Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche...

28

Transcript of Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche...

Page 1: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse
Page 2: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Heinz-Jürgen Brink

Deutschlands Untergrund

Reiseführer in die evolutionäre Vergangenheit

Page 3: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Für meine Frau Renate

und unsere drei Töchter Verena, Sabine und Katherina

Page 4: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Heinz-Jürgen Brink

Deutschlands Untergrund Reiseführer in die evolutionäre Vergangenheit

Page 5: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch

die des Nachdruckes, der Wiedergabe in jeder Form und der Übersetzung in andere Sprachen behalten sich Urheber und Verleger vor. Jede Verwertung – auch nur auszugsweise Verwer-

tung – und jegliche Form der Wiedergabe außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsge-

setzes ist ohne Zustimmung und schriftliche Genehmigung des Verlages bzw. des Urhebers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzungen, Vervielfältigung, Verarbei-

tung, Abschrift, Entnahme, systematische Auswertung, Verbreitung, Vortrag, Funk, Fernseh-

sendung, Telefonübertragung, den fotomechanischen Weg (Fotokopie, Mikrokopie), Magnet-tonverfahren, Mikroverfilmung, Einspeicherung und Verarbeitung in oder mit elektronischen

bzw. mechanischen Systemen. Dies betrifft das Werk sowie Teile daraus, Abbildungen und

Tabellen. Die in diesem Werk ohne besondere Kennzeichnung aufgeführten Gebrauchsnamen, Handels-

namen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne

Weiteres von jedem benützt werden dürfen. Vielmehr kann es sich häufig um gesetzlich ge-

schützte Warenzeichen handeln.

Um den Textfluss nicht zu stören, wurde stets die grammatikalisch männliche Form gewählt.

Selbstverständlich sind in diesen Fällen immer Frauen und Männer gemeint. Haftungsausschluss. Der Inhalt dieses Buches ist sorgfältig recherchiert und erarbeitet worden.

Dennoch können weder Autor noch Verlag für Angaben im Buch eine Haftung übernehmen.

©2013 Athene Media Verlag

Erstausgabe

Alle Rechte vorbehalten.

Covergestaltung: Athene Media

Printed in Germany

ISBN 978-3-86992-140-2

(Printausgabe ISBN 978-3-86992-110-5)

Page 6: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Geleitwort

Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die

Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse am geologischen Bau

unter unserer Landschaft rufen eher die Berge und Täler der Mittel-

gebirge südlich dieser Tiefebene hervor – durch die dortigen Auf-

schlüsse, Steinbrüche oder einfach Geländeformen. Zu selten ma-

chen wir uns Gedanken über das erdgeschichtliche Werden dieser

Welt unter uns, auf der wir und von der wir leben. Dabei wäre etwas

mehr Verständnis dieser Zusammenhänge hilfreich, um sich fundiert

an Diskussionen zu so drängenden, gesellschaftlich relevanten Fra-

gen beteiligen zu können wie der Veränderung des Energiemixes,

dem globalen Wandel unter dem Einfluss aktueller klimatischer Än-

derungen, der künftigen Verfügbarkeit von Georessourcen oder der

Gefährdungen durch Naturrisiken. Gerade der tiefere Untergrund

Norddeutschlands gerät heute immer umfassender ins Visier künfti-

ger Nutzung, nicht nur zur Gewinnung fossiler Energierohstoffe wie

schon seit Langem, sondern auch als riesiger Container geothermi-

scher Energie oder mit seinen diversen porösen Formationen, die

Speichervolumen für die Zwischenlagerung von Gasen bieten (z. B.

Methan, Wasserstoff, Kohlendioxid), beziehungsweise mit seinen

dichten Gesteinseinheiten, die eine relativ sichere Verbringung von

ungeliebtem Material erlauben. Selbstverständlich braucht auch die

Errichtung von Windparks in den küstennahen Tiefländern oder in

Nordsee und Ostsee eine gründliche Vorerkundung des geologischen

Untergrundes.

Aber nicht nur die Nutzung des Untergrundes zur Energiegewin-

nung, für Speicherungsvorhaben und die Gewinnung anderer Roh-

stoffe sollte uns neugierig auf das Sein und Werden unter unseren

Füßen machen. Ebenso spannend und faszinierend können für uns

die Einsichten in die Entwicklungsgeschichte der Erde sein. Von der

4,5 Milliarden Jahre umfassenden Entwicklung unserer Erde ist die

letzte Milliarde Jahre im Untergrund Norddeutschlands dokumen-

tiert.

Zu einer Reise durch dieses unvorstellbar lange Zeitintervall lädt

uns der Erdöl-Geologe und Geophysiker Heinz-Jürgen Brink mit

Page 7: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

diesem Buch ein. Er hat diesen Raum auf der Suche nach Erdöl und

Erdgas über Jahrzehnte genauer kennengelernt und darüber in zahl-

reichen Einzelpublikationen berichtet. Diese Ergebnisse sind nicht

für jeden leicht zugänglich oder für manche, die dem Thema ferner

stehen, schwerer verständlich in der Fachsprache verfasst. Mit dem

hier vorgelegten Text möchte Heinz-Jürgen Brink sowohl den inte-

ressierten Laien ansprechen, als auch Fachleute mit seinen teils un-

konventionellen Sichten anregen. Dabei kommt es ihm nicht auf

lehrbuchhafte Vollständigkeit oder konsequente Folgerichtigkeit von

Abschnitt zu Abschnitt an. Er öffnet vielmehr eine Schatztruhe be-

sonders packender Themen, mit denen er sich während seiner beruf-

lichen Tätigkeit befasste. Um das Verständnis zu erleichtern und den

Verweis auf Fachbücher zu meiden, bringt er deshalb einführende

Kapitel, die weit über den norddeutschen Raum ins Globale gehen

und grundlegende geowissenschaftliche Konzepte skizzieren. Er

ergänzt naturwissenschaftliches Ergründen durch philosophische

Betrachtungen und lässt auch Goethe zu Wort kommen. Geophysika-

lische Aspekte sind dem Ausbildungsschwerpunkt des Autors ent-

sprechend besonders betont, werden aber in einer für den Fachfrem-

den gut aufnehmbaren Form präsentiert und grafisch verdeutlicht.

Das Norddeutsche Becken ist Teil des Zentraleuropäischen Be-

cken-Systems, das von Ostengland bis Südpolen über mehr als 1300

km reicht und sich von den deutschen Mittelgebirgen bis nach Dä-

nemark erstreckt (>400 km). Seine sedimentäre Beckenfüllung ist

mehr als 10 km mächtig. Dieses größte europäische Sedimentbecken

ist gleichzeitig in seiner Entwicklung das mit Abstand komplexeste.

Während seiner Entwicklung, von der wir die letzten 500 Millionen

Jahre etwas besser kennen, hat sich die geodynamische Natur dieses

Großraumes mehrfach grundlegend geändert. Heinz-Jürgen Brink

hebt aus der beeindruckend komplexen Entwicklungsgeschichte die-

ses Sedimentbeckens mehrere Prozessgeflechte und Einflussgrößen

auf die Erdöl- und Erdgasbildung hervor. Hierzu gehört die Interpre-

tation der Absenkungsursachen des Beckens als eng verknüpft mit

Metamorphosevorgängen und Dichteveränderungen in der Lithos-

phäre. Diese unkonventionelle Sicht regt wie andere Ideen des Au-

tors die Diskussion über „paradigmatische“ Konzepte zur Becken-

entwicklung an. Während sich die Mondflucht und die Gezeiten-

Dissipation global auswirken, ebenso wie das hier angedeutete

Page 8: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Rückkopplungssystem geodynamischer Zyklen auf verschiedenen

Zeitlängen, sind die Darstellungen zu rotierend aufsteigenden Salz-

stöcken und zur thermischen Entwicklung des Niedersächsischen

Beckens spezifisch auf den norddeutschen Raum ausgerichtet. Die

zyklisch oder episodisch wiederkehrenden Rahmenbedingungen

erdgeschichtlicher Entwicklung sind ein zentrales Thema dieses Bu-

ches. Die sehr unterschiedlichen Zyklenlängen, ihre unterschiedli-

chen irdischen oder kosmischen Ursachen und ihre Interferenzen

werden erläutert. Dabei kommt es dem Autor darauf an, die Erde als

System aufzufassen mit Sphären und vielfältigen Rückkopplungs-

prozessen, die auf verschiedenen Zeit- und Raumskalen interagieren

und die nicht nur die unbelebte, sondern auch die lebende Natur samt

unserer Menschheit umfassen. Ein dynamisches System birgt für uns

auch Gefährdungen, die glücklicherweise für den hier vorrangig

betrachteten Raum nicht besonders drängend sind. Auf sie geht der

Autor gegen Ende des Buches ein.

Neben all den spannenden faktischen bis spekulativen Informati-

onen enthält dieser „Reiseführer“ auch Anregungen zu geologischen

Wanderungen, um die theoretischen Einsichten durch Geländebefun-

de zu stützen oder einfach die Schönheit der Natur, nicht zuletzt je-

ner unter unseren Füßen, zu genießen.

Diesem Buch wünsche ich eine breite und interessierte Leser-

schaft, die sich durch einige reizvolle Etappen der erdgeschichtlichen

Entwicklung des norddeutschen Untergrundes führen lässt, dabei

aber kritische Distanz zu wissenschaftlichen Einsichten behält und

sich der ständigen Entwicklung auch unserer Modellvorstellungen

bewusst bleibt.

Prof. Dr. Reinhard Gaupp

Jena, 2012

Page 9: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse
Page 10: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

INHALTSVERZEICHNIS

1. 1BEINLEITUNG .............................................................................................................. 1

1.1 13BEINE MILLIARDE JAHRE NORDDEUTSCHES BECKEN ........................... 3 1.2 14BROHSTOFFSUCHE ................................................................................... 9

1.2.1 59BGoethe im Harz ..................................................................................... 9 1.2.2 60BRohstoffe im Norddeutschen Becken ................................................. 14

1.3 15B„PARADIGMEN” ZUM NORDDEUTSCHEN BECKEN .............................. 17 1.3.1 15BParadigma I (Genese): ........................................................................ 17 1.3.2 15BParadigma II (Füllung): ..................................................................... 20 1.3.3 Paradigma III (Salzstöcke): ................................................................ 22 1.3.4 15BParadigma IV (Bramscher Massiv): .................................................. 23 1.3.5 15BParadigma V (Harz): .......................................................................... 25 1.3.6 15BParadigmenwechsel ............................................................................. 27

2. 2BDIE GENESE DES NORDDEUTSCHEN BECKENS ............................................ 28

2.1 16BEINLEITUNG ......................................................................................... 28 2.2 17BDIE POTENZIALFELDANOMALIEN ....................................................... 30 2.3 18BDAS TEMPERATUR- UND DRUCKFELD ................................................. 33 2.4 19BDIE CURIE-TIEFE ................................................................................. 35 2.5 20BMETAMORPHOSEPROZESSE IN DER UNTERKRUSTE ........................... 37 2.6 21BDER SUBSIDENZPROZESS ..................................................................... 40 2.7 22BDIE MOHO ............................................................................................ 48 2.8 23BDER WÄRMESPOT ................................................................................ 52 2.9 24BDER EIFEL-HOTSPOT ........................................................................... 55 2.10 25BASTEROIDIMPAKTE .............................................................................. 59

3. 3BDIE SEDIMENTFÜLLUNG DES NORDDEUTSCHEN BECKENS – EIN

ARCHIV FÜR GEODYNAMISCHE ZYKLEN ............................................................... 60

3.1 26BEINLEITUNG ......................................................................................... 60 3.2 27BDIE ZYKLISCHE FÜLLUNG DES NORDDEUTSCHEN BECKENS ............. 67 3.3 28BGEODYNAMISCHE ZYKLEN ................................................................. 71 3.4 29BDER MOND ........................................................................................... 75 3.5 ERDROTATION ..................................................................................... 77 3.6 31BGEZEITENDISSIPATION UND MONDFLUCHT ....................................... 83 3.7 32BMEERESSPIEGEL UND PLATTENTEKTONIK ......................................... 99 3.8 33BERDMAGNETFELD .............................................................................. 102 3.9 34BGEODYNAMISCHE RÜCKKOPPLUNG ................................................. 103 3.10 35BFAZIT .................................................................................................. 112

4. 4BSALINARSTRUKTUREN IM NORDDEUTSCHEN BECKEN ........................ 113

4.1 36BSALZSTOCKENTWICKLUNG ............................................................... 114 4.2 37BSEISMISCHE RE-INTERPRETATION ................................................... 121 4.3 38BTEKTONISCHE SCHLUSSFOLGERUNGEN ........................................... 124 4.4 39BEIGENSCHAFTEN DER SALZSTÖCKE.................................................. 127 4.5 SALZSTÖCKE UND ROTLIEGEND RESERVOIRE ................................. 129

5. BRAMSCHER MASSIV UND NIEDERSÄCHSISCHES BECKEN................. 132

5.1 41BDIE ANOMALIE VON PRITZWALK ...................................................... 135 5.2 42BDIE ANOMALIE VON BRAMSCHE ....................................................... 137 5.3 43BINVERSION STATT INTRUSION ?......................................................... 138

Page 11: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

6. 6BDER HARZ .............................................................................................................. 146

6.1 44BNIEDRIGGESCHWINDIGKEITSMANTEL .............................................. 147 6.2 45BMOHOVERWERFUNGEN ..................................................................... 149 6.3 46BPETROLOGISCHE INTERPRETATION .................................................. 151 6.4 47BINTEGRATIVE ANALYSE ..................................................................... 153

7. 7BKLASSIFIKATION DES NORDDEUTSCHEN BECKENS ............................... 157

7.1 48BSEDIMENTBECKENANALYSE .............................................................. 158 7.2 49BKLASSIFIZIERUNGSMETHODEN ......................................................... 160

7.2.1 67BKingston Methode ............................................................................. 160 7.2.2 68BKlemme Methode .............................................................................. 163 7.2.2.1 69BKonzept der Feldgrössenverteilung ..................................................... 165 7.2.3 70BDemaison & Huizinga Methode ....................................................... 168 7.2.4 Halbwertszeiten von Kohlenwasserstoffsystemen........................... 170 7.2.4.1 72BDas globale Kohlenwasserstoffsystem ................................................ 171

8. 8BDAS NORDDEUTSCHE BECKEN IM VERGLEICH ....................................... 179

8.1 50BVERGLEICHSBECKEN ......................................................................... 183 8.2 51BDAS WIENER BECKEN ALS AUSNAHME VON DER REGEL ................. 190 8.3 52BDAS NORDDEUTSCHE BECKEN SYSTEM ............................................ 195

9. 9BPROZESSE IM NORDDEUTSCHEN BECKEN ................................................. 197

9.1 53BDIE ERDGASFELDER IN NORDWESTDEUTSCHLAND .......................... 197 9.2 54BDAS ZECHSTEIN-BUNTSANDSTEIN SYSTEM ...................................... 200

9.2.1 73BPotenzielle Konsequenzen................................................................. 204 9.3 55BQUARTÄRBASIS UND EISZEIT ............................................................ 204 9.4 56BFLUIDUMVERTEILUNGEN .................................................................. 209

9.4.1 74BKimmerische Inversion ..................................................................... 210 9.4.2 75BEridanos Deltasystem........................................................................ 211

10. 10BBEDEUTUNG UND RISIKEN DES NORDDEUTSCHEN BECKENS .............. 215

10.1 57BBEDEUTUNG ....................................................................................... 215 10.2 58BRISIKEN .............................................................................................. 215

10.2.1 76BErdbeben ........................................................................................... 216 10.2.2 77BSubsidenz und Meeresspiegelanstieg ............................................... 217 10.2.3 78BTsunamis ............................................................................................ 219

EPILOG................................................................................................................................ 223

1LITERATUR ..................................................................................................................... 224

VOM SELBEN AUTOR IST EBENFALLS ERSCHIENEN: .......................................... 256

Page 12: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Präambel

Der Autofahrer, der die wunderschön geschwungenen deutschen

Autobahnen befährt, der Wanderer, der die vielen reizvollen Aus-

sichten auf seinem Weg genießt, der Radfahrer, der die malerischen

Flüsse entlang radelt, der Segler, der an den deutschen Küsten ent-

lang kreuzt, alle genießen eine Landschaft und das zu jeder Jahres-

zeit, die die Oberfläche eines unterirdischen Archivs bildet, das uns

mit der für menschliche Vorstellungen unendlich langen Vergangen-

heit des Untergrundes Deutschlands und der Geschichte der gesam-

ten Erde verbindet. Gemessen an den Naturschönheiten auf anderen

Kontinenten und in anderen Ländern dürfen auch wir dankbar dafür

sein, was uns die Natur geschenkt hat und was wir über Jahrhunder-

te, wenn nicht sogar über Jahrtausende, durch die Anlage von Städ-

ten, Dörfern, Schlössern (Abb. 0.1) und Burgen (Abb. 0.2), von Fel-

dern, Wiesen und Wäldern, mit einer vielfältigen Tier- und Pflan-

zenwelt als Vor- und Zugabe (Abb. 0.3), landwirtschaftlich, hand-

werklich, technisch, wissenschaftlich und kulturell bereichert haben.

Abb. 0.1 Schweriner Schloss 2010, Foto: Renate Galley-Brink (R. G-B.)

Page 13: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Abb. 0.2 Burg Cochem an der Mosel 2011, R. G-B.

Abb. 0.3 Heidschnuckenherde in der Lüneburger Heide 2008, R. G-B.

Page 14: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Es gibt an Kleinoden so eine große Dichte in unserem Land, dass

davon in kurzer Zeit viele angeschaut und bewundert werden kön-

nen. Dieser Genuss bleibt aber auf die Oberfläche beschränkt. Dieses

Buch soll nun als eine Art Reiseführer in die im Untergrund verbor-

gene Vergangenheit verstanden werden, speziell in die von Nord-

deutschland. Die deutschen Mittelgebirge mit ihren herrlichen Fluss-

landschaften (Abb. 0.4 bis 0.7) und das sanfte Alpenvorland und die

majestätischen Alpen (Abb. 0.8) sind sicherlich auch einen eigenen

Reiseführer in ihre Vergangenheit wert, werden hier aber nur am

Rande betrachtet.

Abb. 0.4 Elbe im Elbsandsteingebirge 2002, R. G-B.

Page 15: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Abb. 0.5 Saarschleife 2003, R. G-B.

Abb. 0.6 Rheintal 2001, R. G-B.

Page 16: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Abb. 0.7 Donaudurchbruch bei Kehlheim 2007, R. G-B.

Abb. 0.8 Walchensee in den bayerischen Alpen 2010, R. G-B.

Page 17: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

Dieser Reiseführer, der die Oberfläche einer Landschaft verlässt,

deren Schönheit nicht jedem offensichtlich ist, aber in die bizarren

Tiefen ihres Untergrundes vorstößt, soll den Leser begleiten in eine

Welt, die kein Mensch miterleben konnte, die gemessen an dem

Tempo, das wir gewöhnt sind, einen Hort der Langsamkeit repräsen-

tiert, der hier aber in einem Zeitraffer durchlaufen wird, und das

äußerst bruchstückhaft und unvollkommen. Am Ende kann er sich

hoffentlich zurücklehnen – trotz der vielen unvermeidbaren Fachbe-

griffe – und sich vornehmen, bei einem seiner nächsten Fußstapfen

an die unter seinen Füßen liegende Vergangenheit mit ihren Prozes-

sen, Paradigmen und Potenzialen zu denken und, wissend um das

Vergangene, der Zukunft mit mehr Aufmerksamkeit entgegen zu

gehen. Geotope, Geoparks und Besucherbergwerke von Helgoland

bis Rügen, vom Osnabrücker Bergland mit dem Teutoburger Wald

und seinen Externsteinen (Abb. 0.9) bis hin zum Harz und der säch-

sischen Schweiz bieten im erweiterten norddeutschen Raum dem

Leser eine Fülle von Möglichkeiten, die Hände auf Gesteine zu le-

gen, die die vielfältigen, überwiegend im Verborgenen liegenden

geologischen Prozesse Norddeutschlands repräsentieren.

Abb. 0.9 Externsteine im Teutoburger Wald, Fotocollage von Christine Meyer-Olzien, 2012.

Page 18: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

1

1. 1BEINLEITUNG

Die Norddeutsche Tiefebene ist ein Oberflächenmerkmal des Nord-

deutschen Beckens. Sie ist in einer moderaten Klimazone Lebens-

raum für Millionen von Menschen, die von seinen Ressourcen leben,

seien es die Böden zur land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, das

überdeckende Meer der Nordsee oder die Rohstoffe aus dem Unter-

grund (Abb. 1.1).

Abb. 1.1 Topografie von Mitteleuropa mit der Norddeutschen Tiefebene und der südlichen Nordsee als Oberflächenmerkmale des Norddeutschen Beckens sowie einige Lokationen aus

demText (Hintergrundquelle: maps-for-free, nach NASA Daten, siehe auch vergl. Abb.).

Page 19: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

2

Der Umgang mit diesen Gütern hat sich über Jahrtausende entwi-

ckelt, deren Werden über sehr viele Millionen Jahre zuvor. Die Ent-

wicklung des Norddeutschen Beckens von seinem Ursprung bis hin

zu den (marginalen) Risiken soll Thema dieses Buches sein, erörtert

an meinungsformenden schwachen und auch starken Paradigmen mit

ihrem Einfluss auf allgemeines Wissen und akzeptierte Erkenntnis.

Page 20: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

3

1.1 13BEINE MILLIARDE JAHRE NORDDEUTSCHES

BECKEN

Die ältesten bekannten Gesteine Norddeutschlands, die auf ein Alter

von ca. 1 Milliarde Jahre zurückgehen, wurden durch eine Bohrung

in der Nähe der Stadt Flensburg in 4926 – 5194 m Teufe erschlossen

(Ziegler 1978, Frost et al. 1981, Verniers et al. 2002). Radiometri-

sche Daten deuten zwar auf eine kaledonische Überprägung der ge-

falteten metamorphen grün-roten Phyllite und Psammite hin (400 +/-

1 Ma Ar/Ar), doch weisen 40Ar/39Ar-Analysen einzelner Glimmer-

minerale auch auf ein maximales Alter in der Gesteinsmatrix von ca.

einer Milliarde Jahre. Gesteinsfragmente dieses Alters stammen

wahrscheinlich von dem heute nördlich gelegenen Baltischen Schild

(Baltika, Kontinentalkern von Nordeuropa), wurden dort erodiert und

dann präkaledonisch im norddeutschen Raum sedimentiert. Schon

damals war der Bereich der heutigen norddeutschen Tiefebene ein

überregionaler Senkungsraum, gekoppelt an den Urkontinent Baltika.

Vor etwa einer Milliarde Jahre war Baltika Teil des Superkontinents

Rodinia, der wahrscheinlich alle damaligen Kontinente der Erde

umfasste.

Abb. 1.3 Rekonstruktion Rodinias nach Li et al. (2008) für 630 Ma. Sie geht zurück auf erste Arbeiten von Dalziel (1997). Die rot eingefärbten Gebiete sind Gebirgsbildungszonen, das

schwarze Oval die ‚Lokation‘ des späteren Norddeutschen Beckens.

Page 21: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

4

Wie das Kontinentpuzzle genau aussah, ist noch nicht eindeutig ge-

klärt. Für den Bereich Norddeutschlands gibt es mindestens zwei

Optionen. Entweder lag er nach gegenwärtigem Erkenntnisstand als

Senkungsraum mit der Aufnahme proterozoischer Sedimente zwi-

schen den später auseinanderdriftenden Kontinenten Baltika und

Amazonia (Abb. 1.3) (Daziel 1997, Li et al. 2008) oder zwischen

Baltika und Grönland (Abb. 1.4) (Scotese 2004).

Abb. 1.4 Rekonstruktion Rodinias nach Scotese (2004) für 650 Ma. Das schwarze Oval ist die

‚Lokation‘ des späteren Norddeutschen Beckens.

Sowohl in Grönland als auch in Amazonia gibt es im Bereich der

potenziellen ehemaligen Nahtstellen zu Baltika Hinweise über prote-

rozoische Sedimente, deren Mächtigkeiten örtlich mehr als 16 km

umfassen können (Abb. 1.5, 1.6 und 1.7) (Derry et al. 1989,

Henriksen et al. 2000, Schneider Santos et al. 2003).

In die Paläorekonstruktionen fließen zwar Informationen über pa-

läomagnetische Randbedingungen und geologische Korrelationen

von krustalen Provinzen, Gebirgsbildungen, der sedimentären Her-

kunft, der Entwicklung kontinentaler Rifts und passiver Kontinental-

ränder und von Mantelplumeereignissen mit ein, doch bleiben sie

wie erwähnt nicht selten mehrdeutig.

Page 22: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

5

Rodinia wurde zwischen 1300 Ma und 900 Ma durch globale oroge-

ne Prozesse zusammengefügt (geologische Zeitskala: Tabelle 1.1).

Abb. 1.5 Proterozoisches Auyan Tepui, Venezuela (indianisch: Haus der Götter), Foto: Chris-toph Kühnhanss, Bern, CH.

Nachdem die Bildung dieses Superkontinents komplett war, bestand

er wie sein späterer Nachfolger Pangea in der zusammengefügten

Form etwa 150 Millionen Jahre. Nach Li et al. (2008) führten abflau-

ende Subduktionsvorgänge an den Rändern und eine thermische

Isolation durch die riesige Kontinentmasse zur Entwicklung eines

Superplumes unterhalb Rodinias etwa 40 – 60 Millionen Jahre nach

der vollständigen Zusammenfügung. Dies leitete ein weitverbreitetes

Rifting zwischen ca. 825 Ma und 740 Ma ein, begleitet von episodi-

schen Plumeaktivitäten vor etwa 825 Ma, 780 Ma und 750 Ma.

Ebenso wie die Bildung Rodinias selbst verlief auch das Ausei-

nanderbrechen zwischen 750 Ma und 600 Ma diachron. Baltika

trennte sich nach Li et al. (2008) zwischen 630 Ma und 600 Ma von

Amazonia oder nach Scotese (2004) zwischen 580 Ma und 560 Ma

von Grönland. Mit dem Entstehen eines neuen Ozeans zwischen den

Kontinentfragmenten änderten sich auch die Ablagerungsbedingun-

gen am Ort des späteren Norddeutschen Beckens.

Page 23: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

6

Abb. 1.6 Topografie der proterozoischen Monte Roraima Tafelbergregion (‚The Lost World‘

Tepuis) im Grenzgebiet zwischen Brasilien, Guyana und Venezuela südlich des Orinoco und des Atlantischen Ozeans (Quelle, auch für weitere ähnliche Abbildungen: map-for-free, nach

Daten der NASA).

Die Zeit des Superkontinents Rodinia fällt zusammen mit einer Zeit,

in der die Erde möglicherweise mehrfach für ein paar Millionen Jah-

re wie ein vollständig vergletscherter weißer Schneeball oder alterna-

tiv wie ein moderat vergletscherter Schneematschball auf ihrer Bahn

um die Sonne kreiste (Abb. 1.8) (Kirschvink 1992, Hoffman et al.

1998, Hoffman und Schrag 2002, Micheels und Montenari 2007,

u.a.).

Dem Auseinanderbrechen Rodinias folgten dann im Kambrium

die Explosion des Lebens auf der Erde und der Beginn des

Phanerozoikums. Für diesen Äon ist das dynamische

Kontinentpuzzle der Plattentektonik schon relativ zufriedenstellend

gelöst (Scotese 2004, Golonka 2000). Für die Analyse der Entwick-

lung des Norddeutschen Beckens hat dies weitreichende Folgen, auf

Page 24: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

7

die weiter unten exemplarisch genauer eingegangen wird. Der ur-

sächliche tektonische Entstehungsprozess, die interne Füllung und

die tektonischen Modifikationen dieser Füllung sind in den Eigen-

schaften des Grundgebirges unterhalb des Beckens, im Sedimentati-

onsmuster und in den tektonischen Strukturen für die letzten 400

Millionen Jahre teilweise vorzüglich archiviert.

Abb. 1.7 Abschnitt aus der neoproterozoischen oberen Eleonore Bucht Supergruppe, westlich von Ymer Ø (c. 73°N), Nordost Grönland. Diese sedimentäre Abfolge ist hier etwa 2 km

mächtig und schließt von links nach rechts die Lyell Land Gruppe und die Ymer Ø Gruppe ein.

Photo: M. Sønderholm aus Henriksen et al. 2009, © Geological Survey of Denmark and Greenland.

Abb. 1.8 Schneeball Erde mit einer Hintergrundkarte von Scotese (2004). Das schwarze Oval

entspricht in dieser Paläorekonstruktion der ‚Lokation‘ des späteren Norddeutschen Beckens.

Page 25: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

8

Äon Ära (Zeitalter) Periode Epoche Beginn ~ Ma

Phanerozoikum

Känozoikum

Quartär Holozän 0,01

Pleistozän 2

Tertiär

Pliozän 5

Miozän 23

Oligozän 35

Eozän 54

Paläozän 65

Mesozoikum

Kreide Obere 100

Untere 145

Jura

Malm 156

Dogger 178

Lias 200

Trias

Keuper 231

Muschelkalk 244

Buntsandstein 250

Paläozoikum

Perm Zechstein 258

Rotliegend 300

Karbon

Stefan 305

Westfal 317

Namur 327

Dinant 360

Devon 400

Silur 440

Ordovizium 500

Kambrium 570

Proterozoikum 2500

Archaikum 3800

Hadaikum 4400+

Tabelle 1.1 Vereinfachte Geologische Zeitskala zur besseren Zuordnung und zeitlichen

Einordnung der im Text angegebenen Äonen, Ären, Perioden und Epochen (Ma = Millionen

Jahre).

Page 26: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

9

1.2 14BROHSTOFFSUCHE

Die Welt untertage in den eigenen gegrabenen Höhlen oder auch in

geologisch geformten Hohlräumen hat der Spezies „Säugetiere“ die

Wirkung des katastrophalen Asteroidenimpaktes an der Kreide-

Tertiär-Grenze erfolgreich überleben lassen. Für den Menschen ver-

flüchtigte sich später die Schutzfunktion der untertägigen Höhlen,

dafür gewannen aber die untertägig versteckten Rohstoffe zuneh-

mend an Bedeutung. Rohstoffe, wie sie z. B. in Lagerstätten erdge-

schichtlich konzentrierte Minerale, Erze, Kohlen und Kohlenwasser-

stoffe darstellen, sind infolge geologischer Bedingungen entweder

direkt von der Erdoberfläche aus zugänglich oder eben erst in größe-

rer Tiefe. Sie dort zu finden, zu fördern und aufzubereiten hat den

Menschen immer wieder vor neue geologische, physikalische, che-

mische und technische Herausforderungen gestellt.

1.2.1 59BGoethe im Harz

Auch Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) ist es so ergangen.

Als „Geheimer Legationsrat“ für den Herzog von Sachsen-Weimar-

Eisenach war er u.a. für den Bergbau im Herzogtum verantwortlich,

der in Ilmenau im Thüringer Wald mit großen Problemen zu kämp-

fen hatte.

Um Lösungen dafür zu finden, begab er sich zum Studium des

Harzer Bergbaus ab dem Jahr 1777 inkognito auf drei längere Reisen

dorthin. Die erste Reise als „Maler Weber“ begann er unter dem

Vorwand, einen gemütskranken Leser seines „Werther“ – einen

Herrn „Plessing“ in Wernigerode – besuchen zu wollen. Für die Be-

lebung des Bergbaus in Ilmenau haben die Erkenntnisse dieser Rei-

sen kaum gefruchtet, doch konnte er seine Erlebnisse im Harz litera-

risch im „Faust“ verarbeiten (Abb. 1.9 und 1.10).

Als er bei einer Brockenbesteigung 1783 zusammen mit dem Vize-

Berghauptmann Wilhelm Heinrich von Trebra eine Doppelgesteins-

art bestehend aus Granit mit aufgesetztem, eingewachsenen dunkel-

blauen Tonstein fand, wurde das als kleine wissenschaftliche Sensa-

tion empfunden.

Page 27: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

10

Abb. 1.9 Caspar David Friedrich (1774–1840) – ein Zeitgenosse Goethes, „Der einsame

Baum (Harzlandschaft)“, Alte National Galerie Berlin.

Damals fochten "Neptunisten" und "Plutonisten" einen intensiven

Streit um die geologisch einzig wahre Lehre aus. Die Neptunisten

sahen in jedem Stein ein Sediment, die Plutonisten darin ein Derivat

des Magmas. Goethe und von Trebra widerlegten mit ihrem Fund die

Verfechter beider „Paradigmen“. Diesen Paradigmenstreit verarbeite-

te Goethe in seiner „Faust II“-Tragödie. So lässt er Anaxagoras und

Thales zwei philosophische Gedanken zur Lebensentstehung äußern.

Während Anaxagoras glaubt, dass Lebendiges dem Feuer entsprun-

gen sei, ist Thales davon überzeugt, dass der Ursprung allen Lebens

im Wasser läge. An Rohstoffe denkend, macht Goethe Mephisto zum

neuen Narren des Kaisers. Da dem Kaiser überall Geld fehlt, spricht

Mephisto ihm alle Bodenschätze und Schatzfunde zu und verändert

durch diesen „Mummenschanz“ die Deckung des Papiergelds: Das

Gold wird durch „ungehobene Schätze“ abgelöst, wodurch das Reich

später vollends ins Chaos zu stürzen droht, was ja sehr modern zu

klingen scheint.

Page 28: Heinz-Jürgen Brink Deutschlands Untergrund · 2013. 8. 24. · Geleitwort Die norddeutsche Tiefebene ist nicht gerade eine Landschaft, die Neugier an ihrem Untergrund weckt. Interesse

11

Abb. 1.10 Faust und Mephisto, Der Teufelspakt, Stahlstich von Julius Nisle (um 1840), modi-

fiziert.