Himmel und Erde - NDR.de - Das Beste am · PDF fileHimmel und Erde Montag bis Freitag, 9.15...

download Himmel und Erde - NDR.de - Das Beste am · PDF fileHimmel und Erde Montag bis Freitag, 9.15 Uhr (NDR 1 Niedersachsen) 29. Mai bis 2. Juni 2017: Sehnsucht nach Afrika Von Karin Aulike,

If you can't read please download the document

Transcript of Himmel und Erde - NDR.de - Das Beste am · PDF fileHimmel und Erde Montag bis Freitag, 9.15...

  • Himmel und Erde

    Montag bis Freitag, 9.15 Uhr (NDR 1 Niedersachsen)

    29. Mai bis 2. Juni 2017: Sehnsucht nach Afrika Von Karin Aulike, Religionslehrerin i.R. aus Reppenstedt

    Die Victoriaflle, die roten Wste, der Sternenhimmel ber Namibia. Karin Aulike hat all das gesehen und tiefe Eindrcke mitgenommen. Davon erzhlt die pensionierte Religionslehrerin.

    Die Autorin

    Redaktion: Oliver Vorwald Evangelische Kirche im NDR Redaktion Hannover Knochenhauerstr. 38-40 30159 Hannover Tel. (0511) 32 76 21 www.ndr.de/kirche

    Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschtzt und darf nur fr private Zwecke des Empfngers benutzt wer-den. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Auffhrung in der ffentlichkeit, Vervielfltigung, Bearbeitung, bersetzung) ist nur mit Zustimmung der Ev. Kirche im NDR zulssig. Die Verwendung fr Rund-funkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.

  • Montag, 29. Mai 2015: Kalenderbltter Kalenderbltter, ich liebe Kalenderbltter. Nicht die, die nur das Datum anzeigen. Nein, es mssen schon welche mit Bildern, Sprchen, Bauernregeln und Tipps fr den Garten sein. Heute zeigt das Kalenderblatt einen jungen Mann. Er sitzt in einer Fugngerzone. Es ist warm, er trgt nur ein T-Shirt und eine verwaschene Jeans. Seine Fe stecken in Turn-schuhen. Auf den Knien eine Gitarre. Er wirft den Kopf in den Nacken, im Gesicht ein strah-lendes Lachen. Er hebt die rechte Hand, als wolle er gleich den schnsten Akkord spielen. Daneben ein kleiner Text: Weinend sagte Franziskus eines Tages zum Herrn: Ich liebe den Sonnenaufgang und die Sterne. Ich liebe Klara und ihre Schwestern. Ich liebe das Herz der Menschen und alle schnen Dinge. Herr, du musst mir verzeihen, denn nur dich sollte ich lieben. Franziskus lebte vor 800 Jahren in Italien. Als junger Mann verlie Franziskus seine Familie und verzichtete auf sein Erbe. Er fhrte ein Wanderleben. Wie Jesus wollte er nichts besit-zen. Er hat ein Lied geschrieben, darin beschreibt er die Wunder dieser Welt. Es ist der Son-nengesang: gelobt seist du, oh Herr. So beginnt das Lied. Und dann zhlt es die groen Werke Gottes auf: die Sonne, den Mond und die Sterne, Wind und Wasser, Feuer und Erde. Alle sind fr Franziskus unsere Geschwister. Tief im Herzen sprt er Gottes Antwort. Lchelnd antwortet der Herr: Ich liebe den Sonnenaufgang und die Sterne. Ich liebe Klara und ihre Schwestern. Ich liebe das Herz der Menschen und alle schnen Dinge. Mein Franziskus, du musst nicht traurig sein, denn das liebe ich auch. Der junge Mann auf meinem Kalenderblatt. Er hat verstanden: Die Liebe zu Gott und die Liebe zur Schpfung gehren zusammen. Man kann sie nicht trennen. Ganz nahe bei Gott zu sein und ganz in dieser Welt zuhause sein - gerade darin zeigt sich die Liebe zu Gott. Und so sitzt er auf der Strae, wirft den Kopf in den Nacken, blickt zum Himmel, lacht sein strahlendes Lachen, so sitzt der junge Mann auf der Strae. Die pure Freude am Leben. Die Hand zum Akkord erhoben. Gleich wird er singen: gelobt seist du, oh Herr. Dienstag, 30. Mai 2017: Wasserflle Vor Kurzem habe ich mir einen Traum erfllt. Auf meiner Reise nach Afrika habe ich die Vic-toriaflle besucht. Ich konnte es kaum erwarten, endlich vor ihnen zu stehen. Seit ich als Kind auf einem Kalenderblatt ein Foto der Victoriaflle gesehen habe, wusste ich: Einmal im Leben will ich diese Wasserflle sehen, unbedingt. Der schottische Missionar und Afrikarei-sende David Livingstone hat als erster Europer im Jahr 1855 vor ihnen gestanden. Tief be-eindruckt beschrieb er den Wasserfall als das Schnste, das ich in Afrika je zu Gesicht be-kam. So liebliche Szenen mssen selbst von den Engeln im Flug angestaunt worden sein. Heute gehren die Victoriaflle zum Weltnaturerbe. Und wenn man vor ihnen steht, wei man, warum: Auf einer Breite von fast zwei Kilometern strzt der Sambesi 108 Meter in die Tiefe. Ein unbeschreibliches Getse. Es verschlug uns die Sprache. Rauch, der donnert, nennen die Einheimischen die Flle. Ein riesiger Gischtnebel wabert ber den Wassern. Tausende von funkelnden, glitzernden und sprhenden winzigen Wassertrpfchen schwe-ben in der Luft, legen sich auf die Haut, befeuchten die Lippen. Und darber ein wunderba-rer, farbenprchtiger Regenbogen.

  • So muss es gewesen sein, als Gott die Welt ins Leben rief. Als Gott Himmel und Erde schuf, die Wasser trennte und ihnen einen Platz zuwies. Vom Beginn der Schpfung an fliet die-ses Wasser, seit Jahrmillionen. Wasser, ohne das der Mensch nicht leben kann. Wasser, das in Glauben der Religionen eine so groe Rolle spielt. Wasser des Lebens. Uns haben die Victoriaflle sozusagen noch einmal getauft: bis auf die Haut wurden wir durchnsst. Niemand hatte damit gerechnet, dass es diese meterhohe Gischt geben wrde. Und je nas-ser wir wurden, desto schner wurde es. Warmes Wasser, warme Sonne, die uns im Nu wieder trocknete. Wir haben gelacht, die nassen Haare geschttelt, dass die Tropfen nur so flogen. Und waren dankbar, dass Gott diese Welt so schn geschaffen hat. Mittwoch, 31. Mai 2017: Sternenhimmel ber mir wlbt sich ein unendlich hoher, samtblauer Himmel. Stern an Stern, als htte ein Maler Abermillionen Punkte dicht an dicht getupft, kaum eine Lcke. Wie das funkelt, schimmert und glitzert. Sie sind alle da: der Grtel des Orion, da der Kleine Wagen und dort der Groe. Und mittendrin das Kreuz des Sdens. Wir sind in Namibia, in Afrika. Mitten in der Wste, am Ende der Welt. Hier gibt es nichts. Um uns herum ist es stockfinster. Mit einer kleinen Taschenlampe beleuchten wir den schmalen Weg zur Unterkunft. Unheimlich. Nur nicht auf eine Schlange oder einen Skorpion treten. Kurz bevor wir das Quartier erreichen, schaue ich noch einmal nach oben. Dieser Sternenimmel. Jetzt wei ich auch warum die Milchstrae Milchstrae heit. Wie ein milchig-weies Band schlngelt sie sich ber den Himmel. Ich erinnere mich an das alte Kinderlied und summe leise: Weit du, wie viel Stern-lein stehen an dem groen Himmelszelt? Gott der Herr hat sie gezhlet, dass ihm auch nicht eines fehlet an der ganzen groen Zahl, an der ganzen groen Zahl. Nein, ich wei nicht, wieviel Sterne am Himmel stehen. Das kann niemand wissen. Ich habe auch nie versucht, sie zu zhlen. Angeblich soll man 6.000 von ihnen mit dem bloen Auge erkennen knnen. Aber ich frage mich: so viel Schnheit. Jede Nacht. Wozu ist sie da? Eine afrikanische Legende erzhlt dazu Folgendes: Am spten Abend gingen Solomon und Man-galiso spazieren. Der alte Mann fhrte den Jungen an der Hand. Die Sterne ber ihnen leuchteten hell und klar. Wo kommt denn das Licht der Sterne her?, fragte der Junge. Gott hat den Engeln befohlen, den Boden des Himmels mit Nadelstichen zu durchlchern, damit etwas Licht von seiner Herrlichkeit auf unsere Erde fllt, meint der Alte. Wie gro der Him-mel ist. Wie hoch und erhaben er sich ber uns wlbt. Und wie still die Nacht ist. Unwillkr-lich fasse ich nach der Hand meines Nachbarn. Und so stehen wir eine lange Zeit Hand in Hand in der Wste, mitten in der Einsamkeit. Geborgen unter dem Sternenzelt. Donnerstag, 1. Juni 2017: Wste Namibia. Es geht in die Wste. Wir fahren auf einer Schotterpiste. Rechts und links tiefrote Weiten, Steine, Gerll, kein Baum, kein Strauch, nur Staub und sengende Hitze. Skeleton, heit diese grenzenlose Einde, sagt unser Reisefhrer - Skelettwste. Das kann ja heiter werden, denke ich. Stundenlang immer geradeaus. Nur wir, niemand kommt uns entgegen. Nichts als Sand, kein Leben. Der trockne Fahrtwind schlgt mir ins Gesicht. So muss es auf dem Mond aussehen. Und doch, immer wieder haben sich Menschen genau in solche Land-striche zurckgezogen. Die drei groen Weltreligionen beginnen in der Wste: Das Volk Is-rael wandert 40 Jahre durch die Wste Sinai, erzhlt die Bibel. Dort bekommt Mose die Zehn Gebote. Jesus fastet 40 Tage in der Wste und kmpft dort gegen die Versuchungen des Teufels. Und Mohammed empfngt seine Offenbarungen bei seinen Reisen durch die Ws-te. Einige Antworten finde ich in einem alten afrikanischen Gebet: Lass mich langsamer gehen, Herr, und gib mir den Wunsch, meine Wurzeln tief in den ewigen Grund zu senken, damit ich emporwachse zu meine wahren Bestimmung Erflle mein Herz mit Zrtlichkeit und meine Augen mit Lachen.

  • Erflle meine Ohren mit Musik und meinen Mund mit Jubel und mein Herz mit Freude. Schenke mir immer wieder neu die Gnade der Wste: Stille, frisches Wasser und neue Hoffnung. Segne mich, Herr. Die Wste ist ein Ort der Selbstbetrachtung. Nichts lenkt ab. Vielleicht ist es auch die Stille. Doch diese Stille ist zunchst laut, wir sind sie nicht mehr gewohnt. Sie fllt uns Europern besonders auf. Sie rauscht in den Ohren. Und sie schmerzt. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wst und leer. So beginnt die Schpfungsgeschichte der Bibel. Tohuwabohu, so hat es einmal angefangen. Tohuwabohu, das heit im Hebrischen wst und leer. Und in diese Wste setzt Gott einen Garten, eine Oase. Aus ihr kommt das Leben. Unsere Erde. Freitag, 2. Juni 2017 - Freude an Gottes Schpfung Namibia. Vor Kurzem habe ich eine Reise durch das afrikanische Land gemacht. Ich bin im-mer noch begeistert. Wenn ich meinen Freunden berichte, gerate ich immer wieder ins Schwrmen. Mit leuchtenden Augen erzhle ich von der Wste, den Victoria-Wasserfllen und dem unendlichen Sternenhimmel. Einmal sagt ein Freund zu mir: Ja, da kann man wohl fromm werden. Verdutzt schaue ich ihn an. Meint er das ironisch? Nein, er ist ganz ernst. Er sieht meinen Blick und wiederholt: Sei ehrlich, du bist da fromm geworden, nicht wahr? Vielleicht bin ich nicht gleich fromm geworden, aber ich sehe die Welt mit anderen, neuen Augen. Ich schaue genauer hin und entdecke auch im Kleinen an die Spuren Gottes. Und ich bin dankbar, unendlich dankbar, dass ich in dieser wunderbaren Welt leben darf. Dass diese Welt so kostbar ist und gleichzeitig so zerbrechlich. Und dann falten sich die Hnde ganz von allein zum Gebet. Und das Herz schic