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UmweltMagazin März 2019 39 Heiliger Berg mit neuen Wasserpumpen D er Mont Saint-Michel, auch liebe- voll „La Merveille“ (das Wunder) genannt, gehört zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Er- baut wurde die über 1000-jährige Klos- teranlage auf einem etwa einen Kilome- ter vor der Küste gelegenen Felsen zwi- schen der Mündung des Flusses Coues- non und dem Ärmelkanal. Von dort aus überblicken Besucher eine der schöns- ten Buchten Frankreichs, deren Gezei- tenhub einer der größten Europas ist. Doch zwischenzeitlich war der mariti- me Charakter der Umgebung verloren gegangen: Die gewaltige Ebbe und Flut mit bis zu 14 Metern Unterschied wurde von dem alten Damm zwischen Küste und Klosterberg behindert und bewirk- te eine Versandung der Bucht. Schließ- lich wurde das Meer so zurückgedrängt, dass sich das Kloster in einer Salz- marsch befand. Erst ein in den 90er Jah- ren begonnenes Renaturierungsprojekt brachte dem Mont-Saint-Michel das Meer zurück und macht ihn zumindest mehrmals im Jahr wieder zur Insel. Ein Meilenstein des groß angelegten Projekts war der neue Dammbau zwi- schen 2005 und 2015 in der Nähe des Mündungsgebiets des Couesnon. Eine Fußgängerbrücke ersetze den 130 Jahre alten Damm zwischen Festland und Kloster, der das Gezeitenspiel verhindert hatte. Dem folgte eine Reihe von Maß- nahmen, um das natürliche Spülvermö- gen des Meeres wieder zu erhöhen. Energiesparender Abwassertransport Nicht nur die neue Fußgängerbrücke, zahlreiche Infrastrukturprojekte wur- den umgesetzt. So wurde auch eine energieeffiziente Pumpenanlage ge- plant, um den steigenden Besucherzah- len gerecht zu werden. Vorgabe: Die Ab- wässer sollten vom engen Klosterberg zu einer drei Kilometer entfernten Auf- bereitungsanlage an Land transportiert werden, wo mehr Platz ist. Dazu hatte der Pumpenhersteller KSB 2013 in einer vergleichenden Studie den Energiever- brauch einer drehzahlgeregelten Pum- pe gegenüber einer klassischen, ungere- gelten Pumpe untersucht – und ein Energieeinsparungspotenzial von 30 Prozent ermittelt. „Damit Pumpenanla- gen auch absoluten Spitzenbelastungen gerecht werden können, werden sie oft für so außergewöhnliche Mengen aus- gelegt, wie sie nur alle 10 bis 20 Jahre einmal vorkommen“, erklärt Stéphane Quertain, Produktmanager Pumpenan- lagen bei KSB Frankreich. „Im normalen Betrieb sind sie also überdimensioniert und verursachen dadurch hohe Energiekosten.“ Da unge- regelte Pumpen mit einer konstanten Drehzahl laufen, sind auch die hydrau- lischen Verluste konstant. Drehzahlge- regelte Pumpen passen sich der jeweili- gen Fördermenge an. Das führt nicht nur zu einem deutlich reduzierten Stromverbrauch, sondern mindert auch den Verschleiß der Anlage. „Eine beson- dere Herausforderung für die Planung der Pumpenanlage waren die beträcht- lichen Schwankungen der Abwasser- mengen. Diese werden durch die jah- reszeitlich wechselnden Besucherzah- len und die Wetterlage verursacht“, sagt Quertain. Deshalb messen Strömungs- wächter in den Abwassersammelleitun- gen die ankommenden Flüssigkeits- mengen. Sobald der eingestellte Maxi- malwert erreicht ist, schaltet die elek- tronische Regeleinheit die erforderliche Anzahl an Pumpen zu und legt deren Drehzahl fest. Die insgesamt vier Pum- pen sind mit Frequenzumrichtern ver- Der Mont-Saint-Michel gehört seit 1979 zum Unesco-Weltkul- turerbe. Doch das Gebiet um den Klosterberg hatte sich in ei- ne Salzmarsch verwandelt – bis ein Renaturierungsprojekt das Wahrzeichen der Normandie 2015 wieder zur Insel machte. Die Besucherabwässer werden heute mit einer ausgeklügelten deutsch-französischen Pump- technik an Land transportiert. Das Kloster Mont St. Michel im Wattenmeer der Normandie an Frankreichs Atlantikküste. Wasser

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UmweltMagazin März 2019 39

Heiliger Berg mit neuen Wasserpumpen

Der Mont Saint-Michel, auch liebe-voll „La Merveille“ (das Wunder)

genannt, gehört zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Frankreichs. Er-baut wurde die über 1000-jährige Klos-teranlage auf einem etwa einen Kilome-ter vor der Küste gelegenen Felsen zwi-schen der Mündung des Flusses Coues-non und dem Ärmelkanal. Von dort aus überblicken Besucher eine der schöns-ten Buchten Frankreichs, deren Gezei-tenhub einer der größten Europas ist. Doch zwischenzeitlich war der mariti-me Charakter der Umgebung verloren gegangen: Die gewaltige Ebbe und Flut mit bis zu 14 Metern Unterschied wurde von dem alten Damm zwischen Küste und Klosterberg behindert und bewirk-te eine Versandung der Bucht. Schließ-lich wurde das Meer so zurückgedrängt, dass sich das Kloster in einer Salz-marsch befand. Erst ein in den 90er Jah-ren begonnenes Renaturierungsprojekt brachte dem Mont-Saint-Michel das Meer zurück und macht ihn zumindest mehrmals im Jahr wieder zur Insel.

Ein Meilenstein des groß angelegten Projekts war der neue Dammbau zwi-schen 2005 und 2015 in der Nähe des Mündungsgebiets des Couesnon. Eine Fußgängerbrücke ersetze den 130 Jahre alten Damm zwischen Festland und Kloster, der das Gezeitenspiel verhindert hatte. Dem folgte eine Reihe von Maß-nahmen, um das natürliche Spülvermö-gen des Meeres wieder zu erhöhen.

Energiesparender AbwassertransportNicht nur die neue Fußgängerbrücke,

zahlreiche Infrastrukturprojekte wur-den umgesetzt. So wurde auch eine energieeffiziente Pumpenanlage ge-plant, um den steigenden Besucherzah-len gerecht zu werden. Vorgabe: Die Ab-wässer sollten vom engen Klosterberg zu einer drei Kilometer entfernten Auf-bereitungsanlage an Land transportiert werden, wo mehr Platz ist. Dazu hatte der Pumpenhersteller KSB 2013 in einer vergleichenden Studie den Energiever-brauch einer drehzahlgeregelten Pum-pe gegenüber einer klassischen, ungere-gelten Pumpe untersucht – und ein Energieeinsparungspotenzial von 30 Prozent ermittelt. „Damit Pumpenanla-gen auch absoluten Spitzenbelastungen gerecht werden können, werden sie oft für so außergewöhnliche Mengen aus-gelegt, wie sie nur alle 10 bis 20 Jahre einmal vorkommen“, erklärt Stéphane Quertain, Produktmanager Pumpenan-lagen bei KSB Frankreich.

„Im normalen Betrieb sind sie also überdimensioniert und verursachen dadurch hohe Energiekosten.“ Da unge-regelte Pumpen mit einer konstanten Drehzahl laufen, sind auch die hydrau-lischen Verluste konstant. Drehzahlge-regelte Pumpen passen sich der jeweili-gen Fördermenge an. Das führt nicht nur zu einem deutlich reduzierten Stromverbrauch, sondern mindert auch den Verschleiß der Anlage. „Eine beson-dere Herausforderung für die Planung der Pumpenanlage waren die beträcht-lichen Schwankungen der Abwasser-mengen. Diese werden durch die jah-reszeitlich wechselnden Besucherzah-len und die Wetterlage verursacht“, sagt Quertain. Deshalb messen Strömungs-wächter in den Abwassersammelleitun-gen die ankommenden Flüssigkeits-mengen. Sobald der eingestellte Maxi-malwert erreicht ist, schaltet die elek-tronische Regeleinheit die erforderliche Anzahl an Pumpen zu und legt deren Drehzahl fest. Die insgesamt vier Pum-pen sind mit Frequenzumrichtern ver-

Der Mont-Saint-Michel gehört seit 1979 zum Unesco-Weltkul-turerbe. Doch das Gebiet um den Klosterberg hatte sich in ei-ne Salzmarsch verwandelt – bis ein Renaturierungsprojekt das Wahrzeichen der Normandie 2015 wieder zur Insel machte. Die Besucherabwässer werden heute mit einer ausgeklügelten deutsch-französischen Pump-technik an Land transportiert.

Das Kloster Mont St. Michel im Wattenmeer der Normandie an Frankreichs Atlantikküste.

Wasser

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Wasser

bunden. So passt die Anlage die Dreh-zahl jeder einzelnen Pumpe an die an-fallende Abwassermenge an. Das redu-ziert die Energiekosten wesentlich, so-dass Einsparungen von bis zu 30 Pro-zent gegenüber ungeregelten Pumpen möglich sind.

Sauber und geruchsfrei„Die Planung, die wir den Behörden

vorlegt haben, umfasste den Einbau von vier Amarex KRT-Pumpen in einer Drei-plus-eins-Anordnung“, berichtet Stéphane Quertain. „Die Amarex KRT ist eine reine Abwasserpumpe. Sie eig-net sich für sogenannte feststoffbelade-ne Fördermedien, also alles, was an Ab-wasser in Toiletten, Küchen und sonsti-gen Einrichtungen entsorgt wird.“

Neben den Abwässern, die von Touris-ten und Einwohnern verursacht wer-den, musste auch die Entsorgung des Regenwassers auf der Insel berücksich-tigt werden. Denn das fließt über die Kanalisation auch mit in die unterirdi-sche Anlage. Das Besondere an der 2015 installierten KSB-Pumpanlage ist, dass die die Abwässer mit den darin enthal-tenen Feststoffen ohne einen vorge-schalteten Sammelbehälter direkt zu der drei Kilometer entfernten Aufberei-tungsanlage an Land pumpt. So entfal-len die aufwändigen Servicearbeiten, die bei Abwassersammeltanks durch Ablagerungen und Anhaftungen regel-mäßig durchgeführt werden müssen, ebenso wie die Instandhaltung von Ak-tivkohlefiltern von Sammeltankentlüf-tungen. Außerdem ist eine Anlage ohne Sammelbehälter auch wesentlich platz-

sparender. Ein entscheidender Vorteil besteht auch darin, dass Gerüche und Gase in den Abwasserrohrleitungen und nicht in der Pumpenanlage hängen bleiben. Dadurch werden Besucher und Bewohner nicht belästigt und das War-tungspersonal muss nicht in schmutzi-gem Wasser arbeiten.

Die Pumpenanlage befindet sich in ei-ner speziell konstruierten, unterirdi-schen Kammer, die über ein Mannloch gut zugänglich ist. Diese Kammer ist den derzeitigen Anforderungen ange-passt, kann bei Bedarf aber auch erwei-tert werden.

Vierfache PumpleistungAuch die Technologie ist auf dem neu-

esten Stand: Jede Pumpe hat ihre eigene Steuereinheit mit einem bediener-freundlichen Touchscreen in einem ro-busten, wasserdichten Gehäuse. Zu sai-sonbedingten und tagesabhängigen Schwachlastzeiten werden die Pumpen automatisch an den geringen Bedarf angepasst. Außerdem sorgt die Steuer-einheit für eine gleichmäßige und wechselnde Auslastung aller Aggregate, um zu verhindern, dass sich eine Pum-pe festfrisst.

Eine spezielle Software erlaubt bei Be-darf auch die manuelle Steuerung der Pumpen. Außerdem meldet sie Proble-me oder einen unzulässigen Betrieb, der durch eine Fehlbedienung verursacht werden kann. Alle Vorkommnisse kön-nen aufgezeichnet und ausgelesen wer-den. Außerdem werden der aktuelle Zu-stand der Pumpen sowie deren Auslas-tungsgrad angezeigt.

Bei Spitzenbelastungen kann die Pumpanlage bis zum Vierfachen des Normalbetriebs leisten: In Mont-Saint-Michel fällt über 84 Prozent der Zeit, in der die Pumpen laufen, eine tatsächli-che Fördermenge von weniger als 50 m3/h an. Jede der Amarex-KRT-Pumpen wird von einem sparsamen Elektromo-tor angetrieben und kann Fördermen-gen von bis zu 80 m3/h bei Drücken von 10 bar bewältigen. Ein wesentlicher Fak-tor für die Entscheidung der Projektlei-ter zugunsten der Amarex-KRT-Pumpe von KSB war, dass sie die Anforderun-gen der Schutzart IP68 erfüllt. Dies be-deutet, dass man sie vollkommen ge-taucht betreiben kann. Diese Anforde-rung von Seiten des Betreibers ergibt sich daraus, dass die Pumpenanlage in Zeiten außergewöhnlich hoher Flut vom Meerwasser überspült werden kann.

Ergebnis der vielen technischen, um-welt- und sicherheitsrelevanten Anfor-derungen an die neue Pumpstation: Der Mont Saint-Michel, das Wunder der Normandie, hat nun auch einen Ab-wassertransport, der sowohl in der som-merlichen Touristenhochsaison als auch im ruhigeren Winterbetrieb alle zivilisatorischen Nebenerscheinungen diskret, unsichtbar und zuverlässig un-terhalb des Meeresspiegels abtranspor-tiert. Und das freut nicht nur die Besu-cher, sondern auch die Bewohner.

Bryan Orchard, [email protected]

Die kompakte Anordnung der Pumpen senkt den Platzbedarf. Zugang zur Pumpenanlage durch ein Mannloch vor dem Kloster.

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