Höhere Zielwerte bei Endorganschäden

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80 MMW-Fortschr. Med. Nr. 22 / 2012 (154. Jg.) PHARMAFORUM Hypoglykämien bei älteren Typ-2-Diabetikern Neue Analyse bestätigt: Viele sind vermeidbar _ „Wie stark vor allem ältere Typ-2-Diabeti- ker zu Hypoglykämien neigen, wird allge- mein unterschätzt“, sagte Prof. Anthony Barnett, Birmingham/UK. Einer Studie zufol- ge treten bei bis zu 38% der Patienten Hy- poglykämie-Symptome auf (Alvarez-Guisa- sola F et al. Diabetes Obes Metabol 2008 (10) Suppl. 1: 25–32), und dies betreffe auch Patienten mit oraler Medikation, so Barnett. Die Assoziation von Hypoglykämien mit verringerter Lebensqualität, Therapiezufrie- denheit und Adhärenz sowie mit einer er- höhten Morbidität und Mortalität machen sie zu einem ernsthaften Problem. 85% der Ambulanz-Notrufe aufgrund von Hypoglykämien Um zu verdeutlichen, wie häufig Hypogly- kämien im Alltag und wie uninformiert viele Patienten sind, stellte Barnett eine 2011 pu- blizierte Untersuchung vor, für die Notruf- daten des East Anglia Ambulance Trust aus- gewertet wurden. Etwa 2800 Notrufe inner- halb eines Jahres standen im Zusammen- hang mit Diabetes mellitus. 85% wurden aufgrund von Hypoglykämien getätigt, „die meisten Betroffenen waren Typ-2-Diabeti- ker“, sagte Barnett. 44% der Patienten ga- ben an, keine Warnsymptome einer Hypo- glykämie gehabt zu haben, 28% waren sich nicht darüber im Klaren, woher die Symp- tome kamen. 80% der Notfallpatienten hat- ten seit mehr als zehn Jahren Diabetes, wa- ren also bereits älter. 55% hatten im ver- gangenen Jahr keine Schulung zum Thema Hypoglykämie erhalten. „Diese Fakten sind beängstigend“, so Barnett. Welche Vorteile Sitagliptin (z. B. Janu- via®, kombiniert mit Metformin Janumet®) im Vergleich zu den Sulfonylharnstoffen (SH) Glipizid und Glimepirid hat, verdeut- licht eine Posthoc-Analyse (Shankar R. et al. Diabetologie 2012; 55 (Suppl.1), S. 344, Ab- stract 834). Die gepoolten Daten entstam- men drei doppelblinden klinischen Studi- en, in denen Typ-2-Diabetiker bis zu 104 Wochen lang das Gliptin (100 mg/d) oder einen der beiden SH jeweils in Monothera- pie oder kombiniert mit Metformin erhal- ten hatten. Die Ergebnisse bei den 373 Pa- tienten im Alter von mindestens 65 Jahren nach etwa 30 Wochen Therapie: Bezüglich der HbA 1c -Reduktion ausgehend vom Ba- siswert 7,5% bestand mit –0,73%-Punkten bei Sitagliptin (n = 178) statistisch kein sig- nifikanter Unterschied zu einem der SH (n = 195, –078%-Punkte). Allerdings entwi- ckelten 28% der SH-Patienten eine oder mehrere symptomatische Hypoglykämien, mit dem Gliptin waren es nur 6%. Sarah L. Pampel Quelle: Symposium „The Evolution of Diabetes Management in the 21st century – the role of Sitagliptin“, EASD-Jahrestagung, Berlin, Oktober 2012 (Veranstalter: MSD); MSD-Pressemeldung vom 2.10.2012 Aktuelle Entwicklungen in der Hypertonie-Therapie Höhere Zielwerte bei Endorganschäden Studie vor Augen. In dem Bluthochdruck- arm der ADVANCE-Studie nahm die Ge- samtmortalität unter der Perindopril/Inda- pamid-Kombination (BiPreterax® N) dage- gen signifikant um 14% ab. INVEST und ACCORD haben Blutdruckzielwerte beeinflusst Verändert haben sich unter dem Eindruck neuer Studienergebnisse wie INVEST und ACCORD inzwischen die Zielwerte der Blut- drucksenkung für KHK-Patienten und Dia- betiker. Denn es hat sich gezeigt, dass bei Unterschreiten von 120/70 mmHg das Risi- ko für kardiovaskuläre Ereignisse wieder steigt. Die Leitlinien empfehlen deshalb heute, dass diese Patientengruppen einen Blutdruck von < 130/80 mmHg erreichen sollten, sagte Prof. Rainer Kolloch, Bielefeld (Abb. 1). Dieses Ziel ist in der Praxis schon schwer genug realisierbar, ebenso wie der Anspruch, alle Hypertoniker unter _ Ein Diabetes mellitus erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Hyperto- nikern erheblich. Eine allzu zielorientierte Blutzucker-Strategie kann bei diesen Pati- enten allerdings das Risiko für kardiovas- kuläre Ereignisse sogar steigern, führte Prof. Dr. Stefan Jacob, Villingen-Schwen- ningen anhand des Beispiels der ADVANCE- 140/90 mmHg zu bringen, so Kolloch. Ein einfacheres Therapieregime, insbesondere die Nutzung fixer Kombinationen, kann dazu beitragen, die Erfolgsquote zu stei- gern. Seit der HYVET-Studie weiß man auch, dass hochbetagte Patienten (> 80 Jahre) von einer Blutdrucksenkung profitieren. Das Risiko für tödliche und nicht tödliche Schlaganfälle nahm in dieser Studie unter Perindopril/Indapamid signifikant ab. Nach Leitlinien der deutschen Hochdruckliga sollte der systolische Blutdruck von sehr alten Patienten auf Werte unter 150 mmHg gesenkt werden, erklärte Dr. Ulrich Kintscher, Berlin. Dr. Angelika Bischoff Quelle: Symposium des Arbeitskreises „Hyperto- nie“ im BDI e.V. „Arterielle Hypertonie – Aktuelles zur Therapie“, DGIM-Kongress, Wiesbaden, April 2012 (unterstützt von Servier) Abbildung 1 Blutdruck-Einstellung in der Praxis Zielwerte für die antihypertensive Therapie 140/90 mmHg 130/80 mmHg Für Hypertoniker ohne besonderes Risiko Hypertoniker mit Endorganschaden ESH/ESC Guidelines for the Management of Hypertension

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Page 1: Höhere Zielwerte bei Endorganschäden

80 MMW-Fortschr. Med. Nr. 22 / 2012 (154. Jg.)

PHARMAFORUM

Hypoglykämien bei älteren Typ-2-Diabetikern

Neue Analyse bestätigt: Viele sind vermeidbar _ „Wie stark vor allem ältere Typ­2­Diabeti­ker zu Hypoglykämien neigen, wird allge­mein unterschätzt“, sagte Prof. Anthony Barnett, Birmingham/UK. Einer Studie zufol­ge treten bei bis zu 38% der Patienten Hy­poglykämie­Symptome auf (Alvarez­Guisa­sola F et al. Diabetes Obes Metabol 2008 (10) Suppl. 1: 25–32), und dies betreffe auch Patienten mit oraler Medikation, so Barnett. Die Assoziation von Hypoglykämien mit verringerter Lebensqualität, Therapiezufrie­denheit und Adhärenz sowie mit einer er­höhten Morbidität und Mortalität machen sie zu einem ernsthaften Problem.

85% der Ambulanz-Notrufe aufgrund von HypoglykämienUm zu verdeutlichen, wie häufig Hypogly­kämien im Alltag und wie uninformiert viele Patienten sind, stellte Barnett eine 2011 pu­blizierte Untersuchung vor, für die Notruf­daten des East Anglia Ambulance Trust aus­

gewertet wurden. Etwa 2800 Notrufe inner­halb eines Jahres standen im Zusammen­hang mit Diabetes mellitus. 85% wurden aufgrund von Hypoglykämien getätigt, „die meisten Betroffenen waren Typ­2­Diabeti­ker“, sagte Barnett. 44% der Patienten ga­ben an, keine Warnsymptome einer Hypo­glykämie gehabt zu haben, 28% waren sich nicht darüber im Klaren, woher die Symp­tome kamen. 80% der Notfallpatienten hat­ten seit mehr als zehn Jahren Diabetes, wa­ren also bereits älter. 55% hatten im ver­gangenen Jahr keine Schulung zum Thema Hypoglykämie erhalten. „Diese Fakten sind beängstigend“, so Barnett.

Welche Vorteile Sitagliptin (z. B. Janu­via®, kombiniert mit Metformin Janumet®) im Vergleich zu den Sulfonylharnstoffen (SH) Glipizid und Glimepirid hat, verdeut­licht eine Posthoc­Analyse (Shankar R. et al. Diabetologie 2012; 55 (Suppl.1), S. 344, Ab­stract 834). Die gepoolten Daten entstam­

men drei doppelblinden klinischen Studi­en, in denen Typ­2­Diabetiker bis zu 104 Wochen lang das Gliptin (100 mg/d) oder einen der beiden SH jeweils in Monothera­pie oder kombiniert mit Metformin erhal­ten hatten. Die Ergebnisse bei den 373 Pa­tienten im Alter von mindestens 65 Jahren nach etwa 30 Wochen Therapie: Bezüglich der HbA1c­Reduktion ausgehend vom Ba­siswert 7,5% bestand mit –0,73%­Punkten bei Sitagliptin (n = 178) statistisch kein sig­nifikanter Unterschied zu einem der SH (n = 195, –078%­Punkte). Allerdings entwi­ckelten 28% der SH­Patienten eine oder mehrere symptomatische Hypoglykämien, mit dem Gliptin waren es nur 6%.

■ Sarah L. PampelQuelle: Symposium „The Evolution of Diabetes Management in the 21st century – the role of Sitagliptin“, EASD­Jahrestagung, Berlin, Oktober 2012 (Veranstalter: MSD); MSD­Pressemeldung vom 2.10.2012

Aktuelle Entwicklungen in der Hypertonie-Therapie

Höhere Zielwerte bei Endorganschäden

Studie vor Augen. In dem Bluthochdruck­arm der ADVANCE­Studie nahm die Ge­samtmortalität unter der Perindopril/Inda­pamid­Kombination (BiPreterax® N) dage­gen sig nifikant um 14% ab.

INVEST und ACCORD haben Blutdruckzielwerte beeinflusstVerändert haben sich unter dem Eindruck neuer Studienergebnisse wie INVEST und ACCORD inzwischen die Zielwerte der Blut­drucksenkung für KHK­Patienten und Dia­betiker. Denn es hat sich gezeigt, dass bei Unterschreiten von 120/70 mmHg das Risi­ko für kardiovaskuläre Ereignisse wieder steigt. Die Leitlinien empfehlen deshalb heute, dass diese Patientengruppen einen Blutdruck von < 130/80 mmHg erreichen sollten, sagte Prof. Rainer Kolloch, Bielefeld (Abb. 1). Dieses Ziel ist in der Praxis schon schwer genug realisierbar, ebenso wie der Anspruch, alle Hypertoniker unter

_ Ein Diabetes mellitus erhöht das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei Hyperto­nikern erheblich. Eine allzu zielorientierte Blutzucker­Strategie kann bei diesen Pati­enten allerdings das Risiko für kardiovas­kuläre Ereignisse sogar steigern, führte Prof. Dr. Stefan Jacob, Villingen­Schwen­ningen anhand des Beispiels der ADVANCE­

140/90 mmHg zu bringen, so Kolloch. Ein einfacheres Therapieregime, insbesondere die Nutzung fixer Kombinationen, kann dazu beitragen, die Erfolgsquote zu stei­gern.

Seit der HYVET­Studie weiß man auch, dass hochbetagte Patienten (> 80 Jahre) von einer Blutdrucksenkung profitieren. Das Risiko für tödliche und nicht tödliche Schlaganfälle nahm in dieser Studie unter Perindopril/Indapamid signifikant ab. Nach Leitlinien der deutschen Hochdruckliga sollte der systolische Blutdruck von sehr alten Patienten auf Werte unter 150 mmHg gesenkt werden, erklärte Dr. Ulrich Kintscher, Berlin.

■ Dr. Angelika BischoffQuelle: Symposium des Arbeitskreises „Hyperto­nie“ im BDI e.V. „Arterielle Hypertonie – Aktuelles zur Therapie“, DGIM­Kongress, Wiesbaden, April 2012 (unterstützt von Servier)

Abbildung 1

Blutdruck-Einstellung in der PraxisZielwerte für die antihypertensive Therapie

140/90mmHg

130/80mmHg

Für Hypertoniker ohnebesonderes Risiko

Hypertoniker mitEndorganschaden

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