeiten zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung ver-stärken kurzfristig die Konkurrenz beider Bildungsbereiche. Vor allem hört diese Konkurrenz auch dann nicht auf, wenn Jugendliche einmal für eine Ausbildung gewonnen wurden. War das Abendgymnasium noch eine große Hürde für berufserfahrene Menschen, ist es der Di-rekteinstieg ins Studium nicht mehr.

2. Dennoch sind Übergänge ein Gewinn für das gesamte Bildungssystem, denn sie ermöglichen bessere Entscheidungen über Bildungswege.

Die Wirtschaft begrüßt die zunehmende Durchlässigkeit zwischen den Bildungsbereichen:

Zum einen ermöglicht sie mehr Menschen eine Höherqualifizierung, die angesichts des gro-ßen Bedarfs an wissenschaftlich ausgebildeten Fachkräften dringend geboten ist.

Zum anderen führt sie (hoffentlich) zu qualitativen Verbesserungen im Bildungssystem. Ins-besondere könnte das Aufbrechen der traditionellen Bildungswege langfristig zu besseren Entscheidungen über individuelle Bildungswege führen. Denn je schwieriger Quereinstiege und Wiedereinstiege in bestimmte Bildungsbereiche sind, desto stärker die Tendenz zur Bil-dung „auf Vorrat“. Die Möglichkeit, auf verschiedensten Wegen und in verschiedenen Le-bensabschnitten zu Bildungsabschlüssen zu kommen, begünstigt hingegen eine Entschei-dungsfindung, die den optimalen nächsten Schritt im Auge hat.

3. Unternehmen interessieren sich für optimale Potenzialentwicklung – nicht für Zu-gangsberechtigungen.

Darüber hinaus erweitert eine stärkere Durchlässigkeit das Spektrum der betrieblichen Per-sonalentwicklung und ermöglicht eine passgenaue Weiterqualifizierung der Berufstätigen im Hinblick auf zukünftige berufliche Herausforderungen oder bestimmte Zielpositionen. Ein offener Hochschulzugang ersetzt die berufliche Fort- und Weiterbildung nicht, sondern er-gänzt sie je nach beruflicher Perspektive und Weiterbildungsinteresse der Mitarbeiter. Die Personalentwicklung fragt nicht nach Zertifikaten, sondern nach Potenzialen. Das individuelle Potenzial ist das einzig sinnvolle Zugangskriterium. Die Öffnung der Hochschulen (mit indivi-dueller Zugangsprüfung) folgt diesem Grundsatz.

4. Studieren können v. studieren dürfen: Engpassfaktor sind die schmalen Brücken ins Studium.

Auch die Hochschulgesetze folgen dieser Logik inzwischen weitgehend: 60% der Deutschen haben das Recht, sich für ein Studium zu bewerben. Beruflich Qualifizierte scheitern nicht mehr am Gesetz, sondern an fehlenden Vorbereitungs-, Beratungs- und Betreuungsangebo-ten. Derzeit ist unklar, welcher Träger (berufliche Bildung, Hochschule, freie Träger) am ehesten und am besten Zusatzangebote zur Studienvorbereitung schaffen könnte. Private Hochschulen sind hier derzeit besonders aktiv und damit auch besonders attraktiv für Unter-nehmen, die großen Wert darauf legen, dass Personalentwicklungsmaßnahmen auch gelin-gen.

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5. „Eigentlich ist das nicht unsere Aufgabe“ entbindet nicht von der Verantwortung für gelingende Übergänge.

Das Bildungssystem ist schon jetzt (begrenzt) durchlässig, etwa 2 % der Studierenden ha-ben über ihre berufliche Qualifikation den Weg an die Hochschule gefunden. Damit tragen die Hochschulen auch die Verantwortung dafür, dass diese Studierenden – wann immer möglich – zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden. Ein Verweis auf eine generell mangelhafte Studienvorbereitung dieser Gruppe als Argument für die eigene Unzuständig-keit bei Misserfolg und Studienabbruch ist unzulässig: Denn strukturelle Probleme dürfen nicht auf dem Rücken der Einzelnen ausgetragen werden.

6. Motivation kann Berge versetzen – wenn man weiß, wo sie stehen, wo sie hin müs-sen und wo die Schaufel ist.

Übergänge ins Studium und das Studium selbst erfordern gerade von nicht-traditionellen Studierenden und Berufstätigen Motivation und Selbstgewissheit. Je ungewöhnlicher Über-gänge sind, desto mehr davon ist notwendig, um der Belastung gewachsen zu sein. Man-gelnde Motivation und Selbstzweifel hingegen kennzeichnen Studierende kurz vor dem Ab-bruch. Studieninteressierte benötigen daher gute Information und Beratung über Studienin-halte, Methoden und berufliche Perspektiven sowie ehrliches Feedback über Stärken, Schwächen und Erfolgschancen – und Solidarität und Hilfsbereitschaft nach der Einschrei-bung.

Kontakt:

Henning Dettleff

Abteilung Bildung | Berufliche Bildung

BDA | Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

[email protected]