Hiroshima - Atomwaffen A-Z · Sadako Sasaki, ein Mädchen aus Hiroshima, war zum Zeitpunkt der...

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Publikationen der IPPNW Nagasaki Hiroshima 6. August 1945, 8:15 9. August 1945, 11:02 Eine Ausstellung der IPPNW Internationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung 1

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Publikationen der IPPNW

NagasakiHiroshima

6 . A u g u s t 1 9 4 5, 8 : 15

9. A u g u s t 1 9 4 5, 11 : 0 2

Eine Ausstellung der IPPNWInternationale Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung

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Sadako Sasaki, ein Mädchen ausHiroshima, war zum Zeitpunkt derAtombombenexplosion zwei Jahrealt. 1955 erkrankte sie als Zwölfjäh-rige an Leukämie. Eine Freundinerzählte ihr von der japanischenLegende, dass man, gesund werdenwürde, wenn man tausend Kranicheaus Papier faltet.

Sadako starb am 25. Oktober 1955.Sie hatte bis zu ihrem Tod 644 Kra-niche gefaltet.

Zusammen mit ihr und den in Hiro-shima umgekommenen Kindern wur-den die Kraniche zu einem interna-tionalen Symbol des Friedens. IhreMitschülerInnen gründeten die„Hiroshima Orizuru Kai“ und sam-melten Spenden für ein Denkmal,auf dem geschrieben steht:

This is our cry.This is our prayer.Peace in the world.

Tausende KranicheDie Geschichte von Sadako Sasaki

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Seit dem Abwurf der Atombomben aufHiroshima und Nagasaki scheint dieMenschheit nichts dazu gelernt zuhaben. Die atomaren Waffen habenihren Schrecken nicht verloren. Nochheute leiden die Überlebenden unterden Verletzungen, Diskriminierungenund den Spätfolgen der Bombe, dieauch die Folgegenerationen betreffen.Darüber hinaus müssen sie erleben, dassdie Entwicklung dieser Massenvernich-tungswaffen trotz ihres Leids vorange-trieben wird.

Die Bedrohung durch Atomwaffen istheute wieder aktueller denn je. DieSprengkraft der bis heute verbliebenen28.000 Atomwaffen würde ausreichen,das Leben auf dieser Welt auszulöschen.Und die Lage wird immer unübersicht-licher: Die USA planen neue Generatio-nen von Atomwaffen und immer mehrStaaten und nichtstaatliche Akteuregreifen nach dieser Massenvernich-tungswaffe. Bei den internationalenVerhandlungen zur Abrüstung undRüstungskontrolle dagegen herrscht einvölliger Stillstand.

Hiroshima – Nagasaki

Die erste Atomexplosion, Alamogordo, New Mexico, USA

Diese Ausstellung soll einen Überblicküber die Geschehnisse des 6. und 9.August 1945 in den Städten Hiroshimaund Nagasaki geben und über die neueBedrohung durch Atomwaffen informie-ren. Im Sommer 1945 ist Japan besiegt– aber der Kaiser und seine Generälegeben nicht auf. Ohne die japanischenFriedensgesten auszuloten; die Kapitu-lationsbedingungen für Tokio annehm-barer zu machen; auf den Kriegseintrittder Sowjetunion zu warten oder dieMacht der Atombombe über einemunbewohnten Gelände zu demonstrie-ren, beschließt die US-Regierung unterPräsident Truman den Einsatz der Atom-bombe. Wichtiges Kriterium für die Aus-wahl von Hiroshima war die Tatsache,dass die japanische Militärstadt bishervon Bomben verschont geblieben war.

Anzahl der Opfer binnen 4 MonatenHiroshima Nagasaki

Gesamtzahl der Opfer 136.000 64.000Tote am Angriffstag 45.000 22.000Tote nach dem Angriffstag 19.000 17.000Tote innerhalb von 4 Monaten 64.000 39.000

Verletzte am Angriffstag 91.000 42.000Überlebende Verletzte 72.000 25.000

Quelle: Ohkita, Takeshi: »Akute medizinische Auswirkungen in Hiroshima und Nagasaki« in »Last Aid – letzte Hilfe – Die medizinischen Auswirkungen eines Atomkrieges«, IPPNW, Neckarsulm 1985

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Shimomura Tokei-ten (Uhren- und Juwelengeschäft) 620 m östlich des HypozentrumsFoto: Shigeo Hayashi, Oktober 1945

Das Hiroshima-ken Sangyo Shorei Kan (Prefectural Industry Promotion Building) bekannt als »Atomdom«Foto: Eiichi Matsumoto, September 1945

Minami-Yamate-machi (Nagasaki Fortress Command)3,5 km süd-süd-ost vom Hypozentrum, der in Holzplanken gebrannte Schatten eines Soldaten

Die Stadt Hiroshima liegt am nördlichenUfer des Binnenmeers in Seto in West-japan. Am 6. August um 8 Uhr 15 Minu-ten und siebzehn Sekunden Ortszeitwurde die Atombombe „Little Boy“ infünfhundertachtzig Metern Höhe überder Stadt aus dem B-29-Flugzeug „EnolaGay abgeworfen. Zu dieser Zeit befan-den sich 340.000 bis 350.000 Menschenin der Stadt. Die Explosionskraft derAtombombe entsprach 12,5 KilotonnenTNT. In einem Umkreis von 0,5 km umden „Ground Zero“ waren 90 % der Men-schen sofort tot. Die Temperatur amHypozentrum betrug eine Sekunde langca. 3.000 bis 4.000 Grad Celsius. Andieser Stelle verdampfte alles, und esblieben nur die Schatten der Menschenund Häuser übrig.

Hiroshima

Mortalitätsrate in Hiroshima in Abhängigkeit von der Entfernung der Explosion

Entfernung vom Explosionszentrum (km) <0,5 0,5–1,0 1,0–1,5 1,5–2,0 2,0–5,0

Mortalität am 1. Tag 90% 59% 20% 11% <4%Mortalität insgesamt 98% 90% 46% 23% <4%

Übernommen aus: ›The Impact of the A-Bomb‹ 1985, S. 90; und ›Last Aid‹, S.175.

Zerstörung von Gebäuden in Hiroshima (Druckwelle, Brände infolge der Explosion)

Entfernung vom AnteilExplosionszentrum zerstörter Gebäude<1 km 100%1–2 km 98,8%2–3 km 91,2%3–4 km 83,2%4–5 km 66,5%> 5 km 17,7%

Nakaichi Nakamura „In der Dämmerung des Abendskam eine Person auf mich zu, im Hintergrund die letz-ten Strahlen der Abendsonne. Als sich die Gestaltnäherte, konnte ich eine Frau von etwa 25 Jahrenerkennen. Ihr Körper war übersät mit schwärendenBrandwunden, ihre Haut hing in Fetzen herunter. Festan die Brust gedrückt, hielt sie in den Armen ein totesBaby. Hilf meinem Kind! flehte sie mich an. Ich wolltesie zuerst behandeln, da ihre Verletzungen sehr ernstwaren, aber sie stammelte weiterhin gebrochen, ichsollte etwas für ihr Kind tun. Ich versprach ihr, dassich tun würde, was ich könne, und nahm das toteBaby in meine Arme. In dem Moment, in dem sie umihre Last erleichtert war, brach die junge Frau vor mei-nen Füßen zusammen. Sie war tot, ehe ich mich ver-sah. Um das Leben ihres Kindes zu retten, war siedurch Feuer und über Trümmerhaufen gegangen,angetrieben von dem Drang, Hilfe zu suchen.“

aus: Hibakusha, Wir haben überlebt, Augenzeugen aus Hiroshima und Nagasaki berichten

Eine ungeheure Druckwelle, die auch imUmkreis von 40 Kilometern wahrgenom-men wurde, zerstörte die Stadt. Es folg-ten Feuerstürme mit Windgeschwindig-keiten über 250 km/h und Bodentem-peraturen von über 1.000 Grad Celsius.Glas und Eisen schmolzen, der Asphaltbrannte.

Am Ende des ersten Tages starben nachkonservativen Schätzungen mindestens45.000 Menschen. Der Druck ließ dieinneren Organe der Menschen zerplat-zen, die Augäpfel hingen vielen Opfernaus den Augenhöhlen. Die Kleidungbrannte sich in die Haut hinein, so dassviele Menschen, obwohl fast nackt,nicht als Mann oder Frau zu unterschei-den waren.

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10. August 1945, Nagasaki

Bei Tagesanbruch beginnt Yosuke Yamahate zu fotografieren.Unter seinen ersten Bildern befindet sich das Portrait einesJungen mit seiner Mutter. In ihren Händen halten sie gekochteReisbälle, die sie als Notrationen empfangen haben. 700 m süd-süd-östlich des Hypozentrums.

Gegen 7 Uhr, nahe des Bahnhofes von Nagasaki, 2,3 km süd-süd-östlich des Hypozentrums. Ein Junge trägtseinen verletzten jüngeren Bruder.

Gegen 14 Uhr an der Michinoo Bahnstation, 3,6 km nördlichvom Hypozentrum entfernt. Während diese Mutter aufmedizinische Versorgung wartet, stillt sie ihr Kind.

*Anteil der Verletzten nur für die Überlebenden. Bei den Mortalitätsraten für Hiro-shima sind mit den jeweils ersten Werten die Prozentsätze der sofortigen Todesfälleam 6. August 1945 angegeben, mit den Werten in Klammern die Prozentsätze derbis Ende November 1945 eingetretenen Todesfälle. Die Angaben beruhen auf denDaten des Ausschusses für die Sammlung von Material über die Atombombenschä-den in Hiroshima und Nagasaki (Committee for the Compilation of Materials onDamage caused by the Atomic Bombs in Hiroshima and Nagasaki) Hiroshima and Nagasaki: The Physical, Medical and Social Effects of the AtomicBombings. Tokio 1981.

Prozentsatz der Toten bzw. Verletzten durch verschiedene Ursachen bei unterschiedlicher Entfernung von den Hypozentren Hiroshima und Nagasaki*

Hiroshima NagasakiEntfernung in km % %

Tote <0,5 90,4 (98,4)88,4

0,6–1,0 59,4 (90,0)1,1–1,5 19,6 (45,5) 51,51,6–2,0 11,1 (22,6) 28,4

Strahlenschäden 0–1,0 85,9 53,51–1,5 38,6 38,01,5–2,0 10,1 18,2

Verbrennungen 0–4,0 89,9 73,8Traumen 0–5,0 82,8 71,6(direkt und indirekt)

Nagasaki ist eine Hafenstadt, die amwestlichen Zipfel der Insel Kyushu amOstchinesischen Meer liegt. Die Bevöl-kerung wird zum Zeitpunkt der Bombar-dierung auf zwischen 240.000 und260.000 Menschen geschätzt. In Naga-saki befanden sich etwa 30 Prozent derBevölkerung 2.000 Meter oder wenigervom Hypozentrum entfernt.

Um 11 Uhr und 2 Minuten Ortszeitwurde die Bombe auf Nagasaki von demB-29-Flugzeug mit dem Namen „Bock’sCar“ abgeworfen. Die Atombombe vonNagasaki wurde aufgrund ihrer Form„Fat Man“ genannt. Die Explosionskraftder Atombombe entsprach 22 Kiloton-nen TNT. Der Sprengpunkt befand sichetwa in einer Höhe von 503 Metern.

Die Explosion hat ihren Eingang in diejapanische Sprache gefunden. Das WortPikadon bezeichnet den unglaublichenKnall und das Aufblitzen des Lichtes derExplosion, das viele Menschen erblindenließ.

Die Zerstörungskraft der Atombombeüberstieg bei weitem Nagasakis Ret-tungskapazitäten. Ungefähr 22.000Menschen starben am Tag des Angriffs,42.000 wurden verletzt. Die medizini-sche Universität Nagasaki und ihr Kran-kenhaus, das wichtigste Versorgungs-zentrum war zerstört und viele Ärztegetötet oder verletzt. Was die Stadt anmedizinischen Notversorgungsmaßnah-men vorbereitet hatte, war bis aufsLetzte zugrunde gerichtet worden.

Nagasaki

Sumiteru Taniguchi „Ich lieferte die Post aus; mit meinemFahrrad war ich gerade in der Nähe der Mitsubishi-Waffen-fabrik, als etwa anderthalb Kilometer entfernt eine Atom-bombe abgewurfen wurde. Die Druckwelle der Detonationerfasste mich von hinten und wirbelte mich mit meinem Radin die Luft; ich stürzte zu Boden. Ich blieb mit dem Gesichtnach unten auf der Straße liegen. Als ich aufblickte, sahich, wie ein kleines Kind, das in der Nähe gespielt hatte,durch die Luft flog. Dann prasselten Steine herab, ungefähr30 Zentimeter im Durchmesser.“

aus: Hibakusha, Wir haben überlebt, Augenzeugen aus Hiroshima und Nagasaki berichten

Fotos: Yosuke Yamahata

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Hiroshima am westlichen Ende der Sakae-bashi (Brücke) kurz nach der Bombardierung am 6. August,Zeichnung Zenko und Chieko Ikeda

Mädchen mit Haarausfall im Alter von 11 Jahren, das sich 2 km südwestlich vom Hypozentrum inHiroshima befand. Es starb 1965. Foto: Shunkichi Kikuchi

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Strahlenexponierte Personen in %

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Krankheitsgefühl

Erbrechen

Übelkeit

Appetitlosigkeit

Haarausfall

Purpura

Oropharyngeale Läsionen

Blutungen

Fieber

Durchfälle

Zahnfleischulzera

Blutige Durchfälle

Prävalenz von Symptomen und Befunden bei Personen, die wenigerals 1000 m vom Hypozentrum der Hiroshimabombe entfernt waren.Die Strahlendosis betrug 447 rad. Bei den Durchfällen sind blutigeDurchfälle enthalten.

Nach der Explosion ging schwarzer,schmierig-öliger Regen auf Hiroshimaund Nagasaki nieder. Er entstand beider Abkühlung des Feuerballs, weil Was-ser um die radioaktiven Partikel herumkondensierte. Das radioaktive Wasserblieb an der Haut und der Kleidung derOpfer kleben. Die Außentemperatursank so stark ab, dass die Menschen zufrieren begannen.

Die höher geschleuderten Partikelgelangten erst später und weiter ent-fernt zur Erde zurück. Dieser Nieder-schlag (Fallout) setzte sich aus Produk-ten der Uran- oder Plutoniumkernspal-tung zusammen, aus nicht gespaltenenIsotopen und Überresten der Bombe,die durch Neutronen radioaktiv gewor-den waren.

Der Schwarze Regen und die Strahlenkrankheit

Die Strahlung wurde aber nicht nur überden Regen, sondern auch über denBoden, die Luft und die Nahrung aufge-nommen. Schließlich wussten die Men-schen nicht, das alles um sie herumradioaktiv verseucht war und trafenkeine Vorsichtsmaßnahmen.

Innerhalb von Stunden bis wenige Tagenach der Explosion machte sich bei denÜberlebenden die akute Strahlenkrank-heit bemerkbar. Die Symptome des Lei-dens: Schwindel und Erbrechen, Krämp-fe, Durchfall, Fieber, Schock, blutenderSchleimhautzerfall in Rachen, Kehlkopfund Darm, Haarausfall, Schluckbe-schwerden, punktförmige Hautblutun-

Paul Takashi Nagai „Schwere Regentropfen begannen zu fallen. Tropfen so groß wieFingerbeeren und schwarz wie Ruß. Sie bildeten Flecken wie Rohöl, wo immer sie fie-len. Sie schienen aus der dunklen Wolke über uns zu kommen. Die Szene wurde nochschauerlicher als zuvor. Und die Atmung wurde noch schwerer im Tal des Todesschat-tens. Der Sauerstoff in der Luft wurde vom Brand beansprucht und durch ein Übermaß an Kohlenoxyd ersetzt.“

aus: Die Glocken von Nagasaki, Geschichte der Atombombe, 1980

gen, Bewusstlosigkeit – bis hin zumHirntod, zu tödlichen Magen-Darm-Störungen oder zu tödlichen Knochen-marksschädigungen. Auch die Men-schen, die später zu Such- oder Auf-räumarbeiten in die zerbombten Städtegeschickt wurden, wurden schwer ver-strahlt. Man spricht hier von den soge-nannten Zweitverstrahlten.

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Improvisiertes Lazarett, ca. 4 km vom Hypozentrum in Nagasaki, Zeichnung: Hiroshi Matsuzoe, 14 Jahre (1945)

„Die überlebenden Ärzte von Hiroshima– die Ordinationsräume und Spitälerwaren zerstört, die ärztliche Behelfeverstreut, sie selbst in verschiedenemAusmaß arbeitsunfähig – erklärten,weshalb so viele Bewohner ohne ärztli-che Behandlung blieben und warum soviele umkamen, deren Leben hättegerettet werden können. Von hundert-fünfzig Ärzten der Stadt waren fünfund-sechzig tot, und die übrigen waren zumgrößten Teil verletzt. Im größten Spi-tal, dem des Roten-Kreuzes, waren vondreißig Ärzten nur sechs diensttauglich,und von mehr als zweihundert Kranken-schwestern nur zehn. Der einzige unver-letzte Arzt war Dr. Sasaki. (…)

Dr. Sasaki arbeitete ohne Methode,nahm diejenigen, die in der Nähewaren, als erste vor und bemerkte bald,dass der Korridor immer voller wurde.Zwischen Abschürfungen und Risswun-den, wie die meisten Patienten des Spi-tals sie erlitten hatten, fand er furcht-bare Verbrennungen. Dann wurde ihmklar, dass die Verletzten von draußenhereinströmten. Es waren ihrer so viele,dass er die Leichtverwundeten zurück-zustellen begann. Er begriff, dass ernicht mehr erhoffen durfte, als die Men-schen vom Verbluten zu erretten. (…)

Hin- und hergezerrt in seinenbestrumpften Füßen, verwirrt durch diegroße Menge, schwindlig beim Anblickso viel blutigen Fleisches, verlor Dr.Sasaki all seine berufliche Besinnungund hörte auf, als geschickter Chirurgund teilnehmender Mensch zu arbeiten.Er wurde zu einem Automaten, dermechanisch reinigte, einschmierte, ver-band. (…)

Quelle: Hersey, John: „Hiroshima 6. August 1945, 8 Uhr 15“Athenaum Verlag, München 1982

Ein Arzt in Hiroshima

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Bis heute erkranken Überlebende derAtombombenabwürfe an Krebs und ster-ben daran – obwohl seit ihrer Strahlen-exposition über ein halbes Jahrhundertvergangen ist. Trotzdem ist nur wenigüber die Opfer, ihre exakte Anzahl undihre Erkrankungen bekannt. So sind dieschweren Strahlenverletzungen, dieunmittelbar zum Tode führten, bisheute nicht erforscht. Die meisten Men-schen sind in den ersten 5 Jahrengestorben, darunter viele Kleinkinder.Über diese Menschen wurde keine Stati-stik geführt.

Erst ab 1950 wurden die Opfer vonHiroshima und Nagasaki von der ABCC(Atomic Bomb Casualty Commission,einer gemeinsamen Agentur der USAund Japans), seit 1975 RERF (RadiationEffects Research Foundation, unter derSchirmherrschaft der US National Aca-demy of Sciences), untersucht. DieErgebnisse dieser Untersuchungen sindim Hinblick auf die Spätfolgen vonStrahlenbelastungen und die Niedrig-strahlung jedoch sehr umstritten.

Die RERF berichtete zwischen 1950 und1954 über eine erhöhte Rate von Leukä-miefallen, die bis 1978 anhielt. Für dieMenschen in Hiroshima lag die Leukä-mierate fünfzehnfach, für die in Naga-saki siebenfach höher als für die Men-schen einer vergleichbaren japanischenPopulation. Das Auftreten andererKrebsarten wurde erst später dokumen-tiert. Seit 1955 erhöhte Schilddrüsen-krebsraten, seit 1965 Brust- und Lun-genkrebserhöhungen und seit 1975 einvermehrtes Auftreten von Magen- undDarmkrebs.

Die genetischen Schäden und allgemei-nen Gesundheitsbeschwerden unter-suchte die RERF nicht. Sie stellte nurfest, dass die Krebsrate bei den Opfernerhöht war, die starker Strahlung ausge-setzt waren. Der weitaus größere Teilder Menschen war allerdings niedrigenStrahlendosen ausgesetzt. Bei ihnenbestünde, so glaubte die RERF, keinerhöhtes Krankheitsrisiko. Inzwischenhäufen sich jedoch die Berichte, dassauch kleine Strahlendosen Krebs verur-sachen können. Wissenschaftler habenin ihren Untersuchungen einen Zusam-menhang zwischen allgemeinen Krank-heiten wie Anämie, bestimmten Blut-krankheiten, Grauer Star und der Strah-lenexposition gefunden. Vor allem nachden Erfahrungen mit dem Gau vonTschernobyl glauben sie, dass Strahlen-exposition das Immunsystem angreiftund den Menschen für andere Krankhei-ten anfällig macht.

Wieviel Strahlung Föten im Mutterleibaufnahmen, ist nicht bekannt. In derFolge der Abwürfe kam es zu einer nichtgenau bekannten hohen Zahl von Fehl-

Langzeitfolgen der Atombomben auf die Menschen

Anzahl 20

18

16

14

12

10

8

6

4

2

01945 1950 1955 1960 1965 1970 1975

Häufigkeit der Neuerkrankungen an einer Leukämiebei Überlebenden von Hiroshima, die sich weniger als 2000 m vomHypozentrum entfernt aufhielten, und Erkrankungszeitpunkt.

Quelle: Ohkita, Takeshi: Medizinische Spätfolgen in Hiroshima und Nagasaki, in: Chivian, Eric/IPPNW: Last Aid – Letzte Hilfe – Die medizinischen Auswirkungen eines Atomkrieges, Jungjohann, Neckarsulm 1985

Akute Leukämien

Chronische Leukämien

Keloiden lähmen diese Handgelenke, trotz 13 Operationen, 1957

Verbrannt und halbblind, Hibakusha Masi Sakita,Foto von Haruo Kurosaki, 1970

Akihiro Takahashi, „Obwohl ich den Atombombenab-wurf überlebt habe, bekam ich 1971 chronische Hepa-titis, als Nachwirkung der radioaktiven Strahlung.Schon 14mal war ich deswegen im Krankenhaus undnoch immer brauche ich 3-4 Injektionen pro Woche.Außerdem leide ich an vielen anderen Krankheiten. MitAusnahme des Frauenarztes, des Kinderarztes und desPsychiaters habe ich sicher deswegen bereits alleFachärzte konsultieren müssen. Und ich habe nochimmer Angst vor weiteren Erkrankungen. Die Last unddie Qualen des Lebens empfinde ich sehr tief, dass ichmanchmal schier daran verzweifle.“

aus: „…auf keinem Auge blind! Atomwaffenfrei bis 2020“, Augenzeugenbericht des Atombomben-abwurfs über Hiroshima

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und Todgeburten. Ein Indiz dafür, dassgenetische Defekte oder eine zu hoheStrahlenbelastung für die Föten vorge-legen haben. Viele im Mutterleib be-strahlte Säuglinge wiesen Mikrozepha-lie, mentale Retardierung und einelangsamere Entwicklung als andere Kin-der auf.

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Asae Miyakoshi „Heute noch habe ich ab undzu Alpträume und sehe meine Kinder auf-schreien in den Flammen. Haben sie sehrgelitten? Ich hatte nicht einmal denen, diemich um Hilfe anflehten, etwas Wassergereicht. Gab es je schrecklicheres Leid alsdieses? Wie sehr ich mich auch bemühe, diese Erinnerungen zu verdrän-gen, die Schreie verfolgen mich immer noch immer. Ich habe nach demKrieg wieder geheiratet; aber ich bin kräftemäßig schwächer geworden,und heute kann ich bestenfalls am Stock ums Haus humpeln“.

aus: Hibakusha, Wir haben überlebt, Augenzeugen aus Hiroshima und Nagasaki berichten

Seit Jahrzehnten leiden die Überleben-den, die „Hibakusha“, wie sie auf ja-panisch genannt werden, an ihren Ver-letzungen, an Folgekrankheiten undseelischen Nöten. Viele Überlebendeverfielen bei dem Anblick der Toten undder verwüsteten Stadt in eine teil-nahmslose Haltung. Die meisten ver-loren ihre komplette Familie an einemTag, andere mussten zusehen, wie ihreEltern, Geschwister oder Kinder in denWochen nach der Bombardierung qual-voll ihren schweren Verletzungen erla-gen. Viele Überlebende wurden vonSchuldgefühlen gequält, etwa, weil sieihre Kinder nicht rechtzeitig vor demFeuer aus den Trümmern befreien konn-ten.Später, bei der Gründung einer eigenenFamilie standen die Hibakusha tausendÄngste durch, fragten sich, ob ihreKinder gesund zur Welt kommen würdenoder ob sie selbst als Eltern an denSpätfolgen erkranken würden und sieihre Kinder nicht versorgen könnten.Dazu kam die gesellschaftliche Ausgren-

zung der Opfer – aufgrund von Arbeits-losigkeit, Krankheit, Behinderung undihrem Sonderstatus als Hibakusha.

Ein Gesetz über die Behandlung derAtombombenopfer wurde erst im Jahre1957 beschlossen. Zwölf Jahre vergin-gen also, bis erste Versorgungsregelun-gen für die Hibakusha durchgesetztwerden konnten. Bis 1968 mussten dieÜberlebenden warten, um eine unent-geltliche ärztliche Betreuung zu bekom-men. Trotz allem ist die materielle Situ-ation der Hibakusha auch heute noch-mehr als unbefriedigend. Alljährlichsterben viele, denen es bis heute nichtgelang, eine bescheidene Rente zuerhalten.

Auch etwa 40.000 koreanische Zwangs-arbeiter haben die Atombomben über-lebt. Die meisten kehrten nach Koreazurück. Sie erhielten keinerlei Repara-tionszahlungen, weil Südkorea im Nor-malisierungsvertrag mit Japan 1965 auf

links: Hatsue Tominaga, Hiroshima, erblindete 1977 an den Spätfolgen des Atombombenabwurfs.

rechts: Yoshiko Nishimoto war 18 Jahre alt, als die Bombe fiel. Sie verbrachte 14 Jahre im Krankenhaus und hatte 65 Operationen.

Fotos von Ihetsu Morishita im September 1977

Die Hibakusha

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alle Ansprüche verzichtete. Im Januar2005 wurde die japanische Regierungzu Entschädigungszahlungen für vierzigSüdkoreaner verurteilt. Bisher hattenjapanische Gerichte die meisten Forde-rungen von koreanischen Opfern zu-rückgewiesen.

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Nach 4 Monaten

Am 1. Tag

0–5,0 km

Quelle: IPPNW: »Primitive Atomwaffen: Proliferation und Terrorismus-Gefahr«, Berlin 1997

Todesopfer innerhalb der ersten 4 Monate nach einer Atombombenexplosion (12,5 KT)im Münchner Stadtzentrum

Entfernung zur Explosion am 1. Tag nach 4 Monaten

0,0–0,5 km 4.640 5.0010,5–1,0 km 9.204 12.9481,0–1,5 km 5.195 13.5081,5–2,0 km 3.999 7.9982,0–3,0 km 2.075 4.1523,0–5,0 km 3.323 6.646

Um die Konsequenzen eines Atombom-benabwurfs über Deutschland plastischzu machen, werden in der hier abgebil-deten Grafik die Auswirkungen einerAtomexplosion in der Größe der Hiros-hima-Bombe im Stadtzentrum von Mün-chen dargestellt.

Die Berechnungen gehen von einerUran-Bombe mit einer Sprengkraft von12,5 Kilotonnen aus – vergleichbar mitder Hiroshima-Bombe. Angenommen dieHöhe der Detonation würde 580 Meterbetragen. Die durchschnittliche Bevöl-kerungsdichte von München beträgt6.610 Menschen pro km2 für die ganzeStadt. Die Berechnung gilt nur für einenUmkreis von fünf Kilometern vomExplosionszentrum – eine Fläche von78,5 km2 – weil über Hiroshima ledig-lich Daten über die Mortalitätsraten biszu dieser Entfernung existieren. Natür-lich würde das Sterben nicht an der 5-km-Grenze aufhören. Die Todesfällewerden auch nur für die ersten vierMonate kalkuliert, weil nur diese Datenaus Hiroshima zuverlässig sind.

Bombenangriff auf die Stadt München

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5 00112 948

13 5087 998

4 152

6 646

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Überblick über Atomwaffenarsenale weltweit

Staat Gesamtanzahl der Sprengköpfe Reserve

China (2003) ca.400Frankreich (2001) 350Großbritannien (2001) 200Indien (2001) 30–35Israel (2002) 75–200Nordkorea (2005) 0–10Pakistan (2001) 24–48Russland (2005) 7200 10 000 USA (2005) 5300 5000Gesamtzahl 13 579–13 743 15 000

Quelle Bulletin of Atomic Scientists, NRDC Nuclear Notebook 2001–2005;SIPRI Handbücher 1999–2004

11Atomwaffen heute

Der Finger ist nach wie vorauf dem roten Knopf:

Der Kalte Krieg ist längst vorbei. Aber:Bis heute bedrohen uns rund 28.000Atomwaffen im Besitz der neun Atom-waffenstaaten (USA, Russland, China,Großbritannien, Frankreich, Israel,Indien, Nordkorea und Pakistan). Dasist zwar weniger als die Hälfte derAtomwaffen auf dem Höhepunkt desKalten Krieges, jedoch noch genug, umdie Welt mehrere Male zu zerstören.96% der Atomwaffen gehören den USAoder Russland. Ungefähr 13.500 sindsofort einsatzfähig. Davon sind ca.4.000 in ständiger Höchstalarmbereit-schaft. Sie erreichen ihr Ziel in wenigenMinuten und Töten Millionen von Men-schen. Das Risiko eines versehentlichausgelösten Atomkrieges ist genausohoch wie im Kalten Krieg.

Die neue nukleare Bedrohung:

Aber es gibt heute noch eine zusätz-liche Gefahr. Die USA haben ein Tabugebrochen: Atomwaffen sollen nichtmehr nur der Abschreckung dienen,

sondern auch in bewaffneten Konflikteneingesetzt werden. Ein Strategiepapierdes Pentagon beschreibt Planspiele fürden Einsatz von Atomwaffen gegenmindestens sieben Länder, darunterRussland, China, Libyen, Syrien und„Achse des Bösen“: Irak, Iran und Nord-korea. Atomwaffen sollen einerseitsdort militärisch „präventiv“ eingesetztwerden, wo die angegriffenen Ziele kon-ventionellen Angriffen standhaltenkönnten; andererseits dort, wo Länderatomare, biologische oder chemischeWaffen besitzen. Wegen der „veränder-ten Bedrohungslage“ planen die USAMini-Atomwaffen oder bunkerbrechendeAtomwaffen zu entwickeln. WeitereStaaten wie z. B. Frankreich und Russ-land folgen diesem Weg in ein neuesnukleares Zeitalter. Damit wird die ato-mare Hemmschwelle herabgesetzt. Eswird suggeriert, dass solche Waffen ein-setzbar seien, weil sie nur minimale„kollaterale Schäden“ verursachen wür-den. Das Gegenteil ist wahr: Eine Atom-waffe, die in die Erde eindringt bevorsie explodiert, verursacht noch mehrtödliches Fallout als eine herkömmlicheAtomwaffe.

Atomwaffen für alle:

Und last but not least gibt es die Ver-breitung von Atomwaffen. 35 Jahre hates gedauert, bis der Atomwaffensperr-vertrag seine Glaubwürdigkeit verlor.Weil immer mehr Staaten sich durch dieUSA bedroht fühlen und irrtümlich mei-nen, nur Atomwaffen könnten sie dafürschützen, droht jetzt der Verkauf vonMaterialien und Wissen zum Bau derAtombombe auf dem freien Markt.

Overkill

Die gesamte verwendete Zerstörungs-kraft des 2. Weltkrieges gleicht 3 Mega-tonnen (der Punkt im Quadrat in derMitte). Bei einer Gesamtsprengkraft derheutigen nuklearen Arsenalen von7.500 Megatonnen gleicht das heutigeOverkill 2.500 Zweiten Weltkriegen. DerKreis unten in der Mitte zeigt die Zer-störungskraft eines einzigen „Trident“-U-Bootes. Zwei Quadrate dieser Grafik(300 Megatonnen) stellen die Zerstö-rungskraft dar, um alle mittleren undgrößeren Städte der Welt zu vernichten.

Page 12: Hiroshima - Atomwaffen A-Z · Sadako Sasaki, ein Mädchen aus Hiroshima, war zum Zeitpunkt der Atombombenexplosion zwei Jahre alt. 1955 erkrankte sie als Zwölfjäh-rige an Leukämie.

Die USA wollen »Mini Nukes« (Mini-Atomwaffen)und bunkerbrechende Atomwaffen ent-wickeln, eine Produktionsanlage fürPlutoniumkerne bauen und die Vorbe-reitungsarbeiten auf dem Atomtestge-lände in Nevada beschleunigen. NeueRaketen und Weltraumbomber sollenden Transport von Sprengköpfen anjeden Ort der Erde sicherstellen.Erweitert wird das Offensivarsenal umRaketenabwehrsysteme und Weltraum-waffen.

Frankreich modernisiert seine gesamte Atomstreit-macht mit neuen Raketen, Cruise Missi-les, Sprengköpfen und Bombern.

Großbritannien patroulliert auf den Weltmeeren perma-nent mit einem U-Boot und 48 Spreng-köpfen, will eine Anlage zur Entwik-klung neuer Atomwaffen bauen undprofitiert vom Modernisierungsschub inden USA.

Die atomare Welt

China reagiert auf die US-Raketenabwehrplänemit einer beschleunigten Modernisie-rung seines Arsenals, z.B. mit der Ent-wicklung einer Interkontinentalrakete,die jederzeit einsatzbereit sein könnteund einem Atom-U-Boot.

Russland verlautbarte im Oktober 2003, eineModernisierung der Atomstreitmachtdurchzuführen. 2004 kündigte ein russi-scher Beamter die Entwicklung einesneuen mobilen Sprengkopfes an, der einAbwehrschild umgehen könne.

Indien und Pakistan sind im Besitz von einigen DutzendAtomsprengköpfen. Sie arbeiten beidean Raketen größerer Reichweite undtragen so zur weiteren Destabilisierungeiner ohnehin schon gewaltträchtigenRegion bei.

Israel hat seine Atomwaffen nie offiziellbestätigt, verfügt aber über 75-200atomare Sprengköpfe sowie eine Band-breite von Trägersystemen wie Raketenund Bombern. Von U-Booten aus könn-te Israel atombestückte Torpedos undCruise Missiles abschießen.

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Die USA und Israel verdächtigen den Iran, ein geheimesAtomwaffenprogramm zu betreiben.Deutschland, Frankreich und Großbri-tannien versuchen, im Streit zu vermit-teln. Israel droht, die Anlagen im Iranzu zerstören, falls das Land Atomwaffenbaut. Bis heute beteuert der Iran, keineAtomwaffen bauen zu wollen und nurein rein ziviles Atomprogramm zubetreiben.

Nordkorea ist Anfang 2003 aus dem Atomwaffen-sperrvertrag ausgetreten. Ungewiss ist,ob Nordkorea wirklich im Besitz vonAtomwaffen ist, Pjöng-Jang behauptetjedoch, bereits Atomwaffen entwickeltzu haben. Der Grund: Verteidigunggegen die "feindselige" USA.

Die fünf sogenannten offiziellen Atomwaffenmächte.

Staaten, die außerhalb des Nichtverbreitungsvertrages Atomwaffen erworben haben.

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Die atomwaffenfreie Welt

Fast die gesamte südliche Hemis-phäre ist atomwaffenfrei. Durchrechtsverbindliche Zonen wird dieAtomwaffenfreiheit von bestimmtenStaaten und teilweise auch Meerengesichert. Diese Verträge zeigen unseinen Weg zum Ziel der Abschaffungvon Atomwaffen. Bereits die Ver-handlungen über solche Verträge wir-ken bei Konfliktsituationen deeska-lierend. Darüber hinaus müssen sichdie Atomwaffenmächte verpflichten,die Zonen zu respektieren. Mit jederweiteren Zone werden die Standort-möglichkeiten für Atomwaffen einge-grenzt und der atomwaffenfreie Raumerweitert.

Afrika, Südamerika, Mittelamerika, SüdpazifikDer Pelindaba-Vertrag regelt die atom-waffenfreie Zone in Afrika, der Vertragvon Tlatelolco betrifft ganz Süd- undMittelamerika, der Raratonga-Vertragden Südpazifik.

AntarktisDer Antarktis-Vertrag regelt die Nutzungder Antarktis ausschließlich zu fried-lichen Zwecken und verbietet jeglicheAtomexplosionen sowie die Entsorgungdes radioaktiven Mülls.Der Vertrag von Bangkok deckt einengroßen Teil von Südasien ab, leidernicht Indien und Pakistan. Auch dieMongolei hat sich für atomwaffenfreierklärt.

Weißrussland, Ukraine,KasachstanDie ehemaligen sowjetischen Republi-ken Weißrussland, Ukraine, Kasachstansind nach der Auflösung der Sowjetu-nion atomwaffenfrei geworden. AlleAtomwaffen wurden bis 1996 nachRussland abgezogen. Die drei Staatenhaben sowohl den Atomwaffensperrver-trag als auch den Atomteststoppvertragunterzeichnet und ratifiziert.

Südafrika zerstörte seine sechs Atomwaffen kurzvor dem Ende der Apartheid, um demAtomwaffensperrvertrag 1991 beizutre-ten und sich damit wieder in die inter-nationale Gesellschaft eingliedern zukönnen. Bis 1994 waren alle südafrika-nischen Atomwaffenanlagen komplettabgebaut.

Angestrebt werden noch Zonen inZentralasien und im Nahen Ostensowie auf der koreanischen Halbin-sel. Die Hoffnung ist, dass die Zonein Südasien Indien und Pakistankünftig einschließen wird. Seit lan-gem engagieren sich Friedensgruppenfür einen Abzug der US-Atomwaffenaus Europa, um zu einer atomwaffen-freien Zone in Mittel- und Osteuropazu gelangen.

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Atomwaffenfreie Zonen

Ehemalige Atomwaffenstaaten:Weißrussland, Ukraine, KasachstanSüdafrika

Angestrebte atomwaffenfreie Zonen:Zentralasiatische ZoneNaher OstenKoreanische HalbinselMittel- und OsteuropaSüdasien (Indien, Pakistan und Südostasien)

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„Die Zeit ist gekommen, zum vollständigen Verbot und zurvollständigen Abschaffung von Atomwaffen aufzurufen. Wir müssen unbedingt zusammen-arbeiten, um die vollständige Ächtung von Einsatz, Erprobung,Erforschung, Entwicklung, Herstellung, Stationierung und Lagerung von Atomwaffen zu erreichen.“

Die größte Petition der Erde wurde von mehr als 60 Millionen Menschen unterzeichnet.

Appell von Hiroshima und Nagasaki

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Die IPPNW setzt sich dafür ein,erdumspannend Bedrohungen fürLeben und Gesundheit abzuwenden.Wir arbeiten über alle politischenund gesellschaftlichen Grenzen hin-weg. Unsere Medizin ist vorbeugendund politisch: Wir setzen uns fürfriedliche Konfliktbewältigung ein,für internationale Verträge, für dieAbschaffung von Atomwaffen undAtomenergie und für eine Medizin insozialer Verantwortung. IPPNW – das steht für „InternationalPhysicians for the Prevention of NuclearWar“. In Deutschland nennen wir uns

„IPPNW – Deutsche Sektion der Interna-tionalen Ärzte für die Verhütung desAtomkrieges/Ärzte in sozialer Verant-wortung e.V.“ Die IPPNW ist vor zwanzigJahren von einem russischen und einemamerikanischen Kardiologen gegründetworden – zur Verhinderung eines Atom-krieges in den Zeiten des Kalten Krie-ges. Bis zum heutigen Zeitpunkt, wouns ein zweites Nukleares Zeitalterdroht, sind wir ein Ärzte- und Ärztin-nenverein geblieben.

IPPNW – ein komplizierter Name für ein einfaches Anliegen

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Wir forschen zu den Fakten und Hintergründen dergesundheitlichen, sozialen und politi-schen Auswirkungen von Krieg undAtomtechnologie.

Wir analysieren die Konfliktursachen und entwickelnfriedliche Lösungsstrategien. Dazu ver-öffentlichen wir Studien, Bücher, Bro-schüren und zeigen Ausstellungen.

Wir beraten politische Entscheidungsträger und Wis-senschaftler. Auf nationaler und inter-nationaler Ebene.

Körtestraße 10, 10967 BerlinTel: 030-693 0244, Fax: 030-693 8166E-Mail: [email protected]: www.ippnw.deRedaktion Xanthe Hall, Angelika WilmenGestaltung Tim Jech, Detlef Jech

Wir informieren die Öffentlichkeit und die Medien aufunseren Kongressen und Veranstaltun-gen, über unsere Anschreiben, Presse-mitteilungen und die Internetseite. Wirstarten Kampagnen, um unseren Forde-rungen Gehör zu verschaffen.

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Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW)

Mitmachen:Informieren Sie sich weiter zum Thema im Internet.> www.ippnw.de in der Unterrubrik Atomwaffen> www.atomwaffenfrei.de> www.atomwaffena-z.info

Zeigen Sie Filme zum Thema.> Hiroshima mon amour (Regisseur: Alain Resnais, Frankreich/Japan 1959, schwarz-weiß, 91 Minuten)> 20 Tage im 20. Jahrhundert: Hiroshima 6. August 1945 (ARD Dokumentation 1999, 42 Minuten)> Schwarzer Regen (Regisseur: Shohei Imamura, Japan 1988, schwarz-weiß, 100 Minuten)Diese Filme sind auf Videokassette in der IPPNW-Geschäftsstelle auszuleihen.

Bestellen Sie Materialien zum Thema.> IPPNW-Broschüre Hiroshima|Nagasaki, Juli 2002, 5 Euro> IPPNW-Aktuell Atomwaffen für alle?, Juni 2005> IPPNW-Aktuell Atomwaffenpoker in Deutschland, Januar 2005> IPPNW-Aktuell Mininukes & Bunker Busters, Februar 2004> auf keinem Auge blind!, atomwaffenfrei bis 2020, Augenzeugenbericht des Atombombenabwurfs über Hiroshima, Akihiro Takahashi, Agenda 21-Büro Hannover, 2005> Bastian Till, Wahnwitz Atomkraft. Vom Anfang in Berlin bis heute,IPPNW, Berlin 1995> Chivian, Eric/IPPNW (Hrsg.): Last Aid | letzte Hilfe |Die medizinischen Auswirkungen eine Atomkrieges, Jungjohann Verlagsgesellschaft, Neckarsulm 1985> IPPNW, IALANA, INESAP (Hrsg): Sicherheit und Überleben. Argumente für eine Nuklearkonvention, Berlin 2000