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44 | SCHACH-MAGAZIN 64 | März 2019 „Es gibt immer Dinge, die unerreichbar scheinen. Das macht oft aber auch den Reiz aus”, sagt Anatoli Karpow. Ein Ausspruch, der wohl für jedes der vielen Betätigungs- felder des heute 68-Jährigen Gültigkeit hat. Denn der Ex-Weltmeister ist nicht nur un- ter Schachfreunden eine feste Größe. Seit 2011 ist er Duma-Abgeordneter für Putins Regierungspartei Einiges Russland. Er en- gagiert sich weltweit für Kinderheime und Schachschulen und auch in philatelistischen Kreisen gehört Karpow zu den Ausnahme- erscheinungen: Über 100 000 Briefmarken und andere philatelistische Belege nennt er sein Eigen. Zu seinen Sammelgebieten gehören die Sowjetunion, die Marken der russischen Levante, deutsche Kolonien, Bel- gien und Belgisch-Kongo sowie Olympia, Fußball- und natürlich Schach-Briefmarken. Letztere sind nun erstmals komprimiert in einem Michel-Katalog, den „Bibeln“ der deutschsprachigen Briefmarkensammler, zu finden. Nicht selten, nämlich inzwischen über 360-mal, ist er selbst darauf abgebildet. „Das war schon ein außergewöhnliches Ge- fühl, als ich mich selbst erstmals auf einer Briefmarke sah“, denkt er an diesen beson- deren Moment zurück. Als Karpow mit sieben Jahren begann, Briefmarken zu sammeln, war sein Schach- talent schon längst entdeckt. „Aber was lag näher, als meine beiden Hobbies miteinan- der zu verknüpfen?”, fragt er rhetorisch. Er beschränkte sich dabei nicht auf die Phila- telie. Im Gespräch bemerkt man den Stolz auf seine Sammlung, bestehend aus Tau- senden von Schachbüchern, Schachspielen, Anstecknadeln und allem, was mit seiner Passion zu tun hat. „Natürlich war es von Vorteil, dass sich meine finanziellen Mög- lichkeiten durch die erfolgreiche Schachkar- riere enorm verbesserten”, beschreibt er eine Verhandlungsposition, von der die meisten Sammler nur träumen können. Prominente Tauschpartner fand er leicht: Mit russischen Schachkoryphäen wie dem neunten Weltmeister Tigran Pe- trosjan und Großmeister Lew Polugajew- ski sowie dem litauischen Meisterspieler Vladas Mikénas fanden in Turnierpausen Tauschbörsen und philatelistische Fachsim- peleien statt. „Das war unsere Art, von der Anspannung des Wettkampfs abzuschalten”, blickt Karpow zurück. Gerade, wenn man an seine Marathon-Wettkämpfe mit Garri Kasparow denkt, kann man sich vorstellen, welche Bedeutung das ema Entspannung damals spielte. Über die Jahrzehnte gelang es dem heu- tigen Politiker, eine weltweit wohl einzig- artige Briefmarkensammlung aufzubauen. Zu ihr gehören unzählige Schachbelege in allen erdenklichen Varianten aus seinen Spezialgebieten und aus aller Welt. Wenn Experten den Wert seiner Sammlung auf einen zweistelligen Millionenbetrag schät- zen, überrascht das zunächst. Verdeutlicht man sich aber, dass allein ein Teil seiner Belgien-Sammlung bei den Feldman-Auk- tionen im Dezember 2011 und April 2012 reihenweise Lospreise im fünf- und sechs- stelligen Eurobereich erzielten, so erschei- nen die Schätzungen nicht mehr übertrie- ben. Trotz dieser beeindruckenden Zahl, hat sich Karpow davon verabschiedet, an je- des Wunschobjekt zu gelangen. „Man kann nicht alles haben!“ – Das hat er im Laufe der Jahre des Öfteren feststellen müssen, sagt aber auch: „Es hat keinen Sinn, vergebenen Chancen hinterherzutrauern.“ Im Gegenteil: Wie beschrieben, trennt sich der passionierte Sammler gelegent- lich sogar von einem Teil seiner über lange Zeit zusammengetragenen Stücke. Anders orell vom Genfer Auktionshaus David Feldman ist noch heute die Begeisterung anzuhören, wenn er an die aufregende Versteigerung der Auszüge aus der kar- powschen Belgiensammlung zurückdenkt. „Das war einfach eine fantastische Auk- tion. Mehrere enthusiastische Belgier über- boten sich, da selten ein derartig gutes Material auf dem Markt ist“, so der Phil- atelie-Experte. Auch mit einem anderen Auktions- haus pflegt Karpow intensive Kontakte. Als Schirmherr des von Christoph Gärtner ins Leben gerufenen Projektes „Lust auf Brief- marken“ unterstützt die Schachlegende die Jugendphilatelie. Das Auktionshaus Chris- toph Gärtner spendete insgesamt 16 Mil- lionen Briefmarken im Michel-Katalogwert von über zehn Millionen Euro für Bildungs- projekte für Kinder und Jugendliche. „Man kann leider nicht alles haben!“ Neuland für den Michel-Verlag: Der neue Katalog für Schach-Briefmarken zeigt einen weiteren spannenden Aspekt des königlichen Spiels Von Stefan Liebig DRUCKWERKE Ex-Weltmeister Karpow in bekannter Pose. Er tritt gelegentlich für Hockenheim in der Bundesliga an. Foto: Dieter Auer Zwei von Karpows „Schätzchen“ – Turniere, denen er seinen Stempel aufdrückte

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44 | SCHACH-MAGA ZIN 64 | M är z 2019

„Es gibt immer Dinge, die unerreichbar scheinen. Das macht oft aber auch den Reiz aus”, sagt Anatoli Karpow. Ein Ausspruch, der wohl für jedes der vielen Betätigungs-felder des heute 68-Jährigen Gültigkeit hat. Denn der Ex-Weltmeister ist nicht nur un-ter Schachfreunden eine feste Größe. Seit 2011 ist er Duma-Abgeordneter für Putins Regierungspartei Einiges Russland. Er en-gagiert sich weltweit für Kinderheime und Schachschulen und auch in philatelistischen Kreisen gehört Karpow zu den Ausnahme-erscheinungen: Über 100 000 Briefmarken und andere philatelistische Belege nennt er sein Eigen. Zu seinen Sammelgebieten gehören die Sowjetunion, die Marken der russischen Levante, deutsche Kolonien, Bel-gien und Belgisch-Kongo sowie Olympia, Fußball- und natürlich Schach-Briefmarken. Letztere sind nun erstmals komprimiert in einem Michel-Katalog, den „Bibeln“ der deutschsprachigen Briefmarkensammler, zu finden. Nicht selten, nämlich inzwischen über 360-mal, ist er selbst darauf abgebildet. „Das war schon ein außergewöhnliches Ge-fühl, als ich mich selbst erstmals auf einer Briefmarke sah“, denkt er an diesen beson-deren Moment zurück.

Als Karpow mit sieben Jahren begann, Briefmarken zu sammeln, war sein Schach-talent schon längst entdeckt. „Aber was lag näher, als meine beiden Hobbies miteinan-der zu verknüpfen?”, fragt er rhetorisch. Er beschränkte sich dabei nicht auf die Phila-telie. Im Gespräch bemerkt man den Stolz auf seine Sammlung, bestehend aus Tau-senden von Schachbüchern, Schachspielen, Anstecknadeln und allem, was mit seiner Passion zu tun hat. „Natürlich war es von Vorteil, dass sich meine finanziellen Mög-lichkeiten durch die erfolgreiche Schachkar-riere enorm verbesserten”, beschreibt er eine Verhandlungsposition, von der die meisten Sammler nur träumen können.

Prominente Tauschpartner fand er leicht: Mit russischen Schachkoryphäen wie dem neunten Weltmeister Tigran Pe-trosjan und Großmeister Lew Polugajew-ski sowie dem litauischen Meisterspieler Vladas Mikénas fanden in Turnierpausen Tauschbörsen und philatelistische Fachsim-peleien statt. „Das war unsere Art, von der Anspannung des Wettkampfs abzuschalten”, blickt Karpow zurück. Gerade, wenn man an seine Marathon-Wettkämpfe mit Garri Kasparow denkt, kann man sich vorstellen, welche Bedeutung das Thema Entspannung damals spielte.

Über die Jahrzehnte gelang es dem heu-tigen Politiker, eine weltweit wohl einzig-artige Briefmarkensammlung aufzubauen. Zu ihr gehören unzählige Schachbelege in allen erdenklichen Varianten aus seinen Spezialgebieten und aus aller Welt. Wenn Experten den Wert seiner Sammlung auf einen zweistelligen Millionenbetrag schät-

zen, überrascht das zunächst. Verdeutlicht man sich aber, dass allein ein Teil seiner Belgien-Sammlung bei den Feldman-Auk-tionen im Dezember 2011 und April 2012 reihenweise Lospreise im fünf- und sechs-stelligen Eurobereich erzielten, so erschei-nen die Schätzungen nicht mehr übertrie-ben. Trotz dieser beeindruckenden Zahl, hat sich Karpow davon verabschiedet, an je-des Wunschobjekt zu gelangen. „Man kann nicht alles haben!“ – Das hat er im Laufe der Jahre des Öfteren feststellen müssen, sagt aber auch: „Es hat keinen Sinn, vergebenen Chancen hinterherzutrauern.“

Im Gegenteil: Wie beschrieben, trennt sich der passionierte Sammler gelegent-lich sogar von einem Teil seiner über lange Zeit zusammengetragenen Stücke. Anders Thorell vom Genfer Auktionshaus David Feldman ist noch heute die Begeisterung anzuhören, wenn er an die aufregende Versteigerung der Auszüge aus der kar-powschen Belgiensammlung zurückdenkt. „Das war einfach eine fantastische Auk-tion. Mehrere enthusiastische Belgier über-boten sich, da selten ein derartig gutes Material auf dem Markt ist“, so der Phil-atelie-Experte.

Auch mit einem anderen Auktions-haus pflegt Karpow intensive Kontakte. Als Schirmherr des von Christoph Gärtner ins Leben gerufenen Projektes „Lust auf Brief-marken“ unterstützt die Schachlegende die Jugendphilatelie. Das Auktionshaus Chris-toph Gärtner spendete insgesamt 16 Mil-lionen Briefmarken im Michel-Katalogwert von über zehn Millionen Euro für Bildungs-projekte für Kinder und Jugendliche.

„Man kann leider nicht alles haben!“Neuland für den Michel-Verlag: Der neue Katalog für Schach-Briefmarken zeigt einen weiteren spannenden Aspekt des königlichen SpielsVon Stefan Liebig

DRUCKWERKE

Ex-Weltmeister Karpow in bekannter Pose. Er tritt gelegentlich für Hockenheim in der Bundesliga an.Foto: Dieter Auer

Zwei von Karpows „Schätzchen“ – Turniere, denen er seinen Stempel aufdrückte

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Buchvorstel lung

Michel-KatalogSchach – Ganze WeltMichel Schach – Ganze Welt. 176 Seiten, kartoniert, ISBN 978-3-95402-244-1, Preis: 49 €

Den Anfang machte eine bulgarische Briefmarke. Die bulgarische Post wid-mete sie im Jahre 1947 den Balkan-Spie-len. Das erste Konterfei eines Schach-meisters auf einer Marke zeigte 1951 den legendären kubanischen Ex-Weltmeister José Raúl Capablanca. In der Folge ent-wickelte sich Schach zu einem interna-tional sehr beliebten Sammelmotiv.

Prominentester Sammler ist Ex-Welt-meister Anatoli Karpow. Der Russe verfügt über die wohl bedeutendste Sammlung. Zeit für Michel, den Sammlern endlich eine handliche Übersicht über das Sammelgebiet zu einer der weltweit beliebtesten Sport-arten zu geben.

In gewohnter Mi-chel-Manier liefert der Ka-talog eine Übersicht über alte und neue Marken und damit einen tiefen Einblick in die Schachgeschichte vom einzigen deutschen Weltmeister Emanuel Lasker bis zum aktuellen Titelträger Magnus Carl-sen aus Norwegen. Die Motive reichen bis hin zu Schachbrettern, -figuren, -skulpturen und abstrak-ten Darstellungen. Häufig spiegelt sich die Bedeutung des Spiels in einem Land an der Anzahl der erschienenen Marken wider, wie beispielsweise in Armenien oder Jugoslawien. Doch viele afrikanische Staaten fluten zum Verdruss der Schachmotivsammler den Markt mit ihren Ausgaben. Auch die in Ostasien verbreitete Schachvariante Xiangqi findet sich im Katalog wieder (siehe Ab-bildung, China MiNr. 4491).

Weitere namhafte Projektpartner aus der Welt der Philatelie beteiligten sich am Programm: Der Schwaneberger Verlag, Heraus-geber der Michel-Kataloge, stattete die 2000 Starterboxen zudem

mit je einem Katalog aus, der Leuchtturm Verlag übernahm die Grundausstattung mit Lupen, Pinzetten und Einsteckbüchern, die Deutsche Postphilatelie stiftete weiteres Zubehör und unterstützt die Projektgruppen vor Ort.

Für Karpow ein guter Start, um Kinder fürs Briefmarkensam-meln und vielleicht auch für Schach zu begeistern, denn „die Phil-atelie bietet unglaubliche Möglichkeiten, wichtiges und vielfältiges Wissen zu erwerben und die Fähigkeit, sich zu konzentrieren“. An-sätze, die er auch mit seinen Schirmherrschaften und Konzepten für mehrere hundert Schachschulen, Schachsommercamps und Kinderheime weltweit verfolgt.

In Teil 2 werden weitere Aspekte des Schachmotivsammelns und schöne Beispiele dafür vorgestellt.

(oben) Marken mit Karpow-Konterfei gibt es inzwischen sehr viele.(Mitte) 1947 erschien in Bulgarien die erste Briefmarke mit Schachmotiv.

Ein erinnerungswürdiges Ergebnis erzielte nicht nur dieser Brief aus Anatoli Karpows Belgien-Sammlung bei einer Feldman-Auktion. Er wechselte für 240 000 Euro den Besitzer – bei einem Startpreis von 15 000 Euro!

Ex-Weltmeister José Raúl Capablanca ist eine Schachlegende. Dieser kubanische Brief mit den ersten Marken, die das Gesicht eines Schachspielers zeigten, gehört zu den Lieblingsbelegen Karpows.

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