Haben Managementmodelle ausgedient?

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Schwerpunkt   VON SYBILLE SACHS UND EDWIN RüHLI*X DiegrosseZeitderManagementmodel- le brach in den 60er- und 70er-Jahren an. Mit dem St.Galler Managementmo- dell oder dem Zürcher Ansatz zu einer Führungslehre wollte man damals die vielen zusammenhangslosen Einzeler- kenntnissederFührungsforschungund derManagementpraxisineinenBezugs- rahmen stellen. Die Modelle waren ganzheitlich aufgebaut und erfassten sowohl ökonomische als auch soziale Grundsätze des Managements. Zudem entsprachensiedemdamaligengutpro- gnostizierbarenWirtschaftswachstum. 20Jahrespäterentwickeltesich andenBusinessSchoolsindenUSAein völligneuerDenkansatz.Dieservertrat eine konsequent ökonomische Sicht- weise und drängte die umfassenderen ManagementmodelleauchinEuropain den Hintergrund. Diese Ökonomisie- rung des Managementdenkens wurde von einer raschen Professionalisierung der Finanzmärkte zusätzlich angetrie- ben und förderte ein konsequentes Shareholder-Value-Denken. Neue Herausforderungen. Seit Ende der90er-Jahrehabensichdieunterneh- merischenBedingungenabermalsdras- tischverändert.DieGlobalisierung,der stetigetechnischeFortschrittunddie Digitalisierung bringen eine enorme Vielfalt und Vernetzung in den Ar- beitsalltag. Dazu kommt eine immer stärkereArbeitsteilungaufgrunddezen- tral vorhandenen Wissens und ver- schiedene gesellschaftliche Gruppie- rungen verlangen mehr Transparenz undBerücksichtigungihrerBedürfnisse in den Unternehmungen. Es erstaunt dahernicht,dassdieaufprimärökono- mischen Grundsätzen basierten Ansät- zederShareholder-Value-Maximierer immermehrindieKritikgeraten.Offen- sichtlichesFehlverhaltenvonManagern lässtdieseAnsätzeabernichtnurveral- tet,sondernsogarschädlicherscheinen. Flexible Prinzipien statt starre Modelle. WasaberistdieAlternativezudenhis- torischenManagementmodellen?Inei- nerZeitdesenormenWandelsmüssen starreModelle,diealleinaufökonomi- schenGesetzenberuhen,durchweitge- fasste Managementprinzipien abgelöst werden. Diese sind in einer dynami- schenundvernetztenWirtschaftund Gesellschaft wegweisend, ohne dass sie die Rigidität der Modelle oder die Einseitigkeit der ausschliesslich öko- nomiebasierten Strategieansätze ha- ben. Gemäss unseren Studien basiert ein zeitgemässes Führungsverständnis aufvierPrinzipien: 1. Prinzip: Primat der Gesellschaft Die traditionelle Vorstellung, dass Un- ternehmungenautonomeWirtschafts- einheiten seien und gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen ihres TunsnuralsunwichtigeExternalitäten betrachtetwerdenkönnen,istüberholt und wird immer weniger akzeptiert. Das bedeutet, dass bei der Unterneh- mungsführung neben den ökonomi- schenGesetzmässigkeitengleichwertig die Anforderungen der Gesellschaft undderSchutzdernatürlichenUmwelt berücksichtigtwerdenmüssen.Erfolg- reiche Unternehmungen richten sich heute schon danach aus, wie sie für wesentliche Stakeholder wie Kunden, MitarbeitendeundauchfürdieGesell- HabenManagementmodelle ausgedient? Seit der Professionalisierung des Managements in den  50er-Jahren erforderte die Weiterentwicklung von   Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder neue Denk-  und Handlungsweisen der Führungskräfte. Doch sind  Managementmodelle heute überhaupt noch zeitgemäss? Bild:DenisJunker–Fotolia.com Management lässt sich heute nicht mehr einfach so in starre Modelle packen.

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Ein Artikel von Sybille Sachs & Edwin Rühli, Institute for Strategic Management HWZ im Organisator 2/2015.

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Von Sybille SachS und edwin Rühli*X

Die�grosse�Zeit�der�Managementmodel-le� brach� in� den� 60er-� und� 70er-Jahren�an.�Mit�dem�St.Galler�Managementmo-dell�oder�dem�Zürcher�Ansatz�zu�einer�Führungslehre� wollte� man� damals� die�vielen� zusammenhangslosen� Einzeler-kenntnisse�der�Führungsforschung�und�der�Managementpraxis�in�einen�Bezugs-rahmen� stellen.� Die� Modelle� waren�ganzheitlich� aufgebaut� und� erfassten��sowohl� ökonomische� als� auch� soziale�Grundsätze� des� Managements.� Zudem�entsprachen�sie�dem�damaligen�gut�pro-gnostizierbaren�Wirtschaftswachstum.�

20�Jahre�später�entwickelte�sich�an�den�Business�Schools�in�den�USA�ein�völlig�neuer�Denkansatz.�Dieser�vertrat�eine� konsequent� ökonomische� Sicht-weise� und� drängte� die� umfassenderen�Managementmodelle�auch�in�Europa�in�den� Hintergrund.� Diese� Ökonomisie-

rung� des� Managementdenkens� wurde�von�einer�raschen�Professionalisierung�der� Finanzmärkte� zusätzlich� angetrie-ben� und� förderte� ein� konsequentes�Shareholder-Value-Denken.

neue herausforderungen. Seit� Ende�der�90er-Jahre�haben�sich�die�unterneh-merischen�Bedingungen�abermals�dras-tisch�verändert.�Die�Globalisierung,�der�stetige�technische�Fortschritt�und�die�Digitalisierung� bringen� eine� enorme�Vielfalt� und� Vernetzung� in� den� Ar-beitsalltag.� Dazu� kommt� eine� immer�stärkere�Arbeitsteilung�aufgrund�dezen-tral� vorhandenen� Wissens� und� ver-schiedene� gesellschaftliche� Gruppie-rungen� verlangen� mehr� Transparenz�und�Berücksichtigung�ihrer�Bedürfnisse�in� den� Unternehmungen.� Es� erstaunt�daher�nicht,�dass�die�auf�primär�ökono-mischen�Grundsätzen�basierten�Ansät-ze� der� Shareholder-Value-Maximierer�

immer�mehr�in�die�Kritik�geraten.�Offen-sichtliches�Fehlverhalten�von�Managern�lässt�diese�Ansätze�aber�nicht�nur�veral-tet,�sondern�sogar�schädlich�erscheinen.�

Flexible Prinzipien statt starre Modelle. Was�aber�ist�die�Alternative�zu�den�his-torischen�Managementmodellen?�In�ei-ner�Zeit�des�enormen�Wandels�müssen�starre�Modelle,�die�allein�auf�ökonomi-schen�Gesetzen�beruhen,�durch�weitge-fasste� Managementprinzipien� abgelöst�werden.� Diese� sind� in� einer� dynami-schen�und�vernetzten�Wirtschaft�und�Gesellschaft� wegweisend,� ohne� dass�sie� die� Rigidität� der� Modelle� oder� die�Einseitigkeit� der� ausschliesslich� öko-nomiebasierten� Strategieansätze� ha-ben.� Gemäss� unseren� Studien� basiert�ein� zeitgemässes� Führungsverständnis�auf�vier�Prinzipien:�

1. Prinzip: Primat der Gesellschaft Die� traditionelle� Vorstellung,� dass� Un-ternehmungen�autonome�Wirtschafts-einheiten� seien� und� gesellschaftliche�und� ökologische� Auswirkungen� ihres�Tuns�nur�als�unwichtige�Externalitäten�betrachtet�werden�können,�ist�überholt�und� wird� immer� weniger� akzeptiert.�Das� bedeutet,� dass� bei� der� Unterneh-mungsführung� neben� den� ökonomi-schen�Gesetzmässigkeiten�gleichwertig�die� Anforderungen� der� Gesellschaft�und�der�Schutz�der�natürlichen�Umwelt�berücksichtigt�werden�müssen.�Erfolg-reiche� Unternehmungen� richten� sich�heute� schon� danach� aus,� wie� sie� für��wesentliche� Stakeholder� wie� Kunden,�Mitarbeitende�und�auch�für�die�Gesell-

Haben�Managementmodelle��ausgedient?Seit der Professionalisierung des Managements in den 50er-Jahren erforderte die Weiterentwicklung von  Wirtschaft und Gesellschaft immer wieder neue Denk- und Handlungsweisen der Führungskräfte. Doch sind Managementmodelle heute überhaupt noch zeitgemäss?

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Management lässt sich heute nicht mehr einfach so in starre Modelle packen.

Schwerpunkt  � �Schwerpunkt  � �ORGAnISATOR�Seite�14/15�Ausgabe�1-2/15–6.�Februar�2015

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schaft� Lebensqualität� und� Wohlstand�schaffen�können.�

2. Prinzip: RessourcenpoolingIn�der�heutigen�Wissensgesellschaft�ist�nicht�das�Kapital,�sondern�immaterielle�Ressourcen� wie� Wissen,� Erfahrungen�und� Emotionen� der� strategisch� ent-scheidende� Erfolgsfaktor.� Ebenso� ent-scheidend�sind�Ressourcenbeiträge�von�Stakeholdern�wie�Kunden,�Lieferanten�oder� von� externen� Experten.� Diese��Stakeholder�sind�daher�systematisch�in�die� Planungs-� und� Entscheidungspro-zesse� einzubeziehen� und� am� Erfolg� zu�beteiligen.�Zudem�werden�immer�mehr�

ne� Firma,� sondern� ein� netzwerk� von�Unternehmungen�und�Organisationen.�nur�so�wird�das�dezentral�vorhandene�Innovationspotenzial�ausgeschöpft�und�ein�nachhaltiger�Erfolg�erzielt.�4. Prinzip: MenschlichkeitDie� bisherigen� Hinweise� lassen� erken-nen,�wie�bedeutsam�der�Mensch�in��der�Unternehmung�und�in�den�Stakehol-der-�Organisationen� für� ein� erfolgrei-ches�Management�geworden�ist.�Dieser�Mensch� ist� weder� ein� egozentrischer�«Homo�Oeconomicus»�noch�ein�gesichts-loser�Teil�der�Humanressourcen�oder�gar�nur� ein� Kostenfaktor.� Menschen� sind�aufgrund�ihrer�spezifischen�Eigenschaf-ten,� Erfahrungen� und� Entwicklungen�zugleich�Basis�und�Ziel�des�unternehme-rischen� Erfolges.� Daher� ist� für� das� Ma-nagement� nicht� nur� die� lebenslange�Weiterentwicklung�der�Fachkompetenz�zentral,� sondern� auch� die� Sozial-� und�Selbstkompetenz�zur�Erschliessung�der�menschlichen�Potenziale.

Die� firmen-� und� situationsspe-zifische�Interpretation�und�Umsetzung�dieser�Prinzipien�ist�heute�die�wichtigs-te� Herausforderung� für� das� Manage-ment.�Die�Manager�der�Generation�3.0�müssen� dabei� neben� den� ökonomi-schen� auch� die� gesellschaftlichen� Ent-wicklungen� erkennen� und� verstehen.�Auf�dieser�umfassenden�Basis�gilt�es�ein�Klima� für� menschenorientierte,� konti-nuierliche� Veränderungsprozesse� im�Unternehmen�und�im�Umgang�mit�den�Stakeholdern�zu�schaffen.�

PRoF. dR. Sybille SachSist Leiterin des «Insti-tuts für Strategisches Management: Stake-holder View» und Schulleitungsmitglied an der HWZ Hoch-schule für Wirtschaft Zürich.

PRoF. dR. edwin Rühli ist emeritierter Pro-fessor für Betriebs-wirtschaft an der Uni-versität Zürich und Senior Advisor am «Institut für Strategi-sches Management: Stakeholder View» an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich.

> Sachs, S., Rühli, E.:

Strategisches Management –

Eine neue Perspektive.

Haupt Verlag 2013

> Sachs, S., Rühli, E.:

Stakeholders Matter:

A New Paradigm for Strategy

in Society, Cambridge

University Press, 2011

buchtiPPS zuM theMa

auch�materielle�Ressourcen�wie�techni-sche� Einrichtungen� oder� Infrastruktur�geteilt�und�so�nachhaltiger�genutzt.�

3. Prinzip: netzwerkorientierungDie�fortschreitende�Arbeitsteilung,�Spe-zialisierung� und� Digitalisierung� führt�dazu,� dass� die� einzelnen� Unterneh-mungen� Wertschöpfungsprozesse� im-mer� seltener� alleine� bewältigen� kön-nen.� Die� Wertekette� ist� heute� in� ein�Mosaik�von�Beziehungen�zu�verschie-densten� Partnern� eingebettet.� Hoch-spezialisierte� Leistungen� können� nur�noch� im� netzwerkverbund� mit� unver-zichtbaren� Stakeholdern� erzielt� wer-den.� Der� traditionelle� Fokus� auf� ein-zelne� Stakeholder� und� auf� anonyme�Marktkräfte�verliert�deshalb�an�Bedeu-tung.� Er� wird� durch� ein� kollaboratives�netzwerkdenken�physisch�und�virtuell�ersetzt.� Die� Führungs-� und� Organisa-tionseinheit� ist� nicht� mehr� die� einzel�-