Hausarbeit - SchreibCenter · Rudolf von Laban, der bereits oben erwähnt wurde, packte dieses...
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Hausarbeit Beispiel
1. Einführung
Ziel dieser Arbeit ist es, Ausdruckstanz unter Berücksichtigung verschiedener Ansätze
und Vermittlungskonzepte bedeutender Tänzer zu betrachten
Zu Beginn soll der Begriff Ausdruckstanz erläutert werden. Im Anschluss daran wird
ein geschichtlicher Aspekt des Ausdruckstanzes eingeführt. Hierbei soll deutlich
werden, wann sich der Ausdruckstanz entwickelte, aus welchem Zusammenhang er
entstand und was und wer diesen Tanz prägte. Um dies zu verdeutlichen, wird auf
Mitteleuropa eingegangen, danach wird von der Kriegszeit und der Nachkriegszeit die
Rede sein. Danach wird herausgestellt werden, wie sich der Ausdruckstanz in den
zwanziger Jahren entwickelte, dabei werde ich auf die wohl bedeutendsten Tänzer
eingehen, nämlich Isadora Duncan, Rosalia Chladek, Rudolf von Laban, Mary Wigman
und Hanya Holm. Diese hatten ohne Zweifel den größten und prägendsten Einfluss auf
den Ausdruckstanz. Anschließend wird kurz auf die Generation in Europa und den USA
eingegangen. Als Abschluss dieser Arbeit soll dann auf die praktischen Aspekte des
Ausdruckstanzes eingegangen werden. Was war wichtig für die Körperhaltung? Welche
Arm- und Beinbewegungen waren charakteristisch für diesen Tanzstil? In diesem
Abschnitt der Arbeit soll deutlich gemacht werden, welche Stile, welche
tanztechnischen Termini im Ausdruckstanz von Bedeutung waren.
2. Bestimmung des Ausdruckstanzes und seine Geschichte
Der Begriff Ausdruckstanz meint keine ästhetische oder stilistische
Ausrichtung des Tanzes, sondern umfasst alle tänzerischen
Erscheinungsformen, die sich im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts als
Reaktion und Protest gegen das stagnierende Ballett und seinen
Formenkanon etablierten. Die Bezeichnung Ausdruckstanz ist als
Gattungsbegriff zu verstehen. Er vereint verschiedene Stile und ästhetische
Ansätze, aufgrund spezifischer Gemeinsamkeiten zur Gattung des
Ausdruckstanzes zuzuschreiben sind. Eines der wesentlichen Merkmale
des Ausdruckstanzes ist das Individuum, der Mensch, der zum Maßstab
erhoben ist1. Das Bestimmende hierbei ist nicht die äußere Form, die
formale Struktur, die sonst das Ballett kennzeichnet, sondern der innere
Impuls, das innere Empfinden des Tänzers, welches sich unmittelbar in
einer tänzerischen Gestalt zeigt und körperlichen Ausdruck erfährt.
Der Ansatz des Ausdruckstanzes ist subjektiv. Dieser ist ganz bewusst
darauf angelegt, dem subjektiven Empfinden eine tänzerische Form zu
geben. Isadora Duncan, auf die später noch im Näheren eingegangen wird,
ließ sich von dem Empfinden leiten, dass sie beim Anhören einer Musik
erlebte. Auch Mary Wigman, auf die im Folgenden auch noch eingegangen
wird, hatte ihren Ausgangspunkt in der psychischen und physischen
Ausnahmesituation. Sie selbst bezeichnete diese Stimmung als „Ekstase“
und „Außer- sich- treten“. Generell lag die Schöpfungsquelle des
Ausdruckstanz bzw. der Ausdruckstänzer im Menschen selbst, das Erleben
stand im Mittelpunkt der Tänze und bestimmte diese Form. Form und
Inhalt der Tänze besaßen eine absolute Deckungsgleichheit. Der Inhalt
suchte sich seine Form und griff nicht auf „objektive“ Stoffe zurück.
Hierbei wird deutlich, dass dort die Grenze des Ausdruckstanzes liegt, bei
dem sich der Tanz mit Formen und Inhalten verbindet die von außen
1 Noetzel, 1994, S. 22
vorgegeben sind, sowie es im Ballett und im Tanztheater der Fall ist, und
nicht aus dem persönlichen Empfinden heraus entwickelten wurden.
Im Ausdruckstanz können Rolle und Person nicht voneinander getrennt
werden. Die Choreographie entsteht also unmittelbar aus dem Erleben
und wird nicht zur Rolle. Bei dieser Gattung, bei der die Tänzerinnen und
Tänzer die Inhalte aus ihrer Persönlichkeit beziehen, ist die Übertragung
der Choreographie auf andere nicht vorgesehen.
Der Ausdruckstanz existierte nur in einer begrenzten Zeitspanne, nämlich
von ca. 1900 bis 1933. Die Entstehung dieser Gattung vollzog sich im
Kontext eines Umwälzungsprozess, der sich seit Ende des 19. Jahrhunderts
auf allen Ebenen des Lebens ereignete- sozial, politisch, wirtschaftlich,
kulturell. Dieser Prozess lässt sich auf zahllose Einzelmomente
zurückführen, die in vielsichtiger Beziehung zueinander stehen. Ein
wesentliches Moment war der Zerfall überkommender Werte und Begriffe
im ausgehend 19. Jahrhundert. Auch die Erkenntnisse von Max Planck
und Einsteins Quantentheorie stützten das neuzeitliche Denken in eine
tiefe Krise. Die Orientierung an der bislang unangezweifelten Objektivität
der Dinge wurde hinfällig, der Fokus lag nun auf sich selbst, ans Innere.
Der Ausdruck persönlichen Empfindens wurde zum Maßstab
künstlerischen Schaffens. So wie auf wissenschaftlichem Gebiet, das
Seelenleben untersucht wurde, so wurde das Individuum mit seinem
Seelenleben in der Kunst zur Quelle künstlerischer Werke.
In den 20er Jahren hatte der Ausdruckstanz in seiner stilistischen
Ausformung seinen Höhepunkt erreicht.
„Der zivilisationskritische Hintergrund und die im Bürgertum
verbreiteten, lebensreformerisch und lebensphilosophisch begründeten
irrationalen und mystischen Anschauungen bildeten eine ideologische
Basis, auf die später die nationalsozialistische Bewegung zurückgreifen
konnte2.“
Der Expressionismus begründete sein künstlerisches Schaffen aus dem
unmittelbaren inneren Erleben und seelischer Bewegung.3
Damit ging man nun nicht mehr auf das verbreitete Tanzverständnis in Europa, den
ästhetischen Normvorstellungen ein, sondern die Ausdruckstänzer wollten ihrer inneren
Bewegtheit durch die Gestaltung äußerer Bewegung Ausdruck verleihen.
Der Aufbruch der freien Tanzkunst vollzog sich mit den künstlerischen und
gesellschaftlichen Zeitströmungen und Reformbewegungen. Der Widerspruch zwischen
Natur und Technik sowie die Erziehung, die sich auf Natürlichkeit und Gesundheit des
Menschen erstreckte, verbunden mit den Ideen der Reformpädagogik, waren
wesentliche Ausgangspunkte für die Reformbestrebungen im künstlerischen Tanz. Auch
die Diskussionen der Künstler, sowie der Musiker beeinflussten die Ausdruckstänzer
und –tänzerinnen in ihrer Suche nach ungebundenen, individuellen Ausdrucksformen.
Auch von der Rhythmus- und Gymnastikbewegung gingen wesentliche Impulse für die
Etablierung des Ausdruckstanzes als Bühnenkunst aus. Innerhalb der
Ausdruckstanzbewegung gab es eigenständige Konzepte. Zum einen das System von
Rosalia Chladek. Es stellt die tänzerische Realisierung der rhythmisch- musikalischen
Erziehung und der Körperbildung dar. Zudem gibt es noch die Bewegungsanalyse und
das tanzpädagogische Konzept von Rudolf von Laban. Außerdem der tanzpädagogische
Ansatz von Mary Wigman. Verglichen dazu gab es noch Ansätze von Gret Palucca und
Mariane Vogelsang, sie trugen zur Entwicklung des „Neuen Künstlerischen Tanzes“ in
der ehemaligen DDR bei. Und schließlich das Konzept des Elementaren Tanzes von
Maja Lex, indem sich die musikalisch- rhythmische Bewegungsbildung und freier Tanz
herauskristallisierte.
Der Ausdruckstanz begann in den späten 20er und frühen 30er Jahren aus sich selbst
heraus künstlerisch zu stagnieren, da Bewegungsformen und Inhalte erschöpft waren.
Eine Bedrohung seiner Existenz begann erst, als sich die Herrschaftsmechanismen und
Organisationsstrukturen der Nationalsozialisten auf allen Ebenen des Lebens
durchgesetzt hatten. Die Nationalsozialisten schufen die künstlerische
2 Fleischle-Braun, 2001, S. 46 3 Vgl. Artus, 1994, S. 71
Selbstverwirklichung nicht ab, sondern setzten an ihre Stelle die zweckbestimmte
Selbstverwirklichung.
Die Tanzästhetik, die der Nationalsozialismus förderte und benutzte, war
Bestandteil des Ausdruckstanzes in den 20er Jahren. Die Herleitung des
tänzerischen Selbstverständnisses aus den nationalen Wurzeln, aus der
deutschen Kulturgeschichte, wie sie in Mary Wigmans Theorie
vorherrschte, diese Vorstellungen kam den Nationalsozialisten entgegen
und brauchte dann noch um ihre ideologischen Nuancen erweitert und
verfeinert zu werden.4
Der Ausdruckstanz wurde dadurch inhaltlich ausgehöhlt und die Form
blieb solange bestehen, bis sie sich neuen Inhalten angepasst hatte.
Durch die restriktiven Maßnahmen der nationalsozialistischen Partei, die
das künstlerische Schaffen kontrollierte und regulierte, wurde der
Ausdruckstanz seines Lebensnervs und jeder Möglichkeit einer Erneuerung
durch befruchtende Impulse von außen beraubt. Büßte allerdings der
Ausdruckstanz auch seine Existenz ein, so lebten seine Prinzipien doch fort
und haben zur Entstehung der Gattung des Tanztheater in den 70er
Jahren beigetragen.
2.1. Die Befreiung der Tanzkunst
Große Tanzkünstler hatten versucht, den Bühnentanz von allen
bedrückenden gesellschaftlichen Bürden, wie schwere Kostüme, hohe
Perücken und Schuhe zu befreien, die jegliche ungezwungene
Bewegungen behinderten. Zudem hatten sie auch die Tanzkunst von ihren
traditionellen Schritten, Formationen und Choreographien gelöst. Sie
hatten alles von dieser Tanzkunst gelöst, was den Eindruck einer steifen
hierarchischen Gesellschaft und einer traditionellen Bindung der
Tanzkunst an den Tanz höherer Stände vermittelte. Sie hatten alles
4 Vgl. Noetzel, 1994, S. 27
abgeschafft, was an einen Tanz, der die Privilegien der höheren Klasse
erinnerte. Sie schafften zudem das Erscheinungsbild ab, das den Willen
des Hofes betonte, die Mitglieder des eigenen Standes über den Rest der
Menschheit zu sehen.5
Isadora Duncan war es, die den von schwerer Kleidung und steifem
Schuhwerk befreiten Barfußtanz kreierte. Sie war vor allem aber die erste,
die von der Bühne herab eine politische Botschaft verkündete. Rudolf von
Laban, der bereits oben erwähnt wurde, packte dieses Problem von
„innen“ an. Er ging von ureigenen Bedingungen der Bewegung aus, von
Nerven und Muskeln, von allen dynamischen Schwingungen der
Bewegung in Zeit und Raum, von Spannung und Entspannung, all dies
wurde nach Laban von der „Körpermitte“ aus wahrgenommen.
2.2. Gedanken und Ideen
Ideen von Rudolf von Laban und später die Gedanken Mary Wigmans,
waren bedeutend für die Entwicklung des Ausdruckstanzes. Um allerdings
Labans Werk richtig zu beurteilen muss man dessen von Steiners kennen.
Rudolf Steiners Anthroposophie war eine weltanschauliche Lehre und trug
Züge des Hinduismus, Buddhismus und des christlichen Okkultismus. Den
Begriff der Eurythmie belebte Steiner neu, dieser bezeichnete ursprünglich
die rhythmische Weltordnung und die darauf beruhende
Bewegungsharmonie.
Laban bediente sich den Mythologien und philosophischen Gedanken der
Antike. Homer bis Platon lieferten eine Bildsprache und Lehre, die Laban
zum Gegenstand nahm. Zahlenmystik, der Glaube, dass bestimmte Zahlen
eine gewisse Bedeutung haben, der Glaube an die Macht des Kristalls,
spielten eine wichtige Rolle.
5 Vgl. Karina 1992, S. 27
Auch in seinem Bestreben, eine Notenschrift des Tanzes zu schaffen, folgte
Laban von Anfang an seinen zwischen Aberglaube und Vernunft
schwankenden Überlegungen. In den zwanziger Jahren wurde Labans
Philosophie vom Neoplatonismus geprägt.
Mary Wigman schrieb über Laban, dass er alles aufnahm, was in seine
Interessensphäre passte, dass er alles drehte und wendete bis es sich in
seine Gedankengänge eingefügt hatte.6
Er richtete sich nicht mehr, wie es allerdings die Ballettschule vorschrieb,
nach den Gesetzen der Perspektive. Im Gegenteil, er richtete sich nach
unsichtbaren Linien, welche bewusst wahrgenommene Körperbewegungen
in den Raum zu zeichnen schienen. Er nahm an, dass jede unsichtbare
Linie denselben Naturgesetzen folgt, wie das Wachsen der Kristalle.
„Jede Bewegung ist ein Kristall“7
Besonders entscheidend und prägend für den Modernismus der Kunst vor allem aber für
den Tanz, waren die epochemachenden wissenschaftlichen Entdeckungen. Diese
erschütterten die Zeit. Darunter fallen zum einen Wilhems Röntgens Röntgenstrahlen,
die Studien über das Kristallwachstum, Maria und Pierre Curies Entdeckungen des
Radiums und Poloniums und dessen Strahlung. Beide entdeckten Naturkräfte, die man
weder sehen, riechen, fühlen noch steuern kann. Albert Einsteins Relativitätstheorie
bereitete den Weg für schwindel- erregende Einsichten in die verborgenen Kräfte der
Natur und des Universums. Er zerstörte die absolute Zeit. Sigmund Freud entdeckte das
menschliche Unterbewusstsein. Er bewies dass der Mensch ein inneres Leben besitzt.
Es sitzt tief unten unter dem Bewussten und wird von den Erlebnissen beeinflusst.
Außerdem erkannte er, dass man nicht imstande ist jederzeit das Unterbewusstsein zu
kontrollieren und zu beherrschen. Er erkannte damit das Entscheidende für den
Ausdruckstanz, nämlich dass alles künstlerische Schaffen tief darin verankert ist. Laban
besaß einen inneren Zwang, seine Besessenheit, eine Tanzkunst zu schaffen, die ganz
auf ihre eigenen Mittel vertraute. Er wollte den beseelten Körper in Bewegung,
wahrgenommen von der Körpermitte, ohne Kostüme, Szenen, Erzählung, einen
dramatischen roten Faden und unabhängig von allen überkommenen ästhetischen
6 Vgl. Karina 1992, S. 29 7 Karina 1992, S. 30
Normen, frei von der eigenen Tradition. Somit schuf er einen Tanz, von seiner eigenen
Vergangenheit gelöst und ohne Musik, seine eigenen Laute.
2.3. Während und nach dem Krieg
Als 1914 der erste Weltkrieg ausbrach zogen Laban, Wigman und seine Schüler nach
Zürich um. Aufgrund von Krankheit konnte Laban nicht mehr unterrichten, sodass
Mary an seine Stelle trat. Während des Kriegs hatte man Kontakt zu den sogenannten
Dada- Künstlern. Sie sehnten sich vorsätzlich und protestierend gebärdeten den
Untergang aller ästhetischen Konventionen herbei. Alle führten sie ein inspirierendes
Leben in Zürich, abseits und doch waren sie nahe beim Krieg. Europa brach zusammen
und währenddessen amüsierten sie das Publikum mit Kabarettvorstellungen,
Tanzabenden etc. Laban dagegen stellte diese Dada-Kunst in Frage. Er wollte zwar
neue Kunstformen schaffen, die alles Bisherige ersetzen sollten, doch keinesfalls wollte
er die Kunst „aushöhlen“. Mary Wigman hingegen, die eigentlich an ihrem Glauben
festhielt, ließ sich von ihrem Nationalismus leiten. Dennoch trat sie im Rahmen der
Dada-Veranstaltung auf. In jedem Falle wollte sie zum Kreis derer gehören, die für
Großes auserwählt waren und nahm dafür Opfer in Kauf.
1918 nach dem Zusammenbruch der Deutschen und dem verlorenen Krieg herrschte
neben Hungersnot und Krankheiten ein politisches und kulturelles Chaos. Die große
rote Revolution stand überall vor der Tür. In dieser Atmosphäre veränderte sich die
Grundlage für alle Tendenzen und Strömungen, die Umwälzungen in der Kunst und im
Tanz sowie in der sozialen Ordnung zum Ziel hatten. 1919 gingen Laban und Wigman
nach München. Später zog er nach Stuttgart und Hamburg und sie nach Dresden und
Berlin. Die revolutionären Stürme der Nachkriegszeit erschütterten die junge
Tanzkunst.
2.4. Der neue deutsche Tanz
Nach 1919 begann nun die Karriere von Mary Wigman. Sie errang Berühmtheit in der
ganzen Welt und einen der höchsten Ehrenplätze in der Tanzgeschichte. Im Späteren
wird noch näher auf die Persönlichkeit Mary Wigmans eingegangen.
Zuerst gab sie eigene Tanzabende. Bald darauf eröffnete sie eine Schule. Diese wurde
der Mittelpunkt der ganzen Bewegung, das Zentrum des deutschen künstlerischen
Tanzes. Sie bildete eine eigene Gruppe. Früher hatte sie versucht sich den großen
deutschen Dichtern, Komponisten, Philosophen und Wissenschaftlern würdig zu
erweisen. Dann allerdings schien sie von den nationalen Kräften beherrscht. Der
blühende Geniekult, der zum Führerkult überleitete, bestärkte sie in ihrem Glauben,
dass bestimmte Menschen auserwählt „begnadet“ seien.8
Kulturkritiker und –skribenten interpretierten die Stücke Mary Wigmans. Sie glaubten
ihre Codes und Symbole auflösen und erklären zu können. Somit war alles was sie
schrieben das Produkt ihrer eigenen Weltsicht, der eigenen Gefühle gewesen. Dadurch
dichteten sie in ihren Tanz hinein, was sie selbst sehen und fühlen wollten. Die ersten
die sie anhimmelten waren die Nationalisten gewesen. Die kultische und idolhafte
Verehrung, die sie genoss, ließ alle sachliche Kritik verstummen.
2.5. Der Tanz wird politisch
1933 übernahm Adolf Hitler die Macht, er formulierte die neue Kulturpolitik
Deutschlands. Die modernen Tänzer glaubten, dass ihr Tanz mehr Ansehen genießen
könnte, als die traditionelle Oper und Schauspielkunst. Mit Ausnahme von Wagner, der
große Inspirationswelle Hitlers und Vorbild für alles Deutsche und Germanische in der
Bühnenkunst war.
Nach dem Machtantritt der Nazis 1933, begann Laban damit, einen großen
Tanzkongress zu organisieren. Die Wigmanschule richtete sich nach der Rassenpolitik.
Wigman ließ die Anwendung der barbarischen Theorien zu, opferte ihre nächsten
Mitarbeiter, ohne sich jemals mit der neuen Ideologie auseinanderzusetzen. Die Berliner
Olympiade von 1936 bildete den Höhepunkt dieser künstlerischen Richtung. Danach
fiel sie wie ein Kartenhaus, Stück für Stück zusammen. Allerdings war es vielen
8 Vgl. Karina 1992, S. 34
Tänzern gelungen, den freien Tanz in die demokratischen Länder zu tragen. Nach 1937
folgte Rudolf von Laban der zentralen Gestalt des Ausdruckstanzes.
3. Isadora Duncan (1878-1927)
Isadora Duncan wurde in San Francisco geboren. Sie nahm Ballettunterricht in New
York während ihrer Jugendzeit. 1898 vollführte sie ihren ersten Solotanzabend in New
York. Danach erlangte sie Auftritte in London und Beachtung bei Intellektuellen und
Künstlern. Zwischen 1900 und 1901 hatte sie ihren ersten Durchbruch und Erfolg in
Paris. Im Laufe der Jahre erlangte sie wachsende Erfolge in Europa. 1904 eröffnete sie
ihre erste Schule in Berlin-Grunewald, um ihren neuen freien Tanz zu unterrichten. Sie
unternimmt insgesamt vier Tourneen durch Amerika, allerdings ohne großen Erfolg. In
den Folgejahren eröffnet sie eine weitere Schule in Bellevue-sur Seine bei Paris und
eine weitere in Moskau. 1927 stirbt Isadora Duncan durch einen tragischen Autounfall.
Den Großteil ihrer Laufbahn verbringt sie in Europa. Sie bezeichnet das traditionelle
Ballett als unnatürlich und sagt ihm den Kampf an.
Duncan tanzt barfuss und tritt in einer schlichten Tunika auf, statt wie damals üblich in
einem Ballettkostüm mit Korsett. Sie war der Meinung, dass einzig der ekstatische Tanz
den Menschen befreien könnte. Sie wird aufgrund ihres Eintretens für freie Liebe,
Feminismus, Sozialismus berühmt und berüchtigt. Sie ist begeistert von der
europäischen Sammlung antiker griechischer Kunstschätze. Sie lässt sich von der Kunst
der alten Griechen inspirieren. Wie für viele ihrer Zeitgenossen ist für sie das antike
Griechenland das Goldene Zeitalter. Hierbei sind die spirituellen und materiellen Kräfte
harmonisch miteinander verbunden sind. Sie glaubt, dass die Körperdarstellungen in der
griechischen Kunst die natürlichen Gesetzmäßigkeiten wiederspiegeln. Sie empfand
diese Darstellung tanzend nach. Damit verkörperte sie ihrer Meinung nach die
Verschmelzung des Menschen mit Natur und Kosmos. Allerdings bestand sie
gleichzeitig darauf, dass sie die Tänze der griechischen Antike nicht rekonstruiert.
Duncan tanzt zu Musik von Wagner, Beethoven, Chopin, Brahms, Skrijabin und
anderen.
„Diese Werke verrätseln für sie das Rationale und schaffen einen inneren
Erlebnisraum, der seine konkrete Entsprechung in einer leere, nur mit Vorhängen
umgebenen Bühne findet.“9
Sie stößt damit auf heftigen Widerstand, denn viele empfanden die Musik dieser
Komponisten als unpassend, zumindest für den modernen Tanz. Duncan wird von ihren
Zeitgenossen als sehr unterschiedlich aufgenommen. Einige sind haben nur wenig
Verständnis für ihren gefühlsbestimmten Tanz. Andere hingegen sind von ihren Ideen
begeistert und sehen in ihrem Tanz die Befreiung von künstlerischen Zwängen. Sie
bereitet dem Ausdruckstanz den Boden. Duncan choreographiert ihre Tänze aus
grundlegenden menschlichen Bewegungen, wie Gehen, Hüpfen, Rennen und Springen.
Sie betont die Bewegungen von Oberkörper, Kopf und Armen. Sie trägt, wie vorhin
bereits erwähnt, keine Korsetts, sondern lockere, leichte Kleidung. Dadurch konnte sie
ihre sehr bewegungsintensive Technik aus der Körpermitte, aus dem Sitz des
Solarplexus heraus entwickeln. Eine besondere Wirkung erzielt Duncan durch das
bewusste Spiel mit dem Körpergewicht und der Schwerkraft. Ihre tänzerische
Vorstellung formulierte Duncan 1903 in der Vorlesung „Der Tanz der Zukunft“, indem
sie sich mit der philosophischen, religiösen und sozialen Begründung des Tanzes
auseinandersetzte.
4. Die europäischen Pioniere
4.1. Rosalia Chladek (1905-1995)
Rosalia Chladek wurde 1905 in Berlin geboren. 1920 nahm sie an einem Sommerkurs
an der „Neuen Schule von Hellerau“ teil. Von 1921 bis 1924 studierte sie an der neuen
Schule für Rhythmus, Musik und Körperbildung, ebenfalls in Hellerau. Sie war ein
Mitglied der Tanzgruppe von V. Kratina. Während dieser Zeit hatte sie Auftritte bei den
Hellerauer Festspielen und bei der Wiener modernen Musikwoche in V. Kratinas
Stücken, wie „L´Homme et son Désir“ oder „Der holzgeschnitzte Prinz“. Ihr Debut
hatte sie als Solotänzerin im Freien Tanz im Künstlerhaus in Dresden. Ab 1924 war sie
zudem Lehrerin für Körperbildung und Tanz in Hellerau. 1925 siedelte ihre Schule über
9 Krautscheid 2004, S. 103
nach Laxenburg bei Wien. Von 1928 bis 1930 war sie Leiterin der Gymnastik- und
Tanzausbildung des Konservatoriums Base, sowie Ballettmeisterin und
Gastchoreographin am dortigen Stadttheater. Seit 1930 übernahm sie die pädagogische
und künstlerische Leitung der gymnastischen und tänzerischen Ausbildung in
Laxenburg. Sie entwickelte dort ihr Ausbildungssystem für eine moderne tänzerische
Körperbildung, die nach ihr benannte Chladek-Technik. Sie erlangte den zweiten Platz
beim Pariser Wettbewerb, sowie sie auch für Alcina-Suite (G. Händel), Tanz mit dem
Stab und der Slawische Tanz (A. Dvorák) den zweiten Preis erhält.1937 bekommt
Rosalia Chladek den Professorentitel verliehen in Anerkennung der künstlerischen und
pädagogischen Tätigkeit. Aus politischen Gründen verlässt sie 1938 die Schule in
Hellerau-Laxenburg. In den Folgejahren tanzt sie in einem Sologastspiel in Rom, tourte
durch Indonesien mit A. Swaine, übernahm die Leitung der Ausbildung im modernen
Tanz an den deutschen Meisterstätten für Tanz in Berlin. Sie leitete zudem die
Abteilung Tanz für Bühne, baute eine Tanzgruppe auf und tanzte in „die
Kameliendame“ in der Uraufführung in Dresden. Bei Kriegsende in Brünn flüchtete sie
nach Wien, dort nahm sie 1945 auch die Lehrtätigkeit am Konservatorium wieder auf.
Sie choreographierte am Wiener Burgtheater, bei Salzburger Festspielen, zum Tanzfilm
Symphonie Wie. 1963 bis 1977 übernahm sie die Leitung eines Hochschullehrgangs
„Moderne Tänzerische Erziehung und Tanzpädagogik-System Rosalia Chladek“ an der
Wiener Musikhochschule. 1972 gründete sie die „Internationale Gesellschaft Rosalia
Chladek“ und das Ergänzungsstudium wurde eingeführt, indem das System gelehrt
wird. Von 1985 bis 1990 rekonstruierte sie einige Tanzgestaltungen durch Tänzer und
Tänzerinnen der Wiener Staats- und Volksoper, des Tanztheaters im Rahmen der
Wiener Festwochen, des Internationalen Tanzfestivals.
4.1.1. Das System von Rosalia Chladek Rosalia Chladek hat durch die beiden Lehrkräfte, Valeria Kratina (1892-
1983) und Jarmila Kröschlová (1893-1938), die sich in ihren
musikalischen Erziehungsmethoden immer mehr der Körperbildung selbst
zugewandt hatten, ihre Schulung und Ausbildung erhalten. Daraus
entwickelte sie ihr eigenes System der modernen tänzerischen Erziehung.
Von 1924-1925 unterrichtete Chladek Körperbildung und Tanz in
Hellerau. 1930-1938 leitete Rosalia Chladek die Schule und Tanzgruppe.
Nach der Besetzung Österreichs musste sie ihre Tätigkeit einstellen, und
die Schule wurde aufgelöst.
Für die Tanzausbildung ist die Kombination der beiden analytischen und
differenzierten Methode, der Rhythmischen Gymnastik von E. Jacques-
Dalcroze und einer Körperbildung, bei der alle Wahrnehmungskanäle und
–organe gleichermaßen angesprochen werden, von besonderer Bedeutung
geworden, nicht nur in tanztechnischer Hinsicht, sondern vor allem auch
im Hinblick auf die Entwicklung der künstlerisch-kreativen Anlagen und
Fähigkeiten. Daraus entwickelte Chladek ihr eigenes System der modernen
tänzerischen Erziehung. Dies war eine Methode zur Körperbildung und
eine Tanztechnik, die gemäß der Anatomie des menschlichen Körpers,
nach Gesetzmäßigkeiten der Schwerkraft und des Raumes aufgebaut ist.10
4.1.2. Die Bewegungslehre von Rosalia Chladek In der methodischen Konsequenz arbeitet Chladek mit verbal vermittelten
Aufgabenstellungen, durch die ihre Schüler und Schülerinnen in ihrer
eigenen Körpererfahrung und Bewegungsarbeit das Wechselspiel der
Kräfte und Wirkungen nachspüren und erkennen können. Dabei steht im
Mittelpunkt ihrer Betrachtung der Mensch im Kraftfeld von Schwerkraft
und eigener Energie, aus deren Wechselverhältnis sich die gesamte
Spannungsskala zwischen Aktivität und Passivität ergibt. 11 Dieses
unterschiedliche Körperverhalten ist prinzipiell für den dynamisch-zeitlich-
räumlichen Verlauf, die Qualität der Bewegung ausschlaggebend. Aber
auch die Faktoren Angriffspunkt, Richtung, Größe und Dauer der Energie
spielen eine wichtige Rolle.
Hierzu entwickelte Rosalia Chladek folgende Bewegungslehre:
10 Vgl. Fleischle- Braun 2001, S. 50 11 Vgl. Fleischle- Braun 2001, S. 50
Bewegungslehre von Rosalia Chladek12
4.1.3. Prinzipien des Chladek-Systems Das Erlebnis der Relation von Schwerkraft und eigener Energie und die
Konzentration auf die spür-, hör- und sichtbaren Veränderungen
körperlicher Spannungszustände führen zu folgenden Prinzipien und
Ausbildungsschwerpunkten:
12 Vgl. ebd., S. 51
1.1.1. Differenzierung des Körperverhaltens
1. Art der Energie:
Eigene (muskuläre) Energie: aktives Körperverhalten
Schwerkraft: passives Körperverhalten
2. Angriffspunkt der Energie:
Gesamter Körper: totale Bewegung
Einzelne Körperbereiche: partielle Bewegung
Bewegungsansatz: zentrale- periphere Bewegung
Gleichzeitig simultane- auslaufend sukzessive Bewegung
Doppelseitige- einseitige Bewegung
Verlagerung des Körpergewichts: Lehnung- Fortbewegung
3. Größe der Energie:
Umfang der Bewegung im Raum
4. Richtung der Energie:
Gerade- krummlinige Bewegung im Körper und im Raum
5. Dauer der Energie:
Zeitliche Dimension: kurz- lang
Gleichbleibend- veränderlich (rhythmisiert)
6. Einstellung zur Bewegung:
Gleichförmiges- labiles Körperverhalten
7. Qualitativ- dynamische und räumliche Variation der
Bewegung:
Prinzipien des Chladek-Systems13
Der Tanz ist der unmittelbare Ausdruck einer psychischen Situation,
dennoch besteht die Notwendigkeit zur Objektivierung der Kunst, die
letztendlich eine geformte Darstellung eines gesteigerten Lebensgefühls
bedeutet. Auch in der Musik findet man eine differenzierte Gründlichkeit.
Bei Musik geht es Rosalia Chladek bei weitem nicht nur um die Erfassung
des Metrischen und Taktmäßigen, sondern es gilt nach ihr auch
schöpferisch die Intentionen des Komponisten, die im geistigen Gehalt, in
Charakter und formaler Struktur der Musik zum Ausdruck kommen, auf
der Ebene des Tanzes zu spiegeln. 14 Für Tanzgestaltungen und die
choreographische Arbeit lässt Chladek alles zu, Musik, Klänge, Geräusche
13 Fleischle- Braun 2001, S. 52 14 Vgl. Lösch 1990, S. 199
Prinzipien des Chladek- Systems
1. Bewusstsein entwickeln für die natürlichen Gelenk- und
Muskelfunktionen, sowie die anatomisch- physiologische
Folgerichtigkeit;
2. Erfahrung des körpereigenen Bewegungsrhythmus und Erkennen
der Phasenstruktur von Bewegungen, sowie das Erproben und
Variieren der zeitlich- rhythmischen Strukturierung von Bewegung;
3. Bewusstsein entwickeln für die Kräfteübertragung und
Folgerichtigkeit von Bewegungsverläufen bei definierten
Ausgangsbedingungen (bestimmte Ausgangsposition, bestimmtes
Körperverhalten, klar definierter Kraftansatz);
4. Erspüren und Erkennen des Zusammenhangs zwischen
unterschiedlichem Körperverhalten bzw. der Bewegungsdynamik
und dem sichtbaren Bewegungsausdruck;
5. Den Zusammenhang zwischen Raumempfinden und der Wirkung
oder Stille, Sprache oder Rezitation von Gedichten, pantomimische und
abstrakte Formen des Bewegungsausdrucks.
Das Chladek-System verbindet in einzigartiger Weise den Ansatz der
musikalisch-rhythmischen Erziehung mit einem äußerst differenzierten
gymnastischen Ansatz der Körperbildung zu einem umfassenden
Tanzausbildungskonzept.
4.2. Rudolf von Laban (1879-1958)
An der Spitze der mitteleuropäischen modernen Schule stand Rudolf von
Laban. Eingehend hatte er die Bewegungen des klassischen Balletts
studiert und gefunden, dass sie nicht die Bewegungsfähigkeit des ganzen
Körpers nutzen. Die Tanzbewegung erforschte Laban unabhängig von
allen Hilfsmitteln, und dabei wollte er die Freiheiten hinsichtlich des
bewussten und unbewussten Bewegungsimpulses erhalten. Er meinte, dass
alle Bewegungen von einem gedachten Punkt über dem Nabel ausgingen,
vom Solarplexus.
Rudolf von Laban, wurde 1879 in Pressburg (Bratislava) geboren. Er
studierte Kunst und Ballett und war außerdem Tänzer in München, Paris
und Wien.
Von 1900 bis 1919 vollführte er Tanzvorführungen und gab
Tanzunterricht. In dieser Zeit entwickelte er die Grundlagen zum Laban-
System, auf das später noch eingegangen wird.
1910 gründete er zusätzlich seine erste Tanzschule in München. Von 1914
bis 1919 hielt er sich in Zürich und Ascona auf. Seine Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen bzw. Schüler und Schülerinnen waren damals unter
anderem M. Wigman, G. Leistikov und K. Wulff. Während dieser Zeit
unternahm er Studien und Notizen über Tanzschrift, Tanzerziehung und
Tanzkomposition.
1921 übernahm Laban die Tanzleitung am Mannheimer Nationaltheater.
1922 tanzte er beim Gastspiel am Württembergischen Landestheater
Stuttgart. 1923 siedelte seine „Tanzbühne“ und seine Zentralbühne um
nach Hamburg. Von 1923 bis 1928 folgten Uraufführungen von
Inszenierungen verschiedener Gruppenwerke und Ballette, die Laban
choreographierte bzw. leitete und gegebenenfalls die männliche
Hauptrolle tanzte.
1923 gründete Laban den ersten Laien-Bewegungschor, 1924 ein
Kammertheater in den Räumen des Hamburger Zoos und 1926 ein
Choreographisches Institut in Würzburg. Das Ziel dieser Institutgründung
war die Pflege des komponierten und notierten Tanzes (Schrifttanz) und
der choreologischen Hilfsdisziplin.
1927 fand dann der erste Tänzerkongress in Magdeburg statt, in dem er
Mitglied im Ehrenkomitee war und der Tänzerbund gegründet wurde.
1928 folgte der zweite Deutsche Tänzerkongress in Essen, in dem über die
Grundlagen der Erziehung für Tänzer, die Tanzschrift sowie die Laientanz-
Bewegung diskutiert und resolutiert wurde. Und schließlich 1930 dann
der dritte Tänzerkongress in München, in dem Laban Mitglied im
Ehrenpräsidium war und eine Resolution über die Konzeption einer
Tanzhochschule stattfand. Er war vier Jahre Leiter für Tanz und
Bewegung und später Intendant am Preußischen Staatstheater in
Berlin.1934 bis 1936 propagierte er für den Deutschen Ausdruckstanz und
war Leiter der deutschen „Tanzbühne“. Laban übernahm die Leitung der
„Deutschen Meisterwerkstätten für Tanz“, flüchtete allerdings 1937 über
Paris nach England, wo er auch seine tanzpädagogische und
tanzwissenschaftliche Arbeit schrieb. Ein Jahr später siedelte er nach
Dartington Hall und nahm dort die Choreutischen Studien wieder auf.
1940 bis 1961 bot er regelmäßige Sommerkurse in Modernen Tanz für
Lehrer und Interessenten an. 1942 wurde durch ihn der Name „Modern
Educational Dance“ an englischen Staatsschulen und
Lehrerbildungsanstalten geprägt. Zudem wurden seine
Bewegungsbeobachtungen und –aufzeichnungen im industriellen Prozess
angewendet. Im Laufe der Jahre eröffnete Laban das „Art of Movement
Studio“, gründete er das „ Laban Art of Movement Guild“, später „Laban
Guild“. 1954 gründete er zusammen mit Lisa Ullman in Manchester sein
„Art of Movement Centre“, in dem er bis zu seinem Tod wirkte. Später
wurde es durch die Londoner Universität anerkannt. 1958 stirbt Rudolf
von Laban in Weybridge. Seine Schüler leiteten seine Studios. Das „Laban
Centre“ ist die größte britische Tanzakademie mit Universitätsstatus. An
ihr wird moderne und traditionelle Theatertanztechnik und –praxis
vermittelt, sowie Aspekte der Heilpädagogik und soziokulturelle Aspekte
des Tanzes behandelt. Es wird ein tanzhistorisches Archiv mit
Schwerpunkt „Zentraleuropäischer Tanz“ aufgebaut.
4.2.1. Das tanzpädagogische Erbe von Rudolf von Laban Rudolf von Laban sorgte mit seinen Ideen, Visionen und Überlegungen für
die tanzkünstlerische Weiterentwicklung des modernen Ausdruckstanzes.
Durch die von ihm probagierte Förderung der Laientanzbewegung und
Einflussnahme auf die Ausbildungssituation der Tänzer verbesserte sich in
den 30er Jahren die Lage und gesellschaftliche Anerkennung der Tänzer.
Er formulierte grundlegende Gedanken zur Tanzpädagogik und einer
systematischen Bewegungsanalyse. Diese hatte großen Einfluss auf die
Bewegungsnotation als auch die Bewegungstherapie.
Rudolf von Laban war nicht nur Tänzer und Choreograph, sondern auch
Tanzpädagoge und -theoretiker. Zudem war er, wie oben bereits erwähnt,
Organisator von Tänzerkongressen, Tanzfestspielen und
Großveranstaltungen im Bereich des chorischen Tanzes.
4.2.2. Labans Tanzverständnis Labans großer Verdienst liegt im Versuch der Systematisierung
menschlicher Bewegung und der tanzpädagogischen Arbeit. Seine Impulse
und sein Wirken lassen sich in drei Arbeitsschwerpunkten
zusammenfassen:
1. Labans Lebenswerk galt der Erforschung der menschlichen Bewegung, die als
das konstitutive Element jeglicher Ausdrucksform und –kunst anzusehen ist.15
Indem er den Tanz von dogmatischen Regeln befreite, gab Laban dem
Tanz eine neue Qualität. Durch seine bewegungsanalytischen Ansatz gab
er dem Modernen Tanz die Freiheit, auf alle natürlichen
Bewegungsmöglichkeiten des Körpers zurückzugreifen. Unter Tanz
verstand Laban einen immer experimentellen und kreativen Akt. Es ging
ihm darum, in harmonischer und ausgeglichener Weise alle
Ausdrucksmöglichkeiten des Individuums zu fördern. Daher umfasste
seine Schule für Kunst in Monte Veritá bei Ascona Unterricht in den vier
Bereichen Bewegungs-, Wort-, Ton- und Formkunst.
2. Laban löste den Tanz durch seine intensive Beschäftigung mit der
Bewegung und ihrer qualitativen Ausprägung aus seiner Abhängigkeit von
der Musik. Beispielsweise durch das Schaffen musikloser Tänze, die
ausschließlich aus dem inneren Rhythmus körperlicher Bewegung
entstanden waren oder Tänze, die nur von Worten bzw. Gedichten oder
Schlaginstrumenten begleitet werden. In seinen späteren Choreographien
legte er vor allem Wert auf ein ebenbürtiges Verhältnis von Tanz und
Musik.
3. Sein tänzerisch-gymnastisches Ausbildungssystem begründete Laban mit
den Gesetzen des Raumes und den Prinzipien einer harmonischen
Bewegung, wie die sogenannten Laban-Schwünge bzw. Schwungskalen.
15 Fleischle- Braun 2001, S. 55
4.2.3. Die Bewegungslehre und -analyse von Laban In Labans Bewegungslehre ging er von folgenden Aspekten aus:
1. Rudolf von Laban behandelte den räumlichen Aspekt in der sogenannten
Raumlehre bzw. Choreutik, der Lehre von den Zusammenhängen
räumlicher Formen im Tanz. Aus seinen Studien über die
Gesetzmäßigkeiten, die in geometrischen und biologischen Strukturen
erkennbar sind und aus der Analyse tradierter, historischer und ritueller
Bewegungssequenzen entwickelte Laban Prinzipien über die Ausrichtung
des Körpers und die Gliederung und Harmonik von Raumformen, sowie
von Richtungsbewegungen des Tänzers. In dieser Perspektive ist
Bewegungen „lebendige Architektur“.16
2. Der dynamische Aspekt von Bewegung wird in der Eukinetik, also
Ausdruckslehre, untersucht. Die Analyse der Bewegung nach den Faktoren
Schwerkraft, Raum, Zeit und Fluss hängt eng mit der inneren Einstellung
der sich bewegenden Person zu den verschiedenen Bewegungsfaktoren
zusammen. „Ankämpfen“ bzw. „Widerstreben“ zum einen und „Erspüren“
bzw. „Auskosten“ auf der anderen Seite. Diese Gegensätze der inneren
Einstellung zu den Bewegungsfaktoren Schwerkraft, Zeit und Raum ergibt
systematisch miteinander kombiniert die acht elementaren
Antriebsaktionen: Drücken, Stoßen, Tupfen, Gleiten, Flattern, Schweben,
Wringen, Peitschen.
3. Bei seiner Analyse geht Rudolf von Laban grundsätzlich von der
Bipolarität der Bewegung aus: aufsteigen, sinken, vorwärts gehen- sich
zurückziehen, öffnen- schließen, größer werden- kleiner werden,
symmetrisch- asymmetrisch, frei von Widerstand- Widerstand leistend, der
Schwerkraft nachgebend- Schwerkraft bekämpfend, Spannung- Entspannung,
Zentrum- Periphere, Ruhe- Anpassung, Vertrautheit- Selbstentfremdung.
16 Vgl., ebd. S. 57
4. Laban entwickelte zur Aufzeichnung der beobachtenden Bewegung mit
Unterstützung seiner Mitarbeiter verschiedene Notations- Systeme
(Labanotation).
4.2.4. Das tanzpädagogische Konzept des „Modern Educational Dance“ Das Konzept von Laban bezieht sich auf die Bereiche: Körper- Raum-
Ausdruck bzw. Antrieb. Die Schwerpunkte der tänzerischen Schulungen
lagen auf dem Körper, dem Raum und dem Ausdruck.
Körperbildung bei Laban (in: Gymnastik und Tanz 1926)17
17 Fleischle- Braun 2001, S. 59
1. Körper:
- Regulierung der Atmung
- Kraftspannung: Abspannung- Anspannung
- Geschmeidigkeit
2. Raum:
- Gleichgewicht
- Raumorientierung
- Metrik (Weite- Enge)
3. Ausdruck
- Rhythmik (Zeiteinteilung)
- Dynamik (Kraftbetonung)
bä d
Für den „Modern Educational Dance“ arbeitet Laban insgesamt 16
elementare Grundthemen aus:
Elementare Themen der tänzerischen Erziehung nach Laban
(1981)18
Mit Hilfe der Arbeit dieser oben aufgeführten Themen sollen die
Bewegungsgesetzmäßigkeiten des Körpers und der Bewegung im Raum
erfahren und eigenständig entdeckt werden. Besonders ist außerdem das
ein Gemeinschaftsgefühl und soziale Lernziele ebenfalls bei Laban
thematisiert werden.
18 Vgl. ebd., S. 60
1. Themen zum Körperbewusstsein
2. Themen zum Bewusstsein von Schwerkraft und Zeit
3. Themen zum Raumbewusstsein
4. Themen zum Bewusstsein des Flusses von Körpergewicht in
Raum und Zeit
5. Themen zur Anpassung an einen oder mehrere Partner
6. Themen zum instrumentellen Gebrauch der Gliedmaßen
7. Themen zum Wahrnehmen einzelner Aktionen
8. Themen zu Arbeitsrhythmen
9. Themen zur räumlichen Gestaltung von Themen
10. Themen zu Kombinationen aus den acht Antriebsaktionen
11. Themen zur Orientierung im Raum
12. Themen zu Raumformen und Energiequalitäten mit Einsatz
verschiedener Körperteile
13. Themen zur Elevation
14. Themen zum Wecken des Gruppengefühls
15. Themen zu Gruppenformationen
16 Themen zum Ausdrucks und Stimmungsgehalt einer Bewegung
Das pädagogische Anliegen liegt in der Entwicklung und Entfaltung
der Persönlichkeit und Förderung der individuellen Ausdrucksmittel
über eine kreative Bewegungserziehung, die
vorrangig von spielerischen und offenen Aufgabenstellungen
ausgeht.19
Das Grundkonzept von Laban ist bis heute sowohl in Amerika wie auch in Europa die
Basis der kreativen Tanzerziehung und des Experimentellen Tanzes geblieben. In
seiner sehr umfassenden und differenzierten Sichtweise ist Laban ein Vordenker
geworden, der die didaktischen Zielsetzungen, Inhalte und Methoden der Ästhetischen
Erziehung in seinen Ideen und Überlegungen bereits vorweggenommen hat.
4.3. Mary Wigman (1886-1973)
1886 wurde Mary Wigman in Hannover geboren. Sie studierte in Dresden-
Hellerau rhythmische Gymnastik und Methode von Jacques-Dalcroze. Sie
war von 1913 bis 1919 Schülerin und Assistentin von Rudolf von Laban.
1914 hatte sie ihren ersten öffentlichen Auftritt in München: Hexentanz I,
Lento, ein Elfentag. 1920 bis 1942 war Wigman Tanzpädagogin, zudem
Leiterin und Inhaberin der Mary-Wigman-Schule in Dresden.
1921 gründete sie die erste Mary-Wigman-Tanzgruppe. Neben vielen
Auftritten in besonderen Stücken, wie beispielsweise „Das Totenmal“ oder
„Tanzgesänge“, erhielt sie einen Gastlehrauftrag für künstlerischen Tanz an
der staatlichen Hochschule für Musik, in der Abteilung Dramatische Kunst
und übernahm zudem die Leitung der Tanzausbildung. 1946 bekam
Wigman den Professorentitel verliehen. In den Folgejahren
19 Fleischle- Braun 2001 S., 60
choreographierte und inszenierte sie am Staatstheater Mannheim und in
der Oper Berlin.
Ihr Stil war durch eine unerhörte Ausdrucksfähigkeit geprägt. Sie betonte
das Körpergewicht und das Verhältnis von Spannung und Anspannung in
den Bewegungen. Ihre Tänzer trainierte sie so, dass sie den eigenen
Rhythmus des Körpers ausnutzten. Wigman schuf revolutionierende
Choreographien, nicht nur für sich und die eigene Truppe, sondern auch
für das Ballett der Theaterbühnen. Mary Wigmans Bedeutung für Europas
Modernen Tanz war ungeheuer.20
4.3.1. Tanzerziehung als bildnerische Aufgabe Mary Wigman war zweifellos die bekannteste und bedeutendste
Vertreterin des Ausdruckstanzes. Nach ihrer Ausbildung trennte sie sich
von der Laban-Schule in Zürich, um in Deutschland als eigenständige
Künstlerin Karriere zu machen. Als Solotänzerin und ebenso mit ihren
Gruppenwerken verkörperte sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in
Europa und vor allem in Amerika die neue freie Tanzbewegung. Sie
verstand Tanz, als etwas, das sich aus natürlichen Körperbewegungen
heraus entwickelt, der als freier Ausdruck menschlicher Gefühle und
Eindrücke zu verstehen ist. Mary Wigman verstand den Tanz für sich
selbst auch als Symbol des Lebens, mit seinen Wandlungen und
Vergänglichkeiten. In ihren Choreographien brachte sie häufiger dieses
ewige Lebensprinzip von „stirb und werde“ und „dem schicksalhaft
bedingten Wandel in Zeit, Raum und Gestalt“ zum Ausdruck.
Grundlage und Material des Tanzes bildet für sie die natürliche
Körperbewegung, deren Möglichkeiten und Grenzen in der
Tanzausbildung entdeckt und bewusst gemacht werden müssen. Wigman
hinterließ eine schöpferische und individuumszentrierte Lehrmethode, um
20 Vgl. Karina, L. 1992, S. 47
der Tatsache gerecht zu werden, dass der menschliche Körper ein
Organismus und keine Maschine ist.21 Sie sieht in der tanzerzieherischen
Arbeit eine künstlerisch bedingte Aufgabe, nämlich das die Körperbildung
dabei eine unabdingbare Voraussetzung für den Tanz ist, da es um einen
Wachstumsprozess geht, indem körperliche Bewegung, seelische
Bewegtheit und geistige Beweglichkeit im Gleichgewicht sein müssen, um
die Wandlung des Körpers vom Leib zum Instrument zu vollziehen.22 Mary
Wigman erstellte ein methodisches System rhythmischer Übungen
zusammen. Die gymnastische Arbeit war als erstes auf die
Gelenkfunktionen und die An- und Abspannungsfähigkeit der Muskulatur
ausgerichtet. Die Fortsetzungen bildeten einfache Formbewegungen und
Körperhaltungen, anschließend Formen der Fortbewegung, wie Schritte,
Drehung, Sprünge. Ein weiterer Ausbildungsbereich galt dem Rhythmus.
Dieser wurde zum einen als Wechselbeziehung von Kraft, Zeit und Raum
und zum anderen in seiner Beziehung zu musikalischen Formen
verstanden. Die Improvisationsaufgaben sollten die schöpferische
Phantasie anregen.
Mary Wigman gibt in ihrer pädagogischen und künstlerischen Arbeit den
Laban`schen Kategorien Raum. Das Verhältnis von Musik und Tanz hat sie
seit ihrer Rhythmikausbildung beschäftigt. „Freier Tanz“ bedeutete für sie
auch ein Freiwerden von der Musik, um die tänzerische Bewegung etwas
eigenes schaffen zu können und um diese durch den eigenen
Körperrhythmus selbst entwickeln zu können. Wigman hatte für sich
festgestellt, dass die Eigengesetzlichkeit der Musik sich häufig nicht mit
dem choreographischen Aufbau des Tanzes verträgt. Deshalb bevorzugte
sie für ihre Tänze nur eine Begleitung mit Rhythmus- bzw.
Schlagzeuginstrumenten oder eine Klavierkomposition. Für die tänzerische
21 Vgl. Fleischle- Braun 2001, S. 65 22 Vgl. ebd., S. 65
Komposition stand für sie das Element der Bewegung und ihr Ausdruck an
erster Stelle, alle übrigen Mittel hatten eine unterstützende Funktion.
Mary Wigmans Wirken war nicht nur während der eigentlichen Blütezeit
der Ausdruckstanzbewegung für die Entwicklung und Etablierung der
modernen Bühnentanzkunst von besonderer Bedeutung.
Die Beobachtung der bewussten und unbewussten Quellen und Kräfte
des Tanzes, die in der intuitivschöpferischen Phase und im gestaltend-
formenden Arbeitsprozess zum individuellen Ausdruck kamen, waren
ein entscheidender Punkt, aus dem sie die tänzerische und kreative
Entwicklung von künstlerisch oder pädagogisch ambitionierten
Persönlichkeiten fördern konnte.23
Mary Wigman hatte großen Einfluss auf die Tanzpädagogik und die
Tanztherapie.
4.3.2. Ihre Schülerin Gret Palucca (1902-1993) Gret Palucca wurde 1902 in München geboren. Sie war von 1920 bis 1923
Schülerin von Mary Wigman und ein Mitglied in ihrer Tanzgruppe.Sie
gründete 1925 in Dresden ihre eigene Ausbildungsstätte.
Sie gehörte zum Kreis der herausragenden Wigman-Schülerinnen. Von
1920 hatte sie bei der Meisterin des Ausdruckstanzes Unterricht. Anders
als ihre Lehrerin, deren Tanz stark emotionsgebunden war, vertrat Palucca
ein eher nüchternes Tanzverständnis. Sie lehnte für ihren Tanz jede Art
von Zielsetzung in Form einer Programmatik, selbst einer metaphysischen
ab. Gret Palucca charakterisierte ihre Tänze folgendermaßen:
23 Fleischle- Braun 2001, S. 69
„Meine Tänze haben keinen anderen Inhalt und Sinn als eben der Tanz,
die natürliche Bewegung, gestaltet im Gleichklang mit der Musik. Mein
Wunsch wäre, in meinen Tänzen eben so frei und so gebunden zu sein,
wie der Musiker es ist. Frei von Inhalten und Symbolen, gebunden an
Gestzmäßigkeiten...“.24
Oft wirkten ihre Tänze improvisiert. Sie verbindet dabei Körperdynamik, Raum und
musikalischen Klang zu einer heiteren Ausdrucksform, die das Publikum besonders
durch Sprünge faszinierte. Die Kritiker haben immer ihre besondere Leichtigkeit und
die Kraft ihrer vollkommenen Körperbeherrschung und Präzision hervorgehoben.
Ihr System gründet in der Entwicklung der gymnastischen Grundformen.
Über die Methode des Improvisierens möchte Palucca die schöpferische
Phantasie und das körperliche Ausdrucksvermögen ihrer Schülerinnen
und Schüler weiterentwickeln. Ihre Improvisationsthemen sind weit
gefächert: Dramaturgisch- darstellende Themen wie Märchenfiguren und –
motive, formale Begriffe und Vorstellungen, die Bewegungsqualitäten oder
Raumrichtungen ausdrücken können, rhythmische oder musikalische
Vorlagen sowie Werke aus der Bildenden Kunst.
Sie selbst hat kein fixiertes Lehrprogramm hinterlassen, allerdings sind an ihrer Schule
in Dresden Dokumente und Protokolle von ihrer Arbeit archiviert.
Durch ihre konstante Lehrtätigkeit hatte Palucca nicht nur in der ehemaligen DDR,
sondern auch in Skandinavien einen großen Einfluss auf die Fortentwicklung des
Modernen Tanzes.25
Viele herausragende Regisseure und Choreographen auch einmal Schüler und
Schülerinnen von Gret Palucca gewesen.
24 Fleischle- Braun 2001, S. 70; Im Programmheft der Dt. Tanzfestspiele Berlin 1935, zitiert nach I. Lösch (1992, 104) 25 Vgl. Karina, L 1992, S. 54
5. Die charakteristischen Merkmale im Ausdruckstanz
Die Beine sind im Ausdruckstanz oft parallel gestellt, aber auch nach außen gedreht,
jedoch nicht mehr als 120°.
Die Arm- und Beinbewegungen folgen mehr choreographischen Impulsen als einem
festen Regelsystem. Gegebene natürliche Bewegungen gehören sowohl zum Training,
als auch zur Choreographie, zum Beispiel Gehen, Laufen, spontane Sprünge, Stampfen.
Diese Momente bilden oft den choreographischen Grundstamm.
Die Füße sind gestreckt oder angezogen (flexed).
Die Bewegungen in der Wirbelsäule weisen eine Vielfalt auf, wie sie im klassischen
Ballett nicht vorkommt. Eine Region über dem Nabel (Solarplexus), die das
Sonnengeflecht birgt, wird zu einem imaginären Zentrum des Bewegungsbewusstseins,
der Konzentration und der bewussten Beachtung der Atmung und auch des zentralen
Schwerpunktes.26
Die Begriffe Raum und Zeit sind oft Themen der choreographischer Werke des
Ausdruckstanzes, ganz im Unterschied zu den strengen Ausdrucksformen des Balletts.
Der Boden wird vielseitig genutzt. Man sitzt, liegt, kniet, auf einem Knie oder beiden.
Das bereichert die Bewegungsskala und gehört unbedingt zur Choreographie.
Es existieren mehrere subjektive Stile, Schulen und Methoden. In vielen Fällen sind sie
anfangs von einem einzigen Tanzschöpfer erarbeitet worden, oft mit Hilfe seiner Eleven
oder Nachfolger. Das Trainingssystem fußt oft auf den Werken erfolgreicher
Choreographen. Wie beispielsweise „Contraction (=zusammenziehen)“ und „Release
(=lösen)“, Begriffe aus der Graham-Technik, sind vergleichbar mit dem
Atmungsprozess und ermöglichen fließende Kontinuität der Bewegung.
Tänzerische, gymnastische und choreographische subjektive Bewegungen werden oft
als Trainings-, Improvisations- und Kompositionsmuster verwendet. Die
Bewegungsskala zielt darauf ab, die Phantasie und das Bewegungsbewusstsein des
einzelnen Tänzers zu wecken. Sie strebt in gewisser Hinsicht danach, die
schöpferischen Fähigkeiten auszuweiten. Das war besonders in den Schulen des
Ausdruckstanzes der Fall, wie bei Duncan, Laban oder Wigman. Diese Methoden
standen im extremen Gegensatz zu denen des klassischen Balletts. Die neuen Systeme
gaben, im Gegensatz zum Ballett, begabten Menschen, die sich dem Tanz widmen
26 Vgl. Karina, L 1992, S. 75
wollten, gleich die Chance zur Entfaltung ihrer künstlerischen Qualitäten, auch wenn sie
mit dem Tanzen erst im reiferen Alter begannen.
6. Resümee
In dieser Arbeit sollte der Beginn der Ausdruckstanzes, sowie sein Verlauf erläutert
werden. Dazu wurde auf die Anfänge eingegangen, nämlich mit Isadora Duncan. Die
gesamte Arbeit durchläuft die Zeitspanne von 1900 bis 1933 und etwas darüber hinaus.
Es sollte deutlich gemacht werden, wer den Ausdruckstanz prägte und wie er sich im
Laufe der Zeit weiterentwickelte.
Zu Beginn des Ausdruckstanzes wurde nach Wegen gesucht, um statt den
festgeschriebenen erstarrten Formen des klassischen Balletts wieder natürliche
Bewegungen des Körpers zu finden. Das schaffte Isadora Duncan, sie wollte Körper,
Seele und Geist in ihrer Kunst miteinander verbinden und holte sich ihre Anregungen
aus der Kunst der griechischen Antike.
Einige Jahre später unternahm dann Rudolf von Laban den Versuch, die
Bewegungslehre des Ausdruckstanzes theoretisch zu festigen und eine Tanzschrift dafür
zu entwickeln. So wurde folglich der Ausdruckstanz durch verschiedene
Persönlichkeiten bekannt und beeinflusst. Am nachhaltigsten durch Labans Schülerin
Mary Wigman und wiederum deren Schülerin Gret Palucca.
Auffällig ist, dass mit Ausnahme von Rudolf von Laban, Frauen diejenigen waren, die
erfolgreiche Schulen eröffneten und erfolgreiche Choreographien unternahmen, die
große Berühmtheit erlangten und die den Ausdruckstanz, durch ihre individuellen
Ideen, Methoden und Konzepte wegweisend prägten. Hierbei wird deutlich, dass zu
dieser Zeit die Frauenbewegung eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung spielte.
Duncan, Wigman und Palucca waren alle Frauen, die eigenständig und stark waren, die
ihr Leben selbst in die Hand nahmen und sich von niemanden in ihrer Kunst
bevormunden ließen, und sie erwiesen sich, als höchst kreativ.
Bis heute gibt es die verschiedensten Tanzgruppen, deren Choreographien vom
Ausdruckstanz beeinflusst wurden. Fast jede Tanzausbildung lehrt auch diese Art des
Tanzes. Junge Tänzerinnen und Tänzer nehmen die Kunst des solistischen
Ausdruckstanzes wieder auf.
Quellenverzeichnis
• Artus, H.- G. (1994). Zur Körperbildung im Ausdruckstanz. In: Gesellschaft für Tanzforschung: Ausdruckstanz in Deutschland- Eine Inventur. Jahrbuch Tanzforschung Band 5, Wilhelmshaven.
• Fleischle- Braun, C. (2001). Der Moderne Tanz: Geschichte und
Vermittlungskonzepte. Butzbach- Griedel: AFRA- Verlag. • Karina, L., Sundberg, L. (1992) . Modern Dance: Geschichte Theorie Praxis. Berlin:
Henschel Verlag GmbH
• Krautscheid, J. (2004). Schnellkurs Tanz: Bühnentanz von den Anfängen bis zur Gegenwart. Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag.
• Loesch, I. (1990). Mit Leib und Seele. Erlebte Vergangenheit des Ausdruckstanzes.
Berlin
• Noetzel, F. (1994). Tanzforschung: Ausdruckstanz in Deutschland- Eine Inventur, Mary Wigman- Tage 1993: Zu tanzkünstlerischen und tanzpädagogischen Aspekten des Ausdruckstanzes. Wilhelmshaven: Noetzel, Heinrichshofen- Bücher.