Handbuch der Geographie Das Handbuch der Geographie 150 n ... · photographischen Arbeiten am...

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Ptolemaios Handbuch der Geographie 1.Teilband Herausgegeben von Alfred Stückelberger und Gerd Graßhoff Einleitung und Buch 1–4

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  • PtolemaiosHandbuch der Geographie

    1.Teilband1

    Herausgegeben von Alfred Stückelberger und Gerd GraßhoffP

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    Einleitung und Buch 1–4Das Handbuch der Geographie des Klaudios Ptolemaios, das kurz nach 150 n. Chr. in Alexandria verfasst wurde, ist eines der bedeutendsten wissen-schaftlichen Werke der antiken Literatur. In seinen 8 Büchern fasst es das ganzegeographische Wissen der Antike zusammen und bleibt mit seinen neuartigenProjektionsmethoden, seinen etwa 8000 meist mit Koordinaten bestimmtenOrtsangaben und seinem farbigen Kartenatlas bis zur Schwelle der Neuzeit unerreicht.Das seit der Ausgabe von C.F.A. Nobbe von 1843/45 nie mehr vollständigedierte Werk wird in der durchgehend neu bearbeiteten zweisprachigen Aus-gabe wieder allgemein zugänglich gemacht.

    Die Neuausgabe der Geographie enthält:– einen neu bearbeiteten griechischen Text mit weit über 1000 Änderungen

    gegenüber der Ausgabe von Nobbe, unter erstmaliger vollstän diger Berück-sichtigung der Istanbuler Kartenhandschrift (Cod. Seragliensis GI 57)

    – eine erstmalige vollständige deutsche Übersetzung mit Sacherklärungenund zahlreichen Lokalisierungen

    – nach den Angaben des Ptolemaios ausgeführte Umzeichnungen der 3 Welt-karten und der 26 Länderkarten

    – einen ausführlichen Orts-, Personen- und Sachindex– eine Datenbank auf CD-ROM, mit welcher die Ortsangaben des Ptolemaios

    nach verschiedenen Gesichtspunkten ausgewertet werden können

    Schwabe Verlag Basel www. schwabe.ch

    0000 Ptolomaios_1_UG_def__1 22.03.17 13:47 Seite 1

  • Das eBook ist seitenidentisch mit der gedruckten Ausgabe und erlaubt Volltext-suche. Zudem sind Inhaltsverzeichnis und Überschriften verlinkt.Die der gedruckten Ausgabe auf einer CD-Rom beigegebene Datenbank steht unter http://schwabe.ch/assets/PtolCD.zip zum Download zur Verfügung.

    http://schwabe.ch/assets/PtolCD.zip

  • Griechisch – Deutsch

    Herausgegeben vonAlfred Stückelberger und Gerd Graßhoff

    unter Mitarbeit vonFlorian Mittenhuber, Renate Burri, Klaus Geus,Gerhard Winkler, Susanne Ziegler, Judith Hindermann,Lutz Koch, Kurt Keller

    Einleitung, Text und Übersetzung, Index

    1. TeilEinleitung und Buch 1–4

    Klaudios PtolemaiosHandbuch der Geographie

    Schwabe Verlag Basel

  • Vorsatz vorn: Weltkarte des Codex Seragliensis GI 57, fol. 73v/74rVorsatz hinten: Übersicht über die 26 Länderkarten

    © 2017 by Schwabe AG, Verlag, Basel2. Auflage; korrigierter Nachdruck der 1. Auflage von 2006Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Motivs aus der Istanbuler Kartenhandschrift (Codex Seragliensis GI 57)Kartenillustrationen: Florian Mittenhuber, BernGesamtherstellung: Schwabe AG, Druckerei, Muttenz/BaselPrinted in SwitzerlandISBN-13: 978-3-7965-2148-5ISBN-10: 3-7965-2148-7ISBN eBook (PDF) 978-3-7965-3703-5

    www.schwabe.ch

    Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung

    http://www.schwabe.ch

  • Inhaltsverzeichnis

    1. Teilband

    Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Einleitung

    1. Der Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92. Das Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113. Die Ausgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

    Variantendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Conspectus siglorum und Lesehilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

    Text und Übersetzung der Geographie

    1. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Kapitel 1–5 Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52Kapitel 6–17 Auseinandersetzung mit Marinos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Kapitel 18–24 Eigenes Konzept eines geographischen Kartenwerkes

    (Erdglobus, 1. und 2. Projektionsmethode) . . . . . . . . . . . 104

    2. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136Kapitel 1 Vorwort zum Ortskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138Kapitel 2/3 Europa, 1. Karte (Irland, Britannien) . . . . . . . . . . . . . . . . 142Kapitel 4–6 Europa, 2. Karte (Spanien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158Kapitel 7–10 Europa, 3. Karte (Gallien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198Kapitel 11 Europa, 4. Karte (Germanien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220Kapitel 12–16 Europa, 5. Karte (Alpenländer, Illyricum) . . . . . . . . . . . . 236

    3. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256Kapitel 1/2 Europa, 6. Karte (Italien, Korsika) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258Kapitel 3/4 Europa, 7. Karte (Sardinien, Sizilien) . . . . . . . . . . . . . . . . 286Kapitel 5/6 Europa, 8. Karte (Europäisches Sarmatien, Tauris) . . . . 298Kapitel 7–12 Europa, 9. Karte (Dakien, Mösien, Thrakien) . . . . . . . . . 310Kapitel 13–17 Europa, 10. Karte (Makedonien, Griechenland) . . . . . . . 334

    4. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380Kapitel 1/2 Afrika, 1. Karte (Mauretanien/Marokko) . . . . . . . . . . . . 382Kapitel 3 Afrika, 2. Karte (Algerien, Tunesien) . . . . . . . . . . . . . . . . 398Kapitel 4/5 Afrika, 3. Karte (Libyen, Ägypten) . . . . . . . . . . . . . . . . . 414Kapitel 6–8 Afrika, 4. Karte (innere Teile von Afrika) . . . . . . . . . . . . 444

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  • 2. Teilband

    5. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 Kapitel 1–8 Asien, 1. Karte (Türkei) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 Kapitel 9 Asien, 2. Karte (Asiatisches Sarmatien) . . . . . . . . . . . . . 530 Kapitel 10–13 Asien, 3. Karte (Kolchis, Armenien) . . . . . . . . . . . . . . . . . 546 Kapitel 14–20 Asien, 4. Karte (Zypern, Syrien, Mesopotamien) . . . . . . 556

    6. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 594 Kapitel 1–6 Asien, 5. Karte (Assyrien, Medien, Persien) . . . . . . . . . . 596 Kapitel 7/8 Asien, 6. Karte (Arabia Felix/Saudi-Arabien) . . . . . . . . . 620 Kapitel 9–14 Asien, 7. Karte (Baktrien, W-Skythien) . . . . . . . . . . . . . . 640 Kapitel 15/16 Asien, 8. Karte (O-Skythien, Serike/China) . . . . . . . . . . 662 Kapitel 17–21 Asien, 9. Karte (Afghanistan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 668

    7. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 Kapitel 1 Asien, 10. Karte (Indien westlich des Ganges) . . . . . . . . 686 Kapitel 2/3 Asien, 11. Karte (Indien östlich des Ganges, Sinen/Indochina) . . . . . . . . . 718 Kapitel 4 Asien, 12. Karte (Taprobane/Sri Lanka) . . . . . . . . . . . . . 734 Kapitel 5 Beschreibung der Weltkarte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 742 Kapitel 6/7 Armillarsphären-Projektion (3. Projektionsmethode) . . 752

    8. Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 766 Kapitel 1/2 Anleitung zum Zeichnen der Länderkarten . . . . . . . . . . 768 Kapitel 3–28 Beschreibung der einzelnen Länderkarten, Liste der poleis episemoi (der ‹bedeutenden Städte›) . . 774 Kapitel 29 Länderliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 908 Kapitel 30 Kartenumrisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 918

    Indices

    Ortsindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 924 Personenindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1015 Sachindex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1016

    Ergänzungen und Korrekturen

    Lokalisierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 Korrekturen von Längen- und Breitenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019 Ergänzungen zum Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1019

    Inhaltsverzeichnis

    6

  • Vorwort

    Eine Neuausgabe der Geographie des Ptolemaios bedarf keiner Rechtfertigung:Allein die Tatsache, dass es seit der Ausgabe von C.F.A. Nobbe von 1843/45 bisanhin keine vollständige Neuedition und noch keine vollständige deutsche Über-setzung dieses für die Wissenschaftsgeschichte so wichtigen Werkes gab, machtdas seit langem bestehende Desiderat augenfällig. Eine Neubearbeitung des Tex-tes erschien umso dringender, als 1927 im Topkapi-Museum in Istanbul unter denSchätzen der alten Sultansbibliothek eine Ptolemaios-Handschrift wiederent-deckt wurde, die sich – trotz ihres schlechten Erhaltungszustandes – als eine derältesten und bedeutendsten Geographie-Handschriften erwies, aber noch niedurchgehend ausgewertet wurde.

    Der Versuch, diese Lücke zu schliessen, bedeutete angesichts der komplexenMaterie und der komplizierten Überlieferungslage allerdings eine gewaltige Her-ausforderung. Nachdem in den vergangenen zwei Jahrhunderten verschiedeneVersuche einer Neuausgabe gescheitert waren, stand für die Herausgeber vonallem Anfang an fest, dass das Wagnis einer Neuausgabe nur mit vereinten Kräf-ten und mit internationaler und interdisziplinärer Zusammenarbeit angegangenwerden konnte. So wurde denn die Bearbeitung der einzelnen Teile auf verschie-dene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt, die nach den von der Ptolemaios-Forschungsstelle in Bern vorbereiteten Richtlinien die ihnen zugedachten Teilein eigener Verantwortung bearbeiteten: Alfred Stückelberger (Bern) übernahmdie Einleitung, das 1. Buch und das 7. Buch, Kap. 5–7; Florian Mittenhuber (Bern)das 2. Buch, die Umzeichnung der Karten sowie die Schlussredaktion des Orts -kataloges und der Indices; Renate Burri (Bern) das 3. Buch; Klaus Geus (Bam-berg) das 4. Buch; Gerhard Winkler (Linz) das 5. Buch; Susanne Ziegler (Darm-stadt) das 6. Buch; Judith Hindermann (Bern) das 7. Buch, Kap. 1–4; Lutz Koch(Hamburg) das 8. Buch; Kurt Keller (Bern) die Indices und die EDV-Betreuung.

    Die vorliegende Ausgabe, die gegenüber der Edition von Nobbe weit über tau-send Änderungen enthält, versteht sich nicht als etwas Abschliessendes. Ange-sichts der Unzahl von Ortsnamenvarianten und Lokalisierungsvorschlägen wirdes immer wieder neue Erkenntnisse geben, die bisherige ersetzen. Vielmehr stelltdie Edition einen Versuch dar, nach dem heutigen Kenntnisstand das Materialaufzuarbeiten und in einer möglichst übersichtlichen, auch Nichtgräzisten zugäng-lichen Weise vorzulegen und so eine Grundlage für die weitere Ptolemaios -Forschung zu schaffen.

    Die Textausgabe beschränkt sich auf die zum unmittelbaren Verständnis nöti-gen Sacherklärungen. In absehbarer Zeit wird ein Ergänzungsband folgen, in wel-chem einzelne Themenbereiche wie Überlieferung, Kartentradition, Quellen,geographisches Weltbild, Messmethoden, Sprache und Stil, Wirkungsgeschichte,u.a. in selbständigen, in sich geschlossenen Beiträgen dargelegt werden. Dort wirdauch eine ausführliche Bibliographie zu finden sein. – Geplant ist ferner eine Fak-simileausgabe der erwähnten Istanbuler Handschrift (Cod. Seraglensis GI 57),insbesondere eine Reproduktion der handschriftlichen Ptolemaios-Karten.

    7

  • Dem Projekt standen neben den genannten Buchbearbeiterinnen und Buch-bearbeitern eine Reihe von Sachberatern und Sachbearbeitern zur Verfügung,denen hier für ihre kompetente Beratung und selbstlose, aufwendige Mitarbeitunser Dank ausgesprochen sei: Robert Fuchs (Köln) für die kodikologischen undphotographischen Arbeiten am Istanbuler Codex, Helmut Humbach (Mainz) fürdie sprachwissenschaftlichen und topographischen Beiträge besonders im 6. und 7. Buch, Roland Bielmeier (Bern) für Ergänzungen zum 5. Buch, Kurt Brunner(München) für die kartographischen Ratschläge, Heiner Rohner (Bern) für dieErstellung der Konstruktionszeichnungen im 1. und 7. Buch, Barbara Burckhardt(Bern) für die graphische Gestaltung der Karten, Jürg Stückelberger (Zürich) fürdie Erstellung der notwendigen Computerprogramme zur Umzeichnung der Kar-ten und zur Datenbank. In diesen Dank eingeschlossen sind verschiedene weiterePersönlichkeiten, die das Projekt gefördert haben: Thomas Gelzer (Bern), Wolf-gang Hübner (Münster), Celâl Hengör (Istanbul).

    Ein weiterer Dank gebührt den Handschriftenbibliotheken, die uns bereitwil-lig Zugang zu den Beständen gewährt und das nötige Filmmaterial zur Verfügunggestellt haben: dem Topkapi-Palace-Museum in Istanbul, der Biblioteca Aposto-lica Vaticana in Rom, der Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig, der Biblio-teca Medicea Laurenziana in Florenz, der Bibliothèque nationale in Paris, derKöniglichen Bibliothek in Kopenhagen.

    Zu grossem Dank verpflichtet sind wir ferner den Institutionen, welche dieProjektarbeit finanziell unterstützt haben: Der Schweizerische Nationalfonds hatmit der Gewährung eines Forschungsstipendiums für zwei Mitarbeitende und miteinem namhaften Druckkostenzuschuss das Unternehmen entscheidend geför-dert. Die Phil.-hist. Fakultät der Universität Bern hat der Forschungsstelle miterheblichen personellen Mitteln ausgeholfen, und das Institut für KlassischePhilologie hat die Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Die Fritz-Thyssen-Stiftunghat einer Mitarbeiterin in Deutschland ein Stipendium zugesprochen. Die Ber -nische Hochschulstiftung hat mit verschiedenen Beiträgen die Anschaffung der nötigen Materialien ermöglicht. Der Beer-Brawand-Fonds hat verschiedene Ptolemaios-Tagungen unterstützt.

    Ein besonderer Dank gilt schliesslich dem Verlagshaus Schwabe AG in Basel,das sich auf eine vorläufige Projektskizze hin spontan bereit erklärt hat, das Werkverlegerisch zu betreuen, und dann die ganze Drucklegung mit grosser Sorgfaltbesorgt hat.

    Bern, 20. Januar 2006 Alfred Stückelberger Gerd Graßhoff

    Vorwort zur 2. Auflage

    Da unsere Edition der ptolemäischen Geographie annähernd vergriffen ist, hat derVerlag Schwabe AG, um die nun zum Standardwerk gewordene Ausgabe weiterhinzur Verfügung stellen zu können, in verdienstvoller Weise eine Neuauflage in dieWege geleitet. Diese besteht bei Text und Übersetzung der Geographie aus einemunveränderten Nachdruck der Auflage von 2006 und beschränkt sich in den übrigenTeilen auf die Korrektur einiger unbedeutender Versehen (vgl. Liste auf S. 1018).

    Bern, 20. Januar 2017 Alfred Stückelberger Florian Mittenhuber

    Vorwort

    8

  • Einleitung

    1. Der Autor1

    Über das Leben des Klaudios Ptolemaios ist fast nur das bekannt, was aus denspärlichen Angaben seiner Werke zu gewinnen ist.2 Sein römischer VornameKlaudios/ Claudius kann wohl nur so erklärt werden, dass einer seiner Vorfahrennach verbreiteter Gewohnheit als Freigelassener oder Gefolgsmann eines Clau-dius das römische Bürgerrecht erhalten hatte.3 Er dürfte um 100 n. Chr. geborenund um 170 n. Chr. gestorben sein; jedenfalls reichte seine Lebenszeit noch in dieRegierungszeit des Kaisers Marc Aurel (161–180 n. Chr.) hinein.4 Einzige gesi-cherte Anhaltspunkte ergeben sich aus den in seinem astronomischen Hauptwerkverzeichneten Beobachtungen: Die früheste bezieht sich auf eine Mondfinsternisvom April 125 n. Chr. (Synt. 4,9), die späteste auf eine Merkurelongation vomFebruar 141 n. Chr. (Synt. 9,7); die Kanopus-Inschrift, auf welcher Ptolemaiosabschliessend die wichtigsten Resultate seiner astronomischen Forschungen fest-halten liess, kann auf 147/148 n. Chr. datiert werden.

    Dass die Familie des Ptolemaios, wie eine byzantinische Quelle berichtet, ausdem mittelägyptischen Ptolemaïs Hermeiu stammte, ist denkbar. Sein Forschungs-und Wirkungsort war aber jedenfalls Alexandria,5 das wissenschaftliche Zentrumder hellenistischen Welt, wo schon Eratosthenes und Hipparch ihre Beobach -tungen gemacht hatten und wo auch in der römischen Kaiserzeit in der relativ sta-bilen Epoche unter Trajan (98–117 n. Chr.), Hadrian (117–138 n. Chr.) und Anto-ninus Pius (138–161 n. Chr.) für die Wissenschaft günstige Voraussetzungenherrschten. Neben den wissenschaftlichen Bibliotheken im Museion und im Sera-peion verfügte Alexandria als Sitz der römischen Provinzverwaltung, der Erbinder hervorragenden ptolemäischen Administration, über umfangreiches Materialan Listen und offenbar auch Karten und als bedeutende Handelsmetropole über

    9

    1 Aus der Vielzahl von Publikationen seien folgende Gesamtdarstellungen herausgegriffen: J. Fischer, De Claudii Ptolemaei vita, operibus, geographia, praesertim eiusque fatis (Leiden 1932)= Tomus prodromus der Faksimileausgabe des Cod. Urbinas Graecus 82; B.L. van der Waerden,Ptolemaios Nr. 66: Klaudios Ptolemaios, in: RE 23,2 (1959) 1788–1859; E. Polaschek, Ptolemaiosals Geograph, in: RE Suppl. 10 (1965) 680–833; G.J. Toomer, Art. Ptolemy, in: Dictionary of Scien-tific Biography 11 (1975) 186–206: G. Aujac, Claude Ptolémée, astronome, astrologue, géographe(Paris 1993); weitere Literaturangaben im Ergänzungsband.

    2 Eine nützliche Zusammenstellung der Zeugnisse bei F. Boll, Studien über Claudius Ptolemäus,in: Jahrbücher für class. Philol., Suppl. 21 (1894) 53–66.

    3 So schon Toomer a.O. 187. Gerade für Ägypten sind in der Verwaltung tätige Freigelassenebezeugt (Strabo 17,1,22). Ein Claudier (Ti. Claudius Balbillus) war 55–59 n. Chr. sogar Präfektvon Ägypten; vgl. dazu H.-G. Pflaum, Les carrières procuratoriennes équestres sous le haut-empireromain, Bd. 1 (Paris 1960) Nr. 15; vgl. auch P.A. Brunt, Roman Imperial themes (Oxford 1990)215ff.: ‹The administrators of Roman Egypt›.

    4 So nach einem in Cod. Monac. gr. 287 fol. 77r erhaltenen Scholion (vgl. Boll a.O. 53). Eine ara-bische Quelle überliefert, dass er im 78. Lebensjahr gestorben sei (Boll a.O. 58).

    5 Verschiedene astronomische Beobachtungen sind ausdrücklich in Alexandria gemacht worden:vgl. Synt. 4,6; 5,12.

  • eine Sammlung von Routenbeschreibungen, beides Dinge, die für die Abfassungder Geographie wichtig waren.6

    Dass Ptolemaios auch über Alexandria hinausgekommen ist, erfahren wir auseiner Bemerkung in seinem geographischen Hauptwerk, der zufolge seine An -gaben «teils auf eigener Anschauung, teils auf Arbeiten der Vorgänger» (Geogr.7,5,1) beruhen; wohin ihn die angedeuteten, wohl nicht sehr weitreichenden Reisen geführt haben, bleibt ungewiss.

    Ptolemaios ist vor allem aufgrund seiner astronomischen Schriften berühmtgeworden, aber auch auf heftige Kritik gestossen.7 Sein Hauptwerk, die Syntaxismathematica, das später unter dem arabischen Titel Almagest bekannt gewordenist, erlangte mit seiner dezidierten Stellungnahme für das geozentrische Weltbildfür mehr als ein Jahrtausend eine ungeahnte prägende Wirkung;8 dass Ptolemaios,selber in Kenntnis erster heliozentrischer Ansätze, nicht aus Rückständigkeit beiseiner Auffassung blieb, sondern aufgrund durchaus folgerichtiger mathemati-scher Überlegungen, die noch Kopernikus und Galilei nicht widerlegen konnten,wird meist nicht beachtet.9 Sein umfangreicher Sternkatalog mit den über 1000 ineinem ekliptikalen Koordinatensystem verzeichneten Fixsternen hat ebenfallsAnlass zu ungerechtfertigter Kritik gegeben,10 stellt er doch, selbst wenn natur-gemäss auch älteres Zahlenmaterial miteinbezogen ist und sich da und dort Irr -tümer und Fehler eingeschlichen haben, eine in der Antike einzig dastehendeDokumentation von astronomischen Daten dar. – Eine weitere bedeutende Leis-tung des Ptolemaios, die im Almagest dokumentiert ist, besteht in der ersten kor-rekten Beschreibung der scheinbaren Planetenbewegungen.

    Im Hinblick auf sein geographisches Werk von besonderem Interesse ist dieim Almagest 1,11 angeführte Sehnentafel, eine Vorwegnahme einer Art trigono-metrischer Funktion, die für die Berechnung von Breitengraden und Längengra-den unentbehrliche Dienste leistete, sowie die im Almagest 2,6 angeführte Listeder Gnomon-Schattenlängen, welche das Grundgerüst für die Breitenangabenbildete.

    Neben dem Almagest treten die übrigen astronomischen Werke in den Hinter-grund. Erhalten sind ein umfangreicheres astrologisches Werk, die Apoteles matica

    Einleitung

    10

    6 Dazu unten Einleitung 2.4.7 Der in jüngerer Zeit wieder aufgekommenen radikalen Kritik an Ptolemaios wird man kaum

    beipflichten können; vgl. bes. R.R. Newton, The Crime of Claudius Ptolemy (Baltimore 1977).Dass Ptolemaios ganz selbstverständlich älteres Material verwendet, angepasst und gehörigerweitert hat, macht aus ihm noch keinen ‹Fälscher›. Vgl. dazu bes. G. Graßhoff, The History ofPtolemy’s Star Catalogue (New York/Berlin 1990), der die Vorwürfe von Newton weitgehendwiderlegt.

    8 Immer noch massgebend ist die Ausgabe von J.L. Heiberg, Claudii Ptolemaei opera quae exstantomnia, Vol. 1, pars 1/2 (Leipzig 1898/1903); dt. Übers. von K. Manitius, Des Claudius PtolemäusHandbuch der Astronomie, 2 Bde. (Leipzig 1912/1913); engl. Übers. von G.J. Toomer, Ptolemy’sAlmagest (London 1984).

    9 Hauptargument gegen ein heliozentrisches Weltbild war die noch nicht auszumachende, erst1837 nachgewiesene Parallaxe der Fixsterne, die bei einer Bewegung der Erde um die Sonneauftreten müsste; vgl. dazu A. Stückelberger, Ptolemaios und das heliozentrische Weltbild, in:Antike Naturwissenschaften und ihre Rezeption 8 (1998) 83–99.

    10 So bes. bei R.R. Newton a.O. (oben Anm. 7).

  • (= Tetrabiblos),11 sowie einige kleinere Schriften,12 darunter eine nur in lateini-scher Übersetzung aus dem Arabischen überlieferte Anleitung zur Konstruktioneines Planisphäriums. Erst im Anschluss an diese astronomischen Arbeitenmachte sich Ptolemaios an sein zweites Hauptwerk, die Geographie.

    2. Das Werk

    2.1 Historische Voraussetzungen und Vorläufer (Marinos von Tyros)

    Als sich Ptolemaios kurz nach 150 n. Chr.13 daranmachte, seine Geographikehyphegesis (eigentlich ‹Einführung in die [darstellende] Erdkunde›, hier funktio-naler mit Handbuch der Geographie übersetzt)14 zu verfassen, und sich an dieschwierige Aufgabe heranwagte, das geographische Wissen seiner Zeit in einerumfassenden Darstellung zusammenzufassen, hatte sich der geographische Hori-zont gegen über den vorangegangenen Jahrhunderten gewaltig erweitert. In nörd-licher Richtung war bereits um 330 v. Chr. Pytheas von Marseille über Britannienhinaus vorgestossen und hatte von der Mitternachtssonne und von der nie genaulokalisierten Insel Thule berichtet, die von da an die ganze Antike hindurch dienördliche Begrenzung der Oikumene bildet.15 Auf dem Kontinent war man tiefnach Germanien eingedrungen: Um 5 n. Chr. war Tiberius auf seinem Feldzug biszur Elbe vorgerückt;16 etwas später erweiterte sich das Gesichtsfeld bis zur Weich-sel und zum Nordkap Dänemarks.17

    In südlicher Richtung hatte bereits um 148/147 v. Chr. der Historiker Polybiosmit Schiffen, die ihm der jüngere Scipio zur Verfügung gestellt hatte, auf den Spu-ren Hannos eine Erkundungsfahrt entlang der westafrikanischen Küste weit überdas Atlasgebirge hinaus bis etwa Mauretanien unternommen.18 Über die vorge -lagerten, bereits von den Phöniziern besiedelten Kanarischen Inseln hatte um 20 v. Chr. Juba genauere Erkundungen angestellt.19 In südöstlicher Richtung warum 25 v. Chr. Aelius Gallus auf dem Landweg bis nach Arabia Felix vorgestos-sen,20 während etwas später ein weiter nicht bekannter Dioskoros zur See der Ost-

    2. Das Werk

    11

    11 Jetzt in der Ausgabe von W. Hübner, Cl. Ptolemaei opera quae exstant omnia Vol. 3,1: Apoteles-matica (Stuttgart/Leipzig 1998).

    12 Ausgabe von J.L. Heiberg, Cl. Ptolemaei opera quae exstant omnia, Vol. 2 : opera minora (Leip-zig 1907).

    13 Die zeitliche Abfolge der beiden Hauptwerke ist gesichert durch den Vorverweis im Synt. 2,13und den Rückverweis in der Geographie 8,2,3; die absolute Datierung kann nur geschätzt werden.

    14 Der in den Handschriften belegte Titel ist 8,1,1 im Text genannt; vgl. auch 1,19 tit.15 Vgl. S. Bianchetti, Pitea di Massilia, L’Oceano (Pisa 1998).16 Vgl. Velleius Paterculus 2,106,2.17 Vgl. Plin. Nat.hist. 4,81.97.18 Vgl. Plin. Nat.hist. 5,9.19 Vgl. den Bericht bei Plin. Nat.hist. 6,203ff. über die sog. Insulae Fortunatae. Vgl. auch R. Hennig,

    Terrae incognitae, Bd. 1: Altertum bis Ptolemäus (Leiden 21944) 40–50.20 Vgl. Strabo 16,4,22; Plin. Nat.hist. 6,160.

  • küste Afrikas entlang bis etwa in die Gegend des Äquators vorankam.21 Auch tiefins Innere Afrikas war man vorgedrungen: Um 23/22 v. Chr. gelangte Petroniusauf seinem Feldzug gegen die numidische Königin Kandake dem Nillauf entlangbis nach Napata am 4. Katarakt.22 Nero liess die Distanz bis zur weiter südlichgelegenen numidischen Hauptstadt Meroë (nördlich von Khartoum) ausmessen.23

    Unter Domitian war schliesslich Julius Maternus von Leptis Magna/Lebda(Libyen) in Begleitung des Königs der Garamanten in einem viermonatigen Zugbis nach Agisymba in Zentralafrika vorgestossen.24

    Was den Fernen Osten betrifft, hatte man über Indien hinaus, das seit demAlex anderzug recht gut bekannt war, dank dem regen Handel auf dem Landweg(Seidenstrasse) und dem Seeweg selbst von China und Tibet gewisse Vorstellun-gen gewonnen.25

    Das aus diesen Vorstössen resultierende, teils in anspruchslosen anonymenRapporten oder Verzeichnissen, teils in sorgfältiger redigierten Reiseberichtendokumentierte Faktenmaterial galt es aufzuarbeiten und in ein einheitlich konzi-piertes Bild der Oikumene einzuordnen.26 Freilich fehlte es vor Ptolemaios nichtan z.T. grossangelegten geographischen Darstellungen, doch hatten diese weit -gehend auf die astronomisch-mathematischen Grundlagen, wie sie Eratosthenes(3. Jh. v. Chr.) in die wissenschaftliche Geographie eingeführt hatte, verzichtet undsich einer mehr länderkundlich-deskriptiven, der Geschichtsschreibung verwand-ten Berichterstattung zugewandt – so die verlorenen geographischen Bücher desPolybios (2. Jh. v. Chr.) und der Traktat des neulich durch einen Papyrusfund27

    berühmt gewordenen Artemidor (1. Jh. v. Chr.) sowie das umfangreiche Werk derGeographika des Strabon (augusteisch) – oder begnügten sich mit populärerenDarstellungen – so das geographische Lehrgedicht Periegesis des Ps.-Skymnos(1. Jh. v. Chr.)28 oder die nüchterne Chorographia des Pomponius Mela (1. Jh.n. Chr.).29

    Einleitung

    12

    21 Ptol. Geogr. 1,9,3ff.22 Strabo 17,1,54; Plin. Nat.hist. 6,181f.23 Plin. Nat.hist. 6,184.24 Ptol. Geogr. 1,8,4f.25 Vgl. Ptol. Geogr. 1,11–14. Die Seide (nach dem Land der Serer als serica bezeichnet) ist seit

    Augus tus in Rom gut bekannt. Vgl. dazu L. Boulnois, La route de la soie (Paris 1963).26 Einige solcher Berichte sind – zumindest in Fragmenten – sogar erhalten, so z.B. der Bericht des

    Pytheas über seine Reise nach Thule (vgl. S. Bianchetti a.O. oben Anm. 15), ferner das ‹Logbuch›des Nearchos über die Fahrt von der Indusmündung zum Persischen Golf (bei Arrian, Indica20,1–36,3) oder der Periplus Maris Erythraei, ein ‹Segelhandbuch› eines unbekannten griechi-schen Kaufmanns über die Fahrten entlang der ostafrikanischen Küste (ed. L. Casson, Prince-ton 1989).

    27 Von besonderem Interesse ist der neue Artemidor-Papyrus (um 50 v. Chr.) wegen seiner geo -graphischen Karte, der ältesten direkt aus der Antike erhaltenen, die dem Text beigegeben ist;vgl. dazu C. Gallazzi/B. Kramer, Artemidor im Zeichensaal. Eine Papyrusrolle mit Text, Land-karte und Skizzenbüchern aus späthellenistischer Zeit, in: Archiv für Papyrusforschung 24 (1998)189–208; eine eingehendere Publikation erscheint demnächst.

    28 Vgl. die eben erschienene Ausgabe von M. Korenjak, Die Welt-Rundreise eines anonymen grie-chischen Autors (‹Pseudo-Skymnos›) (Hildesheim 2003).

    29 Vgl. die Ausgabe von K. Brodersen, Kreuzfahrt durch die Alte Welt (Darmstadt 1994).

  • Der überfällig gewordenen Aufgabe einer Neubearbeitung des geographi-schen Materials unter Berücksichtigung geodätischer Anhaltspunkte hatte sichkurz vorher Marinos von Tyros30 (ca. 80–130 n. Chr.) angenommen, der unmittel-bare Vorläufer und Hauptgewährsmann des Ptolemaios. Von ihm ist fast nur dasbekannt, was aus der ausführlichen Auseinandersetzung des Ptolemaios mit sei-nem Vorläufer hervorgeht. Ptolemaios bezeichnet ihn als «Mann seiner Epoche»,doch dürfte er zur Zeit der Abfassung der Geographie schon geraume Zeit ver-storben sein.31 Marinos hatte zahlreiche geographische Schriften verfasst,32 dieallerdings – so kritisiert Ptolemaios – an «Unübersichtlichkeit und Aufsplitterungin Einzelabhandlungen» litten (polychoun kai kechorismenon: 1,17,1). Jedenfallshat er sein Werk unvollendet hinterlassen und kam insbesondere nicht mehr dazu,die vorgesehene Weltkarte ganz auszuführen (1,17,1).

    2.2 Konzept der Geographie

    Das anspruchsvolle Ziel einer ‹Berichtigung› (diorthosis) der gängigen geogra-phischen Vorstellungen und des Entwurfs eines wissenschaftlich gesicherten,kohärenten Bildes der Oikumene sah sich mit besonderen Schwierigkeiten kon-frontiert:

    Das Werk sollte einerseits, so betont Ptolemaios mehrmals, übersichtlich undbenutzerfreundlich (euchreston: 1,6,2; 1,18,2; 2,1,4, oder procheiron 1,19,2) seinund anderseits eine fast unüberschaubare Fülle von Daten vermitteln. Fernersollte es gegen Verunstaltungen gefeit sein, welche «durch das ständige Kopierenvon früheren [Karten-]Vorlagen auf spätere durch die Summe von kleinen Abwei-chungen zu schwerwiegenden Veränderungen führen» (1,18,2). Somit drängte essich auf, zu einem Kartenteil, der eben gerade der Gefahr von Veränderungen aus-gesetzt war, in Tabellenform einen numerisch fixierten Ortskatalog hinzuzu fügen,der auch bei wiederholtem Abschreiben Bestand haben sollte.33

    Die besondere Leistung des Ptolemaios besteht darin, für diesen Ortskatalogein einheitliches Koordinatensystem eingeführt zu haben, in welchem sich je-der Ort, unabhängig von aller kartographischer Darstellung, mit Längen- undBreitenangaben genau verzeichnen liess. Noch bis Marinos waren offenbar nurge trennte Listen von Orten gleicher Polhöhe und von ‹gegenüberliegenden (antikeimenoi: d.h. auf demselben Meridian liegenden) Orten› im Umlauf,34 wiePtolemaios kritisiert:

    2. Das Werk

    13

    30 Vgl. dazu bes. E. Honigmann, Marinos von Tyros, in: RE 14 (1930) 1767–1796.31 Vgl. Geogr. 1,6,1: hystatos ton kath’ hemas; man wird diese Bezeichnung als ‹Zeitgenossen› nicht

    zu eng fassen dürfen, nennt doch Ptolemaios 1,17 ausdrücklich Erkundungsergebnisse, die erstnach Marinos bekannt geworden sind; vgl. dazu gleich unten.

    32 Genannt werden eine Geographike hyphegesis (1,6 tit.) und verschiedene Ekdoseis (1,6,1) bzw.Syntaxeis (1,7,4; 1,17,1).

    33 Dass beim Abschreiben der griechischen Zahlen auch Fehler auftreten konnten, steht auf einemanderen Blatt; vgl. dazu unten Einleitung 3.2.

    34 Vgl. dazu E. Honigmann, Die sieben Klimata und die poleis episemoi (Heidelberg 1929). DieListen, welche in ‹Klimastreifen› (= Breitenzonen) Orte gleicher geographischer Breite zu sam -menstellten und besonders für astronomische Beobachtungen wichtig waren, gehen offenbarauf eine lange, stetig anwachsende Tradition zurück. Kümmerlicher – weil schwieriger zu eruie-ren – dürften die Listen von ‹gegenüberliegenden Orten› gewesen sein.

  • «Denn separat sind an einem Ort, wenn’s gut geht, nur die Breiten zu findenwie etwa in der Übersicht über die Parallelkreise, an einem anderen Ort nurdie Längen wie etwa in der Zusammenstellung der Meridiane; zudem sind inden meisten Fällen nicht die gleichen Orte in den beiden Aufstellungen ange-führt, sondern bei den einen nur die Breitenangaben, bei den andern nur dieLängenangaben» (Geogr. 1,18,4).

    Diese zerstreuten Angaben nach dem bewährten Muster des Sternkataloges imAlmagest übersichtlich in einer Tabelle zusammengetragen zu haben bleibt – wieauch immer er zu den Positionsangaben gekommen ist35 – ein besonderes Ver-dienst des Ptolemaios.

    Bereits im Almagest hatte Ptolemaios einen Plan eines geographischen Wer-kes entworfen:

    «Jetzt fehlt nur noch die Feststellung der geographischen Lage der bedeuten-den Städte jeder Provinz nach Länge und Breite. [...] Die Tabelle mit denbetreffenden Angaben werden wir aber erst als Anhang eines besonderen geo-graphischen Werkes veröffentlichen. [...] Dieses Verzeichnis soll die nötigenAngaben enthalten, wie viele Grade jede Stadt auf dem durch sie gehendenMeridian vom Äquator entfernt ist und wie viele Grade dieser Meridian vondem durch Alex andria gezogenen nach Osten oder Westen auf dem Äquatorentfernt ist» (Synt. 2,13).

    Damit ist zunächst ein selbständiges Verzeichnis der poleis episemoi /der ‹bedeu-tenden› Städte ins Auge gefasst, das dann Geogr. 8,3–28 zur Geltung kommt.36

    Auffallend ist, dass das hier skizzierte Konzept im Laufe der Arbeit mo difiziertworden ist und somit Spuren von einem Entstehungsprozess sichtbar werdenlässt.37 Während an der Almagest-Stelle und im 8. Buch die Länge von Alexan-dria aus gerechnet wird, ist später im übrigen Werk aus praktischen Gründender Nullmeridian an den Westrand der Oikumene, zu den Insulae Fortunatae/Kanarischen Inseln, verlegt worden.38 Dagegen sind die Breitenangaben, diebereits an der Almagest-Stelle in den viel einfacher zu überblickenden Grad -angaben geplant waren und dann auch im Ortskatalog durchwegs so angeführt

    Einleitung

    14

    35 Dazu gleich unten.36 Die in den Procheiroi kanones genannte Liste der poleis episemoi ist verloren; in verschiedenen

    Handschriften sind aber umgestaltete und erweiterte derartige Listen erhalten; vgl. dazu Honig-mann a.O. (oben Anm. 34).

    37 Von verschiedenen Fassungen zu sprechen ist in diesem Zusammenhang nicht gerechtfertigt.38 Die Insulae Fortunatae, unter welchen Ptolemaios eine Insel Kanaria erwähnt, können mit eini-

    ger Zuversicht mit den Kanarischen Inseln identifiziert werden (so H. Berger, L. Berggren/A. Jones, A.S. Santana u.a.), die schon von den Phöniziern besiedelt und den Römern spätestensseit der Expedition Jubas II. (um 20 v. Chr.) sehr wohl vertraut waren (vgl. Plin. Nat.hist. 6,200ff.).Die in Geogr. 4,6,34 genannte Inselgruppe der Makaron Nesoi/Inseln der Glückseligen ist mitder Breitenangabe 10° N–16° N (statt richtig ca. 27° N–29° N) freilich zu weit im Süden ange-setzt, was etwa der Breite der Kapverdischen Inseln (14° N–17° N) entsprechen würde, die aberin der Antike kaum bekannt waren. Umgekehrt ist die Längendifferenz der Inseln unterschätzt,die Ptolemaios praktisch auf demselben Meridian ansetzt, während Hierro und Lanzarote etwa4° 50′ auseinander liegen. – Vgl. dazu bes. A.S. Santana, T.A. Pereira u.a., El conocimiento geo-gráfico de la costa noroccidental de Africa en Plinio: la posición de las Canarias (Hildesheim2002).

  • werden, im 8. Buch, wohl in Anlehnung an die genannten Klimatabellen,39

    in der viel umständlicheren Form nach der Dauer des längsten Tages ange-geben.40

    2.3 Astronomisch-geometrische Grundlagen

    Nach Geogr. 1,2,2 beruhen die verarbeiteten Angaben auf zweierlei Gattungenvon Grundlagen: auf der Auswertung der ‹Reiseberichterstattung› (periodikehisto ria) und auf der Heranziehung von mathematisch-astronomischen Daten:

    «Von besonderer Bedeutung für ein solches Vorgehen ist die Auswertungder Reiseberichterstattung, welche die reichhaltigste Erkenntnis liefert ausder Datenvermittlung von Leuten, die mit wissenschaftlichem Interesseeinzelne Länder bereist haben. Ferner hat unsere Untersuchung und Daten-vermittlung eine geometrische/erdvermessende und eine astronomischeKomponente; eine geometrische, insofern sie durch blosse Vermessung derDistanzen die gegenseitige Lage der Orte aufzeigt, eine astronomische dage-gen, insofern sie mittels Astrolabien und Schattenmessern Beobachtungenam Himmel macht. Dabei ist die astronomische Methode unabhängig undsomit sicherer, die geometrische dagegen gröber und auf jene angewiesen»(Geogr. 1,2,2).

    Ein besonderes Anliegen des Ptolemaios bei seiner ‹Berichtigung› des Erdbildesbestand also darin, in der Tradition des Eratosthenes und des Hipparch astrono-misch gesicherte Daten für die Bestimmung der Örtlichkeiten heranzuziehen, dieals Fixpunkte gleichsam die ‹Grundpfeiler› (themelioi: 1,4,2) für die Kartenzeich-nung bilden sollten. Die geographische Breite konnte relativ einfach bestimmtwerden: entweder aufgrund der Dauer des längsten Tages oder mit dem Gnomon,dem eben genannten Schattenmesser, wobei die Umrechnung der Schattenlängenin Grade mit Hilfe der Sehnentafel (Synt. 1,11) erfolgte.41 Schon längst vor Ptole-maios gab es Listen solcher Schattenlängen oder Tageslängen.42 Ungleich schwie-riger war in Ermangelung genauer, sonnenunabhängiger Uhren die Bestimmungder geographischen Länge mit Hilfe von astronomischen Beobachtungen. Es warein glänzender Einfall des für seine Präzisionsmessungen bekannten AstronomenHipparch (2. Jh. v. Chr.), für die Längenberechnung Ereignisse am Sternen -himmel – etwa die Beobachtung von Sternbedeckungen oder besonders von

    2. Das Werk

    15

    39 Vgl. oben Anm. 34.40 Spuren der Breitenangaben nach der Dauer des längsten Tages haben sich auch in den Karten

    erhalten, sind doch dort jeweils an den Rändern, neben den Leisten mit den Koordinatenanga-ben, auch die Parallelkreise mit den entsprechenden Tageslängen gemäss der Zusammenstel-lung in Geogr. 1,23 eingezeichnet. – Allerdings sind die jetzt im 8. Buch angeführten, mit unge-wöhnlich komplizierten Brüchen ausgedrückten Breitenangaben offensichtlich nachträglich ausden Koordinatenangaben des Ortskataloges umgerechnet.

    41 Am Äquinoktium verhält sich die Läge des Mittagsschattens zur Gnomonhöhe wie tan f(= geogr. Breite): ausführlicher dazu im Kap. Masse und Messungen im Ergänzungsband.

    42 Vgl. oben Anm. 34. Spuren einer solchen Liste von Gnomonschatten bei Vitruv 9,7,1 und Ptol. Synt. 2,6. Vgl. dazu O. Neugebauer,A History of Ancient Mathematical Astronomy (HAMA)(Berlin/New York 1975) Bd. 2, 736–746.

  • Mondfinsternissen – heranzuziehen, eine Methode, auf die Ptolemaios wiederzurückgreift (1,4,2).43

    Die grundsätzlich richtige Methode hatte freilich den Nachteil, dass genaueAufzeichnungen derselben, aber an verschiedenen Orten beobachteten Mond -finsternisse nur selten zur Verfügung standen.44 Somit lagen nur verhältnismässigwenige astronomisch gesicherte Daten vor. Daher sah sich Ptolemaios gezwun-gen, trotz seines rühmlichen Vorsatzes des Öftern auf die zweite Gattung vonGrundlagen, auf die Historiai oder Reiseberichtliteratur, zurückzugreifen.

    2.4 Quellen

    Abgesehen von eigenen Erkundungen45 basiert das Werk des Ptolemaios aufumfangreichem Quellenmaterial, das hier – ohne einer eingehenden Quellenana-lyse vorzugreifen – nach den Angaben im 1. Buch kurz aufgelistet sein soll: Eshandelt sich vor allem um zahlreiche Erkundungsberichte von Handelsreisendenund Seefahrern, die in Form von anspruchslosen Tagebüchern, Logbüchern odersonstigen Reisenotizen vorlagen und die – bei aller Unzuverlässigkeit der Bericht -erstattung – doch meist die Zahl der Reisetage, geschätzte Distanzangaben undgrobe Angaben über Himmelsrichtungen verzeichneten.46 Den Grossteil vonDokumenten dürfte Ptolemaios bei seinem Vorgänger Marinos von Tyros vorge-funden haben, doch ist nicht auszuschliessen, dass ihm einige Schriften auch nochim Original zugänglich waren:

    – Bericht des Diodoros von Samos über Indienfahrten (Geogr. 1,7,6),– Bericht des Septimius Flaccus über einen Feldzug von Libyen zu den Äthio-

    pen (l.c. 1,8,5; 1,10,2; vgl. Abb. 1),– Bericht des Julius Maternus über eine Reise von Garama bis Agisymba in

    Zentralafrika (l.c. 1,8,5; 1,10,2; vgl. Abb. 1),– Bericht des Diogenes, eines Indienfahrers, über seine Rückfahrt (l.c. 1,9,1ff.;

    vgl. Abb. 1),– Bericht des Dioskoros über die ostafrikanische Küste (l.c. 1,9,4; vgl. Abb. 1),– Bericht des Theophilos über eine Fahrt entlang der ostafrikanischen Küste

    (l.c. 1,9,1; 1,14,4; vgl. Abb. 1),– Streckenvermessung (anametresis) des Makedoniers Maës Titianos für einen

    Abschnitt der Seidenstrasse (l.c. 1,11,7; vgl. Abb. 2),– Bericht des Alexandros über die Fahrt nach Kattigara in S-China (l.c. 1,14,1;

    vgl. Abb. 2).

    Einleitung

    16

    43 Die Beobachtung einer Mondfinsternis, die an allen Orten zum selben Zeitpunkt, aber zu verschiedener Ortszeit beginnt, kann zur Berechnung der Längendistanz ausgewertet werden.Ausführlicher dazu im Kap. Masse und Messungen im Ergänzungsband.

    44 Für die Berechnung der Längendistanz zwischen Arbela (am Tigris) und Karthago (bei Tunis)z.B. greift Ptolemaios auf die Mondfinsternis vom 20. September 331 v. Chr. zurück, die Alexan-der der Grosse auf seinem Feldzug erlebte (Geogr. 1,4,2).

    45 Vgl. Geogr. 7,5,1 prosepenoesamen ta men heorakotes etc.46 Vgl. dazu oben Anm. 26.

  • Ausserdem sind, unabhängig von Marinos, einige ältere, recht qualitätvolle Schrif-ten herangezogen worden: Listen von Polhöhen verschiedener Städte und von‹gegenüberliegenden Orten› von Hipparch und seinen Nachfolgern (1,4,2) sowieeine Schrift Über Häfen (Peri limenon: 1,15,2.4) des Timosthenes von Rhodos(3. Jh. v. Chr.).

    In der Auseinandersetzung mit Marinos stützt sich Ptolemaios ausdrücklichauch auf neueste, also nachmarinische Erkundungsergebnisse (ta hypo ton kath’hemas historethenta 1,17 tit.; vgl. ta nyn historumena: 1,17,1). Von besonderemInteresse ist, dass Ptolemaios neben diesen verbalen Rapporten unter seinen Mate-rialien ausdrücklich auch detailliertere Einzelkarten nennt (akribesteroi pinakes:1,19,1), die ihm dazu dienen, widersprüchliche Angaben zu klären.

    Neben diesen im 1. Buch erwähnten Grundlagen lassen sich einige weitereQuellen aus dem Kontext erschliessen. Im Ortskatalog, im 8. Buch sowie in denKarten wird die auf eine lange Tradition zurückgehende Liste der ‹bedeutendenStädte› (poleis episemoi) ausgewertet.47 Für Europa, Afrika und Teile Asiens lagen

    2. Das Werk

    17

    47 Vgl. oben Anm. 34.

    Nil

    T r ogl ody t a

    e

    Garamanten

    Azani a

    Alexandria

    Syene (Assuan)

    Meroë

    DereOkelis

    Rhapta

    Garama (Djerma)

    Agisymba?

    Kap Rhapton

    Kap Prason (Kap Delgado)

    Leptis Magna(Lebda)

    Aromata (Kap Guardafui)

    Septimus Flaccus

    Julius Maternus

    Diogenes &Theophilos

    Dioskoros

    10°

    40°

    50°40°30°20°10°0°

    10° 50°40°30°20°10°0°

    10°

    10°

    20°

    30°

    40°

    10°

    10°

    20°

    30°

    W

    WS

    E

    E

    S

    NN

    Abb. 1: Kartenskizze zu den Land- und Seereisen nach Süden (vgl. Geogr. 1,8f.).

  • offensichtlich Standortverzeichnisse von Legionen vor;48 diese sowie Strassen -verzeichnisse, Listen von Koloniestädten und wohl auch die oben genanntenDetailkarten dürften ihm dank der römischen Provinzverwaltung in Alexandriazugänglich gewesen sein.

    Aufschlussreich ist es, die jüngsten verarbeiteten Angaben zu ermitteln; so sindu.a. Koloniegründungen aus hadrianischer Zeit (117–138 n. Chr.) belegt:

    – Colonia Aelia Mursa, wohl um 133 n. Chr. gegründet (2,15,8),– Jerusalem, «welche jetzt Aelia Capitolina genannt wird», nach 135 n. Chr.

    gegründet (5,16,8; 8,20,18).Umgekehrt sind die Städte, die unter Marc Aurel (161–180 n. Chr.) in den Statuseiner Kolonie versetzt wurden, noch nicht als solche verzeichnet, wie etwa Edessa/Urfa (5,18,10) oder Karrhai/Harran (5,18,12).

    Bei all diesen Quellen aus der Reiseliteratur ist zu bedenken, dass sie für völ-lig andere Bedürfnisse verfasst und für das Vorhaben des Ptolemaios nur sehrbedingt geeignet waren. Für die auf die Praxis ausgerichteten Beschreibungen vonHandelswegen zu Wasser und zu Land waren vor allem die einzelnen Etappen mitihren ‹Landmarks›, den Strassenstationen, Landungsmöglichkeiten und sonstigen

    Einleitung

    18

    48 Im 2. Buch sind 12 Legionen, im 3. Buch 4 (bzw. 5 in Hs. X) Legionen, im 4. Buch 1 Legion undim 5. Buch 3 Legionen genannt. Von solchen Legionsverzeichnissen haben sich tatsächlich Spu-ren erhalten, so in einer Inschrift in Rom von etwa 150 n. Chr. (CIL 6, 3492).

    Abb. 2: Kartenskizze zu den Land- und Seereisen nach Osten (vgl. Geogr. 1,11–14).

    H i m a l a j a

    Limyrike

    Ganges

    Indus

    Palimbothra

    Kolch

    ische

    r Gol

    f

    Gold. Chersones

    Argarischer Golf

    Ta r i m- B e c k

    e n

    T ie n

    S h a n

    Hierapolis Arbela

    Ekbatana (Hamadan)

    Hyrkania

    Antiocheia Margiane

    (Merv)

    Baktra

    Steinerner Turm

    Sera Metropolis(Xi’an?)

    SimyllaPalura Sada

    Kap Komaria (Kap Comorin)

    Kory Kurula

    Tamala

    Zabai?

    Kattigara ?

    Kasp. Pforte

    nach Maës Titianos

    Alexandros

    70°

    40°

    110°100°90°80°

    10°

    10°

    20°

    30°

    E

    S

    N

    60°50°40°30° 120°

    70° 110°100°90°80° E60°50°40°30° 120°

    40°

    10°

    10°

    20°

    30°

    S

    N

  • markanten Orientierungspunkten von Bedeutung,49 während die grossräumigengeographischen Proportionen, wie uns etwa die Tabula Peutingeriana lehrt, ver-nachlässigt werden konnten.50 Für das nach wissenschaftlichen Gesichtspunktenausgerichtete Vorhaben des Ptolemaios dagegen, der bezeichnenderweise auf dieEintragung der Strassen verzichtet, waren gerade die grossräumigen Proportio-nen von Interesse.

    Somit stellte sich für Ptolemaios das methodisch kaum lösbare Problem, diezahlreichen ungenauen und sich oft widersprechenden Angaben aus der Reise -berichtliteratur mit den wenigen astronomisch gesicherten Daten in Einklang zubringen. Wie unbedenklich dabei mit den Daten umgegangen werden musste, lässtder folgende Text erahnen:

    «Es wäre nämlich folgerichtig, dass einer, der nach diesen [astronomischen]Grundsätzen eine Weltkarte zeichnen will, zuerst die durch die sicheren Beob-achtungen gewonnenen Punkte der Zeichnung wie Grundpfeiler (themelioi)zugrunde legt und die aus anderen Quellen gewonnenen Daten diesen an-passt, bis die gegenseitige Lage der Orte so weit als möglich mit den verläss-licheren, nach der ersten Methode gewonnenen Angaben in Einklang steht»(Geogr. 1,4,2).

    In der überwiegenden Anzahl von Fällen, in welchen keine astronomisch be -stimmten Angaben vorhanden waren, dürfte Ptolemaios so vorgegangen sein, dasser die Orte aufgrund von Distanzangaben in Itinerarien, gegebenenfalls aufgrundvon trigonometrischen Berechnungen oder anderen zur Verfügung stehendenHilfsmitteln wie den genannten Karten an einem einigermassen bekanntenKüstenverlauf eingetragen und die entsprechenden Koordinaten an den Rand -leisten der Kartenränder abgelesen hat; anders waren die über zehntausend Koor-dinatenangaben mit einem Genauigkeitsanspruch von 5 Bogenminuten, vondenen höchstens einige Hundert astronomisch bestimmt waren, gar nicht zugewinnen.51 Dass dabei die binnenländischen Orte besondere Schwierigkeitenboten, ist Ptolemaios durchaus bewusst:

    «Bei der Eintragung der Städte kann man zwar die an der Küste gelegenenleichter einzeichnen, da bei ihnen [durch den Küstenverlauf] eine gewisseAnordnung gewahrt wird. Bei den binnenländischen Städten ist dies aber nichtmehr der Fall, da bei ihnen nirgends Angaben über ihre Lage untereinander

    2. Das Werk

    19

    49 Gut dazu K. Brodersen, Terra cognita, Studien zur römischen Raumerfassung (Hildesheim 1995)49ff.

    50 Die auf antiken Vorlagen basierende Tabula Peutingeriana verzichtet bewusst auf die propor-tionsgerechte Darstellung der Land- und Wassermassen und bringt das Kunststück fertig, dasganze römische Strassennetz – einem Metroplan vergleichbar – auf einer langgestreckten Roll-karte von 34× 675 cm zu verzeichnen; vgl. dazu E. Weber, Tabula Peutingeriana. Codex Vindo-bonensis 324 (Graz 1976), Faksimileausgabe mit Kommentar.

    51 Dies ein gewichtiges Argument für die Existenz von Ptolemaios-Karten, die bisweilen in Fragegestellt wird. – Die Parallelität zum Sternkatalog im Almagest ist unübersehbar: Auch dort war– wollte man die vermessenen Sterne einer bestimmten Stelle einer Sternbildfigur zuweisen –eine zeichnerische Darstellung unerlässlich, deren Spuren durch glückliche Umstände in derArat-Überlieferung und der arabischen Tradition erhalten sind; vgl. dazu G. Graßhoff a.O. (obenAnm. 7) 92ff.; A. Stückelberger, Sterngloben und Sternkarten. Zur wissenschaftlichen Bedeutungdes Leidener Aratus, in: Museum Helveticum 47 (1990) 70–81.

  • oder gegenüber den Küstenstädten gemacht werden, ausser in wenigen Aus-nahmefällen, bei welchen zufällig einmal die Länge, einmal die Breite zusätz-lich bestimmt ist» (Geogr. 1,18,6).

    Daraus ergibt sich, dass mit verschiedenen Arbeitsgängen zu rechnen ist: AlsErstes mussten Arbeitskarten nach den im 8. Buch skizzierten Angaben gezeich-net werden, wobei das ältere Konzept mit dem Nullmeridian durch Alexandrianoch sichtbar wird. Erst mit Hilfe dieser Karten konnte nachher der Ortskatalogin der vorliegenden Form geschaffen werden, wo die Längengrade von den In -sulae Fortunatae aus gezählt werden und die Breitenangaben in Grade umge -rechnet sind (vgl. 1,23).52 Bezeichnenderweise heisst es in der Einleitung zum Kartenteil: «wir haben Karten gezeichnet» (epoiesametha pinakes: 8,2,1), wäh-rend im Vorwort zum Ortskatalog regelmässig Futurformen verwendet werden(«wir werden voranstellen» protaxomen: 2,1,6; «wir werden beschreiben» hypo -grap somen: 2,1,7).

    2.5 Inhaltsübersicht

    Das 8 Bücher umfassende Handbuch der Geographie besteht aus drei Teilen:I. Teil: Theoretische Grundlagen (Buch 1 und 7,6f.)

    1,1–5 Grundsätzliche Überlegungen1,6–17 Auseinandersetzung mit Marinos und Berichtigung der Breiten- und Längenangaben 1,18–24 Eigenes Konzept eines geographischen Kartenwerkes

    – Erdglobus (1,22)– Methoden zur Anfertigung (katagraphe) einer Weltkarte:

    – einfache Kegelprojektion (1,24,1ff.): sog. 1. ptolemäische Projektion– modifizierte Kegelprojektion (1,24,10ff.): sog. 2. ptolemäische Projektion– 〈Armillarsphärenprojektion (7,6): sog. 3. ptolemäische Projektion〉

    II. Teil: Ortskatalog von etwa 8000 Örtlichkeiten der Oikumene (Buch 2,1–7,4) (gegliedert nach den im 8. Buch beschriebenen 26 Länderkarten)

    2,1 Einleitung zur Gestaltung der Ortskatalog-Tabellen

    Europa: 2,2–3,172,2f. 1. Karte: Irland und Britannien2,4–6 2. Karte: Spanien 2,7–10 3. Karte: Gallien (Frankreich)2,11 4. Karte: Germanien (Deutschland, Dänemark)2,12–16 5. Karte: Rätien, Noricum, Pannonien, Illyricum (Schweiz, Österreich, Ungarn,

    Ex-Jugoslawien)3,1f. 6. Karte: Italien u. Korsika3,3f. 7. Karte: Sardinien u. Sizilien3,5f. 8. Karte: Europäisches Sarmatien, Tauris (Ukraine, Krim) 3,7–12 9. Karte: Dakien, Mösien, Thrakien (Balkan)3,13–17 10. Karte: Makedonien, Griechenland, Kreta

    Einleitung

    20

    52 Es fallen noch andere Unstimmigkeiten auf, die auf verschiedene Arbeitsgänge hinweisen: Soist gelegentlich im 8. Buch eine andere Reihenfolge der Länder verwendet als nachher im Orts-katalog (z.B. Thule, Hibernia, Albion 8,3,3ff.; Hibernia, Albion mit Thule 2,2ff.), oder es sindBruchteile von Stunden verwendet (1⁄8; 1⁄15; 1⁄90 u.a.), die im Ortskatalog fehlen.

  • Afrika: 4,1–4,84,1f. 1. Karte: Mauretanien (Marokko)4,3 2. Karte: Africa (Algerien, Tunesien)4,4f. 3. Karte: Cyrenaica (Libyen), Ägypten4,6–8 4. Karte: Inneres Afrika, Äthiopien (W-Afrika, Sahel, Äthiopien, Somalia)

    Asien: 5,1–7,45,1–8 1. Karte: Kleinasien, Galatien, Kappadokien (Türkei)5,9 2. Karte: Asiatisches Sarmatien (S-Russland)5,10–13 3. Karte: Kolchis (Georgien), Armenien5,14–20 4. Karte: Zypern, Syrien, Palästina, Mesopotamien (Naher Osten, W-Irak)6,1–6 5. Karte: Assyrien, Medien, Persien (O-Irak, Iran)6,7f. 6. Karte: Arabia Felix (Saudi-Arabien)6,9–14 7. Karte: Baktrien, Land der Sogdianer, W-Skythien (Turkmenien,

    Usbekistan, Kasachstan)6,15f. 8. Karte: O-Skythien, Serike (Tarim-Becken, Zentralchina)6,17–21 9. Karte: Areia, Gedrosien (Afghanistan)7,1 10. Karte: Indien westlich des Ganges (Pakistan, Indien)7,2f. 11. Karte: Indien östlich des Ganges, Land der Sinen (Hinterindien, Indochina,

    S-China)7,4 12. Karte: Taprobane (Ceylon/Sri Lanka)

    7,4,14 Abschluss des Ortskataloges und Überleitung zum Kartenteil

    III. Teil: Kartenatlas (Buch 7,5–8,28)

    7,5 Weltkarte nach Kegelprojektion mit Begleittext (hypographe)7,6 Armillarsphärenprojektion: s.o.7,7 Begleittext zur Armillarsphärenprojektion (Karte verloren)

    8,1–2 Anleitung zum Zeichnen der 26 Länderkarten8,3–28 Umschreibungen (hypographai) der Kartenumrisse der einzelnen Länder karten und

    Auf zählung der poleis episemoi:8,3–12 10 Europa-Karten8,13–16 4 Afrika-Karten 8,17–28 12 Asien-Karten

    (8,29–30 Länderliste und Angaben über Längen- und Breitenausdehnungen der einzelnen Karten;nachptolemäische Nachträge)

    I. Teil: Theoretische Grundlagen (1,1–24; 7,6)1,1–5: Die theoretische Einleitung beginnt mit einer Abgrenzung der mehr auf dieGesamtschau ausgerichteten Geographie gegenüber der mehr topographischeEinzelheiten ins Auge fassenden Chorographie. Anschliessend befasst sich Ptole-maios mit den notwendigen Grundlagen: Er erörtert den Umgang mit den nurbedingt zuverlässigen Reiseberichten und gibt den astronomischen Messungenklar den Vorzug. Dies gibt ihm Gelegenheit, einige astronomische und geometri-sche Messmethoden zu erklären.53

    1,6–17: Der überwiegende Teil des 1. Buches befasst sich – in ständiger Aus-einandersetzung mit seinem Vorgänger Marinos von Tyros – mit der Bestimmungder Breiten- und Längenausdehnung der Oikumene. Ptolemaios unterzieht dabeidas von Marinos oft recht unbedenklich verwendete Material – es handelt sich

    2. Das Werk

    21

    53 Ausführlicher dazu das Kap. Masse und Messungen im Ergänzungsband.

  • dabei vornehmlich um Reiseberichte, ab und zu ergänzt durch eine Himmels -beobachtung (etwa 1,7,4f.) – einer kritischen Prüfung und ist bemüht, die vonMarinos weit überschätzten Breiten- und Längenangaben – seinerseits mit rechtpauschalen Methoden (z.B. 1,12,1) – zu reduzieren. Dabei ‹berichtigt› er der Reihenach die Reiseberichte über Landrouten und Seerouten nach Süden und dann die-jenigen über die Landroute (Seidenstrasse) und die Seeroute nach Osten. Wenndas nachher in den Karten sich präsentierende Weltbild des Ptolemaios besondersin den südlichen und östlichen Regionen überdehnt erscheint, wird man ihm somithöchstens den Vorwurf machen können, die Distanzangaben des Marinos nichtgenügend reduziert zu haben: Die südlichsten Orte der bekannten Welt, so dasKap Prason (wohl das Kap Delgado an der ostafrikanischen Küste: ca. 11° S), hatteMarinos auf den südlichen Wendekreis (23° 50′ S) verlegt (1,7,2); Ptolemaios kor-rigiert auf 15° 30′ S. Die Längenausdehnung der Oikumene hatte Marinos auf 15 Stundenabschnitte bzw. 225° veranschlagt (1,11,1); Ptolemaios verkürzt – inErmangelung von astronomischen Angaben aus dem Fernen Osten mit recht pau-schaler Schätzung – die Distanz von den Insulae Fortunatae am Westrand derOikumene bis nach Sera, der Hauptstadt der Serer in China, auf den halbenErdumfang bzw. auf 180° (von den Kanarischen Inseln bis nach Xi’an, einer mög-lichen Identifizierung von Sera, sind es lediglich ca. 124°).

    1,18–24: Von besonderem Gewicht ist das anschliessende Konzept eines eige-nen geographischen Werkes, das – anders als bei den zerstreuten Materialsamm-lungen des Marinos (1,18) – übersichtlich und benutzerfreundlich sein sollte(1,19). Neben einer nur kurz entworfenen Konstruktion eines Erdglobus (1,22)54

    galt das Hauptinteresse des Ptolemaios der planimetrischen Darstellung derOikumene, insbesondere der Anleitung zur Anfertigung (katagraphe) einer Welt-karte. Dabei ging es um das Problem, wie eine Kugeloberfläche sinnvoll auf eineEbene übertragen werden kann. Die seit Eratosthenes geläufige Zylinderprojek-tion, nach der auch Marinos in einem rechtwinkligen Rastersystem die Örtlich-keiten eingetragen hatte, führt bekanntlich in den Polarregionen zu grossen Ver-zerrungen (vgl. 1,20,2ff.). Demgegenüber propagiert Ptolemaios die neuartige,höchst ansprechende Methode einer Kegelprojektion, welche die Strecken- undFlächenverhältnisse auf der Kugeloberfläche ungleich realistischer wiedergibt. Erentwirft zwei Varianten und gibt mit Skizzen begleitete detaillierte Konstruktions-anleitungen: 1,21 und 1,24,1–9 eine Variante mit geraden Meridianen (sog. 1. pto-lemäische Projektion) und 1,24,10–29 eine noch raffiniertere Variante mit ge -krümmten Meridianen, welche die Kugelgestalt der Erde noch besser nachahmt(sog. 2. ptolemäische Projektion).

    Am Schluss des 7. Buches greift Ptolemaios nochmals das Problem der Projek-tionsmethoden auf und entwirft 7,6 – gewissermassen als geistvolles Konstruk-tionsexperiment – eine dritte, noch viel kompliziertere Projektionsmethode, welche inhaltlich eigentlich die Gedankengänge von 1,24 fortsetzt. Da die Pa r - allelkreise und Meridiane der Erdkugel ursprünglich als Projektionen der Him-melskreise betrachtet wurden,55 lag es nahe, dieses Konzept bildlich zu veranschau-lichen: Die Erde wird innerhalb einer Armillarsphäre (krikothe sphaira) gedacht,

    Einleitung

    22

    54 Sie lehnt sich im Prinzip an die im Synt. 8,3 vorgeführte Konstruktion eines Himmelsglobus an.

  • und die Konstruktion versucht, das dreidimensionale Modell in eine plani -sphärische Zeichnung umzusetzen. Das höchst anspruchsvolle Konstruktions -verfahren, das – wenn auch nicht widerspruchslos – versucht, perspektivische Wir-kungen zu berücksichtigen, hat freilich kaum praktische Verwendung gefunden.56

    II. Teil: Ortskatalog (2,1–7,4)Den Hauptteil der Geographie nimmt ein ausführlicher Ortskatalog ein, in wel-chem nach unserer Zählung 6345 Örtlichkeiten der Oikumene – Städte, Dörfer,Vorgebirge, Buchten, Flussmündungen, Berge, Seen und dergleichen – mit Län-gen- und Breitenangaben in Graden und Bruchteilen von Graden (mit einemGenauigkeitsanspruch von 1⁄12° = 5′) verzeichnet sind. Dazu kommen 1404 Völ-ker- und Landschaftsbezeichnungen, die ohne Koordinatenangaben mit ungefäh-rer Lokalisierung angeführt werden. Rechnet man die knapp 200 grossflächigenLänder- und Meeresbezeichnungen dazu, kommt man auf die in der Literaturgewöhnlich genannte Zahl von etwa 8000 Toponymen.

    Ptolemaios verwendet ein dem unseren vergleichbares Koordinatensystemmit ‹Länge› (mekos) und ‹Breite› (platos), wobei er die Längengrade vom Null-meridian durch die Insulae Fortunatae am Westrand der Oikumene,57 die Brei-tengrade vom Äquator nach Norden und Süden zählt. Dabei sind die Breiten -angaben im Mittelmeerraum und in den unmittelbar angrenzenden Ländern meisterstaunlich genau, in den südlichen und nördlichen Randregionen meistens deut-lich überschätzt (z.B. Meroë 16° 25′ statt richtig 16° 56′; Alexandria 31° statt 31° 15′; Athen 37° 15′ statt 37° 55′; Paris 48° 30′ statt 48° 55′; dagegen Kap Prason/Kap Delgado 15° 30′ S statt 11° S; London 54° statt 51° 30′).58 Die viel schwieri-ger zu bestimmenden Längenangaben sind weit weniger zuverlässig: Wie jederflüchtige Blick auf die ptolemäische Weltkarte zeigt, sind die Längendistanzenganz im Westen stark gestaucht – das ‹Horn des Westens› (etwa Kap Verde: 4,6,7)ist praktisch auf gleicher Länge wie Gibraltar –, im übrigen Teil, besonders im Fer-nen Osten, dagegen stark in die Länge verzerrt; so sind es nach Ptolemaios z.B.von Gibraltar (2,4,6) bis zur westlichsten Gangesmündung (7,1,18) 137 (statt rich-tig nur 95) Längengrade.

    Die ganze Fülle von Ortsangaben ist auf 84 Länder verteilt,59 die jeweils nacheinem streng gegliederten Schema beschrieben werden: Zu Beginn einer Länder-

    2. Das Werk

    23

    55 Folgerichtig ist des Öfteren die Ortsangabe «unter dem Parallelkreis» anzutreffen, wo wir «aufdem …» sagen würden.

    56 Immerhin sind in einigen späten lateinischen Handschriften einige schöne, freilich erst in derRenaissance rekonstruierte Illustrationen erhalten, so im Cod. Parisinus Lat. 4801, fol. 74 (abge-bildet bei G. Aujac a.O., oben Anm. 1, Taf.1).

    57 Zur Lokalisierung s. oben Anm. 38.58 Berücksichtigt man den systembedingten Fehler bei der Messung von Gnomonschatten von

    –16′, erweisen sich die ptolemäischen Angaben als noch genauer: mehr dazu im Kap. Masse und Messungen im Ergänzungsband.

    59 So die ursprüngliche Länderzahl, wenn die Thrakische Chersones (3,12) als einzelnes Land mit-gezählt wird; nach einigen Hss., in denen diese zu Thrakien gerechnet wird, sind es nur 83. – Dabeim Abschreiben bisweilen hervorgehobene Untertitel, die nur Regionen bezeichnen, irrtüm-lich als Kapitel- bzw. Länderüberschriften interpretiert wurden (z.B. 5,7 Klein-Armenien),herrscht in der Überlieferung hinsichtlich der Länderzahl Verwirrung.

  • beschreibung steht ein periorismos, d.h. eine Umgrenzung nach allen vier Him-melsrichtungen, die – je nach geographischer Lage des Landes – eine Beschrei-bung der Küstenlinie oder eines Flussabschnittes u. dergl. enthält. Darauf folgteine Beschreibung des Landesinnern, beginnend – so vorhanden – mit einerhydro- oder orographischen Liste des Binnenlandes. Daran schliesst sich eine Auf-zählung der Binnenstädte an, die nach Völkern oder Regionen geordnet sind. DenAbschluss bildet – so vorhanden – eine Liste der vorgelagerten Inseln.

    Zur übersichtlichen Darstellung der Tausenden von Zahlen verwendet Ptole-maios, nach dem bewährten Muster des Sternkataloges im Almagest, die Tabel-lenform:

    «Deswegen haben wir auch die Gradangaben zu jedem Ort am äusseren Randjeder Spalte in Tabellenform hinzugesetzt, ... damit die Möglichkeit besteht,wenn infolge weiterer Erforschung irgendwelche besseren Resultate anfallensollten, diese in die leeren Zwischenräume der Spalten einzutragen» (Geogr.2,1,3).

    Allem Anschein nach ist eine solche hier ins Auge gefasste Präzisierung der Koor-dinaten tatsächlich an die Hand genommen worden. Eine der wichtigsten Hand-schriften, der Codex Vaticanus Graecus 191 (= X), weicht in zahlreichen Positions-angaben60 von den übrigen Handschriften ab. Es handelt sich dabei offenbar umSpuren einer Überarbeitung; ob diese noch von Ptolemaios in Angriff genommenworden ist,61 bleibt allerdings ungewiss.

    Für die verschiedenen Teile der Oikumene stand Ptolemaios ganz unterschied-lich reichhaltiges Material zur Verfügung. Besonders zahlreich sind die Angabenfür die Küstengebiete im Mittelmeerraum (an der nordafrikanischen Küste vonGibraltar bis zur Nilmündung verzeichnet er über 150 Örtlichkeiten), aber auchfür die gut erschlossenen römischen Provinzen in Spanien, Gallien und Klein-asien. Bemerkenswert detailliert sind sodann die Angaben zum Nillauf, welchedie im heutigen Sudan gelegenen Nilschlaufen, die Aufgabelung in den Weissenund Blauen Nil (bei Khartoum) und eine weiter südlich gelegene Auf gabelung(etwa bei Malakal) nennen und im Quellgebiet des Nils verschiedene Seen an -führen (4,7,20–24). Viel spärlicher und hypothetischer sind dagegen erwartungs-gemäss die Angaben für die inneren Teile Afrikas und Asiens. Aber auch die auf-fallend reichen Angaben für die nicht zum Römischen Reich gehörende MagnaGermania – es werden neben zahlreichen Volksstämmen immerhin 95 Städtegenannt – sind so unbestimmt, dass sich nur die wenigsten Orte identifizieren las-sen.

    Neben den Siedlungen und markanten Geländepunkten sind im Ortskatalogauch Standorte von 21 römischen Legionen verzeichnet sowie die Provinzgren-zen und in Ägypten sogar die auf die Ptolemäerzeit zurückgehenden internen Ver-waltungsbezirke (nomoi).

    Recht spärlich finden sich auch Aussagen über die Tier- und Pflanzenwelt oderüber Mineralienvorkommen: In Äthiopien werden z.B. Elefanten, Tiger und

    Einleitung

    24

    60 Die Koordinatenangaben brechen in X allerdings 5,13,17 unvermittelt ab.61 So Polaschek a.O. (oben Anm. 1) 717 glaubt darin eine Rezension erkennen zu können, die

    Ptolemaios noch in Angriff genommen, aber nicht mehr vollendet habe; vgl. unten Anm. 106.

  • Nashörner erwähnt (4,8,4; 1,9,9), in Germanien werden Eisenminen genannt(2,11,23). Auffallend zahlreich sind derartige Angaben in Indien und SO-Asien,wo auf Diamant- und Beryllvorkommen, auf Gold-, Silber- und Kupferminenu.a.m. verwiesen wird (7,1,80.86; 7,2,17ff.; 7,4,1).62

    III. Teil: Kartenatlas (7,5–8,29)Nach dem Abschluss des Ortskataloges folgt ein eigentlicher geographischerAtlas mit den dazugehörenden hypographai, d.h. den unmittelbar zu den Kartengehörenden Begleittexten:63

    In der hypographe zur Weltkarte (7,5) fasst Ptolemaios das Gesamtbild derOikumene zusammen. Sie hat von Süden (Antimeroë 16° 25′ S) bis nach Norden(Thule 63° N) eine Ausdehnung von knapp 80° oder – nach seiner Umrechnungvon 500 Stadien pro Breitengrad – von knapp 40 000 Stadien. Die West-Ost-Aus-dehnung von den Insulae Fortunatae bis zu den Städten Sera und Sinai (in China)umfasst nach ihm, wie gesagt, volle 180° oder 90 000 Stadien. Ptolemaios rechnetsomit mit einem kleineren Erdumfang von 180 000 Stadien (umgerechnet mit denzur Zeit des Ptolemaios gebräuchlichen Stadienmassen von 185 m = 33 300 km,bzw. von 197,3 m = 35 514 km) als seinerzeit Eratosthenes.64 Nach Norden, Südenund Osten grenzt er die bekannte Oikumene von der anschliessend folgendenterra incognita ab. Dabei ist auffallend, dass hier (7,5,4f.) ganz hypothetisch voneiner auch in den Weltkarten dokumentierten Landbrücke die Rede ist, die ganzim Süden Afrika mit Indien verbindet und den Indischen Ozean somit zu einemBinnenmeer (pelagos) macht.65 Zur hypographe gehörte die Weltkarte, die wahr-scheinlich ursprünglich je in einer Ausführung nach der ersten und der zweitenKegelprojektion beigegeben war.66

    In 7,7 folgt die hypographe zur Armillarsphärenprojektion, unmittelbar imAnschluss an deren katagraphe in 7,6, die, wie gesagt, eigentlich die Fortsetzungvon 1,24 bildet. Die dazugehörende Karte dürfte wegen ihrer Kompliziertheitschon früh verloren gegangen sein.

    2. Das Werk

    25

    62 Vgl. den Sachindex. – Man mag die eine oder andere derartige Angabe für einen späteren Zusatzhalten (so etwa 6,7,11; 7,2,31); sie allesamt auszusondern geht nicht an, da vergleichbare Anga-ben im 1. Buch fest im Text verankert sind (vgl. etwa 1,9,9).

    63 Ptolemaios unterscheidet klar zwischen katagraphe und hypographe: Unter katagraphe verstehter die auf Grund ausführlicher Konstruktionsanweisung vorgenommene Anfertigung einerKarte (so etwa 1,20,1.3; 1,24 tit.; 1,24,1; 7,6,1; vgl. 7,4,14). Unter hypographe (gerne in Verbin-dung mit kephalaiodes/summarisch) versteht Ptolemaios den unmittelbar zur Kartenzeichnunggehörenden ‹summarischen› Begleittext bzw. die praktischen Vorgaben zur Anfertigung derKarte; sie richtet sich in erster Linie an den Kartenzeichner (so etwa 7,5 tit.; 7,7 tit.; 7,7,1; 8,1,2hypographai kephalaiodeis; vgl. 8,2 tit.).

    64 Eratosthenes hatte bei seiner Berechnung einen Erdumfang von 252 000 (allerdings kürzeren)Stadien erhalten, was 700 Stadien pro Äquatorgrad ausmacht (umgerechnet mit dem für Era to sthenes wahrscheinlichsten ägyptischen Stadion von 157,5 m ergibt dies einen Wert von 39 690 km); ausführlicher dazu im Kap. Masse und Messungen im Ergänzungsband.

    65 Auch auf den entsprechenden Teilkarten Afrika 4 und Asien 11 finden sich Ansätze dazu.66 Es fällt auf, dass in den beiden ältesten, sonst nahe untereinander verwandten Textzeugen, im

    Urbinas Graec. 82 und im Sergaliensis GI 57, je eine der beiden Projektionen wiedergegebenist, die sich möglicherweise beide in der Vorlage vorfanden.

  • Im Anschluss daran wird sodann zu Beginn des 8. Buches das Konzept der vor-gesehenen Einzelkarten entworfen (8,1). Diese brauchen nach Ptolemaios durch-aus nicht alle denselben Massstab (allelois symmetroi) zu haben, sondern kön-nen ihre Proportionen nach der Zahl der einzutragenden Gegenstände richten(8,1,5).67 Angesichts der geringen Verzerrungen genüge hier auch, im Gegensatzzur Weltkarte, ein rechtwinkliges Koordinatensystem (8,1,6).68 Dabei gelte esaber, die richtigen Proportionen der Längengrade, gemessen auf dem mittlerenParallelkreis der jeweiligen Karte, gegenüber den Breitengraden bzw. den Ver-kürzungsfaktor zu berücksichtigen, der im anschliessenden Teil für jede einzelneKarte mit erstaunlicher Genauigkeit angeführt wird.69

    In 8,3–28 werden sodann die hypographai kephalaiodeis, d.h. die ‹summa -rischen Begleittexte› zu den 26 Länderkarten, angeführt und die dazugehörendenpoleis episemoi aufgelistet70. Sie sind aufgeteilt nach den drei Kontinenten: 10 Europa-Karten, 4 Afrika-Karten, 12 Asien-Karten. Diese 26 Länderkarten, diein den ältesten und kostbarsten Kartenhandschriften (Codex Seragliensis GI 57,Codex Urbinas Graecus 82, Codex Marcianus Graecus 516) präsentiert werden,sind erst in spätbyzantinischer Zeit in 64 Länderkarten (+ 1 Weltkarte) aufgeteiltworden, so etwa im Codex Florentinus Laurentianus XXVIII,49.71

    Dass Ptolemaios diese Karten nicht selber gezeichnet hat, sondern diese Auf-gabe einem Spezialisten übertragen haben dürfte, ist anzunehmen. Ein solcher,wohl späterer Spezialist ist dank einer Notiz in zahlreichen Handschriften demNamen nach bekannt: «Auf Grund der acht Bücher der Geographie des KlaudiosPtolemaios habe ich, der Ingenieur Agathodaimon aus Alexandria, die gesamteOikumene zeichnerisch dargestellt (hypetyposa).»72

    Einleitung

    26

    67 Der Gedanke der Massstäblichkeit im strengen Sinn des Wortes, dass nämlich ein Kartenblattin einem definierten numerischen Verhältnis zur abgebildeten Wirklichkeit steht, ist in derAntike nicht belegt. Wohl aber geläufig war die hier angesprochene Methode, je nach Dichteder einzutragenden Objekte ein kleineres oder grösseres Gebiet darzustellen. Neu bei Ptole-maios ist, dass er bei solchen Teilkarten ein bestimmtes, der Breitenlage entsprechendes Verhält-nis von Längen- und Breitengrad postuliert.

    68 Die Trapezform der Länderkarten, die an sich den wahren Proportionen näher kommt, ist erstin späteren lateinischen Handschriften belegt.

    69 Die Längengrade (Lf) nehmen vom Äquator (Läqu) zum Pol in einer Cosinuskurve ab (Lf = Läqu · cos f): Näheres dazu im Kap. Masse und Messungen im Ergänzungsband.

    70 Die hier zur Lagebezeichnung der poleis episemoi verwendeten Stundenangaben mit ihren sehrkomplizierten, ungewöhnlichen Brüchen sind offensichtlich sekundär aus den Gradangabenhergeleitet.

    71 Der Cod. Florentinus Laurentianus XXVIII, 49 aus dem frühen 14. Jh. ist der älteste Beleg fürdie Aufteilung in 64 Länderkarten.

    72 So jeweils am Schluss des Werkes im Cod. Urbinas Graec. 82, Cod. Seragliensis GI 57, Cod. Mar-cianus 516 u.a. Hss. Dass sich die Subscriptio auf das gesamte Kartenwerk bezieht und nicht nur– wie gelegentlich vermutet – auf die Weltkarte, geht aus der ausdrücklichen Berufung auf die«acht Bücher der Geographie» hervor. – Agathodaimon ist zeitlich nicht genau einzuordnen;immerhin wird man ihn in die Nähe des Ptolemaios rücken müssen, da mit dem fortschreiten-den Verfall des alexandrinischen Wissenschaftsbetriebes (270 n. Chr. Zerstörung des Palastbe-zirkes durch Zenobia, 391 Zerstörung des Serapeions durch Theophilos) eine derart anspruchs-volle Arbeit immer unwahrscheinlicher wird. – Abgesehen von der Agathodaimon-Subscriptiobeziehen sich auch andere weit in die handschriftliche Tradition zurückreichende Zusätze amSchluss des 8. Buches auf die Herstellung bzw. das Vorliegen von Karten, so 8,30 die Liste der