Hotspots von der Forschung für die Praxis - sappinfo.ch · Referat von Martina Courvoisier, eidg....

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10 Fokus pharmaJournal 7 | 2018 Am diesjährigen Workshop der Schweizerischen Arbeitsgemein- schaft für Perinatale Pharmakologie (SAPP) wurden neueste Forschungs- ergebnisse und ihre Anwendung in der Praxis in einem inter- disziplinären Rahmen diskutiert. Die wichtigsten Aspekte sind im Folgenden zusammengefasst. n ihrer Masterarbeit hat Larissa Schenkel in den fünf geburts- hilflichen Universitätskliniken und vier Perinatalzentren die verordne- ten Medikamente während der Schwan- gerschaft und Stillzeit analysiert. In der Schwangerschaft werden 69, in der Peri- partalzeit 21 und in der Stillzeit 48 Wirk- stoffe in mindestens vier Zentren über- einstimmend eingesetzt. Diese beziehen sich auf 18 unterschiedliche Hauptindi- kationen bzw. Anwendungsgebiete. Zu den total meist aufgeführten Wirk- stoffen (von sieben oder mehr Kliniken genannt) gehören Nifedipin (hypertensive Erkrankungen und vorzeitige Wehen), Eisen i. v. und oral (Anämie), Labetalol und Magnesiumsulfat (hypertensive Er- krankungen), Amoxicillin+Clavulansäure (bakterielle Infektionen), Paracetamol (Schmerzen allgemein), Dalteparin (Ve- nenkrankheiten, Hämorrhoiden), Meto- clopramid (Verdauungsstörungen) sowie Atosiban und Hexoprenalin (Frühgeburts- bestrebungen bzw. vorzeitigen Wehen). Trotz evidenzbasierter medizinischer Guidelines sind nur die wenigsten dieser angewendeten und empfohlenen Sub- stanzen für diese Personengruppen offizi- ell zugelassen. Mit dieser Arbeit konnte eine Datenbasis geschaffen und die Transparenz bezüglich des Einsatzes von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit erhöht werden. Das Zusammen- tragen der Daten ist somit ein erster Schritt zu offiziellen Empfehlungen für die in Schwangerschaft und Stillzeit häu- fig verwendeten Medikamente, wie sie in der Pädiatrie bereits Standard sind. Literatur: Drugs in pregnancy and lactation – medications used in Swiss Obstetrics. Z Geburtshilfe Neonatol 2018 Feb 8. doi: 10.1055/s-0043–124975. Referat von Larissa Schenkel, eidg. dipl. Apothekerin Evidenzbasierte Dosisanpassung in der Schwangerschaft (und Stillzeit) Auch wenn bereits etliche Studien zu den Veränderungen der Pharmakokinetik bei schwangeren Frauen vorliegen, fehlt oft das Wissen und die praktische Umset- zung einer korrekten Dosisanpassung in der Schwangerschaft. In einigen Fällen kann ein therapeutisches Drug Monito- ring Abhilfe schaffen. Nicht immer korre- liert die Plasmakonzentration mit dem klinischen Effekt oder die Plasmazielwer- te für Schwangere sind nicht bekannt. V. a. gegen Ende der Schwangerschaft kann die Plasmahalbwertszeit verkürzt und die Clearance erhöht sein. Dies führt grundsätzlich zu einer Verminderung der Wirkung des Medikaments, weshalb eine Dosissteigerung von 20 % bis über 100 % erforderlich ist (siehe Kasten und Tabelle 1). Allerdings kann man keine Gruppeneffekte beobachten, so dass je- der Wirkstoff einzeln betrachtet werden muss. Literatur: Courvoisier M. Richtig dosieren bei Schwangeren: Dosisanpassung in Schwangerschaft und peripartal bei 15 ausgewählten Medikamenten, Abschlussarbeit FPH Klinische Pharmazie 2017 Referat von Martina Courvoisier, eidg. dipl. Apothekerin, FPH klinische Pharmazie Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit Hotspots von der Forschung für die Praxis Barbara Lardi Medikamente mit belegter erhöhter mütterlicher Clearance Analgetika: Paracetamol, Methadon, Morphin; Antibiotika: Amoxicillin, Cefazolin, Cefuroxim, Gentamicin; Anti-HIV-Medikamente: Lopinavir/Ritonavir, Tenofovir, Zidovudin, Darunavir, Saquinavir, Indinavir; Antidiabetika: Metformin; Antiepileptika: Lamotrigin, Levetiracetam, Carbamazepin, Phenytoin; Psychopharmaka: Amitriptylin, Nortriptylin, Imipramin, Citalopram, Escitalopram, Sertralin, Fluoxetin, Paroxetin, Lithium; Kardiovaskuläre Medikamente: Metoprolol, Labetolol, Atenolol, Nifedipin, Digoxin. Therapeutisches Drug Monitoring (TDM) obligat bei Lithium; dringend empfohlen bei trizyklischen Antidepressiva wegen UAWs; empfohlen bei SSRI, SNRI, Lamotrigin, Levetiracetam. Gegen Ende der Schwangerschaft kann sich die Plasmahalbwertszeit verkürzen, was unter Umständen zu einer Verminderung der Wirkung eines Medikaments führt. © Shutterstock I

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Am diesjährigen Workshop der Schweizerischen Arbeitsgemein-schaft für Perinatale Pharmakologie (SAPP) wurden neueste Forschungs-ergebnisse und ihre Anwendung in der Praxis in einem inter- disziplinären Rahmen diskutiert. Die wichtigsten Aspekte sind im Folgenden zusammengefasst.

n ihrer Masterarbeit hat Larissa Schenkel in den fünf geburts­hilflichen Universitätskliniken

und vier Perinatalzentren die verordne­ten Medikamente während der Schwan­gerschaft und Stillzeit analysiert. In der Schwangerschaft werden 69, in der Peri­partalzeit 21 und in der Stillzeit 48 Wirk­stoffe in mindestens vier Zentren über­einstimmend eingesetzt. Diese beziehen sich auf 18 unterschiedliche Hauptindi­kationen bzw. Anwendungsgebiete.

Zu den total meist aufgeführten Wirk­stoffen (von sieben oder mehr Kliniken genannt) gehören Nifedipin (hypertensive Erkrankungen und vorzeitige Wehen), Eisen i. v. und oral (Anämie), Labetalol und Magnesiumsulfat (hypertensive Er­krankungen), Amoxicillin+Clavulansäure (bakterielle Infektionen), Paracetamol (Schmerzen allgemein), Dalteparin (Ve­nenkrankheiten, Hämorrhoiden), Meto­clopramid (Verdauungsstörungen) sowie Atosiban und Hexoprenalin (Frühgeburts­bestrebungen bzw. vorzeitigen Wehen).

Trotz evidenzbasierter medizinischer Guidelines sind nur die wenigsten dieser angewendeten und empfohlenen Sub­stanzen für diese Personengruppen offizi­ell zugelassen. Mit dieser Arbeit konnte

eine Datenbasis geschaffen und die Transparenz bezüglich des Einsatzes von Arzneimitteln in Schwangerschaft und Stillzeit erhöht werden. Das Zusammen­tragen der Daten ist somit ein erster Schritt zu offiziellen Empfehlungen für die in Schwangerschaft und Stillzeit häu­fig verwendeten Medikamente, wie sie in der Pädiatrie bereits Standard sind.Literatur: Drugs in pregnancy and lactation – medications used in Swiss Obstetrics. Z Geburtshilfe Neonatol 2018 Feb 8. doi: 10.1055/s-0043–124975.

Referat von Larissa Schenkel, eidg. dipl. Apothekerin

Evidenzbasierte Dosisanpassung in der Schwangerschaft (und Stillzeit)

Auch wenn bereits etliche Studien zu den Veränderungen der Pharmakokinetik bei schwangeren Frauen vorliegen, fehlt oft das Wissen und die praktische Umset­zung einer korrekten Dosis anpassung in

der Schwangerschaft. In einigen Fällen kann ein therapeutisches Drug Monito­ring Abhilfe schaffen. Nicht immer korre­liert die Plasmakonzentration mit dem klinischen Effekt oder die Plasmazielwer­te für Schwangere sind nicht bekannt.

V. a. gegen Ende der Schwangerschaft kann die Plasmahalbwertszeit verkürzt und die Clearance erhöht sein. Dies führt grundsätzlich zu einer Verminderung der Wirkung des Medikaments, weshalb eine Dosissteigerung von 20 % bis über 100 % erforderlich ist (siehe Kasten und Tabelle  1). Allerdings kann man keine Gruppeneffekte beobachten, so dass je­der Wirkstoff einzeln betrachtet werden muss. Literatur: Courvoisier M. Richtig dosieren bei Schwangeren: Dosisanpassung in Schwangerschaft und peripartal bei 15 ausgewählten Medikamenten, Abschlussarbeit FPH Klinische Pharmazie 2017

Referat von Martina Courvoisier, eidg. dipl. Apothekerin, FPH klinische Pharmazie

Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit

Hotspots von der Forschung für die Praxis

Barbara Lardi

Medikamente mit belegter erhöhter mütterlicher Clearance

• Analgetika: Paracetamol, Methadon, Morphin;• Antibiotika: Amoxicillin, Cefazolin, Cefuroxim, Gentamicin;• Anti-HIV-Medikamente: Lopinavir/Ritonavir, Tenofovir, Zidovudin, Darunavir,

Saquinavir, Indinavir;• Antidiabetika: Metformin;• Antiepileptika: Lamotrigin, Levetiracetam, Carbamazepin, Phenytoin;• Psychopharmaka: Amitriptylin, Nortriptylin, Imipramin, Citalopram, Escitalopram,

Sertralin, Fluoxetin, Paroxetin, Lithium;• Kardiovaskuläre Medikamente: Metoprolol, Labetolol, Atenolol, Nifedipin, Digoxin.

Therapeutisches Drug Monitoring (TDM)

• obligat bei Lithium;• dringend empfohlen bei trizyklischen

Antidepressiva wegen UAWs;• empfohlen bei SSRI, SNRI, Lamotrigin,

Levetiracetam.

Gegen Ende der Schwangerschaft kann sich die Plasmahalbwertszeit verkürzen, was unter Umständen zu einer Verminderung der Wirkung eines Medikaments führt. © ShutterstockI

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werden muss. In vitro hemmt der Blatt­presssaft von Bryophyllum pinnatum die uterine Kon­traktilität sowie kontraktions­relevante Sig nalübertragungswege. Ganz neue Resultate weisen auf eine Verstär­kung der Wirkung von Atosiban und Nife­dipin durch Bryophyllum pinnatum hin. Diese Ergebnisse untermauern die klini­schen Beobachtungen und lassen auf eine gut verträgliche Alternative zur Behand­lung vorzeitiger Wehentätigkeit hoffen.Referat von PD Dr. phil. II (P), dipl. Biol. Ana Paula Simões-Wüst

Bryophyllum pinnatum: Mehr als ein «Wundermittel»

Bryophyllum pinnatum  – vorzugsweise oral in Form von Kautabletten aus dem Blattpresssaft  – wird in der Schweiz an vier geburtshilflichen Zentren gegen Angst­ und Unruhezustände sowie Schlaf­störungen und an deren sechs gegen vor­zeitige Wehen verwendet. Bezüglich der Behandlung von Schlafstörungen mit Bryophyllum pinnatum sanken in einer prospektiven, multizentrischen Beobach­

tungsstudie (Paracelsus­Spital Richterswil, Spital Bülach, USZ) die Anzahl Erwachen pro Nacht (von durchschnittlich 3,4 auf 2,5 pro Nacht) und die Tagesschläfrigkeit  – dies bei sehr guter Verträglichkeit. In einer randomisierten Studie wurden die Anzahl Kontraktionen vier Stunden nach Beginn der Behandlung mit Bryophyllum pinna­tum bzw. Nifedipin verglichen. Dabei er­wies sich Bryophyllum pinnatum als ver­gleichbar wirksam wie Nifedipin, was allerdings wegen der kleinen Anzahl an Patientinnen mit Vorsicht interpretiert

Tabelle 1: Auswahl von gängigen Medikamenten mit notwendiger Dosisanpassung während der Schwangerschaft.

Wirkstoff Metabolisierung/Elimination Dosisanpassung in der Schwangerschaft Monitoring

Antibiotika/Anti-HIV-Medikamente

Amoxicillin Beschleunigte Elimination durch erhöhte glomeruläre Filtration und gesteigerte aktive tubuläre Sekretion

Im 2. und 3. Trimenon und in den ersten Wochen postpartal: Dosierungsintervall von 6–8 h auf 4 h verkürzen*: 6 x 250–500 mg/Tag

Empirische Dosiserhöhung wegen guter Verträglichkeit möglich, allenfalls TDM

Cefazolin Erhöhte glomeruläre Filtration, zu geringem Teil auch vermehrt aktive tubuläre Sekretion

Initialdosis erhöhen auf 2 g i. v. oder i. m. (bei adipösen Schwangeren ev. 3 g), danach alle 3–6 h (anstelle von alle 8 h) Standarddosie-rung (je nach Schweregrad der Infektion)**

Cefuroxim Erhöhte glomeruläre Filtration und aktive tubuläre Sekretion

Dosiserhöhung je nach Schweregrad der Infektion auf 3–4 mal 750 mg/Tag; keine konkrete Dosisempfehlung

Lopinavir/ Ritonavir

Beschleunigte Metabolisierung über CYP3A; freie Fraktion wegen Reduktion der Plasmaproteine jedoch ungefähr gleichbleibend

Grundsätzlich keine Dosisanpassung notwendig: 2 mal täglich 2 Tabletten à 200 mg/50 mg. Dosissteigerung gemäss TDM, falls Viruslast nicht ausreichend gesenkt werden kann

Routinemässiges TDM mit monatlicher Bestimmung der Viruslast und CD4+-Zellzahl; Engmaschige Kontrolle im 3. Trimenon

Antiepileptika

Lamotrigin Zunahme der Clearance wegen Aktivierung der Glucuronidierung über UGT1A4 (hormonabhängig)

Bei einem Abfall der Plasmakonzentration unter den Referenzwert muss die Dosis um 20–25 % erhöht werden. Alle 4–5 Wochen Dosis überprüfen und gegebenenfalls anpas-sen. Nach der Geburt Dosisreduktion

TDM in 4-wöchigen Abständen, peripartal wöchentlich, postpartal in den ersten Tagen, spätestens aber nach 2 Wochen

Levetiracetam Zunahme der Clearance wegen gesteigerter renaler Funktion

Evtl. Dosisanpassung erforderlich. Nach der Geburt Dosisreduktion

TDM empfohlen wegen variabel aktivierter glomerulärer Filtration

Psychopharmaka

Amitriptylin Beschleunigte Metabolisierung über verschiedene CYP-Enzyme, u. a. polymorphe CYP2C19 und CYP2D6

Dosiserhöhung ab Ende 2./anfangs 3. Trimenon oft erforderlich. Nach der Geburt Dosisreduktion

TDM dringend empfohlen, Monitoring auf depressive Symptome

Citalopram Beschleunigte Metabolisierung über verschiedene CYP-Enzyme, v. a. polymorphe CYP2C19

Dosiserhöhung ab Ende 2./anfangs 3. Trimenon oft erforderlich. Nach der Geburt Dosisreduktion

TDM empfohlen, Monitoring auf depressive Symptome

Sertralin Beschleunigte Metabolisierung über verschiedene CYP-Enzyme

Dosiserhöhung (bis zu 100 %) gegen Ende der Schwangerschaft erforderlich. Ab der 3. Woche postpartal Dosisreduktion

TDM empfohlen, Monitoring auf depressive Symptome

Kardiovaskulär aktive Substanzen

Metoprolol Metabolisierung über das polymorphe CYP2D6, d. h. sehr variabel gesteigerte Meta-bolisierung. Ev. auch pharmakodynamische Veränderungen in der Schwangerschaft

2 mal täglich 50–100 mg, maximal 450 mg/Tag; Dosiserhöhung individuell nach klinischen Symptomen

Puls Blutdruck: Zielwerte ≤140/90 mm Hg

* Bei den zeitabhängigen Betalaktam-Antibiotika ist die Zeit mit einer Plasmakonzentration über der minimalen Hemmkonzentration (MHK) die für die Wirksamkeit massgebende Grösse. Deshalb muss das Dosisintervall verkürzt werden. Bei konzentrationsabhängigen Antibiotika (z. B. Chinolon- und Makrolid-Antibiotika) ist eine genügend hohe Loading Dose entscheidend, um einen therapeutisch wirksamen Plasmaspiegel zu erreichen. Ein grösseres Verteilungsvolumen während der Schwangerschaft erfordert daher eine Erhöhung der Loading Dose.** Beim zeitabhängigen Cefazolin ist das Verteilungsvolumen in der Schwangerschaft erhöht, weshalb die Loading Dose erhöht und das Dosierungsintervall verkürzt werden muss, um während des erforderlichen Zeitraums eine Plasmakonzentration über der MHK zu erreichen.

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KorrespondenzadressenDr. sc. nat. Barbara Lardi-StudlerSeeblickstrasse 118610 [email protected]

Geschäftsstelle SAPPProf. Dr. pharm. Ursula von Mandach, PräsidentinUniversitätsspital ZürichPostfach 1258091 Zü[email protected] www.sappinfo.ch

Pertussis und Co: warum impfen?

Um in der Schwangerschaft kontraindi­zierte Impfungen nicht zu verpassen, soll systematisch bei allen jungen Frauen be­reits bei der Erstkonsultation (also VOR der Schwangerschaft) der Immunstatus gegen Masern, Mumps, Röteln und Vari­zellen evaluiert werden (vergleiche Tabel­le 2). Durch diese Strategie wird nicht nur ein Beitrag zur Herdimmunität geleistet, sondern auch das (erste) Kind durch ma­ternale Antikörper passiv immunisiert und geschützt.

Pertussis

Jugendliche und Erwachsene sind zwar das Hauptreservoir von Bordetella pertus­sis, aber die höchste Inzidenzrate findet sich in der Gruppe der Säuglinge unter sechs Monaten. Erfreulicherweise ist die Durchimpfungsrate in den letzten Jahren in der Schweiz angestiegen, und 2015 hatten fünf Kantone die Herdimmuni­tätsschwelle von 95 % erreicht. Ziel der neuen Pertussis­Impfstrategie ist der Schutz von Säuglingen unter sechs Mo­naten (vergleiche Kasten). Insbesondere sollen alle(!) Schwangeren geimpft wer­den. Während man normalerweise einen Abstand zur letzten Tetanusimpfung von zwei Jahren einhalten sollte, wurde dieser Abstand bei Schwangeren und Kontakt­personen auf vier Wochen verkürzt.

Influenza

Bei schwangeren Frauen kann die saisona­le Grippe zu schwerwiegenden Komplika­

tionen oder sogar zum Tod führen, insbe­sondere während des 2. und 3. Trimenons und im ersten Monat nach der Entbin­dung. Die Impfung während der Schwan­gerschaft schützt nicht nur die Mutter, sondern durch den plazentaren Transport der Antikörper auch das Neugeborene. Der trivalente Impfstoff (Aggripal®, Influ­vac®) kann subkutan appliziert werden und ist offiziell in der Schwangerschaft zugelassen. Der quadrivalente Impfstoff (Fluarix Tetra®) muss intramuskulär appli­ziert werden. Beide Impfstoffe enthalten inaktivierte Viren und weder Quecksilber­ noch Aluminiumverbindungen.

Hepatitis B

Während sich nach einer Hepatitis B­In­fektion bei Erwachsenen nur deren 10 % in eine chronische Hepatitis weiterentwi­ckeln, gehen nach vertikaler Transmission 90 % der Fälle in eine chronische Hepati­tis mit Leberzirrhose, Karzinom und schliesslich Tod über. Zur Vermeidung der vertikalen Transmission sollen alle Schwangeren nach Hepatitis B­Antige­nen gescreent werden. Die Neugebore­nen von Hepatitis B­positiven Müttern sollen innerhalb von zwölf Stunden post­partal eine passive und aktive Immunisie­rung erhalten. Nach einem und nach sechs Monaten wird die Immunisierung des Neugeborenen vervollständigt und nach sieben bis zwölf Monaten soll eine Serologie gemacht werden. Mittels dieser Strategie sind über 90 % der vertikalen Transmissionen vermeidbar. nReferat von Dr. med. Alexia Anagnostopoulos, MPH

Priorisierende Pertussis-Impfstrategie

1. Immunisierung in jeder Schwanger-schaft (unabhängig von vorheriger Impfung oder durchgemachter Krankheit)• Schutz des Kindes durch maternale

Antikörper (Optimaler Zeitpunkt: 2. bis frühes 3. Trimenon);

• Schutz der Mutter durch Impfung.

2. Immunisierung der Säuglinge (ab 6–8 Wochen)• Impfungen in den Monaten 2, 4 und

6 oder in den Monaten 2, 3 und 4 («Kinderhort»-Schema);

• Schutz nach 2 Dosen gewährleistet.

3. Immunisierung der Kontaktpersonen• Impfung von Eltern, Grosseltern,

Nannies, Pflegefachpersonen; • Booster alle 10 Jahre.

4. Weitverbreitete Impfabdeckung in der Bevölkerung

Impfungen in der Schwangerschaft

Erlaubte Kontraindizierte Impfungen Impfungen*Influenza MasernTetanus MumpsDiphtherie RötelnPertussis VarizellenHepatitis A & B GelbfieberFSME CholeraPolioMeningokokkenPneumokokkenRabies(Typhus, wenn Totimpfung)

* Lebendimpfstoffe wenn möglich vor der ersten Schwangerschaft verabreichen.

Tabelle 2: Impfempfehlungen gemäss Impfplan 2018 (BAG).

Impfungen VOR der Schwangerschaft

Masern-Mumps-Röteln 2 Dosen im Abstand von mindestens vier Wochen

Varizellen 2 Dosen im Abstand von mindestens vier Wochen

Hepatitis B Komplette Immunisierung (2 oder 3 Dosen)

Impfungen während der Schwangerschaft

Influenza Grundsätzlich in jedem Trimenon möglich (wenn möglich aber im 2./3. Trimenon impfen)

Pertussis (dTpa) Vorzugsweise im 2. Trimenon, unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Pertussis-Impfung oder -erkrankung

Tetanus Schutz des Neugeborenen vor Tetanus neonatorum durch Impfung der Mutter (mindestens zwei Dosen im Abstand von mindestens vier Wochen)

Impfungen bei der Geburt

Hepatitis B Impfung für das Neugeborene bei HBs Antigen-positiver Mutter

Nächste SAPP-Veranstaltung

Workshop zum Thema «Atemwegserkran-kungen in Schwangerschaft und Stillzeit», 7. März 2019 im Universitätsspital Zürich; anschliessend SAPP GV.

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