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PERSONAL · Heft 02/2011 1 EDITORIAL Prof. Dr. Thomas R. Hummel Herausgeber PERSONAL Eine (un)endliche Geschichte Nicht zuletzt aufgrund der EU-Erweiterung auf mittler- weile 27 Staaten ist auch Bewegung in die bundesdeutsche Tariflandschaft gekommen. Am 5. Juni 2011 treten in allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsaums die neuen Gesetze zum Europäischen Betriebsrat in Kraft. Damit wird die neue EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 umgesetzt (S. 17 bis 23). Das Spektrum der zu regelnden Fragen reicht in den Be- trieben von der Entgeltfindung (Eingruppierung, Zulagen, Zuschläge oder Höhe des Entgelts) bis hin zu arbeits- rechtlichen Rahmenbedingungen (Urlaub, Altersvorsorge oder freie Tage bei besonderen Anlässen). Die Akteure bleiben Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, deren Forderungen sich in Tarifverhandlungen und dem Tarif- abschluss manifestieren. Unterschiedliche Formen der Mitbestimmung und Formen der Kapitalbeteiligung vor dem Hintergrund der Krisenbewältigung sind ein Beleg für die Ausdifferenzierung in den Arbeitsbeziehungen (S. 6 und S. 9). Bei dieser ganzen Bandbreite an Regelungen darf eines nicht übersehen werden: Es gibt hierbei insbesondere be- triebsgrößenspezifische Unterschiede (S. 12). Zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem vergangenen Jahr, deren Konsequenzen noch nicht in vol- lem Umfang absehbar sind, mögen die derzeitigen Turbu- lenzen verdeutlichen. Konkret geht es zum einen um die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitar- beit und Personalserviceagenturen“. Das Ergebnis: Dieser Zusammenschluss mehrerer kleiner Arbeitnehmerorgani- sationen ist „nicht tariffähig“. Sie ist keine Gewerkschaft und darf mit Zeitarbeitsunternehmen nicht über Löhne und Gehälter verhandeln (S. 15). Zum anderen macht der BAG-Beschluss aus dem Juni 2010 Furore: In einem Unternehmen sind mehrere Tarifverträge nebeneinander erlaubt. Einer gemeinsamen Forderung von Gewerkschaftsbund DGB und den Arbeitgeberver- bänden BDA nach Tarifeinheit hat sich die Bundesregie- rung angeschlossen: Sie plant einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit in deutschen Unternehmen vorzulegen. Das DGB-BDA-Pro, Proteste aus DGB-Einzelgewerkschaften wie ver.di, aus der Pilotenvereinigung und dem Marburger Bund, aber auch die Contra-Position des Sachverständi- genrates lassen die Breite der anstehenden Diskussionen erahnen. 2011 wird tarifpolitisch spannend werden – über diverse anstehende Gehaltsrunden hinaus.

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PERSONAL · Heft 02/2011 1

Editorial

Prof. Dr. Thomas R. HummelHerausgeber PERSONAL

Eine (un)endliche GeschichteNicht zuletzt aufgrund der EU-Erweiterung auf mittler-weile 27 Staaten ist auch Bewegung in die bundesdeutsche Tariflandschaft gekommen. Am 5. Juni 2011 treten in allen Ländern des Europäischen Wirtschaftsaums die neuen Ge setze zum Europäischen Betriebsrat in Kraft. Damit wird die neue EU-Richtlinie aus dem Jahr 2009 umgesetzt (S. 17 bis 23).

Das Spektrum der zu regelnden Fragen reicht in den Be-trieben von der Entgeltfindung (Eingruppierung, Zulagen, Zuschläge oder Höhe des Entgelts) bis hin zu arbeits-rechtlichen Rahmenbedingungen (Urlaub, Altersvorsorge oder freie Tage bei besonderen Anlässen). Die Akteure bleiben Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, deren Forderungen sich in Tarifverhandlungen und dem Tarif-abschluss manifestieren. Unterschiedliche Formen der Mitbestimmung und Formen der Kapitalbeteiligung vor dem Hintergrund der Krisenbewältigung sind ein Beleg für die Ausdifferenzierung in den Arbeitsbeziehungen (S. 6 und S. 9).

Bei dieser ganzen Bandbreite an Regelungen darf eines nicht übersehen werden: Es gibt hierbei insbesondere be-triebsgrößenspezifische Unterschiede (S. 12).

Zwei Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aus dem vergangenen Jahr, deren Konsequenzen noch nicht in vol-lem Umfang absehbar sind, mögen die derzeitigen Turbu-lenzen verdeutlichen. Konkret geht es zum einen um die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitar-beit und Personalserviceagenturen“. Das Ergebnis: Dieser Zusammenschluss mehrerer kleiner Arbeitnehmerorgani-sationen ist „nicht tariffähig“. Sie ist keine Gewerkschaft und darf mit Zeitarbeitsunternehmen nicht über Löhne und Gehälter verhandeln (S. 15).

Zum anderen macht der BAG-Beschluss aus dem Juni 2010 Furore: In einem Unternehmen sind mehrere Tarifverträge nebeneinander erlaubt. Einer gemeinsamen Forderung von Gewerkschaftsbund DGB und den Arbeitgeberver-bänden BDA nach Tarifeinheit hat sich die Bundesregie-rung angeschlossen: Sie plant einen Gesetzentwurf zur Tarifeinheit in deutschen Unternehmen vorzulegen. Das DGB-BDA-Pro, Proteste aus DGB-Einzelgewerkschaften wie ver.di, aus der Pilotenvereinigung und dem Marburger Bund, aber auch die Contra-Position des Sachverständi-genrates lassen die Breite der anstehenden Diskussionen erahnen. 2011 wird tarifpolitisch spannend werden – über diverse anstehende Gehaltsrunden hinaus.

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EDITORIAL Eine (un)endliche Geschichte 1Thomas R. Hummel

NAMEN UND NACHRICHTEN 4PERSONALKurzinterview: Helene Prölß leitet die Stiftung „Manager ohne Grenzen“ und entsendet Führungskräfte weltweit in Non-Profit-Projekte

SCHWERPUNKT: TARIfPOLITIK IM bETRIEbSchöpferische Zerstörung: Unternehmen haben die Rezession mit teilweise neuen beschäftigungspolitischen Instrumenten bewältigt 6Martin Schneider/Karl-Georg Rütten

Langsamer Anstieg: Die Universität Rostock untersuchte, was betriebsräte von finanziellen Modellen der Mitarbeiterbeteiligung erwarten 9Friedemann W. Nerdinger/Stefan Stracke

Gegenseitige Akzeptanz: bei den Arbeitsbeziehungen in Unternehmen und der Tarifbindung sind die Unterschiede erheblich – die betriebsgröße eignet sich als Messlatte 12Thomas R. Hummel/Ernst Zander

Rechtsklarheit schaffen: Nach der Entscheidung des bundesarbeitsgerichts, dass die CGZP – Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice Agenturen – nicht tariffähig ist, wird es zu Nachforderungen bei Löhnen und Sozialversicherungsabgaben kommen 15Hendrik Bourguignon

EUROPA SE auf dem Vormarsch: für SE-beteiligungsvereinbarungen stehen Reformen und Nachbesserungen durch den Gesetzgeber an 17Manfred Bobke-von Camen

Arbeitnehmer beteiligen: betriebsräte haben in europäischen Gesellschaften Informations-, Anhörungs- und beratungsrechte – die deutsche Mitbestimmung gilt dagegen nicht 19Kurt Femppel/Ernst Zander

Klarstellung per Gesetz: Das Europäische betriebsräte-Gesetz muss bis zum 1. Juni 2011 in Deutschland umgesetzt werden 22Manfred Bobke-von Camen

LEHRSTUHLPorträt: Otto-friedrich-Universität bamberg 24 PERSONALKurzinterview: Prof. Dr. Maike Andresen schlägt eine Bresche für Internationalität und Interdisziplinarität in Forschung und Lehre 25

PERSONALMANAGEMENTLeistung steuern: In der firmenakademie der bSH bosch und Siemens Hausgeräte GmbH wird gerade ein integriertes Qualitätscontrolling implementiert 26Charlotte Haimerl/Daniela Sommer

IbM CHRO Studie 2010: Kreative Köpfe sind weltweit gefragt – eine Herkulesaufgabe für Personalmanager, die in enger Abstimmung mit der Unternehmensstrategie bewältigt werden muss 29Alexander Broj

Russland: Unternehmen, die ihren fachkräftemangel mit ausländischen Spezialisten beheben wollen, sollten Kontakte zu Studierenden suchen 32Heinrich Wottawa

inhalt

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PERSONAL · Heft 02/2011 3

Zuschuss vom Staat: Kurzarbeitergeld ist ein Erfolgsmodell, weil die Einstiegsschwelle für Unternehmen niedrig ist 34Manja Kurze/Wilhelm Schmeisser

Attraktiver Auftritt: Die Dortmunder Wilo SE macht sich bei Schülern, Lehrern und Studierenden bekannt 36Martina Stangel-Meseke/Helga Kaiser

Lenken und Lösen 39

PERSONALENTWICKLUNGKarrierecockpit für frauen: Schon beim berufseinstieg starten Männer und frauen mit unterschiedlichem Entgelt 40Kirsten Wüst/Brigitte Burkart

Lösungsprozess lenken: Die ETH Zürich untersucht Rekrutierungsstrategien für forschung und Entwicklung 43Sadri Tahar/Roman Boutellier

Treffen und Trainieren 46

Seminare 47

MITARbEITERfÜHRUNGWertvolles Gütesiegel: Top Job kürt den blomberger Mittelständler Phoenix Contact zum besten Arbeitgeber Deutschlands – und das bereits zum zweiten Mal 48Ruth Lemmer

PROVOKATION des Monats: Private Investoren gesucht 50Peter Speck

fordern und fördern 51

PERSONAL UND RECHTTwittern – aber richtig: für die Nutzung von sozialen Netzwerken sind Regeln unerlässlich, um Schaden vom Unternehmen und von Mitarbeitern abzuwenden 52Jan Tibor Lelley

Aus dem Gerichtssaal 54

bÜCHER 55

PERSONALpersönlich: Ulf Werkmeister, Vice President Human Resources, Unilever, Hamburg 56

Vorschau 56

Impressum 37

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Schwaben ruftAus der Euro-pastadt Brüs-sel hat es Ste­fanie Ulrich (Foto) in die schwäbische Heimat zurückgezogen: nach Neckarsulm. In der Audi-Stadt hat die 45-Jähri-ge die Leitung des Personal-wesens übernommen. Die gebürtige Stuttgarterin folgt damit Martin Rosik. Der 48-jährige Rosik hat in der Volkswagen AG neue Auf-gaben übernommen. Nach-folger für Stefanie Ulrich in Brüssel wird der 43-jähri-ge Jochen Haberland. Der promovierte Ingenieur war zuvor Leiter Personalwirt-schaft/Informationssyste-

me bei Audi in Ingolstadt. Stefanie Ulrich machte sich in Brüssel einen Namen, weil sie in Zusammenarbeit mit den belgischen Gewerk-schaften die Personalpolitik umgestaltete. Durch mo-derne Arbeitszeitmodelle unterstützte sie besonders die angelaufene Produk-tion des A1. Studiert hat die gebürtige Stuttgarterin Germanistik und Politik-wissenschaft und ist 1990 ins Berufsleben gestartet – im Personalwesen bei Volkswa-gen in Wolfsburg. Innerhalb des Konzerns hat sie sich im Human Resource umgetan und im Bildungswesen, bei der Frauenförderung, in Personalwirtschaft sowie im Personalservice Erfahrung

gesammelt. 2007 wechselte Ulrich zum Audi Werk nach Brüssel. Ihr Vorgänger Mar-tin Rosik übernahm 2003 die Personalleitung im Audi Werk Neckarsulm. Davor war der Diplom-Ökonom Arbeitsdirektor bei Thyssen Krupp Aufzüge Deutsch-land und insgesamt 15 Jahre für das Unternehmen Thys-sen tätig.

Erneut finanzmann als PersonalerPersonelle Veränderung, gleiche Ausrichtung: Im Vorstand des Hamburger Kosmetikunternehmens Beiersdorf AG hat Perso-nal- und Finanzvorstand Dr. Bernhard Düttmann nach 21 Jahren das Un-

ternehmen verlassen. Der 51-Jährige will etwas Neues beginnen. Seinen Platz – als Personaler und Finanzchef – nimmt Dr. Ulrich Schmidt (Foto) ein. Der 57-jähri-ge Schmidt ist im Unter-nehmen fest verwurzelt. Bisher ver-antwortet er als Geschäftsführer der Beiersdorf Central Eastern Europe Holding GmbH in Wien das Geschäft in Süd-Ost-Europa. Zum Nivea-Hersteller kam er bereits nach seiner Promotion in Betriebswirtschaft an der Universität Kiel. Er startete dort 1983 seine berufliche Laufbahn im Bereich Fi-nanz- und Rechungswe-sen. Bereits ein Jahr später übernahm er die Leitung des Bereichs Treasury, es folgten weitere Führungs-aufgaben, unter anderem beim Tochterunternehmen tesa als Direktor Materi-als Management und bei Beiersdorf als Leiter Spar-tencontrolling medical so-wie als Direktor Corporate Development/M&A.

branchen-kenner zu ApetitoSiegfried Wen­zel (Foto) hat das Vorstands-

ressort Personal bei der Ape-tito AG in Rheine übernom-men. Der 47-Jährige tritt die Nachfolge von Albert Lindner an, der nach fast 20 Jahren bei dem Nahrungs-mittelkonzern mit rund 8.400 Mitarbeitern in den Ruhestand ging. Der gebür-tige Niedersachse Wenzel bringt Erfahrung aus dem Bereich Personal und aus der Konsumgüterindustrie mit. Zuletzt war er HR Director bei der Birdseye Iglo Group in Reken. Davor war er bei

Rund 150 führungskräfte haben Sie bis-her überwiegend in Non-Profit-Projekten nach Äthiopien, Nepal, Uganda und in andere Länder entsendet. Waren darun-ter auch Teilnehmer, die explizit von den verantwortlichen HR-Managern vermit-telt wurden?Ja, einige Personaler erkennen in diesen mehrmonatigen Einsätzen, die Brücken zwi-schen dem Business und der sozialen Welt schlagen, eine Gegenstrategie zu Burnout und schlagen dies gefährdeten Mitarbei-tern vor. Eine gewisse steigende Tendenz verzeichnen wir außerdem bei den Bestre-bungen, Mitarbeiter im Rahmen eines Cor-porate Social Responsibility-Programms zur Teilnahme zu motivieren. Wer Mitarbeiter für soziale Projekte freistellt, ist in Ethikfragen glaubwürdiger.

Melden sich auch Personalmanager als Teilnehmer?Sicher. Genau wie andere Manager, wollen sie ihren Erfahrungshorizont erweitern und ihre Kenntnisse für diese direkte Art der Ent-wicklungshilfe einsetzen. Darüber hinaus testen sie die Möglichkeiten zur Fachkräf-

teentwicklung. Beispiele von freigestellten Mitarbeitern, die sich hier engagiert haben, können auch für das Employer Branding ge-nutzt werden.

Was aus dem personalspezifischen Know-how wird in den Zielländern gebraucht?In erster Linie geht es natürlich um Schu-lungen und Trainings von Locals. Gefragt sind zum Beispiel die Erfahrungen aus dem dualen Ausbildungssystem in Deutschland. Aktuell haben wir jemanden, der in einem Waisenhaus die Mitarbeiter dazu qualifi-ziert, eine fundierte Berufsberatung durch-zuführen.

Helene Prölß, Leiterin der Stiftung „Ma-nager ohne Grenzen“ in Stuttgart, über die Motive von führungskräften Ent-wicklungsarbeit zu leisten.

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PERSONALKurzinterview

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PERSONAL · Heft 02/2011 5

Philip Morris, Masterfoods und The Body Shop fürs Per-sonalwesen verantwortlich. Der Volljurist startete seine berufliche Laufbahn 1993 in einer Münchner Kanzlei. Sein Vorgänger Albert Lin-der hat im Konzern seine Spuren hinterlassen: 1998 forcierte er die Entwicklung und Einführung des apetito Leitbilds „Partnerschaftli-ches Erfolgsmanagement“, das bis heute das Unter-nehmen prägt. Vom Groß-konzern 3M war Albert Linder 1992 ins Unterneh-men gekommen.

An die SpitzeDer 33-jährige Stefan Kölle (Foto) hat die Geschäftsfüh-rung der On-line-Jobbörse stellenanzeigen.de über-nommen. Der Gründer und bisherige Geschäfts-führer von stellenanzeigen.de, Michael Weideneder, schied auf eigenen Wunsch aus der Geschäftsführung aus. Kölle ist seit über zehn Jahren in leitender Funkti-on beim Unternehmen. Als Leiter der Produktentwick-lung und der IT und seit Anfang 2004 zusätzlich als Mitglied der Geschäftslei-tung hat er die dynamische Entwicklung der Online-Jobbörse entscheidend mitgeprägt. Kölle war 2000 von einem anderen Inter-netunternehmen, zu dem er aus dem Informatikstu-dium heraus gewechselt war, zu stellenanzeigen.de gekommen. Der scheiden-de Geschäftsführer Michael Weideneder hatte das Un-ternehmen im Jahr 1995 als eine der ersten Online-Jobbörsen in Deutschland gegründet und in den fol-genden 15 Jahren zu einem der führenden Anbieter aufgebaut.

Generationswechsel geschafftSeit Anfang des Jahres wird das Beratungsunternehmen von Rundstedt HR Partners, von einem Frauen-Duo ge-leitet. Firmengründer Eber­hard von Rundstedt hat die Geschäftsführung an seine Tochter Sophia von Rund­stedt (38) und an Heike Co­hausz (45) übergeben. Als Vorsitzender eines neu ge-gründeten Beirats wird er aber weiter einen genauen Blick auf das Unternehmen haben, das letztes Jahr sein 25-jähriges Bestehen feierte. Mit diesem Schritt wird bei dem Outplacement-Spezia-listen der vor drei Jahren ein-geleitete Generationswech-sel vollendet. Die Rechtsan-wältin Sophia von Rundstedt stieg 2003 in das vom Vater gegründete Unternehmen ein, leitete mehrere Jahre die Frankfurter Niederlas-sung und ist vor knapp drei Jahren in die Geschäftsfüh-rung berufen worden. Heike Cohausz arbeitet nunmehr seit elf Jahren im Anschluss an ihre Bankenlaufbahn bei von Rundstedt HR Partners und war bis zu ihrer Beru-fung in die Geschäftsfüh-rung im Jahr 2006 mehrere Jahre für die Leitung der Niederlassung Düsseldorf verantwortlich.

firmen gründer angeheuert

Matthias Hoff (Foto) verant-wortet ab so-fort alle Per-sonalthemen der Einkaufs-

und Supply-Chain-Bera-tung Kerkhoff Consulting in Düsseldorf. Der 36-Jährige hatte auch bei dem Bera-tungsunternehmen Alix-Partners zuvor schon die gleiche Position. Die Che-fin von Matthias Hoff ist Stefanie Kerkhoff, die in der

Geschäftsführung die The-men Personal und Finanzen verantwortet. Vor seiner Tä-tigkeit bei AlixPartners hat Hoff den Personalbereich bei Deloitte Consulting neu ausgerichtet und im An-schluss operativ geleitet. Seine Fähigkeiten als Un-ternehmer hat der Perso-naler schon weitaus früher gezeigt: Während des Jura-Studiums an der Johann Wolfgang Goethe-Univer-sität Frankfurt am Main hat Hoff ein Unternehmen im Bereich IT-Dienstleistun-gen gegründet und selbst geführt.

bekannte GesichterDr. Stephan Hostettler, Mi­chael H. Kramarsch und ihre Partner Joachim Kayser, Dr. Axel May, Dr. Harriet Sebald sowie Dirk Filbert haben sich zur Hostettler, Kramarsch & Partner-Gruppe mit Sitz in Zürich und Frankfurt am Main zusammengeschlos-sen. Erklärtes Ziel der Be-ratungsgesellschaft ist es, so Managing Partner Michael H. Kramarsch, den Kunden eine integrierte, ganzheitli-che Perspektive auf Finanz-, Risiko- und Personal-Ma-nagement-Themen zu eröff-nen. Damit hat der Zusam-menschluss von Towers Per-rin und Watson nun bewirkt, dass eine schlagkräftige Bera-tergruppe den Markt betritt – mit Ex-Towers-Beratern. In der Consultingbranche sind die Unternehmens-gründer bekannte Größen. Michael H. Kramarsch ging 1998 als Leiter Exe-cutive Compensation zu Towers Perrin. Der 41-Jäh-rige verantwortete dort die Geschäftsaktivitäten im deutschsprachigen Raum. Stephan Hostettler ist seit 2002 als Unternehmer und Berater auf dem Markt. Der 45-jährige promovierte Betriebswirt gründete die

Stephan Hostettler & Part-ner AG in Zürich. Joachim Kayser blickt auf über 25 Jahre Berufserfahrung zu-rück und war zuletzt Partner bei Towers Perrin. Dr. Axel May arbeitete mehr als 17 Jahre in leitenden Funk-tionen unter anderem bei der Deutschen Bank und der Allianz in Deutschland sowie in Großbritannien und zuletzt als Chief Fi-nancial und Risk Officer einer Schweizer Privatbank. 2010 stieg er bei Hostett-ler & Partner ein. Die ein-zige Frau in der Runde, Dr. Harriet Sebald, kommt ebenfalls von Towers Per-rin, wo sie als Partnerin auf europäischer Ebene das Talent-Management-Ge-schäft leitete. Dirk Filbert verantwortete zuletzt bei Towers Perrin den Bereich Executive Compensation für Deutschland.

Expansion begleitenNina Göbels­mann (Foto) hat die Perso-nalleitung bei

der G Data Software AG in Bochum übernommen. Die 30-jährige Personalex-pertin war zuvor selbststän-dig, sie hatte Anfang 2010 die NIGOMA Unterneh-mensberatung in Messel bei Darmstadt gegründet. Berufserfahrung hat sie als Beraterin bei Kienbaum Management Consultants und bei der Deininger Un-ternehmensberatung ge-sammelt. Die studierte Pä-dagogin steht jetzt vor der Aufgabe, die Expansion des Bochumer Unternehmens mit einer effektiven und zielführenden Personalver-waltung zu unterstützen. Die G Data Software ist seit 25 Jahren auf dem Markt und ist auf IT-Sicherheits-lösungen spezialisiert.

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6 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

Krisen sind mit Joseph Schumpeter als Phasen der schöpferischen Zer-störung zu verstehen. Unternehmen bringen neue Produkte und Verfah-ren hervor, um im Wiederaufschwung wettbewerbsfähig zu sein. Eine sinn-

volle Beschäftigungspolitik in der Krise muss sich daher an zwei Zielen ausrichten: der Personalkostensen-kung einerseits und der erfolgreichen Reorganisation andererseits. Beide Ziele harmonieren zum Glück oft, denn in der Krise bleiben Kapazi-täten unterausgelastet, sodass Zeit für Qualifizierung, Umstrukturierungen und Verbesserungen bleibt. Es treten jedoch häufig Zielkonflikte auf. Dann senken die Maßnahmen zur Personal-kostenreduzierung die Mitarbeitermo-tivation und sie beeinträchtigen und bedrohen das strategische Wissen, das dem Unternehmen zur Verfügung steht. So reduziert ein harter Personal-abbau zwar am schnellsten und stärks-ten die Personalkosten, aber er kann die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter demotivieren und ihre Bindung zum Unternehmen lösen. Ebenso tut sich ein Zielkonflikt auf, wenn ein ganzer Betrieb aus Grün-den der Solidarität in Kurzarbeit geht.

Denn eigentlich müssten die Mitar-beiter in der Entwicklungsabteilung Überstunden machen, um einen Vor-sprung auf dem Markt zu erlangen. Im heutigen Umfeld, geprägt durch starken Produktwettbewerb und knapp werdende Fachkräfte, stellt sich der Zielkonflikt verschärft. Un-ternehmen stehen dann vor geradezu paradoxen Anforderungen. Um zur Reorganisation beizutragen, müssen Mitarbeiter motiviert sein, Vertrauen in das Potenzial des Unternehmens haben und flexibel neue Aufgaben übernehmen. Die Mitarbeitermo-tivation wird also genau dann am wichtigsten, wenn sie am meisten gefährdet wird: in der Krise. Die Re-organisation erfordert zudem neues

Stichwörter in diesem beitrag

■ Beschäftigungspolitik ■ Krise ■ Transparenz

Prof. Dr. Martin Schneider, Lehr-stuhl für Personal-wirtschaft, Univer-sität Paderborn

martin.schneider@notes. uni-paderborn.de

Karl-Georg Rütten , Geschäfts-führender Gesell-schafter, Divicor GmbH, Paderborn

[email protected]

© fo

tolia

Schöpferische Zerstörung

Viele Unternehmen haben die Rezession mit teilweise neuen beschäftigungspolitischen Instrumenten bewältigt. Es lohnt sich festzuhalten , wie die Unternehmen vorgegangen sind und wo es Verbesserungsbedarf gibt. Denn die nächste Krise kommt bestimmt.

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PERSONAL · Heft 02/2011 7

Wissen von außen. Es muss auch, sogar gerade in der Krise gezielt ein-gestellt werden. Ein Einstellungs-stopp kann das Unternehmen daher langfristig schwächen. Und im Wie-deraufschwung fehlen womöglich die Fachkräfte, die man zur Personalkos-tensenkung gerade entlassen musste.

Stufen der Krisenbewältigung

Um die Krise zu bewältigen, folgen die Unternehmen typischerweise ei-nem Stufenmodell, das in erster Linie das Ziel der Personalkostensenkung verfolgt, nicht aber in gleicher Weise das Ziel der Reorganisation. (Abb. 1)Zunächst werden kostengünstige Maßnahmen getroffen und solche, von denen die Stammbelegschaft ver-schont bleibt, dann erst teurere und härtere. Für einen solchen gestuften Einsatz gibt es gute Gründe. Erstens lassen sich die klassischen Ansätze der ersten Stufe meist schnell und mit geringem Verhandlungsaufwand – et-wa gegenüber dem Betriebsrat – um-setzen. Zweitens werden Mitarbeiter demotiviert, wenn die Potenziale zur

weichen Anpassung zu Beginn nicht ausgeschöpft werden und stattdessen betriebsbedingt gekündigt wird: Der psychologische Vertrag wird verletzt, das heißt aus Sicht des Mitarbeiters bricht der Arbeitgeber das unausge-sprochene Versprechen auf eine lang-fristige Beschäftigung und eine faire Behandlung. Dies wiederum unter-gräbt die Basis für Reorganisationen. Drittens steigt mit jeder Stufe die Gefahr, dass Wissensträger das Un-ternehmen verlassen. Der Praxis fehlt jedoch oft ein Ge-samtkonzept, das von vornherein den Einsatz von Instrumenten auf verschiedenen Stufen vorsieht und differenziert einsetzt. Dabei könnte ein solches Gesamtkonzept besser ei-nen Ausgleich der beiden Ziele errei-chen. So lässt der verstärkte Einsatz von kollektiv greifenden Instrumen-ten die Stammbelegschaft weitgehend intakt, sodass Fachkräfte im Wie-deraufschwung nicht extra gesucht werden müssen. Ein transparentes Gesamtkonzept reduziert zudem die Unsicherheit in der Belegschaft – mit positiven Effekten für die Motivation. Der vorhandene Spielraum wird häu-

fig deshalb nicht genutzt, weil schnell reagiert werden muss und die Perso-nalkostenreduzierung alle anderen Überlegungen dominiert.

Mehr beteiligung

Zu den Ansätzen der zweiten Stufe beschäftigungspolitischer Maßnah-men zählt auch die Mitarbeiterkapi-talbeteiligung. Sie wurde immer als gesellschaftspolitisches Instrument zur Kapitalbildung der Arbeitnehmer diskutiert. In der jüngsten Krise ist sie jedoch auch als beschäftigungspoliti-sches Instrument zur betrieblichen Krisenbewältigung ins Spiel gebracht worden – und zwar zu Recht. In der Krise können Teile des Ent-gelts, zum Beispiel Tariflohnsteige-rungen oder freiwillige soziale Leis-tungen, umgewandelt werden in eine stille Beteiligung der Arbeitnehmer oder in Belegschaftsaktien. Verbun-den ist mit dieser Umwandlung nicht zwingend ein Stimmrecht, das separat sensibel behandelt oder ausgeklam-mert werden muss. Unter mehr Be-teiligung ist vielmehr vorrangig die

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8 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

Chance zu verstehen, kurzfristig die Liquidität und langfristig die Eigen-kapitalbasis zu erhöhen. Eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann sich gleich mehrfach auszahlen. Sie ist ein glaubwürdiges Signal an Kapitalgeber: Offenbar sind die Mit-arbeiter und die Arbeitnehmervertre-tung bereit, in die Zukunft des eige-nen Unternehmens zu investieren. Das verweist auf ein Unternehmen mit Zukunftspotenzial. Eine Mitar-beiterkapitalbeteiligung kann die Mit-arbeiter auch zu mehr Engagement und Interesse für ihr Unternehmen motivieren, was zu einer erfolgrei-chen Reorganisation beitragen kann.

Unternehmen retten

Trotz dieser Effekte wird die Mitar-beiterkapitalbeteiligung noch zu sel-ten eingesetzt. Arbeitnehmervertreter sind vielfach skeptisch, weil die Mit-arbeiter ein hohes Risiko eingehen: Ausgerechnet in der Krise investie-ren die Arbeitnehmer in ihr Unter-nehmen. Wird dieses insolvent, geht nicht nur der Arbeitsplatz, sondern es gehen auch umgewandelte Entgeltbe-standteile verloren, je nach Rückversi-cherung zumindest teilweise. Allerdings kann eine Mitarbeiter-beteiligung dazu beitragen, das Un-ternehmen zu retten und damit das Arbeitsplatzrisiko zu senken. Zudem verzichten die Mitarbeiter auch dann

auf Gehalt, wenn Zusatzleistungen gestrichen werden oder die Arbeits-zeit ohne Lohnausgleich gekürzt wird, um die Krise zu bewältigen. Im Gegenzug erhalten die Mitarbeiter dafür oft nur vage Zusagen. Zudem leisten Mitarbeiter auch mit Weiter-bildung und flexiblen Umsetzungen einen Beitrag zur Reorganisation – welche Garantie aber erhalten die Mitarbeiter, dass sich ihre Bemühun-gen lohnen?

Das mittlere Management ist gefragt

Aus alledem ergeben sich mehrere Anforderungen an die Beschäfti-gungspolitik in der Krise:Differenzierung: Verschiedene Betrie-be, Abteilungen und Mitarbeitergrup-pen erfordern verschiedene Maßnah-men. Wo Erfahrungswissen benötigt wird, sollte auf Frühpensionierungen verzichtet werden; wo viel Entwick-lungsarbeit zu leisten ist, sollte nicht kurzgearbeitet werden. Trotz Kosten-drucks dürfen für die künftige Aus-richtung des Unternehmens wichtige Funktionen und Stellen nicht gestri-chen werden, und Einstellungen dür-fen nicht tabu sein, wo neue Expertise benötigt wird.Transparenz: Alle Beteiligten müssen die Bandbreite und die Stufen der Anpassungsmaßnahmen kennen. Ihnen sollte klar sein, dass und in

welchem Umfang Personalkostenre-duzierungen notwendig sind und in welchem Umfang Reorganisationen angestoßen werden sollen. Die um-fassende Information an die Mitar-beiter hat mehrere positive Effekte. Sie reduziert Unsicherheit und schafft somit freie Köpfe für die tägliche Ar-beit. Sie hilft auch, Unverständnis zu reduzieren, etwa wenn trotz Krise in manchen Abteilungen Überstunden geleistet oder neue Mitarbeiter ein-gestellt werden.Zu einer differenzierten und transpa-renten Beschäftigungspolitik gehört eine neue Arbeitsteilung zwischen Unternehmensleitung und mittlerem Management. Die Unternehmenslei-tung überschaut und gibt vor, wie stark die Entlastung bei den Perso-nalkosten ausfallen muss, um die Zukunftssicherung zu gewährleisten. Sie legt auch fest, in welche Richtung reorganisiert wird – in welchen Märk-ten mit welchen Produkten das Un-ternehmen künftig tätig sein soll. Sie muss außerdem den Rahmen abste-cken, also die verfügbaren Instrumen-te der Personalkostenreduzierung in ihrer Gesamtheit darstellen.Wie und in welcher Kombination diese Instrumente in den Abteilun-gen genutzt werden, muss hingegen stärker als bisher dem mittlerem Management überlassen bleiben: den Abteilungsleitern mit direkter Führungs- und Leitungsverantwor-tung. Sie besitzen detaillierte Infor-mationen über die Fähigkeiten und Potenziale ihrer Mitarbeiter und die Anforderungen notwendiger Reor-ganisationen. Daher können sie die Instrumente differenziert einsetzen. Sie sind zudem näher dran an den Mitarbeitern. Daher können sie die notwendige Transparenz in den ver-schiedenen Stadien der Krisenbewäl-tigung schaffen. Die Aufwertung der mittleren Füh-rungskräfte entspricht üblicher Praxis außerhalb der Krise: Bei personel-len Entscheidungen wird die Wahr-nehmung der Arbeitgeberfunktion häufig der mittleren Führungsebene übertragen. Allerdings werden in der Krise oft auch Stellen im mittleren Management gestrichen. Dies dürfte eine transparente, differenzierte Be-schäftigungspolitik erschweren.

Abb. 1: Stufenmodell beschäftigungspolitischer Maßnahmen in der Krise

1. Klassische Ansätze

2. Aufwendige Ansätze

3. Reduzierung der Stammbelegschaft

• Einstellungsstopp und natür-liche Fluktuation

• Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge

• Beenden von Arbeitnehmer-überlassungen

• Beenden von Arbeitsverhältnis-sen in der Probezeit

• Kürzen von Sozialleistungen

• Frühpensionierungen

• Verschieben oder Aussetzen von Tariflohnsteigerungen

• Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich

• Kurzarbeit (mit oder ohne Qualifizierung)

• Mitarbeiterkapitalbeteiligung

• Freiwilliges Abfindungs-programm

• New-Placement-Angebote

• Outsourcing von Betriebs-bereichen

• Aktive Personalvermittlung

• Transferagenturen und -gesellschaften

• Betriebsbedingte Kündigungen

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PERSONAL · Heft 02/2011 9

Nach langer Diskussion hat die Bun-desregierung im Jahr 2009 eine Neu-fassung des Gesetzes zur finanziellen Mitarbeiterbeteiligung (Mitarbeiter-kapitalbeteiligungsgesetz) verabschie-det. Mit diesem Gesetz wird als poli-tisches Ziel eine stärkere Verbreitung der Beteiligung von Mitarbeitern an Erfolg und Kapital der sie beschäfti-genden Unternehmen formuliert. Dem Nürnberger Institut für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zufolge verfügen derzeit neun Prozent der Betriebe in Deutschland über ein System der Erfolgsbeteili-gung und lediglich zwei Prozent der Betriebe haben ein Modell der Kapi-talbeteiligung. Knapp zwei Jahre nach Einführung des neuen Gesetzes gibt es somit keine konkreten Hinweise, dass die damit verbundene Auswei-tung der Förderung in größerem Um-fang genutzt wird. Die Gründe für die schwache Resonanz auf eine Initiati-ve, die von den politischen Parteien und den Sozialpartnern unterstützt wird, sind erklärungsbedürftig.In der gewerkschaftlichen Diskussion der vergangenen Jahre hat es einen erkennbaren Wandel in den Positio-

nen gegenüber finanzieller Mitarbei-terbeteiligung gegeben. Neben der IG BCE, deren ehemaliger Vorsitzender Hubertus Schmoldt immer offen für eine Nutzung solcher Systeme war, ist inzwischen auch die IG Metall unter bestimmten Voraussetzungen für die Einführung von Beteiligungssyste-men. Der DGB hat sogar ein eigenes Projekt zum Thema Beteiligung im Kontext seiner Trendwende-Initiative durchgeführt.Stimmt dieser Richtungswechsel in den Gewerkschaften mit den Positio-nen und Einstellungen von Betriebs-räten überein? Um diese Frage zu be-antworten, wurde von der Universität Rostock im Rahmen eines Projektes der Hans-Böckler-Stiftung eine reprä-sentative Befragung von Betriebsräten in Deutschland durchgeführt. Teilge-nommen haben 1.321 betriebliche Interessenvertreter in Unternehmen mit 50 und mehr Beschäftigten.

Positive Wirkungen erkannt

Im Rahmen der schriftlichen Be-fragung wurden Einstellungen und Meinungen zum Thema finanzielle Mitarbeiterbeteiligung in Form von Zustimmungsskalen zu einem ganzen Set von Fragen erhoben. Der hohe Zustimmungswert auf die Frage, ob die finanzielle Mitarbeiterbeteiligung ein geeignetes Instrument ist, um die Beschäftigten an einer positiven Un-ternehmensentwicklung teilhaben zu lassen, zeigt eine positive Grundhal-tung in dieser Frage. Über alle Unter-nehmen gibt es hier einen Mittelwert von 4,22. Bei den Unternehmen mit Beteiligungssystemen steigt dieser an sich hohe Wert noch einmal auf 4,30. Man kann hier positive Erfahrungen der Betriebsräte mit diesem Instru-ment unterstellen. (Tab. 1)Die befragten Betriebsräte sehen in finanzieller Mitarbeiterbeteiligung nicht in erster Linie ein Mittel, um die

betriebliche Mitbestimmung zu stär-ken und mehr Einfluss auf wirtschaft-lich-strategische Angelegenheiten zu nehmen. Unter den Zielen oder Wir-kungen von Beteiligungsmodellen rangieren die psychologischen und personalpolitischen Effekte (wie die Förderung der Identifikation der Mit-arbeiter mit dem Unternehmen oder die Erhöhung der Arbeitsmotivation) und die materiellen Arbeitnehmerzie-le in der Einschätzung der befragten Betriebsräte deutlich vor zusätzlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungs-möglichkeiten der Beschäftigten. Ver-mutlich sind Mitbestimmungsfragen für die Betriebsräte durch die beste-henden Institutionen und Rechte des Betriebsverfassungsgesetzes in aus-reichendem Maße abgedeckt, und fi-nanzielle Mitarbeiterbeteiligung hat in dieser Hinsicht keine besondere Bedeutung für die praktische Arbeit der Betriebsräte.Vor dem Hintergrund des momen-tan auf die Wirtschafts- und Finanz-krise folgenden wirtschaftlichen Aufschwungs ist ein Ergebnis von besonderer Bedeutung: Die in der Hochphase der Finanzkrise befragten Betriebsräte sind nicht davon über-zeugt, dass eine Beteiligung der Be-schäftigten am Unternehmenskapital ein Instrument zur Sanierung eines Betriebes ist. Beteiligungsmodelle sind – so unsere Schlussfolgerung – nur in besonderen Einzelfällen als Instrument geeignet, um die Kapital-basis von Unternehmen in Krisensitu-ationen zu stärken. Eine Kapitalbetei-ligung ist in solchen Fällen vertretbar, wenn• eine Risikobegrenzung für die Be-schäftigten möglich scheint und

Stichwörter in diesem beitrag

■ Mitarbeiterbeteiligung ■ Kapitalbeteiligung ■ Mitbestimmung

Prof. Dr. Friedemann W. Nerdinger , Wirt-schafts- und Orga-nisationspsycho-logie, Universität Rostock

friedemann. nerdinger@ uni-rostock.de

Stefan Stracke, Berater, Unter-nehmensberatung Wilke, Maack und Partner, Hamburg

[email protected]

Die Universität Rostock untersuchte, welche Haltungen und Zukunfts erwartungen Betriebsräte bei der finanziellen Mitarbeiter-beteiligung haben.

Langsamer Anstieg

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10 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

• aufgrund eines erfolgversprechen-den Sanierungskonzepts die Chan-cen steigen, dass der Betrieb gerettet werden kann.

beteiligung an Verlusten erwartet

Was erwarten Betriebsräte angesichts ihrer im Großen und Ganzen positi-ven Grundeinstellung von der weite-ren Entwicklung und Verbreitung von finanziellen Beteiligungssystemen? Insgesamt gesehen erwarten die Be-triebsräte nicht, dass die Verbreitung finanzieller Mitarbeiterbeteiligung in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Aber sie sehen eine Tendenz, fixe Lohn- und Gehaltsbestandteile durch variable zu ersetzen und die Beschäf-tigten durch Beteiligungsangebote auch an finanziellen Verlusten zu beteiligen. (Tab. 2)Beschäftigte wären damit einem wach-senden Beteiligungsrisiko ausgesetzt.

Dies nehmen in besonderer Weise Be-triebsräte aus dem Gesundheits- und Banken- und Versicherungsbereich wahr, wo das Instrument relativ stark genutzt wird. Diese Einschätzung der Betriebsräte kann vielleicht mit einem Bild aus der griechischen Sagenwelt beschrieben werden: Fürchte die Da-naer, auch wenn sie Geschenke brin-gen (Vergil).

Einheit: Materielle und immaterielle beteiligung

Wichtig in der Bewertung der Ergeb-nisse erscheint uns der deutliche Zu-sammenhang zwischen der Existenz von Mitarbeiterbeteiligungsangebo-ten und praktischen Instrumenten zu einer gemeinsamen Zielfindung und Beteiligung von Mitarbeitern an Informationen und Entscheidungen. In Unternehmen mit materiellen Beteiligungsmodellen gibt es korres-pondierend mehr Möglichkeiten der

Mitwirkung und Mit entscheidung der Beschäftigten. (Abb.)In solchen Unternehmen finden sich beispielsweise deutlich öfter Formen des betrieblichen Vorschlagswesens (71 Prozent) oder der Zielvereinbarungen und Mitar bei ter gespräche (72 Prozent) als in Unternehmen ohne Mitarbeiter-beteiligung. Dieser Befund könnte als Beleg für die These gesehen werden, dass in Betrieben mit Beteiligungsmo-dell stärker ein Konzept von Arbeit verfolgt wird, das den Mitarbeiter und sein eigenmotiviertes Handeln in den Mittelpunkt stellt. Finanzielle Mitar-beiterbeteiligung erscheint somit als ein zentraler Bestandteil moderner Per-sonalstrategien, die auf einem ganzen Bündel materieller und immaterieller Beteiligungsinstrumente aufbauen. Mit anderen Worten: Sollen finanzi-elle Beteiligungskonzepte erfolgreich sein, müssen sie in die Unterneh-menskultur und ein partizipatives Gesamtkonzept im Bereich der Un-ternehmensführung, Arbeitsorgani-

alle Unter-nehmen

Unterneh-men mit

MAb

Unterneh-men ohne

MAb

Unterneh-men mit

Eb

Unterneh-men mit

Kbum die Beschäftigten an der positiven Unternehmensentwicklung teilha-ben zu lassen

4,22 4,3 4,16 4,31 4,33

zur Förderung der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen 3,93 3,78 4,03 3,78 3,72zur Erhöhung der Arbeitsmotivation 3,83 3,64 3,96 3,67 3,51um die Produktivität zu steigern 3,69 3,57 3,76 3,58 3,47zur Förderung des unternehmerischen Denkens der Mitarbeiter 3,48 3,38 3,55 3,39 3,31zur Erhöhung der Arbeitszufriedenheit 3,45 3,38 3,5 3,37 3,33zur Gewinnung qualifizierter Mitarbeiter 3,41 3,25 3,52 3,24 3,16um die Vermögensbildung der Beschäftigten zu verbessern 3,35 3,24 3,42 3,21 3,68um das Einkommen der Beschäftigten insgesamt zu erhöhen 3,34 3,36 3,33 3,35 3,52zur Erhöhung des wirtschaftlichen Verständnisses der Beschäftigten 3,29 3,09 3,42 3,08 3,26als zusätzliche Alterssicherung der Mitarbeiter 3,26 3,05 3,39 3,02 3,33um das Vertrauen der Beschäftigten in die Unternehmensführung zu stärken

3,24 3,18 3,3 3,15 3,16

zur Reduzierung der Fluktuation von Mitarbeitern 3,15 3,02 3,24 3,01 2,97um die Kapitalbasis des Unternehmens zu vergrößern 2,98 2,89 3,04 2,84 3,22um die betriebliche Mitbestimmung auszuweiten und Einfluss auf die Unternehmenspolitik zu nehmen

2,82 2,52 3,02 2,56 2,28

um die Mitwirkungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten der Beschäf-tigten zu verbessern

2,81 2,49 3,04 2,48 2,33

zur Reduzierung des Krankenstandes 2,7 2,51 2,82 2,52 2,13um dem Unternehmen aus der Krise zu helfen 2,65 2,48 2,76 2,46 2,15zur Arbeitsplatzsicherung 2,58 2,43 2,68 2,43 2,22zum Abbau von Konflikten zwischen Beschäftigten und Geschäftsführung 2,46 2,19 2,64 2,2 2,17zur Sicherung der Unternehmensnachfolge 2,31 2,14 2,43 2,09 2,35

Basis: Befragung von Betriebsräten durch die Universität Rostock 2009, Betriebe ab 50 Beschäftigte, Mittelwerte einer Antwortskala von 1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimme voll zu“ MAB=Mitarbeiterbeteiligung, EB=Ergebnisbeteiligung, KB=Kapitalbeteiligung

Tab. 1: finanzielle Mitarbeiterbeteiligung: Ein geeignetes Instrument …

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PERSONAL · Heft 02/2011 11

finanzielle Mitar-beiterbeteiligung

in Unternehmen in Deutschland stärker verbreitet sein wird

mehr Beschäftigte am Erfolg ihrer Be-triebe beteiligt sein

werden

mehr Beschäftigte am Kapital ihrer Be-triebe beteiligt sein

werden

Beschäftigte durch ihre Beteiligung zu-nehmend finanzielle Verluste in Kauf neh-

men müssen

durch finanzielle Mit-arbeiterbeteiligung

zunehmend fixe Lohn- und Gehaltsbestand-teile ersetzt werden

sehr unwahr-schein-

lich/ unwahr-

scheinlich

wahr-schein-

lich/ sehr

wahr-scheinlich

sehr unwahr-schein-

lich/ unwahr-

scheinlich

wahr-schein-

lich/ sehr

wahr-scheinlich

sehr unwahr-schein-

lich/ unwahr-

scheinlich

wahr-schein-

lich/ sehr

wahr-scheinlich

sehr unwahr-schein-

lich/ unwahr-

scheinlich

wahr-schein-

lich/ sehr

wahr-scheinlich

sehr unwahr-schein-

lich/ unwahr-

scheinlich

wahr-schein-

lich/ sehr

wahr-scheinlich

Alle Unternehmen 40,3 39,4 25,8 40,3 31,0 27,7 23,5 40,9 25,2 53,6

brancheBergbau, Gewinnung von Steinen und Erden, Energie- und Wasserversorgung

20,7 49,0 27,5 45,0 45,6 28,5 26,4 20,9 24,1 59,4

Verarbeitendes Gewerbe

43,1 36,9 40,0 39,9 48,3 30,2 20,9 41,4 27,0 52,1

Baugewerbe 53,0 33,0 33,8 36,8 53,4 23,0 30,5 22,8 38,9 41,6

Handel und Reparatur

56,1 33,0 42,7 32,1 60,4 13,4 28,6 46,6 22,8 46,7

Verkehr und Nach-richtenübermittelung

43,8 35,3 37,8 36,2 51,5 17,6 34,0 31,5 36,4 53,4

Dienstleistungen überwiegend für Un-ternehmen

31,8 45,7 33,4 41,6 46,8 33,0 25,6 38,1 34,2 44,5

Gesundheits-, Veterinär - und Sozialwesen

35,7 39,0 47,1 38,1 56,2 22,0 20,8 47,5 8,5 63,1

Kredit- und Versi-cherungsgewerbe

31,0 54,9 27,6 57,8 33,1 35,4 27,8 45,1 11,0 73,4

Sonstige Dienstleistungen

42,2 34,8 45,2 32,8 58,9 13,1 13,4 58,9 19,4 62,6

Basis: Befragung von Betriebsräten duch die Universität Rostock 2009, Betriebe ab 50 Beschäftigte, Antwortskala: 1 = „sehr unwahrscheinlich“ und 5 = „sehr wahrscheinlich“; darge-stellt sind jeweils die beiden positiven bzw. negativen Ausprägungen in %

Tab. 2: Ich rechne damit, dass in Zukunft ...

9,0

3,5

12,0

9,4

22,5

16,9

10,7

8,7

23,3

48,0

45,1

30,7

15,1

14,7

5,9

19,3

18,6

38,8

28,2

15,4

14,8

31,6

71,8

70,8

40,5

38,8

0,0 10,0 20,0 30,0 40,0 50,0 60,0 70,0 80,0

wechselnde Aufgaben- oderTätigkeitsbereiche („Job Rotation“)

Erweiterung der Aufgabeninhalte(„Job Enrichment“)

Runde Tische

Feedbackverfahren

Kontinuierlicher Verbesserungsprozess(KVP)

Delegation v. Entscheidungen u.Verantwortung an Mitarbeiter

Klar definierte Informationsrechte derMitarbeiter

(Teil)autonome Gruppenarbeit

Qualitätszirkel

Zielvereinbarungen/Mitarbeitergespräche

Betriebliches Vorschlagswesen

regelmäßige Mitarbeiterbefragungen

Ideenwettbewerbe

Unternehmen ohne Mitarbeiterbeteiligung Unternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung

Abb.: Welche sonstigen Mitwirkungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten der beschäftigten gibt es?

Anteil der betriebe in Prozent; Unternehmen mit und ohne Mitarbeiterbeteiligung

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12 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

Im Unternehmensalltag spielen die kollektiven Arbeitsbeziehungen bei der Umsetzung von gesetzlichen Be-stimmungen, Tarifverträgen und in Betriebsvereinbarungen kontinuier-lich eine Rolle. Interessenkonflikte lösen Betriebsrat und Management in aller Regel untereinander. Nur in wenigen Fällen wird es nötig, eine Einigungsstelle anzurufen. Wenn es soweit kommt, leisten Ei-nigungsstellenverfahren einen wich-tigen Beitrag zur sachlichen Ausein-andersetzung. Bei einer im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung im Jahre 2007 durchgeführten Befragung von 2.000 Betriebsräten im Frühjahr 2006 gaben nur elf Prozent an, dass es in ihrem Betrieb in den vergangenen zwei Jahren Einigungsstellenver-

fahren gegeben habe. In drei Vier-teln dieser Betriebe kam es zudem zu höchstens zwei Verfahren. Die Einigungsstelle muss tätig werden, wenn eine von beiden Seiten dies beantragt. Meist geht die Initiative vom Betriebsrat aus.Ein unkooperatives Management leistet dem Vorschub. Wenn die Geschäftsführung die Arbeit des Betriebsrats behindert oder dem Be-triebsrat Informationen vorenthält, ist die Einigungsstelle gefragt. Elf Prozent der befragten Betriebsräte

sation und Mitbestimmung integriert werden. Der integrierte Einsatz dieser Instrumente setzt allerdings eine so-lide Vertrauensbasis und Transparenz im Betrieb voraus. Für kleine und mittlere Unternehmen stellt das eine besondere Herausforderung dar.Interessante Befunde zeigen sich, wenn man die Mitwirkungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten von Beschäftigten in Unternehmen mit Beteiligungsmodell differenziert nach Branchen betrachtet. Ideenwettbewer-be, regelmäßige Mitarbeiterbefragun-gen, betriebliches Vorschlagswesen und Zielvereinbarungen/Mit ar bei-ter gespräche sind insbesondere im Bereich Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Energie und Wasserversorgung in Verbindung mit finanzieller Beteiligung üblich. Job Ro-tation und KVP finden sich vor allem in Unternehmen mit Beteiligungs-modell im verarbeitenden Gewerbe, Feedback-Verfahren und Runde Tische

wiederum sind hier weniger üblich. Diese Instrumente werden insbeson-dere im Dienstleistungsbereich und dabei vor allem im Kredit- und Versi-cherungsgewerbe eingesetzt.

Ausblick

Unsere Untersuchung zeigt, dass die ge-werkschaftliche Öffnung für das Thema finanzielle Mitarbeiterbeteiligung von einem Großteil der befragten Betriebs-räte mitgetragen wird. Insgesamt wer-den die Instrumente einer Erfolgs- und Kapitalbeteiligung als modern und ge-recht beurteilt. Dennoch werden auch die Risiken gesehen, die eine finanzielle Beteiligung der Beschäftigten mit sich führen kann.Beteiligungsmodelle werden auch weiterhin lediglich für bestimmte Branchen und Betriebe attraktiv sein. Auf Basis unserer Studie lassen sich keine Aussagen über die zukünftige

Verbreitung von Beteiligungsmodel-len machen. Es ist aber zu vermuten, dass die Zahl der Unternehmen mit finanziellen Beteiligungsangeboten wohl eher langsam zunehmen wird. Betriebsräte sind hier zumindest nach den Ergebnissen unserer Studie nicht die hemmenden Akteure. Die Auswertung zeigt auch, dass das Thema finanzielle Beteiligung für die Befragten relevant ist und sie hierzu eine eindeutige Position einnehmen. An mangelnder Bekanntheit des The-mas können also die Umsetzungs-probleme in der Praxis kaum liegen. Vermutlich mangelt es mehr an den Angeboten der Arbeitgeberseite zu einer (zusätzlichen) Beteiligung. Denn ein Angebot finanzieller Mit-arbeiterbeteiligung, das nur vertrag-lich aktuell fest zugesicherte Entgelte gegen risikobehaftete variable Vergü-tungsanteile tauscht, wird kaum die Zustimmung der Betriebsräte und der Gewerkschaften finden.

Stichwörter in diesem beitrag

■ Betriebsräte ■ Arbeitgeber ■ Tarifbindung

Prof. Dr. Thomas R. Hummel, Internationales Management, Hochschule Fulda

[email protected]

Prof. Dr. Ernst Zander, Wirt-schaftswissen-schaftler, Ehren-herausgeber PERSONAL , Hamburg

[email protected]

Arbeitsbeziehungen und Tarifbindung unterscheiden sich sehr stark nach Betriebsgrößen. Klein- und mittelständische Betriebe haben seltener eine Arbeitnehmervertretung.

Gegenseitige Akzeptanz

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PERSONAL · Heft 02/2011 13

gaben an, bei der Ausübung ihrer Mitbestimmungsrechte häufig behin-dert zu werden; 30 Prozent müssen um Informationen mehrfach bitten. In diesen Betrieben liegt die Zahl der Einigungsstellenverfahren um knapp das Doppelte beziehungsweise Drei-fache über dem Durchschnitt. Dies ist ein Anhaltspunkt dafür, dass die Verfahren eine wichtige Funktion erfüllen, wenn das Verhältnis zwi-schen Management und Betriebsrat beeinträchtigt ist. Größenspezifisch betrachtet ergeben sich zudem sig-nifikante Unterschiede: Lag bei den Kleinunternehmen (20-99 Beschäf-tigte) die Zahl der Unternehmen, die Einigungsverfahren in Anspruch nahmen, bei 11 Prozent, lag diese bei Unternehmen mit über 2.000 Beschäf-tigten bei 25 Prozent.

Verbreitung von betriebsräten

Diese Tendenz gilt auch für das Vor-handensein eines Betriebsrats. Sowohl in West- als auch in Ostdeutschland gibt es seit vielen Jahren lediglich in rund zehn Prozent der Firmen einen Betriebsrat. Da mit wachsender Größe der Belegschaft jedoch auch die Wahr-scheinlichkeit steigt, dass ein Betriebs-rat gegründet wird, liegt der Anteil der repräsentierten Arbeitnehmer deutlich darüber. So haben nahezu alle Betrie-be in Deutschland, die mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, einen Be-triebsrat. Bei Firmen mit bis zu 100 Be-schäftigten liegt die Betriebsratsquote dagegen nur noch bei rund 40, bei Kleinstbetrieben (bis 50 Beschäftigte) sogar nur bei 7 Prozent.Diese Quote ist zudem seit Jahren leicht rückläufig. Vielerorts haben sich mittlerweile alternative Mitbestim-mungsformen etabliert. So beraten, respektive verhandeln inzwischen in mehr als 15 Prozent der Unternehmen der Industrie Geschäftsleitung und Beschäftigte gemeinsam am runden Tisch über wichtige Unternehmens- und personalpolitische Belange. Und in weiteren knapp zehn Prozent der Unternehmen haben sich die Beschäf-tigten für andere alternative Formen der Interessenvertretung abseits der Betriebsverfassung entschieden – et-wa Vertrauensperson oder Sprecher.

All diese Varianten der Mitbestim-mung haben den Vorteil, dass sie in der Regel vergleichsweise günstig sind. Die Kosten für die Wahl und Bestimmung der Interessenvertreter sowie die Mandatsausübung können deutlich unter denen liegen, die ein klassischer Betriebsrat verursacht.

Positive Erfahrungen

Geschäftsleitungen schätzen die Zu-sammenarbeit mit ihren Betriebs-räten größtenteils positiv ein. Auch bei betrieblichen Anpassungspro-zessen attestieren die Manager den Arbeitnehmervertretern eine konst-ruktive Rolle, so eine repräsentative Befragung der Universität Bochum. Auffällig: Beide Seiten scheinen umso besser miteinander zurecht zu kommen, je länger sie gemein-sam Erfahrungen sammeln konnten. Je kürzer die Betriebsratsgründung zurückliegt, desto kritischer fällt tendenziell die gegenseitige Ein-schätzung aus. In über 3.200 Betrieben der deut-schen Privatwirtschaft befragten die Forscher das Management, in 1.400 zusätzlich die Arbeitnehmervertreter. Die Geschäftsleitungen bewerten zu 72 Prozent die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat (oder der Mitarbei-tervertretung nach Kirchenrecht) als gut oder sehr gut. Auch aus Sicht der Betriebsräte funktioniert in der Regel die Kooperation mit der Geschäfts-führung – obwohl ihre Einschätzung etwas kritischer ausfällt: 67 Prozent gaben gut bis sehr gut an.Zudem existiert ein Unterschied zwischen Betrieben mit niedrigem und mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Wo nur wenige Beschäftigte Mitglied einer Gewerk-schaft sind, sehen nur 21 Prozent der Manager eine konstruktive Beteili-gung der Gewerkschaft. In Betrieben mit hohem Organisationsgrad sind es immerhin 35 Prozent.Die Bewertung der Zusammenarbeit mit gesetzlich nicht normierten For-men der Interessenvertretung wie runder Tisch, Sprecher oder Vertrau-ensperson fiel positiv aus: 90 Prozent der Manager beurteilen sie mit gut oder sehr gut.

Die aktive Gestaltungsrolle nimmt mit steigender Betriebsgröße zu: In Betrieben mit 10 bis 19 Beschäftigten bescheinigt das Management seinem Betriebsrat zu 64 Prozent eigene Vor-schläge, bei 500 und mehr Beschäftig-ten sind es 77 Prozent. Betriebsräte bestätigen im Großen und Ganzen die gute Kooperation.

Tarifbindung in Deutschland

Noch deutlicher als in den Organisa-tionsgraden wird die Bindungs- und Gestaltungskraft der Arbeitgeber-verbände und Gewerkschaften in Deutschland durch das Ausmaß der Tarifbindung. Dieses gibt Aufschluss darüber, für welchen Anteil der Be-triebe und Beschäftigten die Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag geregelt werden. Es spiegelt damit die praktische Rele-vanz tarifvertraglicher Regelungen wi-der, denen im deutschen Arbeitsrecht eine besondere Bedeutung – und ein Vorrang gegenüber Betriebsvereinba-rungen und Einzelarbeitsverträgen – eingeräumt wird.Bei der Analyse der Tarifbindung ist zu beachten, dass Tarifverträge direkt nur für die Tarifgebundenen gelten. Das sind auf der einen Seite die Ar-beitnehmer, die Mitglied der tarifver-tragschließenden Gewerkschaft sind, und auf der anderen die Arbeitgeber, die dem tarifschließenden Arbeitge-berverband angehören oder selbst ei-nen Firmentarifvertrag abgeschlossen haben. In der Praxis erhalten allerdings häufig auch nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer dadurch einen Anspruch auf tarifvertraglich vereinbarte Leistungen, dass in Ein-zelarbeitsverträgen darauf Bezug ge-nommen wird. Durch diese Gleich-behandlung gibt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern keinen (zusätz-lichen) Grund, in die Gewerkschaft einzutreten, um bestimmte Tarifleis-tungen zu erlangen. Deshalb kann man für praktische Zwecke davon ausgehen, dass die Tarifverträge sich (mit Ausnahme des mittleren und oberen Managements) auf alle Ar-beitnehmer in tarifgebundenen Be-trieben erstrecken.

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14 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

Mangels amtlicher Statistiken lassen sich Informationen über das Ausmaß und die Entwicklung der Tarifbindung in West- und Ostdeutschland nur durch Rückgriff auf die repräsentativen Daten gewinnen, die vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) im Rahmen seines Betriebspanels er-hoben werden. Die Auswertungen des IAB-Betriebspanels deuten darauf hin, dass hochgerechnet knapp 43 Prozent der westdeutschen, aber nur 21 Pro-zent der ostdeutschen Betriebe durch Verbands- oder Branchentarifverträge gebunden waren. Firmentarifverträge galten für knapp drei Prozent der Be-triebe in den alten und fünf Prozent der Betriebe in den neuen Bundeslän-dern. Der Rest, also über die Hälfte der westdeutschen und fast drei Viertel der ostdeutschen Betriebe, war nicht tarifgebunden. Allerdings gaben viele dieser nicht tarifgebundenen Betriebe an, sich in ihren Einzelarbeitsverträ-gen an bestehenden Branchentarifver-trägen zu orientieren. Dies ist in rund 43 Prozent der west- und ostdeutschen Betriebe ohne formale Tarifbindung der Fall. (Tab. 1)

Alternative firmentarife

Das Ausmaß der Tarifbindung ist auch von Bedeutung für die Allge-meinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen, die laut § 5 Abs. 1 Ta-rifvertragsgesetz (TVG) nur möglich ist, wenn die tarifgebundenen Mit-glieder eines Arbeitgeberverbandes mindestens 50 Prozent der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages

fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Ein größerer Geltungsbereich ergibt sich, wenn man die Tarifbindung statt auf die Betriebe auf die Beschäftig-ten bezieht. Hochgerechnet haben im Jahr 2003 rund 62 Prozent der westdeutschen und fast 43 Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmer in einem Betrieb gearbeitet, der einem Branchentarifvertrag unterliegt. Fir-mentarifverträge galten für fast acht Prozent der westdeutschen und gut elf Prozent der ostdeutschen Beschäf-tigten. Keinen Tarifvertrag gab es für rund 30 Prozent der westdeutschen und 46 Prozent der ostdeutschen Ar-beitnehmer. Dabei zeigte sich, dass die Wahr-scheinlichkeit einer Tarifbindung mit der Betriebsgröße steigt. Ferner sind Einzelunternehmen oder Per-sonengesellschaften, in denen die Person des Eigentümers eine grö-ßere Rolle spielt, signifikant seltener tarifgebunden, während Filialen oder Niederlassungen häufiger als ansons-ten vergleichbare Betriebe einer Ta-rifbindung unterliegen. Besonders auffällig ist, dass die Wahrscheinlich-keit einer Tarifbindung in West- und Ostdeutschland mit dem Alter eines Betriebes zunimmt – jüngere Betrie-be zeigen eine deutlich geringere Nei-gung, sich tarifvertraglich zu binden. Für die ganz jungen, in der Regel klei-nen und eigentümergeführten Betrie-be gibt es in ihrer Gründungsphase offensichtlich wenig Veranlassung, sich aktiv einem Arbeitgeberverband anzuschließen und betriebsfremden Normen zu unterwerfen. Zudem bleibt der organisationspolitische Sta-tus der Gründungsphase prägend für

dieses nachwachsende Segment der Betriebslandschaft. Bei einer Betrach-tung früherer Gründungskohorten ist für diese Betriebe kein Trend erkenn-bar, dass zu einem späteren Zeitpunkt verstärkt eine Branchentarifbindung eingegangen wird. Dies deutet darauf hin, dass die Tarifbindung der Betrie-be im Zeitablauf abnimmt und wird durch eine Längsschnittbetrachtung bestätigt.

Tarifbindung in Europa

Auch innerhalb Europas weist die Bedeutung von Tarifverträgen sehr große Unterschiede auf. Bei der Ta-rifbindung reicht die Spannbreite von annähernd 100 Prozent in Österreich bis hin zu deutlich unter 20 Prozent in den Staaten des Baltikums. In den meisten alten EU-Staaten Westeu-ropas besteht eine relativ hohe Ta-rifbindung zwischen 70 Prozent und 99 Prozent, während in der Mehrzahl der neuen EU-Staaten Osteuropas die Tarifbindung zum Teil deutlich unter 50 Prozent liegt. Im gesamt-europäischen Vergleich befindet sich Deutschland mit einer Tarifbindung von etwas über 60 Prozent im Mit-telfeld. Betrachtet man hingegen nur die Gruppe der alten EU-Staaten, so weist Deutschland mittlerweile einen der niedrigsten Werte auf, der nur noch von Luxemburg und Großbri-tannien unterboten wird.

beschäftigte (am 30.06.2003)

branchentarifvertrag firmentarifvertrag Kein Tarifvertrag (davon Orientierung der

Löhne an einem Tarifvertrag )

1 bis 9 10 bis 49 50 bis 199 200 bis 499 500 und mehr

37,4 55,1 62,4 70,8 80,0

16,9 31,2 47,3 57,2 70,8

2,1 3,2 8,4

10,5 11,3

3,9 6,9

14,5 19,9 19,8

60,5 (39,7) 41,7 (56,2) 29,2 (60,1) 18,7 (55,6) 8,7 (53,6)

79,1 (41,3) 61,9 (51,8)

38,2 (59,0) 22,9 (57,2) 9,4 (66,8)

betriebe gesamt 42,6 20,9 2,7 5,0 54,7 (42,9) 74,1 (43,3)

beschäftigte gesamt 62,1 42,6 7,6 11,4 30,3 (52,9) 46,0 (52,0)

Anteil der jeweils betroffenen Betriebe/Beschäftigten in Prozent Quelle: IAB-Panel

Tab. 1: Tarifbindung der betriebe und beschäftigten

www.iab.de

Internet-Tipp

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PERSONAL · Heft 02/2011 15

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 14.12.2010 entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice Agenturen (CGZP) keine Spitzenorganisation ist, die im eigenen Namen Tarifverträge abschließen kann. Nach Ansicht der obersten Erfurter Richter erfüllt die CGZP nicht die hierfür erforderli-chen tarifrechtlichen Voraussetzun-gen (Az. 1 ABR 19/10). Unter dem Dach der CGZP befinden sich zurzeit die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM), die Gewerkschaft Öffent-licher Dienst und Dienstleistungen (GÖD) und die Gewerkschaft DHV. Die Entscheidung des BAG dürfte die Zeitarbeitsbranche, insbesondere die christlichen Gewerkschaften und ihre Vertragspartner auf Arbeitgeberseite hart treffen. Die CGZP hat mit zahl-reichen Arbeitgebern und Arbeitge-berverbänden Tarifverträge über Zeit-arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Hintergrund ist, dass das Vergütungs-niveau der von der CGZP abgeschlos-senen Tarifverträge deutlich unterhalb des Vergütungsniveaus der Stamm-kräfte in den jeweiligen Entleiherbe-trieben liegt. Eine Vergütungsverein-barung für Leiharbeitnehmer ist nach § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungs-gesetz (AÜG) dann unwirksam, wenn sie für die Zeit der Überlassung an ei-nen Entleiher schlechtere Arbeitsbe-dingungen vorsieht als die im Betrieb des Entleihers geltenden, denn nach

dem Equal-Pay-Grundsatz müssen Leiharbeitnehmer und Stammkräfte gleich bezahlt werden. Der Equal-Pay-Grundsatz gilt nur dann nicht, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt und entweder normativ oder durch vertragliche Be-zugnahme im Arbeitsverhältnis gilt.

Historie des Konflikts

Die CGZP wurde im Dezember 2002 gegründet. Nach ihrer damaligen Sat-zung hatte sie die tariflichen Interes-sen ihrer Mitgliedsgewerkschaften zu vertreten und für deren Mitglieder Tarifverträge abzuschließen. Laut ihrer Anfang Dezember 2005 in Kraft getre-tenen Satzung vertritt sie „die tarifli-chen Interessen ihrer Mitgliedsgewerk-schaften als Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) und schließt für deren Mitglieder Tarif-verträge mit Arbeitgebern oder Arbeit-geberverbänden ab, die als Verleiher Dritten … Arbeitnehmer … gewerbs-mäßig zur Arbeitnehmerüberlassung überlassen“. Die Satzung sah ferner vor, dass die Mitgliedsgewerkschaften durch den Beitritt zur CGZP „ihre Tarifhoheit für die Zeitarbeitsbranche an die Tarifgemeinschaft abgetreten haben“. Darüber hinaus war geregelt, dass die einzelnen Gewerkschaften ohne Beschluss des Vorstands nicht eigenständig als Tarifpartner in der Zeitarbeitsbranche auftreten konnten. Nach einer Änderung der Satzung der CGZP im Oktober 2009 dürfen die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nunmehr selbst Tarifverträge im Be-reich der Zeitarbeit abschließen, müs-sen jedoch hierzu zuvor die Zustim-mung der CGZP einholen. Die Vereinte Dienstleistungsgewerk-schaft ver.di und das Land Berlin be-antragten vor Gericht die Feststellung,

dass die CGZP nicht tariffähig ist. Die CGZP sei weder als Spitzenorgani-sation noch als sonstige Vereinigung tariffähig. Ihr fehle es an der erfor-derlichen „sozialen Mächtigkeit“, al-so an der nötigen Durchsetzungskraft gegenüber der tariflichen Gegenseite. Die von ihr abgeschlossenen Tarifver-träge seien Gefälligkeitstarifverträge. In seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 hat das Bundesarbeitsgericht fest-gestellt, dass Tarifverträge auf Arbeit-nehmerseite nur von einer tariffähigen Gewerkschaft oder einem Zusammen-schluss solcher Gewerkschaften (Spit-zenorganisation) abgeschlossen werden können. Soll eine Spitzenorganisation selbst als Partei Tarifverträge abschlie-ßen, muss das gemäß § 2 Abs. 3 TVG zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehören. Dazu, so das BAG, müssen die sich zusammenschließenden Ge-werkschaften ihrerseits tariffähig sein und der Spitzenorganisation ihre Tarif-fähigkeit vollständig vermitteln. Dies sei nicht der Fall, wenn die Befugnis zum Abschluss von Tarifverträgen durch die Spitzenorganisation auf ei-nen Teil des Organisationsbereichs der Mitgliedsgewerkschaften beschränkt werde. Zudem dürfe der Organisations-bereich einer Spitzenorganisation nicht über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinausgehen. Nach Ansicht des BAG ist die CGZP keine Spitzenorganisation im Sinne des TVG, da sich ihre Mitgliedsgewerk-schaften nicht im Umfang ihrer Tariffä-higkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem gehe der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmer-

Stichwörter in diesem beitrag

■ Tariffähigkeit ■ Zeitarbeit ■ Equal Pay

Hendrik Bourguignon , Fach anwalt für Arbeitsrecht, Partner Kanzlei Schmalz Rechts-anwälte, Frankfurt

[email protected]

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass die CGZP – Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice Agenturen – nicht tariffähig ist, rechnet die Zeitarbeitsbranche mit Nachzahlungen von Löhnen und Sozialversicherungs abgaben.

Rechtsklarheit schaffen

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16 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

überlassung über den ihrer Mitglieds-gewerkschaften hinaus. Das BAG folgte damit den gerichtlichen Vorinstanzen.

Die folgen des bAG-Urteils

Nach dem Richterspruch stehen Lohn-nachzahlungen sowie Nachforderun-gen von Sozialversicherungsbeiträgen im Raum. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob die im Namen der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge tatsächlich unwirksam sind. Das BAG hat dies nicht entschieden. Vielmehr ging es allein um die Frage der Tarif-fähigkeit der CGZP als Spitzenorga-nisation. Andererseits kann eine nicht tariffähige Vereinigung keine wirksa-men Tarifverträge abschließen. Die Tariffähigkeit der tarifschließenden Arbeitnehmervereinigung ist Voraus-setzung für die Wirksamkeit des abge-schlossenen Tarifvertrags. Fehlt es an der Tariffähigkeit, ist der abgeschlosse-ne Tarifvertrag von Anfang an nichtig. Möglicherweise durfte die CGZP Ta-rifverträge zwar nicht als Spitzenorga-nisation, aber als Tarifgemeinschaft vereinbaren. Es bliebe dann möglich, dass die CGZP ihre Tarifverträge zwar nicht im eigenen Namen, wohl aber stillschweigend im Namen ihrer je-weiligen Mitgliedsgewerkschaften ab-schließen durfte. Diese Tarifverträge wären aber nur dann wirksam, wenn wiederum die Gewerkschaften dieser Tarifgemeinschaft jeweils tariffähig sind. Dies müsste zunächst einmal für jede Gewerkschaft gesondert festge-stellt werden. Ob daran der Umstand etwas ändert, dass seit 2010 parallel zur CGZP auch einige Einzelgewerk-schaften als Vertragspartei auftreten, ist zweifelhaft. Denn die aktuellen Tarifverträge dürften nur noch für die fachlichen Zuständigkeitsbereiche der betreffenden Einzelgewerkschaften gültig sein. Mehr Klarheit könnte ein beim Arbeitsgericht Berlin anhängiges und bislang ruhendes Verfahren brin-gen, in dem es um die Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft CGZP in bestimm-ten zurückliegenden Zeitabschnitten geht. Ein Termin wird voraussichtlich im Februar 2011 stattfinden.Geht man davon aus, dass die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge grundsätzlich unwirksam sind, könnten

betroffene Leiharbeitnehmer von ihren Zeitarbeitsunternehmen wohl Lohn-nachzahlungen in zum Teil beträchtli-cher Höhe verlangen. Denn Leiharbeit-nehmer, die nach dem CGZP-Tarif be-zahlt worden sind, haben im Vergleich zu den Stammkräften im Entleiherbe-trieb häufig einen erheblich geringeren Lohn erhalten. In diesem Fall stünden ihnen entsprechend des Equal-Pay-Grundsatzes Vergütungsansprüche in derselben Höhe wie den im Entleiher-betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zu. Für die Nachforderungen betrof-fener Leiharbeitnehmer würde die gesetzliche dreijährige Verjährungsfrist nach dem BGB gelten.Denkbar ist jedoch auch, dass die zwischen Verleihern und Leiharbeit-nehmern abgeschlossenen Arbeits-verträge Ausschlussfristen enthalten. Soweit diese nicht drei Monate un-terschreiten, genügen sie der AGB-Kontrolle. Allerdings beziehen sich viele Arbeitsverträge von Leiharbeit-nehmern vermutlich nach wie vor auf die CGZP-Tarifverträge und nicht auf die Verträge der CGZP-Einzelge-werkschaften, so dass möglicherwei-se keine wirksame Bezugnahme auf einen Zeitarbeitstarifvertrag vorliegt. Spannend dürfte in diesem Zusam-menhang sein, ob eine im Entleiher-betrieb geltende tarifvertragliche Aus-schlussfrist auf Ansprüche eines Leih-arbeitnehmers gegen seinen Arbeitge-ber, also den Verleiher, anzuwenden ist, wenn sich der Leiharbeitnehmer auf den Equal-Pay-Grundsatz stützt. Das BAG wird hierüber voraussicht-lich am 11. März 2011 entscheiden.Greifen der gesetzliche Lohnanspruch und das Equal-Pay-Prinzip rückwir-kend, stünde fest, dass sich die Beiträge zur Sozialversicherung am gesetzlichen Lohnanspruch und nicht an einem in der Vergangenheit in geringerer Hö-he gezahlten Entgelt bemessen. Der Beitragsanspruch richtet sich folglich nicht nach dem gezahlten, sondern mindestens nach dem geschuldeten Entgelt (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Die Sozialversicherungsträger könnten dann rückwirkend Ansprüche geltend machen, und zwar unabhängig davon, ob betroffene Leiharbeitnehmer ihrer-seits gegen die jeweiligen Zeitarbeits-unternehmen vorgehen oder nicht. Für offene Beitragsansprüche haften auch

die Kunden betroffener Zeitarbeitsun-ternehmen. Denn nach § 28 e Abs. 2 Satz 1 SGB IV haftet der Entleiher für den jeweiligen Überlassungszeitraum wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Die Entleiherunternehmen können die Verleiher zwar für Beiträge, die sie an andere Stellen abgeführt haben, in Haf-tung nehmen, tragen aber das Risiko, dass die Verleiher inzwischen zahlungs-unfähig geworden sind. Ansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalen-derjahres, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Geschätzt wird, dass die in Frage kom-menden Sozialversicherungsbeiträge für über zweihunderttausend Leihar-beitnehmer eine halbe Milliarde Euro pro Jahr betragen. Aufgrund der Ver-jährungsfrist dürften Beitragsnachfor-derungen für die Jahre 2003 bis 2005 ausscheiden. Auf Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag dürfte sich ein Arbeit-geber allerdings nicht berufen kön-nen, da es sich bei den Beiträgen um zwingende Arbeitnehmeransprüche handelt. Die Entscheidung des BAG könnte sich daher auch über die Zeit-arbeitsbranche hinaus auswirken. Es ist nicht zu erwarten, dass die Ver-leihunternehmen bis zur Entschei-dung des BAG vom 14. Dezember 2010 Vertrauensschutz in Anspruch nehmen können, da das Bundesar-beitsgericht für arbeitsrechtliche An-sprüche meist nur sehr zurückhaltend Vertrauensschutz gewährt. Solange die schriftliche Begründung der Ent-scheidung jedoch nicht vorliegt, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie die Frage der Rückwirkung die-ser Entscheidung im Hinblick auf die Zahlung von Sozialversicherungsbei-trägen zu beantworten ist. Rechtsklarheit darüber gibt es noch nicht, wie aus einer Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund anlässlich der BAG-Entscheidung hervorgeht. Aber es ist wohl damit zu rechnen, dass die ge-setzliche Rentenversicherung bei Hun-derten von Unternehmen der Branche Ansprüche auf die Nachzahlung von Sozialabgaben geltend machen wird. Zudem ist davon auszugehen, dass die Rentenversicherung umfangreiche Prüfungen bei den Zeitarbeitsunter-nehmen durchführen wird.

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PERSONAL · Heft 02/2011 17

Was haben der Allianz-Versicherungs-konzern, der Chemie-Riese BASF, der Lkw-Hersteller MAN und der Pkw-Hersteller Porsche gemeinsam? Sie alle und viele andere Gesellschaf-ten haben sich für die Rechtsform der Societas Europaea (SE) entschieden. Im Januar 2011 sind es genau 700 Un-ternehmen. Unter ihnen sind operati-ve Gesellschaften, die bereits vorher am Markt tätig waren und sich nun europäisch ausrichten wollen und rei-ne Vorratsgesellschaften. Auch die Motive mögen durchaus un-terschiedlich sein. Häufig ist mindes-tens ein beabsichtigter Nebeneffekt das Einfrieren der Mitbestimmung im Aufsichtsrat, also der Zahl der Aufsichtsratsmitglieder oder ihrer Reduzierung.Deutsche Unternehmen, die kurz vor der Überschreitung der 2.000-Arbeit-nehmer-Grenze stehen und damit künf-tig unter das Mitbestimmungsgesetz des Jahres 1976 fallen würden, können mit der Umwandlung nicht nur die bishe-rige Aufsichtsratsgröße, sondern unter Umständen auch die drittelparitätische Arbeitnehmerbeteiligung konservieren – obwohl nach bisher allein gültigem deutschen Recht die paritätische Mit-bestimmung einzuführen wäre.Das deutsche zwingende Mitbestim-mungsrecht kennt dabei auch keine Öffnungen für Abweichungen und verhindert so die Mitbestimmungs-flucht. Allerdings konserviert die deutsche Mitbestimmung auch einen Zustand, nach dem in europäischen und weltweit tätigen Unternehmen das Aufsichtsgremium auf Arbeit-

nehmerseite nur deutsche Vertreter kennt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der anderen (nicht deutschen) Standorte also unreprä-sentiert bleiben. Diese Achillesferse der deutschen Mitbestimmung führt zunehmend zu einem Legitimati-onsproblem. Praxisbeispiele für frei-willige Öffnungen von Gremien für ausländische Arbeitnehmervertreter sind ausgesprochen rar. So wurde bei DaimerChrysler ein Mandat an die amerikanische Automobil-Arbeiter-gewerkschaft UAW abgegeben und bei ThyssenKrupp Nirosta gehört dem deutschen Aufsichtsrat ein ita-lienischer Arbeitnehmervertreter an.

Maßgeschneiderte Lösungen

Die europäische SE-Richtlinie und die deutsche Gesetzgebung zu ihrer Umsetzung bieten nun die Möglich-keit, Strukturdefizite des deutschen Mitbestimmungsmodells aufzuhe-ben oder auszugleichen und darüber hinaus maßgeschneiderte Lösungen für Unternehmensleitung und Ar-beitnehmervertretung zu finden. Aus-gangspunkt für die Einführung der SE ist die EG-Verordnung 2157 aus dem Jahre 2001, die mit dem Gesetz zur Einführung der Europäischen Ge-sellschaft, das 2004 in Deutschland in Kraft trat, auf nationaler Ebene umge-setzt wurde.Grundsätzlich lässt die Europäische Aktiengesellschaft zwei Möglichkei-ten der Ausgestaltung ihrer Organe zu: Die traditionelle Teilung eines Leitungs- und eines Aufsichtsorgans, aber auch die aus dem angloameri-kansichen System bekannte monis-tische Struktur in einem Board als eingliedrigem Verwaltungsrat. Wie auch immer die Entscheidung fällt, es gilt die Regel, dass im künftigen Auf-sichtsrat so viele Arbeitnehmervertre-ter zu bestimmen sind, wie zuvor in der alten Struktur vertreten waren.

Zur Regelung der Arbeitnehmerbe-teiligung ist ein besonderes Verhand-lungsgremium zu bilden und zwar durch schriftliche Aufforderung durch die Leitung des Unternehmens in al-len EU-Mitgliedsstaaten, in denen das Unternehmen vertreten ist. Das deut-sche SE-Beteiligungsgesetz in Umset-zung der europäischen Vorschrift ver-langt dann, dass in sechsmonatigen Verhandlungen, die mit der Einladung zur konstituierenden Sitzung begin-nen, ein SE-Betriebsrat zu errichten ist und die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat geregelt wird. Die Verhandlungen können verlängert werden, maximal auf bis zu zwölf Monate. Wenn sie scheitern, greift eine gesetzliche Auffangregelung. Es findet also ein „bargaining in the sha-dow of law“ statt – ein Provisorium ga-rantiert bis Verhandlungsschluss oder statt Verhandlungsergebnis Mindest-standards. Unternehmensleitung und multinational zusammengesetztes Arbeitnehmergremium haben damit ausreichend Zeit, die Gegenstände der Unterrichtung und Anhörung festzu-legen und vor allem auch die Größe des Kontrollgremiums zu bestimmen.

Arbeitsweise des SE-betriebsrats

Ein wichtiger Verhandlungspunkt ist die Zahl der Mitglieder des SE-Betriebsrats und seine Arbeitsweise, insbesondere sein Sitzungsrhythmus. Die Größe des Gremiums kann hier getauscht werden gegen die Häufig-keit der Sitzungen. Die Rolle und Funktion des geschäftsführenden Ausschusses des SE-Betriebsrats wird

Stichwörter in diesem beitrag

■ Mitbestimmung ■ SE-Aufsichtsrat ■ Europäische Privatgesellschaft

Dr. Manfred Bobke -von Camen , Rechts-anwalt, schwegler Rechtsanwälte, Köln

bobke@ schwegler-rae.de

Verhandlungen der SE-Beteiligungsvereinbarung zeigen gesetzliche Unklarheiten und Lücken auf. Reformen und Nachbesserungen durch Gesetzgeber und Gerichte stehen an.

SE auf dem Vormarsch

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18 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

ebenso zu definieren sein wie seine technische Ausstattung und seine Handlungsmöglichkeiten.Die Eintragung der SE darf nur dann erfolgen, wenn dieses Beteiligungs-verfahren abgeschlossen ist. Das Re-gistergericht kann Eintragungshinder-nisse feststellen und die Eintragung versagen, wenn die Vereinbarung fehlerhaft ist. Manches muss – wie bei beinahe jedem neuen Gesetz – in der juristischen Praxis noch ausge-lotet werden. So beginnen deutsche Gerichte langsam, die Gesetzeslücken zu schließen. Das Landgericht Nürn-berg-Fürth etwa hat festgestellt, dass auch ein zehnköpfiger SE-Aufsichts-rat mit vier Arbeitnehmervertretern vereinbart werden kann, obwohl das deutsche Mitbestimmungsrecht bei

der Drittelparität auf die mögliche Teilung durch die Zahl 3 Wert legt.

Reformen vorgeschlagen

Die Rechtswissenschaft, speziell ein im „Arbeitskreis Aktien- und Kapital-marktrecht“ zusammengeschlossener Kreis von Professoren und Prakti-kern, hat eigene Reformvorschläge ausgearbeitet und da Nachbesserung gefordert, wo die gesetzliche Neure-gelung zu Unstimmigkeiten führt: So wird der Finger auf die Wunde der Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums gelegt. Hier verhandeln nämlich Arbeitnehmerver-treter mit einem Vorstand oder einer Geschäftsführung über die Zusam-

mensetzung eines Kontrollgremiums, das letztlich diesen Vorstand oder die-se Geschäftsführung kontrollieren soll. Zur Beseitigung dieses Defizits schla-gen die Reform-Autoren vor, die An-teilseigener oder ihre Beauftragten an dem Verfahren zu beteiligen (Frankfur-ter Allgemeine Zeitung, 8.12.2010,S. 21).Auch die Generaldirektion Binnen-markt der Europäischen Kommissi-on hat die ersten Praxiserfahrungen gesammelt und arbeitet nun an Re-formvorschlägen. Sie wird insbeson-dere die Frage beantworten müssen, was mit den zahlreichen Vorrats-SEs geschehen soll, in denen mangels vor-handener Arbeitnehmer noch nicht über die Arbeitnehmerrepräsentanz verhandelt werden konnte. Doch die Reformeuphorie wird ge-bremst durch den Verlust an Anzie-hungskraft für die neue Rechtsform der SE durch eine künftig zu schaffen-de kleine Schwester namens Societas Privata Europaea, also einer Europä-ische Privatgesellschaft. Sie soll eine Art GmbH für die europäische Ebene werden, auf die viele Mittelständler bereits heute hoffen, die neben ihrem Unternehmen am Firmensitz lediglich über kleine Servicetöchter im Ausland verfügen.

Ausblick

Wie auch immer die Diskussionen weitergehen, es ist schon jetzt festzu-stellen, dass Bewegung in die deutsche Mitbestimmungsdiskussion gekom-men ist. Die Vereinbarungsautonomie scheint auf dem Vormarsch zu sein.

1 1 2 2 3 3 4 4 5 69 10

1215

1820

2628

271

02 1 1

3 3 2

57

4

9

2 2

10

85

2829

158

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

PT DK ES PL HU LV EE LI NO SE BE IE CY AT LU FR UK SK NL DE CZ

registered SEs normal SEs (with employees and business activities)

Abb. 2: SE – established in 21 countries

0

100

200

300

400

500

600

700

800

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

SEs registeredNormal SEs registered

Abb. 1: Total number of registered SE

Quelle: etui, Brüssel

Quelle: etui, Brüssel

Transport3%Building &Woodwork

3%

Chemical12%

Food, Hotel,Catering

5%

Metal

16%

ServicesCommerce

11%

ServicesFinance

27%

Services IBITS

5%

Other services

8% Other 6% Unknown

3% Textile1%

Abb. 3: Sectors in which (normal) SEs have been set up

Quelle: etui, Brüssel (n=169)

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PERSONAL · Heft 02/2011 19

Seit Oktober 2004 können in der Europäischen Union (EU) Aktienge-sellschaften nach weitgehend einheit-lichen Rechtsgrundlagen gegründet werden. Eine solche Europäische Ge-sellschaft (SE) wird umgangssprach-lich auch als Europa AG bezeichnet. Rechtsgrundlage ist die EG-Verord-nung 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001. Der Geltungsbereich umfasst die Mitgliedstaaten der Eu-ropäischen Union sowie die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.Die SE bietet europäischen Unter-nehmen die Möglichkeit, EU-weit als rechtliche Einheit mit nationalen Nie-derlassungen oder Betriebsstätten auf-zutreten. Sie können ihre Geschäfte in einer Holding zusammenfassen und Tochtergesellschaften mit europaweit geltenden Normen gründen. Mit Stand September 2010 waren laut Hans-Böck-ler-Stiftung EU-weit insgesamt 658 SE registriert, davon 166 in Deutsch-land. Zu den ersten Unternehmen in Deutschland gehörten 2006 die MAN Diesel SE und die Allianz SE, Freseni-us und Porsche folgten 2007. Seit Okto-ber 2010 gehört Bilfinger Berger dazu.Ergänzt wird die SE-Verordnung

durch die Richtlinie 2001/86/EG zur Ergänzung des Statuts der Europäi-schen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer vom 8. Oktober 2001. Diese Richtlinie ent-faltet keine unmittelbare Rechtswir-kung, sie muss vielmehr von den EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland hat der Bundestag hierfür das Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SE-Einführungsgesetz) beschlossen; es ist am 29. Dezember 2004 in Kraft getreten und wurde am 30. Juli 2009 modifiziert. Den zweiten Teil dieses SE-Einführungsgesetzes bildet das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäi-schen Gesellschaft (SEBG).

Grundsätzliches und begriffsbestimmung

Das SEBG gliedert sich in fünf Teile: Allgemeine Vorschriften, Besonde-res Verhandlungsgremium, Beteili-gung der Arbeitnehmer in der SE, Grundsätze der Zusammenarbeit und Schutzbestimmungen, Straf- und Bußgeldvorschriften. Ziel des Gesetzes ist, in einer SE die erworbenen Rechte der Arbeitnehmer auf eine Beteiligung an Unterneh-mensentscheidungen zu sichern. Die Ausgestaltung dieser Beteiligungsrech-te orientiert sich daher an den beste-henden Beteiligungsrechten in den die SE gründenden Gesellschaften. Diese Beteiligungsrechte umfassen einerseits die betriebsverfassungsrechtlichen, an-dererseits die mitbestimmungsrecht-lichen Aspekte. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig auf den einen Teil der Arbeitnehmerbeteiligung, den SE-Betriebsrat, eingegangen. Die Mitbe-stimmung bleibt unbesprochen.Ein länderübergreifendes Gesetz-gebungswerk muss die zahlreichen länderspezifischen Regelungen be-rücksichtigen; unabdingbar ist aber

auch, dass die verwendeten Begriffe und deren Inhalte eindeutig sind. Die wesentlichen Begriffe sind im Gesetz wie folgt definiert und erläutert:• Der Begriff des Arbeitnehmers rich-tet sich nach den Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der jeweiligen Mitgliedstaaten.

• Beteiligte Gesellschaften sind die Ge-sellschaften, die unmittelbar an der Gründung einer SE beteiligt sind.

• Arbeitnehmervertretung bezeichnet die Vertretungen der Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz: Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat.

• SE-Betriebsrat bezeichnet das Vertre-tungsorgan der Arbeitnehmer der SE, das durch eine Vereinbarung nach § 21 dieses Gesetzes oder kraft Gesetz nach den §§ 22-33 eingesetzt wird.

• Beteiligung der Arbeitnehmer be-zeichnet die Verfahren, durch wel-che die Vertreter der Arbeitnehmer auf die Beschlussfassung in der Ge-sellschaft Einfluss nehmen können: Unterrichtung, Anhörung und Mit-bestimmung.

• Unterrichtung bedeutet Information über Angelegenheiten, welche die SE selbst, eine ihrer Tochtergesellschaf-ten oder einen ihrer Betriebe in einem anderen Mitgliedstaat betreffen oder über die Befugnisse der zuständigen Organe auf der Ebene des einzelnen Mitgliedstaates hinausgehen.

• Anhörung bezeichnet die Einrichtung eines Dialogs und eines Meinungsaus-tauschs zwischen dem SE-Betriebsrat und der Leitung der SE. Zeitpunkt, Form und Inhalt der Anhörung müs-sen so rechtzeitig erfolgen, dass eine Stellungnahme des Betriebsrats in einem Entscheidungsprozess noch berücksichtigt werden kann.

Stichwörter in diesem beitrag

■ Europäische Gesellschaft (SE) ■ SE-Betriebsräte ■ Unterrichtung ■ Anhörung

Prof. Dr. Kurt Femppel, Wirt-schaftswissen-schaftler, Honorar-professor, Univer-sität Hohenheim, Stuttgart

[email protected]

Prof. Dr. Ernst Zander, Wirt-schafts wis sen-schaftler, Ehren-herausgeber PERSONAL , Hamburg

personal-redaktion @fachverlag.de

In Europäischen Gesellschaften (SE) haben Betriebsräte Informations -, Anhörungs- und Beratungsrechte – eine Mitbestimmung wie im deutschen Betriebsverfassungsgesetz gibt es nicht.

Arbeitnehmer beteiligen

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20 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

• Mitbestimmung bedeutet die Ein-flussnahme der Arbeitnehmer auf die Angelegenheiten einer Gesell-schaft durch die Wahl, die Bestellung oder die Ablehnung von Aufsichts-rats- oder Verwaltungsorganen der Gesellschaft.

beteiligung der Arbeitnehmer durch Vereinbarung oder Gesetz

Voraussetzung für die Bildung eines SE-Betriebsrats ist der Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer in der jeweiligen SE. Vertragspartner hierbei sind einerseits die SE-Leitung, anderer-seits ein besonderes Verhandlungsgre-mium. Dessen Mitglieder werden nach bestimmten Schlüsseln in jedem Mit-gliedstaat der beteiligten Gesellschaften gewählt oder bestellt. Wählbar sind so-wohl Arbeitnehmer als auch Gewerk-schaftsvertreter. Frauen und Männer sollen entsprechend ihrem zahlenmä-ßigen Verhältnis gewählt werden.Die Mitglieder des besonderen Ver-handlungsgremiums werden von einem Wahlgremium in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Je nachdem, ob nur ein Unternehmen oder ob Unternehmensgruppen an der Gründung der SE beteiligt sind, besteht das Wahlgremium aus den Mitgliedern des Konzernbetriebsrats, des Gesamtbetriebsrats oder des ein-zelnen Betriebsrats.Ziel der Verhandlungen ist eine „Be-teiligung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung“ (§ 21 SEBG). Kommt keine Einigung zustande, gelten für die Bildung von SE-Betriebsräten die gesetzlichen Regelungen gemäß der §§ 22-33 des SEBG.Eine schriftliche Vereinbarung zwi-schen der Unternehmensleitung und dem besonderen Verhandlungsgremi-um muss die folgenden Punkte regeln:• den Geltungsbereich,• die Zusammensetzung des SE-Be-triebsrats, die Anzahl seiner Mitglie-der und die Sitzverteilung,

• die Befugnisse und das Verfahren zur Unterrichtung und Anhörung des SE-Betriebsrats,

• die Häufigkeit der Sitzungen des SE-Betriebsrats,

• die für den SE-Betriebsrat bereitzu-stellenden finanziellen und materi-ellen Mittel,

• den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung und ihre Laufzeit.

Kommt zwischen den Verhandlungs-partnern keine Einigung zustande, sind für die Bildung eines SE-Be-triebsrats die gesetzlichen Vorgaben maßgebend. Für die Praxis bedeut-sam sind hierbei folgende Punkte:• die SE-Betriebsräte werden für die Dauer von vier Jahren gewählt,

• der SE-Betriebsrat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden und des-sen Stellvertreter,

• der SE-Betriebsrat bildet einen ge-schäftsführenden Ausschuss, der drei Mitglieder umfasst und für die laufenden Geschäfte zuständig ist,

• der SE-Betriebsrat soll sich eine schriftliche Geschäftsordnung geben,

• die Sitzungen des SE-Betriebsrats sind nicht öffentlich und finden ohne Anwesenheit der SE-Leitung statt,

• der SE-Betriebsrat ist beschluss-fähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist und

• Beschlüsse werden mit der Mehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst.

Die Zuständigkeit des SE-Betriebs-rats erstreckt sich auf die Angelegen-heiten, die die SE selbst, eine ihrer Tochtergesellschaften oder einen ih-rer Betriebe in einem anderen Mit-gliedsstaat betreffen oder die über die Befugnisse der zuständigen Organe auf der Ebene des einzelnen Mit-gliedstaats hinausgehen. Die durch die Bildung und Tätigkeit des SE-Be-triebsrats und des geschäftsführenden Ausschusses entstehenden erforderli-chen Kosten trägt die SE.

Jährliche Unterrichtung und Anhörung

Der SE-Betriebsrat ist mindestens einmal im Kalenderjahr in einer gemeinsamen Sitzung mit der SE-Leitung über die Entwicklung der Geschäftslage und die Perspektiven unter rechtzeitiger Vorlage der erfor-derlichen Unterlagen zu unterrichten und anzuhören. Zu den erforderlichen Unterlagen gehören ins besondere• die Geschäftsberichte,• die Tagesordnung aller Sitzungen

des Leitungsorgans und des Auf-sichts- oder Verwaltungsorgans,

• die Kopien aller Unterlagen, die der Hauptversammlung der Aktionäre vorgelegt werden.

Zu der Entwicklung der Geschäftslage und zu den Perspektiven wiederum gehören • die Struktur der SE sowie die wirt-schaftliche und finanzielle Lage,

• die die voraussichtliche Entwicklung der Geschäfts-, Produktions- und Absatzlage,

• die Beschäftigungslage und ihre vo-raussichtliche Entwicklung,

• Investitionen (Investitionspro-gramm),

• Grundlegende Änderungen der Or-ganisation,

• die Einführung neuer Arbeits- und Fertigungsverfahren,

• die Verlegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Be-triebsteilen sowie Verlagerungen der Produktion,

• Zusammenschlüsse oder Spaltun-gen von Unternehmen oder Betrie-ben,

• die Einschränkung oder Stilllegung von Unternehmen, Betrieben oder wesentlichen Betriebsteilen,

• Massenentlassungen.Zusätzlich zur jährlichen Unterrich-tung hat die SE-Leitung im akuten Fall über Verlegungen, Stilllegungen und Massenentlassungen zu unter-richten, wenn sich daraus erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der Arbeitnehmer ergeben.

Ausblick

Das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft (SEBG) ist die logische Konsequenz aus der Verabschie-dung des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Gesellschaft (SE-Einführungsgesetz). Es ersetzt nicht die geltenden nationalen Mitbestim-mungsregelungen, sondern ergänzt sie. Eine echte Mitbestimmung im Sinne des Betriebsverfassungsgeset-zes ist im SEBG nicht zu finden. Im Vordergrund stehen vielmehr Infor-mations-, Anhörungs- und Beratungs-rechte – vergleichbar mit den §§ 106 und 111 des BetrVG.

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22 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

In der Europäischen Union sind nach Angaben des Europäischen Gewerk-schaftsinstituts (ETUI) 969 Europäi-sche Betriebsräte im Amt (Zahlen für Ende Oktober 2010). Sie verteilen sich auf verschiedene Branchen und Sek-toren. An der Spitze steht aber zwei-fellos die europäische Metallindustrie, gefolgt von der chemischen Industrie.Die Länderverteilung weist Deutsch-land einen Spitzenplatz zu, gefolgt von Großbritannien und Frankreich. Europäische Dependancen amerika-nischer Unternehmen erreichen in der Statistik das deutsche Niveau.

Vorreiter chemische Industrie

Allein in der chemischen Industrie sind europaweit über 200 Europäische Betriebsräte aktiv, darunter über 40 Unternehmen, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben. Die Sozialpart-ner der chemischen Industrie haben am 20.10. des vergangenen Jahres in gemeinsamen Empfehlungen Hin-weise für die konkrete Arbeit der Eu-ropäischen Betriebsräte und damit auch für die Marschrichtung künfti-ger Vereinbarungen oder die Überar-beitung bestehender Vereinbarungen gegeben.In der Sozialpartnervereinbarung be-grüßen Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und die Industrie-gewerkschaft Bergau, Chemie, Ener-gie (IG BCE) die Präzisierung der Informations- und Anhörungsrechte der europäischen Betriebsräte durch die neue Richtlinie der Europäischen

Kommission. BAVC und IG BCE sind sich einig darin, dass möglichst gleichzeitig mit den betroffenen na-tionalen Arbeitnehmervertretungen auch die Europäischen Betriebsräte unterrichtet werden. Die Sozialpart-ner streben in dem europäischen Gremium eine ausgewogene Zusam-mensetzung der Mitglieder an – nach Herkunftsländern, Tätigkeiten, Zuge-hörigkeit zu Arbeitnehmerkategorien und Geschlecht. Die Sozialpartner der chemischen Industrie befürworten ferner die Bil-dung von engeren Ausschüssen (dar-unter Lenkungsausschuss, Präsidium, Sekretariat) und wollen die Mitglieder von Europäischen Betriebsräten in die Lage versetzen, sich an den Kommu-nikationsprozessen im Europäischen Betriebsrat selbst und mit der Unter-nehmensleitung real zu beteiligen. Dafür wollen sie die notwendigen Voraussetzungen schaffen: Sie er-kennen die Schulungs- und Qualifi-zierungsnotwendigkeit an und wollen bei Umstrukturierungen Arbeitsweise und Strukturen der Europäischen Be-triebsräte überprüfen.Um die Entwicklung in den Berei-chen Europäische Betriebsräte oder Europäische Aktiengesellschaft und

Sozialer Dialog in Europa weiterzu-verfolgen, wird ein Sozialpartnergre-mium gebildet, dem je sechs Vertreter von BAVC und IG BCE angehören. Die Sozialpartner tragen gemeinsam eine Chemiestiftung Sozialpartner-akademie (CSSA), die Angebote für Schulungs- und Weiterbildungsmaß-nahmen entwickeln wird.

bundesregierung in Aktion

Damit sind die Sozialpartner der che-mischen Industrie den gesetzlichen Anforderungen einen Riesenschritt voraus. Denn die Bundesregierung will erst jetzt – wie noch kurz vor dem Jahreswechsel, am 15.12.2010, beschlossen – Änderungen des deut-schen Europäische Betriebsrätegeset-zes (EBRG) auf den Weg bringen. Die Frist läuft am 1.6.2011 aus. Da-nach müssen die rund 140 gemein-schaftsweit tätigen Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland einen Euro-

Stichwörter in diesem beitrag

■ Europäische Betriebsräte ■ Anhörungsrechte ■ Schulung

Das Europäische Betriebsräte-Gesetz muss bis zum 1. Juni 2011 in Deutschland umgesetzt werden.

Klarstellung per Gesetz

Dr. Manfred Bobke -von Camen , Rechts-anwalt, schwegler Rechtsanwälte, Köln

bobke@ schwegler-rae.de

EWC bodies currently active, by sector of activity

0 50 100 150 200 250 300 350 400

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Food, HORECA, AgricultureMetal

Services commerceServices finance

Graphical & PackagingIT & Services

Other servicesPublic services

TextileTransport

Other

Abb. 1: Verteilung nach branchen

Quelle: European Trade union Institute, EWC database, July 2010

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PERSONAL · Heft 02/2011 23

päischen Betriebsrat einrichten, weil sie mindestens 1.000 Arbeitnehmer in den Mitgliedsstaaten unter Vertrag haben, von denen mindestens 150 Arbeitnehmer in mindestens zwei unterschiedlichen Mitgliedsstaaten beschäftigt sind. Das Gesetz soll sicherstellen, dass die Unterrichtung der Arbeitneh-mervertreter aus der Übermittlung von Informationen durch die Un-ternehmensleitung besteht, die von den Mitgliedern des Europäischen Betriebsrates noch angemessen auf die möglichen Auswirkungen bewer-tet werden können. Eine Anhörung soll ein wirklicher Meinungsaustausch werden und die Einrichtung eines in-stitutionalisierten Dialogs zwischen Arbeitnehmervertretern der Unter-nehmensleitung beinhalten. Diese Präzisierung reflektiert die gelegent-liche Praxis, dass Unternehmenslei-tungen in einem Akt das Gremium informierten und gleichzeitig schon zur Umsetzung schritten. Information und Konsultation oder zu Deutsch Anhörung und Beratung sind nunmehr und für die Zukunft zwei getrennte Stadien eines Beteili-gungsprozesses. Dabei sind – wie von den Chemiesozialpartnern bereits empfohlen – Europäischer Betriebs-rat und nationale Interessenvertre-tung spätestens gleichzeitig zu un-terrichten und anzuhören. Deutsche Arbeitgeber lasen zum Teil das deut-

sche Betriebsverfassungsrecht so, dass sie sich verpflichtet sahen, deutsche Konzern- und Gesamtbetriebsräte exklusiv vorab zu informieren, um dann nur im regelmäßigen Sitzungs-rhythmus die europäische Interessen-vertretung einzubeziehen. Das neue Gesetz soll ferner klarstellen, dass bei einer Änderung der Struktur des gemeinschaftsweit tätigen Unterneh-mens die Zusammensetzung des Eu-ro-Betriebsrates angepasst wird oder ein neuer Europäischer Betriebsrat installiert wird.

Schulung zahlt Arbeitgeber

Keine Sensation für deutsche Arbeit-nehmervertreter, aber eine Klarstel-lung für ihre europäischen Kollegen sind die Bestimmungen über das Teilnahmerecht an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen auf Kosten des Arbeitgebers sowie die Regelun-gen zur Kostenübernahme für Sach-aufwendungen und Sachverständi-genhonorare.

Ausblick

Insgesamt enthält die gesetzliche Neuregelung wenig Überraschendes: Allerdings sind die Klarstellungen für die betriebliche Praxis von direkter Bedeutung.

EWC bodies currently active, by country of headquarters

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Abb. 2: Verteilung nach Ländern

Quelle: European Trade union Institute, EWC database, July 2010

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24 PERSONAL · Heft 02/2011

SchwErpunkt: tarifpolitik im BEtriEB

LEHRSTUHLPorträt

Genau vor einem Jahr – am 1. Fe-bruar 2010 – hat Professorin Maike Andresen in Bamberg den Lehr-stuhl für Personalmanagement über-nommen und verstärkt seitdem das Hochschullehrerteam innerhalb der Betriebswirtschaftslehre. Der richtige Zeitpunkt für einen ersten Blick zu-rück – und einen zweiten nach vorn.Maike Andresen wurde 1971 in Düs-seldorf geboren, wuchs jedoch in Deutschlands Norden und vor allem bi-national auf: Ihre dänischen und deutschen Wurzeln pflegt Andresen bis heute, auch im Beruf, wo sie mit

der Copenhagen Business School und fünf anderen internationalen Partnern das Master Programme in European Human Resource Management (EHRM) vorantreibt. EHRM begleitet Andresen schon seit 1999. Damals nahm die Promotions-studentin am Programm teil, heute leitet die 39-Jährige die anspruchs-volle dreimonatige, praxisorientierte Ausbildung für europäisches Per-sonalmanagement. „Mich hat das damals fachlich und persönlich sehr geprägt“, erinnert sich die Hochschul-lehrerin. Und: „Es war eine wahnsin-nig tolle Erfahrung.“Für EHRM können sich Studierende nach einem ersten akademischen Ab-schluss und junge Berufstätige bewer-ben. An drei Hochschulen – 2011 im belgischen Gent, in Rom und Lyon – geht es um Rahmenbedingungen und Strategien internationaler Personalar-beit. Parallel rundet ein Projekt in ei-nem multinationalen Unternehmen die Ausbildung ab. „Spannend sind die unterschiedlichen Unterrichts-stile und Herangehensweisen“, sagt Andresen. „Dänische Dozenten sagen schon mal einfach gar nichts, wenn sie eine Klasse unterrichten, bei den Franzosen geht es frontaler zu und Deutsche sind in diesem Spektrum dazwischen.“Zwar arbeitet Maike Andresen nicht für Geld sondern für ihre Überzeu-gung bei EHRM mit, doch ist es auch ihr Forscherdrang, der die Wissen-schaftlerin zu diesem Engagement on top verleitet: „Es entwickeln sich enge Kontakte zu den Kollegen, die man regelmäßig trifft, und daraus ergeben sich gemeinsame Fragestellungen und interessante internationale Projekte.“

Internationalität ist in Andresens Berufs- und Wissenschaftsbiografie neben Interdisziplinarität das Haupt-stichwort. „Internationale Themen, die sind meine Leidenschaft“, sagt Andresen.Nach dem Abitur und einer Aus-bildung zur Bankkauffrau studierte die Deutsch-Dänin an der Univer-sität Hamburg Betriebswirtschafts-lehre, Romanistik und Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Als Erasmus-Stipendiatin ging sie nach Bordeaux und studierte Internationales Ma-nagement und Finanzwesen an der Université Montesquieu IV, bevor sie in Deutschland ihren Abschluss zur Diplom-Handelslehrerin machte.

Studiengang entwickelt

2003 promovierte Andresen an der Universität der Bundeswehr Ham-burg – heute Helmut-Schmidt-Uni-versität – im Fach Betriebswirtschafts-lehre mit der Monografie „Corporate Universities als Instrument des stra-tegischen Managements“. Und schon fünf Jahre später folgte die Habilita-tionsschrift mit dem Titel „Das (Un-)Glück der Arbeitszeitfreiheit. Eine ökonomisch-psychologische Analyse und Bewertung“.Während ihrer akademischen Aus-bildung arbeitete Maike Andresen, deren Tag deutlich über 24 Stunden zu haben scheint, nacheinander als wissenschaftliche Hilfskraft bei den Psychologen, als Mitarbeiterin und Assistentin bei den Personalwirt-schaftlern. Sie übernahm außerdem Lehrverpflichtungen an privaten In-stituten wie der Europäischen Fern-

Mitarbeiter: 6 DoktorandenStudierende: 750 (Bachelor), 200 (Master/Diplom)Diplomarbeiten: 10 (2010)bachelor-Arbeiten: 20 (2010)Master-Arbeiten: 5 (2010)Abschlussarbeitsthemen (Auswahl): Analyse der Auswirkungen von Per-sonalfreisetzung auf das Wissens-management; Arbeitskräftepotenzial ausländischer Hochschulabsolven-ten in Deutschland; Ageing Careers – Ansätze eines altersspezifischen Karrieremanagements; Crowdsour-cing; Repatriierung selbst-initiiert Auslandstätiger

Kontakt:Univ.-Prof. Dr. Maike AndresenLehrstuhl für betriebswirtschafts-lehre, insb. PersonalmanagementOtto-friedrich-Universität bambergKirschäckerstraße 3996045 bambergTel. 0951/863-2570fax 0951/[email protected]/bwl-pm

Der Lehrstuhl in Zahlen

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PERSONAL · Heft 02/2011 25

hochschule Hamburg, der Hamburg School of Business Administration sowie der Copenhagen Business School. Ab 2008 war Professorin Andre-sen Privatdozentin an der Helmut-Schmidt-Universität sowie Studien-leiterin des von ihr entwickelten, sehr erfolgreichen Studiengangs Betriebs-wirtschaft & Wirtschaftspsychologie an der Europäischen Fernhochschule, übernahm 2009 in Bamberg die Ver-tretung im Fach Personalmanagement – und blieb dort, als sie auf den Lehr-stuhl der Betriebswirte berufen wur-de. Nun lebt die 39-Jährige mit ihrer Familie, zu der zwei Töchter (ein und fünf Jahre jung) und der Ehemann gehören, der Leitender Angestellter in einer Großbank – und momentan in Elternzeit ist. Wenn die Forscherin also über Diversity und die Vereinbar-keit von Beruf und Familie schreibt oder lehrt, hat sie die in Deutschland lebendige Praxis daheim.

Selbstständig lernen

Die Eingewöhnung in Bamberg fiel der umtriebigen, neugierigen, flexi-blen Hochschullehrerin nicht schwer, zumal es an der Universität eine gro-ße Offenheit für interdisziplinäre Pro-jekte gibt. Gerade haben Professoren von vier Lehrstühlen einen gemeinsa-men Studienschwerpunkt entwickelt, in dem neben den Einzelveranstal-tungen auch ein gemeinschaftliches Seminar integriert ist. Neben einer Verknüpfung des Wissens aus den vier Fächern wird der Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis über Case Studies und kleine empirische Forschungprojekte der Studierenden sichergestellt. Damit die Betriebswirte lernen können, ob sie als Personaler oder Berater, als Führungskraft oder Forscher arbeiten wollen.Bis zu diesem Abschlussseminar kön-nen Studierende der Fächer Betriebs-wirtschaftslehre, Europäische Wirt-schaft, European Economic Studies, Soziologie, Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspädagogik ihr Wissen rund

ums Personalmanagement bei Hoch-schullehrerin Maike Andresen und ihren Mitarbeitern perfektionieren. Dabei setzt die Lehrstuhlinhaberin auf selbstständiges Lernen, denn „nur selbst organisiertes Lernen baut Wissen auf“.Praktisch bedeutet dies, dass Studie-rende in kleineren Gruppen die Um-kehrung von Unterricht erleben: Sie müssen die Seminarthemen eigen-ständig vorbereiten und strukturie-ren, sich die Infos beim Lehrpersonal abholen und erhalten währenddessen intensives Coaching. Wenngleich das Konzept im ersten Semester des Ba-chelors an seine Grenzen stößt, wenn Professorin Andresen in einer Groß-veranstaltung mit rund 600 Studieren-den ins Personalmanagement einführt, gehören auch hier Diskussionspausen zum Programm. Miteinander sollen die Studierenden mit ihren Sitznach-

barn Personalfragestellungen diskutie-ren, wonach die Dozentin mit einem Mikrofon durch die Reihen geht und Statements einsammelt. Organisatio-nal Behaviour, Diversity Management, Leadership, Personalenwicklungs- und Veränderungsprozesse stehen auf dem Lehrplan, später, auf dem Weg zum Master Internationales und Strategi-sches Personalmanagement, Personal-management und -controlling, Fragen um die Zukunft der Arbeit sowie ein Forschungsseminar. Die Themen in Lehre und Forschung sind anwen-dungsorientiert: „Ich forsche empi-risch, international und interdiszipli-när“, betont sie – und schafft es so, ihre Erfahrungen in Unternehmen wie der Deutschen Bank mit denen, die sie bei Lehraufträgen im In- und Ausland und bei Visiten in angrenzenden Fächern machte, zu koppeln.

Ruth Lemmer

LEHRSTUHLPorträt

Sie beschränken sich bei Ihren Dok-toranden nicht auf betriebswirt-schaftler. Was bringt das?Die Doktoranden sind eine bunte Truppe aus der Psychologie, Soziologie, BWL, Kulturanthropologie und Pädagogik. Der Austausch wird daher viel spannender, weil die Sichtweisen und Herange-hensweisen sich unterscheiden. Zum Beispiel beim Thema „selbst-initiierte Auslandstätigkeit“ ist der ökonomische Aspekt nicht vom psychologischen und soziologischen zu trennen, wenn man erklären will, warum die einen fort blei-ben und die anderen zurückkehren. Alle Doktoranden arbeiten übrigens an in-ternationalen Themen. Darauf habe ich zwar nicht bestanden, die Studierenden aber in Gesprächen durch das Aufzeigen von Forschungslücken geleitet.

flexibles Arbeiten ist ein Thema, das bei Diversity aufscheint wie bei Le-

benslaufanalysen. Haben deutsche Unternehmen und Hochschulen da Nachholbedarf?In der Praxis sind viele Ansätze zur Fle-xibilisierung des Arbeitens erfolgreich umgesetzt worden. Es wird in der Zu-kunft darum gehen, diese für Arbeitge-ber und Arbeitnehmer gewinnbringen-den und notwendigen Möglichkeiten in einer größeren Zahl von Unternehmen zu verankern und stärkere Akzeptanz zu schaffen. Gerade im Führungsbe-reich kann hier noch sehr vieles bewegt werden.

Welche Themen werden Sie in den nächsten zehn Jahren wissenschaft-lich bearbeiten? Ich werde bei dem Portfolio bleiben, aber immer neue Perspektiven finden. Schwerpunkte betreffen die Personal- und Organisationsentwicklung ein-schließlich internationaler Karrieren, Diversity Management und Flexibili-sierung der Arbeit, die ich aus stra-tegischer und internationaler Sicht untersuche. Meine empirische Arbeit erfordert die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen. Diese profitieren im-mer auch jeweils von den Forschungs-ergebnissen.

für Prof. Dr. Maike Andresen sind In-ternationalität und Interdisziplinarität in forschung und Lehre mehr als Schlagworte.

PERSONALKurzinterview

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26 PERSONAL · Heft 02/2011

Qualifizierungskosten müssen als strategische Investitionen behandelt werden, denn Kompetenzentwick-lung wird für Unternehmen auf dem globalen Markt zukünftig ein ent-scheidender Wettbewerbsfaktor. Ent-

sprechend wächst die Bedeutung von Qualifizierungsprozessen und Ansät-zen zu deren Erfolgsmonitoring und -steuerung. Aktuelle Studien zeigen denn auch, dass Unternehmen dem Thema Qualifizierungscontrolling ei-ne zunehmende Relevanz beimessen. Ehrlicherweise sei gesagt: Der Hype um das Thema ist nicht wirklich neu, sondern wird vielmehr nun schon seit der Publikation von Phillips’ Ansatz zur Ermittlung des Return on Investments (ROI) von Trainingsmaßnahmen, also seit fast einem halben Jahrhundert, immer wieder neu belebt. Im Kontrast dazu zeigen die gleichen Studien, dass der tatsächliche Einsatz von Qualifizie-rungscontrolling über die vergangenen Jahre unverändert niedrig geblieben ist.

Relevanz versus Umsetzungsrealität

Wie kommt es zu dieser offen-sichtlichen Diskrepanz zwischen wahrgenommener Relevanz und

Umsetzungsrealität? Die Diskre-panz spiegelt aus unserer Sicht den mühsamen Weg zwischen der alten und neuen Welt des Personalma-nagements insgesamt wider: Vom Verwaltungsapparat hin zum Busi-ness Partner, der das Geschäft und den entsprechenden Bedarf kennt und dieses durch wertschöpfende Prozesse unterstützt.In der betrieblichen Praxis wird Qua-lifizierungscontrolling zum Nachweis des Wertschöpfungsbeitrags von Qua-lifizierung heute nur sehr punktuell und mit hohem Aufwand betrieben, etwa in der klassischen Diplomarbeit, in der mit Hilfe eines ambitionierten Diplomanden für eine Einzelmaßnah-me mit Experimentalgruppendesign der ROI nach Phillips eruiert wird. Trotz des hohen Aufwands erfahren

Stichwörter in diesem beitrag

■ Qualifizierungskosten ■ Kompetenzentwicklung ■ Wertschätzung

Dr. Charlotte Haimerl , HR Management Consultant, Kienbaum Ma-nagement Consul-tants, Berlin (bis 31.12.2010)

[email protected]

Daniela Sommer, Leitung BSH Aca-demy Corporate, BSH Bosch und Siemens Haus-geräte GmbH, München

[email protected]

pErSonalmanagEmEnt

Bei der BSH Academy Corporate befindet sich ein integriertes Qualifizierungscontrolling in der Implementierung. Damit wollen die L&D Verantwortlichen die Wertschätzung von Qualifizierung im Unternehmen jenseits punktueller ROI-Analysen steigern.

Leistung steuern

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PERSONAL · Heft 02/2011 27

Qualifizierungsverantwortliche gegen Ende solcher Initiativen in der Regel dann auch noch Ernüchterung bezüg-lich der Überzeugungskraft derartiger ROI-Berechnungen. Aufgrund der Fragwürdigkeit der Formeln sowie dem Stichprobencharakter statt ganz-heitlicher Aussagefähigkeit erzielen die Wirksamkeitsargumente selten Akzeptanz bei avisierten Stakehol-dern wie dem Top Management oder den Controlling-Verantwortlichen. Entsprechend bleiben der Wert der analysierten Qualifizierungsprogram-me oft weiterhin in Frage gestellt und die Erfolgsmonitoringaktivitäten in einem Projektstatus, ohne in ein ganzheitliches System überführt zu werden.

Wertschätzung als Grundprinzip

Nichtsdestotrotz müssen Unterneh-men vor allem im Hinblick auf zen-trale und viel benannte Qualifizie-rungsherausforderungen – resultie-rend aus dem demografischen Wan-del, dem Führungs- und Fachkräfte-mangel und dem daraus folgenden Wettbewerb um Talente sowie der Bildungslücke bei Berufsanfängern – eine gangbare Lösung finden, die die Wertschätzung von Qualifizie-rung im Unternehmen kontinuierlich sichert. Dazu braucht es einen An-satz, der Qualifizierungscontrolling als Einflussgröße in die Steuerung der Unternehmensführung und der Personalentwicklung nachvollziehbar macht und gleichzeitig die operati-onale Effektivität und Effizienz von Qualifizierungsaktivitäten aufzeigt. Anders formuliert muss sich erfolg-reiches Qualifizierungscontrolling 1:1 aus der Unternehmensstrategie ableiten und sich in den Gesamt-kontext der Personalarbeit und ih-rer Instrumente integrieren. Nur so kann die Wertschätzung von Quali-fizierungsaktivitäten – im doppelten Sinne – realisiert werden. Als Grund-struktur bietet sich dazu der klassi-sche Balanced Scorecard-Ansatz an, mit dessen Hilfe eine Qualification Scorecard über die Unternehmens-strategie und die entsprechende Per-sonalstrategie abgeleitet wird.

Qualification Scorecard

Die Balanced Scorecard ist ein struk-turiertes Kenn zahlensystem zur Um-setzung der Unternehmensstrategie und daher als Steuerungsinstrument für die Unternehmensführung zu verstehen. Mit der Balanced Score-card werden traditionelle finanzielle Kennzahlen durch eine Kunden-, eine Prozess- und eine Mitarbeiterperspek-tive ergänzt und deren Wirkzusam-menhang beschrieben. Gängigerweise werden dabei Mitarbeiterkompeten-zen als Grundlage für effiziente Pro-zesse gesehen, die wiederum zu ho-her Kundenzufriedenheit führen und damit letztendlich den finanziellen Erfolg entsprechend der Unterneh-mensstrategie bestimmen. (Abb. 1) Mit der Balanced Scorecard sollen alle entscheidungsrelevanten Kenngrößen möglichst kompakt dargestellt werden, um so die richtigen Entscheidungen zur Erreichung der strategischen Ziele ableitbar zu machen. Dabei werden neben den Zusammenhängen zwi-schen den Sichtweisen auch die Zu-sammenhänge zwischen den Kenn-zahlen ermittelt und bei der Planung sowohl die Ist-Ermittlung als auch die Zielwerte für die Kenngröße festge-legt. Auf Basis der Unternehmensstra-tegie und der entsprechenden Business Scorecard können im nächsten Schritt die Personalstrategie und die entspre-chende Workforce Scorecard abgeleitet werden, die wiederum die Grundlage zur Ableitung einer Qualifizierungs-strategie und einer entsprechenden Qualification Scorecard bietet.

Sowohl die einzelnen Scorecard Di-mensionen, als auch die unterliegen-den Scorecard Kennzahlen sind für jedes Unternehmen individuell zu de-finieren. Dabei sind bei der Auswahl der Kennzahlen generell drei zentrale Kriterien zu beachten: • die Steuerungsrelevanz• die Akzeptanz• die Messbarkeit. Anders formuliert gilt es zu überle-gen, welche Steuerungsmaßnahmen aus den Ergebnissen abgeleitet wer-den können, welche Stakeholder von den Ergebnissen betroffen sind, wie genau die Messgröße erhoben wird und wie viel Aufwand deren kontinu-ierliche Erhebung bedeutet.

beispiel bSH bosch und Siemens Hausgeräte GmbH

Die BSH Academy Corporate ist die strategische Qualifizierungseinheit der BSH Bosch und Siemens Haus-geräte GmbH (BSH) in München. Bereits vor zehn Jahren entschied sich das Unternehmen, das im Jahr 2009 mit rund 40.000 Mitarbeitern weltweit 8,4 Milliarden Euro Umsatz erzielte, das Thema „Qualifizieren und Ler-nen“ zu institutionalisieren. Die Arbeit der BSH Academy Cor-porate richtet sich grundsätzlich nach dem im Unternehmen ermittelten Bedarf. Zielgruppenspezifische Qua-lifizierungsmaßnahmen folgen so der Konzernstrategie. Einen wesentlichen Beitrag zum Geschäftserfolg zu leis-ten, ist das Ziel der Qualifizierungsar-

ErfolgKunden

ErfolgFinanzen

ErfolgProzesse

ErfolgWorkforce

Struktur Workforce

Leistungs- &Führungs-

kultur

Business Scorecard

Qualification Scorecard

Workforce Scorecard

Unternehmensstrategie

Personalstrategie

Funktionalstrategie Qualifizie-rungs-

prozesse

Qualifizie-rungsinhalte

Qualifizie-rungskosten

und -volumina

Skills & Kompetenzen

Workforce

Workforce- und Qualification-Scorecardhaben eine gemein-same Dimension

Business- und Workforce-Scorecard haben eine gemeinsame Dimension

Abb. 1: Scorecard Ansatz zur Ableitung eines integrierten Qualifizierungscontrollings

Quelle: Kienbaum

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28 PERSONAL · Heft 02/2011

beit der BSH Academy Corporate. Die zentralen Aufgaben der BSH Academy Corporate ergeben sich aus dem klassi-schen Qualifizierungsprozess. (Abb. 2): • den Qualifizierungsbedarf ermitteln• diverse Qualifizierungsmaßnahmen konzipieren

• die Qualifizierungsmaßnahmen organisieren und durchführen

• die Qualifizierungsmaßnahmen eva-luieren

So wurden beispielsweise im Jahr 2009 über strategische Bedarfserhe-bungsgespräche mit wesentlichen Stakeholdern die Anforderungen an ein Qualifizierungsprogramm für Führungskräfte eruiert. Anschlie-ßend erhielt ein Projektteam unter der Leitung der BSH Academy Cor-porate den Auftrag ein Grobkonzept zu entwerfen, einen externen stra-tegischen Partner für die Durchfüh-rung auszuwählen, das Feinkonzept zu erarbeiten, Pilotierung und Im-plementierung vorzubereiten und zu steuern. Nach Projektende wurde das Programm durch die BSH Aca-demy Corporate weltweit ausgerollt. Die BSH Academy Corporate orga-nisiert zum einen die administrative Abwicklung des Programms und die

Beratung der Teilnehmer, zum ande-ren werden die Rückmeldungen von Trainern, Teilnehmern und weiteren Stakeholdern, welche zum Teil über ein Online Tool, zum Teil durch Ge-spräche erfasst werden, evaluiert. Die Ergebnisse sind die Basis für eine kontinuierliche inhaltliche wie konzeptionelle Weiterentwicklung des Programms sowie ein Beitrag zur Wirksamkeitsverifizierung der BSH Academy Programme allgemein. Um diese Wirksamkeit verifizieren zu können, bedarf es der Steuerung der Academy Performance mittels weiterer geeigneter Kennzahlen. So werden zentrale Key Performance Indikatoren (KPIs) aus der Unter-nehmens- und Personalstrategie abgeleitet und nach den oben ange-führten Kriterien Steuerungsrelevanz, Messbarkeit und Akzeptanz durch die Stakeholder bewertet. Ergebnis soll eine Qualification Scorecard sein, in der die klassischen Scorecard Perspek-tiven in vier qualifizierungsspezifische Perspektiven überführt werden: ope-rationale Effizienz, Deckungsgrad des individuellen Bedarfs, Deckungsgrad Businessbedarf sowie Menge und Kosten. Pro Dimension enthält das Modell maximal vier KPIs. (Abb. 2)Jede Kennzahl wird eindeutig definiert, relevante Datenquellen sind identi-fiziert, die Erhebungsfrequenz und deren Verantwortliche werden spezi-fiziert. Zudem sind für jede Kennzahl Zielwerte sowie ein entsprechendes Ampelsystem mit Abweichungsberei-chen festgelegt. Der Abgleich von Ist-

werten gegen die definierten Zielwerte ermöglicht es, Handlungsfelder und de-ren Dringlichkeit deutlich aufzuzeigen. Die Scorecard soll zukünftig sowohl der Academy-Leitung als Steuerungs-instrumentarium dienen, als auch die Performance der Academy gegenüber den wesentlichen Stakeholdern trans-parent machen. Als Datenquellen werden weitestgehend bestehende Management-Instrumente wie die jähr-lichen Mitarbeitergespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sowie System daten aus SAP genutzt. Die Messung der Kennzahlen erfolgt bereits heute teilweise systemgestützt über ein Learning Management Sys-tem. Hier besteht allerdings noch Handlungsbedarf hinsichtlich der funktionalen Erweiterung, um den Erhebungsprozess weiter zu verein-fachen. Die Zukunftsvision ist eine online verfügbare und rollenbasiert angepasste Qualification Scorecard zur effizienten und effektiven Quali-fizierungssteuerung.

Ausblick

Mit der dargestellten Neuausrich-tung des Qualifizierungscontrollings unterstützt die BSH Academy Cor-porate die strategische Zukunftsori-entierung der eigenen Leistungser-bringung und stellt damit sicher, dass BSH-Mitarbeiter nicht nur heute, sondern auch morgen über die für ihre Arbeit notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen. Damit trägt die BSH Academy Corporate wesentlich zur Leistungssteuerung des Unternehmens sowie zur Poten-zialsteuerung bei und schafft so ein nachhaltiges Qualifizierungsmanage-ment, das nicht nur transparent in sei-nen Kosten, sondern auch in seinem Wertbeitrag ist – und entsprechend auch von allen Stakeholdergruppen wertgeschätzt wird.

Jack J. Phillips/Frank C. Schir-mer: Return on Investment in der Personalentwicklung. Der 5­Stu­fen­Evaluationsprozess. Springer Verlag, Heidelberg 2008, ISBN 9783540794295, 49,95 Euro

Lese-Tipp

BIBB Report 13/2009: Bildungs-controlling – Vor allem in Groß-betrieben ein Themawww.bibb.de/dokumente/pdf/ a12_bibbreport_2009_13.pdf

Internet-Tipp

pErSonalmanagEmEnt

Menge +Kosten

DeckungsgradBedarfeBusiness

DeckungsgradBedarfeMitarbeiter

OperationaleEffizienz

Wettbewerbsvorteil durchQualifizierung

Effiziente L&DProzesse

Steuerungsfähigkeitder Qualifizierung

Gesteigerte Qualität derQualifizierungsangebote

Beurteilung AcademyPortfolio Bedeutung

vs. Performance

Perspektiven

% % %

%

% %

€ Z%%

% %

Anteil umgesetzterQuali.-Maßnahmen bez.

auf alle gebuchten Quali.-Maßnahmen

Anteil Quali.-TageFührungskräfte an

Gesamtquali.-Tagen

Anteil Quali.-Kosten anGesamtkosten

Konzern

Anteil Quali.-KostenAcademy an Gesamt-

quali.-Kosten

Summe Quali.-Kostenpro Mitarbeiter

(indirekte weltweit)

Teilnehmertage

AuslastungsquoteTrainingsmanagement

Anteil Lernzeit onlinean Gesamtlernzeit

Mitarbeiter-Zufriedenheit mit Qualifizierungs-

angeboten

Anteil Teilnahme mit Lern-zielerreichung relativ

zu Gesamtteilnahmen

Anteil durchgeführter Quali.-Maßnahmen mit klarem Strategie-bezug vs. alle Quali.-Maßnahmen

Anteil Quali.-TageTalents an

Gesamtquali.-Tagen

Abb. 2: Aktueller Status Qualification Scorecard der bSH Academy

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PERSONAL · Heft 02/2011 29

Einst waren es die Gehaltsabrech-nungen und die Urlaubsanträge, die den Alltag des Personalmanagers be-stimmten. Ein Anachronismus aus vergangenen Tagen, denn administ-rative Aufgaben übernehmen heute oft HR Shared Service Center (SCC), die als gesonderte Einheiten wieder-kehrende Human Resource-Prozesse (HR-Prozesse) bündeln. Standardi-sierte Prozesse – in der Regel weltweit als HR-Services einheitlich aufgesetzt

– sind dafür verantwortlich, dass das Gehalt pünktlich bezahlt und der Ur-laub rechtzeitig genehmigt wird.

Human Resources strategisch ausrichten

HR-Services schaffen Freiräume für die Personalmanager, die in dieser Zeit andere Aufgaben übernehmen können. Welche das sind, hat IBM in ihrer jüngsten CHRO-Studie un-tersucht. Schon der Titel „Personal-führung in einer grenzenlosen Welt“ verrät, in welche Richtung die Reise für HR geht. Der Personalmanager wird zum Chief Human Resource Officer (CHRO), der zukünftig mehr strategisch und weniger administra-tiv agieren muss. Vor allem kreative Führungskräfte finden und entwi-

ckeln, das steht auf seiner Agenda. Weltweit nehmen sich genau das rund 70 Prozent der CHROs vor – in Deutschland sogar drei Viertel der be-fragten Manager. Zudem belegt die Studie, dass es dem CHRO obliegt, HR-Prozesse schneller und flexibler aufzusetzen und das kollektive Wis-sen im Unternehmen effizienter für seine HR-Ziele anzuzapfen. Doch die Effizienz bei der Entwicklung von Führungskräften steht im krassen Widerspruch zu diesem Wunsch: Weni-ger als ein Drittel der weltweit befrag-ten CHROs gaben an, dass sie derzeit effektiv und erfolgreich Führungskräfte

Stichwörter in diesem beitrag

■ Personalentwicklung ■ Effizienz ■ Kreativität

Alexander Broj, Partner und Leiter HR Management Consulting, Un-ternehmensbera-tung IBM Global Business Services, Frankfurt

[email protected]

Das Personalmanagement muss in einer grenzenlosen Welt flexibler und schneller werden, um Führungskräfte und Talente zu finden und zu entwickeln. Das geht aus der IBM CHRO-Studie 2010 hervor , die die zentralen Aufgaben für Human Resources untersucht hat. Und: Die Personalmanager müssen ihre Arbeit noch stärker als bisher mit der Unternehmensstrategie in Einklang bringen.

Kreative Köpfe gefragt

Quelle: 2010 IBM Corporation

China(mit Hongkongund Taiwan)40%

Russland/Osteuropa23% Indien

29%

Korea9%

Japan8%

Rest-Asien/Pazifik25%

Mittlerer Osten16 %

Afrika, südlichder Sahara7%

Nord-afrika9%

Lateinamerika/Mexiko26%

West-europa13%

Nord- amerika17%

Australien/Neuseeland11%

Anteil der Befragten, die einen Anstieg der Mitarbeiterzahl �in der betreffenden Region erwarten

45% der befragten Unternehmen aus Indien möchten die Mitarbeiterzahl in Nordamerika und �44% die Mitarbeiter-zahl in Westeuropa ausbauen.

33% der befragten Unternehmen in China planen einen Ausbau der Mitarbeiterzahl in Nordamerika und 14% einen Ausbau in West-europa.

Abb. 1: Regionen, in denen Organisationen die Mitarbeiterzahl erhöhen

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30 PERSONAL · Heft 02/2011

pErSonalmanagEmEnt

entwickeln. In den USA liegt der Wert sogar nur knapp über einem Viertel. Deutsche Unternehmen sehen sich besser aufgestellt: Hierzulande gab fast die Hälfte an, dass sie bei der Führungs-kräfteentwicklung effektiv sind.

führungskräfte weltweit suchen und finden

Führungskräfte sind deshalb so ent-scheidend für Unternehmen, weil sie für den Aufbau eines beweglichen und reaktionsschnellen Unternehmens benötigt werden. Die CHRO-Studie belegt, dass die Führungskräfte in der Lage sein müssen, über unterschiedli-che Kulturen, Generationen und Kom-munikationsstile hinweg zu agieren. Überraschendes Ergebnis der Studie ist, dass im Gegensatz zum traditionellen Muster, nicht mehr nur die Unterneh-men aus reifen Märkten ihre Effizienz in Schwellenländern steigern wollen, son-dern Personalinvestitionen verstärkt in beide Richtungen gehen. (Abb. 1)So wollen Unternehmen aus Wachs-tumsmärkten wie China und Indien ihre Präsenz in reifen Märkten wie Nordamerika oder Westeuropa aus-bauen. 45 Prozent der indischen Un-ternehmen planen die Aufstockung ihres Personals in Nordamerika und 44 Prozent suchen neue Mitarbeiter in Westeuropa. Ein ähnliches Bild ergibt sich für China: Hier beabsichtigen 33 Prozent der Unternehmen Arbeitsplät-ze in Nordamerika zu schaffen und 14 Prozent in Westeuropa. Zudem werden bis 2013 China und Indien weiterhin die höchsten Steigerungen bei den Inves-titionen in die Belegschaft haben: 40 Prozent der CHROs gehen von einer steigenden Mitarbeiterzahl in China, 29 Prozent von einer steigenden Mitarbei-terzahl in Indien aus. Wenn es um das Recruiting geht, dann stehen Unternehmen heute weltweit im Wettbewerb. Die besten Führungs-kräfte und Mitarbeiter wird derjenige gewinnen, der sich als attraktiver Ar-beitgeber positionieren kann. Und hier zeigt die Studie, dass Lohn und Vergütung für potenzielle Mitarbeiter längst nicht mehr die Hauptrolle spie-len. In den reifen Märkten ist es nur ein Drittel, das in erster Linie auf den Lohn schaut. Hier sind andere Aspekte

wichtiger, wie etwa die Frage, ob die Werte eines Unternehmens mit den ei-genen im Einklang stehen oder ob die Work-Life-Balance gewahrt ist. Nur in den Wachstumsmärkten lockt noch vor allem das Geld – hier ist für fast zwei Drittel das Gehalt entscheidend. Aber nicht nur über die Wahrnehmung als Arbeitgeber muss sich der Chefper-sonaler Gedanken machen, sondern auch über den Bewerbungsweg. Und dieser muss weit über die bereits eta-blierte Online-Bewerbung hinausge-hen. Längst spielt sich die Bewerbung in sozialen Netzen wie Xing oder Fa-cebook ab. Entscheidend ist, wie hier der CHRO mit potenziellen Bewerbern vernetzt ist – und zwar weltweit. Und auch die Mitarbeitersuche im eigenen Unternehmen gewinnt eine andere Bedeutung. Der CHRO muss Talente auf allen Qualifikationsebenen – vom Facharbeiter bis zum hochqualifizier-ten Spezialisten – intern identifizieren und weiterentwickeln. Auch die Aus-bildung wird zukünftig wieder verstärkt im eigenen Unternehmen stattfinden und an Bedeutung gewinnen, um den Fachkräftebedarf decken zu können.

Mitarbeiter langfristig binden

Wenn neue Mitarbeiter gefunden und ausgebildet sind, dann muss sich der oberste Personalmanager darüber Ge-danken machen, wie er seine Talente langfristig halten kann. Die Bindung ans Unternehmen ist laut CHRO-

Studie für weltweit 60 Prozent der be-fragten CHRO die wichtigste Aufgabe – auch in Deutschland nannte diesen Punkt etwa die Hälfte der Befragten. Was die Mitarbeiter zum Bleiben be-wegt, ist wiederum in Wachstumsmärk-ten und reifen Märkten unterschiedlich. In den Wachstumsmärkten sind es mit mehr als 60 Prozent vor allem die Ent-wicklungsmöglichkeiten, die eine hohe Bindung zur Folge haben – gefolgt von der Entlohnung mit etwa 50 Prozent. In den reifen Märkten ist hingegen nur etwa ein Viertel der Mitarbeiter allein mit Geld zu halten – nahezu der Hälfte der Mitarbeiter ist es wichtiger, wie die persönlichen Entwicklungschancen ste-hen und ob die Work-Life-Balance, die Unternehmenswerte und die berufliche Herausforderung stimmen.

Talente rechtzeitig erkennen

Keine Frage, das Talentmanagement genießt in den Unternehmen höchste Priorität. Aber gelingt es den CHROs auch, erfolgreich ihre Talente zu er-kennen? Die Meinung darüber ist geteilt – und das nahezu paritätisch. Gut die Hälfte der weltweit befragten CHROs sagt, dass sie nicht besonders erfolgreich im Talentmanagement ist – dieser Wert trifft auch auf Deutsch-land zu. Auffällig ist hier, dass die Un-ternehmen aus den USA dem Rest der Welt hinterherhinken. Zwei Drit-tel der US-amerikanischen CHROs erklärten, dass sie ihre Talente nicht

Relative zukünftige Wichtigkeit

9

8

7

6

5

4

3

2

1

987654321

Suchen undEinstellenexterner Kräfte

Leistungsbeurteilung

EffizientePersonalplanung

Personal-kosten-management

Förderung vonZusammenarbeit undWissensaustausch

Schnelle EntwicklungerforderlicherKompetenzen undFähigkeiten

Steigerung derMitarbeiterproduktivität

Bindung wertvoller Talentean die Organisation

EntwicklungzukünftigerFührungskräfte

Rel

ativ

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fekt

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Abb. 2: Zentrale Schwachstellen im Personalbereich

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erfolgreich identifizieren können. Gründe für das mangelhafte Talent-management lassen sich ebenfalls aus der Studie ermitteln. So besteht bei den Unternehmen noch gehöriger Nachholbedarf, wenn es um die globa-le Zusammenarbeit und den Einsatz von sozialen Netzwerken geht. Mehr als drei Viertel der befragten CHROs gaben an, dass in ihren Unterneh-men diese Aspekte nicht ausreichend gefördert werden. Nur jedes fünfte Unternehmen hat in jüngster Zeit in Werkzeuge investiert, um die globale HR-Zusammenarbeit und das Social Networking zu fördern. (Abb. 2)

Wissen effizient managen

Wer geeignete Talente im eigenen Un-ternehmen finden will, kommt um ein effizientes Wissensmanagement nicht herum. Aber nicht einmal ein Viertel der Unternehmen ist heute in der Lage, das Wissen über ihre Mitarbeiter überhaupt zu speichern und somit zu managen. Und gar nur sieben Prozent der Befrag-ten gaben an, dass sie HR-Kennzahlen sehr effektiv für Personalentscheidun-gen auswerten. Dabei verspricht gera-

de die zielgerichtete Nutzung großer institutioneller Wissenspools, dass sich eine innovative Unternehmenskultur entwickeln und erhalten kann. Unternehmen sollten deshalb neue Wege finden, Menschen miteinander zu vernetzen und sie mit relevanten In-formationen zu versorgen, die für das Talentmanagement wichtig sind. Ein Trend, der zumindest außerhalb von Deutschland erkannt wurde – weltweit will ein Drittel der Unternehmen die Mittel für die interne Zusammenarbeit und das Social Networking aufstocken. In den USA sind es immerhin noch 20 Prozent, die für diesen HR-Bereich

mehr Geld investieren wollen. Nur in Deutschland ist man vorsichtiger – ge-rade mal acht Prozent wollen hierfür mehr Geld locker machen.

Ausblick

Die Quintessenz der IBM CHRO-Studie legt nahe, dass das kollektive Wissen und die Erfahrung eines Un-ternehmens ausschlaggebend sind, um eine flexible und reaktionsschnel-le Belegschaft aufzubauen. In vielen Unternehmen fehlen jedoch nicht nur die Strukturen und die Ressourcen für die Förderung des Wissensaustauschs, es sind auch oft kulturell und organisa-torisch bedingte Wissenssilos, die den Informationsaustausch erschweren. Diese Lücken zu schließen und die Kre-ativität, Flexibilität und Geschwindig-keit freizusetzen, müssen sich CHROs auf ihre Fahnen schreiben. Dafür soll-ten sich HR-Manager auf drei Kernfä-higkeiten konzentrieren: die Entwick-lung kreativer Führungspersönlichkei-ten, die Mobilisierung der Belegschaft und die Nutzung kollektiver Fähigkei-ten – Faktoren, die in der Vergangen-heit eher vernachlässigt wurden.

Die dritte IBM Global Chief Hu­man Resource Officer Studie wurde gemeinsam vom IBM Institute for Business Value und der IBM Strate-gy & Transformation Practice durch-geführt. Zwischen November 2009 und April 2010 wurden für die Studie 707 Personalführungskräfte aller Un-ternehmensgrößen in 31 Branchen und 61 Ländern befragt, fast 600 von ihnen in persönlichen Gesprächen.www.ibm.com/chrostudy

Internet-Tipp

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32 PERSONAL · Heft 02/2011

Der Ruf nach qualifizierten Fachkräf-ten aus dem Ausland ist nicht nur in der aktuellen politischen Debatte deut-lich zu vernehmen. Denn Deutschland steuert auf den größten Fachkräfte-mangel seit den 50er-Jahren zu. Das aktuelle Wirtschaftswachstum um ge-schätzte 3,5 Prozent und die sinkende Arbeitslosigkeit führen dazu, dass in naher Zukunft ein erheblicher Bedarf an Fachkräften in Deutschland entste-hen wird. Insbesondere im Ingenieur-wesen ist bereits heute ein Mangel an Fachkräften vorhanden. Nach Anga-ben des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und des Instituts der Deutschen Wirtschaft konnten bereits im Jahr 2009 knapp 34.000 Ingenieurstellen in Deutschland nicht besetzt werden, Tendenz steigend.

fachkräfte in den Regionen

Woher aber sollen die so dringend benötigten Ingenieure kommen? Fachkräfte aus Westeuropa und den USA sind in der Regel wenig moti-viert nach Deutschland auszuwan-dern, weil auch ihre Heimatländer einen hohen Lebensstandard und breite Karrieremöglichkeiten bieten. Die mittel- und osteuropäischen Mit-gliedstaaten der EU weisen keinen Überschuss an technischen Spezialis-ten auf, da diese für den Aufbau der eigenen Wirtschaft dringend benötigt werden.

Anders sieht es in Russland aus: Le-bensstandard und -qualität sind im-mer wieder Auswanderungsgründe für junge, qualifizierte Fachkräfte. Die solide ingenieurwissenschaft-liche Ausbildung an den 458 tech-nischen Hochschulen mit über 1,36 Millionen Studierenden in Russland genießt nach wie vor internationale Wertschätzung: Technische Fachkräfte aus Russland verfügen über ein hohes Niveau der grundlagenwissenschaft-lichen Ausbildung, über ein breites Fachspektrum und eine gute produk-tionspraktische Vorbereitung.

Das Projekt RufanaDe

Um die Situation der russischen Stu-dierenden genauer zu beleuchten und ein Konzept zu ihrer Gewinnung für den deutschen Arbeitsmarkt zu ent-wickeln, hat die Ruhr-Universität Bo-chum in Kooperation mit der Unter-nehmensberatungsgesellschaft eligo das Projekt RuFanaDe – Russische Fachkräfte nach Deutschland ins Le-ben gerufen, mit dem hochqualifizier-

te Ingenieure aus Russland langfristig für Deutschland gewonnen werden sollen. Das Projekt soll ihre Bereit-schaft, sprachliche und kulturelle Barrieren abzubauen und sich in die Arbeitssituation des Unternehmens und in die deutsche Gesellschaft zu integrieren, steigern und Situationen kreieren, in denen sich eine emotio-nelle Bindung russischer Spezialisten an Unternehmen in Deutschland ent-wickelt.Die im Rahmen des Projekts durch-geführten Studien an der Sibirischen Staatlichen Industriellen Universität in Novokusnezk sowie an der Poly-technischen Universität Tomsk zeig-ten eine starke generelle Auswande-rungswilligkeit: An der Sibirischen Staatlichen Industriellen Universität gaben 91 Prozent der befragten Stu-dierenden an, dass sie Interesse an einer Arbeit im Ausland hätten. Doch es fielen auch einige Probleme auf. Von den 123 befragten Studie-renden der Fakultäten für Mechanik, Automatisierung, Elektrotechnik und Materialwissenschaften an der Sibiri-schen Staatlichen Industriellen Uni-versität befürchtete knapp die Hälfte, dass auf dem Weg zu einer Arbeit im Ausland zu viele Hindernisse lä-gen. Als größte Hürden wurden das Fehlen von Informationen über die Möglichkeit der Arbeit im Ausland, Schwierigkeiten, die nötigen finan-ziellen Mittel zum Ausreisen aufzu-bringen, die Dokumentenabwicklung und die Sprachbarriere genannt. Die Ergebnisse der Befragung von 1.000 Studierenden zehn technischer Fachrichtungen an der Polytechni-

pErSonalmanagEmEnt

Stichwörter in diesem beitrag

■ Russland ■ Technische Fachkräfte ■ Studierende

Prof. Dr. Heinrich Wottawa, Wirt-schaftspsycholo-gie, Universität Bochum/Ge-schäftsführer eligo GmbH, Bochum

[email protected]

Unternehmen, die erfolgreich ausländische High Potentials rekrutieren wollen, sollten schon während des Studiums Kontakte schmieden: zum Beispiel in Russland.

fachkräftemangel entgegensteuern

0 20 40 60 80 100

Frankreich

Australien

USA

Deutschland

Wunsch, arbeitstätig zu seinkein Wunsch, arbeitstätig zu sein

Abb 1: befragte in Russ-land, die den Wunsch haben, im Ausland arbeits-tätig zu sein (in Prozent)

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PERSONAL · Heft 02/2011 33

schen Universität Tomsk, die explizit auf das Arbeiten in Deutschland ab-zielte, lesen sich ähnlich: 70 Prozent der Befragten äußerten den Wunsch, in Deutschland zu arbeiten. (Abb. 1) Dabei wurden als Motivation von der Mehrheit die höheren Karriere-chancen und die Hoffnung, in einem großen Unternehmen arbeiten zu können, genannt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass mehr als 50 Prozent der Befragten die Mög-lichkeit Deutsch zu lernen auch als Vorteil für die eigene Zukunft sehen – ein deutliches Zeichen ihrer Integ-rationsbereitschaft. (Abb. 2)Allerdings brachte die Befragung in Tomsk auch ans Licht, dass die Vor-stellungen der russischen Studieren-den über die Situation am deutschen Arbeitsmarkt sehr vage sind – was eine Angst vor Ausbeutung nach sich zieht: Einerseits vermuten viele Be-

fragte, dass in Deutschland Fachkräf-te gesucht werden (65,6 Prozent) und meinen, dass russische Ingenieure im Vergleich zu denen aus Deutschland besser ausgebildet sind, andererseits fürchten sie, dass sie als junge Spe-zialisten aus Russland ausgebeutet werden könnten.

Programme für das Recruiting

Die Ergebnisse der Studien weisen al-so einerseits auf ein großes Potenzial auswanderungswilliger Fachkräfte hin, zeigen andererseits aber auch deutlich die Probleme und Zweifel der russi-schen Studierenden auf. Wichtig ist daher zum einen die Aufklärung darü-ber, dass ein Ingenieur in Deutschland genug zur Sicherung einer hohen Le-bensqualität verdient und dass junge

Spezialisten aus Russland nicht als bil-lige Arbeitskräfte eingesetzt werden. Bei der Umsetzung eines konkreten Anwerbungsprogramms kommt es darauf an, den Informationsmangel der Studierenden nachhaltig zu behe-ben. Dies kann beispielsweise durch Kampagnen im Internet, während der Informationsveranstaltungen an den Universitäten und durch Artikel in Zeitschriften für Jugendliche und Fachmagazinen für bestimmte Studi-en- und Berufsgruppen erfolgen.Um einen effektiven Recruitingpro-zess für und mit Unternehmen in Gang zu setzen, bietet sich folgender Lösungsansatz an: (Abb. 3) • Ansprache interessierter Studenten in Russland über das Internet und durch lokale Projektpartner vor Ort

• Vorauswahl der Interessenten durch E-Assessment und speziell entwi-ckelte Tests, die langfristige Poten-ziale sichtbar machen

• Auswahl potenziell geeignet erschei-nender Studenten durch die teilneh-menden Unternehmen in Deutsch-land

• Unterstützung vorbereitender Trai-ningsmaßnahmen am Heimatort während der verbleibenden Studien-zeit (deutsche Sprache, Gesellschaft, Verhaltenserwartungen, Kultur)

• Kennenlernen des Unternehmens (auch fachspezifisch) und der späte-ren Kollegen in Deutschland (Prak-tika in den Semesterferien, Diplom-arbeiten mit einem Thema aus dem Unternehmen oder Vergleichbares)

• Zusätzlich häufiger Kontakt (Inter-net) und eventuell kleine finanzielle Unterstützung (Stipendium) in der Endphase des Studiums zur Förde-rung der Identifikation mit dem Un-ternehmen als späterer Arbeitgeber.

Ausblick

Mit einem solchen Vorgehen wird es möglich, die Studierenden bereits früh anzusprechen und schon wäh-rend des Studiums eine Bindung zum künftigen Arbeitgeber in Deutschland aufzubauen. Unternehmen, die lang-fristig einen Bedarf an hochqualifi-zierten jungen Ingenieuren haben, können vom Projekt RuFanaDe nach-haltig profitieren.ja nein

0 20 40 60 80 100

Informationen über Deutschland

Anfangskapital

Übernahme von Reisekosten

Diagnostik von Kompetenzen

Dokumentenabwicklung

Kennenlernen vonUnternehmen im Voraus

Wohnungssuche

Sprachkurs

Abb. 3: In folgenden bereichen brauchen Studierende aus Russland Hilfestellung (in Prozent)

0 20 40 60 80 100

Deutsch lernen

Spezialisten kennenlernen

Neue Technologie anwenden

Finanzielle Sicherheit erreichen

In einem großen Unternehmen arbeiten

Karriere machen

ja nein

Abb. 2: Möglichkeiten, die befragte mit Arbeit in Deutschland verbinden (in Prozent)

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34 PERSONAL · Heft 02/2011

Kurzarbeit ist die vorübergehende Herabsetzung der betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit für das gesamte Unternehmen beziehungs-weise für einzelne Abteilungen bei entsprechender Minderung des Ent-geltes der betroffenen Arbeitnehmer. Kurzarbeit dient dazu, vorüberge-hende Auftrags- oder Produktions-schwankungen durch eine bestimmte Arbeitszeitregelung zu überbrücken.Ziel dieser Arbeitszeitregelung ist es, in wirtschaftlich schlechten Zeiten Per-sonalkosten zu sparen, den Arbeits-platz zu erhalten und damit keinen eingearbeiteten und qualifizierten Mit-arbeiter zu verlieren, der in späteren Zeiten gebraucht wird. Ein Vorteil ge-genüber anderen personalpolitischen Maßnahmen besteht dann, wenn die Bundesagentur für Arbeit den Mitar-beitern Kurzarbeitergeld zahlt. Aufgrund der anhaltenden Wirt-schaftskrise steht die Kurzarbeit im Fokus der politischen Maßnahmen. Im Zuge der letzten Monate wurden im Rahmen der Konjunkturpakete I und II die Bedingungen für das Kurz-

arbeitergeld angepasst und attraktiver gestaltet. Eine Voraussetzung dafür, dass die Bundesagentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld zahlt, ist ein er-heblicher Arbeitsausfall gemäß § 170 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) III. Dieser ist gegeben, wenn1. er auf wirtschaftlichen Gründen

oder einem unabwendbaren Er-eignis beruht,

2. er vorübergehend ist,3. er nicht vermeidbar ist und4. im jeweiligen Kalendermonat (An-

spruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäf-tigten Arbeitnehmer von einem Ent-geltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoent-gelts betroffen ist; dabei sind Auszu-bildende nicht mitzuzählen.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen mit insgesamt 96 Arbeitnehmern mit einem monatlichen Bruttoentgelt je Mitarbei-ter von 1.700 Euro führt Kurzarbeit in folgenden Zeiträumen ein: Vom 17. bis 21. Januar 2010 für 30 Arbeitnehmer mit einer Entgeltminderung von je 410 Euro, vom 17. bis 19. Januar 2010 für fünf Ar-beitnehmer mit einer Entgeltminderung von je 210 Euro und am 17. Januar 2010 für zwei Arbeitnehmer mit einer Entgelt-minderung von je 50 Euro. Im Ergeb-nis sind die Voraussetzungen des § 170 Absatz 1 SGB III erfüllt, da 35 von 96 Mitarbeiter, also mehr als ein Drittel,

von einem Entgeltausfall von mehr als 180 Euro, also mehr als zehn Prozent, betroffen sind.Unter dem Gesichtspunkt des § 170 Absatz 1 SGB III ist es also nicht not-wendig, dass jeder einzelne Arbeitneh-mer einen Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent hat. Sind die Vorausset-zungen des § 170 Absatz 1 SGB III und alle sonstigen Voraussetzungen erfüllt, kann allen Mitarbeitern des Betriebes Kurzarbeitergeld gewährt werden, auch denen, die nicht zum zugrunde liegenden Drittel zählen.

Die berechnung

Das Kurzarbeitergeld ist eine Lohn-ausfallvergütung beziehungsweise ei-ne Lohnersatzleistung und wird von der Bundesagentur für Arbeit unter Eintreten der gesetzlichen Voraus-setzungen des SGB III gewährt. Das Kurzarbeitergeld beträgt gemäß § 178 SGB III für Arbeitnehmer, die beim Arbeitslosengeld die Voraussetzun-gen für den erhöhten Leistungssatz erfüllen würden, 67 Prozent der Net-toentgeltdifferenz im Anspruchszeit-raum.Das Kurzarbeitergeld richtet sich nach dem pauschalierten Nettoent-geltausfall, der sich aus der Differenz zwischen dem pauschalierten Netto-entgelt aus dem Sollentgelt und dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Ist-Entgelt errechnet. Entscheidend für die Berechnung des Kurzarbeiter-geldes sind also das Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer ohne Arbeits-ausfall für seine geleistete Arbeit

pErSonalmanagEmEnt

Stichwörter in diesem beitrag

■ Kurzarbeitergeld ■ Konjunkturpaket I und II ■ Teilentgelt

Manja Kurze, Freie Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Kompetenzzent-rum Internationale Innovations- und Mittelstandsfor-schung, Berlin

[email protected]

Prof. Dr. Wilhelm Schmeisser, Direktor, Kom-petenzzentrum Internationale Innovations- und Mittelstandsfor-schung, Berlin

[email protected]

Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld haben sich zum personalwirt-schaftlichen Erfolgsmodell entwickelt. Grund: Die Bundesagentur für Arbeit übernimmt Kosten schon dann, wenn ein Drittel der Belegschaft auf mehr als zehn Prozent ihres Lohnes oder Gehalts verzichten muss.

Zuschuss vom Staat

• Wilhelm Schmeisser: Finanz­orientierte Personalwirtschaft. Ol-denbourg Verlag, München 2008, ISBN 9783486584851, 29,80 Euro

• Klaus Oppermann: Kurzarbeiter­geld. Leitfaden für die Personal­ und Abrechnungspraxis. Verlag Datakontext, Frechen 2002, ISBN 978-3895770821, 10 Euro

Lese-Tipp

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erhalten hätte, und das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt mit Arbeits-ausfall im Anspruchszeitraum Explizit wird das jeweilige pauschalier-te monatliche Nettoentgelt ermittelt, in dem das gerundete Soll- und das ge-rundete Ist-Entgelt um folgende pau-schalierte Abzüge vermindert werden:• Sozialversicherungspauschale in Hö-he von 21 Prozent

• Lohnsteuer nach der Lohnsteuer-klasse

• Solidaritätszuschlag

Kurzlohn zuerst

Gibt es auf Grund von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen Rege-lungen zur Berechnung des Teilent-geltes (Kurzlohn), haben diese Vor-rang. Das verminderte Monatsentgelt lässt sich für Stundenlohnempfänger einfach berechnen. Komplizierter wird die Teilentgeltbe-rechnung bei Monatsentgeltempfän-gern, bei denen das Entgelt fest und gleich bleibend ist, ohne Berücksichti-gung der anfallenden Arbeitstage bezie-hungsweise Arbeitsstunden im Monat. Die Verminderung des Arbeitsentgelts aufgrund von Arbeitsausfall kann auf verschiedene Weise berechnet werden. Liegt keine Regelung vor, wird die For-mel zur Berechnung von Leistungen nach dem SGB III herangezogen:

• regelmäßige Arbeitszeit auf Basis der Wochenarbeitszeit X 13 / 3 = Durch-schnittsstundenentgelt

Für die Teilentgeltberechnung kann das Bezugsprinzip und das Abzugs-prinzip herangezogen werden. Das Bezugsprinzip multipliziert die An-zahl der zu bezahlenden Stunden mit dem Stundensatz. Das Abzugsprinzip hingegen vervielfacht die Anzahl der nicht zu zahlenden Stunden mit dem oben errechneten Stundensatz. Die Ergebnisse beider Methoden können voneinander abweichen. beispielrechnungVereinbartes Gehalt 1.700,00 EuroSoll-Arbeitszeit im entsprechenden Monat 168 StundenArbeitszeit mit Entgeltanspruch

80 Stunden (10 Tage)

Vergütungsanspruch 8 Stunden (1 Tag)

Stundensatz bei 168 Stunden 10,12 EuroErgebnis des Bezugsprinzips : Bezüge für 88 Stun-den (11 Tage) x 10,12 Euro ergibt den Anspruch 890,56 EuroErgebnis des Abzugsprinzips : Bezüge für 80 Stun-den (10 Tage) x 10,12 Euro - 1.700 Euro er-gibt den Anspruch 890,40 Euro

Nach einem Urteil des Bundesarbeits-gerichts (BAG) vom 14. August 1985 (5 AZR 284/84) kann die Teilentgelt-berechnung auch nach dem Lohnaus-fallprinzip erfolgen:

Monatsfixum x Anzahl der zu bezahlenden ArbeitstageAnzahl der möglichen Arbeitstage des jeweiligen Kalendermonats, zum beispiel 20, 21 und 22

Monatsfixum x Anzahl der zu bezahlenden Soll-ArbeitsstundenAnzahl der möglichen Soll-Arbeitsstun-den des jeweiligen Kalendermonats

Die Erfassung des Kurzarbeitergeldes beziehungsweise die Erfassung des Kurzarbeiter-Krankengeldes in der Ent-geltabrechnung wird nicht dem Brutto-verdienst zugeordnet, sondern ist eine „Zulage zum Nettoverdienst“.Dazu ein Beispiel: Ein Arbeitnehmer er-hält einen Bruttoverdienst von 2.626 Eu-ro (inklusive vermögenswirksamer Leis-tungen). Nach Abzug der gesetzlichen Abgaben, wie Lohn- und Kirchensteuer oder Sozialversicherung, kommt er auf einen Nettoverdienst von 1.916,45 Euro. Davon gehen weitere Posten ab, wie etwa Vermögensbildung, Telefongebühr oder Pfändungen, so kommt es zu einem Be-trag von 1.822,45 Euro. Erst jetzt werden die 110 Euro Kurzarbeitergeld hinzuge-rechnet. In diesem Beispiel kommt der Mitarbeiter also auf einen ausgezahlten Nettobetrag von 1.932,45 Euro.

Das Eberhard-Ulich-Symposium, 1. - 2. März 2011 in Sonthofen Wirtschaft und Wissenschaft im Dialog zu den aktuellen Themen der Arbeitswelt.

Nähere Informationen und Anmeldung unter www.eberhard-ulich-symposium.de

Eberhard-Ulich-Symposium 2011

Wirtschaftlicher Erfolg brauchteine gesunde Arbeitskultur!

Premiumpartner:

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36 PERSONAL · Heft 02/2011

„Wir brauchen qualifizierte Mitarbei-ter, weil wir wissen, dass die Men-schen bei Wilo unsere wertvollste Basis sind.“ So spricht die Wilo SE Bewerber im Karriereportal ihrer Homepage an. Der Wandel in der Arbeitswelt – De-mografie und Individualisierung, Globalisierung und Wissensgesell-schaft – und der damit einhergehende Wertewandel macht ein Umdenken der Unternehmen bei der Personal-rekrutierung erforderlich. Unterneh-men müssen Mitarbeiter heute nicht nur für sich begeistern, sondern die Mitarbeiter mit den besten Qualifika-tionen ansprechen. Konnten sich bis vor einigen Jahren die Unternehmen ihre Mitarbeiter weitestgehend aus-suchen, hat sich in einigen Branchen ein Arbeitnehmermarkt für Fach-kräfte entwickelt mit der Folge, dass sich nun verstärkt die Unternehmen bei den potenziellen Mitarbeitern be-werben müssen, um diese von sich zu überzeugen. Klassische Wege der Per-sonalbeschaffung wie Insertion, Hoch-schulmarketing, Recruiting auf Mes-sen, Personalleasing und Headhunting

werden in dieser Situation nicht mehr ausreichen, um einem drohenden Fachkräftemangel zu entgegnen. Der War for Talent hat sich in einen War for Attractiveness verkehrt, in dem die Attraktivität des jeweiligen Arbeitgebers ein entscheidendes Kriterium für den Erhalt der Wett-bewerbsfähigkeit des Unternehmens wird. Die besten Aussichten haben die Arbeitgeber, die von Bewerbern als attraktiv wahrgenommen werden. Hier spielt ein psychologisches Phä-nomen die entscheidende Rolle, näm-

lich dass der Bekanntheitsgrad von Namen oft mit Sympathie assoziiert ist. So zeigte das trendence Institut in einer Befragung mit 22.000 deutschen Studierenden auf, dass in den Reihen der beliebtesten Arbeitgeber BMW, die Porsche AG, Ernst & Young sowie Adidas rangierten. Um die besten Bewerber von sich zu überzeugen, müssen Unternehmen innovative Strategien entwickeln. Dabei kann sich die Attraktivität für potenzielle Arbeitskräfte sowohl in äußeren, wahrnehmbaren und eher objektiven Eigenschaften des Unter-nehmens spiegeln als auch in inter-nen, eher subjektiven Faktoren zei-gen. (Tab. 1) Je positiver potenzielle Arbeitskräfte diese Eigenschaften bewerten, umso attraktiver ist das Unternehmen für sie. Dies hat eine Verbesserung der Rekrutierung von Wunschkandidaten

zur Folge, da der subjektive Faktor bei der Personalauswahl gleichsam posi-tiv beeinflusst wird. Gerade für mittelständische Unter-nehmen stellt sich die Frage, wie es Ihnen gelingen kann, als attraktiver und damit bevorzugter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Dies ist vor allem für die Unternehmen re-levant, die nicht DAX gelistet sind, deren Produkte keinen Statussym-bolcharakter besitzen und deren Fir-mensitz sich nicht in einer begehrten Region befindet.

Die Wilo SE: Daten und fakten

Die Dortmunder Wilo SE ist ein weltweit führender Hersteller von Pumpen und Pumpensystemen für die Heizungs-, Kälte- und Klima-technik, die Wasserversorgung sowie die Abwasserbehandlung und -ent-sorgung mit rund 2.000 Mitarbeitern in Deutschland und etwas über 6.000 Mitarbeitern insgesamt. Als Europäi-sche Aktiengesellschaft organisiert ist die Wilo SE in fast 70 Ländern mit eigenen Gesellschaften vertreten.In der Wahrnehmung der Mitarbeiter ist Wilo ein attraktiver Arbeitgeber. Die Attraktivität wird an der internen

Stichwörter in diesem beitrag

■ Arbeitgeberattraktivität ■ Nachwuchsarbeit ■ Kooperationen

Prof. Dr. Martina Stangel-Meseke, geschäftsführende Gesellschafterin, Unternehmens-beratung t-velop-ment, Dortmund/Dekanin, Fachbe-reich Wirtschafts-

psychologie, BiTS, Iserlohn [email protected]

Helga Kaiser, Vice President, Corpo-rate Communi-cation, Wilo SE, Dortmund

helga.kaiser@ wilo.com

pErSonalmanagEmEnt

Mit Arbeitgeberattraktivität den Nachwuchs sichern. Das versucht die mittelständische Dortmunder Wilo SE mit einem innovativen Ansatz.

Attraktiver Auftritt

Objektive Eigenschaften Subjektive faktorenProdukte Wahrgenommene Mitarbeiterzufriedenheit

Stellung im Welt-Ranking WerteBezahlung Veränderungspotenzial

Örtlichkeit, geografische Lage UnternehmenskulturAufstiegsmöglichkeiten Umweltdynamik

Art der Arbeit Empfehlung von BekanntenFortbildungsmöglichkeiten

Tab. 1: Arbeitgeberattraktivitätssteigernde Eigenschaften

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PERSONAL · Heft 02/2011 37

Personalentwicklung festgemacht, die die Mitarbeiter in Evaluationen als wirksame Förderung und verstärken-des Glied zur Mitarbeiterbindung be-werten. Obwohl oder gerade weil die interne Attraktivität des Unternehmens bereits stimmt, sieht Wilo jetzt die Not-wendigkeit, seine externe Attraktivität durch gezielte Maßnahmen zur Stei-gerung seiner Außenwahrnehmung zu schärfen. So wird beabsichtigt, dem prognostizierten Fachkräftemangel, ge-rade im Ingenieurbereich, zu begegnen.

Ganzheitlicher Ansatz: Regional und national

Mit differenzierten regionalen und nationalen sowie auf verschiedene Altersgruppen abgestimmten Maß-nahmen intendiert Wilo seinen Be-kanntheitsgrad außerhalb des Unter-nehmens zu erhöhen und über eine Attraktivitätssteigerung den poten-ziellen und erforderlichen Nachwuchs zu sichern. Das regionale Bemühen zur Steige-rung der externen Attraktivität fokus-siert den schulischen Bereich. Dazu schloss Wilo in Dortmund Koopera-tionen mit einer Grundschule, einer Realschule, einem Berufskolleg und einem Gymnasium. Wilo bietet Bil-dungsmaßnahmen für Schüler, Schul-abgänger und Berufsschüler an. Es geht primär darum, das Interesse der Kinder und Jugendlichen für Technik zu stärken und erste Einblicke in das Berufsfeld Technik zu geben. (Tab. 2)Auch die Auszubildenden der Wilo SE sind bei bestimmten Maßnahmen stark involviert. In Projektarbeiten, die individuelle Bestandteile der Aus-bildungspläne sind, entwickeln sie Ideen für die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen und setzen sie mit Hilfe ihrer Ausbilder um. So entstand jüngst die Projektidee, einfache natur-wissenschaftliche Experimente bereits in Kindergärten vorzustellen und da-mit Neugier und Spaß am Tüfteln bei den Vorschulkindern zu wecken. Ab 2011 wird diese Projektidee in einer Kooperation mit einem Kindergarten durch die Auszubildenden realisiert.Darüber hinaus hat schulisches Lehr-personal die Möglichkeit, bei Wilo ein Kurzpraktikum zu machen, um seine

Lehrpläne an der Praxis ausrichten zu können. Eine Maßnahme aus einem solchen Programm ist, dass zum Bei-spiel ein größeres Gewicht auf Wie-derholungsübungen zu Grundlagen der Mathematik gelegt wird. Zum Ende der Gymnasialzeit rich-tet Wilo in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Dortmund und einem weiteren Dortmunder Un-ternehmen für Schüler und Schülerin-nen der 11. und 12. Klasse ein Camp auf dem Universitätsgelände aus, das didaktisch den Charakter eines tech-nisch-geprägten Abenteuerurlaubs hat. Während die technischen Fa-kultäten der Technischen Universität Dortmund ihre Studiengänge präsen-tieren, stellt die Unternehmensseite technische Berufe und Positionen vor, die sich ans Studium anschließen. In Projektarbeiten rund um das Thema Wasserkraft wird das ganze Themen-spektrum erlebbar.Ergänzend zu dem regionalen Kon-zept zur Steigerung der externen Ar-beitgeberattraktivität erarbeitet Wilo ein Personalmarketingkonzept auf nationaler Ebene. Durch Imagewer-bung und Stellenausschreibungen sollen die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten in dem internationalen Konzern in der Öffentlichkeit kom-muniziert werden.Zur Sicherung des Ingenieur-Nach-wuchses hat Wilo seine Zusammenar-beit mit Universitäten auf nationaler und auch internationaler Ebene inten-siviert. So werden Forschungsaufträge vergeben und mehrmonatige Prakti-ka an den internationalen Standorten ermöglicht. Über die Wilo-Stiftung werden begabte Studierende der Fachrichtung Gebäudeenergietechnik finanziell unterstützt. Die Maßnahmen zur Steigerung der externen Arbeitgeberattraktivität zei-gen bereits deutliche positive Effekte. So sind die Rückmeldungen zu den Bildungsaktivitäten durch Kindergär-ten und Schulen durchgängig sehr po-sitiv. Drei Jahre in Folge trägt Wilo nun schon die Auszeichnung „Top-Ar-beitgeber für Ingenieure“. Zahlreich sind auch die Ausbildungspreise, so jüngst der Ausbildungspreis der Dort-munder Wirtschaft. Die Qualität der Ausbildung spiegelt sich in den über-durchschnittlich guten Prüfungser-

ImpressumGegründet im Jahre 1949 vonProf. Dr. Guido Fischer und Prof. Dr. Albrecht Weiss

Herausgeber:Prof. Dr. Thomas R. Hummel, FuldaProf. Dr. Rüdiger Kabst, GießenProf. Dr. dieter WAGner, PotsdamEhren-Herausgeber:Prof. Dr. Dr. h.c. mult. eduArd GAuGler, MannheimProf. Dr. ernst ZAnder, Hamburg

Redaktion Düsseldorf:ruth lemmer (verantwortlich i.S.d.P.)das medienbüro Gerresheimer Str. 93, D-40233 Düsseldorf Tel. 0211/3 85 86 14, Fax 0211/37 24 10 E-Mail: [email protected]

Redaktion Potsdam:Prof. Dr. dieter WAGner (Universität Potsdam)Reuterstraße 19, D-14482 Potsdam Tel. 0331/9 77 35 93, Fax 0331/9 77 34 04 E-Mail: [email protected]

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Im Kombi-Abo mit der wöchentlich erscheinenden Fachzeitschrift der betrieb im Inland 435 Euro, im Ausland jährl. 409 Euro zzgl. 81 Euro Versandkos ten. Für EU-Länder zzgl. MwSt. Luft-postgebühren auf Anfrage.

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ISSN 0031-5605

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38 PERSONAL · Heft 02/2011

pErSonalmanagEmEnt

gebnissen der Auszubildenden wider, die nicht nur fachlich überzeugen, sondern auch eine bemerkenswerte persönliche Reife dokumentieren. So erreichte ein Industriemechaniker der Wilo SE 2009 das beste Prüfungser-gebnis Nordrhein-Westfalens.Durch die starke Einbindung der Auszubildenden bei Wilo wird auch die interne Arbeitgeberattraktivi-tät gestärkt, da die Auszubildenden durch das konzeptionelle Erarbeiten schulischer Maßnahmen strategisches Analysieren, Planen und Vorgehen lernen. Darüber hinaus werden ihre sozialen Kompetenzen, insbesondere die Teamfähigkeit, gefördert. Die so entstehende hohe intrinsische Moti-vation der Auszubildenden forciert wiederum positiv deren externes En-gagement für Wilo, was eine Stärkung der externen Arbeitgeberattraktivität zur Folge hat. Der Nutzen der frühzeitigen Kon-taktaufnahme zu Schulen zeigt sich für Wilo darin, dass die Bewerber um einen Ausbildungsplatz bereits gut über die Ausbildung informiert

sind, sich mit dem Unternehmen im Vorfeld beschäftigt haben, ihre eige-nen Stärken gut einschätzen können und wissen, welche Erwartungen sie in der Ausbildung erfüllen müssen. So wird durch eine realistische Sicht auf den zukünftigen Ausbildungsplatz die Erfolgsquote beruflicher Ausbil-dung durch Passung der Bewerber zum Ausbildungsplatz maßgeblich beeinflusst.Eine systematische Erfolgsmessung der Maßnahmen zur Sicherung des ingenieurwissenschaftlichen Nach-wuchses steht derzeit noch aus. Es wird noch zwei bis drei Jahre dauern, bis sich ein Erfolg in eingehenden Be-werbungen einstellen wird. An den Kooperationsuniversitäten ist aber schon jetzt das Interesse an Praxisse-mestern deutlich gestiegen.Auch national verzeichnet Wilo eine Stärkung der Arbeitgeberattraktivitat. Viele Bewerber haben die Vorteile ei-nes mittelständischen Unternehmens als Arbeitgeber erkannt. Bei Wilo sind die Entscheidungswege kurz, die Mit-arbeiter sehen rasch den Erfolg ihrer

Arbeit, Einsteiger erhalten schnell Verantwortung, und die Bandbreite der Aufgaben für den Einzelnen ist groß. Darüber hinaus gibt es ein aus-geprägtes Wertesystem, eine starke Nähe zur Unternehmensleitung, ei-ne langfristige Ergebnisorientierung und eine soziale Verantwortung für die Region.

Ausblick

Der ganzheitliche Ansatz in der Nach-wuchsarbeit der Wilo SE trägt bereits Früchte. Dennoch bleibt es eine stän-dige Aufgabe, Maßnahmen zur Stei-gerung der Arbeitgeberattraktivität ein- und umzusetzen. So hat Wilo bereits weitere Visionen: Ein Club of Excellence soll Studierende früh-zeitig an das Unternehmen binden. Darüber hinaus sollen im WILO-Hör-saal® Studierende in Vorlesungen und durch Kontakte zu ehemaligen Wilo-Studierenden über die Pumpen-technik und Karriereperspektiven bei Wilo informiert werden.

bezugsgruppen bildungsmaßnahmen Ziele Kernbotschaft

Schüler bis 14 Jahre Kinderferienparty DortmundTechnik erleben (etwa Aktions-stand „Pumpenschminken“)

Wilo begeistert Kinder für Technik

Schüler ab 14 Jahre

Kooperation mit Schulen:• Marie Reinders Realschule• Johann Gutenberg Realschule• Helene-Lange-Gymnasium

• Teilnahme an Elternabenden• Üben von Bewerbungsgesprä-

chen• Vermittlung von Technikwissen

Informationen zu Berufs-perspektiven

Schüler 17-18 Jahre• Do-camp-ing • TU Dortmund

• Arbeiten in Projekten• Erleben von Technik durch

AbenteuerTechnik hautnah miterleben

Lehrer Lehrerpraktika Erleben der Ausbildung bei WiloInformationen zu den Berufsfeldern der Schüler

Schüler/Lehrer WILO-Klassenzimmer®Vorbereitung auf das Betriebs-praktikum und Bewerbungs-training

Informationen rund um Prakti-kum/Bewerbung

Schüler/Studenten/Lehrer

BetriebsbesichtigungVorstellung des Unternehmens und der Ausbildungsberufe

Unternehmen vorstellen

Schüler/Studenten Erlebnis Maschinenbau VDMAKennen lernen der kaufmänni-schen und technischen Ausbil-dungsberufe

Ausbildungsmöglichkeiten bei Wilo

Studenten „Sachen machen“ VDI• gezielte Suche nach Praktikan-

ten und Diplomanden• Talentgewinnung

Wilo begeistert den Nachwuchs für Technik

StudentenTalentmanagement Bindungs-programm

• Sprechstunden für Praktikanten• Karriereberatung für Studenten• Gemeinsame Netzwerkveran-

staltung

Informationen für Berufspers-pektiven

Studenten HochschulmessenGewinnung von Praktikanten/Diplomanden /High Potentials

Wilo begeistert den Nachwuchs für Technik

Tab. 2: Maßnahmen zur Steigerung der externen Arbeitgeberattraktivität bei Wilo SE

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PERSONAL · Heft 02/2011 39

lEnkEn und löSEn

Social Media im Recruiting Die meisten Recruiter se-hen in Social Media eine Ergänzung zum klassischen Recruiting und keine Alter-native. Das ist das Ergebnis des aktuellen Trendbaro-meters Personalwirtschaft, für das stellenanzeigen.de gemeinsam mit dem eco-Verband der deutschen In-ternetwirtschaft e.V. eine Umfrage unter Personal-verantwortlichen durchge-führt hat. 79 Prozent der befragten Recruiter finden in Social Media aktuell ein zusätzliches Instrument ih-res Recruitings, nur 9 Pro-zent werten es als Ersatz. 45 Prozent erachten allerdings den Einsatz der Internet-medien im Personalmarke-ting als sinnvoll, 36 Prozent halten sie lediglich als PR-Tool. Jobangebote verbrei-ten die Befragten vor allem auf der Homepage des ei-genen Unternehmens (82 Prozent) und auf Online-Jobbörsen (75 Prozent). Social Media wie Xing, hrm.de oder Facebook lie-gen mit 28 Prozent deutlich hinter den Tageszeitungen, die immer noch von 46 Pro-zent (Mehrfachnennungen waren möglich) genutzt werden. Ein individuel-les Employer Branding in Stellenanzeigen (Text und Bild) hatten erst 45 Prozent der Befragten umgesetzt, in Planung war es bei 30 Pro-zent. www.stellenanzeigen.de

Zweite WahlEine Studie der Personal-beratung CLEVIS in Ko-operation mit der Jobbörse ABSOLVENTA sollte Per-sonaler aufhorchen lassen: Viele bislang als beliebteste Arbeitgeber bekannte Un-ternehmen kommen nicht so gut weg wie gewohnt. Wie begehrt Unternehmen

als Arbeitgeber sind, haben in dieser Befragung Stu-denten bewertet, die in den jeweiligen Firmen Praktika absolviert haben, und nicht die, die das Unternehmen nur von außen kennen. Das Ergebnis ist aussagekräftig: Praktikanten, die Einbli-cke in Unternehmen der Branchen IT, Software und Telekommunikation be-kommen konnten, bewer-ten die Unternehmen hin-sichtlich ihrer Attraktivität am besten. In Bezug auf die Markenstärke landet die Branche allerdings nur auf dem siebten Rang. Etwas geringer fiel dieser Unter-schied in der Pharma- und Medizintechnikbranche aus: Hier empfinden die einstigen Praktikanten zwar die größte Arbeitgebermar-kenstärke, dennoch sind sie als potenzielle Arbeitgeber nur zweite Wahl. Ebenso bemerkenswert: Die Auto-mobilbranche – in anderen Rankings regelmäßig auf den ersten Plätzen – kann sich nur auf Platz sechs po-sitionierenwww.clevis-interim.de

Psychische belastung erkennenSchon seit 2002 gibt die Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin (BAuA) eine Toolbox mit Instrumenten zur Erfas-sung psychischer Krank-heiten heraus. Jetzt gibt es eine zweite überarbei-tete Version dieses Hand-buchs, die Toolbox 1.2. Die Autoren haben die Verfahren aktualisiert und ihre Aussagen um neue Kriterien ergänzt, wie et-wa die Qualifikation der Anwender. Für jedes Ver-fahren sind mindestens ein Ansprechpartner und die Zugangswege aufgeführt. Auch die mit dem Einsatz verbundenen Kosten und

der zeitliche Aufwand wer-den genannt. Die Toolbox 1.2 verfügt über 97 meist quantitative Instrumente und Verfahren zur Erfas-sung psychischer Belastun-gen für diverse Branchen. Das Handbuch „Toolbox Version 1.2. Instrumente zur Erfassung psychischer Belastungen“ von Gabriele Richter (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeits-medizin, Dortmund 2010, ISBN 9783882611038) kann über das Informationszen-trum der BAuA kostenlos bestellt werden (Postfach 170202, 44061 Dortmund, Servicetelefon 0231/9071-2071). Außerdem ist ein kostenloser Download auf der Website möglich.www.baua.de/toolbox

führungskraft PolitikerDie künftige deutsche Ma-nagement-Elite sucht sich ihre Vorbilder eher in der Politik als in Wirtschaft und Gesellschaft. Ein gutes Un-ternehmen könnten dem-nach in erster Linie Alt-Kanzler Helmut Schmidt oder der amtierende Ver-teidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg

repräsentieren, wie eine Umfrage der Wirtschafts-prüfungs- und Beratungs-gesellschaft PwC unter 100 Nachwuchsführungs-kräften ergab. Schmidt (78 Prozent Zustimmung) und zu Guttenberg (75 Pro-zent) führen die Rangliste souverän vor TV-Mode-rator Günther Jauch (63 Prozent) und Fußballna-tionaltrainer Jogi Löw (62 Prozent) an, während auf den Plätzen fünf und sechs mit Bundespräsident Chris-tian Wulff (49 Prozent) und Bundeskanzlerin An-gela Merkel (41 Prozent) wiederum zwei Politiker folgen. „Die prominente Positionierung vieler Poli-tiker erscheint angesichts der häufig konstatierten Politikverdrossenheit in der Gesamtbevölkerung über-raschend. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Po-litiker weitaus häufiger in der Öffentlichkeit präsent sind als Unternehmerper-sönlichkeiten und entspre-chend häufiger ein Vorbild-profil entwickeln können“, erläutert Marius Möller, PwC-Personalvorstand.www.pwc.de

Wegen des stark steigenden Bedarfs an Ingenieuren, be-sonders im Maschinenbau, aber auch in der Autoindustrie, der Energiebranche, in IT-Unternehmen und bei Ingenieur-dienstleistern, wird der VDI Verlag im kommenden Jahr die Zahl der Recruiting-Tage von elf auf 14 erhöhen. So organisiert der VDI in Nordrhein-Westfalen neben dem größ-ten deutschen Recruiting-Tag für Ingenieure in Dortmund eine weitere Jobmesse in Düsseldorf. Auch der Sächsische Recruiting-Tag in Dresden und die Jobmesse in Kiel werden wieder ins Programm aufgenommen. Insgesamt besuchten 2010 rund 8.100 Ingenieure die elf Recruiting-Tage des VDI Verlages. 332 Unternehmen nutzten die Jobmessen, um offene Stellen zu besetzen. Für 2011 rechnet der Verlag mit einem kräftigen Anstieg der Besucher- und Ausstellerzahlen. Die größten Jobmessen für Ingenieure sind Dortmund, Mün-chen, Ludwigsburg und Hamburg mit jeweils bis zu 1.000 Besuchern. Alle Termine finden wechselwillige Ingenieure und Hochschulabsolventen auf der Website.www.ingenieurkarriere.de/recruitingtag

VDI on tour

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40 PERSONAL · Heft 02/2011

Unternehmen brauchen qualifizierte Frauen mehr denn je. Händeringend werden gut ausgebildete Fachkräfte in allen Branchen gesucht. Inzwischen sind mehr als die Hälfte der Hoch-schulabsolventen weiblich. Sie stellen einen riesigen Talentpool dar. Und doch gelingt es nicht, die Anzahl weib-licher Manager deutlich zu steigern. Eine aktuelle Studie der Hochschule Pforzheim zeigt, dass Frauen schon beim Berufsstart trotz besserer Noten ein geringeres Einstiegsgehalt erhal-

ten als ihre männlichen Mitbewerber. Etwas überspitzt gezeichnet scheint es, als ob Männer im Ferrari voll durchstarten können, während sich Frauen auf einem Bobbycar abmü-hen hinterherzukommen. Das aber wirkt eher abschreckend. Deshalb ge-hen viele Akademikerinnen gar nicht ernsthaft ins Rennen, sondern biegen bei erster Gelegenheit ab und suchen sich andere Betätigungsfelder wie Fa-milie, weniger qualifizierte Jobs oder ehrenamtliche Tätigkeiten.

Pforzheimer Absolventenstudie

Der Gender Pay Gap – der Entloh-nungsunterschied zwischen Männern und Frauen, gemessen über eine Volkswirtschaft – stagniert in Deutsch-land seit Jahren bei etwa 23 Prozent. Als Ursachen für den geringeren Ver-dienst von Frauen werden in der Re-gel eine frauenspezifische Berufswahl (horizontale Segregation), Qualifi-kationsunterschiede im Vergleich zu Männern, die mangelnde Übernahme von Führungsverantwortung (vertika-le Segregation) sowie die verstärkte Wahrnehmung von Teilzeitarbeit und familiären Erwerbsunterbrechungen

genannt. Wenn nun alle diese Ursa-chen ausgeschlossen werden, wenn also nur die Gehälter von Berufsein-steigern mit der gleichen Qualifikation, in Vollzeitjobs und ohne familiäre Un-terbrechungen miteinander verglichen werden, dann dürften also eigentlich keine geschlechtsspezifischen Unter-schiede mehr bestehen. So weit die Arbeitsthese.Für die Studie wurden Daten aus Absolventenbefragungen im Zeit-raum von 1998-2008 von über 3.000 Absolventinnen und Absolventen der Hochschule Pforzheim verwendet.

Stichwörter in diesem beitrag

■ Karrierestart ■ Frauen ■ Männer

Prof. Dr. Kirsten Wüst, Statistik und Wirtschafts-mathematik, Hochschule Pforzheim

kirsten.wuest@ hs-pforzheim.de

Brigitte Burkart, Diplom-Psycholo-gin, Leiterin Pro-gramm SIK – So-zial-, Methoden- und Interkulturelle Kompetenz, Hoch-schule Pforzheim

[email protected]

pErSonalEntwicklung

Männer im Ferrari – Frauen mit dem Bobbycar: Der Start in die Karriere ist ein höchst ungleicher .

Karrierecockpit für frauen

Alle Ergebnisse der Studie haben die Autorinnen Kirsten Wüst und Brigitte Burkart in den WSI-Mitteilungen in Heft 6/2010 veröffentlicht. Der Titel des Ergebnisberichts: Womit haben wir das verdient? Weniger Geld bei besserer Leistungwww.boeckler.de

Die Studie

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PERSONAL · Heft 02/2011 41

Alle Befragungsteilnehmer hatten ei-nen Abschluss als Diplom-Betriebs-wirt mit unterschiedlichen Studien-schwerpunkten. Für die Ermittlung der Gehaltsunterschiede wurden nur Daten von Berufseinsteigern verwen-det, die bereits einen Vertrag für eine Vollzeitstelle vorliegen hatten. Es ergaben sich durchgängig über alle Studiengänge hinweg deutlich höhere Gehälter für die männlichen Absolven-ten als für die weiblichen. Im Durch-schnitt betrug die Gehaltsdifferenz rund 8 Prozent. Frauen mit der glei-chen Qualifikation verdienten schon im ersten Jahr ihrer Berufstätigkeit rund 3.000 Euro weniger als Männer. Zwar unterschieden sich die Durchschnitts-gehälter bei den einzelnen Studiengän-gen deutlich, in jedem Studiengang ver-dienten Absolventinnen aber weniger als ihre Kommilitonen. (Abb. 1)Diese Verdienstunterschiede lassen sich natürlich nicht allein auf das Ge-schlecht zurückführen. Es konnte auch gezeigt werden, dass eine um eine ganze Note schlechtere Abschlussnote die Verdienst erwartung um 6,5 Pro-zent sinken lässt. Ähnliche Ergebnisse wurden für die Integration eines Aus-landsaufenthalts in das Studium gefun-den. Allerdings: Die befragten Frauen konnten diese Qualifikation signifikant häufiger aufweisen als die Männer. Der Auslandsaufenthalt bewirkt eine Stei-gerung des erwarteten Einstiegsgehalts um 4,1 Prozent. Hätten also die Frauen nicht die bes-seren Noten und würden häufiger

während ihres Studiums ins Ausland gehen als ihre männlichen Kommilito-nen, so wäre der Unterschied zwischen den Einstiegsgehältern noch höher als die oben erwähnten 3000 Euro. Bei einer Folgebefragung nach vier bis neun Jahren Berufstätigkeit war die geschlechtsspezifische Gehaltsdiffe-renz sogar auf 20 Prozent gestiegen.

Gründe für die ungleichen Einstiegsgehälter

Betrachtet man nur die Befragung un-mittelbar beim Berufseinstieg, so kön-nen die üblichen genderspezifischen Erklärungsansätze für Gehaltsunter-schiede nicht herangezogen werden, da alle Erklärungsfaktoren für beide Geschlechter gleich gehalten waren. Es kann daher nur vermutet werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Gehaltsunterschiede entweder auf eine Selbstselektion der Frauen zu-rückzuführen ist oder dass Frauen bereits im Berufseinstieg tendenziell diskriminiert werden. Verschiedene Autoren berichten, dass Frauen sich häufig bewusst für einen Lebensstil entscheiden, in dem die Karriere nicht im Mittelpunkt steht. Sie sind eher bereit, eine weniger gut bezahlte Stelle zu akzeptieren, wenn sie erwarten, dass sie auf dieser Stelle Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren können. Sollten die beobachteten Gehaltsun-terschiede tatsächlich auf eine Selbst-

selektion der Frauen zurückzuführen sein, dann müssten Frauen, die keine Familie planen, das gleiche Gehalt ver-dienen wie ihre Kollegen. Das Gegen-teil wird aber berichtet (Strunk et al., 2005). Selbst wenn Frauen und Män-ner in allen beobachtbaren Merkmalen identisch sind und keine Kinder haben wollen, werden Frauen in Unterneh-men anders behandelt als Männer. In diesem Fall spricht man von einer statistischen Diskriminierung: In der Annahme, dass die Produktivität von Frauen aufgrund von Erwerbsunterbre-chungen und -reduzierungen niedriger sei als die von Männern, werden Frau-en geringere Einstiegsgehälter angebo-ten, sie werden seltener befördert und erhalten weniger Weiterbildungs- und Aufstiegsangebote. Die Frauen spüren diese erschwerten Bedingungen, re-agieren mit Demotivation und ziehen sich aus dem Berufsleben zurück. Ein Teufelskreis entsteht (BMFSFJ, 2009). Eine Absolventin der Hochschule Pforzheim aus dem Abschlussjahrgang 2003 schrieb den Autorinnen nach der Veröffentlichung ihrer Studie: „Bis zum Ende meines Studiums dachte ich, das Thema „Gleichberechtigung“ wäre weitestgehend durch – und wur-de eines Besseren belehrt.“ So oder ähnlich optimistisch denken viele Studentinnen während ihres Studi-ums. Die meisten von ihnen werden im Berufsleben andere Erfahrungen machen. In der Pforzheimer Absolventenstu-die konnte gezeigt werden, dass sich Arbeitnehmerinnen aufgrund ihres Geschlechts stark benachteiligt füh-len, während ihre männlichen Kolle-gen eine Benachteiligung von Frauen in der Arbeitswelt nicht mehr wahr-nehmen. Nach vier bis neun Jahren Berufstätigkeit beurteilten 29 Prozent der Frauen es als „wichtig“ oder „sehr wichtig“, das „richtige Geschlecht“ zu haben, während nur rund 6 Prozent der Männer dieser Ansicht waren.

Karrierewege für frauen anders gestalten

Nicht nur die Startbedingungen sind für Akademikerinnen deutlich schlechter als die der männlichen Mitbewerber. Es gibt auch eine Reihe von Aufstiegs-

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Männer Frauen

Abb. 1: Einstiegsgehälter von männlichen und weiblichen Hochschulabsolventen (in Euro)

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42 PERSONAL · Heft 02/2011

pErSonalEntwicklung

barrieren, die der Karriereentwicklung von Frauen entgegenstehen. Um diese „gläserne Decke“ überwinden zu kön-nen, müssen Frauen mehr leisten und bessere Qualifikationen mitbringen als ihre männlichen Konkurrenten. Statt von einer gläsernen Decke sprechen Autoren auch von einer „löchrigen Pipeline“, durch die Frauen im Laufe der beruflichen Laufbahn herausfallen. Im mittleren Management beträgt der Anteil der weiblichen Führungskräfte gerade mal 15 Prozent, im oberen Ma-nagement nur noch 7,5 Prozent. Junge Frauen, die studieren, haben nicht das Ziel später in Teilzeitjobs zu arbeiten oder Hausfrau zu werden. Sie wollen aber auch nicht um jeden Preis Karriere machen. Sie suchen nach Möglichkeiten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Mit der Vereinbarkeits-problematik werden sie jedoch weit-gehend allein gelassen. In Deutschland

ist die Versorgung mit Ganztageskin-dergärten und Ganztagesschulen noch äußerst unbefriedigend. Nur fünf Pro-zent der allgemein bildenden Schulen bieten einen ganztägigen Schulbetrieb an. Eine Gesellschaft, die sich für die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern einsetzt, hat aber dafür zu sorgen, dass Rahmenbedingungen für die Betroffenen geschaffen werden. Hier sind sowohl die Politik als auch die Unternehmen gefragt.Für karriereinteressierte Frauen ist der Zeitpunkt jetzt so günstig wie nie: Die Wirtschaft erlebt gerade einen Aufschwung, der sich positiv auf den Bedarf an qualifizierten Nachwuchs-kräften auswirkt, zudem zwingen der demografische Wandel und der damit verbundene zu erwartende Fachkräf-temangel die Unternehmen dazu, sich für die Zielgruppe der weiblichen Hochschulabsolventinnen attraktiv zu machen. Unternehmen, denen es ge-lingt, ihre Attraktivität für diese Ziel-gruppe zu steigern, können aus einem enormen Talentpool schöpfen. Sie haben die Chance, Nachwuchskräfte zu gewinnen, die das Unternehmen langfristig voranbringen. Verbesserungsvorschläge für die Gen-der-Problematik gibt es viele. Wirklich erfolgversprechend sind nur Maßnah-men, die nicht darauf abzielen, Frau-en in die gleichen Karriereschemata zu pressen wie Männer. Es müssen vielmehr individuelle Karrierewege für Frauen geschaffen werden. Mut-

terschaft und Teilzeittätigkeit sollten nicht als Karriereknick oder Karriere-killer angesehen werden, sondern als Entwicklungsstufe. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, Potenzialanalysen und Talentsuche unter Jungakademikern ausschließlich im Zeitraum von drei bis fünf Jahren nach Studienabschluss durchzuführen. In dieser Phase begin-nen viele Hochschul absolventinnen aus biologischen Gründen mit der Fa-milienplanung. Selbst wenn sie aber dann nach einer kurzen Pause ins Berufsleben zurückkehren, sind sie häufig aus der weiteren Karrierelauf-bahn ausgeschlossen, obwohl sie sich in der Zwischenzeit durch die Führung eines kleinen Familienunternehmens in besonderer Weise qualifiziert haben. Berufsrückkehrerinnen müssen indivi-duelle Karrierewege, Kinderbetreuung und qualifizierte Tätigkeiten in Teilzeit angeboten werden, so dass der Auf-stieg in Führungspositionen für sie realisierbar wird.Andererseits gibt es auch immer mehr Frauen, die keine Familie haben und die stattdessen ohne Unterbrechung an ihrer Karriere arbeiten wollen. Hier sind wiederum andere Karriere-perspektiven gefragt. Es geht nicht dar-um, dass Frauen in exakt gleicher Wei-se Karriere machen sollen wie Männer, sondern darum, verschiedene Karri-erepfade gleichberechtigt zuzulassen und zu fördern: über ein individuell einstellbares Karrierecockpit. (Abb. 2) Frauen wollen gar keinen Ferrari, sondern lieber ein individuell aus-gestattetes Cabriolet (mit oder oh-ne Kindersitz). Ihr Ziel ist es nicht, Männer auf dem Karriereweg zu überholen. Sie wollen einfach selbst ihren Weg und ihre Geschwindigkeit bestimmen, kurze Pausen einlegen können und dann mit neuen Kräften und Kompetenzen ihren Weg weiter verfolgen. Damit können sie in Zu-kunft zu einer enormen Bereicherung der Berufswelt beitragen.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ent-geltungleichheit zwischen Frauen und Männernwww.bmfsfj.deDeloitte & Touche: A Hole in the Pipeline, Harvard Business Schoolwww.caseplace.orgThe gender pay gap – Origins and policy responses, European Com-missionhttp://epp.eurostat.ec.europa.eu

Internet-Tipp

Wolfgang Mayrhofer, Michael Meyer, Johannes Steyrer (Hg.): Macht? Erfolg? Reich? Glücklich? Einflussfaktoren auf Karrieren, Lin-de International, Wien 2005, ISBN 9783709300220, 24,90 Euro

Lese-Tipp

100%

Teilzeit:

0 Std. 40 Std.

Kinderbetreuung:

AnderePrioritäten

IntensiveTeilnahme

Weiterbildungs-maßnahmen:

Arbeitszeit-flexibilität:

Feste Arbeits-zeiten

100%flexibel

0% 100%

Arbeitsort-flexibilität: Karriere-

geschwindigkeit:

Pause Vollgas

Abb. 2: beispiel für ein individuell einstellbares Karriere-cockpit

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PERSONAL · Heft 02/2011 43

Wissenschaft und Praxis sind sich über die Wichtigkeit von Innovati-on einig – und darüber, dass in For-schung und Entwicklung (F&E) spe-zifische Bedingungen vorherrschen. Während Funktionen wie Produktion und Verkauf typischerweise durch ho-he Standardisierung und Formalisie-rung und durch zentralisierte Organi-sationsformen geprägt sind, zeichnen sich Forschung- und Entwicklungs-abteilungen durch hohe Varianz und Komplexität in den Tätigkeiten und durch dezentralisierte Organisations-strukturen aus. Diese spezifischen Charakteristika stellen besondere Anforderungen an das Management von F&E. Das Human Ressource Management kann mit gezielten An-passungen dem Management helfen, diese besonderen Anforderungen besser zu erfüllen.Die ETH Zürich untersuchte in einer Studie zum Thema Rekrutieren im F&E-Bereich verschiedene Rekru-tierungsstrategien auf ihre Eignung für Forschungsorganisationen. Hier-bei wurden – basierend auf 33 semi-strukturierten Interviews mit F&E- und Human Ressource-Managern aus Akademie und Industrie im Jahr 2008

– der Ablauf des Rekrutierungspro-zesses für Forscher erörtert und ana-lysiert. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich Anpassungen des allgemeinen Rekrutierungsprozesses für Forschung und Entwicklungsab-teilungen lohnen können. (Tab.)

Ad Rem versus Ad Personam

Der Rekrutierungsprozess wird grundsätzlich in fünf sequenziell ab-laufende Teilabschnitte gegliedert. Dazu zählen:• Bedarf ermitteln und Genehmigung einholen,

• Stellenprofil erstellen, • Kandidatenpool aufbauen, • Kandidaten evaluieren, • Stelle besetzen und Einarbeitung. Eine kritische Phase in diesem Pro-zess ist das Ermitteln des Stellenpro-fils. Hier werden Entscheide getrof-fen, die den restlichen Verlauf des Prozesses maßgeblich beeinflussen. Zweck dieses Teilabschnittes ist es, die

Aufgaben einer zu besetzenden Stelle zu definieren. Weiter werden in dieser Phase des Prozesses die Kriterien, die der Stelleninhaber mitbringen muss, ausformuliert. Dazu zählen Charakte-ristika wie Wissen oder Leistungsfä-higkeit. Grundsätzlich gilt hier in Pra-

xis und Wissenschaft der Grundsatz: je genauer desto besser. Eine Gefahr dieses Grundsatzes ist jedoch, dass eine elementare personalstrategische Frage nicht berücksichtigt wird: Ver-folgen wir eine Ad Rem- oder eine Ad Personam-Rekrutierungsstragie?Die traditionelle Ad Rem-Strategie versucht basierend auf einem spezi-fischen und präzise ausformulierten Stellenprofil eine Person zu finden, die mit dem Stellenprofil eine hohe

Stichwörter in diesem beitrag

■ Innovationsmanagement ■ Rekrutierungsprozess ■ Stellenanalyse

Sadri Tahar, wissen schaftlicher Mitarbeiter, Lehr-stuhl für Technolo-gie und Innovati-onsmanagement, ETH Zürich

[email protected]

Prof. Dr. Roman Boutellier, Vize-präsident für Personal und Ressourcen, ETH Zürich

[email protected]

Die ETH Zürich untersuchte Rekrutierungsstrategien für Forschung und Entwicklung (F&E).

Lösungsprozess lenken

Operative Charakteristika forschung und Entwick-lung

Produktion und Verkauf

• Ziele Qualitativ Messbar

• Unsicherheiten Viele Wenige

• Problemdefinition Offen Strukturiert

• Kultur Kreativität Effizienz

• Anteil Personalkosten Groß Klein

• Formalisierung Niedrig Hoch

• Zentralisation Niedrig Hoch

• Kontrollspanne Klein Groß

• Spezialisation Hoch Niedrig

• Koordination/Kontrolle Lateral/Selbstkontrolle Vertikal/Vorgesetzte

• Anteil Routine Arbeit Mittel Groß

• Anteil Nicht-Routine Arbeit Groß Klein

• Motivation Intrinsisch Extrinsisch

Quelle: Jain et al., 2010; Osterloh & Frey, 2000; Staehle & Conrad, 1999

Unterschiede zwischen forschung & Entwicklung und Produktion & Verkauf

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44 PERSONAL · Heft 02/2011

pErSonalEntwicklung

Übereinstimmung hat. Sie entspricht der großen Mehrheit der Rekrutie-rungsfälle. Dieses Vorgehen wird oftmals als universelles Best Practice angesehen und hat den Vorteil die aktuellen Bedürfnisse einer Orga-nisation zu befriedigen. Nachteile dieses Vorgehens sind jedoch, dass die Stellenanforderungen unter Um-ständen nicht 100 Prozent zu den Fähigkeiten der rekrutierten Person passen, da innerhalb einer avisierten Frist keine solche Person gefunden wurde.Im Gegensatz dazu wird mit der Ad Personam-Strategie, mit einem Schlagwort als Oberbegriff, eine exzellente Person gesucht, für wel-che erst nach der Rekrutierung die genauen Aufgaben und Leistungs-fähigkeiten im Stellenprofil defi-niert werden. Diese Strategie hat den Vorteil ein maßgeschneidertes Stellenprofil zu schaffen, das voll-umfänglich auf die Stärken und Schwächen des Stelleninhabers zu-geschnitten ist. Nachteilig ist, dass das Stellenprofil unter Umständen nicht ideal mit den Bedürfnissen der Organisation oder Unternehmung übereinstimmt.

Die Ad Personam- und die Ad Rem-Strategie unterscheiden sich also dahingehend, dass das Stellenprofil auf jeweils unterschiedliche Weise erstellt wird. Bildlich gesprochen wird das Stellenprofil bei der Ad Rem-Strategie top down und bei der Ad Personam-Strategie bottom up erstellt.

Übereinstimmungen suchen

Eine hohe Übereinstimmung zwi-schen Stellenprofil und Person ist natürlich eine ideale Grundlage für eine optimale Arbeitsleistung. Nach-folgend wird die Übereinstimmung von Stellenprofilen und Person für beide Strategien aus drei Perspekti-ven bewertet:• Stellenanforderungen definieren die fachlichen Anforderungen, die ein Stelleninhaber besitzen muss, um die der Stelle zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen. Die Überein-stimmung zwischen Stellenanforde-rung und Person zu maximieren ist das primäre Ziel des traditionellen Ad Rem-Rekrutierungsprozesses. Hierbei werden die Fähigkeiten des

Stellenanwärters mit den fachlichen Stellenanforderungen verglichen und bei guter Übereinstimmung kommt ein Kandidat in die engere Auswahl. Bei der Ad Personam-Strategie wird nicht ausgehend von einem Stellenprofil rekrutiert, son-dern nur von einem Schlagwort als Orientierungshilfe. Die im Verlauf des Rekrutierungsverfahrens erkann-ten Fähigkeiten von potenziellen Stellenanwärtern werden dazu be-nutzt, die tatsächlichen Bedürfnisse des Unternehmens zu erkennen, um damit das Stellenprofil auf der Stufe Stellenanforderungen explizit auszuformulieren. Dieses Vorgehen führt letztendlich zu einer optimalen Übereinstimmung von Person und Stellenanforderungen.

• Die Arbeitsgruppenanforderungen stellen sicher, dass die Kompatibili-tät eines Stellenanwärters mit seiner Arbeitsgruppe gewährleistet ist. Bei der Ad Rem-Strategie werden hier im Vorfeld zum Aufbau eines Kandi-datenpools konkrete Fähigkeiten de-finiert, die ein Stellenanwärter mit-bringen muss um optimal in die Ar-beitsgruppe integriert zu werden. Bei der Ad Personam-Strategie hingegen

„Ad Rem“-Rekrutierungsprozess

„Ad Personam”-Rekrutierungsprozess

• Top down Stellenanalyse • Detaillierte Spezifikation • F&E Manager

• Basierend auf Stellenprofil • HR Manager

• Basierend auf Stellenprofil • Vorscreening HR Manager • F&E und HR Manager

• Vorscreening F&E Manager • Exzellenz vor Profil • F&E und HR Manager • Erster Entwurf des Profils

• Persönliches Netzwerk • Erste Skizzen des Profils • F&E Manager

• Grobe Spezifikation • F&E Manager

Stellenprofil ermitteln

• Stellenprofil für Spitzen-kandidaten

Bedarf ermittelnStellenprofilerstellen

Kandidatenpoolaufbauen

Kandidatenevaluieren

Stellebesetzen

Bedarf ermittelnSchlagwortbestimmen

Kandidatenpoolaufbauen

Kandidatenevaluieren

Stellebesetzen

Abb.: Ad Rem- und Ad Personam-Rekrutierungsprozess für forschung und Entwicklung

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führt das Erkennen der Fähigkeiten und Eigenschaften des Stellenanwär-ters zur Ausformulierung von geeig-neten komplementären Fähigkeiten für das Team. Vielfach werden hier-bei aktuelle Schwächen oder zukünf-tige Bedürfnisse einer Arbeitsgruppe überhaupt erst erkannt.

• Mit den Organisationsanforderungen wird gewährleistet, dass ein Mitar-beiter zur Firmenkultur passt. Studi-en haben gezeigt, dass ungenügende Übereinstimmung zwischen Firmen-kultur und Mitarbeiter zu hohen

Fluktuationsraten und unzufriede-nen Mitarbeitern führen. Mitarbeiter sollten sich mit ihrem Unternehmen identifizieren können und sich im Unternehmenskontext wohl fühlen. Der vorherrschende Führungsstil und die gepflegten Werte sollten der Persönlichkeit des Mitarbeiters entsprechen. Das Ausformulieren von Organisationsanforderungen ist sowohl bei der Ad Rem- als auch bei der Ad Personam-Rekrutierungsstra-tegie im Vorfeld des Selektionspro-zesses sinnvoll. Bei F&E-Positionen, die als Startpunkte für programmier-te Karrierewege dienen, sollte insbe-sondere auf eine gute Übereinstim-mung zwischen Firmenkultur und Mitarbeiter geachtet werden.

Rekrutieren im f&E-bereich

Die Ad Personam-Rekrutierungs-strategie ist dann geeignet, wenn die Anforderungen an eine Stelle einen größeren Spielraum zulassen. Im F&E-Bereich, der durch hohe Komplexität der Ziele und Proble-me gekennzeichnet ist, stellt die Ad Personam-Strategie oft eine valide Option dar. Unsere Studienergeb-nisse zeigen, dass dies insbesondere in Situationen gilt, in welchen ein

F&E-Manager ein neues Innovati-onsprojekt aufbauen muss. Die Ad Personam-Strategie hilft dann die im F&E-Bereich oft nur implizit bewuss-ten Stellenanforderungen durch den Prozess der Rekrutierung zu erken-nen und explizit auszuformulieren. Ein Executive Manager der ABB hat den Sachverhalt sehr treffend folgen-dermaßen formuliert: „Im Verlauf des Rekrutierungsprozesses werde ich inspiriert durch das, was mir die Leute vorstellen, durch das, was sie gemacht haben. Dadurch schärft sich meine Idee was ich machen könn-te. Der Auswahlprozess dient also in zwei Richtungen. Man trifft viele Leute und versucht im Dialog mit den Leuten herauszufinden wo die Reise hingeht, um schlussendlich den pas-senden Kandidaten zu finden.“

Auf f&E-bedürfnisse eingehen

Die Antwort auf die Grundsatzfrage, ob Ad Rem oder Ad Personam ge-nutzt werden soll, hat Konsequenzen für den Ablauf des Rekrutierungspro-zesses. Bei der Ad Rem-Strategie kann strikt nach dem traditionellen Prozess-verständnis vorgegangen werden:• Bedarfsermittlung und -genehmi-gung,

• Stellenprofil ermitteln,• Kandidatenpool aufbauen,• Kandidatenevaluation, • Stellenbesetzung und Einarbeitung.Bei der Ad Personam-Strategie muss dieser Prozess jedoch adaptiert wer-den. Folgende Besonderheiten sind dabei zu berücksichtigen:• Der Aufbau des Kandidatenpools kann mit einem sorgfältig ausge-wählten Schlagwort und nicht mit einem detaillierten Stellenprofil ge-macht werden.

• Der Aufbau des Kandidatenpools funktioniert häufig am effektivsten über das bestehende Personennetz-werk der F&E-Abteilung.

• Das Vorscreening sowie die Evalua-tion des Kandidatenpools sollte pri-mär durch die F&E-Abteilung und nicht durch die Human Ressource Abteilung geführt werden.

• Das Stellenprofil wird parallel zum Rekrutierungsverfahren entwickelt

und wird schlussendlich basierend auf den Stärken und Schwächen des ausgewählten Stelleninhabers er-stellt. (Abb.)

Ausblick

Zusammenfassend lässt sich mit Hil-fe der ETH-Untersuchung feststel-len, dass neben der weit verbreiteten Ad Rem-Strategie die Ad Personam-Strategie im F&E-Kontext, insbe-sondere beim Aufbau von neuen Forschungsschwerpunkten, zu ins-gesamt besseren Ergebnissen füh-ren kann. Ad Personam-Rekrutieren bestätigt also zumindest im F&E-Bereich den Ansatz von John Kay: „Obliquity – Why our goals are best achieved indirectly“. Der britische Ökonom argumentiert: „Obwohl es sinnvoll erscheint alles im Voraus zu planen, ist dies oft gar nicht möglich: Ziele sind vielfach gar nicht gut genug definiert, die Struktur der Probleme verändert sich konstant, und man verfügt oft gar nicht über genügend Information.“ Offenheit ist ein Plus, denn: „Die Struktur der Pro-bleme wird erst durch den Lösungs-prozess erkannt.“

• Hilb: Integriertes Personal­Ma­nagement. Ziele – Strategien – In­strumente. Luchterhand, Heidel-berg 2009, ISBN 9783472075370, 39,90 Euro

• Ravi K. Jain, Harry C. Triandis, Cynthia W. Weick: Managing re­search, development and innova­tion: Managing the unmanage­able. John Wiley & Sons, Hobo-ken 2010, ISBN 9780470404126, 116 Euro

• John Kay: Obliquity – Why our goals are best achieved indirect­ly. Profile Books, London 2010, ISBN 9781846682889, 14 Euro

• Paul E. Spector: Industrial and or­ganizational psychology. John Wi-ley & Sons, Hoboken 2008, ISBN 978-0470129180, 103 Euro

Lese-Tipp

„Bei F&E-Positionen, die als Startpunkte für

programmierte Karrierewege dienen, sollte auf eine gute Übereinstimmung zwischen

Firmenkultur und Mitarbeiter geachtet werden.“

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trEffEn und trainiErEn

Erfolg GesundheitAm 1. und 2. März findet in Sonthofen das Eberhard Ulich Symposium statt. Un-ter dem Motto „Wirtschaftli-cher Erfolg braucht eine ge-sunde Arbeitskultur!“ gibt es Anregungen und Tipps zur Gestaltung der künfti-gen Arbeitswelt in einer äl-ter werdenden Gesellschaft. Die Teilnehmer und Refe-renten diskutieren vier The-menkomplexe: Gesundheit, beschleunigte Gesellschaft, Vertrauen und Architektur. Stefan A. Bayer, Präsident der Akademie für Arbeits-medizin leitet den Themen-komplex Gesundheit mit Impulsvortrag „Gesundheit ein Arbeitsleben lang be-ginnt bei den jungen Arbeit-nehmern“ ein. Bernd Fels vom Quickborner Team wird unter dem Themenkomplex „Inspirierende Räume – eine Heimat für Ideen“ das Unile-verhaus vorstellen, das mehr ist als nur ein Arbeitsplatz. Der Namensgeber des Sym-posiums, der Arbeitspsycho-loge Eberhard Ulich, wird in seinem Vortrag auf die drei Faktoren „Arbeit – Tätigkeit – Gesundheit“ eingehen. www.eberhard-ulich-symposium.de

Reich an IdeenDie Martin-Luther-Univer-sität Halle-Wittenberg führt am 30. und 31. März ihre alljährliche Personalkonfe-renz unter der Leitung von Manfred Becker durch. Die 18. Personalkonferenz steht unter dem Generalthema: „Armut an Nachwuchs, Reichtum an Ideen! – Leis-tungsfähige Personalarbeit zur Bewältigung personeller Knappheit“. In Vorträgen, Diskussionsrunden und Arbeitskreisen werden Kon-zepte des Kompetenz- und Talentmanagements sowie des Diversity Managements vorgestellt, die als Best Practice Beispiele Impulse

für die Generierung einer Arbeitgebermarke liefern. Die Konferenz richtet sich an Unternehmer, Geschäfts-führer, Personalleiter, Perso-nalreferenten, Personalent-wickler sowie Personal- und Betriebsräte. Ein attraktives Rahmenprogramm ergänzt die traditionsreiche Perso-nalkonferenz.http://personal.wiwi.uni-halle.de/personalkonferenz

Alter finanzierenVom 28. bis 30.März beschäf-tigt sich die 11. Handelsblatt-Jahrestagung mit dem The-ma „Betriebliche Altersver-sorgung 2011“. Vertreter aus Politik, Gewerkschaft und der Versicherungsbranche werden in Berlin über die Herausforderungen der be-trieblichen Altersversorgung (bAV) durch Insolvenzen und Finanzierungsengpäs-se in Folge der Finanzkri-se diskutieren. So geht Ar-beitgeberpräsident Dieter Hundt auf die Situation der Insolvenzsicherung der bAV ein. Den Rekordbeitrag zur PSVaG 2009 und Lösun-gen für die Bewältigung des höchsten Schadenvolumens seit Bestehen des Vereins er-läutert Martin Hoppenrath (PSVaG). Gemeinsam mit

Bernhard Wiesner (Robert Bosch GmbH) und anderen diskutiert er über die Re-formpläne zur Finanzierung der gesetzlichen Insolvenz-sicherung der bAV. Die Plä-ne der Bundesregierung zur Sicherung der gesetzlichen und betrieblichen Altersver-sorgung stellt Staatssekretär Andreas Strom (Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales) vor. Die politische Diskussion über die Zukunft der Alterssicherung bestrei-ten die Renten- und Sozi-alexperten aus allen fünf Parlamentsparteien sowie des Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschafts-bundes. Die Reduzierung der bAV-Kosten ist ein The-ma in einem der drei paral-lelen Fachforen. www.euroforum.de

Steuern steuernAm 16. und 17. März findet die 50. Münchner Steuer-fachtagung statt. In Bayerns Hauptstadt werden sich Ex-perten im nationalen, euro-päischen und internationa-len Recht mit Grundsatzfra-gen des Steuer- und Wirt-schaftsrechts auseinander-setzen. Unter Leitung von Eckehard Schmidt, Ministe-rialdirigent des Bayerischen

Finanzministeriums, wird beispielsweise der Präsident des Bundesverfassungsge-richts, Andreas Voßkuhle über „Steuerrecht im Ver-fassungsstaat“ referieren. „Europäische Grundfreihei-ten und nationales Steuer-recht“ ist das Thema von Ju-liane Kokott, Generalanwäl-tin beim EuGH in Luxem-burg. Auch Perspektiven der Unternehmensbesteuerung oder Nachfolgeplanung im Privatleben wie im Un-ternehmen stehen auf der Tagesordnung des von der Münchner Steuerfachta-gung e.V. unter Leitung von Moris Lehner organisierten Treffens.www.steuerfachtagung.de

InsiderwissenOrganisationsaufstellungen gelten als ein wirksamer Zugang zu den komple-xen Managementthemen unserer Zeit. In einjähriger Entwicklungsarbeit vertief-ten sich 20 Initiativen welt-weit in Professional Fields wie Marketing, Human Ressources, Leadership, Unternehmensübergabe, Internationalisierung und anderes. Das Best-of fließt bei der Internationalen Konferenz „Organisations-aufstellungen – intelligen-te Lösungen für Professio-nal Fields“ vom 15. bis 17. April in Wien zusammen. Veranstalter der Konferenz ist infosyon – das Interna-tionale Forum für System-aufstellungen in Organisati-onen e.V., Dachverband der internationalen Organisati-onsaufsteller-Community. Kooperationspartner ist die Wirtschaftskammer Öster-reich. Die Teilnehmer der Konferenz haben Gelegen-heit Methodenvertreter wie Gunthard Weber und Pro-fessor Matthias Varga von Kibéd zu erleben. www.infosyon.com

Am 29. März stellt Creditreform – das Unternehmermagazin aus der Verlagsgruppe Handelsblatt in Frankfurt Interim Management vor – und zwar unter dem viel versprechenden Titel: „Das innovative führungsinstrument“. PERSONAL-Herausgeber Rüdiger Kabst, Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen, wird mit dem Düsseldorfer Rechtsanwalt Oliver Bertram und Wolfgang Thost, Managing Partner der Münchner Atreus GmbH, über die Chancen, aber auch über die Hürden beim Einsatz von Interim Management sprechen. Neulinge brauchen keine Scheu zu haben: Die typischen Aufgaben von Interim Managern werden ebenso erläutert wie die juristischen Konditionen. Arbeits-, steuer- und so-zialversicherungsrechtliche Aspekte stehen ebenso auf der Agenda wie Vertraulichkeit, Datenschutz, Know-how und Wettbewerbsschutz und deren vertragliche Absicherung. Schließlich geht es um die ersten Schritte beim Umsetzen von Interim Management – und auch darum, aus erfolgrei-chen Praxisbeispielen zu lernen.

www.wirtschaftsseminare.de

Interim Management einsetzen

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PERSONAL · Heft 02/2011 47

SEminarE

Termin Seminartitel Seminarinhalt Ort/Veranstalter/Preis21. – 23. Februar Kommunikation und

Kooperation IDie Teilnehmer lernen die Gesetzmäßigkeiten von Kommunikation, Teamarbeit und Konflikten kennen.

Nettetal WestLB Akademie Schloss Krickenbeck Tel. 0 21 53/9 17-50 96 www.krickenbeck.de 1.295 Euro

24. - 25. Februar führen ohne Vorge-setzten-funktion

Diskutiert wird der Unterschied zwischen Führen und Coachen, aber auch die Frage, wie man sich Akzeptanz sichert.

Köln Euroforum Tel. 02 11/96 86-30 00 www.euroforum.de ab 1.899 Euro

28. Februar - 1. März

Einführung eines be-trieblichen Gesund-heitsmanagements

Im Rahmen der Schulung werden die Grundlagen eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements gegeben und darauf aufbauend die Strategien, Me-thoden und Instrumente vorgestellt.

Bonn concada Tel. 02 28/400 72 244 www.concada.de 869 Euro

5. März Souveränität – Professionell auf-treten

Inhalt des Seminars ist es unter anderem, gute Be-ziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und das eigene Selbstbewusstsein zu erhöhen.

Berlin Büro für Berufsstrategie Tel. 0 30/28 88 57-0 www.berufsstrategie.de 189 Euro

7. - 8. März Souverän führen in der Matrix

Die Teilnehmer lernen, sich strategisch zu positio-nieren und Ihre Leistungen intern zu vermarkten.

Schloss Hernstein (Österreich) Hernstein Institut für Management und Leadership Tel. +43/1/ (0) 5 14 50-66 11 www.hernstein.at 1.400 Euro

21. März Vorsprung durch Wissen – Gedächt-nistraining mit Mar-kus Hofmann

Die Teilnehmer erfahren, wie sie Erlerntes dauerhaft behalten und konkret abrufen.

Zürich (Schweiz) ZfU Leadership Academy Tel.+41/ 44/722 85 71 www.zfu.de 915 Euro 700 Euro (ZfU-Mitglieder)

21. - 22. März Grundlagen der Mitar beiterführung

Das Seminar ermöglicht den Teilnehmern, das eigene Führungsverständnis zu reflektieren und wachsende Selbstsicherheit im Führungsverhalten gerade auch in kritischen Situationen zu erlangen.

Wuppertal TAW- Technische Akademie Wuppertal Tel. 02 02/74 95 - 0 www.taw.de 930 Euro

24. - 25. März Psychologie für führungs kräfte

Erlernt werden das bessere Einschätzen von Menschen, eine erhöhte Selbststeuerung und der angemessene Umgang mit schwierigen Persönlich-keiten.

München Management Forum Starnberg Tel. 0 81 51/27 19-0 www.management-forum.de 1.795 Euro

24. - 25. März Das 1x1 erfolgreicher Mitarbeiterführung – So führen Sie Ihre Mitarbeiter zum Erfolg!

Die Teilnehmer erfahren unter anderem, wie sie Ziele definieren, Prioritäten setzen und Zielvereinba-rungen treffen.

Frankfurt am Main Management Circle AG Tel. 0 61 96/47 22 638 www.managementcircle.de 1.895 Euro

28. März - 1. April Wenn Späne fliegen: Coaching für frauen zwischen beruf und Privatleben

In diesem Seminar erfahren Frauen, wie der dop-pelte Einsatz von Beruf und Familie gut bewältigt und Burnout vermieden werden kann.

Dresden IAG Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallver-sicherung e.V. Tel. 03 51/457-19 18 www.dguv.de/iag-seminare 1.200 Euro

29. - 30. März Veränderungen er-folgreich umsetzen – Changemanagement für führungskräfte in Theorie und Praxis

Die Teilnehmer beschäftigen sich damit, wie man Veränderungsprozesse plant, gestaltet und steuert.

Bad Homburg Creditreform – Das Unternehmer-magazin aus der Verlagsgruppe Handelsblatt Tel. 0 69/24 24 47 50 www.wirtschaftsseminare.de 1.395 Euro 150 Euro Rabatt für Creditreform-Mitglieder

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48 PERSONAL · Heft 02/2011

Die Wirtschaftskrise 2009 hat den deutschen Mittelstand gebeutelt. Statt Personalentwicklung standen in vie-len Unternehmen Arbeitsabbau und Kurzarbeit auf dem Programm. Als die Forschergruppe um die St. Gal-lener Professorin Heike Bruch im ersten Halbjahr 2010 auszog, den Top Job Arbeitgeber 2011 zu finden, lag noch vieles im Argen. Umso über-zeugender stand die Phoenix Contact GmbH mit ihren 3.620 Mitarbeitern in Deutschland da: Das Blomberger Familienunternehmen kam gestärkt aus der Krise, weil es die Personalar-beit trotz Umsatzrückgangs glaubwür-dig vorantrieb.„Wir haben den Umsatzrückgang 2009 durch Kurzarbeit aufgefangen, in dieser Zeit trotzdem Nachwuchs-förderung betrieben und die Ausga-ben für Produktneuentwicklungen erhöht“, beschreibt Personalgeschäfts-führer Gunther Olesch zu Recht vol-ler Stolz. Denn seit die Konjunktur wieder angesprungen ist, sind die Auftragsbücher voll, und die Beschäf-tigten fahren Sonderschichten – für Produktneuheiten, die die Kunden goutieren.Was so einleuchtend klingt, war natür-lich kein Selbstläufer: Der Betriebsrat musste davon überzeugt werden, dass die Entwicklungsabteilung und der

Vertrieb von der Kurzarbeit ausge-nommen wurden; Geschäftsführung und Führungskräfte verzichteten nach intensiven Diskussionen auf Einkom-men, um als Vorbild glaubwürdig zu bleiben; und vor allem wurden die Mitarbeiter alle zwei Monate scho-nungslos über die wirtschaftliche Entwicklung informiert.

für ethische Werte werben

So mancher Personaler wird fassungs-los den Kopf schütteln und Revolten von Mitarbeitern und Vorstandskol-legen fürchten, wenn er solch klare Entscheidungen und Worte formulie-ren soll. Und tatsächlich ist die Krise nicht der richtige Moment, plötzlich und unvorbereitet das Miteinander zu entdecken. Die Wertschätzung als zentrales Element der Personalarbeit muss Tradition haben, damit es in der Krise Bestand hat. „Die Mitarbeiter merken, dass ihre Vorgesetzten fair mit ihnen umgehen. Das ist für uns kein soziales Gehabe, sondern eine Grundhaltung: Aufrichtig zu sein und Gutes zu tun erzeugt Motivation und Loyalität“, sagt Olesch, der landauf und landab auf Kongressen und in Artikeln für ethische Werte als den Sprit im Wirtschaftsmotor wirbt.

Als das Team vom Institut für Füh-rung und Personalmanagement der Universität St. Gallen im Mai 2010 die 3.620 Phoenix-Contact-Mitarbeiter befragte, zahlte sich die Personalarbeit aus. Das Unternehmen erhielt hohe Punktzahlen. Für die Wissenschaft-ler waren außerdem einzelne Projek-te des Verbindungs- und Elektronik-experten maßgebend. So wurden im Get2Project 2009 knapp 20 Jungaka-demiker für befristete Projekte ange-worben. Die Ingenieure sollten trotz Überkapazität bei den Arbeitsplätzen erste Berufserfahrung sammeln dür-fen. Jetzt – im Aufschwung – wurden fast alle Projektteilnehmer unbefristet eingestellt. Ein Gewinn für beide Sei-ten: Die jungen Ingenieure kennen das Unternehmen schon, und auch Arbeitgeber Phoenix Contact weiß, auf wen er sich einlässt. Die Einstellungspolitik ist ohnehin ein Teil des Erfolgskonzepts: In drei Stufen wird jeder Bewerber vom Aus-zubildenden über den Facharbeiter bis zur Führungskraft geprüft – in einem Projekt mit Präsentation und

Stichwörter in diesem beitrag

■ Top Job ■ Arbeitgeber des Jahres 2011 ■ Mitarbeiterführung

mitarBEitErführung

Wertvolles Gütesiegel

Top Job zeichnete am 27. Januar die besten Arbeitgeber Deutschlands aus. Gesamtsieger 2011 in der Größenklasse ab 501 Mitarbeiter wurde Phoenix Contact in Blomberg. Der familiengeführte Weltmarktführer für industrielle Verbindungstechnik errang den Titel bereits zum zweiten Mal.

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PERSONAL · Heft 02/2011 49

im Gespräch. Da zeigt sich, was zu-sammen passt, und die anschließende Fluktuationsrate bei dem Arbeitgeber im ländlichen Lipperland geht gegen Null.Auch nach Abschluss der Arbeits- und Ausbildungsverträge geht es anspruchsvoll weiter. Mitarbeiter sollen sich vom ersten Arbeitstag an entwickeln können. So in der Juni-or Business Unit, in der Azubis seit sechs Jahren selbstständig ein Unter-nehmen mit mehreren Geschäftsfel-dern führen. Unter anderen Produk-ten werden Lernträger herstellt und vertrieben. Außerdem betreuen die Auszubildenden die Lernplattform College-Online, auf der wie in einem Lexikon Wissen aufbereitet wird für die Nutzer. Fachinformationen und Erfahrungsberichte ergänzen sich. Die Jugendlichen entwickeln an ei-nem Tag in der Woche die Produkte, kümmern sich um die Kostenplanung und organisieren den Vertrieb – alles in Eigenregie, aber mit regelmäßigem Feedback vom Ausbilder.Schon früh hat das ostwestfälische Familienunternehmen sich mit dem demografischen Wandel beschäftigt, denn Fachkräftemangel ist in Blom-berg früher ein Thema als in den Metropolen Stuttgart oder München geworden. Außerdem passt es zum Menschenbild von Phoenix Contact, auch Nachwuchskräften mit weniger guten Voraussetzungen Chancen zu eröffnen. Im Projekt Aubicom können jedes Jahr 15 Hauptschüler durch zusätzlichen Unterricht ihre Ausbildungskompetenz ausbauen – mit Aussicht auf einen Ausbildungs-platz. Oftmals scheint bei der Personallogik in Blomberg der gesunde Menschen-verstand stärker durch als ausgefeilte Theorien. Beispiel Migranten: „Wir machen fast 70 Prozent unseres Ge-schäfts im Ausland“, so Gunther Olesch. „Da ist es doch klar, dass auch unsere Mitarbeiter aus ver-schiedenen Nationen kommen.“ 26 Nationen treffen aufeinander. Beispiel Behinderte: Mit einem An-teil von 7,5 Prozent beschäftigt das Unternehmen mehr Menschen mit Handicap als gesetzlich gefordert. Beispiel Ältere: Auch über 50-Jäh-rige werden angestellt, wenn sie im

Bewerbungsverfahren eine Aufgabe lösen, die zu ihrem künftigen Job gehört. Schließlich Beispiel Frauen: Junge technikinteres sierte Frauen können Ausbildung und Technik-studium kombinieren.

Vertrauen gewürdigt

In der Runde Top Job 2011 bewarb sich Phoenix Contact mit einem zweiten Unternehmen: Phoenix Contact Electronics mit 1.082 Mit-arbeitern, das hochkomplexe Steue-rungen für die kabellose Datenüber-tragung weit auseinander stehender Maschinen entwickelt, hat seinen Sitz in Bad Pyrmont . Das Ergebnis der Bewerbung: Die Firma erhielt am 27. Januar von Mentor Wolfgang Clement in Duisburg das Gütesiegel Top Job und steht damit ebenfalls in der Liste der 72 besten Arbeitgeber Deutschlands. Gewürdigt wurde von dem St. Gal-lener Wissenschaftlerteam die Trust-Philosophie: Ein halbes Jahr lang hat die Geschäftsleitung mit den Mit-arbeitern in Workshops einen Ver-trauens-Kodex erarbeitet. Jetzt gibt es in jeder Abteilung einen Verant-

wortlichen, an den sich die Kollegen mit Fragen und Problemen jederzeit wenden können. Auch auf Info- und Belegschaftsveranstaltungen brin-gen Mitarbeiter ihre Meinungen und Ansichten ein. Und vor allem: Sie werden – wie im Mutterhaus in Blomberg – regelmäßig informiert. Nachhaltigkeit heißt hier das geleb-te Schlagwort. Im Bereich Kultur & Kommunikation erhielt das Un-ternehmen unter anderem deshalb Bestnoten. Es sind all diese einzelnen Aspekte, die Phoenix Contact zum zweiten Mal auf das Siegertreppchen bei Top Job führt, und Phoenix Contact Elec-tronics als Newcomer gleich den drit-ten Platz beschert. Überzeugungstäter Gunther Olesch, der in seiner Freizeit in einer rockigen Band spielt, hat ei-nen griffigen Vergleich parat: „Die In-strumente des Personalmanagements wie Führungsverhalten, Flexibilisie-rung oder Gesundheitsangebote sind die einzelnen Töne. Doch erst die Kombination der Töne ergibt letztlich das Stück. Entscheidend ist es, dass der Rhythmus zur Situation passt. Im Moment ist der kraftvoll und energie-reich.“

Ruth Lemmer

Für die Top Job Arbeitgeber des Jahres 2011 untersuchten Professorin Heike Bruch und ihr Team vom Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen die Arbeit von 169 Personalabteilungen mittelständischer deutscher Firmen, die sich um das Gütesiegel beworben hatten. Gepunktet wird in den Kategorien Führung & Vision, Motivation & Dynamik, Kultur & Kommunika-tion, Mitarbeiterentwicklung & -perspektive, Familienorientierung & Demografie, Internes Unternehmertum. Im Auftrag der Medienagentur Compamedia und unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Clement, der nach Beendigung seiner politischen Laufbahn in diversen Aufsichts- und Beiräten sitzt – darunter bei Adecco und RWE Power – machten die Wissenschaftler dieses Mal das Thema Führung zum Schwerpunkt. Zusätzlich analysierten sie alle wichtigen Personalinstrumente und führten eine Mitarbeiterbefragung durch. Die 72 besten Unternehmen tragen das Gütesiegel Top Job. In drei Größenklas-sen (bis 100, 101 bis 500 und über 500 Mitarbeiter) wird aus diesen Besten der Spitzenreiter zum Arbeitgeber des Jahres gekürt. 2011 tragen den Titel: der thüringisch-hessische Baudienstleister Krüger + Schramm mit 70 Mitarbeitern, der gemeinsam entwickelte Teamregeln überzeugend umsetzt und die Unter-nehmensbeteiligung auf alle Mitarbeiter ausdehnen will, das hessische Elekt-rotechnikunternehmen Fujitsu Semiconductor Europe mit 350 Mitarbeitern, in dem alle Stellenbeschreibungen mit einem Kompetenzprofil versehen sind und Mitarbeiter in Jahresgesprächen entwickelt werden, sowie Phoenix Contact mit 3.620 Mitarbeitern.Das Top Job Gütesiegel hält ein Jahr. Die Runde für 2012 ist bereits eröffnet, Mittelständler können sich sofort bewerben. www.topjob.de

Arbeitgeber des Jahres 2011

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50 PERSONAL · Heft 02/2011

Der Bologna-Prozess bleibt auf Grund der wiederkehrenden Studentenpro-teste, der Hochschullehrerkritik an der Ausgestaltung der Abschlüsse und der Finanzierungsdiskussionen in den Landtagen – etwa jüngst in Nordrhein-Westfalen – auf der Tages-ordnung. Neben dem Protest gegen die Verdichtung im Bachelor- und Masterstudium stehen Gedanken zur Wiedereinführung des Titels und der Marke Diplom – vor allem als Dipl.-Ing. bei den technischen Abschlüssen. Die Diskussion rund um die Studien-gänge und Studierenden lässt sich mit vielen Facetten fast beliebig erweitern und findet nicht nur unter Fachleuten und Studierenden im Hochschulsektor statt, sondern auch in Unternehmen.Eine wesentliche Komponente – ab-geleitet aus den Konsequenzen nach dem Bologna-Prozess – möchte ich besonders herausstreichen: Künftig wird es völlig neue Bildungs- und Qualifizierungswege geben. Neben dem traditionellen Weg eines Bache-lorabschlusses mit einem konsekuti-ven Master direkt anschließend, steht

immer häufiger der Direkteintritt von Bachelorabsolventen in den Beruf. Diese werden früher oder später – nach Ihrem Berufseintritt – wieder an-fangen zu lernen und dann häufig be-rufsbegleitend einen Masterabschluss machen oder ein Executive MBA-Studium aufnehmen, und mit einer berufsbegleitenden Promotion oder einem PhD-Studium abschließen . Hier beginnt jedoch die Krux! Viele Absolventen erkennen nach ihren ers-ten Berufsjahren sehr genau, welche dieser konsekutiven oder nichtkon-sekutiven Ausbildungsabschlüsse für ihr berufliches Fortkommen nützlich sind. Sie wollen ihre Kompetenzen und ihre persönliche Employability erweitern und finden diese Chan-ce nicht nur bei staatlichen sondern auch bei privaten Hochschulen und Bildungseinrichtungen, die inhaltlich gute, jedoch teilweise sehr teure Aus-bildungsgänge anbieten. In der Regel hat der Einzelne durch seine bisher meist noch wenigen Ein-kommensjahre nicht die Möglichkeit, ein finanzielles Polster aufzubauen. Die Unternehmen haben häufig nicht die finanziellen Mittel und Budgets solche Studiengänge für alle Interes-senten voll zu finanzieren, und damit werden neue Wege der Studien- und Qualifizierungsfinanzierung gesucht, zumal sich Unternehmen oft zyklisch in der Konjunktur und den Budgets verhalten. In der politischen Diskussion befindet sich derzeit ein Stipendienmodell – das Deutschlandstipendium – mit ei-ner 50:50-Finanzierung (Hochschule/Wirtschaft) und 300 Euro monatlich

für die Besten eines Jahrgangs, dies aber in der Regel auf ein Jahr befris-tet. Das aber reicht hinten und vorne nicht für eine Finanzierung derarti-ger komplexer Abschlüsse. Ein MBA allein kostet zwischen 20.000 und 40.000 Euro. An Gebühren wohlge-merkt. Damit haben die Studierenden noch keine Nebenkosten – etwa für Wohnraum, Verpflegung und Lern-materialien – abgedeckt.Die Banken sind äußerst vorsichtig und zurückhaltend bei jungen Kre-ditkunden: Die Banker wollen in der Regel besicherte Studienkredite. Es sind deshalb dringend neue, private Investments nötig, um für die Talen-te Abhilfe zu schaffen. Hierzu gehört das Modell des Bildungsfonds. Priva-te Geldgeber können und sollen sich zusammentun und in die künftigen Fach- und Führungskräfte investie-ren. Die Rendite liegt im qualifizier-ten Nachwuchs. Meine bisherigen Erfahrungen zu Be-werbungen und mehr als 300 Verträ-gen des Festo Bildungsfonds mit Stu-dierenden bestätigen die Richtigkeit und die Nachfrage für einen solchen Lösungsweg: Ein fachlich übergrei-fender Deutschland-Bildungsfonds mit privaten Investoren ist für die Zukunftssicherung von Deutschland genauso wertvoll, wie ein Überziehen unserer Dächer mit Photovoltaik-Anlagen zur Vermeidung des hohen CO2-Ausstoßes.

mitarBEitErführung

PROVOKATION des Monats

Private Investoren gesucht

Prof. Dr. Peter Speck, Verant-wortlicher des Festo Bildungs-fonds, Festo AG & Co. KG, EsslingenGeschäftsführer Festo Lernzent-rum Saar GmbH,

St. Ingbert-RohrbachHonorarprofessor, Universität Stuttgart

[email protected]

www.festo­bildungsfonds.de

Internet-Tipp

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PERSONAL · Heft 02/2011 51

fordErn und fördErn

Zukunft durch bildungDer DIHK Deutscher In-dustrie- und Handelskam-mertag befragte mehr als 28.000 Betriebe und kann konstatieren, dass der de-mografische Wandel als Bedrohung in den Köpfen angekommen ist: Deutsche Unternehmen befürchten eine Vergreisung ihrer Be-legschaften, empfindlichen Nachwuchsmangel und den Verlust von Know-how. Den Unternehmenslenkern wird immer klarer, dass Personal-entwicklung eine wichtigere Rolle spielen wird. So rech-nen ein Viertel der befragten Firmen bereits jetzt mit ei-nem steigenden Weiterbil-dungsbedarf. Zudem wächst mit der Alterung in den Be-trieben die Gefahr, dass das langfristig aufgebaute Wis-sen der Mitarbeiter schlag-artig verloren gehen könnte. Jedes fünfte Unternehmen in der Industrie hat Angst vor einem solchen Wissens-verlust. DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann rät den Unternehmen drin-gend zu Maßnahmen, mit denen sie das Potenzial älte-rer Mitarbeiter stärker nut-zen können. Dazu gehören eine intelligentere Arbeitsor-ganisation, betriebliche Ge-sundheitsförderung und die Weiterbildung der Älteren.www.dihk.de

Unterschiede aufhebenBis zum 25. März, dem Equal Pay Day, läuft die Un-terschriftenaktion „Manns-bilder – Weibsbilder? – Neue Bilder“ des Aktionsbünd-nisses zum Equal Pay Day. Damit soll deutlich gemacht werden, dass Entgeltgleich-heit zwischen Männern und Frauen eine wichtige Voraussetzung für eine zu-kunftsfähige Gesellschaft ist. Zurzeit liegt der Unterschied zwischen dem, was Männer und Frauen verdienen, bei

durchschnittlich 23 Prozent. Wer die Petition unterzeich-net, solidarisiert sich mit den sechs Forderungen des Akti-onsbündnisses. Dazu gehört eine geschlechtsrollensen-sible Erziehung in Kinderta-geseinrichtungen und Schu-len sowie die entsprechende Ausbildung der Pädagogen. Außerdem wird eine Unter-nehmens- und Arbeitskultur gefordert, die eine sinnvolle Vereinbarung von Arbeit und Familie für Frauen und Männer gewährleistet. Zu-dem geht es um die gleich-mäßigere Aufteilung der El-ternzeit zwischen Müttern und Vätern sowie einem flächendeckenden Ausbau von Kindertageseinrichtun-gen und Ganztagsschulen. Schließlich wird angemahnt, Fehlanreize im Steuer- und Sozialversicherungsrecht wie das Ehegattensplitting abzubauen und die kosten-freie Mitversicherung nicht erwerbstätiger Ehepartner in der gesetzlichen Kranken-versicherung abzuschaffen. www.ipetitions.com/petition/ equalpayday2011

Coach werdenDie Akademie für Füh-rungskräfte in Bad Harzburg bietet die „Qualifizierung zum Coach im Business“ an. Diese Weiterbildung richtet sich sowohl an Personalent-wickler oder Führungskräf-te, die unternehmensintern als Coach tätig werden wol-len, als auch an Personen mit dem Ziel, selbstständig als Coach zu arbeiten. Teil-nehmen kann aber nur, wer bereit zur Selbsterfahrung ist. Die Methode basiert auf Ansätzen und Metho-den der humanistischen Psychologie, insbesonde-re den systemischen Bera-tungsstrategien, sowie der Transaktionsanalyse, NLP, Gruppendynamik, Trance-arbeit und Körpertherapie.

Reale Coaching-Sequenzen werden mit Teilnehmern ei-nes parallelen Nachwuchs-Führungskräfteseminars der Akademie ausprobiert. Während der vier Haupt-module bilden die Teilneh-mer eine feste Lerngruppe. Zwischen diesen vier Mo-dulen liegen Supervisions-tage. Am 1. April findet ein kostenloser Infotag in Bad Harzburg statt.www.die-akademie.de/seminare/co-infotag

Demografienetzwerk gründenDem demografischen Wan-del wollen die Unterneh-men im Frankfurt-Rhein-Main-Gebiet mit einem Demografienetzwerk be-gegnen. Auftakt dazu ist ein Kongress am 1. März in der IHK Frankfurt. Auf dem Kongress diskutieren Unternehmenslenker und Personalverantwortliche darüber, was der demogra-fische Wandel für Unter-nehmen, Kommunen und die Menschen in der Rhein-Main-Region bedeutet. Den Impulsvortrag hält

der Publizist und Unter-nehmensberater Winfried Kösters, Autor des Best-sellers „Weniger – bunter – älter: Wie der demogra-fische Wandel Deutschland verändert“. In vier Foren erfahren die Teilnehmer, welche Lösungsansätze und Good Practices es zu den verschiedenen Heraus-forderungen des demogra-fischen Wandels gibt. Ob es um die Frage geht, wie Fachkräftemangel „heilbar“ ist, ob der demografische Wandel ein Gewinn für die Frauen sein kann, mit wel-chen besonderen Fragestel-lungen sich Handwerksbe-triebe beschäftigen sollten oder welche Lösungen auf Ebene der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main an-setzen müssen: Die Teil-nehmer lernen praktische Lösungen kennen. Erklär-tes Ziel des Kongresses ist es, eine Aufbruchsstim-mung zu erzeugen für re-gional verankerte Initiati-ven, welche die Weichen für eine demografiefeste Zukunft stellen.www.demographiekongress.de

Die skandinavischen Länder Island (Platz 1), Norwegen (2), Finnland (3) und Schweden (4) weisen gemäß dem Global Gender Gap Report 2010 des World Economic Forum die größte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen auf. Dem Index dieses Berichts zufolge hat sich die Ge-schlechterdisparität in Frankreich (46) verstärkt, da sich die Anzahl Frauen auf Ministerposten in den vergangenen zwölf Monaten verringert hat. Deutschland fiel um einen Platz zurück und steht jetzt an 13. Stelle. Die USA (19) konnten die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern verringern und machten zwölf Ränge gut. Damit haben die Vereinig-ten Staaten in der fünfjährigen Geschichte des Berichts erstmals den Sprung unter die Top 20 geschafft. Dies ist darauf zurückzuführen, dass unter der aktuellen Regierung mehr Frauen in führenden Positionen vertreten sind und sich die Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern verringert haben. Klaus Schwab, Gründer und Executive Chairman des World Economic Forum, fordert eine richtige Geschlechterrevolution für die vollständige Gleichberechti-gung zwischen Mann und Frau. „Dadurch ließe sich einer-seits ein quantitativ und qualitativ wichtiger Talentpool mo-bilisieren und andererseits würde dies zu einem sozialeren Wertesystem in all unseren Institutionen führen.“

www.weforum.org

Gleichheit in Skandinavien

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52 PERSONAL · Heft 02/2011

Deutschland, ja die Welt, ist gespal-ten – schon wieder. Zumindest dann, wenn vom Thema Social Media und Datenschutz die Rede ist. Im Novem-ber 2010 brachte es Professor Peter Go-la auf der 34. Datenschutzfachtagung in Köln auf den Punkt: „Es gibt eine Teilung der Gesellschaft, wenn man über Datenschutz spricht. Die einen wollen ihr Recht auf Privatheit und informationelle Selbstbestimmung verteidigen. Sie erwarten dabei Hil-festellung von staatlichen Stellen und Datenschutzorganisationen. Für die Anderen steht das ungestörte Leben in der Computerwelt und den sozialen Netzwerken online im Vordergrund. Für diese – immer größer werdende – Gruppe sind die Begriffe Datenspar-samkeit und Datenvermeidung völlig ohne Inhalt und uninteressant.“ Dazu passt, was der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommu-nikation und neue Medien e.V. (BIT-KOM) am 9. November 2010 publik machte: 49 Prozent aller Unterneh-men informieren sich im Internet

über Bewerber, wie eine repräsen-tative Umfrage unter Geschäftsfüh-rern und Personalverantwortlichen zeigte. 45 Prozent der Unternehmen verwenden dazu Google, Bing oder andere Personensuchmaschinen. 21 Prozent recherchieren in sozialen Netzwerken, zum Beispiel Xing oder LinkedIn . 17 Prozent suchen in ande-ren Online-Netzwerken wie Facebook oder StudiVZ.Immer mehr Unternehmen recher-chieren aber nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern präsentieren sich selbst zum Beispiel auf Xing oder Facebook, um alle Möglichkeiten für Recruiting und Employer Branding zu nutzen. So haben unter anderem bereits 90 Prozent der deutschen HR-Manager eigene Profile auf Social Media-Plattformen. Dennoch zweifeln 50 Prozent der Teilnehmer der Studie „Web 2.0 – Ein komplexer Balance-Akt“, durch-geführt von der Firma McAfee, an der Sicherheit von Web-2.0-Anwen-dungen. 60 Prozent befürchten sogar einen möglichen Imageschaden durch den Missbrauch von Social Media im beruflichen Alltag.Wer im Unternehmen Xing, Face-book, Twitter, MySpace oder eine der anderen Social Media-Dienste nutzt, dem helfen die üblichen unterneh-mensinternen Verhaltensrichtlinien nicht weiter. Denn in den üblichen Arbeitsanweisungen finden sich im

Allgemeinen nur Vorgaben zum Um-gang mit Kollegen und Dritten, zum Beispiel Kunden, und zwar offline.

Eigene Regeln

Das Web 2.0 und damit die Social Media-Plattformen aber haben ei-gene Regeln. Hier bedarf es daher auch eigener Richtlinien – den So-cial Media Guidelines. Ein Großteil der Unternehmen hat jedoch keine verbindlichen Regelungen für ihre Arbeitnehmer im Umgang mit Soci-al Media. Dem Social Media Report HR 2010 zufolge besitzen immerhin 64 Prozent der deutschen Unterneh-men keine Social Media Guidelines. Dabei wird übersehen, dass der Umgang mit Social Media-Diensten weitreichende und unerwünschte Konsequenzen für Unternehmen ha-ben kann – von Imageschäden über arbeitsrechtliche Sanktionen gegen-über Mitarbeitern bis hin zu Schaden-ersatzansprüchen Dritter und hohen Bußgeldern durch Aufsichtsbehör-den. So wurde zum Beispiel bisher von vielen kaum bemerkt schon im Jahr 2009 eine Informationspflicht bei

Stichwörter in diesem beitrag

■ Social Media Guidelines ■ Datenschutz ■ Datenpannen

Dr. Jan Tibor Lelley , Fachanwalt für Arbeitsrecht, Essen

[email protected]

pErSonal und rEcht

Xing, Facebook oder Twitter bereichern – richtig genutzt – das Unternehmen, etwa beim Recruiting oder Employer Branding. Allerdings sind Social Media Guidelines unerlässlich, um möglichen Schaden abzuwenden.

Twittern – aber richtig

© fo

tolia

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PERSONAL · Heft 02/2011 53

Datenschutzpannen eingeführt (§ 42a Bundesdatenschutzgesetz). Im Extremfall müssen Unternehmen so auf Datenpannen durch halbseitige Anzeigen in mindestens zwei bundes-weit erscheinenden Tageszeitungen aufmerksam machen. Das kommt in der Praxis einer Publicity-Katastrophe gleich.Auch die Arbeitsleistung einzelner Mitarbeiter kann durch die Nutzung von Social Media beeinträchtigt wer-den. Schließlich surft nach einer Studie des Softwareunternehmens Sterling Commerce im Jahr 2008 im Durch-schnitt jeder Beschäftigte täglich 190 Minuten zu rein privaten Zwecken im Internet. Diese Tendenz nimmt erfah-rungsgemäß durch die Nutzung von Social Media-Plattformen noch zu. Dazu kann es schnell zu einem Ver-stoß gegen gesetzliche Regelungen kommen. Dazu gehört zum Beispiel der Urheberrechtsschutz (§§ 100, 97 Absatz 1; 106 Urheberrechtsgesetz). Dieser Fall kann leicht eintreten, wenn Mitarbeiter von ihrem Arbeits-computer aus Fotos, Videos oder Mu-sikdateien herunterladen oder sie auf Social Media-Plattformen im Internet online stellen.Derartige Gesetzesverstöße können durch die IP-Adresse der Arbeitsplatz-computer ohne weiteres dem Unter-nehmen zugeordnet werden. Und das Unternehmen sowie sein Management sind dann natürlich auch erster Adres-sat von Schadenersatzansprüchen oder sogar strafrechtlichen Sanktionen. Wei-ter sind Verletzungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts möglich, wenn Arbeitnehmer diskriminierende Inhal-te und Belästigungen publizieren oder sich negativ über Geschäftspartner, Mit-bewerber oder auch Konkurrenzpro-dukte auf einer Social Media-Plattform äußern. Auch hier drohen Schadener-satzansprüche oder wettbewerbsrecht-liche Verbotsverfügungen.Arbeitsrechtliche Folge für den Mitar-beiter kann in diesem Zusammenhang sowohl eine Abmahnung wie auch im Extremfall eine ordentliche oder au-ßerordentliche Kündigung sein. Näm-lich immer dann, wenn ein Mitarbeiter bewusst gegen Gesetze verstößt oder einen Schaden verursacht.Auf der anderen Seite nutzen Mitar-beiter Social Media-Anwendungen,

um ihre beruflichen Aufgaben effi-zienter erledigen zu können. Dazu gehören zum Beispiel Vertriebsmit-arbeiter, die über eine Social Media-Plattform neue Kunden akquirieren. Führende Plattformen sind an dieser Stelle mit 68 Prozent Xing und Face-book (Social Media HR Report 2010).

Präventiv handeln

Der Mindestinhalt von Social Media Guidelines ist davon abhängig, gegen welche gesetzlichen Normen in dem einzelnen Unternehmen möglicher-weise verstoßen werden kann. Auf solche möglichen Verstöße sollte zu Präventionszwecken in Social Me-dia Guidelines hingewiesen werden. In Betracht kommen zum Beispiel Verstöße gegen das Urheberrechts-schutzgesetz sowie gegen das Bundes-datenschutzgesetz, wenn Mitarbeiter zu offen mit Kunden- oder sogar Be-werberdaten umgehen. Ebenfalls denkbar sind Verstöße ge-gen das Telekommunikationsgeheim-nis oder gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wenn entsprechende Mitarbeiter auf Social Media-Plattformen verschleierte Wer-bung für ihr Unternehmen machen.Schließlich besteht die Gefahr arbeits-vertragliche Pflichten zu verletzen, wenn Mitarbeiter auf Social Media Plattformen Geschäftsgeheimnisse preisgeben oder negative Äußerun-gen über Vorgesetzte oder Kollegen veröffentlichen. Oftmals reicht für eine arbeitsvertragliche Pflichtverlet-zung schon die übermäßige Nutzung der Social Media und des Internets (Bundesarbeitsgericht, BAG, vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04 sowie BAG 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06). Nicht zu vergessen sind daher Sanktionen bei Verstößen gegen die Social Media Guidelines. Es sollte geklärt werden, wer, wie, wann und wie lange welche Social Media Plattformen nutzen darf.Bei einer allzu strikten Regelung könnten Social Media Guidelines ei-

nen Eingriff in die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) darstellen, soweit die priva-te Meinungsäußerung betroffen ist. In erster Linie dienen Social Media Guidelines aber der Regelung von Äußerungen im Zusammenhang mit dem Unternehmen. Daher geht es hier nicht primär um das Verbot der Meinung eines Mitarbeiters an sich, sondern um das Verbot zum Beispiel Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse zu veröffentlichen. Dies wird nicht von der verfassungsrechtlich garan-tierten Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Umsetzung

In der Personalpraxis gibt es im We-sentlichen zwei Wege der Umsetzung, um Social Media Guidelines für die Mitarbeiter verbindlich zu machen: Eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag oder der Abschluss einer Betriebsver-einbarung, die dann unmittelbar und zwingend für alle Mitarbeiter gilt (§ 77 Absatz 4 Betriebsverfassungsgesetz). Als einzige Alternative zur Aufstel-lung von Social Media Guidelines käme nur ein vollständiges Nut-zungsverbot in Betracht. Tatsächlich wird dies von einigen namhaften Unternehmen praktiziert – mit zwei-felhaftem Erfolg. Denn eine Folge ist natürlich, dass man einerseits das Schadensrisiko für das Unternehmen durch Social Media-Nutzung mini-miert. Andererseits aber wird eine mögliche effizientere Arbeitsweise durch die Nutzung verhindert. Zu schwer erklärbaren Widersprüchen kommt es, wenn man Mitarbeitern die Social Media-Nutzung untersagt, aber dann vom Unternehmen selber eine entsprechende Social Media-Seite be-trieben wird, zum Beispiel auf Face-book. Dort sind schon heute viele be-kannte Unternehmen aller Branchen vertreten, mit steigender Tendenz. Durch die wachsende Nutzerzahl von Social Media steigen auch die Gefahren für Unternehmen. Ebenso sollten die Folgen für eine unbedachte Nutzung durch Mitarbeiter beachtet werden. Dennoch ist es in vielen Fällen sinnvol-ler anstelle eines kompletten Verbotes der Social Media-Nutzung, entspre-chende Guidelines einzuführen.

Jan Tibor Lelley: Compliance im Ar­beitsrecht. Luchterhand, Köln 2010, ISBN 9783472076834, 42 Euro

Lese-Tipp

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54 PERSONAL · Heft 02/2011

Die Klägerin ist bei dem be-klagten Betrieb seit 2002 als Sachbearbeiterin tätig. Einen Betriebsrat gibt es in dem Unternehmen nicht. Gemein-sam mit zwei weiteren Kol-legen beschloss die Klägerin, eine Wahlversammlung zur Gründung eines Betriebsrats einzuberufen. Schriftlich for-derten die drei Mitarbeiter den Arbeitgeber auf, ihnen die zur Ausfertigung einer Wählerliste erforderlichen Unterlagen zu-kommen zu lassen.Der Geschäftsführer beanstan-dete, dass in diesem Schreiben die Firmenbezeichnung nicht korrekt angegeben sei. Dar-aufhin telefonierte die Klägerin am selben Tag kurz mit einem an der Vorbereitung beteiligten Kollegen, der nachfolgend die Anschrift korrigierte. Während ihrer Mittagspause trafen sich die drei Mitarbeiter, um das korrigierte Schreiben gemein-sam zu unterzeichnen. Dies nahm die Geschäftsführung zum Anlass, die Mitarbeiterin abzumahnen. Sie habe wäh-rend der Dienstzeit Tätigkeiten ausgeführt, die nichts mit ihrer eigentlichen Aufgabe zu tun hätten. Die Frau verlangte die Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte.Das Arbeitsgericht bestätigte die Richtigkeit dieser Forde-

rung. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Mitarbeiterin das Schreiben tatsächlich wäh-rend ihrer Arbeitszeit verfasst und unterschrieben habe. Selbst wenn man dies als wahr unterstelle, habe sie keine Ver-tragsverletzung begangen.Es sei unzulässig, Arbeitneh-mer, die eine Betriebsratswahl vorbereiteten, darauf zu ver-weisen, dass die erforderlichen Vorbereitungsarbeiten während der Pausen oder außerhalb der Arbeitszeit zu erbringen seien. Aus dem Rechtsgedanken des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 37 Abs. 2) folge, die Mitglie-der des Betriebsrates für die Durchführung der erforderli-chen Betriebsratsaufgaben von der Arbeitsleistung zu befreien. Dies müsse auch für die eine Wahlversammlung einberu-fenden Arbeitnehmer gelten. Die Klägerin habe keineswegs private Tätigkeiten während der Arbeitszeit erledigt.

(Arbeitsgericht Kiel; Urteil vom 16.09.2010 – 5 Ca 1030 d/10)

■ Die erfolgte Lehrstunde in Sa-chen Mitbestimmung war dringend notwendig. Betriebsratstätigkeit sollte von beiden Seiten für ein gedeihliches Arbeitsleben als för-derlich verstanden werden.

Mit dem als Bauleiter beschäf-tigtem Kläger bestand die ar-beitsvertragliche Vereinbarung, dass ihm ein Pkw auch zur privaten Nutzung zur Verfü-gung stehe. Während einer mehrmonatigen krankheits-bedingten Arbeitsunfähigkeit verlangte der Arbeitgeber nach einiger Zeit die Rückgabe des

Fahrzeugs und überließ es dem Mitarbeiter erst wieder nach dessen Arbeitsaufnahme. Für die Dauer des Fahrzeugentzugs verlangte der Mitarbeiter eine Nutzungsausfallentschädigung. Die Forderung blieb in allen Verfahrensinstanzen erfolglos. Das Bundesarbeitsgericht stellte dazu fest, dass die Gebrauchs-

überlassung eines Pkw zur pri-vaten Nutzung eine zusätzliche Gegenleistung für die geschul-dete Arbeitsleistung sei. Sie werde somit steuer- und abga-benpflichtiger Teil des geschul-deten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Ar-beitsentgelt sei aber regelmäßig nur für solche Zeiträume zu be-anspruchen, für die der Arbeit-geber überhaupt Arbeitsentgelt schulde. Nach Beendigung der Entgeltfortzahlungspflicht, fehle

es neben dem Anspruch auf Ar-beitsentgelt somit auch an dem Anspruch an eine zuzurechnen-de Sachleistung.

(BAG-Urteil vom 14.12.2010 – 9 AZR 631/09)

■ Das beklagte Unternehmen hat sich korrekt verhalten, denn es hat das Fahrzeug nur für die Zeit zurückgefordert, in der es kein Arbeitsentgelt zahlen musste. Der Streit war sachlich überflüssig, die Entscheidung bringt aber eine nützliche Klarstellung.

Erst vor wenigen Wochen mussten viele Arbeitgeber entscheiden, ob sie ihren Mit-arbeitern ein Weihnachtsgeld zahlen wollten. Erfolgt eine solche Zahlung mehrere Jahre lang, ohne dabei künftige An-sprüche deutlich auszuschlie-ßen, kann der Arbeitnehmer aufgrund der Regelmäßigkeit davon ausgehen, der Arbeit-geber wolle sich dauerhaft zu einer solchen Zahlung verpflichten. Das Bundesar-beitsgericht entschied, dass eine unklare allgemeine Klau-sel im Arbeitsvertrag einen zukünftigen Rechtsanspruch nicht durchbricht.Im Zeitraum 2002 bis 2007 erhielt der Kläger jeweils ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsverdienstes. Bei keiner der Zahlungen hatte der Arbeitgeber auf die Frei-willigkeit verweisen. Es fehl-te an einem ausdrücklichen Vorbehalt, über den Anspruch stets neu zu entscheiden. Aus wirtschaftlichen Gründen ver-weigerte das Unternehmen für das Jahr 2008 die Weih-nachtsgeldzahlung und wies auf eine Klausel im Arbeits-vertrag hin. Die bestimm-te: „Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarif-vertrag nicht vorgeschriebe-ne Leistungen wie Prämien,

Zulagen, Urlaubsgeld, Grati-fikationen, Weihnachtsgrati-fikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar.“Der Forderung des Klägers auf eine Zahlung auch für das Jahr 2008 gab das Arbeits-gericht statt. Das Landesar-beitsgericht wies sie in der Berufung ab. Die Richter des Bundesarbeitsgerichts folgten nun der Entscheidung der Erstinstanz. Ein im Arbeits-vertrag klar und verständlich formulierter Freiwilligkeits-vorbehalt vermöge zwar einen zukünftigen Anspruch auf eine Sonderzahlung ausschließen. Allerdings dürfe dieser Vor-behalt nicht mehrdeutig sein. Die hier verwendete Klausel sei nicht eindeutig formuliert und deshalb nicht geeignet. Denn die Klausel sei als frei-willige Verpflichtung des Ar-beitgebers zur Erbringung der Leistung lesbar.

(BAG-Urteil vom 08.12.2010 – 10 AZR 671/09)

■ Schon jetzt sollten Arbeitgeber, die sich für Weihnachtsgeld- und Sonderzahlungen eine Freiwil-ligkeit vorbehalten wollen, ihre Vereinbarungen auf Eindeutigkeit prüfen.

Ausgewählt und bearbeitet von Carl Werner Wendland

DienstwagenDie Überlassung eines Pkw zur privaten Nutzung ist an den Anspruch auf Arbeitsentgelt gekoppelt.

betriebsratswahlDie Vorbereitung einer betriebratswahl während der Ar-beitszeit kann nicht in jedem fall abgemahnt werden.

WeihnachtsgratifikationEin allgemein formulierter freiwilligkeitsvorbehalt reicht nicht aus, um die Zahlung einer Gratifikation auszusetzen.

auS dEm gErichtSSaal

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PERSONAL · Heft 02/2011 55

BüchEr

Stephan Proksch: Konflikt-management im Unter-nehmen. Mediation als In-strument für Konflikt- und Kooperationsmanagement am Arbeitsplatz. Springer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 9783642122224, 39,95 EuroKonflikte am Arbeitsplatz sind ebenso alltäglich wie in allen anderen Lebensbe-reichen. Stephan Proksch, Mediator und Unterneh-mensberater, zeigt in sei-nem praxisnahen und emp-fehlenswerten Buch, warum Kontroversen notwendig und sogar produktiv sind, wenn sie ernst genommen werden und von allen Be-teiligten aktiv bearbeitet werden. Nach einer allge-meinen Einführung ins The-ma Konflikte sowie in die klassischen Methoden des Konfliktmanagements stellt Stephan Proksch neuere, komplementäre Methoden vor, in deren Zentrum der Ansatz der Mediation steht. Der Autor erklärt unterhalt-sam und durch zahlreiche Fallbeispiele veranschau-licht, wie Mediation im Un-ternehmen ablaufen kann und welche Vorteile diese Methode bringt. Dabei stellt er konkrete Konfliktsituati-onen vor, ordnet diese in den theoretischen Kontext des jeweiligen Kapitels ein und liefert abschließend Lö-sungsmöglichkeiten. Sein Buch ist ein idealer Ratgeber für alle, die lernen wollen, Konflikte und Meinungsver-schiedenheiten konstruktiv auszutragen und nachhaltig zu klären.

Friedrich Geiselmann: Prozessoptimierung im Personalbereich – Shared Service Center Human Resources. Manage-ment & Karriere Verlag, Düsseldorf 2011, ISBN 9783929253191, 49 EuroWas gehört zum Kerngeschäft und was zum Drumherum? Oder auch: Was muss ein Unternehmen in den eige-nen Reihen erledigen und was kann man auslagern? Diese Fragen treiben Per-sonaler um – lange nur im Zusammenhang mit straffen Produktionsprozessen und rationalisierter Verwaltung, jetzt auch in der Betrachtung des eigenen Bereichs. Lohn-buchhaltung und Bewerber-management, Arbeitszeitver-

Jutta Rump, Thomas Sat-telberger (Hrsg.): Emplo-yability Management 2.0. Einblick in die praktische Umsetzung eines zukunfts-orientierten Employability Managements. Verlag Wissenschaft & Praxis, Sternenfels 2011, ISBN 9783896735706, 48 EuroDas Thema Beschäftigungsfä-higkeit oder Employability ist aktueller denn je. Gerade vor dem Hintergrund der derzei-tigen Arbeitsmarktsituation, in der sich das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit ver-festigt hat, gleichzeitig Fach-kräftemangel herrscht, Aus-bildungsplätze tausendfach unbesetzt bleiben und die demografische Entwicklung auf die Sicherung der Berufs- und Arbeitsfähigkeit der äl-teren Generation verweist. Jutta Rump, Professorin für Personalmanagement und Organisationsentwicklung, und Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deut-schen Telekom AG, liefern als Herausgeber mit dem vorliegenden Buch einen ganzen Strauß nützlicher Lö-sungsmöglichkeiten für die oben aufgelisteten Probleme. Die Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Praxis, allesamt Experten für Emplo-yability, beleuchten relevante Aspekte und diskutieren die Thematik vor dem Hinter-grund unterschiedlicher Ge-nerationen und Kontextfak-toren. Darüber hinaus be-schreiben sie nützliche Best-Practice-Beispiele, die zeigen, wie zukunftsorientierte Em-ployability praktisch umge-setzt werden kann.

waltung und Beurteilungssys-tem, Schulungsplanung und Talent Management: Disku-tiert werden diverse Aspekte des Personalwesens. Unter dem Schlagwort Shared Ser-vice Center Human Resour-ce (SSC HR) bündeln Un-ternehmen unterschiedlichs-te administrative Komplexe. Autor Friedrich Geiselmann, Diplomhandelslehrer, Per-sonalpraktiker und jetzt Be-rater schlüsselt auf, was ein SSC HR leisten kann. Er be-schreibt die Service-Mentali-tät und die Kundenorientie-rung – und spricht sich dafür aus, dass Unternehmen sich zusammentun und gemein-same SSC für ihre HR-Pro-zesse bilden. Fast drei Seiten lang ist die Auflistung der möglichen Aufgaben allein im Inhaltsverzeichnis. Das detailreiche Buch gibt einen exzellenten Überblick – und motiviert zur Diskussion. Personalpraktiker werden SSC HR nach der Lektüre mit ihrer Unternehmenskul-tur abgleichen können.

Social Entrepreneurship hat ebenso Konjunktur wie Cor-porate Social Responsibility. Auch hier stellt sich die Fra-ge: Ist es mehr als eine Mode oder ein Mythos? Der Belgier Alain Fayolle und Harry Matt-lay von der Birmingham City Business School geben hierzu einen umfassenden Überblick. Was gut so ist, denn im Un-terschied zur Corporate Social Responsibility ist Social Entre-preneurship nicht so bekannt. Dabei sind die Querverbindun-gen evident. Letztlich bildet in beiden Fällen Corporate Citi-zenship die Leitfigur. Vor allem erfolgreiche Unternehmer wie etwa Hasso Plattner oder Bill Gates unterstützen das so-

ziale Unternehmertum, weil unternehmerische Kreativität dazu beitragen kann, soziale Schieflagen anzupacken und Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Das vorliegende Buch startet mit zugrunde liegenden Visio-nen. In einem eigenen Teil wird die Situation in Frankreich be-schrieben, aber auch generell in Europa und nicht zuletzt das Verhältnis zur kommerziellen und zur öffentlichen Unter-nehmungsführung sowie der Nutzen sozialer Netzwerke. Das Buch endet mit offenen Fragestellungen für Theorie und Praxis – ein Anreiz für personalpolitisch Interessier-te, die über den Tellerrand hinausschauen wollen.

PERSONALBuchtipp

Alain Fayolle, Harry Mattlay: Handbook of Research on Social Entrepreneurship. Edward Elgar Publisihing Cheltenham, UK 2010, ISBN 978184844427, 125 Britische Pfund

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56 PERSONAL · Heft 02/2011

■ Von welchem beruf haben Sie als Kind geträumt?

Ich wollte tatsächlich Pilot werden .

■ Was kann Ihnen so richtig den Tag verderben?

Unaufrichtigkeit im engsten Um-feld.

■ Sie haben einen Tag frei – was machen Sie?

Pendeln zwischen Buchhandlungen und Coffee Shops.

■ Wann und was haben Sie zu-letzt geschwänzt?

Das gemeinsame Spinning mit der Geschäftsleitung am Mittwoch-abend.

■ Wofür geben Sie privat gerne Geld aus?

Für die Kernsanierung einer alten völlig zerfallenen Jugendstilvilla.

■ Auf welche der sozialen Errun-genschaften könnten Sie gut verzichten?

Auf die Mobilität von E-Mails. In den guten alten Zeiten des Telefons mit Wählscheibe hat es doch auch ganz gut funktioniert – zumindest deutlich stressfreier.

■ Sie führen ein bewerbungsge-spräch – welches Verhalten des Kandidaten kann Sie so richtig aufregen?

Mangelnde Denkgeschwindig-keit und den Punkt nicht machen können .

■ Wann und worin haben Sie sich denn zuletzt weiter-gebildet?

Vor kurzem, durch den Besuch ei-nes Unilever internen „We Care“-Workshops. Hauptinhalt war das Thema „Organizational Health“.

■ Angenommen, Ihr Personal-budget ließe sich verdoppeln – was würden Sie mit dem zu-sätzlichen Geld zuerst umset-zen wollen?

Zwei Dinge: Investitionen in die Führungskräfteentwicklung und in die Weiterentwicklung von Unter-nehmenskulturelementen.

■ Welche berufliche Entschei-dung war für Sie bisher die schwierigste?

Insgesamt vier Mal einen Expatriate- Auftrag einzugehen.

■ Sie haben Maschinenbau stu-diert und in Psychologie pro-moviert – gibt es aus beiden Welten Methoden, die Sie in Ihrer täglichen Arbeit weiter-bringen?

Ja. Um je ein Beispiel zu nennen: Aus der Welt der Technik habe ich sicherlich methodisch das struktu-rierte Denken mitbekommen und aus der Welt der Psychologie nutze ich bei meiner Arbeit Instrumente der Verhaltensreflektion – zum Bei-spiel das Unternehmenstheater.

■ Welchen Charakter wird die HR-Strategie von Unilever un-ter Ihrer führung erhalten?

Sie wird sich wesentlich in Rich-tung der Investition in Führungs-kräfte entwickeln und somit indirekt auf die Entwicklung der Führungs-, Kommunikations- und Entschei-dungskultur im Unternehmen zielen .

Schwerpunkt: Mitarbeiter führen■ Leadership

■ Personalgespräche

Weitere Themen:

■ Innovationsmanagement

■ Controlling

Im nächsten Heft lesen Sie:

fragEBogEn/VorSchau

PERSONAL finden Sie auch im Internet unter: www.PERSONAL-im-Web.de

PERSONALpersönlich

Ulf Werkmeister ist seit Ok-tober vergangenen Jahres Mit-glied im Management Board des Konsumgüterherstellers Unilever in Hamburg und als Vice President Human Resour-ces zuständig für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der 46-jährige Maschinenbau-ingenieur hat in Arbeits- und Organisationspsychologie pro-moviert. Er war zuletzt Vor-stand und Arbeitsdirektor des E-Commerce-Unternehmens D+S AG.