Wir haben Plan?!

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Zur Notwendigkeit von Partizipationsangeboten für Kinder und Jugendlichen in Architektur-Prozessen Johann Göhler

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Zur Notwendigkeit von Partizipationsangeboten für Kinder und Jugendliche in Architekturprozessen Architektur | Stadtentwicklung | Partizipation | Kinder | Jugend

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Wir haben Plan?!Zur Notwendigkeit von Partizipationsangeboten für

Kinder und Jugendlichen in Architektur-Prozessen

Johann Göhler

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Erstgutachter: Prof. Dr.-Ing. Bernd NentwigZweitgutachterin: Prof. Dr.-Ing. Barbara Schönig

Eingereicht am: 17.01.2014

An der Bauhaus-Universität Weimar,Fakultät Architektur

zur Erlangung des akademischen Grades einesMaster of Science (M.Sc.)

vorgelegt von

geboren am 21.12.1987 in DippoldiswaldeMatrikel-Nr.: 70449

im Masterstudiengang Architektur eingereichte

Master-Thesis

Johann Göhler

Wir haben Plan!?Zur Notwendigkeit von Partizipationsangeboten für Kinder und Jugendlichen in Architektur-Prozessen

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In dieser Arbeit wurde aus Gründen der guten Lesbarkeit jeweils entweder die männliche oder die weibliche Sprachform gewählt. Selbstverständlich sind jeweils Menschen beiderlei Geschlechts gemeint.

„Der Paartherapeut Jürg Willi konstruierte den Satz: ‚Wenn man/frau mit seiner/ihrer Partner/in zusammenleben will, so wird er/sie zu ihr/ihm in ihre/seine oder sie/er in seine/ihre Wohnung ziehen‘, um deutlich zu machen, dass eine befriedigende Lösung des Sprachproblems nicht möglich ist. ‚Ich ziehe die einfache Sprache der zwar korrekten, aber unübersichtlicheren vor.‘“ (zitiert nach Manfred Lütz: Der blockierte Riese, 2001.)

Diese Auffassung teile ich und bitte bei den Lesern um Verständnis.

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1. Einleitung 5

THEORETISCHE GRUNDLAGEN

2. Wer baut Stadt? Diskurse in Architektur und Stadtplanung 132.1. Macht und Legitimation 13 2.2. Gestaltung und Ästhetik 202.3. Identität und Vermittlung 26

3. Was bewegt die Jugend? Teilhabe am gesellschaftlichen Leben 303.1. Jugend als soziales Moratorium 303.2. Heterogenität jugendlicher Lebensweisen 343.3. Kinder- und jugendfreundliche Stadtplanung 38

PLANUNGSWERKSTATT KRAMIXXO.WAGGONG

4. Die Planungswerkstatt Beschreibung des Projekts 454.1. Das Quartier Weimar-West 454.2. Der Eisenbahnwaggon am Jugendklub 534.3. Zielstellung 61

5. Die Planungswerkstatt Beschreibung des Projekts 655.1. Interaktion mit den Akteuren und der Öffentlichkeit 655.2. Wahrnehmung des Umfelds 705.3. Ideenfindung 785.4. Konzeptentwicklung 835.5. Vorstellung der Konzepte 94

AUSBLICK AUF EINE KINDER- UND JUGENDGERECHTE STADT

6. Jugend mischt mit Teilhabe in der Stadtentwicklung 1056.1. Kommunikation und Diskurs 1056.2. Integration und Förderung 108

ANHANG

Literaturverzeichnis 115Bildnachweis 118Eidesstaatliche Erklärung 119

Inhalt

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Einleitung

Es gibt wohl kaum eine Person, die sich öffentlicher Räume entziehen kann, sei es in gebauter Umwelt in Stadt und Land oder virtuell in sozialen Netzwerken und Plattformen. Diese Räume sind gestaltet, haben sozusagen ein Design und funktio-nieren nach den Vorstellungen des jeweiligen Urhebers. Doch wer bestimmt eigentlich dieses Design, dass uns umgibt und mit dem wir auskommen müssen? In einer generationsgerechten Gesellschaft, in der jedem die gleichen Rechte und Freiheiten zugebilligt werden, sollte doch jede Generation Teilhabe an den Prozessen öffentlicher Raumbildung erhalten, um sich entfalten zu können. Gemeint damit sind jene Prozesse, in denen über die Art und Nutzung von Architekturwerken und Stadtstrukturen Wünsche geäußert und Entscheidungen getroffen werden.

In den gegenwärtigen Diskussionen und Debatten zur Praxis dieser öffentlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse ist das Thema Partizipation nahezu allgegenwärtig.1 Es ist deutlich zu spüren, dass die Bürger verstärkt Interesse daran zeigen, dem lokalen politischen Geschehen beizuwohnen und es aktiv mitzubestimmen. Der Protest um das Großprojekt Stuttgart 21, der nun auch in der bürgerlichen Mitte angekommen ist, stellt dabei eine wichtige Zäsur dar. Dieses Bürgerbegehren hat bei Politikern ein Nachdenken über die Planungspraxis angestoßen.2 Der allgemeine Konsens ist, dass die gesetzlichen Grundlagen der Planungsverfahren dem Wunsch nach mehr Teilhabe nicht ausreichend gerecht werden.3 Zunehmend wird Beteiligung daher nicht nur gewünscht, sondern auch eingefordert. Partizipation ist dabei - wie die Demokratie selbst - immer als ein Prozess zu verstehen, der erlernt werden muss und nie abgeschlossen ist.

In diesen Prozess reiht sich auch der Wunsch nach Partizipation von Kindern und Jugendlichen ein und wird an mehreren Argumentationslinien diskutiert. Damit sind ganz andere Herausforderungen verbunden als bei der klassischen Bürgerbe-teiligung. Kinder und Jugendliche sind ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft, aber sie sind weder entwicklungspsychologisch

1 vgl. Luhmann, Legitimation Durch Verfahren, S. 27ff.

2 vgl. Hacke, Die Lange Dauer Des Technischen Staates, S. 84.

3 vgl. Häußermann, Läpple, und Siebel, 2008, 273.

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noch auf Grund unserer Gesetzeslage im Stande, im gleichen Maße wie Erwachsene an der Gestaltung unserer Gesellschaft und unseres politischen Systems teilzuhaben. Im besonderen Maße trifft das auf Jugendliche zu, die aus einem eher bildungs-fernen Umfeld kommen. Das Gefälle ihrer Kommunikations- und Argumentationsmöglichkeiten scheint zu denen der Experten unüberbrückbar. Desweiteren werden Kinder und Jugendliche durch den demographischen Wandel immer mehr zu einer gesellschaftlichen Minderheit.4 Somit verschiebt sich das Blickfeld politischer Handlungsspielräume zunehmend auf die Bedürfnisse älterer Bevölkerungsschichten und es drängt sich die Frage nach der Generationengerechtigkeit auf. Kindern und Jugendlichen ist es unmöglich, strukturell, sozial, politisch und ökonomisch an dieser Ungleichheit aus eigenem Antrieb heraus etwas zu verändern.

Die Betrachtungsweise von Kindern und Jugendlichen auf die gebaute Umwelt unterscheidet sich stark von der der Erwach-senen. Sie sehen und nutzen die Stadt ganz anders und haben zu ihr einen reaktiven Zugang.5 Dies resultiert auch daraus, dass sie nicht in der aktiven Stadtplanung beteiligt sind und ihnen die Möglichkeiten fehlen, an gestaltbildenden Prozessen beteiligt zu sein. Jugendliche sind kreative Meister der Ready-mades und Umnutzungen, indem sie vorhandene Strukturen auf ihre Bedürfnisse und Lebenswelten zugeschnitten nutzen. Diese jugendlichen Lebenswelten sind sehr unterschiedlich und nicht nur auf die soziale Herkunft zu reduzieren.6 Einen starken Einflusserfahren Jugendliche in ihrenLebensweisendurchdiejeweiligen Peergroups, in denen sie eingebunden sind.7

Diese Pluralität der Perspektiven und Lebensweisen in die Gesellschaft einzuflechten und zu integrieren erweist sich alseine sehr große Herausforderung für alle Beteiligten. Zudem befinden sich Heranwachsende entwicklungspsychologisch indem Prozess ihrer Identitäts-, Werte-, Ästhetik- und Persönlich-keitsbildung und benötigen in ihrer Entwicklung Stabilität, aber eben auch Entfaltungsräume. Es werden also Beteiligungsver-fahren und Plattformen benötigt, die diese benötigten Brücken- und Ankerfunktionen übernehmen können und Jugendliche

4 vgl. Roth, 2010, S. 7.

5 vgl. von Detten und Schmidt, 2012, S. 14ff.

6 vgl. Calmbach, 2012, S. 14.

7 Eine ausführliche Einführung gibt dazu Harring, 2010, S. 21ff.

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EINLEITUNG

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in dem Prozess der partizipativen Stadtentwicklung teilhaben lassen. Sie müssen dabei mit ihren Problemen abgeholt, angeleitet und gefördert werden, um sich in dem stadtplaneri-schen Diskurs einzufügen.

Das Projekt planungswerkstatt kramixxo.waggong greift die angerissenen Themen auf und verarbeitet sie an einem realen Beispiel sowie mit realen Akteuren in dem Quartier Weimar-West. Dieser Waggon steht seit 1991 auf dem Gelände des dortigen Kinder- und Jugendklubs „Kramixxo & Waggong“ und wurde sehr intensiv genutzt. Infolge von Vandalismus ist er jedoch seit einem Jahrzehnt nicht mehr benutz- und betretbar. Ausgehend von einem lokalen Jugendhilfeangebot in dem benannten Stadtteil entstand der Wunsch, ein vorhandenes Objekt in Form eines alten Eisenbahnwaggons zu sanieren und für die Nutzung zur Verfügung zu stellen. Um die Kinder und Jugendlichen mit in den Gestaltungsprozess einzubinden und zu beteiligen, ist die Planungswerkstatt entstanden. Es ist ein Beteiligungsprojekt für die Kinder und Jugendliche aus dem Viertel, die eine Bindung zu diesem Jugendklub haben oder die dadurch aufgebaut werden soll.

Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf dieses Projekt und ist dreigliedrig aufgebaut. Zunächst wird der theoretische Rahmen erörtert, in dem sich die Planungswerkstatt einbettet und der für die Arbeit mit den Jugendlichen maßgeblich war. Im anschlie-ßenden Teil wird das Projekt näher beschrieben, dokumentiert und ausgewertet. Aus den Erkenntnissen des Projektes heraus wird ein Ausblick auf eine jugendverträgliche Stadt geboten.

Der erste Teil bietet einen Überblick über das Thema Parti-zipation in Architekturprozessen und ist somit Grundlage für die Arbeit. Dieser Teil hat einen feststellenden wie fragenden Charakter. Darin werden Standpunkte behandelt, die zunächst allgemein das Thema Partizipative Architektur und Stadtplanung betreffen.Esgehtdarum,einegrobeÜbersichtüberdieKonflikt-felder zu bekommen, die sich mit einem Gebrauch partizipativer Instrumente in gestaltbildenden Prozessen eröffnen. Ausgehend davon, dass Partizipation nicht unbedingt die einfachste Lösung

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sondern ein komplexer Prozess ist, werden die Spannungsfelder angerissen. Der erste Abschnitt ist politischer Natur: Welche Aussagen werden über die neu geordneten Machtstrukturen und die Legitimation von Ideen und Entwürfen getroffen? Im zweiten Punkt erfolgt eine Gegenüberstellung von autonomer, funktionalistischer und partizipativer Planung zu Problemen der Gestaltung und Ästhetik. Das dritte Gebiet umfasst die Integrationsfähigkeit von Partizipationsprojekten. Es wird der Vermittlungs- und Identifikationsprozess von Architektur undStadtentwürfen umschrieben.

In der weiteren Auseinandersetzung wird der Fokus immer feiner justiert und in Bezug zu den Jugendlichen gestellt. Im ersten Abschnitt wird die Gruppe der Kinder und Jugend-lichen kurz charakterisiert und eine wichtige Abgrenzung und Besonderheit gegenüber der Erwachsenenwelt festgestellt. Die Diversität der Lebenswelten und Zugänge zum sozialen Raum wird im zweiten Teil entfaltet, was für das Verständnis der Notwendigkeit einer jugendfreundlichen Stadtplanung wichtig ist. Zu den Tendenzen und bisherigen Möglichkeiten, wie eine solche Planung aussehen kann, wird im dritten Abschnitt abgehandelt.

Nachdem das theoretische Fundament gelegt wurde, wird die planungswerkstatt kramixxo.waggong in ihrem kontextuellen, räumlichen Zusammenhang vorgestellt. Um einen Überblick und eine Vorstellung von dem Gegenstand der Planung zu bekommen, wird zunächst ein deskriptives Bild des Quartiers Weimar-West gezeichnet und die Geschichte sowie der Zustand des Eisenbahnwaggons am Jugendklub dargestellt. Es geht dabei um die sozialen Milieus und die baulich-räumlichen Gegebenheiten, in denen das Projekt stattfand. Anschließend werden die Zielvorstellungen und Ausgangsthesen detailliert niedergelegt und erörtert, wie dieses dreiphasige Projekt aufgebaut und strukturiert durchgeführt werden sollte.

Das Projekt wird im darauf folgenden Kapitel dokumentiert und gezeigt, aus welcher Keimzelle der Partizipationsprozess entstanden ist und die Jugendlichen angesprochen wurden und

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EINLEITUNG

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Zugang zum Architekturentwurfsprozess bekamen. Es wird zunächst veranschaulicht, als wie wichtig sich die Interaktion mit den Beteiligten sowie der Öffentlichkeit herausstellte und welche Voraussetzungen und Schwierigkeiten den Verlauf der Planungswerkstatt bestimmten. Im weiteren Verlauf wird der eigentliche Vorgang der Partizipation, der in Form von angelei-teten Workshops erfolgte, beschrieben. Es wird beschrieben und ausgewertet, wie die Jugendlichen die Umgebung und das vorhandene Objekt wahrgenommen, sich damit auseinander-gesetzt und sich schließlich auch mit dem Waggon und dem ProzessderUmgestaltungidentifizierthaben.

Die Art und Weise, wie die Jugendlichen an die gegebenen AufgabenstellungenherangingenundzuihrerIdeenfindungundAusformulierung gekommen sind, wird danach weiter ausgeführt und aufgezeigt, dass dabei das Medium Bild als Ausdrucksmittel in den Mittelpunkt gerückt ist. Diese Ideen wurden verfeinert, konzeptualisiert und in Designs umgewandelt. Der Gestaltungs-prozess war dabei nicht nur eine Möglichkeit der Entfaltung und des Entdeckens der eigenen Fähigkeiten, sondern bot auch Raum, Identität zu bilden, sowie mit anderen zu kollaborieren undkooperieren.MiteinerQualifizierungder„Entwürfe“mitExpertenwissen und Fertigkeiten wurden später die Konzepte visualisiert und der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Fallstudie ist damit abgeschlossen, wird jedoch außerhalb dieser Arbeit fortgeführt.

Abschließend werden durch die Erkenntnisse aus der Fallstudie in Rückkoppelung mit den theoretischen Grundlagen Positionen zur Notwendigkeit von Partizipationsangeboten für Kinder und Jugendliche erarbeitet und erläutert, wie diese Gruppe in einer generationengerechten Stadtentwicklung ihren Platz einnehmen kann. Im letzten Kapitel wird stärker auf die Möglichkeiten der Kinder und Jugendlichen eingegangen, auf Grund derer ein Diskurs über Jugendbeteiligung in der Stadtentwicklung an gestaltbildenden Prozessen eingefordert wird und die für eine stärkere Kommunikationskultur in der Planung plädieren. Es geht nicht um eine Protestbewegung, sondern vielmehr um Integration, Verständigung und Förderung. Jenseits der

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auf Grund der PISA-Studie geforderten reinen mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung, soll es Jugendlichen durch ästhetisch motivierte Prozesse möglich sein, die Wahrnehmung der Umwelt zu schärfen und darüber hinaus eigene Fähigkeiten zu entdecken.

Natürlich wäre eine Architektenvolksausbildung abwegig, jedoch ist die Sensibilisierung mit der Umgebung immanent. Durch das Mitwirken an und Aneignen von Raum und dessen Gestaltung soll mit diesen identitätsstiftenden Instrumenten neben der Selbsterfahrung eine höhere Wertschätzung des Gestaltungs-objekts einhergehen. Ausgehend von kleinen Bottom-Up-Projekten, wie das bei der planungswerkstatt kramixxo.waggong der Fall ist, wird untersucht, wie die Gestaltungskompetenz der Institutionen auch bei der Planung großräumlicher Areale von Wohnen, Schule und Stadt mit Kindern und Jugendlichen geteilt werden kann.

Im Mittelpunkt des letzten Teils der Ausführungen stehen Vorüberlegungen zu der Profession der Architekten und Planer sowie der Umgang mit vorhandenen Strukturen. Im Hinblick auf eine zunehmende Soziologisierung der Planung8 wird aufgezeigt, dass es lohnenswert ist, sich als Experte auf dieses Experiment einzulassen. Es soll deutlich werden, dass ein kreativer Umgang mit vorhandenen Ressourcen und Strukturen nicht nur sozial-ökologische Vorteile bringt, sondern auch weitere Spielräume bietet, eine Alltags-Ästhetik zu entwickeln.

8 vgl. dazu Siebel, 2010, S .59f.

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THEORETISCHE GRUNDLAGEN

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Wer baut Stadt? Diskurse in Architektur und Stadtplanung

2.1. Macht und Legitimation

Wenn Architektur und Stadt entsteht, ist dies, bevor auch nur ein Stein versetzt wurde, mit einem schöpferischen Prozess des Entwerfens, Planens und des Kommunizierens verbunden. In diesem Prozess verschränken sich dabei Aspekte der Techno-logie, Ökonomie, Politik mit denen der Ästhetik und werden dabeidiskutiert,reflektiertundausgearbeitet.SeinenAusdruckfindet dieser Prozess schließlich im Gebauten, aber auchschon allein in der Visualisierung und Veranschaulichung durch verschiedenste Medien. Der Schweizer Soziologe Lucius Burck-hardt spricht in seinem Aufsatz „Stadtplanung und Demokratie“

sogar davon, dass das Stadtbild – als Resultat des (un)geord-neten Bauens – „die öffentlichste Äußerung unseres Lebens“ ist.9

Wenn also das Bild einer Stadt eine öffentliche Äußerung und damit eine Form von Kommunikation ist, so werden darin Interessen unterschiedlicher Vertreter partizipiert. Vor dem Hintergrund einer pluralistischen Gesellschaft wirken diver-gierende und zum Teil konträre Interessen auf das Stadtbild ein. Gleichzeitig ist es aber auch so, dass das Stadtbild auf die Gesellschaft einwirkt und ihr Leben in gewisser Art und Weise bestimmt. Es lässt sich feststellen, dass eine wechselseitige Einwirkung von Gesellschaft und Umwelt vorherrscht.10 Daraus lässt sich ableiten, dass so Interessen vermittelt und durchgesetzt werden können, denen man sich maximal durch wegschauen entledigen kann.

Um diesen Interessen Ausdruck zu verleihen, bedarf es nach wie vor der Fähigkeiten von fachlichen Experten: den Planern und Architekten. Doch die Interessen zu steuern, zu ordnen und zu verflechten, vermagder Fachmannnicht allein zubewerk-stelligen und sieht sich mit komplexen Problemen konfrontiert, die beim Planen auftreten. Der Planungstheoretiker Horst W. J. Rittel fasst diese Probleme in der Planung unter dem Begriff der „bösartigen Probleme“ zusammen.11 Die Lösung der Planungsprobleme wird besonders in der Stadtplanung daher

9 Burckhardt, Stadtplanung Und Demokratie (1957), S. 19f.

10 vgl. dazu Burckhardt, Bauen - Ein Prozess Ohne Denkmalpflichten (1967), S .31ff.

11 Eine Zusammenfassung der einzelnen Probleme findet sich auf Seiten 18+19, entnommen aus Rittel & Webber, Dilemmas Einer Allgemeinen Theorie Der Planung, S. 56f.

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auf die politische Bühne übertragen, was das Bauen zu einem politischen Prozess macht. Demnach wird der gebaute Raum zu einem gesellschaftlichen Verhandlungsgegenstand,12 was zu Recht passiert, da die Lebensdauer von Gebäuden eine längere Zeitspanne ausfüllen soll und gleichzeitig damit uns in ihrer Gestalt umgibt.

Um Raum gestalten und beeinflussen zu können, braucht eseine Legitimation bzw. die Gestaltung erfolgt durch eine Art von Machtausübung. Der Soziologe Niklas Luhmann sieht Macht als „ein symbolisch, generalisiertes Kommunikationsmedium“,13 was bedeutet, dass die Macht durch Codes gesteuert wird und ebenfalls entschlüsselt werden kann. Der gebaute Raum, der durch die Interaktion der beteiligten Akteure und Betroffenen entstanden ist, bietet eine Möglichkeit, etwaige Machtver-hältnisse ablesen zu können. Es wird eine soziale Beziehung beschrieben, wie die beiden Soziologen Max Weber und Luhmann dieses Machtverhältnis charakterisieren.14 Dies macht Bauen zu einem sozialen Handeln im Gesamtsystem Gesell-schaft.

EsfindetalsoeineTransformationvomsozialenRaum,indemdie einzelnen Akteure und Gruppen positioniert sind, hin zum physischen, gebauten Raum statt. Dies geschieht durch die Aneignung bestimmter Orte, die mit Werten besetzt sind oder die durch die neue gebaute Umwelt eine Umwertung erfahren. Im Wettbewerb um diese Orte sind stärkere Akteure erfahrungsgemäß besser gestellt und werden durch soziale Ungleichheit reproduziert.15 Untersucht wurden diese Resultate vom französischen Soziologen Pierre Bourdieu, der in der „Fähigkeit, den Raum zu beherrschen“ die Abhängigkeit vom Kapitalbesitz sieht.16 Dabei ist Kapital nicht nur auf die ökonomische Kraft reduziert. Bourdieu unterscheidet zwischen ökonomischem, kulturellem, sozialem und symbolischem Kapital,17 das die gesellschaftliche Zugehörigkeit bestimmt. Der Gebrauch dieses Kapitals ruft eine Reproduktion der sozialen Ungleichheit hervor.

12 Fezer, Hier Entsteht, 2007, S. 16.

13 Luhmann, Macht, S. 4ff.

14 Anter, Theorien Der Macht Zur Einführung, S. 122.

15 Dangschat, Symbolische Macht Und Habitus Des Ortes. Die ‘Architektur Der Gesellschaft’ Aus Sicht Der Theorie(n) Sozialer Ungleichheit von Pierre Bourdieu, 2009, S. 314ff.

16 Bourdieu, Ortseffekte, S. 164.

17 Dangschat, Symbolische Macht, S. 316f

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ökonomisches Kapita l

Einkommen,Besitz,

Vermögen.

Bildungstitel,kulturelle Güter,

kulturelles Wissen,Geschmack,Fertigkeiten.Benehmen

institutionalisierte so-ziale Beziehungen.

Ansehen,Prestige,Charme

als Kommunikation der ein-gesetzten anderen Kapitalien

in den sozialen Feldern

kulturel les Kapita l

sozia les Kapita l

symbolisches Kapita l

Kapitalarten nach Borudieu

Tab.1 - Quelle: Dangschat, Symbolische Macht, S. 316

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Nun legitimiert die Ausübung von Macht allein nicht jede Entscheidung und jedes Handeln im gebauten Raum. Der bloße Einsatz von Kapital rechtfertigt also noch nicht jene Handlung, sei sie auch noch so altruistisch. Es bedarf einer Positivierung des Rechts zur Legitimation des Handelns.18 Es ist beispielsweise bei Großbauten ein Grundkonsens im gesellschaftlichen System notwendig, der entweder per Gesetz und Norm und/oder durch ein Verfahren zustande kommt. So sollten die ungleichen Bedingungen der Akteure gesteuert und eine Planungs- und Baukultur determiniert werden.

In der Bundesrepublik vertraute man darauf, diese Steuerung und Planung dem Staat zu überlassen und mittels eines techno-kratischen Apparates die Planung durch Verfahren zu legiti-mieren. Gestützt wurde diese Legitimation in den 50er / 60er Jahren durch den gesellschaftlichen Fortschrittsglauben und eine dadurch am Sachzwang orientierte Planung.19 Diese Art der Legitimation durch einen technischen Staat, in dem er lediglich wissenschaftliche, funktionale Techniken anwendet, bietet kaum eine Plattform für die Bürger den Prozess nachvollziehen zu können,geschweigedennEinflusszunehmen.DerMachtdesstaatlichen Gewaltmonopols, wie es Weber zeichnet, sind die Bürger ausgeliefert.

18 vgl. Luhmann, Legitimation Durch Verfahren, S. 27ff.

19 vgl. Hacke, Die Lange Dauer Des Technischen Staates, S. 84.

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Der Wunsch nach Partizipation ist demnach mehr als verständlich. Der Begriff Partizipation20 beschreibt das Macht-teilen und Einbeziehen von Individuen oder Organisationen in einem politischen Prozess. Der Staat und die Bürgergesellschaft werden somit zu Kooperationspartnern, die gemeinsam für politische Entscheidungen einen Grundkonsens innerhalb des rechtlich-institutionellen Rahmens zu finden suchen und eineKommunikationsplattform im Partizipationsverfahren besitzen. Planung kann somit wieder zu einem Prozess des Kommuni-zierens werden, wie es Klaus Selle formulierte: „Planung ist

Kommunikation: Erkunden, Informieren, Präsentieren, Diskutieren,

Moderieren, Motivieren, Koordinieren, Akzeptanz fördern, Betei-

ligen, um Konsens streiten“21 und wird ein Austragungsort von gelebter Demokratie.

In diesem Kommunikationsprozess, der wie jeder demokratische Prozess ein fortwährender und zu erlernender Prozess bleibt, ist für die politische Beteiligung die Informationsbereitstellung notwendig. Denn Laien und Fachfremde müssen sich in dem komplexenSachverhalterst zurechtfindenundhineinarbeitenbzw. hineingetragen werden. Damit der Bürgerwille fachlich fundiert artikuliert und mit Experten diskutiert werden kann, sind einfache Codes und eine Kompensation unterschiedlicher Voraussetzungen obligatorisch.

Der Partizipationsprozess allein kann nur als eine Plattform dienen, da darin die bestehenden Machtverhältnisse zwar neu ausgehandelt werden können, aber dennoch Grundlage der Kommunikation bilden. Die Ungleichheit des sozialen Raumes wirdalsoindieseneueArtdespolitischenProzessesungefilterthineingetragen, der es entgegenzuwirken gilt und bedarf daher eine anzuwendende Kommunikationsstrategie. Ziel soll es dabei sein, neben den schon angesprochenen fachlichen Ungleich-heiten auch die sozialen Ungleichheiten im Sinne Bourdieus anzugleichen und den beteiligten Akteuren eine gleichberech-tigte Stimme im Prozess zu geben. Dies wird bereits in einigen vorhanden Partizipationsmodellen und Planungsinstrumenten strukturiert und festgelegt.22

20 aus dem spätlateinischen partici-patio – Übersetzt mit Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme

21 Selle / Rösener / Rössig, Planung Und Kommunikation, S. 11.

22 Eine Übersicht dazu befindet sich in Häußermann / Läpple / Siebel, Stadtpolitik, 2008, S. 271f.

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punktuel le Betei l igung

Bürgerforen,Mediationsverfahren,

Perspektivenwerkstatt,E-Democracy,

Bürgerversammlungen,Bürgerbefragungen,

Bürgerinitiative

Ausländerbeiräte,Seniorenbeiräte,

Kinder- und Jugendparlamente,Bürgerhaushalt,

Agenda 21.

dauerhaf te Betei l igung

Beteiligungsinstrumente im Überblick

Tab.2 - Quelle: Häußermann / Läpple / Siebel, Stadtpolitik, 2008, S. 271

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Partizipation ist jedoch nicht als Konsensmaschine zu betrachten, wovor bspw. Markus Miessen in seiner Dissertation „Albtraum

Partizipation“ ausdrücklich warnt.23 Es muss sich als eine Plattform erweisen, in der eine Verantwortbarkeit transparent und an Entscheidungen gekoppelt sein muss und nicht verwischt wird. Die Gefahr, dass Partizipation als Machtinstrument benutzt werden kann um Entscheidungen zu legitimieren oder gar Verantwortung auf Außenstehende abzuwälzen, besteht weiterhin. Daher sollte es sich in partizipativen Verfahren um eine direkte Beteiligung sowie Diskussion handeln und nicht um eine neue Form des Governance24 , da der Partizipationsprozess sonst zu Gunsten starker privater Akteure instrumentalisiert werden könnte und sozial wie ökonomisch schwache Betroffene ins Hintertreffen geraten würden.

EbensomüssendieLegitimationsverhältnisseklardefiniertsein,damit es nicht zu einem etwaigen Stechen unterschiedlicher Legitimationsarten kommt, in dem Jens Hacke sogar eine Gefahr für den Rechtsstaat sieht.25 Der Prozess muss sich an ein positiviertes Recht anlehnen und als solches im bestehenden Rechtssystem integriert sein. In dem Legitimationsprozess soll es vielmehr darum gehen, die Bürgergesellschaft zu aktivieren und Engagement zu ermöglichen und zu fördern. In allen Fällen bleiben jedoch die rittelschen „bösartigen“ Probleme weiterhin bestehen, auch wenn die Entscheidungsbefugnisse neu sortiert werden. Das heißt eben, dass der Planung die Komplexität nicht etwa genommen wird, sondern dass möglichst alle Akteure mit ihren divergierenden Meinungen, Interessenlagen und Milieus amEntwurfihreBeteiligungfindenkönnen.

23 Miessen, Albtraum Partizipation, 2012.

24 Unter dem Begriff Governance ist ein Planungsmodell zu verstehen, in dem privatwirtschaftliche Ak-teure und andere Interessengrup-pen die Reglement und Steuerung der Planung des Staates ganz oder zu einem erheblichen Teil übernimmt.

25 Hacke, Die Lange Dauer Des Technischen Staates, S. 90.

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Es gibt keine definitive Formulierung für ein bösartiges Problem.

Horst W.J. Rittel, Melvin M. Weber

Dilemmas einer allgemeinen Theorie der Planung

Um ein Problem ausreichend genau zu formulieren, müsste man dem Problemlöser alle Informationen zu Verfügung stellen, die er dazu

benötigt. Sie wächst jedoch ständig und unvermutet im Verlauf des LösungsprozessesundbeeinflusstsodieProblemsicht.DerwachsendePluralismus der heutigen Öffentlichkeit führt dazu, dass verschiedene

Gruppen von Individuen unterschiedliche Werte haben - was den einen zufriedenstellt, ist für den anderen schrecklich, was für den einen eine

Problemlösung bedeutet, erzeugt für den anderen gerade das Problem.

Wenn man eine Gleichung hat und auf etwas wie x=y kommt, weiß man, dass man es geschafft hat. Aber bei einem bösartigen Problem ist das nicht so. Bei Planungsproblemen hört man auf, weil man keine Zeit, kein Geld oder keine

Geduld mehr hat; aber das hat mit der Logik des Problems nichts zu tun.

Wenn für ein zahmes Problem eine Lösung gefunden ist, kann man sie überprüfen, ihr eines der Attribute „richtig“ oder „falsch“ zuweisen und Fehler oder Irrtümer genau bestimmen. Bei bösartigen Problemen ist das nicht so: Es gibt weder ein

System von Kriterien noch Regeln, die einem sagen, was richtig oder falsch ist. Man kannnursagen:„Ichglaube,dasistganzgut,auchwenndufindest,esseinichtso.“

alles ist möglich, alles ist eine Sache der Grundsätze und der Fantasie. Für ein zahmes Problem gibt es eine erschöpfende Liste erlaubter Operationen.

Nehmen wir als Beispiel ein Schachproblem: Zu Beginn eines Schachspiels hat man die Wahl zwischen 20 Zügen.

Für bösartige Probleme gibt es keine „Stopp-Regel“.

Für bösartige Probleme ist richtig/falsch nicht anwendbar.

Bösartige Probleme haben keine erschöpfende, aufzählbare Menge potenzieller Lösungen;

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bösartige Probleme

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Das ist insofern störend, als man nicht für das nächste Mal lernen kann; man kann erfolgreiche Strategien nicht einfach aus der Vergangenheit in die Zukunft übertragen.

Darstellung übernommen aus Rittel, Horst W. J., & Melvin M. Webber. Dilemmas Einer Allgemeinen Theorie Der Planung. In Convertible City: Modes of Densification and Dissolving Boundaries; Formen Der

Verdichtung U. Entgrenzung; erschienen in Armand Grüntuch, Arch+: Zeitschrift Für Architektur Und Städtebau 180. S. 56–57. Aachen: Archplus-Verl., 2006.

Er ist verantwortlich für das, was er tut.

Im Gegensatz zum „Zahme-Probleme-Löser“, der, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, ein Schachspiel verlieren oder gewinnen oder eine falsche

Hypothese aufstellen darf, die von irgendjemanden widerlegt wird,

weil jede Maßnahme, die zur Lösung des Problems durchgeführt wurde, im Laufe der Zeit Konsequenzen haben kann - nächstes Jahr gibt es vielleicht eine andere Konsequenz, die sehr viel dazu beiträgt, wie Sie Ihren Plan beurteilen.

Darüber hinaus werden die Konsequenzen der Lösung vielleicht völlig unerwünschte Reaktionen hervorrufen, die gegenüber den beabsichtigten oder

bis dahin erreichten Vorteilen überwiegen.

Man kann nicht ungeschehen machen, was man beim ersten Versuch gemacht hat; jeder Versuch zählt und hat Konsequenzen: Man kann nicht eine Fabrik bauen,

schauen, wie sie funktioniert, sie wieder abreißen und immer wieder neu aufbauen, bissiefunktioniert.DasLebenvielerMenschenwirunumkehrbarbeeinflusstundgroße Geldsummen werden ausgegeben. Es gibt nicht die Methode „Versuch und Irrtum“. Es gibt kein Experimentieren beim Umgang mit bösartigen Problemen.

und man ist nie sicher, dass man das Problem auf dem richtigen Niveau angeht, weil natürlich niemand versuchen sollte, Symptome zu kurieren, da das Kurieren von

Symptomen die eigentliche Krankheit verschlimmern kann.

Bösartige Probleme haben keine erschöpfende, aufzählbare Menge potenzieller Lösungen;

hat der „Bösartige-Probleme-Löser“ kein Recht auf Irrtum.

Für ein bösartiges Problem gibt es weder eine sofortige noch eine endgültige Überprüfungsmöglichkeit,

Jede Lösung eines bösartigen Problems ist eine „One-Shot-Operation“

Jedes bösartige Problem kann als Symptom eines anderen Problems betrachtet werden,

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Bauliche Prozesse werden also zunächst von sozialen und politi-schen Prozessen hinsichtlich der Legitimation und Machtaus-übung bedingt und begleitet. Aus dem „Recht auf Stadt“, wie es Andrej Holm verlangt,26 ergibt sich die Forderung nach Mitbestimmung, Teilnahme und Teilhabe an raumgestalteten Vorgängen in der Stadtentwicklung. Mit einer Enthierarchi-sierung bzw. einer Neuordnung des Verhältnisses zwischen den Akteuren stellt sich ein Dialog auf Augenhöhe ein, was bei der EinflussnahmevonInteresseneinewichtigemenschenbezogenePlanungsvoraussetzung darstellt.

Nun wirkt Architektur und Stadtplanung auf die Gestalt, dem Bild und Raum der Stadt sowie Architekturwerken aus und ist nicht bloßer sozialer oder politischer Prozess. Der Prozess vom Bauen wird von fachlichen Experten, den Architekten und Planern, begleitet und geplant. Diese sind die Beteiligten, die einen erheblichen – wenn nicht sogar den Hauptanteil – an der Ausformulierung der Gestalt des Raumes besitzen. Ihnen wird eine Verfügungsgewalt über die Gestalt des Raumes zugebilligt und so drängt sich die Frage auf, wie das Verhältnis zwischen Experten und Bürgern befunden und diskutiert wird. Haben nicht Architekten und Planer eine viel zu differente Auffassung von Gestaltung, Form, Stil und Ästhetik als die Laien, die plötzlich mit in diesem Bauprozess involviert sein sollen? Was heißt es, wenn man von einer partizipativen Architektur im gestalterischen Sinne spricht? Und welche gestalterischen Grundlagen liegen einem Architekturprozess zu Grunde?

Zunächst ist in dieser Diskussion festzuhalten, dass die Gestaltung von Architektur nicht auf das bloße Design von äußerlichenHüllenabzielt,dennvielmehrbefindenwiruns inRäumen, die ein bestimmtes Bild abgeben. August Schmarsow bezeichnete die Architektur in seiner Leipziger Antrittsrede 1893 vom „Wesen der architektonischen Schöpfung“ als die „Raumgestalterin“, als Antwort darauf, ob denn Architektur nicht einfach nur eine „Bekleidungskunst“ wäre.27 Natürlich

26 In Ott, Raum-Öffentlich?, 2012, S. 51.

27 Schmarsow, Das Wesen Der Architektonischen Schöpfung (1893), S. 41ff.

2.2. Gestaltung und Ästhetik

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umgeben uns gebaute geometrische Flächen und Körper in den jeweiligenFarben,MaterialienundFormen,jedochbefindenwiruns dabei immer in physischen Räumen. Diese sind von einer Struktur konstruiert, an Hand dessen die Beschaffenheit des Raumes erfassbar wird.28

Gernot Böhme erweitert in seinem Ästhetikbegriff die Archi-tekturgestalt mit einer phänomenologischen Konzeption. Indem Architektur erfahren wird, produziert sie in ihrer Erscheinung Atmosphären bzw. Stimmungen, die wir verspüren können.28 Die Betrachter sind zunächst Raumbeobachter, deren körper-liche Position der „Nullpunkt“ der Raumwahrnehmung30 darstellt. Der gestimmte Raum beeinflusst analog zu Burck-hardts Auffassung der wechselseitigen Beziehung von Mensch undUmweltdieBefindlichkeitderBetrachter.AufGrundderAnnahme, dass die Wahrnehmung des Raumes eine Interaktion mit dem Raum erzeugt, werden wir nicht nur Raumbeobachter, sondern gleichzeitig in den Stand der Raumnutzer versetzt.

Das heißt anders ausgedrückt, dass Räume zu uns sprechen und diese phänomenologischen Eigenschaften der Räume befinden sich inCodes bzw. Zeichen, die in derGestalt desArchitekturwerks bzw. der Stadt enthalten sind. Der Raum wird zu einem Kommunikationsmedium in dem semantische und ästhetische Zeichen vorkommen. Semantische Zeichen sind zweckgebunden, die uns Aussagen zum Gebrauch von Architektur geben. Dies kann durch mehr oder weniger vertraute Symbole oder explizite Formen geschehen. Eine geschlossene Eingangstür mit Handknauf beispielsweise können wir zunächst als einen Zugang zu einem Raum kategorisieren. Durch die Form des Knaufes wird die Aussage getroffen, dass es sich um eine gewollt geschlossene Tür handelt, die uns ohne Schlüssel nicht zugänglich ist. Man wird den Gebrauch einer solchen Tür wohl eher meiden oder trotz der Annahme, dass sie geschlossen ist, betätigen.

Ästhetische Zeichen sind diffuser als semantische und daher schwerer zu entschlüsseln oder weniger wahrnehmbar. Diese sind festgeschrieben in Form, Farbe, Proportion und

28 vgl. Grütter, Ästhetik Der Archi-tektur, S. 83.

29 vgl. Böhme, Atmosphären, S. 45ff.

30 Waldenfels, Sinnesschwellen, S. 207.

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Materialität der Architekturelemente, die in uns Emotionen unterschiedlichster Art beabsichtigt aber auch unbeabsichtigt auslösen können. Die Bewertung der Raumwahrnehmung geschieht dabei ganz unterschiedlich nach dem ästhetischen WertesystemderNutzer.BeeinflusstwirddieWahrnehmungdurch sozio-psychologische Aspekte, der psychischen Konsti-tutionunddenerlernbarensowienichtspezifischerlernbarenpersönlichen Charaktereigenschaften.31 Einige Zeichen können dem verborgen sein, der im Erkennen und Deuten dieser Zeichen nicht unterrichtet worden ist.

Dass Architekturwerke an sich sprechen können, davon gehen viele Architekten aus. Gemeint können sicherlich nur Gebäude sein, die, jenseits der Standardbauweise, mit gestalterischen Ausdruck des Architekten entworfen sind. In Anbetracht der Fülle der Gebäude, die mit dem Synonym Architektur etiket-tiert werden, verschwimmt jedoch im Allgemeinen unter der Bevölkerung die Aussagekraft, was denn überhaupt Architektur und welche nun gute Architektur ist. Die Sicht wird sicherlich immer prozesshaft behaftet durch die gegebenen Normen und Werte variieren. Die Norm orientiert sich im Zweifelsfall an der Mehrheit der vorhandenen uns umgebenden Gebäude. Als Träger von Kultur und öffentlicher Äußerung werden sie zu einem Spiegelbild des Zeichen- und Wertesystems.32

Die Zeichen in der Gestaltung autonomer33 Architektur basieren auf dem Ideal der einfachen Form, unter der die Architekten in ihrer künstlerischen Autonomie die „banalen und ästhetischen

Aspekte“34 ordnen. Die Komposition aus einfachen Formen wird durch eine Logik im architektonischen System festgesetzt. Diese im Architekturwerk verborgene Logik vermittelt dabei zwischen ihr und den Betrachtern. Ingo Bohning sieht die Anfänge der autonomen Architektur in der Orientierung an die Klarheit der geometrischen Form in der Aufklärung und in der Revolutionsarchitektur im 18. Jahrhundert.35 Ihre besondere Prägung erhält sie durch das Wirken und den theoretischen Reflexion von Le Corbusier und Aldo Rossi. Demnach sind„Klarheit, Logik und Geometrie, die Gesetze des Universums und

der Mensch im Einklang mit der neuen Weltenordnung - das sind

31 vgl. Grütter, Ästhetik Der Archi-tektur, S. 27.

32 vgl. Ebd., S. 30.

33 Der Begriff „Autonome Archi-tektur“ wird in Anlehnung an die Bezeichnung von „Rationaler Architektur“ in Bohnings Veröf-fentlichung „Autonome Architek-tur und partizipatorisches Bauen“ von 1981 verwendet. Er begrün-dete den Vorzug des Begriffs der „autonomen Architektur“ vor der „rationalen Architektur“ damit, dass im deutschen Raum unter rational nur technisch-konstrukti-ve, ökonomische und funktionale Gesichtspunkte anstelle von äs-thetischer Rationalität verstanden werden.

34 Burckhardt, Stadtplanung Und Demokratie, S. 20.

35 Bohning, Autonome Architektur, S. 25ff.

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die Begriffe, die in Le Corbusiers Schriften immer wiederkehren und

die nach seiner Auffassung den Kern jeder ‚wahren‘ Architektur

ausmachen.“36

Die Form der autonomen Architektur ist freilich nicht von der Wirklichkeit losgelöst, sondern beruht auf Formen, Typen und Metaphern, die in den gesellschaftlichen Kontext eingewebt sind.EsfindetalsoauchimmereineRückkoppelunganinstitu-tionalisierten und bestehenden kulturellen Werten statt. Die Zeichen der reinen Formen im Raum sind jedoch nur schwer zu entschlüsseln, da der Raum an sich ein eher schwacher Code ist. In Anlehnung an Venturis Buch „Lernen von Las Vegas“

kommt Burckhardt zu dem Schluss: „Man orientiert sich nicht an

der Architektur, sondern an Zeichen.“37 Damit meint Burckhardt sicherlich den Schriftzug, die Marke und das Icon, die die semio-tischen Zeichen der Architektur überblenden. Venturi zeigt sehr anschaulich, wie Symbole und symbolhafte Architektur den Stadtbenutzern Orientierung geben.38

Wenn nun solche Codes leichter zu lesen sind, als die Zeichen der Architektur selbst, ist es nicht verwunderlich, dass die Architektur besonders durch den Rückzug der vertrauten Semiotik der Ornamente nicht mehr eigene gestalterische Logiken befolgen muss. Die Gestaltung erfolgt dann nach außerarchitektonischen Werten. Seit dem Funktionalismus der Nachkriegsmoderne sind es Sachzwänge der Technokraten und der Drang der funktional ökonomischen Kapitalverwertung, die der Gestalt ihre Logik aufdrückten. Architekten verloren damit ihre autonome künstlerische Freiheit und konnten in dieser Konstellation ihre Rolle nur noch als Dienstleister anbieten. Unter dem „Paradigma der bauwirtschaftlich orien-

tierten Nachkriegsmoderne“39 wurden daher Architektur- und Städtebaudebatten geführt. Diese Ästhetik des ökonomisch gesteuerten Funktionalismus erfuhr keine Akzeptanz unter der Bevölkerung, was der Grund für die Funktionalismuskritik der 70er Jahre ist.

36 Bohning, Autonome Architektur, S. 45

37 Burckhardt, Ästhetische Probleme Des Bauens, S. 171.

38 vgl. Venturi / Scott Brown / Ize-nour, Lernen von Las Vegas.

39 Fezer, Hier Entsteht, 2007, S. 15.

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Wenn monetäre Kräfte die Architekturgestalt bestimmen, verändern sich auch die Wertvorstellungen und die Semiotik der wahrgenommenen Architektur. Architekturcodes können somit nach Belieben durch ökonomisches Kapital produziert werden. Vor dem Hintergrund einer Dialektik von Individua-lismus und Demokratisierung kann Architektur nur im Grad der Inszenierung gelesen und gemessen werden.40 Dangschat sieht darin eine „doppelte Loslösung“ architektonischer Ästhetik von Nutzwert und ökonomischem Mehrwert.41

Gegen die institutionalisierte und ökonomisierte Architektur-sprache richtet sich die partizipative Architektur. Auch wenn außerarchitektonische Werte im Sinne der autonomen Archi-tektur in den Vordergrund treten, kann nicht unbedingt von einer funktionalen Architektur gesprochen werden. Vielmehr beruht die Konzeption auf dem philanthropischen Ansatz der Teilhabe und Teilnahme, wodurch die Bürger Freiheit und indivi-duelle Selbstbestimmung wie -entfaltung erhalten.42 Jesko Fezer unterscheidet in seiner Publikation „Hier entsteht: Strategien

partizipativer Architektur und räumlicher Aneignung“ zwischen drei Ausprägungen von partizipativer Architektur im gestalteri-schen Sinne: „vernakuläre“Architektur,flexibleArchitekturundder „Konzeptionen offener, nicht durchgeplanter Räume“.43

Die Gestaltung zusammen mit den Bürgern wird durch den kommunikativen, architektonischen Prozess charakterisiert und ist stark subjekt- wie aktionsorientiert.44 Dieser Prozess beschäftigt sich zum einen mit den Bedürfnissen der einge-bundenen Beteiligten. Da der Schaffensprozess mit diesen Akteurengeteiltist,fließenauchdieunterschiedlichenWerte-vorstellungen der Teilnehmenden ein und könnten dann im gebauten Raum artikuliert werden. Es entsteht eine gewisse „Integrationsästhetik“,45 um die „Kreativität der Menschen zur

Basis aller Problemlösungen zu machen, die die Gestaltung ihrer

Umwelt betreffen.“46 Der Prozess gibt den Akteuren aber auch Raum, ein Bewusstsein für die Umwelt entwickeln zu können.

40 vgl. Schäfers, Architektursoziolo-gie, 2006, S. 198.

41 Dangschat, Symbolische Macht, S. 337.

42 vgl. Bohning, Autonome Architek-tur, S. 120.

43 Fezer, Hier Entsteht, 2007, S. 18.

44 vgl. Bohning, Autonome Architek-tur, S. 192ff.

45 Ebd., S. 256.

46 Schäfers, Architektursoziologie, 2006, S. 189.

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Sie können zudem ihr ästhetisches Verständnis im Hinblick auf die architektonischen Zeichen erweitern und somit ihr Auge auf Architektur verändern lassen.

Die anderen beiden Ausprägungen widmen sich dem explizit architektonischen Umgang mit den pluralistischen Einflüssen,die aus den unterschiedlichen ästhetischen Präferenzen der Akteure resultieren. Im Ansatz der Flexibilisierung der Architektur liegt die Nutzungsmischung und Überlagerung in Stadt und Architektur. Diese Polyvalenz macht eine Stadt erst attraktiv oder eine Architektur originell.47 Also ist davon auszu-gehen, dass die organisatorische Struktur des Architekturwerks bzw. des Städtebaus das wirkliche Design sein muss, damit eine flexible Gestaltung ermöglicht werden kann. HermanHertz-berger gehtdavonaus, dassein individuenspezifischesPlanenvor allem im Städtebau trotz einer polyvalenten Organisation unmöglich ist48 und deshalb ist Interpretationsspielraum für alle Nutzer nötig. Dies wird auch in dem Ansatz verwirklicht, die Planung nicht konsequent bis in das letzte Detail durchzuplanen, um an möglichen Schnittstellen Änderungen zuzulassen. In dem Wachsen von Architektur, Quartier und Stadt kann auch ein ästhetischer Prozess innewohnen, in dem die Zeitabläufe in der Bausubstanz als lesbarer Code zum Vorschein kommen.49

Architekten sind also auch in dieser Konzeption von Architektur nur bedingt autonom, unterliegen jedoch nicht dem Diktat der ökonomischen und technischen Zwänge. Vielmehr kann der partizipative Prozess eine Möglichkeit sein, der Kapitalverwer-tungslogik stichhaltige Argumente bezüglich der Gestaltung und Ästhetik von Alltagsarchitektur entgegenzusetzen. Das Handlungsfeld der Architekten erweitert sich dadurch, dass die unterschiedlichen Meinungen eingefangen und verarbeitet werden müssen. Sie werden zu „multidisziplinären Vermittlern“

und sollten mit Akteuren aus Politik, Verbänden, Privatwirt-schaft und Gesellschaft kooperieren.50 Um ein solches partizi-patives Verfahren durchführen zu können, sind daher wichtige, kommunikativeZusatzqualifikationennotwendig.

47 Burckhardt, Bauen - Ein Prozess Ohne Denkmalpflichten, S. 27 + 40.

48 vgl. Grütter, Ästhetik Der Archi-tektur, S. 115.

49 vgl. Burckhardt, Publikumsge-schmack Oder: Vom Wandel Ästhetischer Wertung, S. 302.

50 Fezer, Hier Entsteht, 2007, S. 24.

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Die Architekten nehmen damit eine Brückenfunktion ein, die bedeutend für einen partizipativen Prozess ist. Die einzuneh-mende Vermittlungsrolle erfolgt in mehreren Dimensionen gleichzeitig bzw. variiert je nach Modell oder Projekt. Zum einen sind Architekten sind Architekturvermittler, also durch ihre fachliche Ausbildung beauftragt, den Akteuren Einblicke in Architektur und Baukultur zu geben. Zum anderen sind sie Informationsvermittler indem sie für einen Abgleich der semantischen Begrifflichkeiten als Grundlage für Kommuni-kation sorgen. Sie sind ebenfalls Zukunftsvermittler, da sie bauliche Strukturen zu bewerten verstehen und den Blick auf die zukünftige Architekturgestalt im Stadtbild darstellen können. Schlussendlich sind sie auch Kommunikationsvermittler zwischen den Interessen der Akteure an sich.

Durch eine Verankerung partizipativer Konzepte in der Planungskultur und somit eine aktive Teilnahme der Bürger in der Stadtentwicklung und Architekturgestaltung bekommen Bürger einen Zugang, sich mit ihrer Umwelt und im speziellen Falle mit öffentlichen Räumen zu nähern und sich mit ihr auseinandersetzen. Beteiligungsprojekte bieten einerseits Platz eine gelungene PR für Architektur als Produkt und Kulturträger zu liefern und sind andererseits für Architekten interessant, um den genius loci51 direkt durch Betroffene zu erfahren und demnach die Planung räumlich besser verorten zu können. Architekten und Laien können somit voneinander lernen, die uns umgebenden Räume zu erschließen und zu begreifen.

Es entsteht ein Transfer von interdisziplinärem Wissen und eine Debatte, die ein Blick auf die Sehnsüchte und Vorstellungen von der zukünftigen gebauten Umgebung lenkt, was in ein gemeinsam erarbeitetes und möglichst nachhaltiges Archi-tektur- bzw. Städtebaukonzept mündet. Mit der Gestaltung von Raum geht daher immer eine ästhetische Wertschöpfung einher. Jan R. Kraus, Professor für Architektur und Media Management macht daher Architekten Mut, von der kommu-

51 Der Begriff genius loci entstammt der römischen Mythologie und wird mit „Geist des Ortes“ übersetzt. In der Architektur werden damit die Merkmale und baulichen Gegebenheiten eines Ortes bezeichnet, wobei nicht nur die semantische Beschaffenheit sondern ebenfalls die atmosphäri-sche Qualität charakterisiert wird.

2.3. Identität und Vermittlung

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nikativen Komponente der Planung (auch jenseits partizipativer Projekte) besser Gebrauch zu nehmen und kommt in seinem Buch „Architekturvermittlung“ zu dem Schluss: „Architekturver-

mittlung ist Ideen- und Wertevermittlung“.52

Damit ein fruchtbarer Austausch zwischen den Teilnehmern entsteht, muss sicher gestellt sein, dass eine gleiche kommuni-kative Basis vorhanden ist, auf der aufzubauen ist. Die Schwie-rigkeit besteht darin, ein Sprachengewirr zu vermeiden. Daher besteht die Notwendigkeit von verständlichen, gemeinsam zu verwendeten Codes. Lukas Kueng schlägt daher vor, die abstrakten Begriffe, die unterschiedlich ausgelegt werden können, zu klären und im Verlauf des Verfahrens neue Konst-ruktezureflektieren.53

Darüber hinaus stellt die Vermittlung über den Gebrauch von Kommunikationsträgern und Werkzeugen eine wichtige Komponente für die Verständigung im Entwurfsprozess dar. Neben den sprachlichen Begriffen, die in der Artikulation von Raumvorstellungen nur unterstützend, bzw. sekundär angewandt werden können, sind die klassischen Medien -Plan, Bild und Modell - von zentraler Bedeutung, um zu informieren und zu kommunizieren. Die Diffusität dieser abstrakten Darstellungstechniken ist ebenfalls nicht unerheblich, da auch hier wichtige Informationen vorenthalten werden können und dasPlanlesenfürLaieneinendiffizilenCharakterhabenkann.54 Trotzdem ist es wichtig eine gewisse Abstraktion zu wahren und mit unterschiedlichen, semiotisch leicht verständlichen Informa-tionsträgern zu arbeiten. Der Soziologe Bernhard Schaefers sieht in der einfachen Sprache gar eine Grundvoraussetzung für Partizipation.55

Eine solche Sprache muss eine einfache Übersetzung von der imaginären Vorstellungskraft in ein adäquates Erscheinungsbild gewährleisten. Architektur erscheint uns in ihrer räumlichen DimensiondemAugealsBildundwird zudemhäufigbildlichentworfen bzw. erdacht.56 Die Raumwahrnehmung wird als Bild abgespeichert und mit weiteren semiotischen Eigenschaften belegt. Architektur kann so mit ihrer Zeichen- und Bildhaftigkeit

52 Krause, Architekturvermittlung, S. 13.

53 vgl. Kueng, Bösartige Probleme Erfordern Partizipation.

54 vgl. Burckhardt, Kommunikation Und Gebaute Umwelt (1978), S. 88f.

55 Schäfers, Architektursoziologie, 2006, S. 188.

56 vgl. Beyer, Burioni, and Grave, Das Auge Der Architektur, S. 10ff.

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beschriebenwerden.Esliegtalsonahe,sichderikonografischenEigenschaften von Architekturgestalt und Konzeptionen zu bedienen, also den bild- und zeichenhaften Charakter der Architektur als gemeinsamen Code auszuwählen, um im Schaf-fensprozess die Vorgehensweisen und Konzepte hinreichend beschreiben zu können.

Dieser bild- und zeichenhafte Code des neu Geplanten und Gedachten dient zur einfacheren Verständigung anstelle komplexer Beschreibungen. Das Bild und auch das Zeichen greift auf die sozio-psychologischen Erfahrungen der Teilnehmer zurück und wird in diesem individuellen Kontext verortet und ausgewertet. Bei der Konstruktion von Zukunft im Entwurfs-prozessfindetebenfallseineWechselwirkungzwischenToposund Bild statt.57 Im Zusammenhang mit dem geplanten Ort werden diese besetzten Bilder mit den erfahrenen Bildern und den topischen Eigenschaften des genius loci abgeglichen.

57 vgl. hierzu im Zusammenhang mit der Konstruktion urbaner Identitäten: Sigel & Klein, Konstruktionen Urbaner Identität, S. 16f.

58 Koolhaas, Die Stadt Ohne Eigen-schaften.

Im partizipativen Prozess kann ein gemeinsam konstruiertes Bild der Stadt entwickelt werden. Das Medium Bild dient zur gemeinsamen Sprache innerhalb und außerhalb dieses Prozesses. Gleichzeitig erhält das Planungsobjekt durch die verwendetenikonografischenBilderneineSinnzuschreibungdurch die Vermittlung der darin verborgenen Werte. Vor dem Hintergrund einer gegensätzlichen Tendenz von der Nivellierung der Stadtbilder innerhalb der individuell geprägten, pluralistischen Gesellschaft können diese Bilder sichals identifikationsstiftendeAnkerpunkteerweisen.Deroft beklagten „eigenschaftslosen Stadt“58 kann demnach ein Modell entgegengesetzt werden, dass aus den unterschied-lichen Perspektiven der Teilnehmenden gebildet wurde. Die Verständigung auf eine Art rationalistischer Architektur-sprache kann demnach zur Identifikationsfindung mit derStadt stark beitragen.

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Dabei kann nicht nur gesichtsloser Architektur entgegengewirkt werden, sondern gleichzeitig ein gemeinsam erarbeitetes Sinnangebot Gestalt annehmen. Es bedarf eines Vermittlungs-prozesses zwischen den Akteuren da die Struktur der sozialen Ungleichheiten und der Habitus59 einzelner Personen stark divergiert. Neben den zunehmend polarisierten Nutzungs-vorstellungen kommen Lebensweisen, die das Bild der Stadt und das soziale Zusammenleben stark beeinträchtigen. Mit der Abnahme der sozialen Kohäsion in den europäischen Städten ist ein Entsolidarisierungsprozess zu beobachten.60 Durch die Integration der Betroffenen ist es möglich, eine stärker werdende Segregation zu mildern und weiterhin eine positive Identifikationzuschaffen.NurdieMitbestimmungkannInteg-rationundIdentifikationmitderStadtermöglichen.61

59 Habitus geht aus einem von Pierre Bourdieu beschriebenen Begriff hervor. Er beinhaltet die individuelle Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata bzw. den Geschmack. Der Habitus bildet die Grundlage für individuelle Moral, Wertevorstellungen, Lebensweisen und ästhetisches Empfinden.

60 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) and Gatzweiler, Soziale Kohäsion in Städten Europas.

61 vgl. Trommer, Identität Und Image in Der Stadt Der Zukunft, S. 26f.

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Was bewegt die Jugend?

Teilhabe am gesellschaftl ichen Leben

3.1. Jugend als soziales Moratorium

Jugendliche sind wesentlich im gesellschaftlichen Kontext verankert und stehen in Wechselbeziehung zur Erwachse-nenwelt als Teil der Gesellschaft. Sie benutzen die baulichen und virtuellen Räume ebenso wie Erwachsene, jedoch unter-scheiden sich deren Nutzungsarten und Nutzungsabläufe sehr stark von denen der Erwachsenen. Dies ist das Resultat aus der Verschiedenheit vorgegebener institutionalisierter Strukturen, nachgegangenen Interessen, sozialen Peergroups und des vorhandenen Kapitals. Jugendlichen bleibt es jedoch in einem höherenMaßeverwehrt,EinflussaufdieGestaltihrerUmweltzu nehmen.

Der Jugendbegriff kann mehrdimensional angewandt werden und tritt nicht nur im Zusammenhang zum Lebensalter in Erscheinung.62 Mit ihr verbinden sich Vorstellungen von Alter, Kultur und Werten. Die Jugend beschreibt jedoch zunächst eine Altersphase eines Individuums ab der Pubertät, bis eine ökono-mische und soziale Selbstständigkeit erreicht ist. Also ist Jugend eine Lebensphase, in der diese Altersgruppe wichtige Entwick-lungsschritte für die Persönlichkeitsentwicklung verlaufen. Diese Phase kann für die gesamte soziale Altersgruppe grob umrissen werden und wird mit dem Begriff „Adoleszenz“63 beschrieben.

Bisher wurde diese Phase von ca. 15-19 Jahren angenommen, jedoch muss diese zunehmend in beide Richtungen ausgedehnt werden. Zum einen verlagern sich die Geschlechtsreife und die typischen Verhaltensformen Jugendlicher wie Selbstsuche und Selbstinszenierung in das Alter 10-14 Jähriger.64,65 Somit verfrüht sich das Eintrittsalter wesentlich und geht nicht mehr unbedingt mit dem entwicklungspsychologischen Fortschritt der Jugendlichen einher. Zum anderen ist das Ende des Zeitraums mit der damit verbundenen Entwicklungsaufgaben so diffus, sodass die Lebensphase Jugend im Durchschnitt durchaus 15 Jahre betragen kann.66

62 Schäfers, Soziologie Des Jugend-alters, S. 29.

63 Der Begriff Adoleszenz umschreibt das Heranwachsen von Individuen im Jugendalter. Voraussetzung für den Eintritt in diese Phase stellt die biologische Zeugungsfähigkeit dar. Diese Phase ist charakterisiert von dem anatomischen, sozialen und emo-tionalen Reifungsprozess und ist mit dessen Abschluss beendet.

64 vgl. Münchmeier, Jugend Im Spie-gel Der Jugendforschung, S. 24.

65 vgl. Hurrelmann, Jugendliche 2008, S. 302.

66 ebd., S. 302.

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Um den Entwicklungsprozess Jugendlicher zu stabilisieren, bedarf es einen Schonraum, der auch als soziales Moratorium bezeichnet wird. Das familiäre Umfeld bildet dabei in dieser Phase den wichtigsten Bezugspunkt ab und ist Hauptfaktor in der Entwicklung von Habitus, Identität, Werten und Sozialität, auch wenn Peergroups an dem Wertbildungsprozess Jugend-licher stark beteiligt sind. Dieser Schonraum ist also Erziehungs-, Bildungs- und zudem Experimentierraum für Jugendliche. Grundsätzlich kann sogar davon ausgegangen werden, dass eine autonome, selbstbestimmte Lebensführung erst durch das Durchlaufen eines Erziehungs- und Bildungsprozesses ermög-licht wird.67

Folgt man dieser These, so hat Partizipation im jugendlichen Alter nicht nur historisch sondern vor allem pädagogisch und bildungs-theoretisch ihre Berechtigung. Wenn Beteiligungsverfahren nun alsomitJugendlichenihreAnwendungfinden,somüssendiesezweifelsfrei anders, das heißt zielgerichteter konstruiert und mit einem erweiterten Partizipationsverständnis begegnet werden als im Kontext mit Erwachsenen. Aus den bisher beschriebenen Aspekten geht hervor, dass Planung als Kommunikationsprozess ebenso ein demokratischer Politikprozess wie ein ästhetischer Vermittlungsprozess und ein Integrationsprozess ist. An dieser Konzeption ändert sich auch für die Arbeit mit Jugendlichen nichts, sondern sollte vielmehr mit den Aspekten der Erziehung und der Bildung multipliziert werden.

Der Wille nach Freiheit und Emanzipation, ebenso wie die Interessen Jugendlicher sollten darin natürlich berücksichtigt werden und stehen daher nicht zur Disposition. Damit sich Jugendliche gleichberechtigt innerhalb des Kollektivs einbringen und sich entfalten können, benötigen sie jedoch Moderation und Mediation. Partizipation besitzt somit einen Dipolcharakter, dessen Ziel „Autonomie und Selbstbestimmung einerseits und

Integration und Stabilisierung andererseits“68 ist. Vor dem Hinter-grund der Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen durch die Gewährung grenzenloser Freiheit und das Fehlen elterlicher wie pädagogischer Aufmerksamkeit,

67 vgl. Richter-Reichenbach, Iden-tität Und Ästhetisches Handeln, S. 56.

68 Betz / Gaiser / Pluto, Partizipati-on von Kindern Und Jugendlichen, S. 15.

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Begleitung und Anleitung69,70 sollte deshalb Partizipation als ein Teilhabe-Prozess mit der Möglichkeit von Mitbestimmung und Mitverantwortlichkeit verstanden werden. Kinder und Jugendliche benötigen daher zunächst die Zuwendung durch Erwachsene als Vertreter der Gesellschaft und müssen erst befähigt werden, sich in den gruppendynamischen wie ästhetischen Prozess einzubringen. Nur das Trainieren und Ausprobieren innerhalb des sozialen Moratoriums kann der entwicklungspsychologischen Reifung der Kinder und Jugend-lichen den dazu benötigten Nährboden bieten.71

Die Bildung der individuellen Identität wird aus der Sicht des klassisch-modernen Identitätsverständnisses maßgeblich in der Adoleszenzphase geprägt und stellt eine der wichtigsten psychologischen Entwicklungsaufgaben dar. Der deutsche Sozialpsychologe Dieter Keupp verweist in dem Zusam-menhang darauf, dass Identitätsbildung ein „biografisch offener

Prozess“ oder gar ein „endloser Prozess“ ist, dass sie jedoch auch gelingen kann oder zumindest Teilidentitäten als individuelle Referenzpunkte ausgebildet werden können.72 Zudem stellt Richter-Reichenbach fest, „dass sich identitätsgefährdende

Einflüsse in nie gekannter Weise in nur wenigen Jahrzehnten global

potenziert haben“.73 Dass Jugendliche sich in diesem individu-ellenReifeprozessbzw.inderIdentitätsfindungbefinden,solltedaher nicht ausgeblendet werden, sondern die Grundlage für eine partizipative Planung bilden.

Neben der Auseinandersetzung mit dem persönlichen Identi-tätsprozess stellt die Bildung eines sozialen Kohärenzgefühls eine wichtige Determinante im Planungsprozess dar. Die Entwicklung gruppendynamischer und städtischer Identitäten nimmt, wie im vorhergehenden Kapitel beschrieben, eine zentrale Rolle ein. Die Arbeit mit Jugendlichen kann durch die intensive Beschäftigung mit ihrer Umwelt und deren planeri-schen Gestaltung nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur IdentifikationmitderStadtoderdemQuartierleisten,sondernauch die Wertschätzung der baulichen Umwelt steigern. Durch das Einrichten oder das Aneignen von Umgebungen durch die

69 vgl. Nolte, Welt Der Kinder? - Geschichte Und Zukunft Der Kindheit, S. 9.

70 Die in Siggelkows Buch „Deutsch-lands Vergessene Kinder“ beschriebenen Verhältnisse kindli-cher Lebenswelten sind sicherlich auf deren in anderen (Groß-)Städten übertragbar.

71 vgl. Winterhoff, Warum Unsere Kinder Tyrannen Werden, S. 76ff.

72 vgl. Keupp, Identitätskonstruktio-nen, 76ff. – Keupp beschreibt im Kapitel davor die gesellschaftliche Moderne als ein dynamisches, offenes und prozesshaftes Konst-rukt und schließt daraus, dass „in einer so fluiden gesellschaftlichen Situation“ ebenfalls die Identität eine prozesshafte Aufgabe ist.

73 Richter-Reichenbach, Identität Und Ästhetisches Handeln, S. 54.

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beteiligten Jugendlichen im Planungsprozess werden städtische Räume zu persönlichen Räumen,74 zu denen sie ihre Bindung emotional vertiefen können.

Weiterhin ist die Entwicklung ästhetischer Wahrnehmung und Werte bzw. des Geschmacks ein Teil der individuellen Identitätskonstruktion in dem Sinne Bourdieus Bildung von Habitus-Klassen.75 Diese entstehen bzw. werden gebildet aus den persönlichen sinn-ästhetischen Erfahrungen und der ästhetischen Erziehung. Ein wichtiger Faktor dieses Bildungs-prozesses ist zunächst das Erleben naturgemäßer Wirklichkeit durch den direkten Kontakt zur Umwelt, da diese ein breitge-fächertes sinnliches, emotionales, kognitives Erfahrungsangebot bereithält.76 Der kindliche wie jugendliche Lebensraum erfuhr im Laufe der letzten Jahrzehnte mit der „Verhäuslichung“ des Lebensraums eine starke Einschränkung weg von der Natur, hin zur Wohnung, den funktionalen Gebäuden für Bildung, Sport sowie Vereine und zu virtuellen, medialen Räumen.77 Dem fehlenden Kontakt zur Umwelt ist es geschuldet, dass Kindern wie JugendlichendasErlebenunddieReflexionauthentischerNatur-Erlebnisse vorenthalten bleibt und sie somit auf ein lediglich geringeres Erfahrungsangebot zurückgreifen können. Im Prozess der Gestaltung von Raum sind diese Kenntnisse hilfreich und sollten durch eine zielgerichtete Methodik wieder eingeübt und trainiert werden können.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, wenn ein solches partizipatives Verfahren als ein Bildungsprozess des Habitus verstanden werden kann, ist die ästhetische Bildung. Der Prozess stellt dabei ein Experimentierfeld für Jugendliche dar, die Struktur und Beschaffenheit der Räume ihrer näheren Umgebung wahrnehmen zu lernen und kategorisieren zu können, um diese dann mit geeigneten Instrumentarien gestalten zu können. Jugendliche können durch diesen Prozess befähigt werden, mit dem Raum zu interagieren. Darüber hinaus bieten partizipative Architekturprozesse Jugendlichen neben der imaginären Positi-onierung im Raum das Angebot des Ausdrucks und Vortrag der persönlichen Zukunftsentwürfe mit den architektonischen CodesundderReflexionüberdaseigeneWerk.Jugendlichen

74 vgl. dazu Habermas, Geliebte Objekte, S. 124ff.

75 Bourdieu, Sozialer Raum, Symbo-lischer Raum (1989), S. 307.

76 Richter-Reichenbach, Identität Und Ästhetisches Handeln, S. 55.

77 vgl. Reichard & Kuschel, Kinder-geografien, S. 106–107.

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bietet das aktive Mitwirken und die ästhetische Auseinander-setzung mit dem Raum die Möglichkeit, Kreativität, Imaginati-onsfähigkeit und strukturelles Denken zu erwerben und zu verbessern. Christian Rittelmeyer spricht von Transfereffekten, die mit ästhetischer Bildung einhergehen.78

Demzufolge können und sollten Partizipationsverfahren in Architektur und Stadtentwicklung zur demokratischen, ästheti-schen und integrativen Erziehung wie Bildung von Jugendlichen eingesetzt werden, da dies für die Persönlichkeitsentwicklung fruchtbar sein kann. Durch die Beteiligung erhalten Jugendliche einen Experimentierraum, der es ihnen erlaubt, sich diesen Aspekten von Partizipation in Architekturprozessen unter professioneller Anleitung zu nähern und die Jugendlichen mit ihrem Bedürfnis auf Raum in der Stadt als gleichberechtigten Partner anerkennt.

78 Rittelmeyer, Warum Und Wozu Ästhetische Bildung?, S. 101ff.

Diese Beschreibung könnte ebenfalls einen Diskurs über die Einbeziehung architekturtheoretischer oder baukultureller Elemente im Schullehrplan eröffnen. Dies ist jedoch in diesem Zusammenhang nicht unbedingt beabsichtigt, da Partizipations-angebote nicht als bloße Bildungsveranstaltungen zu betrachten sind. Vielmehr liegt der Fokus auf der Notwendigkeit und dem Gebrauch von Partizipation von Jugendlichen bei stadt-planerischen Handlungsaktivitäten und lokalen Initiativen. Den Jugendlichen Raum in der Stadt zu gewähren, ist daher mit dem politischen Akt des Machtteilens und der Integration verbunden. Dies schließt das Wissen über den kindlichen und jugendlichen Gebrauch und der Wahrnehmung von Räumen ein.

Dieses Wissen kann nicht einer Verallgemeinerung unterzogen werden und ist - wenn überhaupt - nur durch einen Kommu-nikationsprozess mit den Subjekten zu erlangen, da die Vorge-hensweisen in der Raumperzeption und der Raumnutzung sowie die Lebensweisen und Bildungshintergründe gegenüber

3.2. Heterogenität jugendlicher Lebensweisen

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denen der Erwachsenen zu different sind.79 Da diese von Erwachsenen nicht nachempfunden werden können, bedeutet dies für die Experten in Stadtplanung und Architektur zunächst die Wahrnehmung, Sehnsüchte und die Imaginationskraft von Kindern und Jugendlichen zu fordern und zu fördern. Neben den individuellen Stabilitätsmechanismen, die anhand der Erzie-hungs- und Bildungsaspekte hergeleitet wurden, sollten Partizi-pationsangebote daher zusätzlich Integrationsmechanismen in doppelter Hinsicht beinhalten.

So kommt zur Unterschiedlichkeit jugendlicher Lebenswelten zu denen der Erwachsenen die Verschiedenartigkeit und Heterogenität der Lebensweisen von Kindern und Jugendlichen untereinander hinzu. Jugendliche positionieren sich mit zuneh-mendem Alter im Sozialraum einhergehend mit der Identitäts-konstruktion als Teil der psychosozialen Entwicklung und der Auseinandersetzung mit der Umwelt. Diese Positionierung geschieht im Kontext der sozialen, kulturellen, ökonomischen, ökologischenundräumlich-geografischenSituationderHeran-wachsenden, was Hurrelmann unter dem Begriff des „Biogra-

fischen Managements“ zusammenfasst.80 Dieses Management bezieht sich auf die individuelle Interaktion mit der Umwelt, auf Erziehung und der vorhandenen Sozialisation und beschreibt den Individualisierungsprozess.

Die unterschiedlichen Lebensweisen entstehen durch die bereits erwähnte soziale Ungleichheit und reproduzieren wiederum soziale Ungleichheit. So wachsen Jugendliche bereits unter ungleichen Voraussetzungen auf, die maßgeblich die individuelle Entwicklung der ästhetischen Perzeption, Wertmaßstäbe, SozialisationundBildungsgradbeeinflussen.DiesersozialeRaumwurde auf der Basis von Bourdieus Habitus-Klassen vom Sinus-Institut kartiert und in unterschiedliche Milieus aufgeteilt. Für die Kategorisierung jugendlicher Lebensweisen wurden sieben unterschiedliche Sozial-Milieus in Abhängigkeit vom Bildungs-hintergrund und normativer Grundeinstellung gebildet.81 Diese Lebensweisen bilden allesamt Ansätze zur Bewältigung der Individualisierungsaufgaben und charakterisieren ebenfalls die unterschiedlichen Alltagswelten von Jugendlichen.

79 vgl. Kniess & Kalhoff, Kartografie Des Alltags, S. 22ff.

80 Hurrelmann, Wie Ticken Jugend-liche?, S. 9.

81 vgl. Calmbach et al., Wie Ticken Jugendliche?.

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Sinus-Milieus für Jugendliche in Deutschland

Abb.1 - Quelle: Sinus-Institut Heidelberg, 2011.

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Mit den ungleichen ästhetischen Präferenzen und ökonomi-schem Kapital der Jugendlichen verbinden sich ungleiche Indivi-dualisierungschancen und bilden sich unterschiedliche Zugänge zum sozialen Raum von Gleichaltrigen. So bleiben Jugendlichen spezifischer Milieus nicht nur bestimmte Peergroups undCliquenverwehrt,sondernhatauchEinflussaufdieGelegenheitder Gestaltung von Freizeit, Äußeres und individuellem Raum. Daher sind die Möglichkeiten der Selbstmodellierung und Selbstinszenierung ungleich verteilt und führen damit zur milieuspezifischen Anwendung von jugendlichen Codes imverbalen und expressiven Ausdruck. Somit bilden sich unter-schiedliche Kommunikationsweisen im Zusammenhang von sozio-kulturellen Milieus.82

Die Pluralität von jugendlichen Lebensweisen kann man daher auch als ein gesellschaftliches Abbild der Erwachsenenwelt deuten. Durch die mangelnde Kohäsionsfähigkeit dieser Lebensweisen verbinden sich Fragestellungen von Integrations-

82 vgl. Schmidt, Oberaffengeil Ist Peinlich, S. 83ff.

traditionell

Expeditive

normative Grundorientierung

Prekäre

Materialistische Hedonisten

Experimentalistische Hedonisten

Adaptiv-Pragmatische

Konservativ-Bürgerliche

Sozialökologische

Sicherheit & Orientierung Haben & Zeigen Sein & Verändern Machen & Erleben Grenzenüberwinden & Sampeln

© Sinus 2011

modern postmodern

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möglichkeiten durch die Stadtplanung und dem Quartiersma-nagement sowie die Inklusionsmöglichkeiten in partizipativen Verfahren. Kinder und Jugendliche benötigen daher nicht nur einenspezifischgenutztenRaum,sondernzweifelsfreimehrere,unterschiedlich benutzbare und artikulierte Räume. An partizi-pativen Verfahren wird daher die Prämisse gestellt, dass dadurch bestehende Ungleichheiten abgefedert werden können und sie als Integrationsmaschine für Kinder und Jugendliche fungieren, die unterschiedlichen Vorstellungen chancengleich zu verbinden.

Gleichzeitig haben die Unterschiede in der adoleszenten Entwicklung Auswirkung auf die Entwicklung der individuellen, räumlichen Perzeption von Kindern und Jugendlichen. Die wahrgenommenen Räume werden gedanklich verarbeitet und im Gedächtnis als eine zunächst inselhafte „kognitive Karte“

angelegt. Diese bildet ein individuelles Sammelsurium von persönlichen Eindrücken als fortlaufender Prozess und mündet in ein ebenso individuelles Bild der Stadt.83 Kinder sind zunächst nur fähig die syntaktischen Eigenschaften von Form, Materia-lität und Haptik des Raumes wahrzunehmen und entwickeln erst mit dem zunehmenden Alter kulturelle, gesellschaftliche und symbolische Zeichen als solche zu erkennen und zu kategorisieren.84 Kinder und Jugendliche erhalten somit einen differenten Zugang in der Bewertung von gestaltgebenden und symbolisch-semiotischen Elementen, die in der bereits beschriebenen phänomenologischen Konzeption von Archi-tektur angelegt sind.

So sollte der Planungsprozess auch davon geprägt sein, den projektbezogenen Raum gemeinsam zu explorieren und die vermutlich unterschiedliche Wahrnehmung einander vorzustellen. Durch diesen Diskurs sollte es für Jugendliche möglich sein, die eigene Wahrnehmung und Bewertung vom umgebendenRaumzu reflektierenundzuerweitern. FürdieArchitekten und Planer kann die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen als Fachleute ihrer Lebensweisen wertvoll sein, um diese gewinnbringend im städtebaulichen Prozess einzusetzen und damit die Codes gestalterisch zu integrieren und Ungleich-heiten zu nivellieren.

83 vgl. Kniess & Kalhoff, Kartografie Des Alltags, S. 24f.

84 vgl. Schröder, Freiräume Für Kinder(t)räume!, S. 49f.

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In den vorherigen Abschnitten konnte der wechselseitige Zusammenhang von physischer Umgebung und der emotio-nalen und sozialen Entwicklung dargestellt werden. Der gebaute Raum stellt dabei mit seiner allenfalls sukzessiven Variabilität eine Konstante im Leben von Kindern und Jugendlichen dar. Weiterhin lässt sich sagen, dass die bauliche Umgebung nicht nur die adoleszente Entwicklung wesentlich beeinflusst,sondern dass „der gebaute oder bebaute Raum, individualpsy-

chologisch betrachtet, Ausgangspunkt oder Rahmenbedingung für

individuell-biografische sowie sozial-kommunikative Entwicklungen

darstellt“.85 In diesem Zusammenhang muss die Zielstellung einer kinder- und jugendfreundlichen Stadtplanung die Schaffung integrativer Erfahrungs-, Entfaltungs- und Erlebnisräume sein, da Kinder und Jugendliche ein Recht auf eine gesunde Persönlich-keitsentwicklung besitzen.

Obwohl etwa 16% der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland Heranwachsende bis zum Alter von 18 Jahren sind,86 dürften die für Kinder und Jugendlichen vorgehaltenen Flächen prozentual wesentlich geringer sein. Der öffentliche Raum wird vor allem durch die Handlungsaktivitäten für und von Akteuren der Erwachsenenwelt geprägt. Trotz der bisher ungekannten Freiheiten und der Vielfalt in der Wahl von Lebens-weisen Jugendlicher bleiben die städtebaulichen Entwicklungs-räume weitestgehend fremdbestimmt ohne die Möglichkeit auf die sowohl direkte als auch indirekte Einflussnahme.87 Kindern und Jugendlichen werden kaum Teilhabechancen auf das Stadtbild und die Stadtbenutzung eingeräumt und die Aneignung wie die experimentierende Erkundung des Raumes durch bestehende, räumliche Strukturen häufig verwehrt. Solässt sich anhand einiger Merkmale von räumlichen Strukturen die Exklusion, Separation und Segregation von Kindern und Jugendlichen charakterisieren und umfasst dabei sozialräumliche und baulich-räumliche Aspekte.

85 Kilb, Kinder Und Jugendliche in Der Stadt, S. 263.

86 Statistisches Bundesamt, Zensus 2011 - Bevölkerung, 6. – Von den 80,22 Mio. Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland entfallen 11,02 Mio. auf Kinder und Jugendliche im Alter unter 18 Jahren zum Stand vom 09. Mai 2011.

87 Richter-Reichenbach, Identität Und Ästhetisches Handeln, S. 56.

3.3. Kinder- und jugendfreundliche Stadtplanung

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Zunächst fällt auf, dass der Charakter von öffentlichen Räumen zunehmend von privaten Akteuren beeinflusst wird undebenfalls private Räume als augenscheinlich öffentliche Räume artikuliert sind. Dieses Ineinandergreifen von Privatem und der Öffentlichkeit beschreibt Michaela Ott dem Begriff der „hybriden Räume“.88 Diese werden von konsumorientierten und marktökonomischen Kräften gelenkt und kommen eher den kaufkräftigen, starken und erwachsenen Akteuren zugute. Kinder und Jugendliche können lediglich an diesen vorhan-denen Strukturen partizipieren, wenn sie das nötige Kapital bereitstellen können. Mit der Ungleichheit von privilegierten und benachteiligen Jugendlichen verbindet sich ein enormes KonfliktpotenzialhinzuSegregationsentwicklungen.

In der Stadtplanung des letzten Jahrhunderts wurde ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Ressourcen für den Ausbau Infrastruktur des Individualverkehrs aufgebracht. Auch wenn das Paradigma der autogerechten Stadt beendet zu sein scheint, hat das Auto als Deutschlands geliebtes Kind89,90 auch jetzt noch oft Vorfahrt vor den Aufenthaltsqualitäten der städtischen Umgebung. Neben dem enormen Platzverbrauch für den automobilen Verkehr ist weiterhin die zweckgebundene Bebauung ehemaliger Freiflächen zu beobachten. Kinder undJugendliche werden somit maßgeblich aus dem städtischen Raum verdrängt und von ihm gezwungenermaßen ferngehalten.

Vielmehr erhalten Kinder und Jugendliche eigens für sie vorge-sehene, separierte Räume, die in dem Kontext der ökono-mischen Verwertungslogik und dem Vorrang der Mobilität ebenfalls zweckrational und spezialisiert angelegt sind. Die Benutzung des Raumes erfolgt auf den vorgegebenen Inseln mit genormten, geregelten und vorgedachten Spielgeräten. Auch wenn Kinder und vor allem Jugendliche es verstehen, Räume durch Spiel und Sport funktional zu verändern, kann dennoch in diesem Fall nur im geringen Maße von ganzheit-lichen Raumerfahrung und Aneignung des Raumes gesprochen

88 Ott, Raum-Öffentlich?, S. 53.

89 Die Zahl der zugelassenen PKW in Deutschland betrug zum 01. Januar 2013 43,43 Mio. Stück und ist damit etwa vier Mal so hoch wie die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit 11,02 Millionen. Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 8/2013.

90 vgl. Hildebrandt-Stramann, Spie-len Und Bewegen in Der Stadt, S. 109. Hildebrandt-Stramann ver-gleicht die Anzahl von PKW und Kindern in Deutschland von 1994 mit der von 1970. Er diagnosti-zierte einen verhältnisbezogenen, dreifachen Zuwachs der PKW gegenüber der Kinderanzahl.

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werden. In diesem Zusammenhang sieht der Medizinsoziologe Peter Novak Spielplätze eher als „zoologische Gärten für kleine

menschliche Lebewesen“.91

Während sich noch vor einiger Zeit Kinder und Jugendliche ausgehend von der eigenen Wohnung unmittelbar Räume aneignenkonnten, istdies imStadtraumhäufignichtmöglich.Vor allem für Kinder stellt der gefährlichere und unattraktive Straßenraum eine Bedrohung dar. Kinder wie Jugendliche bleiben aufgrund der mangelnden Angebote im Wohnumfeld in der eigenen Wohnung und weichen auf virtuelle Welten aus oder gelangen lediglich auf einem der vorgegebenen spezi-fischen Freiräume.Diese Freiräume bilden einzelne Inseln imstädtischenRaumund sind häufig soweit vonderWohnungentfernt, dass Kinder und Jugendliche auf den Transport der Eltern oder des ÖPNV angewiesen sind. Daher sind drei wesentliche Phänomene im Bezug auf die Wohnsituation von Kindern und Jugendlichen, die allesamt die Verdrängung aus den öffentlichen Freiräumen beschreiben, zu beobachten: die „Verinselung“, die „Verhäuslichung“ und die „Medialisierung“.92 Es bedarf daher die Notwendigkeit der politischen Legitimation, die derzeitigen räumlichen Strukturen auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen qualitativ und strukturell, mit einer angemessenen Ästhetik anzupassen.93

Während Jugendliche mit zunehmendem Alter anpassungs-fähiger, mobiler und selbstbewusster im öffentlichen Raum auftreten können, sind Kinder und jüngere Teenies auf die Freiräume in unmittelbarer Wohnungsnähe angewiesen. Zunächst sollte eine intelligente Vernetzung der bestehenden Freiräume erfolgen, um das notwendige Maß an Sicherheit und Geborgenheit auf dem Weg dahin gewährleisten zu können. Diese Veränderung sollte mit einer Entschleunigung des Wohnungsumfeldes einhergehen. Weiterhin brauchen Jugend-liche und vor allem Kinder wohnungsnahe Räume, die ihnen den notwendigen Schutzraum zur Entwicklung, als auch den Experimentierraum zur ganzheitlichen und ganzkörperlichen Umwelterfahrung bieten. Die Gestaltung der Freiräume muss

91 Tübinger Erklärung, Kinder Brauchen Stadt.

92 Reicher, Kinder Brauchen Städte, S. 47.

93 vgl. Hassenpflug, Die Stadt Als Erlebnisraum Für Kinder Und Jugendliche, S. 241ff.

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Formen der Raumaneignung früher/heute

Abb.2 - Quelle: Apel & Brüggemann, Spielleitplanung, S. 118

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deshalbzwangsläufigderNormativeder„bewegungsfreundlichen

Stadt“94 folgen und als Erlebnisraum die Kreativität als auch die Phantasie der Heranwachsenden einfordern und fördern.

Die Erlebnisräume müssen außerdem in ihrer strukturellen Konzeption mehrere Formen der Aneignung zulassen. Daher plädiertHassenpfluginseinenRedenzurStadtfürKinderundJugendliche für die Anwendung zweier unterschiedlicher Ansätze für kinder- und jugendgerechte Stadträume.95 Zum einen sind funktionsdeterministische Räume weiterhin erforderlich, um die gewünschte Nutzung bzw. eine gezielte Entwicklung zuzulassen. Zum anderen sollten Räume vielmehr multiple Funktionen zulassen können, damit sich Kinder und Jugendliche prozesshaft den zur Verfügung gestellten öffentlichen Raum auf unterschiedlichste Weise und altersbezogen aneignen können. Dies kann die Inklusion heterogener Lebensweisen im Stadtbild und untereinander baulich ermöglichen.

94 Balz, 1992, 22 zitiert in: Hilde-brandt-Stramann, Spielen Und Bewegen in Der Stadt, S. 106.

95 Hassenpflug, Die Stadt Als Erlebnisraum Für Kinder Und Jugendliche, S. 212ff.

WohnungWohnung

Streifraum

weitere Umgebung

Wohnnahbereich

Raumaneignung früher Raumaneignung heute

Stadtpark

Stadtpark

Straße

Brachf lächen

Hauseingang

Fußgängerzone

Quar tiersplatz

Wohnstraße

WaldWald

HofBachlauf

Spor tplatz

Spor tplatz

Schwimm-bad

Schwimmbad

Baulücken

Abenteuer-spielplatz

Schulhof Spielplatz

Spielplatz

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Zwar gibt es seit den 1980er Jahren vereinzelt Bestrebungen, Kinder und Jugendliche in den Stadtentwicklungsprozess einzubinden. Leider haben diese, häufig projektorientierteBemühungen keine Änderung hin zu einer flächendeckendenEtablierung von einer generationsübergreifenden menschen-freundlichen Planung bewirkt. Angesichts der derzeitigen demographischen Situation im 21. Jahrhundert sind Kommunen und Städte auf kinder- und familienfreundliche Umgebungen mittels einer interdisziplinären Planung angewiesen.

Eine solche Planung muss Jugendlichen und Kindern eine Plattform zur Gestaltung partizipativer Architektur gestatten, die von den verschiedenen Akteuren seitens der Politik, der Sozialarbeit, Planer und Bürger getragen und gefördert werden muss. Kinder und Jugendliche benötigen die integrative Kraft der sozialen Arbeit und des bürgerschaftlichen Engagements, die eine gemeinwesenbezogene Planung ermöglicht, zu verstehen ist.96 Die Konzeption der Spielleitplanung sieht solche interdis-ziplinäre und kooperative Verfahren vor, um Kinder und Jugend-liche in den Diskurs der Stadtentwicklung mit einzubeziehen. Das Instrument der Spielleitplanung als „umweltgerechte und

nachhaltige Entwicklungsplanung“ kann ein wichtiger Schlüssel zum Beitrag zur Gestaltung von kinder- und jugendfreundlichen Städten und Gemeinden sein.97

Teil dieser Leitplanung sind Prozesse der Raumaneignung, die immer wieder neu ausgetragen werden sollten und müssen. Daher sind projektbasierte Kommunikationsprozesse zwingend notwendig, um den öffentlichen Raum mit Kindern und Jugendlichen zu gestalten. Ihre Kenntnisse und Ressourcen können dabei effektiv in den gestalterischen Architekturprozess transferiert werden. Mit der darin enthaltenen Interaktion verbindet sich die Möglichkeit zur Schaffung von städtischer und individueller Identität wie bereits beschrieben.

96 vgl. Alisch, Empowerment Und Governance, S. 313.

97 Apel & Brüggemann, Spielleit-planung, S. 118ff. – Apel und Brüggemann stellen in ihrem Publikationsbeitrag die Spiel-leitplanung vor und beschreiben die Funktionsweise und den Ablauf dieser. Spielleitplanung wurde erstmals 1999 als ein Gemeinschaftsprojekt des rheinland-pfälzischen Umwelt- und Jugendamtes initiiert. Im Jahr 2004 wurde aus den Erfahrungen der Modellprojekte ein Leitfaden erstellt und seit dem ist die Spiel-leitplanung in einigen Städten der Bundesrepublik mit verankert.

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PLANUNGSWERKSTATT KRAMIXXO.WAGGONG

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Die Planungswerkstatt

Beschreibung des Projekts

4.1. Das Quartier Weimar-West

Das Stadtviertel Weimar-West gliedert sich als ein ziemlich junger Teil in das Bild der Stadt Weimar ein und ist zudem Zeugnis der Bau- und Planungskultur der ehemaligen, sozia-listischen DDR. Dieser Stadtteil wurde auf dem Gelände des „Weimarer Paradieses“ als eine typische Großwohnsiedlung für 10.000 Menschen konzipiert und wurde 1982 nach einer Bauzeit von vier Jahren fertiggestellt. Dabei sollten im Viertel die Nahversorgung und Dienstleistungen an die Wohnfunktion geknüpft sein. In dem Entwurf des Wohnparks verbinden sich alle bisher geltenden, modernen Planungserkenntnisse und –ansätze über den Siedlungsbau und gilt als ein Vorbild des sozialistischen Städtebaus.

Zur Zeit der Fertigstellung wiesen diese Plattenbauten einen hohen Standard auf. Was in der damaligen Zeit aufgrund der guten technischen Infrastruktur und Baustandards als luxuriös und komfortabel erachtet wurde, besitzt heute nur noch eine geringe Attraktivität. Die moderneren Standards der sanierten und neugebauten Wohnungen außerhalb des Viertels und die sozial-demografischeEntwicklungwarenausschlaggebend,dassWeimar-West seit der politischen Wende eine schleichende Abwertung erfuhr. Seither besitzt Weimar-West ein von außen negativ wahrgenommenes Image. Als ein sozialer Brennpunkt Weimars wurde dieses Quartier schließlich im Jahr 2000 in das Städtebauförderprogramm „soziale Stadt“ aufgenommen.98

DassichamwestlichenStadtrandbefindlicheQuartieristvondem gewachsenen Stadtraum weitestgehend isoliert. Einen erheblichen Anteil daran haben die Bahntrassen, die das Viertel von Weimar an allen stadtzugewandten Seiten abschneiden. Leider sind überdies nur wenige Verbindungen zur Stadt ausfindig zu machen. So verbinden nominell lediglich eineStraße und zwei Fußwegverbindungen Weimar-West mit der übrigen Stadt. Durch den Anschluss an das Bahnnetz mit einer Haltstelle konnte der Standort jedoch besser integriert werden.

98 Stadt Weimar, Integriertes Stadt-entwicklungskonzept, S. 97.

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Der Stadtteil ist von grünen Freiflächen geprägt, die diesesGebiet ringartig umgeben und das Quartier durchsetzen. Im Anschluss an das Gebiet grenzt zudem das Naturschutzgebiet „Paradies“ an. Das Viertel ist als Wohngebietspark mit den Schwerpunkten Wohnen und Versorgung angelegt. Vor allem der Stadtteilpark und die Innenhöfe tragen zu einer üppigen grünen Gestaltung bei. Trotz der hohen Unterschiede bezüglich der Aufenthaltsqualität bietet Weimar-West gute Vorausset-zungen für ein gesundes Aufwachsen mit der ganzkörperlichen Erfahrung der Umwelt für Kinder und Jugendliche.

Die bauliche Struktur des Viertels weist eine gewisse Homoge-nität in der Gestaltung der Baukörper auf und wird mittels zweier entgegengesetzter Achsen in vier Teile gegliedert. Durch diese Gliederung erfährt das Gebiet eine Auflockerung undanhand der Achsen ist eine bessere Orientierung gegeben. Für die Wohnbebauung wurde nicht eine Zeilenbauweise, sondern eine hauptsächlich fünfgeschossige Blockbebauung mit einer stark artikulierten Akzentuierung von Öffentlichkeit außen und Privatheit im Innenhof gewählt. Entlang der Achsen und an der Grenze zum Paradies sind die als Solitärbauten ausgebildeten Gebäude zur Versorgung des Quartiers angeordnet.

Die von Ost nach West verlaufende Achse erstreckt sich vom Bahnübergang bis hin zum Paradies und stellt das wichtigste Gliederungselement dar. Durch die schwache Ausformulierung derAchsemitderDurchsetzungvonBaukörpernundPflanzenwird jedoch die räumliche Wirkung einer Promenade mit einem gerichteten Blick nicht erreicht. Die Nord-Süd-Achse verläuft zudem unregelmäßig und ist als solche nur schwer wahrnehmbar. DasgeografischeZentrumimSchnittpunktderbeidenAchsenbildet das Zentrum für die Versorgung des Viertels. Der Straßburger Platz ist somit gut erreichbar, offenbart jedoch erhebliche Mängel. Zum einen gliedert sich die zweigeschossige Bebauung in ihrer Form und Ästhetik kaum in den Bestand ein und zum anderen entspricht die Nutzung des Platzes als Parkplatz nicht der gewünschten Funktion eines Quartierszen-

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Abb.3 - Quelle: bing-Karten, bearbeitet Abb.4 - Ost-Westachse

Lage von Weimar-West Entlang der Promenade

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Abb.5 - Stadtteilpark Abb.6 - Straßburger Platz

Wohnen im Grünen Parkplatz als Zentrum

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DIE PL ANUNGSW ER KSTAT T – BESCHR EIBUNG DES PROJEK TS

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trums. Das Zentrum bietet aufgrund seiner äußerst niedrigen Aufenthaltsqualität kein urbanes Feld zur Kommunikation und des Spiels für Kinder und Jugendliche.

Die Versorgungslage des Quartiers mit kommerziellen und sozialen Angeboten ist überdurchschnittlich wie vielfältig. Während sich die Einzelhandels- und Dienstleistungseinrich-tungen im Zentrum konzentrieren, sind die Bildungs- und Betreuungsangebote auf das gesamte Stadtgebiet verteilt. Diese umfassen ein multipel genutztes Bürgerzentrum/Mehrgenerati-onenhaus, eine Kirche, drei Schulen für die Klassenstufen 1-12 mit der jeweils zugehörigen Sporthalle, eine Boxhalle, zwei Kindertagesstätten, zwei Seniorenheime, sowie einem Kinder- und Jugendklub. Zudem ist die Vielzahl an für Kinder relevanten Spielmöglichkeiten im Stadtgebiet ebenfalls bemerkenswert. Für Jugendliche kann das Quartier jedoch nur bedingt adäquate Angebote bereithalten. Die geringe Zahl der gastronomischen Einrichtungen und das Fehlen regelmäßiger kultureller Angebote ist dafür ein nicht unwesentliches Kriterium. So ist Weimar-West weniger attraktiv für Jugendliche, weshalb sie die Angebote anderer Quartiere präferieren, ihren Unmut in Vandalismus artikulieren oder sich verstärkt in virtuellen Räumen aufhalten.

Die Bevölkerungsstruktur leitet sich aus dem eingangs kurz skizzierten historischen Kontext und den baulichen wie funkti-onalen Gegebenheiten ab. Anhand der Mietsituation lässt sich die Bevölkerung des Stadtteils Weimar-West in zwei markante Gruppen einteilen. So stellen zunächst die Erstbezieher, die seit länger als 1985 im Quartier leben, die Hälfte der Bewohner dar. In der Altersstruktur zeigt sich daher ein enormer Anteil der über 45 jährigen mit 54%. Aufgrund des sehr geringen Mietniveaus, präferieren vor allem Personengruppen einkom-mensschwächerer Schichten Weimar-West. Somit setzt sich die Struktur vor allem aus sozialen Milieus vornehmlich unterer Gesellschaftsschichten zusammen.99

Die monotone Grundrissgestaltung sowie die Ästhetik der Wohnbebauung lassen zudem kaum Spielraum für eine heterogene Bevölkerungsaufteilung zu. So leben nahezu

99 Stadt Weimar, Statistisches Jahrbuch 2012, S. 282ff.

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85% der rund 5.500 Einwohner in Ein-Personen- oder Zwei-Personen-Haushalten. Bestimmte Lebensformen und Familiengrößen werden damit ausgeschlossen. Das wesentliche baulich-qualitative Unterscheidungsmerkmal der Wohnungen stellt der Sanierungsgrad dar. Daher sind die Wohnungen in drei Kategorien „gehoben“, „durchschnittlich“ und „teilsaniert“ unterteilt. Um die Variabilität des Wohnraums und damit der des sozialen Raums zu erhöhen, müssten die Eigentümer100 individuellere und kreativere Konzepte erarbeiten.

So lässt sich festhalten, dass sich in Weimar West ein monovisu-elles Stadtbild manifestiert, da sich das Design der vorhandenen Architektur zeichenarm und weniger symbolhaft präsentiert. So sind die auf die funktionalen Merkmale hinweisenden, additiven Zeichen bspw. der von Einkaufsangeboten weitaus bedeutender alsdiedergestaltgebendenForm.WeimarWestfehlenidentifi-kationsstiftende architektonische, wie städtebauliche Anker, die das Stadtbild prägen und das Image Weimar Wests aufwerten könnten. Die Handlungsanweisung mit den aus dem Förder-programm „soziale Stadt“ zur Verfügung stehenden Geldern sollte daher nicht nur die ohnehin notwendige Aufwertung des Umfeldes umfassen. Die skulpturale und kommunikationsun-terstützende Gestaltung urbaner Räume mittels partizipativer Verfahren könnte einen wesentlichen Bestandteil gemeinwe-senbezogener Planung am Standort Weimar West einnehmen.

Im baulich wie sozial schwachen Raum des Quartiers Weimar-West bedarf es eine stärkere soziale Arbeit um Defiziteausgleichen zu können. Die Gestaltung des Viertels muss daher mit der sozialen Arbeit stark verwoben sein und das Handlungsfeld von Planungsprozessen wie der Stadtteilent-wicklung sollte sich vor allem auf den Einsatz von Kommuni-kationsstrategien verlagern. Ein wichtiger Schritt stellte dabei die Einrichtung des Quartiersmanagements im Jahr 2001 dar, welches die Basis für eine erfolgreiche Kommunikation und einen generationsübergreifenden Dialog ist.

100 Die Eigentümer der Wohnge-bäude sind die beiden Weimarer Wohnungsbauunternehmen Weimarer Wohnstätte (WW), die Gemeinnützige Wohnungs-genossenschaft (GWG) und Bau Control

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Abb.7 - Innenhofsituation

Durchblicke

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Abb.8 - oben: Basketballplatz an der Budapester Str.Abb.9 - unten: Half-Pipe im nördli. Teil des Quartiers

Jugend-Treffpunkte

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DIE PL ANUNGSW ER KSTAT T – BESCHR EIBUNG DES PROJEK TS

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Die Spiellandschaft für Kinder ist in Weimar-West mit den vielen Grünflächen relativ üppig und breit gefächert in derArt von Möglichkeiten zur Umwelterfahrung. Auch wenn die Qualitätsunterschiede der öffentlichen und halböffentlichen Räumestarkdifferieren,bietendieFreiflächenundSpielplätzeRaum für eine gesunde kinästhetische Entwicklung. Neben den klassischen Betätigungsfeldern des Versteckspielens, Kletterns, Rutschens, Wippens und Spielens mit Sand stehen zwei Basketballplätze, Skatemöglichkeiten, der Bauspielplatz und die „natürliche“ Umgebung des Bachlaufs am Weimarer Paradies zur Verfügung.101

Den ausgeprägten Angeboten für Kinder stehen nur wenige für Jugendliche bereitstehende Betätigungsfelder entgegen. So sind Half-Pipe, Basketball-Platz und der Jugendklub Waggong, wie der Freiraum am Bürgerzentrum/Mehrgenerationenhaus mehr oder weniger geduldete Treffpunkte Jugendlicher in Weimar-West. Außerhalb dieser zweckgebundenen Orte stehen ihnen nur wenige Freiräume zur Aneignung und als Plattform des Ausdrucks jugendlicher Lebenswelten zur Verfügung. Hinzu kommt die Stigmatisierung des Stadtteils und des eher prekären, wie hedonistischen Milieus, in dem in die Jugendlichen aufwachsen.

Daher ist ein Eingriff durch die Jugendhilfe und des bürgerlichen wie nachbarschaftlichen Engagements von enormer Bedeutung. Nennenswerte Möglichkeiten zur Bildung, Stabilisierung und Förderung von Kindern und Jugendlichen bieten die Angebote im Bürgerzentrum, der „Schatzinsel“ und des Kinder- und Jugendklubs Kramixxo & Waggong. Letzteres stellt das bekannteste und das zweitmeist genutzte Angebot im Quartier dar.102 Die langjährige Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Klub erhält einen hohen Stellenwert in der Mittelvergabe und genießt Zuspruch seitens vieler Akteure in Weimar. Der soeben gewonnene Kinderrechtspreis 2013 ist ein Indikator für eine erfolgreiche Arbeit zu verstehen.103

101 vgl. Stadt Weimar, Spielen in Weimar.

102 Bürgerbefragung, S. 18ff.

103 Stadt Weimar, Kinderbüro: Kinderrechtspreis.

4.2. Der Eisenbahnwaggon am Jugendklub

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Die räumlich-ästhetische Qualität der Jugendhilfeeinrichtung kann jedoch nur einem geringen Stellenwert für diesen Erfolg beigemessen werden. Die stark sanierungsbedürftigen und zum Teil verwahrlosten Räume sollten eine Aufwertung erfahren, damitdieser Standort einprägender Identifikationspunktundeinen Beitrag zur Bildung des Habitus abbilden kann. Dafür sollten bestenfalls bereits vorhandene Ressourcen genutzt werden. Die baulichen Bestandstrukturen, die Kompetenz der Jugendmitarbeiter und vor allem das kreative Potenzial der jugendlichen Nutzer des Klubs können sich als wichtige Stützen erweisen, um den notwendigen Aufwertungsprozess zu begleiten.

Eine vorhandene bauliche Ressource stellt der Eisenbahn-waggon am Klub Kramixxo & Waggong in Weimar-West dar. Dieser ist ein fester Bestandteil Klubs gewesen, kann jedoch seit mehr als einer Dekade nicht mehr genutzt werden. Nach der politischen Wende wurde im Januar 1991 ein dreiachsiger Reko-Wagen104 der sich damals aufzulösenden Deutschen Reichbahn (DR) der ehemaligen DDR auf das Gebiet des heutigen Klubs in Weimar-West versetzt. Man wendete einen symbolischen Betrag von 100 DM zur Deckung der dabei entstehenden Überführungskosten auf und stellte der Jugend diesen Wagen zur Nutzung zur Verfügung. Der damalig zuständige Sozialar-beiter Waldemar Riedel berichtete, dass damit einer Ghetto-isierung von Randgruppen präventiv entgegengewirkt werden sollte und der Jugendklub mit demWaggon ein identifikati-onsstiftendes Element erhält.105 Neben der Bereitstellung und des innenräumlichen Ausbaus des Wagens erfuhren auch die beiden Baracken neben dem Eisenbahnwaggon ihre Gestaltung. Der Eingangsraum des Jugendklubs wurde einer Bahnhofshal-lensituation mit Verkaufstresen nachempfunden. Neben der Gestaltung verdient der Jugendklub dem Wagen zusätzlich den charakteristischen Namen „Waggong“.

Während der 90er Jahre wurde der Waggon vielseitig von den Jugendlichen aus dem Quartier genutzt und besaß eine relativ hohe Anziehungskraft für junge Leute. Er diente somit

104 Als Rekowagen wurden bei der Deutschen Reichsbahn Eisen-bahnwagen bezeichnet, die durch Umbau von Vorkriegswagen entstanden sind.

105 Zeitungsartikel in der Thüringer Allgmeine, Treff Im Eisenbahn-waggon.

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als räumliche Basis von Entwicklungs-, Kommunikations- und Aneignungsprozessen seitens der Jugendlichen und bot ihnen den notwendigen Freiraum. Diese damaligen sozialen Ansätze würden sicherlich auch unter dem Licht heutiger Maßstäbe ihre Anwendungfinden.

In dem teilweise selbst verwalteten Klub entstanden zwangs-läufigunterschiedlicheAlters-wieInteressensgruppeninBezugauf die Nutzung des Waggons. Leider differierten Ende der 90er die Interessen so stark, dass keine Einigung zwischen den damaligen Herausgewachsenen und den Jugendlichen der nachfolgenden Jahrgänge erzielt werden konnte und Auseinan-dersetzungen zwischen diesen beiden Gruppen entstanden. Angetrieben von emotionalen Gefühlen wie Neid, Wut und Frust kam es schließlich auch zu Vandalismus am Waggon, sodass dieser vorrübergehend geschlossen werden musste. Nach mehreren gescheiterten Versuchen der Reaktivierung wurde der Waggon aufgegeben, sich selbst überlassen und dem Verfall preisgegeben. Seitdem ist er auch weiterhin Objekt von Vandalismus und des Ausdrucks von Unmut.

Der Waggon stellt sich nun als eine Art Brache dar, dessen Zutritt nicht gewährt wird. Damit der Wagen sich nicht zudem als eine Verletzungsgefahr erweist, hat er mit einem Zaun eine Absperrung erfahren. Trotzdem hat dieser seinen Appeal beibehalten und ist ein Anziehungspunkt als Versteck und für eine illegale Benutzung durch Kinder und Jugendliche. Einer professionellen Instandhaltung ist die Stadt nicht nachgekommen und somit ist dieser nun zu gewucherte Waggon entkernt und in einem schlechten baulichen Zustand.

So ist bereits mit flüchtigem Blick zu erkennen, dass alleGlasscheiben der vierzehn Fenster und vier Türen des Waggons am gewaltsam entfernt worden sein müssen. Die Fassungen der meisten Fenster sind ebenfalls nicht mehr existent. Der abgesperrte Bereich um den 12,83 m langen Waggon herum wirkt verwahrlost und nicht intakt. Die Metall-Karosserie des Wagens ist von allen Seiten mit Graffitis besprüht, dessenLack schon seine Haftung verliert und allmählich abblättert.

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Die Längsseiten zeigen farbige Tags eher niedriger Qualität auf einem silberfarbenen Grund und die Stirnseiten sind mit kleinen Tags durchsetzten gelben Flächen versehen. Das mit Bitumen belegte Dach scheint dicht zu sein, besticht jedoch in dieser Materialwahl nicht durch ästhetische Finesse.

Über eine intakte Metalltreppe gelangt man in den Waggon. Bei Betreten des Wagens ist man zunächst mit einer schwergängigen Außentür konfrontiert, die nur mit enormer Kraftaufwendung zu öffnen ist. Im Vorraum angekommen ist erkennbar, dass nicht nur die Innenwände in einem schlechten Zustand sind, sondern auch Teile der Einbauten aus der Einfassung herausgerissen wurden. Das Metall der Karosserie korrodiert bereits an den Fensterkanten sehr stark. Der Boden ist zudem mit Schutt und Schmutz belegt. Nachdem man sich durch den Spalt der defekten, nicht verschiebbaren Abteiltür gezwängt hat, gelangt man in das 27,40 Quadratmeter große Abteil.

In diesem kann man nur mutmaßen, wie der Innenraum mal ausgesehen hat, da der Wagen komplett entkernt wurde. Da die Wandverkleidung fehlt, hat das Abteil den Charakter eines Rohbaus. So schaut man auf das Traggerüst aus Hohlrohrstäben mit rechteckigem Querschnitt und die partiell korrodierte Wagen-Karosserie. Der Fußboden ist ebenfalls nicht mehr im Originalzustand. Hier schaut man auf den rohen Fußbo-denaufbau aus einem Unterboden, auf denen Kanthölzer und Sperrholzplatten, deren Kanten bereits porös sind, befestigt sind. Die in der Decke eingelassenen Leuchten sind ebenfalls defekt. Ebenfalls wurde die Deckenverkleidung gewaltsam beschädigt. Elektrischen Strom wie andere Medien liegen nicht (mehr) an.

Das Schadensbild zeigt, dass ein enormer Aufwand betrieben werden muss, um den Waggon instand zu setzen und mit neuen Leben zu füllen. So werden für eine derartige Transformation nichtnurfinanzielleRessourcenbeansprucht,sondernbenötigtden Rückhalt der Jugendlichen, der beteiligten Akteuren und der ansässigen Bevölkerung.

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Abb.10 - Klub Kramixxo & Waggong Abb.11 - Eisenbahnwaggon am Klub

Ort der Jugendszene Brachfläche

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Abb.12 - oben: Versetzung des Waggon. Quelle: Weimarer Tagespost 11.02.1991Abb.13 - Mitte: Artikel im Allgemeinen Anzeiger 27.03.1991Abb.14 - unten: Jugendliche im Waggoncafé 1993. Quelle: Jugendklub Waggong

von den Anfängen .. .

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Abb.15 - Waggon heuteAbb.16 - Schadensbild innen

. . . bis zur jetzigen Erscheinung

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Abb.17 - Eingangssituation

verwahrlost

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DIE PL ANUNGSW ER KSTAT T – BESCHR EIBUNG DES PROJEK TS

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Eine Gruppe von ehrenamtlichen Mitarbeitern des Jugendhilfe-angebots „Schatzinsel“, das aus einem evangelisch-freikirchlichen Hintergrundkommt,wurdeaufdasindemWaggonbefindlichePotenzial aufmerksam und verständigte sich über mögliche Wege der Reaktivierung des Wagens für eine jugendliche Nutzung. Da entstand die Idee, Jugendliche nicht nur für die Sanierung des Waggons zu begeistern, sondern sie an dem ganzen Prozess der Revitalisierung zu beteiligen.

Zunächst sollte dafür ein „Runder Tisch“ in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Jugendklubs eingerichtet werden, um Kinder und Jugendliche zu erreichen, die Angebote des Jugend-klubs nutzen bzw. aus dem Quartier sind. Es gilt, sie für die eigene Umgebung zu sensibilisieren und deren Vorstellungen, Interessen und Sprache verstehen zu lernen. In dem projekto-rientierten Beteiligungsprozess einer Planungswerkstatt sollten die Ideen gebündelt und in eine gemeinsame Form gegossen werden, um diese öffentlichen, wie privatwirtschaftlichen Akteuren zu präsentieren und sie für das Bauvorhaben zu gewinnen. Da die Interessen dieser Kinder und Jugendliche am städtischen Raum kaum wahrgenommen werden, muss ihnen erst die Möglichkeit zur Partizipation gegeben werden. Die Planungswerkstatt stellt daher einen politischen Schritt der Willensbekundung dar und ist Sprachrohr einer sonst (sozial) benachteiligten Gruppe.

Neben dem politischen Aspekt soll das Laborieren und Experi-mentieren im Fokus des Planungsprozesses stehen. Innerhalb dieses geschützten Rahmen ohne Verwertungsdruck oder finanziellenVorgaben sollen Ideengemeinsamentwickeltundzur Diskussion gebracht werden. Im weiteren Prozess sind die Vorstellungen auf kleine Entwürfe zu übertragen. Dabei sollte den Kindern und Jugendlichen die Fähigkeit, räumliche

4.3. Zielstellung

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Zusammenhänge zu verstehen und in darin sich gedanklich zu bewegen, näher gebracht werden. In dem Prozess des Planens und des Selbstausdrucks sollen ästhetische, sprachliche und soziale Kompetenzen der Jugendlichen gefördert und gestärkt werden. Während des Verfahrens wird sich herausstellen, ob diese erst erlernt werden müssen und in welchem Maß die Partizipation durch den Moderator angeleitet werden muss.

Dieses Projekt soll zudem ein Beitrag sein, dass Jugendliche sich Raum bezogen auf einen konkreten Ort aneignen können. Durch die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit der Umgebung und die jugendliche Selbsterfahrung soll deren Wertschätzung der baulichen Strukturen im Quartier gesteigert werden. Trotz der erwarteten, relativ homogenen Lebenswelten der Jugendlichen wird davon ausgegangen, dass die Präferenzen bezüglich der künftigen Nutzung und Ästhetik des Waggons erheblich differieren. Diese Unterschiede sind aufzunehmen und zu verarbeiten. Es gilt, den Charakter des Waggons mit den Heranwachsenden neu zu formulieren und eineneueIdentifikationsfigurinWeimar-Westzuschaffen.

Die planungswerkstatt kramixxo.waggong kann leider nicht alle Prozesse von der Idee bis zur Fertigstellung abdecken. Es ist zunächst als ein Workshop angelegt, in dem sich die Kinder und Jugendlichen entfalten können. Dessen didaktischer Aufbau erfolgt dreiphasig und wird in eine Betrachtungsphase, Utopie-Phase und Konzeptphase unterteilt. Die Terminwahl für die Workshops erfolgte analog des dreiphasigen Aufbaus an drei verschiedenen Tagen. So sollten die Workshops im Monat Juni an den Samstagen des 08.06., 22.06. und 29.06.2013 jeweils von11bis15Uhr stattfinden.DieseTerminekorrelierenmitden Zeiten der Gruppe „BIG-Jungs“106, damit sie am Projekt mit partizipieren können. Die Planungswerkstatt soll mit einer öffentlichen Präsentation abgeschlossen werden, zu der die kleinen Entwürfe vorgestellt werden sollen und ein Wettbewerb angedacht ist.

106 „BIG-Jungs“ ist Teil der Arbeit von der Schatzinsel und ein betreutes Angebot für Jungen im Alter von 10-14 Jahren aus dem Quartier.

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Betrachtungs-phase

Utopie Phase

Präsentation/Wettbewerb

Konzept-phase Abb.18 - Aufbau der Planungswerkstatt

DIE PL ANUNGSW ER KSTAT T – BESCHR EIBUNG DES PROJEK TS

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Den Heranwachsenden soll in der Betrachtungsphase zunächst ermöglicht werden, sich innerhalb der Bestandsituation zu orientieren und sich der Komplexität der Aufgabe zu nähern. Die Betrachtungspunkte sind, wie die Kinder und Jugendlichen den Standort beobachten und als solches wahrnehmen. Damit verbindet sich die Fragestellung, was der Stadtteil Weimar-West den Jugendlichen bedeutet und inwieweit die Angebote des Quartiers die Bedürfnisse der Teilnehmer decken. Zudem soll der bauliche Bestand des Waggons wahrgenommen und untersucht werden. Der Projektgegenstand soll durch die Exploration lebensnäher und greifbarer werden.

Bevor ein realistischeres Bild gezeichnet werden kann, ist eine Utopie-Phase vorgesehen, in der den Kindern und Jugendlichen einen stark experimentellen Zugang zum Gestaltungsprozess geboten werden kann. Es wird ein Pool an Ideen angelegt, um die Wünsche der Teilnehmer aufzunehmen. Sie sollen angehalten werden, Zukunft frei zu entwerfen und zu „spinnen“. Da der Waggon vorher besichtigt wird, ist zu erwarten, dass die Vorstellungen der Teilnehmer zur Nutzung daher etwas eingetrübt sind. Es ist abzuwarten, was für ein utopisches Potenzial die Ideen beinhalten. Der Ideen-Pool soll zugleich die Lebenswelten der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen näherungsweise skizzieren und abbilden und Rückschlüsse über ihre Rituale, Lebensweisen, Hobbys und Tätigkeiten gewonnen werden.

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In der Konzeptphase sollen die vorliegenden Ideen zur Nutzung des Waggons ausgewertet und weiter bearbeitet werden. Spielerisch soll den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Nutzungsvorstellungen im Raum zu verorten und diesen zu gestalten. Im Gestaltungsprozess soll die Formgebung im Ansatz begleitet werden. Nicht ganz unerheblich wird die Wahl der benutzen Medien bzw. Codes sein, wie die Teilnehmer ihre Konzepte zum Ausdruck bringen können. Die Codes sollen daher einfach handhabbar und leicht verständlich sein. Diese sollen die Imaginationsfähigkeit steigern sowie das strukturelle Denken fördern.

Die Planungswerkstatt ist zugleich ein Experiment für die Gruppe der Planer und Architekten, die Ideen der Jugendlichen, in diesem Falle aus Milieus sozial benachteiligter Schichten, aufzu-nehmen und zu verwerten. An diesem konkreten Fall sollen angewandte Methoden und Werkzeuge untersucht werden und Aussagen getroffen werden können, wie die Kompetenzen der Architekten in diesem Prozess effektiv nutzbar sind. Das Projekt ist als ein Bottom-Up-Projekt zu sehen, dass sich in dem Diskurs einer kinder- und jugendfreundlichen Stadtplanung eingliedern möchte und eine Möglichkeit zur Partizipation im fortwährenden politischen Prozess darstellt.

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In der Vorbereitung der Planungswerkstatt stand das Platzieren des Projektes im öffentlichen Kontext im Mittelpunkt. Die Idee sollte artikuliert und Notwendigkeit des Vorhabens diskutiert werden. Neben der Gruppe BIG-Jungs, zu denen ein bereits dreijähriges Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde, sollten weitere Jugendliche erreicht werden. Außerdem galt es, das Projekt mit verschiedensten Möglichkeiten in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung zu rücken und sich mit verschiedensten Akteuren zu vernetzen.

Zunächst wurde der Wunsch bzw. die Projektidee an die Mitarbeiter des Jugendklubs unter Leitung von Daniel Erdmann als Hausherren und Prof. Dr.-Ing. Bernd Nentwig als fachlichen Betreuer der Bauhaus-Universität Weimar herangetragen. Diese sollten als Kooperationspartner gewonnen und in das Projekt integriert werden. Die erste Kontaktaufnahme zur Projektvorstellung erfolgte dazu im Januar 2013. Die Mitarbeiter des Jugendklubs zeigten sich an einer Revitalisierung des Waggons interessiert und es erfolgte eine gemeinsame Waggonbesichtigung. Der Handlungsbedarf am Waggon sowie die Notwendigkeit eines partizipativen Prozesses wurden erkannt und als solches befürwortet. Der Kooperation wurde zunächst mündlich zusagt und die Durchführung der Planungswerkstatt zeitlich auf den letzten Monat des Schuljahres 2012/13 festgesetzt. Im weiteren Verlauf wurde sich über Eckdaten und Abläufe der Planungswerkstatt verständigt, sodass die eigent-liche Öffentlichkeitsarbeit beginnen konnte.

Zunächst wurde ein Logo mit dem passenden Schriftzug entwickelt, um dem Projekt planungswerkstatt kramixxo.waggong ein Branding zu geben. Weiterhin wurde eine Illustration erstellt, die das Projekt charakterisierend abbilden soll und dazu eine einheitliche Farbe wie zwei Schriftarten ausgewählt. Diese Kommunikations-elemente sollten mittels ihrer Ästhetik das Erreichen Jugendlicher

Die Planungswerkstatt

Beschreibung des Projekts

5.1. Interaktion mit den Akteuren und der Öffentlichkeit

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unterstützen und gleichzeitig professionell genug erscheinen, um weitere Akteure zu akquirieren. Alle Textpassagen wurden mit einer Wir-Formulierung versehen, damit das Projekt leichter einen integrativen Charakter erhalten kann.

Als Basis der Kommunikation sind Printmedien im Format des Posters und Handzettels gewählt worden und in zwei Ausführungen mit unterschiedlichem Schwerpunkt. Das Poster und der DIN-A6-Flyer waren zielgruppenorientiert und sollten vor allem Jugendliche und Bewohner des Quartiers ansprechen. Beide Formate waren daher nur mit den notwendigsten Informationen versehen, knapp formuliert und eingängig gestaltet. Neben den Massenwerbemitteln wurde ein DIN-A5-Faltblatt als Projektvorstellung für mögliche Kooperationspartner gestaltet, die inhaltlich wesentlich breiter ausgearbeitet wurden. So ergänzen präzise Bilder und Textbau-steine das bestehende Layout, um die bestehende Situation und den Grund sowie das Ziel des Vorhabens darzulegen. Im Mai 2013 wurden drei Wochen vor Beginn der Planungswerkstatt die Poster und Flyer im Quartier Weimar-West im Bürgerzentrum, im Humboldtgymnasium und der Carl-August-Musäus Regelschule sowie in dem Jugendklub Waggong verteilt. Um auf neu angesetzte Sondertermine bzw. Terminverschiebungen hinzuweisen wurden im Verlauf der Planungswerkstatt zudem auch kleinere Flyer im Visitenkartenformat erstellt.

Als eine weitere Kommunikationsplattform wurde eine Projektseite auf Facebook im Mai 2013 eingerichtet und mit dem Logo, der Illus-tration sowie allen notwendigen Informationen versehen. Es wurde damit erhofft, die Akzeptanz und mediale Reichweite des Projekts zu erhöhen. Diese sollte zudem als eine virtuelle Kommunikations-plattform innerhalb sowie außerhalb des eigentlichen Planungspro-zesses dienen. Es wurde bewusst keine Gruppe geschalten, um den öffentlichen Charakter durch den barrierefreien Zugang zu gewähren. Diese Seite wurde während der Zeit der Workshops aktualisiert, sodass Anhänger wie Abonnenten den Verlauf virtuell begleiten konnten. Ankündigungen zu bevorstehenden Veranstaltungen wurden stets virtuell erstellt und Jugendliche dazu eingeladen. Einige Jugendliche nutzten diese Plattform zur Information und Kommuni-

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Abb.19 - links: Projektseite auf FacebookAbb.20 - rechts: Zeitungsartikel in der TA vom 08.06.2013

Abb.21 - Flyer (Vorder- und Rückseite)

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kation auch über die eigentlichen Workshops hinaus. Im Verlauf des Partizipationsprozesses folgten 47 „Fans“ der Seite, wovon jedoch lediglich zehn der Altersgruppe entsprechen, da der Hauptteil ideelle Unterstützer des Projektes aus dem ganzen Bundesgebiet sind. Die beliebteste Form der Verbreitung stellten Bildimpressionen dar, die auch von Freunden der Teilnehmer aufgerufen, begutachtet und kommentiert wurden. Durch die mediale Verbreitung wurde versucht, virtuell neue Jugendliche für die Partizipation an dem Projekt zu begeistern.

Das persönliche Kennenlernen von Jugendlichen sollte der wichtigste Anknüpfungspunkt sein, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen und sie für die Planungswerkstatt als mögliche Teilnehmer zu gewinnen. Die BIG-Jungs-Gruppe war eine erste Anlaufstelle zum Kennenlernen neuer Jugendliche. Sie mussten jedoch erst selbst für eine Teilnahme am Projekt motiviert werden. Die erste Kontaktaufnahme mit anderen Jugendlichen aus dem Quartier erfolgte durch das Verteilen der Flyer im Quartier und im Rahmen des klubeigenen Plenums „MITROPA“. In diesem wurde das Projekt vor 11 Jugendlichen und 4 Mitarbeitern vorgestellt und intensiv beworben. Die Projektvorstellung erfolgte mit der Unterstützung von Bildmaterialien, die zum einen die Historie und den Zustand des Waggons abbilden und zum anderen auf Referenzen verweisen, die den Charakter einer Planungswerkstatt und die Möglichkeiten einer Neugestaltung aufzeigen. Zusätzlich wurde anhand von Plänen und einem Architekturmodell Anliegen und Methoden der Architektur-gestaltung kurz skizziert. Auch die Sozialarbeiter des Jugendklubs ermutigten die Jugendlichen, sich an der Planungswerkstatt aktiv zu beteiligen und drängten mit einer Liste auf eine gewisse Verbind-lichkeit.

In einem weiteren Schritt wurde der Projektwunsch an relevante öffentliche Träger herangetragen. So wurden die Quartiersmana-gerin des Stadtteils Weimar-West Manuela Bielesch, die Kinderbe-auftragte der Stadt Weimar Sina Solaß und die Evangelisch-Luthe-rische Kirchengemeinde Weimar angeschrieben und um ein Termin

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gebeten. Die Vernetzung erfolgte mit dem Quartiersmanagement und der Kinderbeauftragten, die das Projekt durch die Bekanntma-chung der Planungswerkstatt in öffentlichen Ämtern unterstützten.

Kurz vor Projektbeginn wurden ebenfalls die Presse (Thüringer Allgemeiner, Thüringer Landeszeitung) und die regionalen Rundfunk-sender Radio Lotte und Salve TV über das Projekt informiert. Die Thüringer Allgemeine veröffentliche dazu eine kurze Information im Lokalteil zum Start des Projektes am 08.06.2013. Diese Meldung erreichte aufmerksame Leser, von denen ein ehemaliger Ortsteilrat unverbindlich zum ersten Treffen erschien. Die Redaktion von Salve TV zeigte sich sehr offen für das Projekt und so kam es zur Produktion eines Features über die Planungswerkstatt, das am 13.06. aufgenommen wurde. Hierfür wurde ein Workshop mit Jugendlichen nachempfunden, die im Vorfeld dazu erreicht werden konnten oder einfach am Projekt interessiert waren.

Es wurde weiterhin versucht, das Projekt stärker im städtischen Geschehen durch den Kontakt zu Vertretern von Förderern einzu-betten. Hierfür wurden der Serviceclub Round Table Weimar und die Bürgerstiftung Weimar frühzeitig angeschrieben und mit der Bitte um Unterstützung verbunden. Ein Kontakt konnte zu Peter Nocken, dem Präsidenten des Round Tables, aufgebaut werden, dessen Interesse am Projekt sehr hoch war. Er trug das Projekt an seine Mitgliederschaft, die durchaus Interesse zeigte. Leider verlief sich der Kontakt im Verlauf der Planungswerkstatt.

Die öffentliche Planungswerkstattpräsentation wurde mit Flyern, Postern, in dem sozialen Netzwerk Facebook beworben. Zudem wurden Jugendliche sowie Freunde persönlich wie virtuell zur Veranstaltung eingeladen. Weiterhin wurden Einladungsschreiben gezielt an Akteuren der Kommunalpolitik, Kirche, Stiftungen und Verbänden gesandt.

Mit diesen verschiedenen Arten wurde in der Öffentlichkeit auf das Projekt verwiesen und mit der Verbreitung durch Multiplikatoren in städtischen Ämtern bekannt. Die Kommunikation mit einheitlicher

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Zu Beginn des eigentlichen partizipativen Planungsprozesses stand die Betrachtungsphase, die den Kindern und Jugendlichen Orien-tierung bieten sollte, um die komplexen Aufgaben zu bewältigen. Sie beinhaltete die Wahrnehmung des Umfelds mit unterschiedlichen Detailgraden. So sahen sich die Teilnehmer konfrontiert, ihr Quartier zubeobachten,ihrVerhaltenimstädtischenKontextzureflektierenund die Beschaffenheit des Waggons zu untersuchen. Dafür waren die drei folgenden Fragestellungen relevant: Wie beobachten die Jugendlichen ihr Quartier? Welche Räume im Quartier sind für sie anziehend oder gar abstoßend? In wie weit können die Jugendlichen aus der Bestandsbegutachtung Kreativität entwickeln?

5.2. Wahrnehmung des Umfelds

Schrift, Logo und Farbe unterstützte den Auftritt in der Öffent-lichkeit, da der Wiedererkennungswert erheblich gesteigert konnte. In der Kommunikation mit den Jugendlichen waren die persönliche Begegnung und das Sich-Zeitnehmen für die Jugendlichen wichtige Eckpfeiler. Ebenfalls wurde versucht, Jugendliche zu integrieren, die sonst die Angebote des Jugendklubs nicht nutzen.

Die größte Schwierigkeit bestand darin, die Jugendlichen immer wieder an die Termine zu erinnern und sie für den ganzen Prozess zu gewinnen. So vergaßen beispielsweise einige Jugendliche bereits einen Tag nach einem Gespräch den Workshop-Termin. Trotz der ansprechenden Corporate Identity und den gezeigten Referenzen konnten sich einige Jugendliche nicht vorstellen, was sie erwartet und welches Transformationspotenzial in einer Planungswerkstatt verborgen ist. So blieb das Projekt für einige schlichtweg uninter-essant und wurde nicht als Chance der Partizipation wahrgenommen.

08.06.2013 19.06.2013

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Die Betrachtungsphase sollte im ersten Workshop am Samstag, den 08.06. durchgeführt werden. Dafür wurde ein Zeitkontingent von reichlich zwei Stunden veranschlagt, in dem eine Stadtrallye am Plan und die Waggon-Besichtigung erfolgen sollte. Die notwendigen Arbeitsschritte wurden bereits vorgedacht und die notwendigen Materialien ausgearbeitet. Der Workshop startete mit einer Gruppe von sieben Jungen der BIG-Jungs im Alter von 10 bis 14 Jahren. Andere Jugendliche versäumten den Workshop angesichts des heißen Samstagvormittags. Außerdem musste der Workshop abgebrochen werden, da die Aufmerksamkeitsspanne der Jungen war jedoch zu gering, um den kompletten Workshop durchzu-führen. So wurde dieser am Mittwoch, den 19.06. mit sechs anderen Teilnehmern im Alter von 14 bis 17 Jahren fortgesetzt bzw. erneut durchgeführt werden.

Der erste Anhaltspunkt für die Jugendlichen war die Stadtrallye, in der das Quartier erkundet werden sollte. Anhand eines Plans konnten die Jugendlichen einen Überblick über Weimar-West bekommen und sich gedanklich in das Quartier hinein versetzen. Dieser Quartiersplan war eine bearbeitete Luftaufnahme und daher der Abstraktionsgrad eher gering. So gelang es den Jugendlichen, sich leichter zu orientieren und die jeweiligen Orte mit ihrer eigenen kognitiven Karte abgleichen. Es stellte sich heraus, dass sie durchaus in der Lage sind, sich anhand des Plans im städtischen Kontext zurechtzufinden.

Den Jugendlichen wurde es zur Aufgabe gestellt, bestimmte Orte im Quartier mit verschieden farbigen und nummerierten Klebepunkten zu markieren und den zugehörigen Karteikarten zu beschreiben. Anfangs konnten sie mit blauen Punkten ihren Wohnort kennzeichnen um sich zunächst besser orientieren zu können. Danach stand ihnen die Möglichkeit, Orte zu markieren, an denen sie sich gern aufhalten, die sie meiden und die sie öfter besuchenwürden,insofernsichspezifischeMerkmaleändern.Dazustanden ihnen grüne, rote und gelbe Klebepunkte zur Verfügung. Durch das Ausfüllen der Karteikarten sollten sie ihre Wahl genauer ausführen und schriftlich festhalten. Die Ergebnisse sollten zum

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einen die jeweiligen Lebensweisen und Präferenzen der Jugendlichen abbilden und zum anderen aber auch die Stärken, Potenziale und Schwächen des Quartiers aufzeigen. Im Anschluss dazu wurden die Ergebnisse gemeinsam ausgewertet und diskutiert.

Da diese Stadtrallye mit zwei Gruppen unterschiedlichen Alters durchgeführt wurde, differieren die Ergebnisse stark voneinander. So präferieren sie nicht nur unterschiedliche Räume im Quartier sondern auch unterschiedliche bedarfsgerechte Angebote. So sind für die jüngeren Teenies die Halfpipe und das gastronomische Angebot relevant, während die Älteren Angebote des Bürgerzen-trums und den Stadtteilpark nutzen. Eine markante Schnittstelle bietet jedoch der Klub „Kramixxo & Waggong“, die beide Gruppen als bevorzugten Ort angaben.

Beide Gruppen meiden den südwestlichen Teil des Quartiers, das den Bedarf an Senioren- und Krankenbetreuung deckt und empfanden auch die Innenhöfe der Wohnblöcke als einen ungeeig-neten Aufenthaltsort. Die beiden Schulen Carl-August-Musäus und Albert-Schweitzer sowie das südliche Gebiet entlang der Budapester Straße wurden ebenfalls mit negativer Retrospektive in Verbindung gebracht. Als verbesserungsbedürftig sahen beide Gruppen die Spielmöglichkeiten in dem Stadtteilpark und dem Gebiet Paradies, die Aufenthaltsqualität des Straßburger Platzes und den Eisenbahnwaggon an. Die jüngere Gruppe merkte zudem die Verschmutzung des Skateplatzes an, der deswegen nicht genutzt wird. Die Jugendlichen nutzen zudem vor allem Angebote außerhalb des Quartiers, wie den Theaterplatz, den Jugendklub Nordlicht, das städtische Frei- und Hallenbad oder den Park an der Ilm, da diese Angebote ihnen interessanter erscheinen.

Mit dieser einleitenden Übung konnte damit die Lebensweisen der Jugendlichen klassifiziert werden und den Jugendlichen dieMöglichkeitzurSelbstreflexiongebotenwerden.DieAussagenderälterenTeilnehmerwarenerfahrungsgemäßreflektierter,alsdiederjüngeren. Eine eher negative Auffälligkeit war die orthografischeQualität sowie das Schriftbild der Aussagen. Zusammenfassend lässt sich jedoch sagen, dass für Teilnehmer und Leiter die Informationen

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Abb.22 - Stadtrallye durch Weimar-WestAbb.23 - Ausfüllen der Karteikarten

Workshop am 08.06.13

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Abb.24 - Quelle: google maps, bearbeitet

Markierte Orte in der Stadtrallye

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rot - gemiedene Ortegrün - bevorzugte Ortegelb - verbesserungsbedürftige Orte

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Abb.25 - Ausfüllen der Eindrücke im ForscherblattAbb.26 - Überprüfung der Oberflächenbeschaffenheit

Erkundung des Waggons am 19.06.13

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zur Lebenswelt durchaus gewinnbringend waren und für den weiteren Verlauf eine nicht unwesentliche Größe zur Vorstellung möglicher Nutzungen für den Eisenbahnwaggon bildeten.

Der zweite Block dieser Phase sowie des ersten Workshops bildete die Erkundung des Waggons. Dieser sollte exploratorisch besichtigt werden und die Ergebnisse in unterschiedlichen „Forscherblättern“ dokumentiert werden. Den Jugendlichen sollte es ermöglicht werden, Aussagen über den Zustand, der Abmessungen, Materia-lität und der Beschaffenheit des Wagens treffen zu können. Hierfür wurden unterschiedliche Fragebögen angefertigt, um die Aufgabe zu spezifizierenbzw. dessen LösungdenTeilnehmern zu erleichtern.Die Begehung des Waggons erfolgte jedoch nicht mit der jüngeren Gruppe am 08.06., da diese nach der vorgezogenen sowie notwen-digen Mittagspause nicht mehr für den weiteren Workshop zu begeistern waren. So wurde der Waggon von den Teilnehmern der älteren Gruppe am 19.06. gemeinsam besichtigt.

Die Jugendlichen konnten ihre Wahrnehmung und Eindrücke auf dem dazu vorbereiteten Fragebogen festhalten und ebenfalls ein Bild skizzieren. Einer der Teilnehmer nahm sogar Fotos auf und stellte sie auf die Projektseite in Facebook. Das Erlebte wurde jedoch hauptsächlich mündlich kommuniziert und die schriftliche Auseinandersetzung mit dem Arbeitsblatt erfolgte nur sporadisch. Die Bestandbesichtigung wurde jedoch noch gemeinsam ausge-wertet und diskutiert. Die Jugendlichen erhielten somit ein gutes Bild von der Bestandssituation und waren bereits in der Lage, mögliche Nutzungen auszuschließen oder in einer engeren Auswahl zu nehmen. Es stellte sich sogar heraus, dass sie während der Besichtigung bereits den Raum gedanklich aneigneten und mögliche Schritte praktisch vorgedacht haben.

Die Übung „Sinnexperten“ wurde mit den älteren Teilnehmern nicht durchgeführt und nur von den Jugendlichen gelöst, die am Film-Dreh teilnahmen. Mit dieser Übung sollten die Teilnehmer weitere Details des Waggons erkunden. So war die Materialität des Waggons zu bestimmen und von den verschiedenen Materialen einen Abrieb zu erstellen. Weiterhin sollten die wesentlichen Maße des Waggons

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und Abstände zum benachbarten Basketballplatz und Jugendklub bestimmt werden. Weiterhin sollten Einrichtungsgegenstände im Jugendklub bemessen werden, um in diesem Zusammenhang ein Gefühl für die relationale Größe der Räume im und am Waggon zubekommen.AußerdemkonntendievorhandenPflanzenumdenWaggon herum bestimmt werden, um später eventuell auf dieses Wissen zurückgreifen zu können. Weiterhin konnte ein Team die Wirkung von Licht und Schatten sowie den Sonnenstand unter-suchen. Diese Möglichkeiten konnten jedoch nicht ausgeschöpft werden und wurden nicht weiter im Planungsprozess verfolgt.

Nachdem der Waggon besichtigt wurde, schloss sich die Utopie-Phase an. In dieser Phase sollten die möglichen Nutzungen gesammelt und ausgewertet werden. Daher wurde dieser Abschnitt in die zwei Blöcke - Ideenfindungund Ideenvalidierung - eingeteilt. Sowurdezunächst ein Pool an Ideen als Ressource angelegt, um darauf später zurückgreifen zu können. Dazu wurden bereits im ersten Workshop nach der Betrachtungsphase am 19.06. mit der älteren Gruppe die Ideen zusammengetragen und erst im planmäßig zweiten Workshop am 29.06. erneut ausgewertet und dafür votiert.

Die Ideenbörse sollte das geeignete Mittel sein, den kreativen Prozess zu beginnen und zunächst mit fiktiven Impulsen zuoperieren. Auf der Grundlage der eigenen Wahrnehmung während der Besichtigung, sollte es den Jugendlichen gestattet sein, sich den Raum gedanklich anzueignen und Möglichkeiten zu simulieren. Es wurde daraufWert gesetzt, dass die Ideenfindung erst nach derBetrachtung von Stadtquartier und Waggon stattfindet und denJugendlichen der Austausch wie das Angleichen von Erfahrungen eingeräumt wird. So fand die Ideenbörse im direkten Anschluss an

5.3. Ideenfindung

29.06.2013

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die Auswertung der Baubesichtigung statt. Damit wurde jedoch in Kauf genommen, dass die Ergebnisse eventuell an utopischer Kraft verlieren.

Damit der direkte Wirklichkeitsbezug zu Gunsten des utopischen PotenzialsetwasaufgebrochenwirdundebenfallsderIdeenfindungs-prozess mit neuen Anregungen belebt wird, wurde den Jugendlichen ein Fragebogen an die Hand gegeben. In dem Blatt wurden die Jugendlichen nach Präferenzen in TV, Hobbies, Berufe, Essen und Lifestyle faktenartig abgefragt. Somit sollten die Jugendlichen aus ihrer Lebenswelt abgeholt, die Selbstreflexion angeregt und dieUnterschiedlichkeit der Vorstellungen zusammengetragen werden. Weiterhin erhielten die Jugendlichen zunächst ein persönliches Arbeitsblatt zum Sammeln von individuellen Vorstellungen und Wünschen zur Waggonnutzung. So konnten sie erst sich persönlich auf den gemeinsamen Austausch vorbereiten. Das Ausfüllen der Fragebögen und der Ideenanregungen wurden jedoch nicht so stark angenommen, da dieserGruppe das Schreiben ehermissfiel undihnen das zu stark „nach Schule aussah“.

Wesentlich gewinnbringender war die moderierte, gemeinsame Kommunikation der Ideen. Hier wurden die Vorschläge mündlich eingereicht und durch den Moderator auf blaue Kärtchen an die Wand geheftet. Der Austausch war effektiver und es entwickelten sich Gedankenspielereien. Jedoch war die Steuerung der Ideen-findung durchaus notwendig, damit diesem Prozess neue Impulsegesetzt werden konnten. Den Teilnehmern fiel es schwer, dieNutzungsmöglichkeiten großformatiger vorzustellen, da sie bereits einen starken Wirklichkeitsbezug ausgebildet hatten. Dies hatte natürlich für den weiteren Verlauf auch die positive Seite, dass die Jugendlichen bei allzu abwegigen Vorstellungen nicht vertröstet werden mussten.

Die Ideenvalidierung wurde im nächsten Workshop angesetzt und somit blieben bis zum nächsten Workshop acht Werktage, um die entstandenen Ideen zu kategorisieren und medial aufzube-reiten. Weiterhin bot die Pause den Jugendlichen Zeit, die Ideen gedanklich weiter zu bewegen und eventuell auch die Nutzung neu

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zu überdenken. Leider fand sich jedoch nur ein Jugendlicher aus dem vorhergehenden Workshop ein. Die Teilnehmerzahl des Workshops betrug sieben Jugendliche mit fünf Jungen und zwei Mädchen, jedoch verließen zwei Jungen den Workshop vorzeitig. Natürlich war das Fehlen der bisher partizipierten Jugendlichen ein Verlust im Sinne des Integrationsgedanken dieses Projekts, aber für den weiteren Verlauf hin zur Ideenausarbeitung und Konzeptentwicklung nicht wesentlich, da die Gruppe sowie in Untergruppen geteilt werden sollte.

Um an die Ideenbörse gut anknüpfen zu können, wurden die Ideen zunächst vorgestellt. Zur Illustration und zum einfacheren Umgang mit den gemeinten Vorschlägen wurden den Ideen Bilder zugeordnet. Diese Art Diashow wurde an den Anfang dieses Workshops gesetzt. Dies diente als zudem als Gedankenstütze für weiterführende Ideen.

Die Ideen wurden danach einem Votum unterzogen. Die Jugendlichen konnten mit einer gleichen Anzahl von Klebepunkten ihre Favoriten küren. Im gleichen Augenblick sollten die Jugendlichen ihre Wahl gegebenenfallsbegründen.EinendirektenEinflussaufdasKonzepthatte dieser Akt jedoch nicht. Es sollte lediglich ein Meinungsbild der Jugendlichen aufzeigen und deren Interessen ausloten. Ebenfalls waren die Ideen noch nicht an bestimmte gestalterische Vorgaben gebunden, sodass die reflektierten Vorschläge ein Pool an Ideenbildeten, an denen sie sich in der Konzeptphase bedienen konnten. Natürlich fanden sich durch diesen Vorgang die beiden Gruppen, was sich jedoch schon vorher abzeichnete.

Weiterhin sollte noch angemerkt werden, dass die bildhafte Vorge-hensweise in der Kommunikation einen nicht unwesentlichen Beitrag auch im weiteren Verlauf hatte. Es wurde damit versucht einfachere, lesbare Codes zu verwenden, um damit den Informationsgehalt zielgerichteter zu kommunizieren. Für die Bildauswahl setzte eine intensive Recherche mit typischen bzw. dem Bedarf zugeschnit-tenen Fotomaterials voraus. Hierfür wurde darauf geachtet, dass diese Bilder unter einer CC-Lizenz fallen und zur Verarbeitung frei verwendet werden konnten.

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Abb.27 - gemeinsames Brainstorming Abb.28 - Auswählen der Favoriten

Ideenbörse Ideenvoting

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Abb.29 - Arbeit mit Architektur-Literatur Abb.30 - Diskussion von ersten Überlegungen

Ideenanregung Konzeptbesprechung

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Die Konzeptphase wurde auf zwei Workshops verteilt und schloss sich nahtlos an die Ideenphase an. Dabei sollte die Konzeptent-wicklung in dem ersten Workshop bereits abgeschlossen sein, um dann im zweiten mit der Ausarbeitung in Form eines Modells den Entwurf zu beenden. Das Ergebnis sollte am Ende ein aussagekräftiges Konzept sein, in dem die Gestaltung, Funktion und die notwendigen Vorkehrungen beschrieben sind. So sollten die Konzepte schriftlich, bildlich und dreidimensional beschrieben werden.

Der Workshop war so angelegt, dass die Ideen zunächst aufzu-nehmen und zu diskutieren waren. Die Jugendlichen sollten dabei lernen, eine Konzeptstruktur anzulegen und anhand dieses Konzeptes einen in sich schlüssigen, kleinen Entwurf zu erstellen. Dazu sollte ein Fragebogen zum Konzept Hilfestellung aber auch Voraussetzung zugleich sein. Ebenfalls sollten die Jugendlichen von ihrem Entwurf eine Collage mit denen zur Verfügung gestellten Materialien gestalten und es zunächst in vertrauter Runde vorstellen. Des Weiteren wurde das Anfertigen eines maßstäblichen Modells gefordert, damit sich die Jugendlichen räumlich orientieren konnten und gleichzeitig ihren Entwurf während des Modellbaus auf die Machbarkeit überprüfen konnten.

Der Fragebogen war so aufgebaut, dass zunächst ein Titel für das Konzept gefunden werden sollte. Dieser sollte sehr kurz formuliert werden, um ihren Entwurf zum Waggon wie eine Marke verkaufen zu können. Der zweite Aspekt sollte als Grundlage für eine gestalte-rische Auseinandersetzung auf die spezielle Nutzung des Wagen und des Geländes um ihn herum abzielen. Die funktionalen und gestal-terischen Veränderungen am und im Waggon sowie im Außenraum sollten im dritten Punkt möglichst detailliert umrissen sein. Im vierten Punkt sollten das notwendige Interieur und Accessoires beschrieben

5.4. Konzeptentwicklung

03.07.2013

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werden. Die letzte Frage zielte darauf ab, sich vorzustellen, was zum Betrieb ihres Konzeptes benötigt ist. Sie sollten nicht nur die Zusammenhänge über infrastrukturelle Versorgung sondern auch die Bewirtschaftung des Waggons nachdenken.

Die Collage sollte auf einem blauen DIN-A1 Plakat im Hochformat erstellt werden. Es war vorgesehen, dass die Teilnehmer ihr Projekt mit den notwendigen illustrativen Elementen zu beschreiben. So wurde gewünscht, dass die Collage einen Grundrissplan, eine Perspektivansicht und einfache, erklärende Bilder sowie Stich-punkte beinhaltet. Außerdem sollte der Titel bzw. Markenname angegeben werden. Um den Jugendlichen die Gestaltung wesentlich zu erleichtern, wurde im Vorfeld enormer Aufwand betrieben. So wurde ein maßstäblicher Grundriss vom Waggon sowie ein Schnei-debogen mit typischen Einrichtungsgegenständen bereitgestellt. Außerdem erhielten die Jugendlichen ausgewählte Außen- sowie Innenansichten von dem Waggon sowie Außenraum als Vorlage. Diese wurden schwarz-weiß in einer hohen Helligkeit ausgedruckt, damit es einfacher war, mit den Bildern perspektivisch zu entwerfen, sie zu illustrieren und Änderungen vorzunehmen. Analog zur Ideen-präsentation wurden ebenfalls adäquate Bilder aus dem Ideenpool ausgesucht, die aus dem angefertigten Schneidebogen ausgewählt werden konnten und in der Collage kombiniert werden konnten.

Die Ergebnisse sollten abschließend vorgetragen werden. So sollten die Teilnehmer lernen, ihre Ideen im Rückgriff auf die Collage auch verbal kommunizieren zu können. Sie sollten mit eigenen Worten widergeben, was sie im Speziellen bearbeitet haben und wie ihre Herangehensweise zur Aufgabe war. Diese Präsentation sollte ebenfalls moderiert werden, um den Jugendlichen eine Stütze zu bieten. Somit sollte die Planungswerkstatt auch die Talente der Jugendlichen fordern aber auch fördern.

Im darauffolgendem Workshop am Mittwoch, dem 03.07. sollte dann ein maßstäbliches Modell gebaut werden. Es wurde ein Maßstab von 1:20 gewählt, um mit der dadurch entstandenen Größe eine detailgetreue Modellierung zu gewährleisten. Hierfür

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erhielten die Jugendlichen eine Planvorlage mit den nötigen Rissen undSchnitten.DieMaterialwahlfielaufWellpappe,dadiesalseineinfach zu bearbeitender, stabiler Werkstoff erachtet wurde und ist mit weiteren, für die Konzepte mehr oder minder passgenauen Materialien erweitert worden. Die farbliche Gestaltung sollte mit dem Auftrag von handelsüblicher Deckmalfarbe erfolgen.

Die Konzepte sind schließlich in zwei kleinen Entwurfsgruppen ausgearbeitet worden, die sich während bereits in der Ideenphase herauskristallisiert haben. Eine Gruppe wurde von zwei Mädchen und eine mit den drei Jungen gebildet, zu denen sich im Verlauf noch ein weiteres Mitglied hinzugesellte. Hier wurden die Ideen aus dem Pool entnommen und durch weitere und vor allem gestalterische Anregungen bereichert. Die Ergebnisse sollten jedoch auf ein einheitliches Format gebracht werden, das eine gute Vergleich-barkeit gewährleisten sollte. Es sollte ebenfalls untersucht werden, in welcher Art und Weise die Jugendlichen den Waggon gestalten und sich aneignen. Beide Gruppen entwickelten dabei jeweils ihre eigene Herangehensweise, sich der Aufgabe zu nähern und sie zu lösen.

Die beiden Mädchen befassten sich zunächst mit den Ideen und trafen bereits Überlegungen zur Ausführungsplanung. Sie spielten Szenarien durch,was imWaggon und imAußenraum stattfindensollte, ohne bereits in eine gestalterische Konzeption überzugehen. So entstand dieser Entwurf aus dem notwendigen Bedarf heraus, wie der Waggon benutzt werden solle und was dazu gebraucht wird. Zur Entwicklung ihres Konzeptes besichtigten sie auch den Waggon nochmals und versuchten sich ihr Konzept vorzustellen. Mit der Anleitung und der mitgebrachte Architektur-Literatur erhielten sie neue Anregungen für ihren Entwurf. Weiterhin wurde gemeinsam besprochen, welche Punkte ihr Konzept stärken und welche Aspekte getrost verworfen werden können. Die Mädchen arbeiteten in ihrer Konzeptfindung sehr genau und wesentlichumfassender als die Jungen. Sie dachten den Waggon vor allem auch von seinem äußerlichen Erscheinungsbild sowie von der Nutzung des Außenraumes.

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Die Gruppe der drei Jungen erarbeitete sich zunächst vor allem gestalterische Grundlagen. Diesen Input erhielten sie durch das Sichten von Architektur-Literatur. Die Jungen waren in ihrer Konzeptentwicklung sehr planorientiert und versuchten, zunächst stark räumliche Zusammenhänge zu ergründen. Dabei verwarfen sie so manchen Gedanken, um ihr Konzept zu stärken oder gar dem eine neue Richtung zu geben. Die Jungen überzeugten mit ihrer Ideenvielfalt, die jedoch oft nicht bis zum Ende gedacht wurden und nicht so tiefgründig wie denen der Mädchen behandelt wurden. Sie arbeiteten vornehmlich innenräumlich und blendeten den Außenraum hauptsächlich aus. Sie verstanden es jedoch dem Waggon eine Polyvalenz in der Nutzung zu geben, was ein wesent-liches Qualitätsmerkmal auch in ihrem Konzept ausmachte. Ebenso hatten sie keine Scheu davor, auch die Innenwände des Waggons in ihrem Entwurf abzubrechen, um zusätzlichen Raum zu gewinnen.

Die Arbeit mit den Modellen nutzten die Jugendlichen zur Erprobung und zur Verfeinerung ihrer Konzeptgedanken. Dadurch konnten sie ebenfalls gestalterisch sich dem Waggon umfassender nähern, als dass dies im vorhergehenden Workshop der Fall gewesen war. In diesem Schritt erfuhren die Entwürfe beider Gruppen auch die Farbgestaltung. Die beiden Gruppen wurden dabei stets angeleitet und auch in der Farbgestaltung beraten. Der Modellbauworkshop erstreckte sich über mehrere Stunden, sodass es durchaus notwendig war, einen neuen Termin dafür vorzusehen.

Zu diesem Workshop fand sich auch noch eine Gruppe von vier Jungen ein, die ebenfalls mit an dem ganzen Prozess partizipieren konnten. Die Arbeit mit den vier Jungen gestaltete sich zwar eher schwierig, da deren Aufmerksamkeitsspanne gering war. Es war jedoch möglich, sie zu integrieren und ein gemeinsames Konzept in Ansätzen zu erstellen. Da die Gruppenarbeit mit den Jungen weniger ertragreich war, wurde zunächst individuell auf die Jungen eingegangen und so sollten sie sich aus dem Ideenpool bedienen und eigene Vorstellungen entwickeln. Diese Jugendlichen setzen sich

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Abb.31 - angeleitete Collagegestaltung Abb.32 - moderiertes Präsentieren

Gemeinsames Gestalten Projektpräsentation

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Abb.33 - Collage von Jule und Sarah

Urlaubs-Waggong

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Abb.34 - Collage von Alex, Benni, Felix und Florian

movie.bowl

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Abb.35 - Collage von Tommy, Yunus, Lucas und Kevin

Waggong Club

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Abb.36 - oben: Urlaubs WaggongAbb.37 - unten: movie.bowl

Modelle

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Abb.38 - Workshop am 03.07.13

Modellbau

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stark mit dem Thema auseinander, den Waggon vor Vandalismus und Einbruch zu schützen. Gemeinsam wurde dann versucht, die Ideen zusammenzutragen und eine Collage zu gestalten. Während dieses Vorgangs verließen jedoch zwei Jugendliche die Veranstaltung, sodass den anderen beiden Jungen das Feld überlassen wurde. Da der Grad der Anleitung und Ideenanregung sehr hoch war, ist fragwürdig, ob dieses Konzept nicht zu stark eine Architektenvorstellung ist oder noch aus dem Ressourcenschatz der Jugendlichen herrührt. So ist dieses Konzept zwar Bestandteil der Planungswerkstatt, blieb aber auch unvollständig.

In der Gruppenarbeit stellte sich heraus, dass die Vorbereitung der Vorlagen, Schneidebögen und Ideenanregung einen wesentlichen Beitrag zur Qualität der Arbeiten führte. Damit wurde auch auf die gewisse, in dem ersten Workshop festgestellte „Schreibfaulheit“ interveniert. Die Bilder stellten einen wichtigen Baustein in der Kommunikation der Ideen dar und ermöglichten den Jugendlichen sich nicht nur ausdrücken zu können, sondern auch eventuelle gestalterischeundorthografischeDefiziteauszugleichen.

Diese beiden Gruppen hatten einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen des Workshops geleistet und konnten immer wieder für das Gehen weiterer Schritte motiviert werden. Die Arbeit mit diesen Teilnehmern wurde als sehr harmonisch und angenehm empfunden. Auch wenn die Anzahl der partizipierten Jugendlichen in dieser Phase verhältnismäßig eher als gering erachtet werden kann, war das Arbeitsklima durch die geringe Gruppengröße sehr gut. Mit der dadurch größeren individuellen Betreuung erhielten die Ergebnisse eine besondere Qualität.

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In der Planungswerkstatt entstanden somit drei verschiedene Konzepte, von denen zwei sehr detailliert ausgearbeitet waren und alle Entwurfsschritte durchliefen. Diese beiden Projekte wären der „Urlaubswaggong“ und „Movie.Bowl“. Das andere Projekt „Waggong Club“ blieb wie schon erwähnt nur unvollständig und konnte nur unter erheblicher Einwirkung von außen in den Stand einer Collage gebracht werden. Alle drei Konzepte weisen unter-schiedliche Ansätze in der Nutzung und Gestaltung auf, wiesen aber gleiche Merkmale auf wie etwa die Möglichkeit zu „chillen“ und Freunde zu treffen.

Damit die Projekte besser öffentlich kommuniziert werden können, wurdensiedafürqualifiziert.SowurdenanhanddervorhandenenCollage, des Fragebogens sowie des Modells die beiden Entwürfe für die öffentliche Präsentation medial aufbereitet. So wurden aussagekräftige Perspektiven durch Fotomontagen visualisiert und die notwendigen Pläne mit CAD gezeichnet sowie nachträglich koloriert. Ebenfalls wurde stichpunktartig das Projekt beschrieben und die dafür notwendigen Eingriffe sowie die benötigten Acces-soires skizziert. Die Perspektiven wurden so konstruiert, dass sie geeignet sind, die virtuelle Wirklichkeit in etwa abzubilden und die beabsichtigte Atmosphäre zu übertragen. Dieses Bild wurde im Vergleich zu dem Bestand gesetzt, damit einen Vorher-Nachher-Effekt erzeugt wird und die Veränderung eindrücklicher wirkt. Die Pläne wurden so gestaltet, dass sie mit ihrer Kolorierung leicht verständlich erscheinen und muten mit ihrer Kolorierung einer Comic-Ästhetik an. Die erklärenden Stichpunkte wurden zudem mit gebräuchlichen Icons hinterlegt und näher beschrieben.

5.5. Vorstellung der Konzepte

12.07.2013

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Die öffentliche Präsentation am 12.07.13 im Jugendklub Waggong war durchaus gut besucht. Das Publikum von insgesamt 23 Personen bestand aus sechs Jugendlichen, die an der Planungswerkstatt mitwirkten, den Mitarbeitern des Jugendklubs, der Kinderbeauf-tragten der Stadt Weimar, der Quartiersmanagerin, Interessierten, sowie Unterstützern und Freunden. Leider konnten keine weiteren öffentlichen oder privatwirtschaftlichen Akteure für die Präsentation gewonnen werden.

Nach einer kurzen Einführung von Daniel Erdmann, dem Leiter des Jugendklubs, wurde zunächst den Zuschauern ein Einblick in die Arbeit der Planungswerkstatt gegeben. Dabei wurden anfangs die Historie und der Zustand des Waggons sowie die Notwendigkeit, die Methodik und der Verlauf des Projektes erläutert. Nach diesem Part wurden die Ergebnisse der Planungswerkstatt präsentiert. Dabei wurde zunächst das Meinungsabbild aus dem Ideenpool, der Wertigkeit nach geordnet, gezeigt und danach die entstandenen Collagen der bearbeiteten Konzepte präsentiert. Im Anschluss dazu wurden die beiden Projekte Urlaubswaggong und Movie.Bowl genauer vorgestellt. Dazu wurden die jeweiligen Urheber auf die Bühne gebeten, um ihr Projekt in Form eines Interviews vorzustellen.

Nach einer notwendigen Pause wurde eine kurze Diskussion angeregt, in der kurz Meinungen aus dem Publikum eingeholt wurden. Im Speziellen wurden vor allem die beiden öffentlichen Akteure zur Machbarkeit und dem generellen Interesse zur Weiter-verfolgung dieses Projekts befragt. Auch wurde das Thema der Finanzierbarkeit angerissen, konnte aber nicht auch einen Nenner gebracht werden. Auf einen klassischen Wettbewerb mit dem Votieren für ein bestimmtes Projekt wurde verzichtet, da dafür die Zahl der Projekte zu gering erschien und dies nicht direkt der Situation angemessen war. So war die öffentliche Präsentation zwar erfolgreich als Veranstaltung an sich, aber stellte nur einen weiteren Schritt dar, in die öffentliche Wahrnehmung zu geraten und die Willensbekundung vorzutragen.

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Das Projekt wurde auch weiterhin mit öffentlichen kommuniziert. So fand am 18.09.13 ein Treffen mit der Quartiersmanagerin Manuela Bielesch und dem Klubleiter Daniel Erdmann statt, zu dem mögliche Handlungsstrategien besprochen und ausgewertet wurden. Es wurde sich verständigt, die Stadt Weimar stärker in den Prozess einzubinden und nach Fördermöglichkeiten Ausschau zu halten. Im Oktober konnten dazu zwei Termine mit Vertretern der Stadt vereinbart werden. Am 16.10. wurde der Mitarbeiter der Jugendförderung der Stadt Weimar Andreas Brommont bestellt, der sich sehr angetan von den Ergebnissen zeigte und diese in die AG Spielleitplanung mit vor Diskussion stellte. Daraufhin kam am 24.10. eine Delegation dieser Gruppe zum Klub Waggong, um sich das Projekt anzuhören und eine Baubesichtigung vorzunehmen. Da derZustanddesWaggonsunterdenwitterungsbedingtenEinflüssengelitten hat, konnten die Vertreter nur unter Vorbehalt eine weitere Zusammenarbeit garantieren. Es wurde jedoch auch ein Versäumnis von Wartungsmaßnahmen eingeräumt. In jedem Falle sollte eine Entscheidung über die weiteren Handlungsmöglichkeiten seitens der Stadt getroffen und der Waggon zunächst gesichert werden.

Somit kann diesem Bottom-Up-Projekt lediglich ein Teilerfolg zugeschrieben werden. Die Stadt Weimar wurde mit dieser Planungswerkstatt auf den Zustand des Waggons und auch der beiden Klubgebäude als Träger der notwendigen Entscheidungsle-gitimation aufmerksam. Zudem wurde der Handlungsbedarf zum Ausbau kind- wie jugendgerechter Räume und die Förderung von Partizipationsmöglichkeiten erkannt. Der Verlauf des Partizipa-tionsverfahrens zeigte ebenfalls, dass sich die Jugendlichen zwar interessiert an den Zielen der Planungswerkstatt zeigten, aber im Falle der direkten Teilnahme am Projekt resignierten.

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Abb.39 - Klub Kramixxo & Waggong Abb.40 - Eisenbahnwaggon am Klub

Ideenbörse Ideenvoting

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Was ist der Urlaubswaggong?

# 1

# 2

# 3

# 4

# 5

Strandbar

SkatePark

kuscheliges Wohnzimmer im Winter

Ort zum Freunde treffen und neue Freunde finden

Waggon zum Chillen und Feiern

Urlaubs WaggongProjekt von Jule und Sarah

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Was muss verändert werden?

# 1

# 2

# 3

# 4

# 5

# 6

Sandfläche zwischen Waggon und Klub

Sonnensegel

Gestaltung der Außenwände

Regenwassernutzung auf dem Waggon

Skateranlage

Sanierung innen und Innenraumgestaltung

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Movie.BowlProjekt von Alex, Benni, Felix und Florian

Was ist der Urlaubswaggong?

# 1

# 2

# 3

# 4

wandelbarer Kino-Saal

Treff zum Bowling-Spielen

Raum für ChillOut

Waggon ist Energieproduzent

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Was muss verändert werden?

# 1

# 2

# 3

# 4

# 5

# 6

Abriss der Trennwände

Verkleidung von Wand und Decke

Raum-Box für Eingang und Technik

wandelbare Leinwand und Bowling-Bahn

Gestaltung der Außenwände

Solarzellen auf dem Dach

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AUSBLICK AUF EINE

KINDER- UND JUGENDGERECHTE STADT

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Jugend mischt mit Teilhabe in der Stadtentwicklung

6.1. Kommunikation und Diskurs

Aus den Erkenntnissen der theoretischen Grundlagen und dem Praxisbeispiel lassen sich einige Aspekte erwähnen, die sich in den Kontext von Architektur, Stadtplanung und Sozialer Arbeit einreihen. Natürlich ist die planungswerkstatt

kramixxo.waggong ein einzelfallbezogenes Beispiel. Nichtsdes-totrotz können einige Aussagen attestiert oder im geringen Maße bestätigt werden. Zudem ist sich vor Augen zu führen, dass dieses Projekt nicht im Rahmen einer Projektwoche an einem Gymnasium stattfand, sondern im Rahmen der offenen Jugendarbeit mit Teilnehmern aus einem schwachen sozialen Milieu mit geringem Bildungshintergrund durchgeführt wurde. So mussten die Teilnehmer erst aktiv beworben und motiviert werden, um an einer Planungswerkstatt zu partizipieren, die teilweise an eine Schulveranstaltung erinnern lässt. In diesem Zusammenhang ist auch erklärbar, dass das Projekt unter den Jugendlichen eine hohe Resignation erfahren hat.

So war zu beobachten, dass einige Jugendliche nicht das Trans-formationspotenzial erkannten, das diesem Projekt entspringt. Auch wenn sie genaue Vorstellungen davon haben, wie sie gern Räume ihrer näheren Umgebung gestalten würden, nahmen sie eine apathische Haltung ein. Im Gespräch mit Jugendlichen, Sozialarbeitern sowie Interessenten ist zudem aufgefallen, dass Partizipation vor dem Hintergrund von architektonischer Gestaltung und Stadtteilentwicklung gänzlich unbekannt ist. Dies deutet darauf hin, dass Architektur und Stadtplanung nicht nur ein blinder Fleck in der Bildungslandschaft in Deutschland darstellt, sondern auch nicht als Gegenstand von Partizipation wahrgenommen wird. Auch wenn es bereits Instrumente und Programme wie Jugendparlamente, Spielleitplanung und Agenda 21 gibt, fehlen Jugendlichen Möglichkeiten an lokalen gestaltbildenden Prozessen beteiligt zu sein. Ihnen sind diese VerfahreninihrerZielstellungundMethodiknichtgeläufig.

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Einen gewissen Anteil daran haben sicherlich auch die Kommunen, die es bisher versäumt haben, Jugendlichen Möglichkeiten und Strukturen der direkten und indirekten Partizipation einzuräumen und die Planung stärker auf deren Bedürfnisse zuzuschneiden. Einer kinder- und jugendfreund-lichen Planung muss mit mehreren Ansätzen begegnet werden. Der erste Handlungsansatz besteht darin, interdisziplinäre Arbeitsgruppen in den Kommunen zu schaffen, die die Inter-essen der Jugendlichen in der Stadtentwicklung durch einen fortwährenden Austausch einfordern und berücksichtigen. Dafür sind bereits einige Modelle, wie bspw. die Spielleitplanung entwickelt worden.

Nun ist die Planung durch den Einbezug partizipativer Struk-turen nicht sonderlich einfacher. Verfahren, wie etwa die Planungswerkstatt es war, belasten Ressourcen von Kommunen und Trägern, die zusätzlich aufgebracht werden müssen. Weiterhin werden die Planungsprobleme, wie sie Rittel definiertundbereitsbesprochenwurden,inihrerAnzahldurchderartige Prozesse nicht geringer oder hätten einen etwaigen ökonomischen Nutzen. Jedoch ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass Kindern und Jugendlichen den vorhandenen physischen Raum ebenfalls nutzen und sogar zur Reifung wie Entfaltung brauchen. Daher sollte es möglich sein, die lokalen Bedürfnisse der Kinder- wie Jugendlichen zu erkennen und als Ressource wahrzunehmen. Partizipationsverfahren könnten dabei ein Lernprozess für beide Seiten sein und würden helfen, die Vorschläge wie Kreativität der Kinder und vor allem die Jugendlichen einzubinden und flexible Lösungsansätze in derStadtplanung zu erarbeiten.

Städte und Kommunen müssen daher grundsätzlich für Vorschläge der Bürger offen sein und Strategien zur Integ-ration entwickeln. So sollten Strukturen zur Ermöglichung von Top-Down- und Bottom-Up-Projekte geschaffen werden, die auch gegebenenfalls ineinander greifen können, sodass partizi-

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pative Vorhaben auch politisch legitimiert sind. Die Motivation für die Partizipation am öffentlichen Raum sollte daher die Sicherung nachhaltiger, positiver Entwicklungsbedingungen der jüngeren Generation sein.107

Nicht nur die Jugendämter sollten darauf bedacht sein, Jugend-liche „auf die Straße zu holen“. Damit will gemeint sein, dass sie nicht länger nur in dem eigenen Zimmer verharren, sondern an der Gestaltung des öffentlichen Raumes beteiligt und für diesen Kommunikationsprozess befähigt werden. Kinder und Jugendliche benötigen diese Unterstützung und ein Verfahren didaktisch unter ästhetischen sowie konzeptionellen Prämissen angeleitet werden muss.

Damit auch ein gerechter Interessenkonsens entstehen kann, benötigen die Heranwachsenden, die den Lebensverhältnissen prekärer oder materialistisch-hedonistischer Sozialmilieus angehören, eine besondere Hilfestellung. Die Notwendigkeit integrativer Partizipationsprozesse zeigte sich gerade auch im Verlauf der Planungswerkstatt und betrifft vor allem margina-lisierte Quartiere und Bevölkerungsschichten. Daher ist eine kinder- wie jugendgerechte Planung anzustreben, die mit dem Begriff der sozialen Gerechtigkeit zu erweitern ist. Dies bleibt nunmehr ein fortwährender Prozess, da die sozialen Unter-schiede stets von der Gesellschaft reproduziert werden.108

Die Handlungsräume können neben den öffentlichen, städte-baulichen Projekten auf die Bereiche des Wohnens, der Schule, des Sports und Hobbies erweitert werden. Diese Programme benötigen lokale Träger und Initiativen, die konkrete Projekte anbieten. Der zweite Handlungsansatz stützt sich demnach auf das Engagement der Kirchen, Stiftungen, Vereine und Verbände. Es könnten dadurch „Win-win-Situationen“ für die Kommunen wie den jeweiligen Trägern entstehen. Damit könnten sich Netzwerke bilden bzw. erweitert werden und die städtischen Ämter wären zudem durch das Empowerment von engagierten Bürgern und Trägern entlastet. Die jeweiligen

107 Apel & Brüggemann, Spielleitpla-nung, S. 128.

108 Bourdieu, Sozialer Raum, Symbo-lischer Raum (1989), S. 312.

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Kirchen, Vereine und Verbände fungieren mit ihrer häufigintakten, örtlichen Jugendarbeit ohnehin als Motor der gesell-schaftlichen Integration. Die Integration von Jugendlichen stellt ebenso die wichtigste Voraussetzung für das Gelingen von Partizipationsverfahren dar, auch wenn diese selbst Integ-ration reproduzieren, wie Häußermann, Läpple und Siebel ausführen.109 Dem Engagement lokaler Akteuren sollte daher mit ihren integrativen Eigenschaften dem Gelingen von Parti-zipationsmöglichkeiten einen hohen Stellenwert beigemessen werden. Mit der planungswerkstatt kramixxo.waggong wurde bestätigt, dass Kinder und Jugendliche für derartige Projekte zunächst motiviert bzw. integriert werden müssen.

Neben dem Bestärken der Jugendlichen als Akteure im öffent-lichen Raum sollte die Normative des Handelns das Ausgleichen der sozialen Unterschiede Heranwachsender und die Inklusion sein. Mit dem Austausch von Jugendlichen unterschiedlicher Milieus im Partizipationsverfahren sollten polyvalent benutzbare Räume als Basis fortwährender Integrationsprozesse entstehen. Partizipative und integrative Instrumente können also Initialzün-dungen für weitere Freizeitangebote bilden, die dann eventuell auch besser angenommen werden. Der vorhandene Raum ist also mit den Ressourcen und der Kreativität Jugendlicher funktional wie ästhetisch zu qualifizieren und für Jugendliche

109 Häußermann / Läpple / Siebel, Stadtpolitik, S. 276.

6.2. Integration und Förderung

Jugendgruppen und -kreise könnten von derartigen Partizipati-onsprojektenenormprofitieren.InsoferndasProjektauchvonden Mitgliedern getragen wird, könnte die Gruppendynamik dadurch belebt werden und diese Jugendgruppe wäre durch das Projekt auch interessant für Gruppenfremde und könnte in der Öffentlichkeit als Magnet wahrgenommen werden.

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attraktiver zu gestalten. Im besonderen Maße trifft das auf reine Wohngegenden zu, da sie für Kinder und/oder Jugendlichen keine Angebote der Betätigung bieten.

Neben der gesellschaftlichen Relevanz im Sinne der Integration wären im Kontext der Partizipation von Kindern und Jugend-lichen auch einige Aspekte der individuellen adoleszenten Entwicklung zu nennen. Damit soll nochmals unterstrichen werden, dass es sich bei diesen Aneignungsprozessen nicht um eine Art Jugendprotest handelt, sondern dass damit die Kinder und Jugendlichen im Reifeprozess unterstützt werden können, um in die Gesellschaft hineinwachsen zu können. Dazu brauchen sie Vorbilder, an denen sie sich orientieren können, ohne von ihnen direkt oder indirekt vereinnahmt zu werden. Den Durch-führendenden dieser partizipativen Jugendarbeit kommt damit eine Anwaltschaft für die Heranwachsenden hinzu, ohne die der Eltern oder des Bildungssystems untergraben zu wollen.

Da Gestaltungsprojekte immer auch die Lebenswelten der Teilnehmer betreffen, wird es auch ein Austausch über die jeweiligen Interessen und Präferenzen geben. Im Schutzraum dieser Partizipationsverfahren werden diese kommunikativ erforscht und der eigene Standpunkt reflektiert. Im gemein-samen Handeln in der Konfrontation mit den demokratischen Strukturen und den sachlichen Zwängen erfahren die Heran-wachsenden die eigene Begrenzung in ihrer Autonomie. So besteht die Möglichkeit, den oft diagnostizierten Handlungs-, Erfahrungs- und Wirklichkeitsverlust der Kinder und Jugend-lichen110,111 entgegenzuwirken und sie in ihrer Demokratie-fähigkeit zu fördern. Auch im Verlauf der Planungswerkstatt zeigteneinigeJugendlicheeinesozialeDefiziteundeinegeringeFrustrationstoleranz. Die grundlegende Wurzel der dahinter verborgenen psychologischen Entwicklungsstörungen können natürlich nicht allein mit diesen Partizipationsinstrumenten entgegengetreten werden und so bleibt in dem Fall bestenfalls das Training der Wahrnehmung und Kommunikation.

110 vgl. Richter-Reichenbach, Iden-tität Und Ästhetisches Handeln, S. 60.

111 vgl. dazu Winterhoff, Warum Unsere Kinder Tyrannen Werden.

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112 Derzeitige Tendenzen und Handlungsrichtlinien werden in Reicher et al., Kinder_Sichten näher ausgeführt.

Mit Falle der Partizipation schafft die kinder- und jugendge-rechte Stadtplanung nunmehr nicht nur Räume für die adoles-zente Entwicklung, sondern wird auch Teil des kindlichen wie jugendlichen Reifeprozesses. Durch die didaktische Methodik der Verfahren sind die Teilnehmer angehalten, ihre Umwelt und das eigeneVerhalten neu zu reflektieren sowie auch Talentezu entdecken und zu trainieren. Neben der Förderung der WahrnehmungkanneineästhetischeWertbildungstattfindenund den Teilnehmern ein Zugang zur Architektur und Baukultur eingeräumt werden. Natürlich ist dies fern von einer Archi-tektenausbildung, die nicht beabsichtigt wird, auch wenn eine Aufnahme von architektonischen Inhalten im Lehrplan jedoch mehr als wünschenswert ist.112 Die Planungswerkstatt zeigte, dass es Jugendlichen schwerfällt, aus eigenem Antrieb ohne systemischen Bezug an der Gestaltung des öffentlichen Raumes zu partizipieren. So ist eine Sensibilisierung von Zusammen-hängen räumlicher Strukturen und die baukulturelle Bildung ein wichtiger Schlüssel für ein ausgeprägtes Umweltverständnis der nachkommenden Generation.

Die in den vorherigen Abschnitten aufgezeigten Handlungs-ansätze für eine kinder- und jugendgerechte Stadtentwicklung unter partizipativer Normative setzen einen gewissen Wandel in der Planung voraus. Wenn auch dieser Wandel von mehreren Disziplinen getragen werden muss, betrifft dies auch die Profession der Architekten. So kann der Begriff bzw. die Handlungsfelder der Architekten erweitert werden. Diese Erweiterung zielt darauf ab, dass Architektur an sich vor allem als Objekt des Gebrauchs wahrgenommen wird. Es liegt nicht in der Aufgabe der Architekten, ein neues Menschenbild zu konst-ruieren und dafür Räume zu schaffen. Die Wahrnehmung der Jugendlichen sollte geschärft werden, um sie zur Partizipation zu befähigen und aus dem Kommunikationsprozess mit dessen Teilnehmern Lösungen zu destillieren.

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Als Gestaltungsexperten beherrschen sie weiterhin die Theorie und Methodik des Entwerfens und sind fähig ästhetische wie technische Zusammenhänge zu erkennen. Sie können somit Werkzeuge und Herangehensweisen vermitteln, die den Kindern und Jugendlichen Hilfestellung in dem Entwurfsprozess geben. Zudem erfahren Architekten von den Teilnehmern, unter welchen Gesichtspunkten sie ihre Lebenswelten wahrnehmen und sind fähig gemeinwesenbezogene Planung von Architektur vorzunehmen.

Die planungswerkstatt kramixxo.waggong kann dabei als ein partizipatives Bottom-Up-Projekt exemplarisch für ein neu erschlossenes, mögliches Betätigungsfeld von Architekten stehen. Architekten könnten als Anwalt für Bürger - hier im Spezi-ellen für Kinder und Jugendliche - auftreten und Moderator von lokalen Projekten in der Stadtentwicklung fungieren. Es wurde im Verlauf dieses Verfahrens zudem deutlich, dass Architekten mit ihren Kompetenzen und Fähigkeiten die Qualität der Ergeb-nisse von solchen Partizipationsprojekten erheblich steigern können. Besonders hervorzuheben ist die Kernkompetenz des Visualisierens, der den Kindern und Jugendlichen befähigt ihre Willensbekundung in der Öffentlichkeit zu platzieren.

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ANHANG

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Wenn nicht anders angegeben, stammen die Abbildungsvorlagen undFotografienausdemArchivdesVerfassers.

Bing Maps 3Erdmann, Daniel 38Google Maps 24Gräbner, Stephan 17, 22, 23, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32Westphal, Tobias 39, 40

Bildnachweis

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Ich versichere hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Master-Thesis selbständig verfasst, ganz oder in Teilen noch nicht als Prüfungsleistung vorgelegt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

Sämtliche Stellen der Arbeit, die benutzten Werken im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, habe ich durch Quellenan-gaben kenntlich gemacht.

Dies gilt auch für Zeichnungen, Skizzen, bildliche Darstellungen und dergleichen sowie für Quellen aus dem Internet.

Ich bin mir bewusst, dass es sich bei Plagiarismus um schweres akademisches Fehlverhalten handelt, das im Wiederholungsfall weiter sanktioniert werden kann.

Weimar, den 17.01.2014

Eidesstaatliche Erklärung

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Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in Weimar-West bei der „Schatzinsel“, die mir Zugang zum Kennenlernen der Jugendlichen ermöglichte und mir Einblick in ihre Lebenswelt gab. Im Zusammenarbeit mit dem Jugenklub Waggong konnte die Planungswerkstatt entstehen.

Für die Freiheit in der Wahl des Themas und der Durchführung der Arbeit sowie die Betreuung möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Professor Nentwig bedanken. Weiter gilt mein Dank Frau Profes-sorin Schönig für den notwendigen Input zum Thema Partizipation.

Ohne die Unterstützung der Mitarbeiter Schatzinsel, des Waggongs und des Bürgerzentrums sowie Freunden wäre die Umsetzung der Arbeit, insbesondere der Workshops, nicht möglich gewesen.

Daher gilt mein Dank den Mitarbeitern der BIG-Jungs-Arbeit, insbe-sondere Frau Schumacher und Herrn Hellwich für die Unterstützung im Vorfeld. Für das Interesse und die Kooperation bedanke ich mich herzlich bei den Mitarbeitern des Jugendklubs, insbesondere Herrn Erdmann.FürdieAufnahmederFotografiendankeichHerrnM.Sc.Gräbner.

EinweitererDankgehtanalle,dieumsichtigmitmeinenorthografi-schenDefizitenumgegangensindundmitihrerkonstruktivenKritikzum Gelingen der Arbeit beigetragen haben.

Über allem aber steht der Dank an Gott, meinen Schöpfer, der mir täglich zur Seite steht und mich führt. Ihm gebührt alle Ehre.

Dank

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