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    Interreligises Lernen aus der Sicht katholischer Kirche und Theologie *

    Hans Zirker

    1. Interreligises Lernen ein traditionsloser BegriffDie Stichwrter interreligises und interkulturelles Lernen (oder auch sprachliche

    quivalente) haben in kirchlicher und theologischer Sprache keine Tradition. Auch wenn

    es den damit gemeinten geistigen Austausch im Christentum faktisch von der Antike her

    intensiv gab1, so tat und tut man sich doch schwer, ihn theologisch zu wrdigen. Noch die

    zweite Auflage des Lexikons fr Theologie und Kirche aus den 50er und 60er Jahren ent-

    hielt keine entsprechenden Artikel, selbst nicht zu Dialog (nur zu Dialoge2; aber hier

    geht es um das literarische Genus interreligiser Polemik gegen Juden und Hretiker so-

    wie philosophischer Dispute, weit entfernt von interkulturellen Bildungsvorgngen). Auchdas differenziertere Register bietet keine diesbezglichen Verweise. Wenn man in diesem

    reprsentativen theologischen Werk danach Ausschau hlt, in welchem Zusammenhang

    und unter welcher Begrifflichkeit die anderen Religionen als Faktoren wahrgenommen

    worden sein knnten, die das kirchliche Leben und Lernen beeinflussen (so dass nicht nur

    die Menschen der anderen Religionen Adressaten der Mission wren), dann stt man auf

    den Terminus Akkomodation3. Dieser aber steht fr eine strategische Anpassung des

    Missionssubjekts an das Missionsobjekt und umfat alle Bestrebungen, die darauf hi-

    nausgehen, dem Volksgeist, den Lebensbedingungen und der bisherigen Kulturentwick-

    lung innerhalb bestimmter Grenzen entgegenzukommen4. Welch sprachlich symptomati-

    sche Formulierung! Dabei unterscheidet der entsprechende Lexikon-Artikel zwischen einer

    didaktisch-pdagogischen Akkomodation als Forderung der natrlichen Klugheit5 und

    einer inkorporativen Akkomodation, die darauf ausgerichtet ist, die natrlichen Werte der

    nichtchristlichen Kulturen zu wahren6. Allein in dieser letzten Hinsicht ist ein zaghafter

    Ansatz von interreligisem Lernen gegeben. Aber das Thema Akkomodation ist zugleich

    hchst belastet durch den Ritenstreit des 17./18. Jahrhunderts: die heftigen Auseinan-

    dersetzungen um die Erlaubtheit ostasiatischer Ausdrucks- und Handlungsformen in der

    * Erstverffentlichung in: Folkert Rickers / Eckart Gottwald (Hg.), Vom religisen zum interreligisen Lernen.Wie Angehrige verschiedener Konfessionen lernen. Mglichkeiten und Grenzen interreligiser Verstndi-gung, Neukirchen-Vluyn 1998, 5169; fr die Online-Publikation berarbeitet; und in der Literaturbercksich-tigung exemplarisch aktualisiert.1Vgl. etwa Peter Stockmeier, Glaube und Kultur. Studien zur Begegnung von Christentum und Antike, Ds-seldorf 1983, bes. 60105: Christlicher Glaube und antike Religiositt; 106119: Christlicher Glaube und an-tikes Ethos; 120137: Zur Begegnung von Christentum und Antike; 205226: Theologie und kirchliche Nor-men im frhen Christentum.2Vgl. Hugo Rahner, Dialoge, in: LThK23 (1959), 339f.3

    Karl Mller,Akkomodation III. Missionarische A., in: LTHK2

    1 (1957), 243f.4Ebd. 243 mit Zitat aus J. Thauren, Die Akkomodation im katholischen Heidenapostolat, Mnster 19275Ebd.6Ebd. 243f in deutlicher Abgrenzung vom geoffenbarten Heilsgut.

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    katholischen Missionspraxis am Ende standen 1742 und 1744 die Verbote fr China und

    Indien. Damit war auch Akkomodation berhaupt eine weithin bedenkliche Sache.

    hnlich aufschlussreich ist in diesem Lexikon der Artikel zum Begriff Synkretismus7:

    Offensichtlich ist die Verschmelzung verschiedener Religionen und Kulte im Sinn von

    Religionsvermengung ein durchweg so negativ eingeschtzter Vorgang, dass der Gedan-

    ke fernliegt, es knne sich dabei auch um interreligis bereichernde Erfahrungs- und Lern-

    prozesse handeln. Dementsprechend wird hier der Blick zwar auf die Religionsgeschichte

    im Umfeld des Christentums, nicht aber auch auf dieses selbst gerichtet.

    Es ist fr den Umbruch theologischen Denkens bezeichnend, dass in der dritten Auflage

    des Lexikons fr Theologie und Kirche unterAkkomodation III. Missionswissenschaftlich

    nur noch der Verweis zu finden ist Inkulturation8. Dieser Begriff der vorausgehenden

    Auflage ebenfalls noch vllig fremd ist hier aber ganz anders als zuvor Akkomodation

    von vornherein bezogen auf das wechselseitige Verhltnis der christlichen Botschaft

    und der Vielfalt von Kulturen, jenen dauernden Proze, in dem das Evangelium in einerbestimmten sozio-politischen und religis-kulturellen Situation so zur Sprache kommt, da

    es sich nicht blo mit Elementen dieser Situation ausdrckt, sondern zu deren inspirieren-

    der, bestimmender und transformierender Kraft wird und damit zugleich eine Bereicherung

    fr die universale Kirche darstellt9.

    Einer solchen theologischen uerung gegenber ist freilich mehreres zu bedenken:

    die Anerkennung wechselseitiger Bereicherung von Kirche und Kulturen besagt noch

    nichts ber den didaktischen Charakter dieses Verhltnisses, also ber dessen Planbar-

    keit, vorrangige Motive, Ziele, Inhalte, gar Methoden; wer sich fr interkulturelles Lernen ausspricht, tut dies damit nicht auch schon fr interre-

    ligises.

    2. Wechselnde Perspektiven und Wertungen

    Kirchliches Bewusstsein reprsentiert sich auf verschiedenen Ebenen wer nach Kirche

    fragt, kann sich eigentlich nicht (wie es im folgenden notgedrungen geschieht) mit lehramt-

    lichen uerungen und theologischer Literatur begngen; aber auch diese Belege sind

    schon aufschlussreich.

    2.1 Amtliche uerungen

    2.1.1 Gesamtkirchlich

    2.1.1.1 Das Zweite Vatikanische Konzil

    Fr das heutigeVerhltnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen grundlegend ist

    in erster Linie das Zweite Vatikanische Konzil, das gerade dazu einige eigene Erklrung

    7

    Otto Biehn, Synkretismus, in:LThK2

    9 (1967), 1233.8LThK31, 292.9Giancarlo Colltet / Andreas Feldkeller / Klaus Schatz / Roert J. Schreiter / Thomas Groome, Inkulturation,in: LthK35 (1995), 504510, hier 504 (Collet); darber hinaus s. Anm. 78.

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    (Nostra aetate) verffentlichte; doch sind fr die interreligisen Beziehung auch andere

    konziliare Dokumente aufschlussreich, vor allem dasDekret ber die Missionsttigkeit der

    Kirche (Ad gentes)10 und die dogmatische Konstitution ber die Kirche (Lumen genti-

    um11). Eher beilufig ist von den anderen Religionen in dem Dekret ber die Ausbildung

    der Priester (Optatam totius)die Rede, wo zu einem Studium aufgefordert wird, das zur

    gediegenen Kenntnis derjenigen fremden Religionen fhrt, die in den betreffenden Ge-

    genden strker verbreitet sind12 eine symptomatische Einschrnkung, die das eher pas-

    toral-pragmatische als systematisch-theologische Interesse erkennen lsst. Allgemeiner

    auf die Nichtchristen, denen gegenber man gesprchsfhig sein msse, beziehen sich

    dieErklrung ber die christliche Erziehung (Gravissimum educationis)13und diePasto-

    rale Konstitution ber die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) 14. Darber hin-

    aus sind aber bei der Verquickung von interreligisen und interkulturellen Beziehungen

    auch all die uerungen des Konzils von Bedeutung, in denen die Kirche sich und die ein-

    zelnen Christen einfach auf die fremden Kulturen verwiesen sieht, um von ihnen zu ler-nen15, auf dem Weg zu einer Universalkultur16.

    Von der Sache her knnte man erwarten, dass sich vor allem auch die dogmatische

    Konstitution ber die gttliche Offenbarung (Dei Verbum) dazu uern msste, was die

    anderen Religionen fr die Menschheit, fr das Wort Gottes unter den Menschen bedeu-

    ten; aber dieses Dokument fllt dafr aus. Der Grund ist fr das Thema interreligises Ler-

    nen erheblich: Insgesamt kann das Konzil in seinen verschiedenen Dokumenten die Reli-

    gionen zwar als beachtliche menschliche Kulturen wrdigen, kann ihnen zugestehen, dass

    sie nicht einfach Irrtum sind, dass in ihnen vielmehr auch Elemente der Wahrheit enthaltensind,Saatkrner des Wortes17; und doch kann es die anderen Religionen nicht selbst als

    Medien ansprechen, ber die sich Gott mitteilt, als Wege, auf denen er den Menschen na-

    he kommt. Einerseits wird von allen Christglubigen (nicht nur von den Missionaren) er-

    wartet, dass sie in aufrichtigem und geduldigem Zwiegesprch ... lernen, was fr Reich-

    tmer der freigebige Gott unter den Vlkern verteilt hat; doch zugleich sollen sie sich be-

    mhen, diese Reichtmer durch das Licht des Evangeliums zu erhellen, zu befreien und

    unter die Herrschaft Gottes, des Erlsers, zu bringen.18Um dieses Zieles willen sollen sie

    an den kulturellen und sozialen Angelegenheiten der Vlker teilnehmen, mit ihren nati-onalen und religisen Traditionen vertraut sein.19Das Verhltnis zu den anderen Religio-

    nen behlt hier seinen Charakter dogmatischer berlegenheit: Die Kirche wei ber die

    10Bes. Nr. 11.11Nr. 11.12Ebd. Nr. 16.13Nr. 11.14Nr. 92.15Z. B. Gaudium et spes,Nr. 536216Ebd. Nr. 6117

    Ad gentes, Nr. 11: semina verbi, im Anschluss an, die Rede vom spermatiks lgos bei Justin, 2. Apol.8,3; 13,3; PG 6, 457 u. 465.18Ad gentes, Nr. 11.19Ebd.

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    anderen Religionen zu befinden, kann ihnen sagen, wie es eigentlich um sie steht, und

    ihnen aus den Verdunklungen ans Licht helfen. Die katholische Kirche lehnt nichts von al-

    ledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist Mit aufrichtigem Ernst betrachtet

    sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die ... nicht selten

    einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.20

    Aber die geistlichen und sittlichen Gter und auch die sozial-kulturellen Werte, die die

    Christen bei den nichtchristlichen Vlkern anerkennen, wahren und frdern sollen21, sind

    letztlich die religisen Elemente, die als die eigenen wahrgenommen werden knnen.

    Dies unterstreicht die globale Lage- und Aufgabenbeschreibung im Missionsdekret: Es

    gibt zwei Milliarden Menschen und ihre Zahl nimmt tglich zu , die groe, festumrissene

    Gemeinschaften bilden, die durch dauerhafte kulturelle Bande, durch alte religise Traditi-

    onen, durch feste gesellschaftliche Strukturen zusammengehalten sind und die das Evan-

    gelium noch nicht oder doch kaum vernommen haben. Die einen gehren einer der

    Weltreligionen an, andere bleiben ohne Kenntnis Gottes, andere leugnen seine Existenzausdrcklich oder bekmpfen sie sogar. Um allen Menschen das Geheimnis des Heils und

    das von Gott kommende Leben anbieten zu knnen, mu sich die Kirche all diesen Grup-

    pen einpflanzen.22

    Diese Implantation der Kirche kann aber nur gedacht werden in Kulturen und Gesell-

    schaften, nicht in Religionen; die Vielheit der Religionen sollte bei solchem Missionsver-

    stndnis durch die Implantation der Kirche, d.h. durch die Verbreitung des christlichen

    Glaubens, berwunden werden. Zwischen den interkulturellen und den interreligisen Be-

    ziehungen bestehen hier jedenfalls theologisch erhebliche Unterschiede.Eine ganz andere Perspektive erffnet das Konzil fr unser Thema mit der Erklrung

    ber die Religionsfreiheit (Dignitatis humanae). Wohl hat dieses Dokument primr weder

    die Kirche bzw. das Christentum noch die anderen Religionen zum Thema, sondern die

    Wrde der Person in der Gesellschaft und die Freiheit der Religion (durchweg im Singu-

    lar); dies jedoch betrifft mittelbar auch die interreligisen Beziehungen und das interreligi-

    se Lernen. Entscheidend dafr ist Artikel 3:

    Die Wahrheit mu aber auf eine Weise gesucht werden [inquirenda est], die der Wrde

    der menschlichen Person und ihrer Sozialnatur eigen ist, d. h. auf dem Wege der freienForschung [libera ... inquisitione die in bischflichem Auftrag angefertigte bersetzung

    ist an dieser Stelle fragwrdig; denn hier ist nicht an wissenschaftliches Bemhen gedacht,

    sondern, dem vorausgehenden Verb entsprechend, an allgemeines Suchen, Erkun-

    den], mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des Gedankenaustauschs [ope ...

    communicationis] und des Dialogs, wodurch die Menschen einander die Wahrheit, die sie

    gefunden haben oder gefunden zu haben glauben, mitteilen, damit sie sich bei der Er-

    20Nostra aetate, Nr. 2.21Ebd.22Ad gentes, Nr. 10.

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    forschung der Wahrheit gegenseitig zu Hilfe kommen; an der einmal erkannten Wahrheit

    jedoch mu man mit personaler Zustimmung festhalten.

    Hier stellt sich nicht einfach eine Kirche, die lehrt, denen gegenber, die noch Belehrung

    brauchen, sondern sie ordnet sich auf doppelte Weise in eine umfassendere Verstndi-

    gungskultur ein: erstens, indem sie die Lehre als eine Form der Wahrheitsermittlung von

    anderen, mndigeren umgeben sein lsst, und zweitens, indem sie diese Formen insge-

    samt als Wege der Wahrheitssuche sieht (eine Inquisition von besonderer Dignitt) und

    nicht etwa dieser die Wahrheitsverkndigung oder gar -behauptung entgegensetzt. Hier

    werden also nicht einfach die einen, die die Wahrheit schon haben, zu anderen geschickt,

    denen sie noch fehlt. Wohl wird grundstzlich auch gefordert, an der Wahrheit festzuhal-

    ten, aber dabei sind keine scharfen Grenzen gezogen zwischen denen, die sich ihres

    Glaubens zu Recht gewi sein drfen, und den anderen, die in ihrem vielleicht gleicher-

    maen selbstsicheren Denken und Meinen irren. Vielmehr werden alle daran erinnert,

    dass sie einander bedrfen, weil ihre berzeugungen aus sozialen Beziehungen hervor-gehen und immer auf sie angewiesen bleiben. Hier hat das Stichwort Dialog innerhalb

    der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils die fr eine religise Didaktik am wei-

    testen reichende Bedeutung erlangt.

    2.1.1.2 Nachkonziliare Lehrschreiben und der Rmische Katechismus

    Die nachkonziliaren kirchlichen uerungen sind, soweit sie interreligise Beziehungen

    berhren, zwiespltig. Ich greife nur einige Beispiele auf, die fr die Weite des Spektrums

    symptomatisch sind. Auf der einen Seite steht etwa die Schrift Wege zum christlich-islami-

    schen Dialog des Sekretariats fr die Nichtchristen23, auf der anderen die Enzyklika Re-

    demptoris Missio von Papst Johannes Paul II. (1990).24

    Die erste Publikation Wege zum christlich-islamischen Dialog gehrt zu den aufge-

    schlossensten und lernbereitesten Dokumenten der nachkonziliaren Zeit. Deutlich knpft

    sie an die innovativen Impulse des Zweiten Vatikanums an und fhrt ber sie hinaus. Wh-

    rend das Konzil in seiner Erklrung ber das Verhltnis der Kirche zu den nichtchristli-

    chen Religionen trotz aller positiven Einstellung zum Islam zu Mohammed nichts zu sa-

    gen wusste, ja ihn noch nicht einmal erwhnte, fordert diese nachfolgende Schrift, die

    Christen sollten objektiv abschtzen und im Glauben entscheiden, wo genau seine Inspi-ration, seine Aufrichtigkeit und seine Treue lagen im Rahmen seiner persnlichen Antwort

    auf den Ruf Gottes und in jenem umfassenderen Bereich einer von der Vorsehung geleite-

    ten Weltgeschichte25; dabei knnten die Christen den islamischen Gesandten als ein

    groes literarisches, politisches und religises Genie anerkennen und in ihm auch ge-

    23

    SekretariatfrdieNichtchristen/MauriceBorrmans,Wegezumchristlich-islamischenDialog,Frankfurt a. M.1985 (orig. Paris 1981; zurckgehend auf eine Verffentlichung desselben Sekretariats von 1970).24

    Im Blick auf offizielle uerungen zum Verhltnis von Kirche und Islam vgl.. bes.Andreas Renz, Muslimeals unsere Brder und Schwestern im Glauben Abrahams. Dokumente und Stellungnahmen der katholi-schen Kirche zum Islam, in: Ders. / Stephan Leimgruber (Hg.), Lernprozess Christen Muslime, Mnster 2003.25Ebd. 78f.

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    wisse prophetische Besonderheiten entdecken26. Daran mag man in vieler Hinsicht kriti-

    sche Fragen anschlieen; doch ist das Gesagte offensichtlich ein krftiger Ansto, nicht

    dort stehen zu bleiben, wo die kirchenamtlichen und theologischen uerungen bislang

    stehen. Wenn sich die Kirche darauf einlsst, hat sie zu lernen, ihr eigenes Urteil zu korri-

    gieren oder wenigstens dessen (vielleicht unberwindbare) Begrenztheit einzurumen; je-

    denfalls kann sie sich nicht einfach auf ihre bisherigen Urteile ber Offenbarung und Pro-

    phetie beschrnken.

    Ganz anders die Enzyklika Redemptoris Missio von Johannes Paul II.Freilich ist auch

    ihr Thema ein anders. Sie hat von vornherein diejenigen vor Augen, die fragen: Ist die

    Mission unter den Nicht-Christen noch aktuell?Wird sie vielleicht durch den Dialog unter

    den Religionen ersetzt? [...] Kann man nicht in jeder Religion gerettet werden? Warum al-

    so Mission? (11: Nr. 4) Nachdrcklich hlt dem die Enzyklika mit Berufung auf Apg 4,12

    dieklareAussageentgegen,daChristusderalleinigeErlservonallenist27; und die

    Konsequenz daraus lautet: Der Dialog mu gefhrt und realisiert werden in der berzeu-gung, da die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und da sie allein im Besitz der

    Flle der Heilsmittel ist.28

    Die Verlegenheiten heutiger Missionstheologie werden hier mit einer erstaunlichen Ge-

    schichtsperspektiveberspielt. Zunchst stellt die Enzyklika fest: Die Zahl jener, die Chri-

    stus nicht kennen und nicht zur Kirche gehren, ist stndig im Wachsen29, so dass die

    uersten Enden der Erde, denen das Evangelium zu bringen ist, sich immer mehr

    entfernen30 und dies in einer Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr

    eint und wie man zu sagen pflegt zu einem Weltdorf macht31

    ! Aber daraus soll gera-de nicht die relativierende Einsicht erwachsen, dass das Christentum innerhalb der Welt-

    geschichte und im Spektrum der religisen Kulturen schlielich doch nur eine partikulare

    Rolle spielt, sondern im Gegenteil die berzeugung, dass die Dringlichkeit der Mission

    [...] klar auf der Hand liegt (9: Nr. 3). Um die zurckliegenden Erfahrungen zu berbieten,

    behauptet die Enzyklika durchgngig: Die Missionsttigkeit steht erst in den Anfngen32

    Es bleibt aber die Tatsache, [... die] Mission ad gentessteht noch in ihren Anfngen.33;

    dann etwas differenzierter: Die kirchengeschichtliche Phase der plantatio Ecclesiae ist

    nicht abgeschlossen; sie ist vielmehr bei vielen Menschengruppen erst zu beginnen.

    34

    Und fr Gegenwart und Zukunft sagt sie an: Unmittelbar vor Anbruch des dritten Jahr-

    26Ebd. 79-27Papst Johannes Paul II.:Enzyklika Redemptoris Missiober die fortdauernde Gltigkeit des missionari-schen Auftrages, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Verlautbarungen des ApostolischenStuhls 100), Bonn 7. Dezember 1990, 11: Nr. 5.28Ebd. 57: Nr. 55 mit Verweis auf das Zweite Vatikanische Konzil: Unitatis redintegratio, Nr. 3; Ad gentes,Nr. 729Ebd. 9: Nr. 3.30Ebd. 44: Nr. 40.31

    Ebd. 41: Nr. 37 c.32Ebd. 32f: Nr. 30.33Ebd. 44: Nr. 40.34Ebd. 51: Nr. 49.

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    tausends der Erlsung ist Gott dabei, einen groen christlichen Frhling zu bereiten, des-

    sen Morgenrte man schon ahnend erkennen kann.35Dabei ist die Redeweise vom drit-

    ten Jahrtausend der Erlsung angesichts der Geschichte Israels, der Theologie des Alten

    Testaments und der heutigen theologischen Wrdigung der nichtchristlichen Religionen

    bestrzend naiv. Fr deren differenzierte Wrdigung bleibt dann trotz der geradezu infla-

    tionren Verwendung des Wortes Dialog kein Platz. Die christliche Mission wird in sol-

    cher Sicht motiviert durch den Blick auf all die Menschen, die leben, ohne von der Liebe

    Gottes zu wissen36. Wenn dabei die Missionsadressaten nicht nur partiell gemeint sein

    sollten zu erkennen ist es nicht , dann wre dies eine im Blick auf Juden und Muslime

    ungeheuerliche Aussage, lehrt doch (von der Bibel der Juden ganz abgesehen) gerade

    der Koran, dass Gott eine Gemeinschaft von Menschen will, die er liebt und die ihn lie-

    ben (Sure 5,54).

    Wieweit die kirchliche Lehre nach dem 2. Vaticanum wieder hinter das Erreichte zurck-

    fallen konnte, zeigt auch derRmische Katechismus von 1993: Zunchst wird zum jdi-schen Glauben gesagt, dass er im Unterschied zu den anderen nichtchristlichen Religio-

    nen [...] schon eine Antwort auf die Offenbarung Gottes im Alten Bund ist; dann zu den

    Muslimen (im Anschluss an Lumen Gentium), dass sie den Schpfer anerkennen, sich

    zum Festhalten am Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einzigen Gott anbe-

    ten.37Aber kurz darauf heit es global zu den anderen Religionen (und dies meint im

    Kontext deutlich alle nichtchristlichen Religionen, nicht etwa nur die ber Judentum und Is-

    lam hinaus), dass sie nach Gott suchen. Er ist ihnen noch unbekannt, aber doch nahe.

    Damit ist dieser Katechismus hier weder in sich stimmig, noch konform mit der Lehre desZweiten Vatikanums, das zu den Muslimen sagt, dass sie den alleinigen Gott anbeten,

    den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmchtigen, den Schpfer Him-

    mels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat (Nostra Aetate, 3).

    Zwischen diesen Extremen liegt eine groe Bandbreite von uerungen unterschiedli-

    chen Charakters, oft ambivalent oder undeutlich, aber doch auf Lernbereitschaft hin les-

    bar.38Ein Gespr fr interreligise Kommunikationsschwierigkeiten zeigt sich, wenn gese-

    hen wird: Die Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften knnten befrchten, da die

    Evangelisierung der Kirche in der Zerstrung ihrer eigenen Religion und Kultur enden kn-ne.39Diese Feststellung impliziert offensichtlich, dass die Kirche im Gegensatz zur ge-

    35Ebd. 81: Nr. 86.36Ebd. 82: Nr. 86.37Katechismus der katholischen Kirche, Mnchen 1993; hier wie bei den folgenden Zitate 250f.38Vgl. Sekretariat fr den interreligisen Dialog (Hg.): Reconnatre les Liens Spirituels qui Nous Unissent(engl.: Recognize the Spiritual Bonds which Unite Us), Rom 1994 [Zeugnisse aus 16 Jahren des christlich-islamischen Dialog unter Johannes Paul II.]; einigermaen im Banalen bleibt demgegenber Ppstlicher Ratfr die sozialen Kommunikationsmittel: Richtlinien fr die kumenische und interreligise Zusammenarbeit im

    Kommunikationswesen, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Arbeitshilfen 75), Bonn4.10.1989.39Ppstlicher Rat fr den Interreligisen Dialog / Kongregation fr die Evangelisierung der Vlker:Dialog undVerkndigung.berlegungenundOrientierungenzumInterreligisenDialogundzurVerkndigung desEvan-

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    nannten Befrchtung die fremde Religion nicht zerstren will. Was immer dies bei konkre-

    ter Missionsttigkeit heien mag, es setzt die ernsthafte Respektierung der anderen Reli-

    gion voraus soweit dies mglich ist; hier liegt das nicht ausgefhrte Problem. Noch deut-

    licher aufgeschlossen und auf unabsehbare Ergebnisse hin offen formuliert ist die Feststel-

    lung: verschiedene Erfahrungen und Wahrnehmungen, uerungen und Verstndnis-

    se, die vielleicht alle vom selben transzendentalen Ereignis herrhren, lassen dem inter-

    religisen Dialog eine hohe Bedeutung zuwachsen.40

    Solange aber interreligiser Dialog und Verkndigung zwar unterschieden, doch bei-

    de als authentische Elemente des kirchlichen Evangelisierungsauftrags41angesprochen

    werden das kirchlich Werbende also die verbindende Klammer ausmacht , gert der

    Dialog in den Verdacht, dass er nur ein strategisches Element der Mission darstelle, nicht

    auch oder gar wesentlich ein Ort, an dem die Kirche um ihres eigenen Glaubens und

    ihrer eigenen Weisheit willen lernt, d.h.dazulernt.

    2.1.2 In deutscher Kirche

    Sicher kann man nicht sagen, dass die interreligisen Beziehungen im Interesse der deut-

    schen katholischen Kirche einen herausragenden Platz einnhmen. Dennoch gibt es eini-

    ge bemerkenswerte uerungen. Zunchst ist beachtlich, dass Bischof Karl Lehmann in

    einem Referat vor der Deutschen Bischofskonferenz ber den Dialog als Form der Kom-

    munikation und Wahrheitsfindung in der Kirche heute von vornherein den Dialog mit An-

    dersdenkenden und Angehrigen nichtchristlicher Religionen grundstzlich miterwhnt42,

    auch wenn er bei den thematisch nahegelegten Perspektiven ansonsten keine Rolle spielt.

    Auch schon die Andeutung, dass fr die innerkirchliche Wahrheitsfindung andere Religi-

    onen eine Bedeutung haben knnten, ist keineswegs selbstverstndlich.

    Im brigen richtet die katholische Kirche in Deutschland, wie es naheliegt, ihren Blick vor

    allem im pastoralen Interesse auf die Muslime.43 Hier geht es vorrangig um praktische

    Ratschlge. Dabei kommt aber oft auch wieder die Sorge zum Ausdruck, es knnte der

    christliche Wahrheitsanspruch in einem offenen Verstndigungsklima Schaden nehmen.44

    Fr die Bereitschaft zum interreligisen Lernen besonders erheblich sind uerungen zur

    katholisch-islamischen Ehe. Trotz aller verstndlichen Bedenken, die dagegen erhoben

    geliums Jesu Christi, hg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Arbeitshilfen 102), Bonn 19.Mai1991, 37: Nr. 74.40Internationale Theologenkommission:Das Christentum und die Religionen, hg. vom Sekretariat der Deut-schen Bischofskonferenz (Arbeitshilfen 136). Bonn 30. September 1996, 17.41

    PpstlicherRatfrdenInterreligisenDialog/Kongregation fr die Evangelisierung der Vlker (s. Anm. 39),40: Nr. 72.42Karl Lehmann, Vom Dialog als Form der Kommunikation und Wahrheitsfindung in der Kirche heute. Erff-nungsreferat bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Fulda, hg. vom Sekretariatder Deutschen Bischofskonferenz (Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 17). Bonn 19. Sep-tember 1994, 5.43Vgl. mit bezeichnendem Wandel in der Formulierung der Titel Sekretariat der Deutschen Bischofskon-

    ferenz (Hg.): Muslime in Deutschland (Arbeitshilfen 26), Bonn 1982; Christen und Muslime in Deutschland.Eine pastorale Handreichung (Arbeitshilfen 106), Bonn 4.3.1993; Christen und Muslime in Deutschland (Ar-beitshilfen 172), Bonn 23.09.2003.44Vgl. ebd. 1993, 35f, ber Evangelisierung und Dialog.

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    werden, heit es auch: Sicherlich kann man aus unterschiedlichen Auffassungen einen

    greren Reichtum an Lebenswerten gewinnen.45 Die Partner mssten ihren eigenen

    Lebensstil entwickeln, mit Verstndnisbereitschaft und Einfhlungsvermgen, im Bem-

    hen, die kulturelle und religise Tradition des Partners zu kennen und ihr im eigenen Le-

    bensvollzug Heimatrecht zu geben.46Ausdrcklich wird hier einem solchen Dialog eine

    grere Bedeutung zugemessen, als die wissenschaftliche Bemhung sie haben kann.

    Damit erteilt die Kirche nicht nur Ratschlge an andere, sondern stellt sich selbst in einer

    bestimmten Mentalitt vor.

    In diesem Zusammenhang ist auch eine Verffentlichung ber das Verhltnis von Chris-

    ten und Muslimen zu den Menschenrechtenbemerkenswert, die zwar nur im Auftrag und

    nicht im Namen der deutschen Bischofskonferenz erfolgte, doch auch damit deren interre-

    ligises Interesse zu erkennen gibt.47Deutlich wird hier die neuzeitliche Problemlage als

    eine aufgezeigt, die beiden Religionen, trotz aller Unterschiede, im Grundlegenden ge-

    meinsam ist, so dass sich die Christen angesichts der Schwierigkeiten des Islam nicht -berheblich geben knnen, sondern auch der eigenen Geschichte mit deren Konflikten stel-

    len mssen. Der Blick auf die andere Religion kann das kritische Selbstverstndnis fr-

    dern.

    Demgegenber ist die Erklrung der deutschen Bischfe zum Religionsunterricht von

    1996 in solchem Ma auf die Wahrung seiner Konfessionalitt und die Vermittlung der ei-

    genen Tradition bezogen, dass die in der Religionspdagogik zunehmende interkulturelle

    und interreligise Thematik kaum wahrgenommen wird. Ausnahme macht allein der Hin-

    weis auf dieSpaltung von der Synagoge als dem ersten und radikalsten Bruch, der derKirche in die Wiege gelegt ist; dass auch im Religionsunterricht diesbezglich eine Emp-

    findsamkeit gewachsen ist, fr ein kumenisches Bewusstsein auerordentlich wich-

    tig.48Damit wird hier Fremdes nur insoweit fr den Religionsunterricht wahrgenommen,

    als es im Rahmen des Christentums im kumenischen Geist wahrgenommen werden

    kann, d.h. vor allem im Kontext und im Perspektivenreichtum der Gemeinschaft vieler kul-

    turell unterschiedlicher Lokalkirchen49, im Kontext und im Perspektivenreichtum der

    Weltkirche50.

    Die Forderung, dass verstrkt ber geeignete Wege religiser Bildung fr muslimischeSchlerinnen und Schler in der Schule nachgedacht werden msse, wie in einigen Bun-

    deslndern auch fr orthodoxe sowiejdische Kinder und Jugendliche ordentlicher Reli-

    45Ebd. 52.46Ebd.47 Johannes Schwartlnder / Heiner Bielefeldt, Christen und Muslime vor der Herausforderung der Men-schenrechte, hg. von der Wissenschaftlichen Arbeitsgruppe fr weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bi-schofskonferenz, Bonn: Zentralstelle Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz 199248

    Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Zur Konfessionalitt des katholischen Religionsunterrichts, hg.vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 27.9.1996, 47: Nr. 5.2.49Ebd. 44: Nr. 4.4.50Ebd. 45: Nr. 4.4

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    gionsunterricht nachArt. 7 GG eingerichtet worden ist51, liegt auf einer anderen Ebene;

    hier geht es gerade nicht um interreligises Lernen.

    Von vornherein zentral im Blick steht die plurale Situation unserer Gesellschaft bis hin

    zu einer nur noch schwer berschaubaren Vielheit der Positionen 52. Dabei wird dieser

    Pluralismus selbst wieder gefhrdet gesehen durch Tendenzen, diese Pluralitt durch

    Monopole zu unterlaufen: Pluralismus kann zum Erliegen gebracht werden durch Mono-

    polisierung und ein unreflektiertes Einheits- und Harmoniebedrfnis.53 Doch dieses Pl-

    doyer fr den Schutz der Pluralitt ist in erster Linie durch das Interesse bedingt, die eige-

    ne Konfessionalitt auch zuknftig noch im schulischen Unterricht hinreichend reprsen-

    tiert zu sehen.

    Religion wird vor allem als eine fragwrdig Gre wahrgenommen: Zum einen des-

    halb, weil der Begriff zwischen den Religionen, ausdrcklich z.B. zwischen Islam und

    Christentum, nicht konsensfhig sei54; zum anderen weil die ungebundene Religiosi-

    tt55in unserer Gesellschaft zu diffus bleibe, als Zivilreligion56auerdem zu sehr auf diesozial vorherrschenden Bedrfnisse hin funktionalisiert, Fremdem gegenber letztlich zu

    wenig tolerant.

    Dass man sich mit anderen kulturellen Identitten verstndigen kann, wird als Aufgabe

    betont; aber damit dies gelinge, msse die Bildung ihren gesellschaftlichen Ort in einer

    rumlichen, von berlieferungen geprgten Kulturgemeinschaft haben; denn nur hier

    wchst ... die universale Kommunikationsfhigkeit.57Aber wachsen ist kein Begriff, der

    geeignet wre, interkulturelles und interreligises Lernen als dringliche Aufgabe erschei-

    nen zu lassen. Im Kontext dieser Schrift erscheint die Forderung einer Anerkennung derAndersheit des anderen58kaum als ein Impuls, von und mit den Anderen Neues zu ler-

    nen. Am weitesten geht hier die Aussage, dass Verstndigung nur in wechselseitiger Per-

    spektivenbernahme zu erreichen ist; aber diese Feststellung bleibt in ihrer Tragweite un-

    deutlich und vor allem ohne Bezug auf nichtchristliche Religionen. Dies gilt selbst fr ein

    spteres Kapitel zur begrenztenPerspektivitt aller unterschiedlichen Standorte. Es sieht

    die Erfahrung von standortbedingter Pluralitt dem Religionsunterricht in dreierlei Hinsicht

    als Anregung vorgegeben: zum einen durch die anderen Disziplinen, denen der Glaube

    und die Theologie ihr eigenes Gesichtsfeld einrumen mssen, zum anderen durch dieschon in der Binnenperspektive der katholischen Schlerinnen und Schler gegebene

    Vielzahl von Perspektiven und partikulren kirchlichen Kontexten, und drittens schlie-

    lich durch die kirchlich nicht gebundenen Mitschlerinnen und Mitschler, die zu einem

    51Ebd. 21: Nr. 1.352Ebd. 12: Nr. 1.53Ebd.54Ebd. 20: Nr. 1.2.55

    Ebd. 2125: Nr. 1.4.56Ebd. 2325: Nr. 1.4.57Ebd. 28: Nr. 2,2.58Ebd. 29: Nr. 2.2.

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    reifen Selbstverstndnis der christlichen Klassenkameraden unerlsslich sind.59Die reli-

    gise und theologische Herausforderung durch andere Religionen kommt nicht ins Be-

    wusstsein (oder wird bewusst bergangen).

    Diese Zurckhaltung fllt vor allem dort auf, wo als theologische Voraussetzung eines

    aufgeschlossenen Religionsunterrichts angenommen wird, dass alle Menschen von Got-

    tes umfassender Liebe Erfahrungen machen, auch wenn sie diese anders interpretieren

    alsdiechristlicheLehre60. Im folgendenwirdzurErluterungnurdaraufverwiesen,dass

    diese Gnadenerfahrungen zumeist undeutlich, unartikuliert, bloe Stimmung bleiben;oder sie interpretieren sich ganz anders, etwa psychologisch oder biologisch oder in an-

    deren gesellschaftlich gngigen Plausibilitten61; aber dass dabei gerade auch an andere

    Religionen und ihre Interpretationen zu denken wre, kommt nicht zur Sprache. Der christ-

    liche Glaube scheint allein profanen Deutungen gegenberzustehen und diesen vor allem

    kmpferisch: Das Evangelium legt sich mit solchen Plausibilitten an und macht diese In-

    terpretationen strittig.62Die Kirche ist in dieser Sicht nicht nur fr die eigenen Mitglieder da, sondern auch und

    gerade fr die, die sie mit den Augen der Auenstehenden sehen63; aber dass die Glu-

    bigen anderer Religionen auch fr die Christen da sein knnten, wird nicht bedacht (ob-

    wohl die Erfahrungen und Fragen von Atheisten und Agnostiker als eine mgliche Berei-

    cherung der Religionsunterrichts wahrgenommen werden64). Auerdem gilt fr die Viel-

    heit und Verschiedenheit der Kulturen, Weltanschauungen und Standpunkte: sie alle

    knnen dem Evangelium und der von ihm im Geist gebildeten Einheit zugefhrt werden65;

    und dementsprechend heit es im Anschluss daran: Auch die differenzierten Beziehun-gen zu anderen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften und zu anderen Religionen sind im

    Communio-Denken zu erfassen.66 Dieses Denken auf kirchliche Einheit hin liegt aber

    weitab von interreligisem Lernen. Auch der sptere Verweis auf das Zweite Vatikanische

    Konzil, das die Heilselemente anderer Religionen ... sehen konnte67, ndert daran nichts.

    Nach alledem bleibt in der abschlieenden Zusammenfassung der Zusammenhang

    von Aussagen recht unklar: dass jeder katholische Religionsunterricht, der sich konfessi-

    onell versteht, in kumenischem Geist erteilt werden muss und dass Analoges ... fr das

    Gesprch mit dem Judentum und den nichtchristlichen Religionen gilt.

    68

    Soll in irgendei-ner unbestimmten Weise dieses interreligise Gesprch auch im Unterricht seinen Platz

    haben? Daran kann nach dem zuvor Gesagten (und nicht Gesagten) kaum gedacht sein.

    59Ebd. 62f: Nr. 6.2.60Ebd. 32: Nr. 3.1.61Ebd. 33: Nr. 3.1.62Ebd.63Ebd. 41f: 4.3.64Vgl. ebd. 42f: Nr. 4.3.65

    Ebd. 43: Nr. 4.4.66Ebd. 44: Nr. 4.4.67Ebd. 58: 5.3.4,68Ebd. 76: Nr. 9.

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    Oder sollen sich kumenisch gesinnter Religionsunterricht und interreligises Gesprch in

    ihrem geistigen Klima wechselseitig untersttzen? Aber wie diese beiden unterschiedli-

    chen Gren einander beeinflussen knnten, wird nicht erkennbar. Oder wurde hier auf

    eine bloe Analogie verwiesen im Gespr fr das Defizit dessen, was zuvor zum Religi-

    onsunterricht gesagt wurde? Aber die Analogie kommt hier ber die rhetorische Beschw-

    rung eines gemeinsamen Geistes nicht hinaus.

    Erst die folgende bischfliche Erklrung von 2005 Der Religionsunterricht vor neuen

    Herausforderungen bezieht das didaktische Prinzip der Perspektivenbernahme aus-

    drcklich auch auf die Wahrnehmung anderer Religionen und erlutert deutlicher, dass ein

    solches Lernen verlange, sich zumindest ansatzweise in andere Lebens- und Erlebens-

    weisen einzufhlen. Die Anerkennung des anderen, die Verstndigung mit anderen und

    Selbstdistanz sind ohne Perspektivenbernahme nicht mglich.69 Dies hat aber fr das

    interreligise Lernen Konsequenzen, die hier bei weitem noch nicht abzusehen sind.

    2.2 Theologische Errterungen

    Dass sich Religionsunterricht, religise Unterweisung und Bildung nicht damit begngen

    drfen, sich andere Religionen als Gegenstand zu whlen, sondern dass sie das Lernen

    selbstmultikulturell, interkulturell, garinterreligis anlegen mssen, wird in der katho-

    lischen Theologie70wie besonders in der Religionspdagogik71seit langem gesehen und

    zunehmend betont. Um so auffallender ist es, wenn die dritte Auflage des Lexikons fr

    Theologie und Kirche zwar einen Artikel Interkulturelle Theologie enthlt72, aber Interkul-

    turelles Lernen und Interreligises Lernen fehlen und ein knapper Artikel Interreligise

    69Die deutschen Bischfe, Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen, hg. vom Sekretariat derDeutschen Bischofskonferenz, Bonn 16.2.2005, 29: Nr. 3.3. Der didaktische Charakter dieser Erklrunginsgesamt soll damit nicht beurteilt sein.70Im Folgenden wird nur die deutschsprachige Theologie bercksichtigt. Auf Literatur kann nur exemplarischverwiesen werden. Vgl. Edmund Arens (Hg.),Anerkennung der Anderen. Eine theologische Grunddimen-sion interkultureller Kommunikation, Freiburg 1995; Ludwig Bertsch, Der interkulturelle theologische Diskurs eine Herausforderung an die abendlndische Theologie, in: Ders. (Hg.), Was der Geist den Gemeindensagt. Bausteine einer Ekklesiologie der Ortskirchen, Freiburg 1991, 178193; Concilium 30, 1994, H. 1:Christlicher Glaube in unterschiedlichen Kulturen: Eine Chance fr alle?; Concilium 39, 2003, H. 4:Von an-deren Religionen lernen; Klaus Piepel, Lerngemeinschaft Weltkirche. Lernprozesse in Partnerschaften zwi-

    schen Christen der Ersten und der Dritten Welt, Aachen 1993; Stefan Leimgruber, Interreligises Lernen(s.Anm. 71);Jrgen Micksch (Hg.),Multikulturelles Zusammenleben. Theologische Erfahrungen, Frankfurt a.M. 1983; Thomas Schreijck (Hg.), Religionsdialog im Kulturwandel. Interkulturelle und interreligise Kom-munikations- und Handlungskompetenzen auf dem Weg in die Weltgesellschaft 2003; Hans Zirker, Grenz-berschreitungen: Mglichkeiten und Bedingungen einer Theologie interreligisen Gesprchs, in: AndreasLob-Hdepohl (Hg.), Ethik im Konflikt der berzeugungen, Freiburg 2004, 8094 (online verfgbar:http://duePublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=11224)71Vgl. Erich Feifel, Religionsunterricht in multikultureller Gesellschaft, in: Ders., Religise Erziehung im Um-bruch, hg. von Stephan Leimgruber / Michael Langer, Mnchen 1995, 119134; Jahrbuch der Religionsp-dagogik 8, 1991, 385: Thema I. Interkulturelles LernenHelga Kohler-Spiegel, Interreligises Lernen (amBeispiel des Religionsunterrichts), in: RpB 38, 1996, 1942; Georg Langenhorst,Interreligises Lernen aufdem Prfstand. Religionspdagogische Konsequenzen der Verhltnisbestimmung Christentum und Weltreli-

    gionen,in:RpB50,2003,107126;StephanLeimgruber,InterreligisesLernen,Mnchen1995;Renz/Leim-gruber (s. Anm. 24); Johannes van der Ven / Hans-Georg Ziebertz (Hg.), Religiser Pluralismus und interre-ligises Lernen, Kampen / Weinheim 1994.72Katja Heidemanns, Interkulturelle Theologie, in: LThK35 (1996) 559.

    http://miless.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=11224http://miless.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=11224
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    Erziehung erst unter den Nachtrgen des Ergnzungsbandes erscheint.73 Hier waren

    wohl einige Ressorts bei der Planung nicht wachsam genug. Nur begrenzt kann man die-

    ses Defizit dadurch ausgeglichen sehen, dass mit dem Stichwort Interreligiser Dialog

    auf den Artikel Dialog der Religionen74verwiesen wird.

    Wer dieser Sache in heutiger theologischer Literatur nachgehen will, hat vor allem auf

    Stichwrter zu achten wie Pluralismus / Pluralitt75, Kontextualitt76(der seit der Mitte

    der 70er Jahre gebruchliche BegriffKontextualisierungwurde spter durch den derIn-

    kulturationabgelst77),Inkulturation78,dieAnderen/dieFremden79,Synkretismus80

    Ustorf 1991). Wie in solchen Zusammenhngen vom Lernen die Rede ist und wieweit die-

    ses als dringlich erscheint, wre im einzelnen zu prfen. In Grundzgen lsst sich die

    Sachlage folgendermaen skizzieren:

    Fr alle theologischen Positionen ist selbstverstndlich, dass zwischen den Kulturen und

    Religionen eine respektvolle wechselseitige Kenntnisnahme gefordert, aber nicht ohne

    ausdrckliche Lernbereitschaft zu erreichen ist. Unterschiedlich fallen die Antworten aus,sobald die Frage ansteht, ob es um mehr gehe als um ein vertrgliches und verstndnis-

    volles Zusammenleben, um die informative Ermittlung von Gemeinsamkeiten und Unter-

    schieden, nmlich auch darum, mglicherweise den eigenen Glauben, die eigene Spiritua-

    73Guido Hunze, Interreligise Erziehung, in: LThK311 (2001), 142f. Auch Interkulturelles Lernen hat kei-nen eigenen Artikel; der ber Interkulturelle Theologie kann ihn nicht ersetzen.74Horst Brkle, Dialog der Religionen, in: LThK33 (1995), 196f75Mariano Delgado, Theologie angesichts religiser Vielfalt. Die theologische Hauptaufgabe im Umgang mit

    nachchristlicher Religiositt, in: ZMR 77, 1993, 183201; Paul F Knitter,Horizonte der Befreiung. Auf demWeg zu einer pluralistischen Theologie der Religionen, Frankfurt a. M. 1997; Perry Schmidt-Leukel, ZurKlassifikation religionstheologischer Modelle, in: Catholica 47, 1993, 163183; ders., Das Pluralistische Mo-dell in der Theologie der Religionen. Ein Literaturbericht, in: ThRv 89, 1993, 353364; ders., Religise Viel-falt als theologisches Problem. Optionen und Chancen der pluralistischen Religionstheologie John Hicks, in:Raymund Schwager (Hg.), Christus allein? Der Streit um die pluralistische Religionstheologie, Freiburg 1996,1149; ders., Theologie der Religionen, Mnchen 1997; van der Ven / Ziebertz (s. Anm. 71).76 Michael Bongardt, Glaubenseinheit statt Einheitsglauben. Zu Anliegen und Problematik kontextuellerTheologien, in: Klaus Mller (Hg.): Fundamentaltheologie Fluchtlinien und gegenwrtige Herausfor-derungen, Regensburg 1998. 243260; Giancarlo Collet,Kontextuelle Theologie, in: LThK3 6 (1997) 327329; Ottmar Fuchs, Kontextualitt und Pluralitt. Programmatische Schlsselbegriffe der praktischen Theo-logie!, in: Bulletin ET 8, 1997, 100104; Raymund Schwager (Hg): Relativierung der Wahrheit? KontextuelleChristologie auf dem Prfstand, Freiburg 1998; Hans Waldenfeld, (Hg.), Begegnung Kontextuell-

    dialogische Studien zur Theologie der Kulturen und Religionen, Bonn 1989; ders., Kontextuelle Fundamen-taltheologie, Paderborn 42005.77Vgl. Robert Schreiter, Inkulturation des Glaubens oder Identifikation mit der Kultur?, in: StdZ 213, 1995,1218.78

    Vgl. Collet u.a. (s.Anm. 9); Konrad Hilpert,Inkulturation. Anspruch und Legitimation einer theologischenKategorie, in: Ders. / Karl-Heinz Ohlig (Hg.),Der eine Gott in vielen Kulturen. Inkulturation und christlicheGottesvorstellung, Zrich 1993, 1332 (wie auch den ganzen Band);Aloysius Pieris, Universalitt und Inkul-turation in unterschiedlichen theologischen Denkmodellen, in: Conc 30, 1994, 526532; Robert J. Schreiter,Theorie und Praxis interkultureller Kommunikationskompetenz in der Theologie, in: Arens (s. Anm. 70), 93079Vgl. Arens (s. Anm. 70); Ottmar Fuchs, Die Fremden, Dsseldorf 1988; KonradHilpert/ Jrgen Werbick(Hg.), Mit den Anderen leben. Wege zur Toleranz, Dsseldorf 1995.80Heinrich Dring, Synkretismus oder kreative Integration?, in: Gnter Rie / Heino Sonnemans / Burkhard

    The (Hg.), Wege der Theologie: an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, Paderborn 1996, 433445; Vol-ker Drehsen; Die Anverwandlung des Fremden. ber die wachsende Wahrscheinlichkeit von Synkretismenin der modernen Gesellschaft, in: van der Ven / Ziebertz (s. Anm. 71), 3969; Hermann Pius Siller (Hg.):Suchbewegungen. Synkretismus Kulturelle Identitt und kirchliches Bekenntnis, Darmstadt 1991.

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    litt im Blick auf die fremde zu bereichern. Freilich wre auch das erste das Bemhen

    um ein vertrgliches und verstndnisvolles Zusammenleben schon viel und fr die inter-

    religisen Beziehungen fast hinreichend. Die Grenzen fr die Aneignung von Elementen

    fremder Religiositt und fremden Glaubens sind eng, vor allem bei einem derart dogma-

    tisch angelegten Identittsbewusstsein wie dem des Christentums. Dennoch drngt sich

    bei der Wahrnehmung der anderen Religionen wenigstens in einer Hinsicht ein Lernen auf,

    das auch den eigenen Glauben einsichtsvoller werden lsst, im Bedenken nmlich seiner

    vielfachen Begrenztheit:

    in seinen Perspektiven von Kosmos und Natur, Geschichte, Gesellschaft und individu-

    ellem Leben,

    in seiner Mitteilungs- und berzeugungsfhigkeit angesichts der gewaltigen Verstndi-

    gungsschwierigkeiten und unaufhebbaren Zustimmungsverweigerungen,

    in seiner Kraft sozialer Bindungen, moralischer Orientierungen und kultureller Veranke-

    rungen aufgrund der unterschiedlichen Lebensformen, Ausdrucksgestalten und Instituti-onalisierungen von Religion,

    in seinen spirituellen Erfahrungen.

    Fr eine interreligise Didaktik besonders aufschlussreich ist innerhalb heutiger Theolo-

    gie die Kontroverse um eine Pluralistische Religionstheologie. Dahinter steht die dreifa-

    che Mglichkeit, das Verhltnis des christlichen Glaubens zu den anderen Religionen zu

    bestimmen (logisch unausweichlich81): entweder exklusivistisch im ausschlielichen

    Anspruch von Wahrheit und Heil fr die eigene Religion oderinklusivistisch in der Aner-

    kennung anderer Religionen, insoweit sie in irgendeiner Weise mit dem eigenen Glaubenbereinstimmen und an ihm teilhaben, oderpluralistisch, insofern anderen Religionen die

    Mglichkeit zugesprochen wird, dass sie in ihrer Verschiedenheit eigenstndig gleichen

    Rang einnehmen.82Im ersten und im zweiten Fall mssten im Grund nur die anderen ler-

    nen sei es (beim exklusivistischen Paradigma) um das Heil zu erlangen oder (beim in-

    klusivistischen) um die rechte Selbsteinschtzung zu gewinnen, damit etwa aus anony-

    men Christen ausdrckliche, reflex bewusste wrden. Beim pluralistischen Verstnd-

    nis dagegen ist die Sachlage nicht so eindeutig: Mit der Voraussetzung, dass verschiede-

    nen Religionen gleichrangige Dignitt zukommen kann, schwindet zunchst die wechsel-seitige Herausforderung. Die jeweiligen religisen Wege gengen sich selbst. Aber we-

    nigstens in zweierlei Hinsicht gibt es dabei doch noch zu lernen:

    erstens insofern die Pluralistische Religionstheologie nicht einfach alle Religionen fr

    gleichrangig hlt, sondern diese Bewertung zur Entscheidung offen lsst (da es nicht ver-

    wehrt ist, gegenber einzelnen Phnomenen innerhalb der Religionen entweder eine ex-

    klusivistische oder pluralistische Haltung einzunehmen. ... Schlgt man etwa eine getrenn-

    81

    Schmidt-Leukel, Zur Klassifikation (s. Anm. 75), 176; zur umfangreichen und detaillierten bersichts. ders., Das pluralistische Modell (s. Anm. 74) und ders., Theologie (s. Anm. 75).82vgl. die bernahme dieser Klassifizierung auch in: Internationale Theologenkommission (s. Anm. 40), frei-lich mit logisch unsauberen Versuchen, sie wenn ntig, durch andere zu ergnzen (11).

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    te Behandlung von Heils- und Wahrheitsfrage vor, dann gibt es formalkeine Hindernisse,

    beispielsweise in der Wahrheitsfrage inklusivistisch oder exklusivistisch zu optieren, in der

    Heilsfrage dagegen pluralistisch83;

    zweitens insofern die Pluralistische Religionstheologie die fundamentalen Erfahrungen

    der Religionen, auch wenn sie sie fr gleichrangig erachtet, nicht fr im Grunde identisch

    hlt, sondern gerade als verschiedene wahrgenommen wissen will unter der Annahme,

    dass sich zumindest ein Teil der Vielfalt religiser Erfahrung im Sinne unterschiedlicher,

    aber gleichermaen authentischer Erfahrungen mit derselben gttlichen Wirklichkeit deu-

    ten lsst84.

    Alles in allem ist diese Theologie der Religionen jedoch derart auf eine harmonisierte

    Vielfalt eingestellt, dass das Lernen hier weitgehend auf respektvolle Kenntnisnahme zu-

    rckgefhrt scheint. Die Herausforderung, die von religiser Verkndigung nach deren

    Selbstverstndnis ausgehen soll, kann so gemindert oder gar aufgehoben sein. Dies je-

    denfalls ist der Vorwurf derer, die eine Pluralistische Religionstheologie nicht fr verant-wortbar halten.

    Auf jeden Fall nimmt diese Theologie nicht ernst, dass es neben derexklusivistischen,

    inklusivistischen und pluralistischenVerhltnisbestimmung noch eine weitere Mglich-

    keit (auf der Meta-Ebene) gibt: sich eines derart weitreichenden Urteils ber den Wahr-

    heitsanspruch und die Heilsbedeutung der Religionen zu enthalten.85Das Interesse an ih-

    nen knnte auch dabei weit mehr als blo religionskundlicher Art sein: nmlich ausgerich-

    tet auf gemeinsame soziale und politische Verantwortungen, wie etwa im Projekt Welt-

    ethos.86

    Im Unterschied zu anderen Problemstellungen, bei denen es um das Verhltnis der Re-

    ligionen aus primr kirchlichen und theologischen Perspektiven geht, zeichnet sich die

    Anregung von Hans Kng dadurch aus, dass sie dringlich und entscheidend eine dritte

    Gre mit im Spiel sieht: unsere Welt in ihrem gefhrlich zerrissenen Zustand. Es geht

    Kng um weit mehr als die Weltreligionen, nmlich auch um die Einschtzung der

    Religion berhaupt: die Auseinandersetzung mit der neuzeitlichen Religionskritik, der

    skularen Ethik, der politischen und soziokulturellen Situation.87 Insofern sich der Blick

    dabei aber primr auf den Beitrag der konkreten einzelnen Religionen zu Ethik und Moralrichtet, diese Religionen selbst, einschlielich des Christentums, in ihrer bisherigen

    Geschichte als hchst ambivalente Faktoren gesehen werden, nmlich auch als

    Bastionen der Gegenreform und Gegenaufklrung88, und sie sich schlielich in bisher nie

    83Schmidt-Leukel, Zur Klassifikation (s. Anm. 75), 180f.84Schmidt-Leukel, Religise Vielfalt (s. Anm. 75), 27.85

    Vgl.HansZirker,Zur Pluralistischen Religionstheologie im Blick auf den Islam, in: Schwager (s. Anm. 75),189202 (online verfgbar: http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=10955); ders.,Grenzberschreitungen (s. Anm. 70).86

    Aus der Flle der Literatur: Hans Kng, Projekt Weltethos, Mnchen 1990; Hans Kng (Hg.): Ja zum Welt-ethos. Perspektiven fr die Suche nach Orientierung. Ein Kontrapunkt der Hoffnung gegen Fundamenta-lismus, Mnchen 1995; ders.(Hg.): Dokumentation zum Weltethos, Mnchen 2002.87Kng, Projekt (s. anm. 86), 13.

    http://miless.uni-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=10955http://miless.uni-essen.de/servlets/DocumentServlet?id=10955
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    Gegenaufklrung88, und sie sich schlielich in bisher nie realisierter Weise auf gemein-

    same Werte und Pflichten besinnen sollen, ist das Projekt durch und durch der Entwurf ei-

    nes interreligisen Lernweges.

    Dabei muss sich herausstellen, wieweit die vorausgesetzten Maximen elementarer

    Menschlichkeit, die auf das Wohl des Menschen ausgerichtet sind89, das immer wieder

    beschworene Humanum, wirklich bereits (wie Kng voraussetzt) als Gemeinsamkeit

    grundgelegt sind oder ob sie nicht doch erst zwischen vielfltig konkurrierenden Zielset-

    zungen neu ausgemacht werden mssen. Im Grund beruht Kngs Projekt nicht aufAna-

    lysender Religion, sondern auf Postulaten, die er ihnen zuversichtlich vorhlt: Sie sollen

    miteinander herausbekommen, wieweit sie sich auf ein Ethos einigen knnen, dem alle

    verantwortungsbewussten Menschen der Welt zustimmen knnen mssten.

    Dass die Beziehung zu anderen Religionen unter betont ethischem Gesichtspunkt wahr-

    genommen wird, ist (abgesehen von der frheren Polemik) neu, ebenso die Bedeutung,

    die den interreligisen Beziehungen fr die moralisch verantwortliche Gestaltung der Weltzugemessen wird (wieweit realistisch, sei hier dahingestellt). Es ist bezeichnend, dass et-

    wa bei kirchlichen und theologischen berlegungen zum Lernen von Dritter Welt die

    anderen Religionen weitgehend auer Acht bleiben konnten.90

    3. Bilanz

    Die uerungen aller Ebenen und Positionen sind von dem Problem betroffen, wie man

    von anderen Religionen nicht nur Kenntnisse Kenntnisse ber fremde Kultur , gewinnen

    knnte, sondern auch Bereicherung fr die eigene Sicht von Gott und Welt, fr den eige-

    nen Glauben. Dass interreligises Lernen mglich und auch ntig ist, wird nirgends be-

    zweifelt, aber die Interessenlagen, das Ma der Lernbereitschaft und der Charakter der

    Aufgeschlossenheit sind hie und da doch recht unterschiedlich. Wo man den Dialog nur

    als eine Sache der wechselseitigen Unterrichtung und des vertrglichen Umgangs mitein-

    ander errtert, greift man theologisch noch sehr kurz, auch wenn dies praktisch schon von

    erheblicher Bedeutung sein mag und fr die interreligisen Beziehungen fast hinreicht.

    Aber darber hinaus steht durchweg das Grundproblem an, wie sich der christliche End-

    gltigkeits- und Universalittsanspruch zum Geltungsanspruch der anderen Religionen

    verhalte. In den verschiedenen Entwrfen einer Theologie der Religionenwidmete man

    sich auf katholischer Seite einer Folge von Problemen: Zunchst stellte man auf dem Hin-

    tergrund einer rigorosen Tradition die Frage der Heilsmglichkeit fr die Angehrigen an-

    derer Religionen und beantwortet diese heute eindeutig positiv. Dann fragte man dar-

    ber hinaus, ob die anderen Religionen selbst auch Heilswege darstellen und darin ist

    88Ebd. 58.89Ebd. 82,90Vgl. Piepel (s. Anm. 70),

  • 7/25/2019 Hans Zirker Artikel

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    die katholische Theologie bis heute kontrovers.91Schlielich errtert man die These der

    pluralistischen Religionstheologie, nach der anderen Religionen die Mglichkeit zugespro-

    chen wird, dass sie in ihrer Verschiedenheit eigenstndig gleichen Rang einnehmen und

    lehnt sie bislang weitgehend ab.92Aber die Frage, ob und inwiefern die Wahrnehmung der

    anderen Religionen fr uns selbst, fr unseren Glauben und unsere Theologie, Gewinn

    bedeuten knnte, wird bei all dem als eigenes theologisches Problem noch gar nicht ge-

    sehen. Damit zusammen hngt letztlich die Frage, wie man die beharrliche Anhnglichkeit

    der Menschen anderen Glaubens an ihre Religion, ihre Uneinsichtigkeit gegenber dem

    Angebot des christlichen Glaubens, theologisch beurteilen soll, anstatt sie nur psycholo-

    gisch, biographisch, geschichtlich, kulturell zu erklren und auf diese Weise groz-

    gig hinzunehmen. So ist unser Thema des interreligisen Lernens gewi nicht nur eines

    der Praktischen Theologie, gar nur der Religionspdagogik, sondern eminent auch eines

    der Systematischen Theologie.

    91Vgl. Max Seckler, Theologie der Religionen mit Fragezeichen, in: ThQ 166, 1986, 164189 (auch in: Ders.,Die schiefen Wnde des Lehrhauses, Freiburg 1988, 5070; aber auch vorwiegend affirmativ Internatio-nale Theologenkommission (s. Anm.. 40).92Vgl. Michael von Brck / Jrgen Werbick (Hg.): Der einzige Weg zum Heil? Die Herausforderung deschristlichen Absolutheitsanspruchs durch pluralistische Religionstheologien, Freiburg 1993; Gerhard Gde,

    Viele Religionen ein Wort Gottes. Einspruch gegen John Hicks pluralistische Religionstheologie, Mnchen1998; Hans Kessler, Der universale Jesus Christus und die Religionen. Jenseits von Dominus Iesus undPluralistischer Religionstheologie, in: ThQu 181, 2001, 212237; Schwager (s. Anm. 75); Diskussion in:Salzburger Theologische Zeitschrift 4, 2000, H. 2.