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16 | DLR NACHRICHTEN 120 I n den nächsten zwei Jahrzehnten erwarten Experten weltweit eine Steigerung des elektrischen Ener- giebedarfs um zirka 70 Prozent. Zur Deckung des wachsenden Strombedarfs werden daher zusätzliche Kraftwerkskapazitäten erforderlich. Darüber hinaus müssen in diesem Zeitraum allein in Deutschland Alt- anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 40 Gigawatt erneuert werden. Gleichzeitig werden die verfügbaren Ressourcen an konventionellen fossilen flüssigen und gasförmigen Brennstoffen knapper. Dies sind Kernaussagen einer Einschätzung der Internationalen Energieagentur, die den Forschungs- und Innovationsbedarf auf dem Kraftwerkssektor nachhaltig unterstreichen. Im DLR wird an neuen effizienten Technologien gearbeitet. Eine davon ist das Hybrid-Kraftwerk. Hybrid ist „in“ Energie aus Gasturbine und Hochtemperatur- brennstoffzelle Von Axel Widenhorn

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16 | DLR NACHRICHTEN 120

In den nächsten zwei Jahrzehnten erwarten Experten weltweit eine Steigerung des elektrischen Ener-

giebedarfs um zirka 70 Prozent. Zur Deckung des wachsenden Strombedarfs werden daher zusätzliche

Kraftwerkskapazitäten erforderlich. Darüber hinaus müssen in diesem Zeitraum allein in Deutschland Alt-

anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 40 Gigawatt erneuert werden. Gleichzeitig werden die

verfügbaren Ressourcen an konventionellen fossilen flüssigen und gasförmigen Brennstoffen knapper.

Dies sind Kernaussagen einer Einschätzung der Internationalen Energieagentur, die den Forschungs-

und Innovationsbedarf auf dem Kraftwerkssektor nachhaltig unterstreichen. Im DLR wird an neuen

effizienten Technologien gearbeitet. Eine davon ist das Hybrid-Kraftwerk.

Hybrid ist „in“

6Energie aus Gasturbine undHochtemperatur-brennstoffzelleVon Axel Widenhorn

Eine zukunftsorientierte und zudemfinanzierbare Stromerzeugung unterden aktuellen Rahmenbedingungenerfordert die Entwicklung von hoch-effizienten Energie-Technologien undAnlagenkonzepten, mit denen derelektrische Wirkungsgrad von fossilbefeuerten Kraftwerken erhöht undder Schadstoffausstoß zugleich mini-miert werden kann. Ein möglichesAnlagenkonzept, welches diese For-derungen erfüllt, ist das Hybrid-Kraft-werk. Hierbei wird eine Gasturbinemit einer Hochtemperaturbrenn-stoffzelle (SOFC) gekoppelt, waslangfristig den höchsten erreichba-ren elektrischen Wirkungsgrad beider Stromproduktion verspricht. ZurUmsetzung eines solchen Kraftwerk-typs haben sich die DLR-Institute fürVerbrennungstechnik und TechnischeThermodynamik sowie das Institutfür Luftfahrtantriebe der UniversitätStuttgart und Industriepartner zueinem virtuellen Institut zusammen-geschlossen.

Große zentrale Gas- und Dampfkraft-werke mit einer elektrischen Leistungvon mehreren hundert Megawattwandeln bereits über 60 Prozent dereingesetzten Energie in Strom um.Der Rest wird dabei ineffizient alsAbwärme zum größten Teil unge-nutzt an die Umgebung abgegeben.Im Vergleich hierzu nutzen die de-zentralen Kraftwerke im unterenKilo- und Megawatt-Bereich deutlichweniger als die Hälfte der eingesetz-ten Energie zur Stromproduktion.Allerdings erlauben sie es, die Ab-wärme zum Heizen von Wohnungenzu verwenden. Hybrid-Kraftwerkeerreichen indes bereits im unterenKilowatt-Bereich einen elektrischenWirkungsgrad von bis zu 53 Prozent.Im Vergleich zur Brennstoffzelle alsbeste Einzelkomponente und miteinem Wirkungsgrad von 46 Prozentbedeutet dies eine Steigerung um

sieben Prozentpunkte. Für eine An-lage mit fünf Megawatt elektrischerLeistung, welche zur Stromversor-gung einer Kleinstadt mit 5.000 Ein-wohnern genügt, ist ein elektrischerWirkungsgrad von bis zu 60 Prozentrealistisch. Abhängig von der Anla-gengröße und den verwendetenKomponenten sind sogar grundsätz-lich Wirkungsgrade von bis zu 70Prozent denkbar. Das dezentraleAnlagenkonzept beim Hybrid-Kraft-werk bietet also neben der Strom-produktion auch eine effiziente Aus-nutzung der erzeugten Wärme.

Das Geheimnis dieses innovativenKraftwerkkonzepts liegt im Zusam-menwirken von Hochtemperatur-brennstoffzelle und Gasturbine. DieBetriebstemperatur der mit Über-druck betriebenen Brennstoffzelleliegt bei zirka 1.000 Grad Celsius (°C).

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3-D-CAD-Modell der Laboranlage, beste-hend aus Mikrogasturbine, SOFC-Brenn-stoffzellen-Simulator und Rohrleitungs-system – derzeit erfolgt die Installation der Anlage im Technikum des Instituts für Verbrennungstechnik.

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Neben Strom entstehen über 850 °Cheiße Abgase. Diese werden dannder Gasturbinenbrennkammer zu-geführt. Durch die beim Eintritt indie Brennkammer erhöhte Temperaturder zuvor verdichteten Prozessluft be-nötigt die Gasturbine im Vergleichzum klassischen Gasturbinenkreislaufbedeutend weniger Brennstoff. Durchdie Entspannung der Prozessluft inder nachgeschalteten Turbine aufannähernden Umgebungsdruck wirdelektrischer Strom produziert. DieDruckaufladung dient dazu, die elek-trische Leistung bei gleichem Brenn-stoffeinsatz in der Brennstoffzelle zuerhöhen.

Das Arbeitsprogramm zur Umsetzungdes Hybrid-Kraftwerks umfasst so-wohl intensive Grundlagenforschungals auch den Technologietransfer derzunächst im Labor gewonnenen Er-kenntnisse. Hierbei betreten die Wis-senschaftler in etlichen BereichenNeuland. Zunächst analysieren sie das Betriebsverhalten der einzelnenKomponenten der Gesamtanlageexperimentell, parallel dazu werdenentsprechende numerische Modelle

implementiert und validiert. Darüberhinaus ist es erforderlich, die Brenn-kammer der Gasturbine neu zu ent-wickeln, um unter den verändertenRandbedingungen, wie der deutlicherhöhten Brennkammereintrittstem-peratur, zuverlässige Ergebnisse zuerzielen.

Die Verbrennungsprozesse der Luft-Brennstoff-Gemische sowohl in derBrennstoffzelle als auch in der Gas-turbinenbrennkammer sind bislangnoch nicht detailliert erforscht. Einebesondere Herausforderung stellt dieRegelung des Gesamtsystems dar,denn die Subsysteme Gasturbineund Hochtemperaturbrennstoffzelleverhalten sich höchst unterschied-lich. Beispielsweise benötigt dieBrennstoffzelle mehrere Stunden,um die Nennleistung zu erbringen,während die Gasturbine dies inner-halb weniger Minuten erreicht. Daherentwickeln die Wissenschaftler zurValidierung der komplexen Regelungentsprechende Computer-Modelle.Erst im folgenden Schritt wird dieRegelung an der Laboranlage, welchederzeit im Technikum des DLR-Insti-

tuts für Verbrennungstechnik aufge-baut wird, getestet.

Hierbei ersetzt zunächst ein Simulatordie Hochtemperaturbrennstoffzelle.Dieser bildet die thermodynamischenund strömungsmechanischen Grö-ßen einer Brennstoffzelle realitätsnahab. Damit wird bei der Validierungder unterschiedlichen Regelungsstra-tegien einer Beschädigung der aufschnelle transiente, also sich zeitlichändernde, Vorgänge sensibel reagie-renden Brennstoffzelle vorgebeugt.Die Experten untersuchen dabeiKonzepte für das Hochfahren, Aus-schalten, den Lastwechsel sowie dieNot-Abschaltung. Darüber hinausanalysieren sie neben der Regelunganhand dieser Anlage auch den Ein-fluss des Rohrleitungssystems inklusiveder Brennstoffzelle auf das Betriebs-verhalten der Gasturbine. Zusätzlichdient die Anlage zur Untersuchungund Optimierung der neu entwickel-ten Brennkammer-Komponenten. ImAnschluss soll der Simulator durcheine kommerziell erhältliche Hoch-temperaturbrennstoffzelle ersetztwerden. Dieses Pilotkraftwerk mit

Mikrogasturbinen-Prüfstand im Technikumdes Instituts für Verbrennungstechnik –die Mikrogasturbine ist neben der SOFC-Brennstoffzelle die Kernkomponente eines Hybrid-Kraftwerks.

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pletten Kreislaufs. Eine – ebenso welt-weit einmalige – optisch zugänglicheBrennkammer rundet die Instrumen-tierung ab. Diese „gläserne“ Brenn-kammer ermöglicht die optischeUntersuchung der Verbrennungsvor-gänge mittels laserbasierten Mess-methoden. Über eine Synthese-gasanlage können alle relevantenBrenngaszusammensetzungen be-reitgestellt werden. Zur Analyse desSubsystems Brennstoffzelle installiertedas DLR-Institut für Technische Ther-modynamik ein atmosphärisches tu-bulares 5 kW-Hochtemperaturbrenn-stoffzellensystem von Siemens. Damitverfügt das DLR als erste Forschungs-

einer elektrischen Leistung im unte-ren Kilowatt-Bereich soll ab 2010auf dem Areal des DLR Stuttgartinstalliert und zunächst mit Erdgasbetrieben werden. Die hier gewon-nenen Erfahrungen sollen dann ab2012 in die Umsetzung eines De-monstrationskraftwerks fließen.

Zur Analyse des Subsystems Gastur-bine installierte das DLR-Institut fürVerbrennungstechnik eine kommer-ziell erhältliche Mikrogasturbine desTyps Turbec T100. Dieser weltweitam besten instrumentierte Prüfstandfür diesen Gasturbinentyp erlaubteine detaillierte Analyse des kom-

einrichtung in Deutschland über einenderartigen Brennstoffzellen-Teststandin diesem Leistungsbereich.

Autor:

Axel Widenhorn leitet am Institut für

Verbrennungstechnik die Gruppe

„Gasturbine“.

Die neue Hochtemperatur-Brennstoffzellen-Anlage „Siemens SFC-5“im Labor des Instituts für Technische Thermodynamik in Stuttgart.

Das Thermobild (rechts) wurde mit einer NEC TH9260 Infrarot-Kame-ra aufgenommen. Der Farbübergang ist von Rot (41 °C) bis Violett(28 °C). Die Infrarot-Aufnahme wurde im Rahmen der Arbeiten zurMinimierung der Abstrahlungsverluste gemacht.