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Fridtjof Nansen (1861 -1930) 2011 jährt sich der Geburtstag Fridtjof Nansens zum 150. Mal. In Norwegen gilt dieses Jahr als Nansen-Amundsen-Jahr: Am 10. Oktober 1861 wurde Fridtjof Nansen auf Store Frøn in Vestre Aker geboren, und am 11. Dezember 1911 erreichte Roald Amundsen als Erster den Südpol. Beide sind nicht nur für Norwegen Identität stiftende Personen, sondern haben sich auch durch ihre Taten international große Verdienste erworben. Was verbindet man mit Fridtjof Nansen, was weiß der Laie über ihn? Was wusste ich von ihm? Als Jugendlicher habe ich über seine abenteuerlichen Reisen mit der Fram im Eismeer gelesen. Mit Sicherheit habe ich auch Schulfunksendungen über Nansens Expeditionen gehört. Der Schulfunk war für jeden Jugendlichen ein wichtiges Unterhaltungsmedium am Nachmittag und in den Ferien in den fünfziger und sechziger Jahren. Und später Anfang der siebziger Jahre erfuhr ich von der Existenz des sogenannten Nansen-Passes. Diesen Pass erhielten staatenlose Menschen, die aus ihrer Heimat, ihrem Land vertrieben oder ausgebürgert worden waren oder deren Land politisch auf Grund kriegerischer Auseinandersetzungen nicht mehr existierte. Mir war bekannt, dass Fridtjof Nansen sich für die Rechte von Staatenlosen eingesetzt hatte. Im Kopf hatte ich das Bild der vom Packeis eingeschlossenen Fram. Ich glaube, etwa so viel werden die meisten meiner Mitmenschen gewusst haben. Wahrscheinlich ist der Polarforscher Nansen als Abenteurer, der ungeheuerliche Strapazen überlebt und mit Eisbären gekämpft hatte, den meisten präsenter als der Politiker. Der junge Fridtjof Nansen Fridtjof Nansen wuchs in ländlicher Umgebung in der Nähe von Kristiania (Oslo) auf. Sein Vater war ein erfolgreicher Anwalt, der klare Vorstellungen von Verantwortung und Moral besaß. Seine Mutter, eine willenstarke Frau, ließ ihren Kindern freien Raum zum Spielen in der Natur und zu sportlicher Betätigung. So verwundert es nicht, dass Nansen schon als junger Mensch große sportliche Ausdauerleistungen im Skilaufen und Schwimmen vollbrachte: 50 km und mehr Skilanglauf am Tag stellten für ihn bald keine besondere Herausforderung mehr dar. Jahre später absolvierte er die Strecke von Oslo nach Bergen und zurück auf Skiern, gewissermaßen als Trainingslauf oder Generalprobe für bevorstehende Expeditionen. In der Schule interessierte er sich besonders für die Naturwissenschaften und für das Zeichnen. In beiden Disziplinen sollte er später höchst erfolgreich sein.

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Fridtjof Nansen (1861 -1930) 2011 jährt sich der Geburtstag Fridtjof Nansens zum 150. Mal. In Norwegen gilt dieses Jahr als Nansen-Amundsen-Jahr: Am 10. Oktober 1861 wurde Fridtjof Nansen auf Store Frøn in Vestre Aker geboren, und am 11. Dezember 1911 erreichte Roald Amundsen als Erster den Südpol. Beide sind nicht nur für Norwegen Identität stiftende Personen, sondern haben sich auch durch ihre Taten international große Verdienste erworben.

Was verbindet man mit Fridtjof Nansen, was weiß der Laie über ihn? Was wusste ich von ihm? Als Jugendlicher habe ich über seine abenteuerlichen Reisen mit der Fram im Eismeer gelesen. Mit Sicherheit habe ich auch Schulfunksendungen über Nansens Expeditionen gehört. Der Schulfunk war für jeden Jugendlichen ein wichtiges Unterhaltungsmedium am Nachmittag und in den Ferien in den fünfziger und sechziger Jahren. Und später Anfang der siebziger Jahre erfuhr ich von der Existenz des sogenannten Nansen-Passes. Diesen Pass erhielten staatenlose Menschen, die aus ihrer Heimat, ihrem Land vertrieben oder ausgebürgert worden waren oder deren Land politisch auf Grund kriegerischer Auseinandersetzungen nicht mehr existierte. Mir war bekannt, dass Fridtjof Nansen sich für die Rechte von Staatenlosen eingesetzt hatte. Im Kopf hatte ich das Bild der vom Packeis eingeschlossenen Fram. Ich glaube, etwa so viel werden die meisten meiner Mitmenschen gewusst haben. Wahrscheinlich ist der Polarforscher Nansen als Abenteurer, der ungeheuerliche Strapazen überlebt und mit Eisbären gekämpft hatte, den meisten präsenter als der Politiker. Der junge Fridtjof Nansen

Fridtjof Nansen wuchs in ländlicher Umgebung in der Nähe von Kristiania (Oslo) auf. Sein Vater war ein erfolgreicher Anwalt, der klare Vorstellungen von Verantwortung und Moral besaß. Seine Mutter, eine willenstarke Frau, ließ ihren Kindern freien Raum zum Spielen in der Natur und zu sportlicher Betätigung. So verwundert es nicht, dass Nansen schon als junger Mensch große sportliche Ausdauerleistungen im Skilaufen und Schwimmen vollbrachte: 50 km und mehr Skilanglauf am Tag stellten für ihn bald keine besondere Herausforderung mehr dar. Jahre später absolvierte er die Strecke von Oslo nach Bergen und zurück auf Skiern, gewissermaßen als Trainingslauf oder Generalprobe für bevorstehende Expeditionen. In der Schule interessierte er sich besonders für die Naturwissenschaften und für das Zeichnen. In beiden Disziplinen sollte er später höchst erfolgreich sein.

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Nansens Grönlanddurchquerung 1888 blau: Die gepunktete Linie zeigt die Fahrt der Jason bis zum 17. Juli. Die durchgezogene Linie zeigt die Eisdrift bis zum 29. Juli und die Küstenwanderung bis zum 11. August. rot: Die ursprünglich geplante Route von Sermilik nach Christianshåb. grün: Die wirkliche Route vom 15. August bis 3. Oktober

Der junge Forscher

1881 schrieb er sich an der Universität Oslo im Fach Zoologie ein. 1882 bereiste er an Bord des Robbenfängers Viking für einige Monate die Ostküste Grönlands. Dort machte er Beobachtungen über das Leben von Robben und Eisbären und dort entwickelte sich sein Interesse an der Polarwelt. Ab 1882 betätigte er sich als Konservator im Museum Bergen und verfasste schließlich 1888 seine Dissertation über das zentrale Nervensystem von bestimmten niederen Wirbeltieren. Kurz darauf

brach er zu einer schon 1883 ins Auge gefassten Expedition nach Grönland auf. Zusammen mit fünf weiteren Männern, darunter Otto Sverdrup, durchquerte er auf einem entbehrungsreichen zweimonatigen Marsch bei zweitweise - 45° C.

die vereiste Landschaft Grönlands von Ost nach West. Er überwinterte bei den Eskimos in Westgrönland und studierte deren Lebensweise und lernte dabei vieles, was ihm auf späteren Expeditionen sehr von Nutzen war, unter anderem den Umgang mit Hundeschlitten. Seine Berichte über bisher unbekanntes Territorium und die Erlebnisse auf der Expedition und mit den Inuit

machten ihn berühmt und gleichzeitig Norwegen international zu einer Polarnation. „Mit seiner Expedition konnte Nansen nachweisen, dass das gesamte innere Grönland von Schnee und Eis bedeckt ist. Hinzu kamen neue Erkenntnisse und Beobachtungen zur Geographie und vor allem zur Ausdehnung und Bewegung der Gletscher Grönlands, mit denen er die moderne Gletscherforschung begründete. Seine Messungen trugen auch zum besseren Verständnis der meteorologischen Verhältnisse und der Wetterentstehung in Europa und im nördlichen Atlantik bei.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Fridtjof_Nansen) In den folgenden vier Jahren – Nansen arbeitete nun als Kurator am Institut für Tieranatomie der Universität Oslo – veröffentlichte er verschiedene Artikel, zwei Bücher mit den Titeln Auf Schneeschuhen durch Grönland (1890) und Eskimoleben (1891) und plante seine Entdeckungs- und Forschungsreise in die Arktis.

Die Expedition mit der Fram 1893–1896 Nansen wollte die Theorie bestätigen, dass es unter dem Nordpol eine Meeresströmung gebe, die ein Schiff von Ost sogar wahrscheinlich über den Nordpol nach West treiben würde. So ließ er das robuste und extra für den Eiswinter gebaute Schiff Fram (Vorwärts) vom Packeis in Sibirien am 22.

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Routen der Fram-Expedition von 1893 bis 1896 rot: Route der Fram von Vardø entlang der siberischen Küste zu den Neusibirischen Inseln (Juli bis September 1893) blau: Die Drift der Fram von den Neusibirischen Inseln nach Spitzbergen (September 1893 bis August 1896) grün: Marsch von Nansen und Johansen nach Norden und ihre Rückkehr nach Kap Flora auf Franz-Josef-Land (März 1895 bis Juni 1896) violett: Die Rückkehr Nansens und Johansens von Kap Flora nach Vardø an Bord der Windward (August 1896) gelb: Route der Fram von Spitzbergen nach Tromsø (August 1896)

September 1893 einschließen und nach Nordwesten treiben. Als Nansen erkannte, dass die Fram am Nordpol vorbei trieb, machten er sich mit Hjalmar Johannsen auf den Weg 400 Meilen zum Nordpol, während die Fram unter Kapitän Otto Sverdrup und die übrige Besatzung die Drift fortsetzten. Ausgerüstet mit 30 Tagesrationen für 28

Schlittenhunde und drei Schlitten, mit zwei Kajaks und 100 Tagesrationen für sich selbst kamen sie in 23 strapaziösen Tagen über Meer, durch Eiswüsten und Treibeis zwar dichter an den Nordpol heran, erreichten ihn aber

nicht und entschlossen sich zur Umkehr Richtung Südwesten nach Franz-Josef-Land, wo sie 1895-1896 überwinterten. Im Juni 1896 stießen sie auf ihrem Weg Richtung Spitzbergen an der Südküste der Northbrook-Insel auf die britische Expedition von Frederick George Jackson. Auf dessen Schiff Windward erreichten sie am 13. August schließlich Vardo in Nordnorwegen. Zur gleichen Zeit gelangte die Fram in offenes Meer. Am 21. August 1896 trafen Nansen, Johannsen und die Crew der Fram in Tromsø zusammen.

Der Wissenschaftler

Die Fram-Expedition war nicht nur ein großes Abenteuer, sondern war auch wissenschaftlich von großer Bedeutung: „Durch diese Expedition bewies Nansen das Vorhandensein einer ostwestlichen Polarströmung. Zugleich konnte er nachweisen, dass es sich bei dem Polarmeer unterhalb der Innerarktis nicht – wie bisher angenommen – um ein Flachmeer mit Inseln, sondern um ein Tiefseebecken von mehr als 3.500 Metern Tiefe handelt.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Fridtjof_Nansen)

Nansen veröffentlichte seinen wissenschaftlichen Beobachtungen in sechs Bänden zwischen 1893 und 1896. 1897 wurde Fridtjof Nansen zum außerordentlichen Professor für Zoologie an der „Kongelige Fredriks Universitet“ ernannt. In der Folgezeit brachte er weitaus mehr Zeit zu auf dem Gebiet der Meeresforschung, und daher wurde seine Professur 1908 in eine für Ozeanographie umgewandelt. In den nächsten Jahren sollte er noch für mehrere Expeditionen in die Polarregion verantwortlich sein. Fridtjof Nansen heiratete 1889 die Sängerin Eva Sars, deren Bruder und Vater beide anerkannte Meeresforscher waren. Das Ehepaar hatte fünf Kinder. Eva starb bereits 1906.

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Der Diplomat

Bereits vor der Auflösung der Union zwischen Schweden und Norwegen engagierte sich Nansen in der Politik und setzte sich für die Gleichberechtigung Norwegens innerhalb der Union ein. 1905 vom norwegischen Staatsminister Chr. Michelsen beauftragt, vertrat er den norwegischen Standpunkt gegenüber der Regierung in London. Auch wurde ihm die Aufgabe zuteil, den dänischen Prinzen Carl dazu zu bewegen, die norwegische Königskrone anzunehmen. Er war sogar eine Zeit lang im Gespräch als erster Präsident einer Republik Norwegen.

Zwischen 1906 und 1908 war er norwegischer Botschafter in London und sicherte das Wohlwollen der Großmächte bei der Ausrufung der Selbständigkeit Norwegens. Er widmete seine Aufmerksamkeit den ökonomischen Fragen der Völkerverständigung. 1917 sorgte er als Beauftragter seiner Regierung in den USA für die notwendigen Getreidelieferungen für Norwegen und konnte dadurch sein Land vor Hungersnot in der Zeit des 1. Weltkrieges bewahren.

Von 1920 bis zu seinem Tode war Nansen auch Mitglied der norwegischen Delegation beim Völkerbund.

Der Menschenfreund, der Humanist

Auf Einladung der russischen Behörden machte Nansen 1913 eine lange Reise nach Sibirien und lernte dadurch die russischen Verhältnisse kennen.

So lag es für ihn nahe, im April 1920 das Amt des Hochkommissars des Völkerbundes für Flüchtlingsfragen anzunehmen. Er organisierte die „Nansen-Hilfe“, mit der bis 1922 450.000 Kriegsgefangene aus 26 Nationen, von denen

die meisten sich in Russland befanden, ausgewechselt und in ihre Heimat geschickt werden konnten. In seinem Amt als Hochkommissar für Flüchtlingsfragen schuf Fridtjof Nansen 1922 den „Nansen-Pass“, mit dessen Hilfe Hunderttausende von staatenlosen Flüchtlingen in ihren Gastländern gleichberechtigte Aufnahme fanden und gegebenenfalls umgesiedelt, repatriiert und integriert werden konnten. Dieses Dokument wurde von 52 Staaten anerkannt.

Parallel dazu engagierte er sich in noch stärkerem Maße für eine andere humanitäre Arbeit: In der neu entstandenen Sowjetunion herrscht nach dem verheerenden Bürgerkrieg eine Hungersnot, Hunderttausende waren entwurzelt und auf der Flucht. Auf Ersuchen des Roten Kreuzes organisierte er 1921-1922 mit der Hilfe privater Spender – der Völkerbund hatte die

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finanzielle Unterstützung verweigert - eine Hungerhilfe für die notleidende Bevölkerung.

Mit der Zustimmung des Völkerbundes bat die griechische Regierung 1922 Nansen bei der Lösung des Problems griechischer Flüchtlinge zu helfen. Diese strömten in großer Zahl aus Kleinasien nach Griechenland, nachdem die griechische Armee von der türkischen besiegt worden war. Nansen sorgte für Umsiedlung von 1,25 Millionen Griechen aus Kleinasien nach Griechenland und 500.000 Türken, die zuvor in Griechenland gelebt hatten, deren Entschädigung und deren Neustart in der neuen Heimat.

Die fünfte bedeutsame Hilfsaktion Nansens betraf die durch Völkermord und Vertreibung getroffenen Armenier. 1925 erbat der Völkerbund Nansens Hilfe. Er entwickelte einen Plan, der neben politischen auch industriepolitische und finanzielle Elemente enthielt. Er wurde nicht umgesetzt, nahm aber konzeptionell den späteren Marshallplan voraus. Dem Internationalen Nansen-Amt für

Flüchtlinge gelang es jedoch später etwa 10.00 Menschen in Erivan und 40.000 in Syrien und Libanon anzusiedeln.

Für seine humanitären Verdienste erhielt Fridtjof Nansen 1922 den Friedensnobelpreis. Fridtjof Nansen starb am 13. Mai 1930. Er wurde am 17. Mai, am Tag der norwegischen Verfassung, beerdigt.

Rainer Graessner 25. Juli 2011

Quellen:

http://nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1922/nansen-article.html

http://www.nansenamundsen.no/no/nansen/

http://de.wikipedia.org/wiki/Fridtjof_Nansen

http://www.norway-un.org/Events/The-Nansen-Jubileum/

http://www.polarhistorie.no/personer/fridthjof_nansen

http://www.arkivverket.no/arkivverket/content/advancedsearch?SearchText=Fridtjof+Nansen&SearchButton=