Hydra #1 remastered

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P.b.b. Verlagspostamt Wien Mai 2007 Österreich: 9 Cent Deutschland: 99 Cent Schweiz: 999 Cent Benelux: Vergesst es! POPULÄRKULTUR SATIRE KONTRAPRODUKTION NO. 1 / 2007 HYDRAZINE.AT

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Unsere erste Ausgabe in inflationsbereinigter Version. Zum Wiederentdecken des ersten Hydra-Teams.

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P.b.b. Verlagspostamt Wien Mai 2007

Österreich: 9 Cent Deutschland: 99 Cent

Schweiz: 999 Cent Benelux: Vergesst es!

POPULÄRKULTUR SATIREKONTRAPRODUKTIONNO. 1 / 2007HYDRAZINE.AT

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Vermutlich haben Sie sich schon gefragt, was das für eine Zeitschriftsein soll.Wahrscheinlicher ist natür-lich, dass Ihnen das egal ist, aber wirwollen vom Positiven ausgehen und annehmen, dass es sie doch interes-siert ... Aber was rede ich denn da! Natürlich ist es Ihnen piepegal, Siedenken auch nur an Zaster und Karriere! Wir reißen uns den Arschauf, damit Sie in diesem medialenEinheitssumpf ein wenig Abwechslungund Ironie genießen dürfen – und wasist der Dank?! Das Beste wäre, manwürde diese ganze, marode neoliberale Sch ...

Verzeihung, darf ich kurz überneh-men? Ich möchte mich in aller Formfür unseren ehemaligen ChefredakteurGernot entschuldigen. Gernot hat harte Wochen hinter sich. Tag undNacht hat er der Hydra in den Rachengeworfen, während seine Ehefrau mitphönizischen Seefahrern ins Bett hüpfte und der Stadtsenat täglich zweiStrafzettel auf die Windschutzscheibe seiner Puch-500-Galeere klebte. Zu allem Überfluss hat Gernot zu tief insGlas geschaut, weil es eben doch, dasollten wir ganz ehrlich sein, ein knochentrockener Job ist.

Das gilt für uns alle. Nehmen wir zumBeispiel Ingenieur Huber. Um seineArtikel zu schreiben, erfand er kurzer-hand die Zeitmaschine, reiste damitquer durch die Jahrhunderte, hättekurz vor 1877 beinahe einen tödlichenZusammenprall mit einem sturzbesof-fenen August gehabt, der mit über-höhter Lichtgeschwindigkeit unter-wegs war, nur um dann von den ElternFranz Schuberts aus dem Haus gejagtzu werden.“Ihr schamlosen Typen vonder Sensationspresse!” rief der alte Vater Schubert unserem Ingenieurnach. Sensationspresse! Das uns!

Oder Martin Moped. Seit Jahr und Tagschon abonniert auf eine Vortragsreisedurch die EU, um täglich zu früherAbendstunde rhetorische Perlen über

die Kultur des austropopulären Abendlandes zum Besten zu geben.Doch vor kurzem versagte ihm seineZunge den Dienst, um sich auf ihrenGaumenteil zurückzuziehen und ihremHerrn und Schlucker zu deuten: “Mitmir nicht mehr!” Darum gibt es die unverzichtbaren Erkenntnisse des Instituts für Zeitgenössische Kultur-geschichte endlich in schriftlicherForm.

Oder, als letztes von vielen Beispielen,unsere bezaubernde Alice.Währendunsereins jeden Abend lange vor Mitternacht die Pantoffeln in die Eckewirft, um den Schlaf der Gerechten zu genießen, beginnt der Abend für Aliceerst dann seine zartesten Knospen auszutreiben. Nacht für Nacht schlägtsich Alice dieselben um die Ohren,meist verfolgt von schmachtendenSchlagzeugern oder Alkoholvertriebs-professionisten. Der bittere Auftragjede Nacht: Amüsement um jedenPreis!

Sie sehen also, der Hydra zu dienen istalles andere als ein einfacher Job, esist eine Lebensaufabe, die unbeschol-tenen Menschen alles abverlangt. Mansollte sich deswegen nicht wundern,wenn die Nerven der Redaktion blankliegen und jedes Anzeichen von Geringschätzung unkontrollierbareReaktionen hervorruft. Verzeihen Siealso unserem ehemaligen Chefredakteur Gernot seine anfängli-che Entgleisung und nehmen Sie unsere einzige Erklärung zur Beschaffenheit dieses periodischenDruckwerks zur Kenntnis. Dieses Magazin heißt Hydra, die Mitarbeite-rInnen nennen wir Hydranten, diedazu passende Website hört auf denNamen hydrazine.at. Danke!

Curt CuisineRedakteur, Entrepreneur, Bankrotteur

Impressivo

Herausreicherin: MedienManufaktur Wien;Redaktionstyrann: Curt Cuisine;

Autor/innen: Thomas Flicker (tomtom),Konrad Gregor (grog), Alice Gruber (alce),

Marc-Andre Heim (mäx), Gregor Lauss(grrr), Bernhard Lang (dipl.ing. huber,

frau beischl), Georg Moser (prof), MartinStrecha (moped), Christian Orou (l’orou);

Fotos: wie gekenngezeichnet;Sorry bei ungenannten Fotografen bzw.

Agenturen (wir haben die Fotos nur ausge-borgt und bringen sie gleich morgen wie-

der); Layout: Cuisine bzw. Seite 23:Dipl.-Ing. Huber; Redaktionsanschrift:

Knöllgasse 9/41, 1100 Wien; Druckerei: Leo-druck, Allemagne; Erscheinungsort:

Wien, Verlagspostamt 1150, Wien. P.b.b. Kontakt: [email protected]

Verkaufspreis: 9,- Cent

www.hydrazine.at

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EMO IST EIN SKANDAL! RICHTIG! ABER WAS ZUM TEUFEL IST EMO?

EIN MEGATREND, DEN KEINERKENNT UND DEM NIEMAND

FOLGEN WILL? HYDRA VERRÄT ESEUCH ... EXKLUSIV NATÜRLICH!

Das ist übrigensMatthi. Warum?Ach, nur ein kleiner Tipp ...

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Ein Bundesrealgymnasium in Wien.Die Pausenglocke klingelt. Über denSchulhof läuft neben einem Dutzendpausbackiger Burschen und Mädchenauch Gisy. Aschefahl, Kayal unter denAugen, die hellbraunen, gelsatten Haare bedecken das halbe Gesicht.Eigentlich heißt sie Gisella, aber Gisybeschreibt ihre Identität einfach besser. Sie ist 16 Jahre alt und hat derWelt einiges mitzuteilen.“Ich findemich gar nicht hübsch, bin oft verzweifelt und würde mir gerne zweimal am Tag die Pulsadern aufschneiden. Ich stehe auf Bands wieThe End of Julia, Hey Mercedes oderTime spent driving – und meine HelloKitty Umhängetasche würde ich auchniemals hergeben. Frauenrechte findeich gut, Politik ...äh, keine Ahnung,aber nach meinem nächsten Selbstmordversuch möchte ich nochviele coole Erfahrungen sammeln.”

Gisy ist Emo. So wie Bernie und Matthi, die eigentlich Soulmaster MCund Funkadelic heißen. Zumindest waren das die Namen, die ihnen ihreEltern gegeben haben, aber “mit diesem Aggro-Schrott meiner Parentalswill ich nichts mehr zu tun haben”,begründet Matthi seinen mutigenSchritt hin zu einem neuen Lebens-gefühl. Seitdem es im HipHop nur nochum harte Schale, harte Sprüche undharte Erektionen geht, bleibt in dieserJugendkultur wenig Platz für Gefühle.Und Gefühle sind genau das, wovonMatthi, Bernie und Gisy mehr habenwollen. Sie wollen wieder weinen undschwach sein dürfen – ohne diesenganzen Genderdingsbumskram! Siewollen ganz einfach Emo sein.

Was aber ist Emo? Das scheintzunächst ganz einfach. Emo steht fürEmotional, heißt also nichts anders alsgefühlvoll. Punktgenau ins Deutsche

übersetzt müsste die erste deutscheEmo-Bewegung also eigentlich “Gef”heißen ...

Geschichtlich betrachtet geht der Begriff Emo auf “Emotional Hardcore”zurück. Hardcore war eine aus demPunk hervorgehende Musikrichtung,variantenreicher zwar, aber zumindestzwei wesentliche Paradigmen des Pun-krock weiterhin beherzigend: Laut undwild auf der Bühne, aber bloß keineGitarrenexzesse! Nachdem das nocheine Menge Möglichkeiten offenlässt,gab es Hardcore in verschiedenstenVariationen, von Speedcore über Grindcore bis eben hin zum Emotional Hardcore. Hier waren die Songs melodiöser, die Texte persönlicher gehalten. Das war irgendwann Mitteder 80er Jahre. Bandnamen wie HüskerDü oder Fugazi werden hier oft genannt. (siehe Kasten links, nein rechts, nein, nächste Seite)

In der Zwischenzeit ist viel Musik überden großen UKW-Empfänger des Lebens gelaufen. Grunge kam undging. Britpop kam und ging. Trip Hopkam und ging. House kam und zognach Berlin. HipHop kam in die Chartsund blieb dank wackelnder Frauenhintern für immer dort. Eineganze Menge hübscher Frauen kamenund gingen an mir vorbei, ohne michnur eines Blickes zu würdigen. Derganze DJ-Schnickschnack kam undblieb. Und Anfang dieses Jahrtausendskam die harte Gitarrenmusik zurück.Und mit der Härte kamen die Tränen ...

Aber offenbar heulen nur die Fans.Denn spricht man Bands an, die alsEmo gelten, gibt es das schnell großeMeckern. So passiert unlängst demdeutschen Branchenblatt musikexpressbei einem Interview mit My ChemicalRomance.“Wir waren am Anfang so 5

“Nach meinemnächsten Selbstmordversuchmöchte ich nochviele cooleErfahrungen sammeln.”

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Gregor beginnt. Erster, hingerotzter Versuch. Melancholie, Verklärung und ... “Hoffentlich stimmt dieKohle!”

GREGOR VERSUCHTSICH IN DER HOHEN

KUNST DER TRAUER.SCHAUEN WIR IHM

BEIM SCHEITERN ZU!

Zweiter Versuch. “MeineGüte, wie mich diesesTraurig-sein anwidert.”Nicht schlecht, Gregor,nicht schlecht!

Ja ... da baut sich was auf.Ganz hervorragend.“Matura verhaut! Mopedim Ackergraben! KeinKuss von Mami!”

Nicht-Emo, dass uns niemand auf Emo-Tourneen mitnehmen wollte”,heulte da Gerard Way, der Sänger derBand, den Interviewer an, um dann(nachdem er im Prinzip schon alles gestanden hatte) auf den Standardsatzaller harten Jungs zu pochen: “Wir sindeine fucking Rockband!”

Wieder flossen im Interview die Tränen, der Journalist musste eine Pause machen, um das Mikrophon zumTrocknen aufzuhängen.Wenig spätersollte dann der deutsche Experte Christian Hirr die schlimmen Worte sagen: “My Chemical Romance gehendamit hausieren, wie fertig und verzweifelt sie sind”. (Warum derMann übrigens Experte ist? Na, er istDeutscher!)

Ähnlich sehen das Gisy und Matthi.“Diese ganzen Bands, die Emo nur auseiner Attitüde heraus und des Geldeswegen machen, sind gar nicht Emo. Diesind auch überhaupt nicht authentisch.Wahrer Emo berührt mich ganz tief dadrinnen. Dort, wo ich mich selbst nichtauskenne”, sagt Bernie. Und Gisy ergänzt.“Ich muss es spüren, wenn ichim Mediamarkt vor dem CD-Regal stehe. Da kommt total was rüber. Dashat nichts mit diesem Politikdings-bumskram zu tun. Das ist voll persönlich.” Und Bernie ergänzt.“Ichbin so traurig, ich könnte den ganzenTag nur fernsehen.”

“Wieviel gibt’s du im Monat aus, umdeine Emo-Credibility zu erhöhen?”,wollen wir Gisy fragen, die damit

offenbar eine Menge Erfahrung hat,aber wir können sie nirgends finden,bis uns Bernie aufklärt, dass Gisy inder Zwischenzeit auf die Toilette gegangen ist, um sich die Pulsadernaufzuschneiden.Wir suchen also jemand anderen, um diese Frage zubeantworten.

“Ist Emo ein ernstzunehmender Trend,oder geht es nur um die großeAbzocke”, fragen wir Markus Scheibe,Vorstandsdirektor des zweieinhalb-größten Musikvertriebs Österreichs.“Keinesfalls! Das sind aufrichtigeMädchen und Jungs, die überhauptkein Interesse an Geld haben.Genauso wie wir! Also ehrlich,Abzocke! Sie machen mir Spaß, ichweiß gar nicht, wie man das schreibt.”

Aber irgendetwas muss doch dran seinan diesem Phänomen? Außerdem hatunlängst eine Umfrage deutscher Experten in deutschen Städten beideutschen Jugendlichen (wer und wosonst!) ergeben, dass Kids immer mehr als attraktive Zielgruppe entdeckt werden, weil das Taschengeldsteigt und konsumkritische Einstellun-gen noch nicht so ausgeprägt sind.“Ich weiß von keiner derartigen Untersuchung”, so Markus Scheibe,und fügt hinzu: “Wenn so etwas untersucht wurde, dann sicher nichtvon uns. Ich persönlich habe nie an soeiner Untersuchung teilgenommen,maximal mein Mercedes SE, ohne mirallerdings davon zu erzählen. Und derGedanke, dass mein Mercedes SEDinge anstellt, ohne mir etwas davon

zu sagen, macht mich ganz traurig. Jetztsehen sie mal, ich bin schon ganz verheult. Ich hoffe, ihnen wird nun klar,dass Emo nicht einfach nur heiße Luftist. Gefühle gibt es wirklich. Und es istüberhaupt nichts falsch daran, wennman für Gefühle Geld ausgibt.”

Und was sagen Matthi, Bernie und Gisella dazu? Hallo? Wo seid ihr denn?Ah, ich erfahre gerade von meinemAssistenten Gregor, dass alle drei wegen versuchtem Suizid ins AKH eingeliefert wurden. Gregor hat außerdem gehört, ein Vertreter derMusikindustrie sei bereits auf demWeg ins Krankenhaus, um mit den Dreien Klartext zu reden. Denn so wardas natürlich nicht geplant.“Ihr solltergriffen sein, aber nicht deprimiert,zornig, aber nicht rebellisch.Wer solldie ganzen CDs kaufen, wenn Ihr Euchwirklich umbringt?”

In dieser Hinsicht können auch die Vertreter der Industrie richtig Emosein und Gef zeigen. Aber ist das alleswirklich ein Trend? Wie bin ich überhaupt auf diese Idee gekommen?Ach, richtig! Gregor meinte, dass Emogerade absolut angesagt ist. Und Gregor muss es wissen, denn er istnicht nur unser Redaktionsassistent, erist auch jung und ... in Gisella verknallt, wie ich gerade superexklusivvon Bernie erfahre, der sich trotz einbandagierter Unterarme auf denSchulhof zurückschleppt. Jetzt wird mirvieles klar! Ich habe mich schon gefragt, warum wir uns ausgerechnethier herumtreiben ...

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Uups. Eine Spur zuviel.Wenn die Trauer insSkurile driftet. Männersind da sehr anfällig. Alte Heulwampe!

Jetzt aber! Die Vollendung! “Mama hatmich nie! Papa war ein rollender Stein! Das hierkönnt ihr nie bezahlen!”

Ah, fertig! “Oh, verdammt, die hab’ ichjetzt verdient. Dieseganzen Tränen ... Oh, war das gut. Puuh.”

7Und das ist natürlich Gisella(nach ihrer Heilung vonEmo). Gregor, du Armer ...

Wenn das Zeigen von Gefühlen bereits als Trend gilt und Kajal aufeinem Männergesicht als Novumverscherbelt wird, darf man sichnicht wundern, wenn als offizielleWurzeln von Emo Bands genanntwerden, die damit soviel zu tun haben, wie eine Thunfischdose miteiner gut gestimmten Gitarre.(Diesen Vergleich haben wir geklaut, von niemand Geringeremals Georg Seeßlen. Ach, den kennensie nicht? Egal, kann ja nicht jedereine bildungsbürgerliche Stütze unserer Scheißhochkultur sein.Andererseits, wenn sie sich schon diesen klassischen Erläuterungs-kasten reinziehen, gehören sie jawohl doch zu denen, die alles ganzgenau wissen wollen?!)

Wo waren wir? Ah, qui, die Ursprünge von Emo. Da finden sichtatsächlich Namen wie Hüsker Düund Fugazi. Ja, okay, die sind nie miteinem Che Guevara Shirt auf derBühne herumgehopst und waren niezornig gegen eine Maschine. Und,genau, sie waren nie Teil einer Jugendbewegung (Danke für Seattle,Dirk!), aber Fugazi als Tränen-drüsenmutterband zu bezeichnen,das ist wirklich arg. Um nicht zu sagen urarg. Wir sagen auch noch:“Bam!” Und erklären sonst garnichts, wofür gibt es denn das Internetz?!

Offenbar will es Gregor einfach nichtwahrhaben, dass Gisella nicht mehr aufTomte, Kettcar oder Locas in Love steht.Und nicht mehr auf ihn natürlich.Darum brüllt er die ganze Zeit: “FuckMatthi!” Gut so, Gregor, lass es raus!Sie liebt dich nicht mehr! Sieh es ein!Das sind Schmerzen, das sind Emotionen. Das ist, verdammt, das istEmo. Jetzt hast du es geschnallt! Schau,da kommt auch schon Markus Scheibeund will dir ein paar CDs und eine Umhängetasche verkaufen. Nur weiterso! Am Ende borgt dir Gisella sogarnoch ihre Rasierklinge. Dann wird eserst Emo!

Curt Cuisine,hat Gregor einen Tag unbezahlten Urlaub gewährt,damit er sich ausweinen kann (da sehen Sie: so EMOtional geht es in unserer Redaktion zu!)

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12. August 2006Zufällig in einer Ramschkiste meinesLieblingsplattenladens entdeckt: GoodNews For People Who Love Bad Newsvon Modest Mouse. Noch nie gehört.Der Verkäufer zuckt mit den Achseln.Ich höre rein, eine sperrige Sache,aber nicht uninteressant. Also mitgenommen.Warum nicht? Hätte ich damals gewusst ...

14. August 2006Hin und wieder hineingehört in dieGood News von Modest Mouse.Irgendetwas verbirgt sich in diesenleicht redundanten Rhythmen und denebenso manischen wie depressivenMelodien. Aber ich komme trotzdemnicht weiter als bis zur CD-Hälfte.Etwas schwelt, ich weiß nicht was.Vielleicht liegt es am Wetter.

23. Oktober 2006Weil ratlos vor dem Plattenregal stehend, nach langer Zeit wieder einmal zu Modest Mouse gegriffen.Wasfür ein Wiedererkennen! Plötzlich habeich das Gefühl, diese Musik kommt tiefaus meinem Inneren. Seltsam. Die CDam Abend gleich noch mal gehört.Und dann nochmal.

25. Oktober 2006The good times are killing me. Genau.Die Good News mittlerweile so oftgehört, dass ich gar nicht mehr klar

IST MUSIK GEFÄHRLICH?DEFINITIV! UNDNICHT NUR FÜRROCK ’N’ ROLLER,SONDERN EBENSOFÜR UNSCHULDIGEKONSUMENTEN.

HYDRAPRÄSENTIERT DAS ERSCHÜTTERNDETAGEBUCH EINERABHÄNGIGKEIT ...

WELTEXKLUSIV,NATÜRLICH!

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denken kann. Ich bin restlos mit hochprozentigen Melodien abgefüllt.Und ich habe Hunger nach mehr! Alsoab in den nächsten CD-Store mit mir,wo ich dann vor dem Regal die bangeWahl habe: The Lonesome CrowdedWest oder The Moon and Antarctica.Heute weiß ich: Es hätte keinen Unterschied gemacht.

30. Oktober 2006Immer noch diese Gänsehaut, wennIsaac Brock What's that riding on theeverything singt. Zweiter Cut aus TheMoon and Antartica. Aber egal welcheNummer auf welcher CD, alle Stückesaugen sich in mich hinein. Ich bin mirsicher, nicht ich höre diese Musik sondern umgekehrt. It’s like eating snowflakes with plastic forks. Mir wirdklar, dass in dieser Musik ein Mysteri-um verborgen liegt. Oder noch Schlimmeres. I guess you guessed thati’d catch hell, but i just caught a cold.Auf jeden Fall komme ich nicht mehrlos davon. Ohne Kopfhörer die Woh-nung verlassen? Undenkbar. Ich kanndoch nicht pudelnackt auf die Straße!

2. November 2006Nicht zur Arbeit gegangen. Der Bosshat mir den Walkman verboten,nachdem ich auf seine nichtssagendenAnweisungen nicht mehr reagierthabe.Was bedeutet das schon: DenStapel hierhin schlichten, den Stapel

dorthin schlichten. Alltagsunfug. I’veseen so many ships sail in, just to headback out again and go off sinking. Isaachat wie üblich die passenden Worteparat. Abgesehen davon wäre es sowieso unmöglich für mich, den Tagohne Cities made of ashes zu über-stehen. Riesenstreit auch mit Isabella.Wegen mangelnder Kommunikationund so.“Du stinkst schon wieder nachCD-Player”, schreit sie. Sie will einfachnicht verstehen, dass diese Musikwichtig ist. Dass sie mir etwas Wichtiges zu sagen hat. Zum BeispielIt's all nice on ice (all right).

7. November 2006 Job verloren. Keine Zeit dafür. Tagsüberdurch die Plattenläden der Stadt.Nachts im Internet. Alle Daten gegoogelt, alle Veröffentlichungen recherchiert, alle Tourdaten notiert. Nurfür den Fall, dass ich in die VS von Agehe. Dort, wo Menschen wie Isaac leben. Aber angeblich ist er nicht auszuhalten. Unwirsch, unfreundlich,verschlossen. Und singt: And it’s hard tobe a human being. Nur seine bestenFreunde ertragen ihn. Da würde ich gerade noch fehlen. Aber ich sollte estun. Ich sollte alles hinter mir lassen.Was hält mich hier noch?

12. November 2006 I’m not the dark center of the universelike you thought. Ich glaube kein Wort.

Isaac ist in Wahrheit dieser dunkle Mittelpunkt des Universums und ichbin ein Asteroid auf einer ÜberdosisMollakkorde. Das Oeuvre von ModestMouse besitze ich mittlerweile komplett. Mehrmals auch der mahnende Appell:Wenn du jetzt allesvia Internet kaufst, was bleibt dannnoch? Aber dafür ist es ohnehin zuspät. Streit auch mit meinen bestenFreunden. Habe mich zu dem Satz hinreißen lassen, dass diese Musik dasBedeutendste ist, was sich je auf demdritten Planeten ereignet hat. Ich weiß,es war übertrieben. Die Beatles unddie Atombombe waren auch wichtig.

24. November 2006 Hässliche Szene mit Isabella. Sie hatherausgefunden, dass ich sie die ganzeZeit über angelogen habe. Es hat nichtgereicht, dass ich die ganzen Postersabgehängt, die Sweatshirts und Badgeswieder weggeräumt habe. Sie verlangtvon mir auch, dass ich die CDs wegwerfe. Ich hätte ernsthafte Probleme, sagt sie. Sie hat keine Ahnung. Ein Problem hätte ich ohnediese Musik. Lasst sie mich einfachhören, verdammt! Dramamine klingt,als wäre Isaac wenige Sekunden vorher aus einem Raumschiff ausgestiegen, nun völlig

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Pics for Addicts: Aus dem Substitutionsprogramm von Pat Graham (patgraham.org)

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verwundert darüber singend, wasdenn das überhaupt für ein Planet ist.Ich verstehe ihn so gut. Ach ja, Isabellawill mich verlassen. Samt der Kinder.Ich werde mich gleich morgen damit auseinandersetzen. Aber vorerst gibtes da noch diese eine Single, die ichunbedingt haben muss. Life of arctic sounds. Wenn ich die habe, dann wirdalles gut sein, wird alles wieder in Ordnung kommen.

9. Dezember 2006Heute vor verschlossener Wohnung.Habe ganz vergessen, dass schon wieder ein neuer Monat begonnen hat.Mittlerweile habe ich herausgefunden,warum Modest Mouse eine so hypnotische Wirkung auf mich hat. Essind diese signifikanten Harmonien.Ein Optimist würde das Stil nennen, einPessimist vermutlich ätzen, dass es im-mer dasselbe ist. Nur anders arrangiert, anders betont, mal härter,mal sentimentaler gespielt. Manchmalbeides gleichzeitig. In Head Southbrüllt Isaac die Melodie, während Nicole Johnson dieselben Noten zurgleichen Zeit engelsgleich dahinhaucht. Alle Musik der Welt fällthier ineinander und wird zu einer einzigen Nummer. I came as ice. I cameas a whore. I came as advice that cametoo short. Perfekt. Nur eine einzigeNummer, die ich seit fast drei MonatenTag und Nacht höre. Ein Mantra, dasmich völlig gefangen nimmt, eine

mentale Sperre auslösend. Everyone'safraid of their own life. Und ununterbrochen ist mir, als müsste ichheulen. Grundlos. Das wird doch keineEmodemie sein?

27. Dezember 2006Der Weihnachtsabend war fürchterlich.Nach dem zweiten Weihnachtslied binich ausgezuckt, habe mich in meinemZimmer eingesperrt und CDs gehört.Bis ich bewusstlos weggesackt bin. Ichwill nichts mehr wissen von der Weltda draußen. Heute hat mir Isabella dasMesser angesetzt.Wenn ich die Kinderje wieder sehen will, dann... Außerdemsei Isaac Brock ein Misanthrop. Dasmuss sie aus dem Internet aufge-schnappt haben. Diese Heimtücke!Wahre Künstler sind eben etwas kom-plizierter. Well there’s one thing to knowabout this globe, it’s bound and it’s wil-ling to explode (and that’s alright). Dassagt er ja nur so. Als Isabella eine mei-ner CDs demonstrativ in zwei Stückebricht, erleide ich einen Nervenzusam-menbruch.

29. Dezember 2006In der Entzugsklinik. Jetzt kümmert sichGabi um mich. Sie ist staatlich geprüfteMusiktherapeutin. Täglich erklärt siemir, dass es noch andere Musik gibt.Die Stones. Die Beatles. Rod Stewart.Robbie Williams. Britney Spears.“Dreck!”, schreie ich, völlig außer mir.Und die Pfleger kommen wieder, um

mich ans Bett zu schnallen. Einer vonihnen pfeift schelmisch Sympathiy forthe devil. Ich berufe mich auf die Gen-fer Konvention. Und werde hämischausgelacht. Diese Heimtücke!

4. Jänner 2007Die Therapie beginnt langsam zu wir-ken. Die erste Nummer, auf die ich po-sitiv reagiert habe, war For the benefitof mr. kite von den Beatles.Wenngleichzeitig Deathmetal und Freejazzim Hintergrund düdeln.“Das ist ein An-fang”, sagt Gabi und summt mir I’msailing ins Ohr. Ich werde Sie beimObersten Gerichtshof in Den Haagdafür verklagen.

13. Februar 2007Gestern wollte ich ein Kind von BritneySpears, ein Kind der Liebe und der Mu-sik.“Bravo”, sagte Gabi, und Dr. Müller,der Klinikvorstand, meint, ich könntenun bald nach Hause. Allerdings müs-ste ich noch eine Zeit lang unter Beob-achtung stehen. Gabi ist stolz auf mich.Und auf sich selbst. Letztlich war esihre Abba-Therapie, die den Durch-bruch gebracht hatte. Ich gestehe, dasses wirklich geholfen hat. Die erstenWochen musste ich zwar jeden Tag kot-zen, aber heute stehe ich auf Glitzer-hemden und greife nach dem Duschenzum Fön. Lebensängste und verschro-bene Gedanken sind mir völlig fremdgeworden. Das Schönste im Leben sindLiebeslieder und ganz viel Geld. Zwi-schendurch bewundere ich sogar Rein-hard Fendrich.

23. Februar 2007Als geheilt entlassen. Isabella undGabi sind gute Freundinnen geworden.Sie sitzen viel zuhause und reden mit-einander, nebenbei die Kinder erzie-hend. Ich darf den Fernseher ein- undausschalten. Ich fahre jetzt öfters rausaufs Land zu den Großeltern. Dort sitzeich in der Abenddämmerung am Fen-ster und starre hinaus in den Wald. Ichglaube, ich sollte mich allmählich ummeine Pensionsvorsorge kümmern.Der tonlose Gedanke an ein Sparbucherfüllt mich mit innerem Frieden. Ichwerde nie wieder dissonante Musikhören.

3. April 2007Am Dach des Twin Towers. Gesternhabe ich im Internet gelesen, dass Wewere dead before the ship even sank

“Letztlich war esdie Abba-Therapiedie den Durchbruchbrachte.”

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This is a long drive for someone with nothing to think aboutDie CD, bei der Isaac ausdem Raumschiff stieg. Nurmittelschwere Abhängig-keit erzeugend, weil anfangs sehr sperrig. ZumGlück auch im Fachhandelnur schwer erhältlich.

The lonesome crowded westHier wird es gefährlich: Beider ersten Verabreichungebenfalls spröde, aber mitzunehmenden Konsumumso suchterzeugender.Ein wahres Wort dazu vonTim McMahan: “The firstspin leaves you feeling dis-sonant, confused [...] Afterspending a few hours withthe CD, you begin hearingwhere the band is headed.After a week, you’re therewith them.” Himmel, Kin-der, lasst die Finger davon!

The moon and antarcticaDas psychedelische Coversagt schon alles. Es ist dieKillerdroge schlechthin.Nicht beim ersten, nichtbeim zweiten Mal, aberwer einen dritten Anlaufschafft, kommt so schnellnicht mehr von diesem Giftweg. Auch als extendedversion erhältlich. (DieseHunde!)

Good news for peoplewho love bad newsGefährlich vor allem alsEinsteigerdroge. GlaubenSie bloß nicht, sie wärendagegen gefeit, nur weilsie die CD nach den erstenfünf Nummern weglegen.Es wird Sie Wochen spätervielleicht umso schlimmererwischen.

We were dead before the ship even sankGefährlich, weil brandneuauf dem Markt.Wie stetsist es entsetzlich mitanzu-sehen, wenn sich nichts ahnende Jugendliche indunklen, verschlagenenCD-Verkaufshöhlen anschmutzige, kleine CD-Player drücken, um ein wenig an den verbotenenFrüchten zu lauschen. Undum dann mit solchen CDsahnungslos in die Abhän-gigkeit gelockt zu werden!

Daneben existierenweniger reguläre Drogen,etwa eine Live-CD namensBaron Von Bullshit RidesAgain. (Kein Scherz!) DerStreit verschiedener Labels um die rauscher-zeugenden Produktebrachte zudem einige Nebenprodukte hervor.Z.B. mit Building NothingOut Of Something (1999),eine Compilation mehrererSingles. (Allesamt nicht aufden Longplayern vertre-ten.) Sad Sappy Sucker(1994) steht für dasFrühwerk, The Fruit ThatAte Itself (1996) und Ever-ywhere And His NastyParlour Tricks (2001) sindmehr oder weniger eigen-ständige EPs.Das ist also der Stoff fürdie ganz hoffnungslosenFälle. Allen anderen seigesagt: Hände weg vondiesem Zeug, wenn ihreuer Leben nicht ruinierenwollt! (grog)

Ende März erschienen ist. Erst habeich die Meldung nur überflogen, esschien gar keine Wirkung auf mich zuhaben. Aber um drei Uhr nachts binich blitzwach in meinem Bett gelegen.Und jetzt stehe ich hier und blicke hin-ab in die Tiefe, während mir der Windum die Ohren pfeift. Ich muss michselbst belächeln dafür, dass ich auchnur eine Sekunde an Heilung dachte.My brain’s the burger and my hearts thecoal. I’m trying to get my head clear, ipush things out through my mouth, butget refilled through my ears...

Es gibt einen einzigen Gedanken,der mir noch vernünftig erscheint. Sollich gleich springen, ohne von We weredead und damit erneut von ModestMouse abhängig zu werden? Oder sollich mich noch einmal dieser Agoniedes Musikhörens hingeben? Auf allespfeifen, der Verwahrlosung in einemRinnstein am Rande der Stadt preisge-geben, völlig desinteressiert an derWelt, solange noch Batterien im Walk-man sind? Aber was ist danach? Wasist, wenn ich diese allerletzte ModestMouse CD gehört habe? Wenn IsaacBrock vielleicht auch gar keine neueMusik mehr macht? Dann ist endgültigSchluß! Keine müde Note mehr! Danndoch wieder zu Abba zurück? Der Ge-danke an Föngeräusche beruhigt michfür einige Sekunden.

Immer wieder versuche ich mir die-sen simplen Gedanken ins Gedächtniszu rufen. Dass es auch noch andereMusik gibt. Dass es auch noch andereMusik gibt. Aber der Gedanke bleibtabstrakt. Ungreifbar. So wie die endlo-se Tiefe, die unter mir klafft. Aber Mo-ment, höre ich nicht etwas? Da! Weiterunten pfeift der Wind ein paar Töne inMoll. Klingt wie die Obertöne einesverschrobenen Gitarrenriffes. Ich mussein paar Schritte nach vorne gehen,um besser zu hören. Nur ein paarSchritte. Sekunde, ich bin gleichzurück.

Konrad Gregor,war bis zum 28. März Mitglied in unserem Redaktionsteam. Den Text haben wir exklusiv aus seiner blutverschmierten Jacke am Fuße der Twin Towers gezogen.

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Hydra: Herr Hermes! Sie sind beliebter FM4-Moderator und stellensich künftig mit Ihrer Sendung ChezHermes monatlich dem gemeinen Volkim Stammlokal.Warum?

Herr Hermes: Ich hoffe, dass nicht nurgemeine Leute in meine Shows kommen! Die diesjährige Tour ist dieFortsetzung der Live-Sendungen derletzten Jahre. Diese fanden allesamt inWien statt. Um auch einmal den ChezHermes-Fans in den Bundesländern zudanken, reise ich ihnen entgegen unddurchs Land.Von Bayern bis Graz undschräg zurück verläuft die Tour-Linie.Mit im Gepäck ist viel Freneterei,interessante Bühnengäste und FM4-Musik.

H: Herr Hermes, auf welcher IhrerTourstationen werden Sie auf die größte Fangemeinde stoßen? (Undwarum bitte ausgerechnet dort?)

HH: Das lässt sich schwer beantworten, da die Veranstaltungs-orte, die mein Management gebuchthat, sooo klein sind, dass, egal wie vielPublikum kommt, auf jeden Fall Gästewegen Platzmangels abgewiesen werden müssen. Mit mir und demTechniker ist die Hütte praktisch immer schon voll. Ich erwarte alsodurchwegs ausverkaufte Hallen.

H: Herr Hermes, Ihre Tour heißt live &hardcore.Was ist denn da so hardcore?

HH: Die Show beginnt mit einem Tierversuch und ich ziehe mich aus.Darob ist übrigens auch fotografierenund filmen nicht gestattet, sonst sinddie Besucher/innen der nächsten Termine der naturnahen und geilenSpannung via youtube beraubt.Zeichnungen wie in Gerichtssälen sindnatürlich gestattet und erwünscht.

DIE HEIMISCHERAMPENSAU ISTDURCHAUS KEINE VOM AUSSTERBENBEDROHTE TIERART.ALLERDINGS LASSENQUALITÄT, ANMUTUND ORIGINALITÄTVIELER EXEMPLAREWOHL ZU WÜNSCHENÜBRIG. BEGRÜSSENSIE MIT UNS EINENDER RAREN ZWÖLF-ENDER DIESER ZUNFT.RAMPE FREI FÜRHERRN HERMES.

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H: Herr Hermes, sind Sie auch der Meinung, dass Menschen mit großemHang sich zu produzieren, zu wenigLiebe in der Kindheit erfahren haben?

HH: Liebe ist doch nur eine Erfindungvon Medien wie dem Ihrigen!

H: Herr Hermes, Sie sind leidenschaft-licher Bowlingkunst-Amateur und sogar Obmann eines drittklassigen Bowlingvereins. Ist die schwere Kugelein willkommener Ausgleich zur leichten Muse eines Jugendsenders?

HH: Dieser Sport ist mein Zen. Ich finde Ausgleich, Ruhe und Befriedigung in den harmonischen Bewegungen und karierten Bowling-hosen. Um Bob Dylan mit der späterenLebowski-Hymne zu zitieren… einSport to get through to the man in me.(Im Übrigen bin ich kein Bowlingkunst-Amateur, sondern Profi-Bowler.)

H: Herr Hermes, apropos! Sie sind janun auch nicht mehr der Jüngste:Wiehalten Sie sich für Ihren Job bei einemJugendsender eigentlich so fit?

HH: Ähm ... Ich bin 32 und damit derJüngste unter den Altmännerstimmenbei FM4! Mein guter Freund und Kollege Fritz Ostermayer weigert sichmit seinen 86 Jahren immer noch, inPension zu gehen, und hat bereits fünfMal einen golden Handshake von derehemaligen Chefin ausgeschlagen,also kommen Sie MIR nicht so unter-griffig! Ich genieße die Blüte meines

Lebens und erhalte ihre Fitness durchdie drei absolut nicht verwandten Ball-sportarten Squash, Bowling und Sex.

H: Herr Hermes, Sie sind Elmayer-Absolvent.Wie halten Sie es im Ernst-fall mit Publikum, das sich der Rollen-verteilung Bühne-Publikum nicht beugen möchte?

HH: Als letzten Nothammer habe ichallerdings immer einen angeschlosse-nen Gartenschlauch unter meinemTisch liegen. Sie kennen das ja viel-leicht, zornige Kinder in ihren narri-schen 5 Minuten sind am einfachstenmit einer kalten Dusche wieder zu be-ruhigen …

H: Herr Hermes, können Sie uns bittekokettfrei sagen, wie sehr Sie es genießen, wenn Sie auf der Straße erkannt werden? Werden Sie auf derStraße erkannt, und wenn ja, auch vonFremden?

HH: Nachdem ich meinen Briefträgerdurchaus als Fremden empfinde unddieser mich in meiner Strasse hin undwieder auch erkennt, kann ich Ihre Frage durchaus mit einem stolzen “Ja,ich werde erkannt!” beantworten.Meine Bäckchen erröten, wenn diesgeschieht und meine Hand zuckt reflexartig zum Stift in der Smoking-sakkoinnentasche. Bis dato war meinBriefträger allerdings weder an Auto-grammen, noch Fotobildern von meiner Person interessiert.

H: Herr Hermes, wir bedauern, dassniemand Ihnen eingeschriebene Briefesendet, aber dürfen wir Ihnen für dieLeserinnen und Leser der Hydra einigeFreikarten abschwatzen?

HH: Zu verschenken habe ich garnichts. Aber für Hydra-Leser/innen

gibt’s zwei Gästelistenplätze für dasTheater am Spittelberg.

H: Herr Hermes, dürfen wir uns bittefür dieses angenehme Gespräch sehrherzlich bedanken, Ihnen alles Gutewünschen, Sie weiterhin super findenund Ihnen als kleines Dankeschön ei-nen Fisch schenken?

HH: Danke, gerne! Lebend, gebratenoder Silber-?

H: Lassen Sie sich bitte überraschen!

Das Gespräch an die Grenzen des Erträglichen führte Martin Moped

Chez Hermes immer dienstags Mitter-nacht auf FM4. Sowie im FM4 Doppel-zimmer Sonntag 13-15 Uhr.

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GEWINN DIR WAS!

Sie können erstens zwei Gästekarten für “ChezHermes” am 14.6. im “Theater am Spittelberg”gewinnen. Ein Mail an [email protected]ügt, schon sind sie dabei.

Oder sie wollen das neue Album "sans détours" von Plexus Solaire gewinnen (wirdhurtig mit dem Postfuchs zugesandt). Dann gilt es folgende knifflige Frage zu beantworten.

Sie sehen hier zwei typische Österreicher.

Und nun zwei typische Franzosen.Bloß: Welche davonsind es?

Die einzig richtige Antwort, am besten mit Vor-, Zu- und Abnahme, wiederum an die unten, nein oben genannte Adresse. Schon gewonnen!

“Liebe ist doch nureine Erfindung vonMedien wie demIhrigen!”

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Die Situation ist längst untragbar geworden! Die Behörden haben versagt! Und die Politik erst recht! Unschuldige Menschen kommen zumHandkuss, müssen unter dem repressiven Selbstverständnis einerengstirnigen und bürokratie-verseuchten Politik leiden! Die ministeriellen Erklärungen erzeugenweitaus mehr Argumentationsnotstand,als sie zu erklären vermögen! Und sindohnehin kinderleicht zu durch-schauende Ablenkungsversuche vomWahren und Eigentlichen! Aber dieserSand ging vielleicht in die Augen der Massen, die kritischen Intellektuellendieses Landes lassen sich dadurchnicht so leicht täuschen!

Ich verrate nicht zuviel, wenn ich dengeschätzten Lesern und Innen verrate,sofern es ihnen nicht längst wie Schuppen von den Augen gefallen ist,dass ich einer der kritischen Intellektuellen dieses Landes bin,wenn nicht gar DER kritische Intellektuelle dieses Landes.Weiter unten finden Sie Hinweise auf mein aktuelles Buch, das wie üblich substantiell und verwegen zugleich ist,sprachlich ausgefeilt und den dringlichen Problemen unserer Zeitwie eine Raubkatze im Nacken sitzend.

Aber lassen wir das bescheideneSelbstlob vorerst zur Seite (mich versteht außer mir ohnehin kaum jemand) und widmen wir uns wiederdem eigentlichen Thema, der derzeitigen Krise der Politik.

Denn diese Regierung ist unfähig, diePolitiker lügen uns die Hucke voll, undhinter den Kabinettstüren wächst undgedeiht eine neue Form des Proporzes und der Misswirtschaft, fürdie ich auch konkrete Zahlen nennenkönnte, wenn ich nicht zu faul wäre, daszu recherchieren.

Habe ich schon expliziert, von welcherKrise überhaupt die Rede ist? Jetzt istes mir glatt entfallen. Nicht so wichtig.Erstens stimmt es immer, was ich sage,egal zu welchen Thema, zweitens würde die Welt ohne meine eloquentformulierte Meinung ohnehin nichtüberleben, und drittens sind es nurnoch wenige Zeilen, bis ich meine Kolumne vollendet habe und meinHonorar einstreichen kann.

Natürlich ist dieses Honorar angesichtsder Genialität meiner Ergüsse viel zumickrig, aber den Intellektuellen gehtes hier wie den Künstlern. Stets unterbezahlt, stets geringgeschätzt. Esstimmt schon, was Christian Ludwig Attersee sagt:“Der Beruf des Künstlersist der härteste der Welt!” Und der Beruf der Intellektuellen ist der allerhärtestere.Wenn Sie sich dieseBotschaft von meinem bescheidenenAppercu merken, dann haben Sie aufjeden Fall das Wichigste davon verstanden.

Ruppert Misslich (41) lebt und arbeitet als Autor und Entrepreneur in Wien

Letzte Buchveröffentlichungen:"Kontrovers aus Passion", Edition Surh-schlamp; "Popkultur unter der Lupe.Was dahinter steckt. Hinter allem, meineich.",Verlag Der Verlag

Besuchen Sie mich auf meinem Blogwww..ich-habe-stets-recht.at

“Dieser Sand gingvielleicht in dieAugen der Massen, aber einkritischer Intellektueller lässt sich nicht soleicht täuschen!”

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Nicht nur die Musikwissenschaft, auchambitionierte Laien haben in den letztenJahrzehnten einen stark steigenden Trend,hin zur “Elektrischen Musik” wahrgenom-men. Nun ist das Elektrische an sich nichtverwerflich. So manch beachtenswerterjunger Künstler hat sich des Elektronsbedient und bemerkenswertes geschaffen.Betrachten wir Karlheinz Stockhausensimposantes wie amüsantes Werk, stellenwir fest, es ist fast gänzlich elektrisch.Sollten wir trotzdem Anlass zur Sorge ha-ben? Ich befürchte: Ja! Es ist der ausu-fernde Eklektizismus, zu welchem dieElektrik geradezu verführt. Eine erkleckli-che Anzahl junger Menschen glaubt,bloßes “Knopferldrücken” am elektrischenGerät sei schon Kunst und läuft rasch Ge-fahr, in einer “Eklektischen Sackgasse”zu landen.

Der “Bontempi Effekt”. “Was Hänschen nichtlernt, lernt Hans nur schwer und der alteHansl nimmermehr!” Gemeint sind jenemusikalischen Grundlagen, welche demjungen Talent ein Fundament geben sol-len – eine Plattform sozusagen – oder,wenn man so will: eine Basis. Das wahllo-se Drücken der Rhythmustaste, zeugt je-doch nicht von Schaffenskraft, sondernvom Rückzug aufs Gefällige, Beliebige.Wie können wir die Jugend weg von der“Convenience-Konservenkultur”, und hinzu freiem, selbstständigen Schaffen bewe-gen? Indem wir sie lehren: Die ganze Weltist ein Instrument! Das Straßenpflaster,auf welchem der Schuh “klackklack” sei-nen Rhythmus trommelt. Eine raschelndeBuchseite. Ein Kamm und etwas Butterpa-pier... Die Liste ließe sich beliebig fortset-zen.

Kreativität wagen! Es lässt sich buchstäblichalles bespielen. Nehmen wir eine schlich-te... Suppe. Um welche Suppe es sich imDetail handelt, ist unerheblich und “Ge-schmacksache”. Des jungen Schubert er-stes Instrument war – Sie haben es wahr-scheinlich schon erraten – die Suppe. Deretwa fünfjährige Franzl forderte einmal:“Vater, ich brauche ein Pianoforte.” DerÄ

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Übrigens nur bei uns ... mit, ähem, intergalaktischer Exklusivität!

strenge Vater fasste den Sohne-mann scharf ins Auge und entgeg-nete: “Franzl, du lernst -mir erst dieSuppe spielen!” Franzl wird An-fangs wohl an einen Scherz des Va-ters gedacht haben, wurde aberdurch den gestrengen, auffordern-den Gestus seines Vormunds rascheines Besseren belehrt. Schon hörteman Mutter eifrig in der Küche Sup-pe kochen. Der junge Schubert wardkurzerhand auf sein Zimmer verwie-sen, mit nichts als einem Topf Suppeund Czernis Etüdensammlung. Wirsehen schon, der Weg zur Meister-schaft ist nicht immer leicht, aberman wächst mit den Aufgaben.Franzl versuchte also dies und je-nes, er beschäftigte sich eingehendmit der Backerbse und dem Schö-berl, er versuchte die Nudel zu zup-fen, aber kein passabler Ton kamheraus. Schubert: “Wie in Herrgotts-namen soll ich nur die Suppe spie-len?”

Übung macht den Meister. Tage vergingen.Ab und an rief es hinter verschlos-sener Tür hervor: “Mutter, mehrSuppe!” Nach Wochen heftigenÜbens war Franzl noch immer aufkeinen grünen Zweig gekommen. Alser endlich die Tür seiner Kammeröffnete, um Vaters Rat einzuholen,sah er ungesund und übernächtigtaus, was am vielen Üben lag, aberauch an einseitiger Kost (Suppe).“Vater, beharrte Franzl. Ich habe al-les probiert und nun weiß ich genau:Ich kann die Suppe nicht spielen!”

Vater meinte nur: “Grünschnabel,hast du denn immer noch nicht be-griffen? Du musst eins werden mitder Suppe!” Endlich ging Franz einLicht auf. Er steckte einen großenLöffel Suppe in den Mund, warf denKopf nach hinten... und gurgelte!

Die Früchte der Arbeit ernten. Dies warendie schönsten Momente in Schu-

berts Jugend: Wenn die ganze Fami-lie am Mittagstische saß und Vaterplötzlich rief: “Chopin! Revolutions-etüde!”, oder “Paganini! Pizzicato!”Schon gurgelte Schubert drauflos.Mutter und Geschwister stimmtenein und auch Vater - ein bekannterKnödeltenor - ließ seine Stimme er-tönen. Eine schöne Anekdote, wieich meine.

Suppe für alle. Das lange vergessene“Suppegurgeln” kommt im Kreisedes Bildungsbürgertums Gott seiDank wieder zu Ehren. Diverse Stif-tungen bemühen sich löblicherwei-se, diese Kunstform auch „breiteren”Schichten zugänglich zu machen.Vor allem jene seien aber gewarnt:Immer erst mit kleinen Suppeneinla-gen beginnen! Der Leberknödel istund bleibt die Einlage der Fortge-schrittenen!” Freilich, wer keineSuppe mag, kann frohen Herzensauf den reichhaltigen Fundus seinerUmwelt zurückgreifen, er wird ge-wiss fündig werden. Man kann nichtoft genug wiederholen: Alles lässtsich bespielen. Ein Stück Butter undzwei Oliven. Ein Tannenzapfen. EinEichhörnchen oder der Hauskater.Wer den Kater spielt, schlägt sogar2 Fliegen mit einer Klappe. Zum ei-nen macht er wunderschöne Haus-musik – ist das etwa nichts?

Musik und Pädagogik. Zum anderen ist dieBespielung des Katers für ebenje-nen von hohem pädagogischen Wert(davon später). Wie bespielt man ei-nen Kater? Ich möchte Ihre Kreati-vität keinesfalls beeinflussen, fol-gende Methode hat sich jedoch be-währt: Fixieren sie ihren Kater (vor-sichtig!) mit doppelseitiger Klebefo-lie bäuchlinks auf dem Parkettbo-den. Dann bitten sie ein Familienmit-glied oder einen guten Freund, des-sen Schnurrhaare etwas anzuspan-nen (nicht zu fest!). Nun können Siemit dem Violinbogen (sanft!) über

die Schnurrhaare streichen. Sie wer-den hören, wie der Kater, den gestri-chenen Schnurrhaaren entspre-chend, verschiedene Töne erzeugt.Übung macht auch hier den Meister.Übrigens, Katers Schnurrhaare las-sen sich auch hervorragend zupfen!

Der Kunst Opfer bringen! Vielleicht wird ih-nen aus dem Kreise selbsternannter“Katzenfreunde” Kritik entgegen-schlagen. Man wird sie zu belehrenversuchen: „Diese Art Musik seizwar recht interessant. Andererseitskönne niemand zweifelsfrei belegen,ob denn dem Kater das Musizierengenausoviel Freude bereite wie unsMenschen”. Obwohl jene “Katzen-freunde” objektive Argumente seltenan sich heranlassen, sei hier klarfestgestellt: Der Kater kann doch bit-te auch einmal zur musikalischenFamilienerbauung beitragen! Muttersteht den lieben langen Tag in derKüche – und kocht! Vater kommt erstspät abends von der schweren Ar-beit! Die Kinder lernen fleißig! Undder Kater? Er liegt den ganzen Tagauf dem Sofa - und schnurrt! Die re-gelmäßige Bespielung des Katerszeigt jenem, dass auch er eine nütz-liche Aufgabe im Haushalt hat. Mangibt ihm derart zu verstehen: “Duwirst gebraucht!” In einer Gesell-schaft, die uns allen immer mehr ab-verlangt, sollte dieser bescheideneBeitrag nicht zu viel verlangt sein.

Dipl. Ing. Huber ist Musikpädagoge und hat zahlrei-che Beiträge zum Thema publiziert.Huber – Lebensgefährte von FrankSchirrmacher (FAZ) – tat sich zu-letzt durch seine umstrittene Pole-mik “Die Frau und der Herd” hervor.Er lebt und arbeitet in Buxtehude.

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Page 18: Hydra #1 remastered

EINE IZK-VORLESUNG VONMARTIN MOPEDÜBER DIE INTERNATIONALEÖSTERREICHISCHEROLLE IN SACHENFUSSBALL UNDPOPMUSIK. BASIEREND AUF

HISTORISCHEN BZW.MIT HORSTHRUBESCH PAROLI LAUFENDENFAKTEN.*

*Ursprünglich auf Einladung derBundesrepublik Deutschland im Haus

der Berliner Festspiele abgehalten.

Page 19: Hydra #1 remastered

Die Zeitgenössische Kultur-geschichte ist eine Geschichte der Irrtümer. Das IZK tritt an, diese Irrtümer ins rechte historische Licht zurücken, ihnen den gebührenden Platzin den Annalen der Populärkultur einzuräumen und sie zu verifizieren.

Österreich hat mit dem Staatsvertrag1955 unter dem Eindruck des angeblichen Wunders von Bern (1954)die Neutralität angenommen. Damit bekannte sich das Land nicht nur zu lebenslangem Schifahren, sondern vorallem zur Existenz als Staat mit immer-währendem Beobachterstatus in denaußenpolitischen Disziplinen Fußballund Pop-Musik. Österreich und seinenStaatsbürgerInnen war es zu Gunstenseiner objektiven Schiedsrichterrollefortan verboten, sich an internationalenFußballturnieren und/oder Charts zu beteiligen. Lediglich der UN-Sicher-heitsrat ist befugt, Österreich zu Teilnahmen zu entsenden, wenn dieshöhere Prinzipien wie die Schaffungdes Weltfriedens (Cordoba 1978) oderdie Wahrung der Abendländischen Kultur (DJ Ötzi) erfordern.

Solche UN-Resolutionen zu verabschieden, war innerhalb der letzten 44 Jahre nur vier Mal nötig:

1978: Cordoba, um den Geist von Malente zu vertreiben.

1982: Gijon, um den Geist von Cordoba zu vertreiben

(Langzeit-Stufen-Therapie)1990: Damit die DDR nicht mitfahren

musste.1998: Da hat man sich einfach geirrt.

(Beckenbauer sagte damals:“Der Grund war nicht die Ursache, sondern der Auslöser”,aber das hat auch niemand verstanden.)

In Europameisterschaften mussteÖsterreich Gott sei Dank nie eingreifen– knapp war es nur 1992, als Jugoslawien auszuschließen war,aber da hat man sich mit Dänemark geeinigt:“Bitte fahrt Ihr hin und werdet Europameister, wir bleibennoch ein bisserl beim McDonald's.”

Wir Österreicherinnen und Österrei-cher können uns aber vorstellen, wiesich diese eiserne Staatsraison auf diePsyche eines Landes auswirkt, wo esdoch in den Fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch hieß:“DieBrasilianer sind die Österreicher Südamerikas!”

Nicht einmal die eherne Achse Brandt-Palme-Kreisky konnte verhindern, dass

Österreichs Mütter Knipser vom Schlage eines Krankl, eines Pacult odereines Polster gebaren, die durch ihreUnachtsamkeit beinahe die Nach-kriegsordnung nachhaltig ins Wankengebracht hätten. Diese aber sind nurdie Gipfel des Eisbergs österreichi-schen Ballestertalents! In Wahrheitstrotzt die Alpenrepublik vor jungen,hungrigen Ronaldinhos, Beckhams,Torres' – allein: Sie dürfen nicht!

Der Kreativität der österreichischen Politik ist es zu verdanken, dass durchgeschickte Selektion die jungen Talente gesichtet – und sofort aus demVerkehr gezogen werden. Schließlichgilt es, Österreichs Neutralität zu verteidigen! Aus den talentiertestender tickenden Zeitbomben werdendann Automechaniker, Schnitzelköche,Kammerjäger mit vollkommen überzo-genem Gehalt eines Spitzenfußballers.

Wenn Sie also das nächste Mal in Wieneinem Fiakerfahrer begegnen: KeinTrinkgeld geben! – der kriegt vomösterr. Bundeskanzler so viel wie einitalienischer Ligaschiedsrichter vonBerlusconi. Oder glauben Sie ernsthaft,Gerry Friedle wurde wegen seines Gesangstalents zu DJ Ötzi umgeschult?Überhaupt wurden die meisten öster-reichischen Fußballtalente in beinhar-ten Umerziehungsstätten und sondersohne Wissen zu Austropopperinnenund Autropoppern gemacht, weil dadie horende Gehaltsfortzahlung am angemessensten erschien. Auch Starmania ist so eine Schmiede. Oderwo glauben Sie, kommt der NameChristl Stürmer her?

Solch brachiale Methoden führen aller-dings nicht selten zu schweren Trauma-ta, die landläufig “Morbus Austropop”genannt werden. Männer sind vomAustropop häufiger betroffen als Frauen. Der Austropop kann Auslöserfür eine schwere Depression sein,wenn der Betroffene realisiert, seine eigentlichen Ziele nicht erreicht zu haben. Die vom Morbus Austropop solcherart befallenen Männer nennenwir demnach Austropopper.

Es gibt aber auch seltene Fälle anweiblichen Betroffenen, die dafür umsohärter vom Schicksal geprüft werden.Die Symptome spiegeln sich hiebei oftdirekt im Oeuvre wider und äußernsich in schweren psychosomatischenKrankheitsbildern. Bekannte Beispiele:Antonia: Meine Pampelmusen sind aWahnsinn in der Blus’n klagt sie, oderMaria Bill: Dauernd flieg' i mit'm Kopf andeine Scheib'n, oder Marianne Mendtmit der schlimmsten Form, dem Austropop als Tinitus: A Glock'n, die 24 Stunden läut’

“Das geht so nicht!”, sprang PeterRapp ein, und legte damit den Grund-stein zum ersten Austropop Rehab-Zentrum auf Mallorca:“Die GroßeChance!” Eine schmucke kleine Finkawurde dort unter der Patronanz des Mr.Spotlight zur Klinik umgebaut.Rührende Rappistenmönche kümmernsich Tag und Nacht um die schwerstenFälle des Austropop. Denn wir wissen:Die Krise als Chance – Austropop alsChance!

Gleich am schmiedeeisernen Eingang-stor stehen in großen Lettern die Wortedes großen Philosophen Robert Seeger:“Wer die Chancen nicht nützt –ein altes Sprichwort – der bekommtdann die Tore bezahlt!” Ein malerischer Kiesweg führt an einemromanischen Wurlitzer vorbei, bis manschließlich in der guten Stube steht,und die Patienten beim (Austro)Pop-pen antrifft.

“Anfangs”, so Mentor Rapp,“sitzen sienoch da wie die Hascherln! Völlig ohneSelbstvertrauen, mit einer Frisur wie inden 80ern, einem Durscht wie ein Sim-meringer und der Kreativität von ei-nem Moped! Aber bald bringen wir siewieder in die Charts!” Eigene, wissen-schaftlich ausgearbeitete Trainingspro-gramme wirken dabei wahre Wunder.

Etwa erste Wiederbetätigungsversuchebei der “Neigungsgruppe Klingeltöne”oder in den geschützten Werkstättenbei der Produktion von Luftgitarrenoder neuen Moik-Maschinen. AuchReinhold Bilgeri darf seine Sonnenbril-le immer und immer wieder reprodu-zieren.

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In Wahrheit strotzt die kleine Alpenrepublik vorjungen, hungrigenRonaldinhos,Beckhams, Torres' –allein: Sie dürfennicht!

“Wer die Chancennicht nützt – ein altes Sprichwort –der bekommt danndie Tore bezahlt!”

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Ich will mich null nähern!

Null ist ein wesentlicher bestandteil unserer ziffern. Der arabischen ziffern. Sogar deren namensgeber. Sifr im arabischen heißtnull. Bei uns steht sifr für ziffer, diebuchstaben im alphabet unserer zahlen. Null steht für nichts.

Das stimmt so natürlich nicht.

Über eine negative definition werdeich mich null nicht nähern können. Nullhat nichts mit negativ zu tun. (mit neutral wahrscheinlich auch nicht).

Was null also nicht ist, scheint einfach.So einfach wie alles was nicht blauoder orange ist. Oder aber natürlichauch nicht grün, zum beispiel.

Über nichts komme ich also nichtnäher zu null.

... zu null!

Ein neuer aspekt: 3:0, 1:0, oder natürlich auch 0:0 (aber nicht: nichts zu nichts).Wenn also etwas zu null ausgeht, dann zählt irgendwer mit.Wenn wer mitzählt, dann geht es um irgendetwas (ist “nichts” auch ein teilvon irgendetwas? - dann geht es umnichts?).

Noch vier null null tage bis zur em!Nein! Noch vierhundert!

... eine neue bedeutung von null!

Null ist nicht nur nichts, es geht beinull um etwas und hier zeigt sich, dassnull im dekadischen system, (unserem gebräuchlichsten mathematischendenksystem) zahlen zu ungeahntenhöhen aufsteigen lassen kann.

Vorausgesetzt, null stellt sich schönund brav und bescheiden hinten an!(der politikerwitz mit nullen die vorne

stehen drängt sich förmlich auf, ich widerstehe, auch noch farben ins spielzu bringen, die den naturgegebenenzusammenhang von politik & null belegen.)

Ich widerstehe nicht: blau-orange!

... wieder ein aspekt von null: Du null!= du nichts!

Aber hallo! Jetzt plötzlich passt es?

Für meinen teil habe ich also erfahren: Mit null alleine bin ich eherhilflos. Ich kann mir ohne “nichts” nichtweiterhelfen.Wenn aber irgendetwasmit null in zusammenhang gebrachtwird, dann lohnt es sich fast nicht übernull nachzudenken, so klar und eindeutig strahlt ihre (sie, die null?nicht der oder das null?) ihre also,bedeutung durch die begriffliche dunkelheit. Sie (die bedeutung) erhellt die nistplätze des unverstands,die abgründe der zeiten! Zeiten in denen ungeheuer wie eine hydra erstgeboren werden können, ja sogar geboren werden sollen!

Denn jeder zeit ihre ungeheuer!

Michael Herz Zahlen- und Bingomeister

bingomitherz.twoday.net

“Wir freuen uns über eine 95%igeHeilungsrate!”, ist Rapp stolz.

Nur ein einziger, wirklich guter Fuß-baller durfte in Österreich auf Grundseiner geistigen Brillianz auch einerwerden – und war auch von Anfang anin die geheimen Missionen der öster-reichischen Außenpolitik einge-weiht: Die Rede ist von Herbert Pro-haska, dem größten Fußballer desletzten Jahrhunderts. Er diente seinemLand aufopfernd bis zum Ende seinerKarriere im Fußballgeschäft!

In der bekannten Simmeringer Kader-schmiede des EisenbahnervereinsOstbahn XI brachte ihm sein Jugend-trainer täglich zwischen 5 und 6 (alsozwischen Bier Nummer 5 und 6) dasGaberln bei, um vom Folgeklub Aus-tria Wien aus Österreich 1977 in Izmirnach Cordoba in Argentinien zuschießen. Die Teilnahme war diesmalaus den bekannten Gründen Befehl. Er– und nicht etwa Krankl – führte Öster-reich dort zum Sieg über Deutschland.Bald wurde er aber dem österreichi-schen Fußball zu gefährlich, und ermusste unter seiner Mittelfeldregie mitAS Roma italienischer Meister werden,boxte mit der Nationalmannschaft 1989die DDR aus dem Bewerb, und wurdespäter in einer politisch extrem hei-klen Situation zur Schlüsselfigur, näm-lich zum Österreichischen Teamchefauserkoren.

1999, der Balkan, insbesondere Koso-vo, standen vor der Zerreißprobe. Ent-gegen ursprünglicher Intention durfteÖsterreich keinesfalls Europameister2000 werden! Chirac musste mit demTitel für Frankreich ein Kompensati-onsangebot für seine völlig fehlge-schlagene Balkanpolitik gemacht wer-den. Fels in der Brandung: HerbertProhaska. Österreich durfte in einementscheidenden Qualifikationsspiel am27.3.1999 in Valencia NICHT gegenSpanien gewinnen, um erst gar nichtzur EM zu fahren.

Prohaska hatte seine Mannschaft her-vorragend eingestellt, der Schlachtge-sang war längst komponiert:“Spiel umSpiel verlieren wir ganz knapp, derGegner schießt ein Törchen mehr undwir, wir steigen ab.” Zur Pause lag man0:5 zurück – aber: Sollte das reichen?Erst Anton Pfeffer, verteidigender ver-längerter Arm auf dem Feld, beruhigtedie Nation in dem er zur Pause den Re-portern sagte:“Hoch wer ma's nimmerg’winnen!”

Martin Moped Dozent am Institut für

Zeitgenössische Kulturgeschichte

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Würden Sie uns glauben,wenn wir hier “Bezahlte Anzeige”

hinschreiben? Nein? Schade.Sie sind kein Grafiker, oder? Sie

kennen nicht die wohlfeileBefriedigung, eine Seite einfach

leer zu lassen. Nur einen Satz hinzuschreiben. Schon das ist zuviel

eigentlich. Ach, die Aufgabe einesGrafikers ist es, eine Seite auf stilvolleWeise zu befüllen? Außerdem ist unswohl nichts besseres eingefallen fürdiese Spalte hier? Überhaupt hätten

sie alles viel besser und cooler gemacht.

Sicher.Sie sind der Leser.

Sie haben immer recht.

Page 22: Hydra #1 remastered

Kennen Sie das? Der Song ist cool,aber man versteht nur die Hälfte.Singen will man ihn trotzdem, alsogeht’s los mit lautmalerischer Dichtkunst. Fällt eh niemanden auf,zumindest solange kein Brite oderAmerikaner um die Ecke biegt. Aberwas tun wir da der englischen Sprachean! Die will sich durchaus rächen,drum schickt sie uns Perry, der, na ja,nur halbwegs gut Deutsch kann, abereine heiße Affäre mit deutscher Popmusik hat.“Die Wortmelodie, soteutonisch”, sagt er schelmisch. Und erzeigt uns, wie man einen Song richtigvom Englischen ins Teutsche übersetzt.Vorhang auf für Perry undeinen seiner absoluten Lieblingssongs.

Fratz ist groß mit Bier kein Schwatz.Aha. Kette Himmel Dur Zwerg ab. Aha.Geht nur Pass Hass du verstößt. Aha.This is what you got to know.Loved you though it didn't show.

Ich leb' hier nicht, du lebst hier nicht.Da Da Da.

Soso, du denn Exzess zu spät. Aha.Und du mein Stars nichts mehr klebt.Aha. Und dies Omen van der Schmell.Aha. After all it's said and done. It wasright for you to run.

Ich kleb' hier nicht, du klebst hiernicht. Da Da Da.

Na? Erkannt? Was, kindisch!? Das hät-ten Sie uns schon auf Seite Drei sagenmüssen! (cui)

Da staunten wir Bauklötze! Die Badehosen – ein halbintellektuellesLiechtensteiner Bandprojekt und mittlerweile mehr als geheimer Tipp –verweigert sich seit der Gründung2003 bewusst sämtlichen Gesetzen derVermarktung. Keine kaufbaren Tonträ-ger, keine Agentur und vor allem kein Webauftritt.Warum das Werk nicht fürsich selbst sprechen lassen – so dasCredo.

Partisanen-Propaganda ist die adäquate Antwort der Community.Auch eine Art der Fankommunikation.Dass einem Großteil der Welt damitein Stück höchster Lebensfreude vorenthalten wird, sind sich einge-fleischte AdorantInnen sicher. Bezau-bert doch das Quintett rund um Sänge-rin Astrid Dorst (so viel wenigstenswissen wir) mit musikalischer undstimmlicher Kost aus der Haute Cuisi-ne internationaler Populärmusik. Allei-ne der Titel Polly's Popcorn lässt Da-men wie Joss Stone oder Amy Winehou-se blass wie Backpapier aussehen.

Im Feber fuhr eine kleine, aber umsoneugierigere Delegation der Hydra zueinem Konzert in den “Wild-at-Heart-Club” nahe Lubljana, um wenigstensein Interview zu erhaschen – Pustekuchen! “No Interviews! No Photos! No Recordings!” Gefilzt wurdeam Eingang wie auf der Berliner Fanmeile und so, dass Herr Platter seine helle Freude hätte. Nichts zu machen – vor der Backstage-Tür warSchluss! Das Publikum des mit mehrals 200 Menschen knackvollen Clubswurde dafür mit einem Live & Perfor-mance-Erlebnis belohnt, das es langenicht vergessen wird!

Und schön auch zu merken, wie aufgeschmissen wir alle sind, wennalle modernen (und ja eigentlich nochso jungen) Kommunikations-Toolsstreiken. Nächste Konzerte? Woherdenn wissen? Watch out for these Freaks! (moped)

... verächtlich grinsen, weil du diesenToaster noch nicht hast, dann solltestdu a) einen Chauffeur für deine täglichen Shoppingnachmittage anstellen, b) einsehen, dass Menschenwie Du nichts in Geschäften außerhalbdes ersten Bezirks verloren haben,c) endlich auch den vergoldeten Hometrainer von SlickRick, die platinbesetzte Lungenflöte von Krokodok, den diamantenverziertenKlodeckelschoner von Hampscott oderdie flambierte I-Pod-Kollektion von Hagestolz ‘n’ Friends kaufen. Gönn’ esDir, Du hast es verdient! (greg)

Page 23: Hydra #1 remastered

Ein Test. Das Foto oben zeigt eineWerbung. Ohne Witz. Die gibt es wirklich. Es geht, sie sehen es ganzunten, um Dessous. Klingeling? Nochnicht? Lassen Sie sich ruhig Zeit.(Pfeifgeräusche.) Na, schon klar? Nein,wir verraten die Lösung nicht.Wir sa-gen nur: Holzhammer! Und wie! (red)

Tief durchatmen. Hier kommt eine Meditation für Kulturgestresste. OderShiatsu. Oder Farbtherapie. OderAtemübungen. Oder Yoga. Oder ...egal. Scheiß drauf! Denn darum geht'sim Grunde. Nicht:“Jetzt setz dich malda hin und finde deine Mitte. Spürstdu schon die positiven Schwingungenin diesem Raum ...” Sondern: Schlussmit dieser Pseudoinvolviertheit. Manmuss nicht seine Mitte irgendwo finden, sondern nur all jene Dingevertreiben, die sich permanent in dieAufmerksamkeit drängen, sich hineinschleimen in das Hirn. Das istgar nicht so einfach, da muss man sichschon anstrengen. Meist schon früh amMorgen, gleich nach dem Zeitunglesen. Oder erst recht nachdem Pausentratsch in der Firma.

Am besten geht das mit einem Mantra, das man vor sich her summt.Hier mal ein Versuch.“Mir geht ParisHilton am Arsch vorbei.” Nicht brüllen,nicht jammern, sondern ganz genüss-lich vor sich her flöten oder summen,mit einem abgründigen Lächeln (obwohl, das ist dann schon für Fortgeschrittene). Na, wie fühlt sichdas an? Machen wir gleich weiter.“Mir geht Helmut Elsner am Arschvorbei.” Ja! Gut! Sie machen das.“Mirgeht die gesamte Innenpolitik amArsch vorbei. Mir geht der gesamtesogenannte Kulturbetrieb am Arschvorbei.”Wird immer besser. FühlenSie, wie es pulsiert? Wie die Kräfte der Gelassenheit durch sie hindurchfließen? “Mir geht 2008 jetzt schon am Arsch vorbei.” Perfekt! Jetzt haben Sie den Bogen raus. (cui)

Mit "funktioneller" Musik wird bereitsseit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts experimentiert und vorallem auf den Nerv gegangen. Sie sollnicht bewusst wahrgenommen werden, sondern vielmehr eine "Atmosphäre" schaffen, sie soll beruhigen. Dissonanzen? Niemals!Und die Lautstärke bewegt sich knappüber dem Geräuschpegel, um ihr jakeine Aufmerksamkeit schenken zumüssen. Eingängige Melodien, durchden Fleischwolf gedreht.

In Hamburg wird der Bahnhof mitklassischer Musik beschallt und demgemeinen Junkie damit bedeutet:“Duhier? Sicher nicht!” Die Psychoakustikscheint doch ein rechtes Wunderwuz-zerl zu sein! Alles gut und verehrt,schöne Leserinnen und Leser, aber ...ABER! Der Lokaltermin im neu eröffneten “Café Drechsler” ergab folgenden Aufzug:

Ein schicksig herausgebrezeltes Innenleben (“Stardesigner” SirTerence Conran ... Und?)

Ein Extrazimmer für Christina-Stürmer-Interviews

Das Biergebinde ausschließlich(!)0,3l (Und Schnaps nur aus der USB-Verschlusskappe oder was?!)

UND: Gedudel, knapp über demGeräuschpegel & aus der Dose.

Liesl Gehrer hin oder her – Neo-Gschäftsführer Manfred Stallmajer hatseine Bildung in der Prä-Pisa-Ära genossen. Hier liegt nun der eindeuti-ge Beweis vor: Fahrstuhlmusik fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu!Denn: Ob die Frittatensuppe imDrechsler so heiß gegessen wie gekocht wird, wissen wir nicht,schreiben tut sie sich jedenfalls anders.Wahrscheinlich aber warenwir Krügerl-Junkies auf dem falschenBahnhof. (moped)

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RICHTIG. DAS HIERSIND KURZE TEXTE.EINFACH SO. BUNT GEMISCHT. WER ES

GANZ GENAU WISSENWILL: AB HIER

BEGINNT DIE HÖLLEDER VERSTREUTEN

MELDUNGEN.

Page 24: Hydra #1 remastered

Heissa, war das eine Nacht! Roman und Antonia feierten Namenstag. Aber das ist nurfür Ungarinnen und Ungarn interessant, dieihn zelebrieren. Und in Ungarn beginnt derOsten – dort, wo momentan der Bartl-Bácsiden heißesten Musik-Most herholt. Zwischen Vojvodina und Wladiwostok. Denkste! Weilnämlich: Nicht nur! Da ist noch westlichesLand vor dem Atlantik in Sicht! Ein kleines glo-bales Dorf namens Frankreich wehrt sich ge-gen die Vereinnahmung der Supermacht –nicht nur kulinarisch. Und die Ergebnisse multikultureller Formeln betragen neben 7/8gerne auch 3/4.

Mögen Altvordere sagen, was sie wollen, aberdie umgebaute Arena in Wien ist schlicht eineschöne Musikhalle. Und sie ist an diesem Februarabend bummvoll. Hier zu eröffnen,muss für die erfrischende, halbheimische, weilandererseits halbfranzösische Kombo PlexusSolaire eine Freude gewesen sein. Eine, die allen vier Männern auch ins Gesicht geschrieben war. Plexus Solaire verbreiten mitihrem französisch gesungenen, swingendenSavoir Vivre tatsächlich ein bisschen von dem Lebensgefühl, das Reisende nach Frankreich-trips neben der Packung Gitanes so gern imHandgepäck mit nach Hause nehmen wollen –geht aber nicht.Wahrscheinlich ist das Konservieren auch auf Tonträger nicht möglich, dennoch sei die pressfrische CDSans Détours hier ohne Umwege empfohlen –mehr aber noch die Live-Werkschau!

Woher das französische Cover-Kollektiv Nouvelle Vague seine Beliebtheit schöpft, ist

nur mit Mundpropaganda und weitergegebe-nen Copies erklärbar – damit aber erschöp-fend. Insgesamt elf Sängerinnen weist die Ho-mepage der Band auf, die sich um Marc Collinund Olivier Libaux (bitte französisch lesen)und ihre Hirnidee – nämlich Hits in akusti-sches Salonformat zu kleiden – scharen. Zweidieser wunderbaren Damen machten die Rei-se mit nach Wien.Welche, wissen wir nicht.

Bass, Gitarre, Keybord, Schlagzeug und dieReli-Lehrer-Melodika mit Schlauchmundstückbegleiten, was sich dann zu einem fabelhaften Revueabend der Populärkultur entwickelt. Ob17- oder 57-jährig, das Publikum liebt Wieder-erkennbares im Kleid der samtenen Salonre-volution. Sei's nun Joy Division,The Clash odergar Grauzone. Zwei furiose Frauen verstehensich da lasziv, dort lolitahaft, hier intelligent –am Ende aber gewiss und jedenfalls unver-gesslich – nicht als musiktheorieverliebte Ge-sangskunsteinlagen, sondern darin, das Publikum exzessiv an ihrem sich während desKonzerts immer offener zu Tage tretendenWahn im Bestsinn teilhaben zu lassen. So, jetztist dieser Satz auch vorbei, aber er mussteraus!

Wie sonst wäre zu erklären, dass es - nach derbiologischen Fortpflanzung - eines der größ-ten Vergnügen ist,Teil dieser Jubelbewegungzu sein. Schlussendlich waren vom Balkon des Konzertsaals frenetische "Bravo!"-Rufe zuhören – netrebkoid und gehörig! Saublöd nur,dass seither die Nouvelle Vague-CDs alleinefast ein bissl langweilig sind... (moped)

www.plexussolaire.comwww.nouvellesvagues.com

Was ist vom 12. FM4 Geburtstagfest zu erwar-ten? Nur das Beste natürlich! Da geht einiges!Heftig an jungen Körpern reiben, stundenlangam Häusl anstehen und endlich richtig langeauf Bier warten. Gesund ist das alles, geradean der frischen Luft! Denn Reibung wärmt,nicht zu pinkeln trainiert den Beckenboden,und 20 Minuten um ein Bier betteln heißttatsächlich nur das Nötigste trinken. Herrlich!

Allerdings schafft’s die klassiche Festival-gemeinde doch, von allem zuviel abzukrie-gen. Aber das mag man ja, oder? Immer wieder schön die schreienden “Bist du deppat, Oida!” Jungs neben sich zu haben, somacht uns auch wenigstens nicht die Musikvorne taub. Sind die etwa gekommen, um sichzu beschweren oder um zu bleiben? Hauptsache kommen, ist ja durchaus eine Party-Devise, und da sind wir schon bei Mr.Jarvis Cocker.

Der stackst auf die Bühne, hebt an und Aha,siehe da, Ruhe jetzt Jungs, hier passiert etwas,das, hätte man je Harry Potter gelesen, sichwohl auch wortreich beschreiben ließe, sichaber auch ganz banal als:“Zau – ber – haft”ausgeht. Hat gar ein Engel berührt mein Haar,hier am Stroh stehend... äh, Stroh? Reicht ei-gentlich ein sorglos gesnippter Tschick, umdie Arena im Jänner 2007 bei nächtlichen 15°Celsius plus in Brand zu setzen? Und wieso istdas Stroh da? Wegen uns Schafen etwa?

Also, äh, egal. Engel, Haar, Stroh, Jänner ... ge-nau, dieser komplett versiebte Jänner ... Ja,versiebt! Unglaublich, wie versiebt, verbockt,vertrackt, verwutzelt, versengt, vertan, vergän-gelt und vertrabt so ein neues Jahr beginnenkann! Der Februar nicht minder mies, derMärz mäandert auch! Die Initiative zur neuer-lichen Neujahrsbegehung unbedingt starten!Philharmoniker neu hochfahren und gleichauch dieses ganze Kalenderdings: Ctrl-Alt-Del! Format C! Aber hurtig!

So! Jetzt ist es besser. Also nochmal! Ich amStroh stehend, der Engel, mein Haar (seufz),und schon ist es da, das Wunder nach demDreikönigstag: Ein dürrer Engländer inTweedjacke und Pullunder fasst mit einemHandstreich mitten in das müde alte Herz,reißt es heraus, fächelt ihm Luft zu und setzt esentzückt shakend wieder ein. Darf der das?Wir sind hier immerhin nicht erst seit Ge-stern, wir lassen uns nicht wegwehen von pu-rer Gefälligkeit, wir waren schon beim “Fm4ist 0”-Fest im Bach! Damals! Verdammt! (Rechnet eh niemand nach, wie alt ich ...)

Da könnte fast Gänsehautstimmung aufkom-men, denn vorne spielt, gut abgekocht, dieschönste Musik. Klassisch wird britgerocktund jugendlicher Übermut eisern abgestellt:Fan, gröhlend:“Comon People!” - Jarvis, mur-melnd:“Wrong decade, sucker, definitlywrong decade.” Entledigt sich des Jackets,monologisiert über das Wetter und singt vonden cunts, ruling the world, tänzelnd, raum-greifend gestikulierend, großes Theater,Augen zu. Als Zugabe gibt man allen ErnstesParanoid von Black Sabbath!

Schwingende Luft in gewellten Teilchen trifftja immer auch den Magen, sagt man. Das“Bauchgefühl” wird aktiviert, der Kopf gingedann leer aus. Soso? Na, schadet ja nix, schongar nicht hier! Im Zweifesfall kommt eben derschale Nachgeschmack von den Zigaretten. ImZweifelsfalle ist es auch Smoke, that gets inyour eyes. Und im Falle des Falles ist Falleneinfach alles. So, und jetzt nichts wie raus hier.(alice)

www.jarviscocker.net

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NOUVELLE VAGUE & PLEXUS SOLAIRE28.02.07 ARENA

JARVIS COCKER20.01.07ARENA

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25

Donnerstagskonzerte sind immer schlecht,weil a) wenn sie gut sind, die Arbeitsfähigkeittags darauf eingeschränkt ist; b) wenn sieschlecht sind, die Arbeitsfähigkeit tags daraufnicht vorhanden ist. Denn im Fall a) mussnach dem Konzert die Freude geteilt werden,intensiv, ausführlich, mit möglichst vielenMenschen - und unbedingt mit der Bandselbst. Im Fall b) muss nach dem Konzertnoch viel intensiver besprochen werden, wasalles nicht gepasst hat, wie es passen könnte,wer stattdessen spielen hätte sollen, und wiezum Teufel dieses unbefriedigende Gefühlwieder verschwindet. (Ja, ich weiß, da gibt esverschiedene Optionen, wir reden hier abervon Umtriebigkeiten, die in aller Öffentlich-keit stattfinden können sollen - und nicht inder Verhaftung einer oder mehrerer Personenenden!) Der Arbeitsfreitag ist also nach Don-nerstagskonzerten immer vergeigt. So ist das.Ehernes Gesetz, Diktum, Fakt, gültige Wahr-heit, No Discussion about that! Die Ausnahmebestätigt die Regel.

Also:Wreckless Eric hatte einen Hit und wirdtrotz schlagerartigen Melodien eisern demPunkrock zugerechnet. Der Hit ist Whole WideWorld, und das mit dem Punk kommt logisch, weil der Mann aufgrund seines Geburtsjahres und Landes (1954 & UK) samtfrühkindlicher Musikvernarrtheit gute Chan-cen hatte, Teil der Jugendbewegung zu wer-den. Richtig erfolgreich mit unterschiedlichenBands war er dennoch nie (könnte sein wegen reger und unerschütterlicher Zwie-gespräche mit Teufel Alkohol). Mittlerweileaber trocken wie sein Humor, tourt er (dan-kenswerterweise) regelmäßig mit Klampfe,am liebsten in Wohnzimmern, wie man hört.

Amy Rigby hingegen ist in der Welt der Ahnenverehrung durch alte Männer nichtganz so präsent, trotz Geburtsjahr und -land(1959 & US of A), dennoch ist sie als klassi-ches “Rockgirl Next Door” auch nicht direktungeübt in der Art, ein entsprechendes Leben zu führen. Sprich: New York, CBGBs,aber als alleinerziehende Mutter (Schlagzeu-

ger geheiratet, schwanger geworden, Schlag-zeuger weg! Wer heiratet einen Schlagzeu-ger? Nie und nimmer fängt sich frau was miteinem Schlagzeuger an! Auch ehernes Gesetz, Jesus, so was weiß mittlerweile Jede!Gute Güte, Schlagzeuger! Perfekter Beat,gutes Timing, Rhythmusgefühl, jahaaa, aber:Wie lange kann einer zuhören, der im Job mitallen vieren zappelt und dabei 100 dB er-zeugt? Eben!) wohl durchaus mit anderenHärten des Seins konfrontiert, als lediglichmit Leberhärten, tourt auch sie unermüdlich.Und zwar dieses Jahr mit Eric, denn die bei-den sind in ein Paar und leben mittlerweile inFrankreich. Heißa, Donnerstagabends alsoein Paar mit Klampfen und Haus in Frank-reich, ja, das wird sicher, gähn ...

Im halbvollen B72 beginnt Eric und beschwert sich im tiefsten Cockney Slang, einriesiges Häferl in der Linken gefährlich überder Gitarre schwenkend, erstmal über dasPisswasser, das sie hier Tee nennen. Undfängt dann doch an, rotznasig und mit derPräpotenz derer, die die 80iger überlebt ha-ben, zu spielen. Die Songs allesamt melodiös,grade runtergeschlagen, mhmh, da wäredann so ein Schlagzeuger doch willkommen,statt dessen steigt Amy ein und als Duoschrammt das dann ordentlich dahin. ZweiWelten, zwei straighte Stimmen, passt. Eszuckt jetzt nicht direkt wer aus im Publikum,aber wohlwollend sind wir schon, kriegen jaauch was zu lachen. Beschwerde des rück-sichtslosen Briten: Die Klimanlage! Es zieht!

Keiner von den B72-Leuten reagiert. Aha, be-ruhigend, die verstehen auch nur die Hälfte.Grundsätzlich englisch ist das schon, aber ...Wichtig in so einer Situation: Immer ein ge-fülltes Glas und mit den anderen an den rich-tigen Stellen grinsen. Gelingt vor allem beider kurzen Lesung aus der Biographie her-vorragend. Breiter grinsen dann bei Frau Rig-by’s Dancing with Joey Ramone (Den hätte sienehmen sollen, hehe). Und tatsächlich kiegenwir Whole Wide World gespielt, da wird esauch ohne Tee in absurden Häferln warm umsHerz, kicherig allemal verzaubern zwei schonsehr Süße auf der Bühne endgültig mit LeavinOn A Jetplane. Hey, ewig nicht mehr gehört,also Entspannung jetzt, es muss gar nichtmehr heftig besprochen, gefreut und gelobtwerden. Besser beim Nachhauseweg selbstträllern:Was soll’s, ist bloß Donnerstag, mor-gen tut’s mal nicht weh, auch fein, denn im-merhin haben wir nicht Fall b). (alice)

www.wrecklesseric.comwww.amyrigby.com

Rucksack und Jacke abgeben ist Pflicht, auchdas noch:“Eintreten erst beim nächsten Applaus.” Dem verfrackten Türsteher flugsentwischt, reingeschlichen in die feine Stube:Es läuft bereits das Vorspiel: Hands Off Cuba,neuerdings dem vielköpfigen Kotelett einver-leibtes Elektronikduo, setzen pinkfloydesksphärische Sedative frei. Eine halbe Stundedurch. Nur die vereinzelt dreingestreutenBass-, Gitarren- und Schlagzeugklänge ließen(zumindest partiell) wach bleiben. Namens-nennung und Applaus. Dann ein heftiges Break: Als Überleitung folgen geschwindeAufwärmübungen der Streicherinnensektionnamens Dafo String Quartet, evozieren denVergleich mit Rimsky-Korsakows Hummeln,nur: Zu High Speed Killerbienen mutiert,gleichsam mit 45 oder 78 U.p.M. abgespielt.Weiter schweifen die Gedanken zu kleinenToden, Infarkten und Defibrilator. Nach ab-ruptem Ende tosender Beifall. Auch die vierDamen werden gebührend vorgestellt.

Danach der gewohnte Lambchop Sound:Schwermut, leicht wie ein Hauch. Nicht zufälli-ger Weise hat der Mann schon vor Jahren ele-ganten Soul von Curtis Mayfield gecovert.Klaviertakte wabern, hie und da jammert eineSteel Guitar. Hauptsächlich Stücke vom aktu-ellen Album Damaged, die übrigen von denVorgängern Aw C'mon, Is A Woman und Nixon.Leicht überspannt, höchst persönlich unter-strichen mit impulsiven Bewegungen bis hinzu spasmischen Verrenkungen von Kurt Wag-ner selbst.Wie es dem Herrn gefallen will:Quasi sich selbst samplend wird in aller Ei-genmacht des (ganz in sich zentrierten)Schöpfers darüber gesungen, auch knapp(auch weniger knapp) darunter, davor unddahinter. Be- und entschleunigend, lustvollesSpannungszügel Stimmband, glucks.Zwischendurch jäh hervorbrechend entlädtsich geballte Energie, Betonungen arten zunehmend in kläffende Schreie aus. Ergrei-fend, die Ergriffenheit: Möchte da Bellen ausihm dringen? Will er sitzen, soll er tanzen?Sitztanzen in aller Leidenschaft.

Zu vollständiger Bewegungslosigkeit hinge-gen verdammt ist das Publikum in den Pol-stersesseln. Selbst wo kurz Zeit zu klatscheneingeräumt wird, ist der Applaus bald wiederabgewunken. Höfisch höflich auch die Vor-stellung der Bandmitglieder und Hervorhe-bung der Solisten, artig der Dank für die(wiederholte) Möglichkeit “in the city of mu-sic” in solcher Halle spielen zu dürfen. Nacheinem derart distanzierten Konzert ein selt-sam anmutendes Extro: zu Gassenhauern wiebeispielsweise Corrosion von den Sisters OfMercy, wird gospelkirchenartige Mitmach-stimmung verbreitet. Kurt Wagner animiertzum Mitklatschen, komisch. Seine Art vonDank für zweieinhalb Stunden stillsitzen? Ruhe im Saal! Darauf legt er jedenfalls Wert. (mäx)

Foto

: B72

WRECKLESS ERIC &AMY RIGBY 08.02.07B72

LAMBCHOP &HANDS OFF CUBA & DAFO STRINGQUARTET 22.11.06KONZERTHAUS

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BBRROOKKEENN SSOOCCIIAALL SSCCEENNEE

“Broken Social Scene”

2005

Morgens ist man ja immer unterwegs zu etwas, zu einemklaren Ziel. Da ist vordefiniert,wann was zu geschehen hat, dawird nicht rumgestromert, da gibt es mindestens ein Ding zuerledigen - und oft genug ist es(dummerweise) Arbeit. Morgensgeht es also immer geradeaus,quasi straight to … hell?

Nicht mit Broken Social Scene. Diekanadische Supergroup, die imKollektiv und in wechselnder Besetzung tourt und produziert,baut unglaubliche Songs mitaberwitzigem Einsatz von Instrumenten. Das ist geradeauch live (5 Gitarren!) ein bombastisches, hymnisch herzerfüllendes Erlebnis.Wer gerade singt, schlagzeugt oderbasst, ist nie ganz klar und kommtauf Platte herrlich poppig bisrockig daher, immer überra-schend und ordentlich krachig.

Daher: 7/4 Shoreline morgens inder U6 hält beinahe die Zeit an,lässt dich dein eigenes Videodrehen, mit dem was du siehst,wenn du nur den Kopf drehst.Vom Gesicht des schlafendenHacklers zu den verkrampft anHandtaschenhenkeln klebendenHänden der Frau über den star-ren Blick des runden Mädchenshinaus aus dem Fenster, an dem,wenn du Glück hast (ja, man-chauch du ...) gerade bei if youtry to steal the beat, the beat willsteal you die Fenster des Gemein-debaus zwischen NußdorferStraße und Spittelau vorbeizie-hen, wie extra von Jim Jarmuschfür dich so in Szene gesetzt.

Weiter mit IBI Dreams ofPavement, vor dem ersten Einsatz,Bass, Gitarre, Schlagzeug dreschen schon, also genau beiwell, I got > TADAM < shot right inthe back sollte die U-Bahn geradeaus der Station fahren, du in Fahrtrichtung sitzen, die Schubkraft deinen Kopf leichtnach hinten drücken ... und duhast einen kleinen, feinen Headbang, right in time, ohneauch nur einen Muskel bewegt zuhaben. Precious, isn’t it?

Geht auch wunderbar bei It’s AllGonna Break. Einsatz nicht ver-schlafen und wenn die Bahn ge-rade nicht anfährt, leicht ein Beinheben und kurz mal kicken, danneinen Vogel suchen, dessen Flü-gelschlag zum Beat passt. Dazuhast Du Zeit genug, der Song dau-ert 9:55 bei wechselnden Tempi,da passt eine träge Krähe genau-so wie ein windiger Spatz. (alice)

RREEGGIINNAA SSPPEECCTTOORR

“Begin To Hope”

2006

Regina hab' ich auf go-tv gesehenund mich sofort in sie verliebt.Tags darauf ging ich ins CD-Geschäft und wir haben ein bisschen rumgefummelt. Nur so,um uns mal kennen zu lernen.Aber irgendwie hat es nicht gepasst. "Nicht die Richtige fürmich", dachte ich, und bin wiedergegangen. Hab' sie auch gleichwieder vergessen. Aus dem Gedächtnis gestrichen. Ein paarTage später, früh morgens zufälligÖ1 gehört. Eine Moderatorin stelltmit wehmütiger LakritzestimmeRegina vor. Lobpreist die CD undgesteht der verschlafenen Hörer-schaft ihre ein wenig inkorrekteLeidenschaft zu dieser Frau ein.

"Lesbisches Outing, früh am Mor-gen", dachte ich, ein wenig eifer-süchtig auch, wie das so Männer-art in diesen Dingen ist. ZweiTage später, ein anderes CD-Ge-schäft. Da lungert Regina wiederherum, aufreizender dieses Mal."Ich bin günstig zu haben", ruftsie mir zu. Ich komme auf Touren,zücke meine Brieftasche, verges-se für einen Moment jegliche mo-netäre Besonnenheit, und wenigspäter kullern wir schon intimherum. Im Auto, im Schlafzimmer,sogar mitten auf der Straße. Eswar wild und heiß und leiden-schaftlich. Ich habe mich richtigverknallt. So ging das zwei, dreiWochen lang. Dann plötzlich wares aus, verflog das Gefühl, wurdeschal und langweilig und ich hab'sie stehen gelassen. Seither nichtmehr viel an sie gedacht, mit An-deren rumgemacht, auch Männerdabei, ich geb's zu, und es wargut so. Nur manchmal schau ichnoch rüber zu ihr, denke mir:Wenn ich wieder mal Lust auf raf-finierten Kitsch mit Zuckerhäub-chen habe, werde ich sicher wie-der schwach werden und mich füreine Nacht Hals über Kopf in sieverknallen. Aber eine Frau fürsLeben, ich weiß nicht ... (cuisine)

MMAADDOONNNNAA

“The Very Years”

2007

Nun gut, diese Sammlung früherAufnahmen der berühmten Popdi-va ist musikalisch nicht geradedas, was wir fachkundigen Re-zensenten als unverzichtbar bezeichnen würden, aber es istimmerhin beruhigend zu erfah-ren, dass auch eine erfolgreichePopröhre wie Mme M. erst ihrenWeg suchen musste. Nicht jeder-manns Geschmack ist etwa die

früheste Frühphase in der umtrie-bigen Londoner Punkszene 1978.Madonna als blutjunge Scream-queen und Leadsängerin der we-nig bekannten, aber ihrer Zeitweit voraus eilenden Death-SpeedTrashHardCoreFuckMetal-Band RazorRazor. Jeder Song nichtlänger als eine Minute, Madonnapermanent zwischen hohem Cund Gurgelgeräuschen hin undher pendelnd. Kurz danach, 1979,versuchte Madonna erfolglos denPart von Mary in Zappa’s Joe’s Ga-rage zu übernehmen, der letztlichvon Dale Bozzio so kongenial ver-körpert wurde (wir erinnern uns:With leather?). Die Compilationbietet Privatmitschnitte ihrer Pro-beaufnahmen. Besonders hörens-wert Madonnas Version der Wet T-Shirt Nite - und natürlich, ihre ver-zweifelten Versuche, den gutenFrank zu überzeugen, sie in dieBand aufzunehmen. Zwei Jahrespäter taucht Madonna mit hoch-gesteckter Fönfrisur als Backgro-undsängerin von Human League,Adam Ant und schließlich Wham!auf. Die ursprünglich sofort nachder Aufnahme gelöschten Tondo-kumente wurden nun von gefeu-erten Studiomitarbeitern hintereiner Blumenkiste neben demNotausgang gefunden und für un-fassbare Summen an den erstbe-sten Studioboss verkauft. Übri-gens, die CD wurde wegen demoben erwähnten Track gleichnach der Veröffentlichung wiederzurückgezogen und ist nirgendszu kaufen. Aber es gibt sie. Echt! (grog)

TTHHEE VVIIEEWW

“Hats Off to The Buskers”

2007

Was haben wir denn da? Schonwieder ein paar Lausbuben?

BBRROOKKEENN SSOOCCIIAALL SSCCEENNEE “Broken Social Scene” 2005

RREEGGIINNAA SSPPEECCTTOORR“Begin To Hope” 2006

MMAADDOONNNNAA “The Early Years” 2007

TTHHEE VVIIEEWW “Hats Off to The Buskers” 2007

Page 27: Hydra #1 remastered

Kommt mal her und zeigt mirEure Gitarren! Na, die sind ja vielzu groß für Euch! Wisst Ihr dennüberhaupt, wie man damit spielt?Ach so?! Den Gurt ganz lang, da-mit das Teil cooool bis zu denKnöcheln durchhängt? Ja, ja,dachte ich mir schon. Aber ichmeinte die Griffe, die Harmonien,das musikalische Knowhow?Scheiß was drauf? Ja, verstehe.Wie alt seid Ihr denn so imSchnitt. 18 Jahre? Tstststs! Habt Ihrüberhaupt schon mal mit einemMädchen ...? Ach, gleich mehre-re? An jedem Finger ein Dut-zend? Ja, ja ... Lasst mich mal inEure Haare schauen. Total strup-pig! Kauft die Mama noch dasShampoo? Ach, die Oma? Die istüberhaupt das Größte? Mit derhängt man gerne mal rum undschlürft einen Tee? Ist so üblich inSchottland? Schottland! Ich wus-ste gar nicht, dass es dort lauteGitarrenmusik gibt.Wie nenntsich das noch gleich? BohemianBritpop? Wenn Ihr meint ... Übri-gens, Dir rinnt Rotz aus der Nase.Willst Du vielleicht ein Taschen-tuch? Ja, okay, schon verstanden,ich verzieh mich gleich.

Also, jetzt hör mal,“alter Sack”musst du nicht zu mir sagen. Ge-fällt mir ja eh, dieser Krawall, denIhr da macht. Ich meine, okay, esist nicht ganz The Clash und -dem Himmel sei's gedankt - auchnicht Blur, sondern irgendwas ...äh,Verrotztes dazwischen, aber:Hut ab, Jungs! He, wartet mal, wowollt Ihr denn hin? Ich bin janoch gar nicht fertig, ich wollteEuch doch gerade... He, Hallo…ich rede mit Euch ... [Ein paar Se-kunden später] Was? Nein, HerrInspektor, ich habe nur ein paarWorte mit diesen Jungs gewech-selt. Die haben eine neue CD ...

Was?! “Unsittlich angequatscht?!Zwischen ihre Beine geschielt?”Ja, sind sie denn ... So ein Unfug!Au! Lassen Sie mich los! Hilfe!Loslassen! Nein, ich will da nichtrein! Ich bin unschuldig! Ich binRezensent! Ehrlich! Warum hilftmir denn niemand! (cuisine)

5500 JJAAHHRREE PPOOPPMMUUSSIIKK

“Süddeutsche Edition”

Viele, viele Jahre

Angefangen hat es damit, dassich mir drei Bände gekauft habe.Nur einmal zum Ansehen. UndAnhören. Der Titel war vielver-sprechend. 50 Jahre Popmusik.Von 1955 bis 2005 gibt es je ei-nen Band. Mit CD! Also hab ichmir die drei Bände, selbstver-ständlich aus verschiedenen Jahr-zehnten, gekauft. Die Bücher wa-ren ganz nett aufgebaut. Erst einkurzer Überblick über das Jahr,geschrieben von verschiedenenAutoren mit Bezug zur Popmusik.In der Mitte eine Fotostrecke undein Fundstück, bei dem es sichum ein Interview oder einen Arti-kel, im jeweiligen Jahr erschie-nen, handelt. Am Ende zu jedemSong der CD eine kurze Story.

Die Auswahl der Songs war OK.Eine gute Mischung zwischenMainstream und Unbekanntem.Ganz nett, aber nicht wirklichüberzeugend. Ich hab mir dasVersprechen gegeben, diese Se-rie wird sicher nicht vollständigerstanden. Ganz! Sicher! Nicht!Dann kamen verschiedene Ge-burtstage. So ein Jahrgang zumGeburtstag, das wär doch ein net-tes Geschenk. Und wenn manschon einen Band kauft, dannkann man doch auch für sichselbst einen mitnehmen. Zum Bei-spiel das eigene Geburtsjahr.

Oder das der Frau. Oder das derKinder. Dann kann man ihnen ein-mal vorspielen, was im Jahr ihrerGeburt gerade aktuell war. Abersicher nicht die ganze Serie.Ganz! Sicher! Nicht!

Irgendwann flanierend im CD-Store. Die ganze Serie wird auf ei-ner Wand präsentiert. Mal schau-en, was den Autoren zu den Acht-zigern eingefallen ist. Und 1995ist auch ein blinder Fleck aufmeiner musikalischen Landkarte.Wieder hab ich das eine oder an-dere Bändchen erstanden. Aberdie ganze Serie? Ich bin dochnicht blöd, Mann!

Schon standen fast dreißigBücher im Regal. Die Siebzigerund Neunziger waren überreprä-sentiert, die Fünfziger und Sech-ziger sehr lückenhaft besetzt.Wäre schon toll, auch diese Jahr-zehnte ein wenig kennen zu ler-nen. Zumindest den Anfang unddas Ende sollte man haben. Aberdie ganze Serie? Na ja.

Irgendwann wurden die Lückenimmer weniger.Wie sieht dasdenn aus? Und was hab ich ge-gen das Jahr 1985? War die Musik1959 so schlecht? Nein, sichernicht. Bald war die Sammlungvollständig und der Familienteilmit dem Y-Chromosom greift im-mer wieder gerne zu und legteine CD auf.

Dabei gibt es unterschiedlicheVorlieben. Der Jüngste nimmt dieJahre wahllos aus dem Regal, hataber jetzt das Jahr 1985 als Favo-rit.Vor allem Track Nummer 5(Run DMC: King of Rock) muss öf-ter wiederholt werden. Das mitt-lere Y-Chromosom, es ist sehrwählerisch, bleibt gerne bei ei-

ner CD, die dann monatelang denCD-Player belegt (Zuletzt Queen:News of the world. Die CD stecktauch in der Schultasche, damitdie Schule den richtigen Soundbekommt), greift gerne zum Jahr1979.Vor allem wegen der Num-mer 17. The Specials: A messageto you rudy. Da hat die Lotterie-gesellschaft ganze Arbeit gelei-stet.

Der gestresste Vater hingegenlegt sich gerne das Jahr 1955 auf.Eine wunderbare Mischung vonBlues, Country, Schlager und denAnfängen von Rock´n´Roll. Undwenn es niemand merkt, drückeich auch die Repeat-Taste. Beider Nummer 12. Tennessee ErnieFord: Sixteen Tons. Aber dienächste Serie lasse ich aus. Ganz!Sicher! (l’orou)

BBEEIIRRUUTT

“Gulag Orkestra”

2007

Pfff ... keine Lust mehr. Ja, die istauch gut.Junger Amerikanermacht auf alte Tisganer. Mhm.

AARRCCTTIICC MMOONNKKEEYYSS

“You’re favourite nitemare”

2007

Und die ist auch noch gut. Klar.Nicht nur weil angesagt.

MMIIDDLLAAKKEE

“Van Occupanther”

2007

Und die erst recht.

5500 JJAAHHRREE PPOOPPMMUUSSIIKK “Süddeutsche Edition” Viele, viele Jahre

BBEEIIRRUUTT“Gulag Orkestra” 2007

AARRCCTTIICC MMOONNKKEEYYSS“You’re favourite nitemare” 2007

MMIIDDLLAAKKEE“Van Occupanther” 2007

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RICHTIG. DIESE SEITEIST VOLLGESTOPFTMIT REZENSIONEN.VIEL ZU LANGE NOCHDAZU. WENIGSTENSSIND NICHT ALLEERNST GEMEINT.

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TTEENNAACCIIOOUUSS DD

“The Pick of Destiny”

2007 [DVD]

Nach den Hollywoodkommerz-abstürzen “King Kong” und “Liebe braucht keine Ferien” istJack Black zurück. Und zwar nichtals wahnwitziger Tierhändleroder schmusendes Dickerchen,sondern genau dort, wo er hin-gehört: Hinter die Gitarre. Mit“Pick of Destiny” (dt.“Kings ofRock”) schaffen Kyle Gass undJack Black unter Regie von LiamLynch ein trashiges RockMusical,das zwar keinen Tiefgang, aberumso mehr Unterhaltung bietet.

Die Story ist einfach gestrickt,aber wunderbar abgedreht: Jack(TscheyBee) und Kyle (KeyGee)gründen die Band Tenacious Dund machen sich auf die Suchenach dem “Pick of Destiny”. Mitdessen Hilfe wollen sie die besteBand der Welt werden. Das besagte Pick, ein Vorderzahn desTeufels persönlich, verleiht übermenschliche Gitarrenskills,steckt jedoch zwischen den Seiten von Angus Youngs GibsonSG im “Rock an Roll Museum”.

Was folgt, ist ein wahnwitzigerRoadtrip Richtung Ruhm, der miteiner bizarren Rock-Off-Challen-ge mit Dave Grohl (gespielt vomLeibhaftigen selbst) endet. DerRest der Story ist so komplex,dass ein dreijähriges Mädchensie erzählen könnte.

Am meisten belohnt der Filmjene Fans, die bereits vorherfleißig die Texte der vorab erschienen CD gelernt haben.Alle anderen sind entwederRockmuffel oder haben die witzigste Wiederbelebung der

Rockmusik seit ... egal, mir bleibtnur noch, die CD zum Film in denDiscman zu werfen und nachtsdavon zu träumen, dass auchkleine Dickerchen in HollywoodFuß fassen können. (grrr)

DDOONNAALLDD DDAAVVIIDDSSOONN

“Vernünftige Tiere”

2005

Mit einer Liebhaberausgabeberühmter Satiriker der Welt-geschichte versucht sich der bislang unbekannte Verlag Suhrkamp einen Namen in derVerlagsszene zu machen. DieReihe “Essenzen.Wenig Buchstaben für viel Geld”präsentiert Auszüge aus denWerken bislang wenig bekannterHumoristen.

Essenzen, also: Humoristisches inleicht verdaulicher Länge. Da-runter Zwerchfellerschütterndeswie “Über den Tod” von Ernst Tugendhat,“Theorie der Halbbil-dung” von Theodor W. Adorno,“Das Reale des Christentums”von Slavoj Zizek. Oder eben auch“Vernünftige Tiere” von DonaldDavidson, einem ganz Großender Satirekunst. Mit einer Hand-voll Kalauer erzählt Davidson dieGeschichte der Annahme, esgäbe so etwas wie eine angeborene Vernunft, die Tierevon Menschen trennen würde.(Tiere übrigens metaphorisch zuverstehen, etwa:“Du Tier!”) “Vernunft”, so Davidson lockerflockig in seinem kleinen Lecker-bissen der Humoristik,“ist einsoziales Merkmal. Nur wer kom-muniziert, hat es.”Wer redenkann ist also bereits vernünftig.Vielredner sind demnach Intelli-genzbestien.Wir empfehlen, dasBuch laut vorzulesen. (cuisine)

NNIINNAA RRUUZZIICCKKAA

“Der Tod und das Mädchen”

Die Biblyothek, edition moritate

Der Tod hat es nicht leicht. Erkann nicht einfach kommen undjemanden holen. Man muss demTod ins Angesicht blicken undseinen Namen nennen.Von die-ser Theorie geht zumindest NinaRuzicka in ihrer Comic-Serie“Der Tod und das Mädchen” aus.Mit welchem Namen man ihn dabei bedenkt, ist dem Tod egal.Er gibt sich mit jedem zufrieden.Egal ob Freund Heyn, Gevatter,Rumpelstilzchen oder Fahrzeug-halter, kaum ausgesprochen, hatdas irdische Leben ein Ende.

Doch der Tod ist nicht fehlerlos.Er stolpert tollpatschig durch dasLeben der Menschen, verursachtMassenunfälle auf der Autobahnund holt sich auch einmal ausVersehen einen Polizisten. Mitdem Mädchen hat der Tod einespezielle Beziehung. Schon alsKind sollte er sie holen, dochscheiterte er an widrigen Umständen und am Starrsinn derKleinen. Denn standhaft weigertsie sich, ihm einen Namen zu geben. So der Ausgangspunktder Geschichte.

Gemeinsam stolpern sie dreiBände lang durch verschiedensteAbenteuer, besuchen ein Kran-kenhaus, spinnen zarte Bande amStrand und versuchen, den untreuen Freund des Mädchensauf die Schliche zu kommen.

Nina Ruzicka gelingt es, mit demernsten Thema Tod sehr spiele-risch umzugehen und ihre Haupt-figuren in aberwitzige Situationenzu bringen. So erinnert die Art,mit der die beiden die Leiche ei-

nes Polizisten auf einer einsamenRaststätte verschwinden lassenwollen, an den Film “Immer Är-ger mit Harry” (den sie auch zi-tiert). Falls man das eine oder an-dere Zitat nicht versteht oder er-kennt, kein Problem. Im Anhangzu jedem Band finden sich Hin-tergrundinformationen, die diemanchmal sehr spezifischen An-spielungen erklären.“Der Todund das Mädchen” ist als klassi-scher Comic konzipiert, der dieLeser/innen Bild für Bild durchdie Geschichte führt. Die Charak-tere sind mit Liebe zum Detail ge-staltet. (Ein Höhepunkt: Der klei-ne Tod mit Kapuzensweater.) Mitdem nun vorliegenden drittenBand schließt Nina Ruzicka denersten Teil der Reihe ab. Es bleibtzu hoffen, dass sie bereits an ei-nem weiteren Teil arbeitet.(l’orou)

AALLEEXX KKAAPPRRAANNOOSS

“Sound Bites”

Kiepenheuer und Witsch

OOLLEE PPLLOOSSTTEEDDTT &&

JJÖÖRRGG RRAAUUFFEEIISSEENN

Rote Gourmet Fraktion

Kiepenheuer und Witsch

Manche Hobbymusiker werdenKöche, manche Köche werdenSänger in einer Popband undmanche Köche hängen ihreweißen Kittel und Mützen an denNagel und bekochen Rockstarsauf ihren Tourneen. Eines habenalle drei gemeinsam: Sie habenihre Erlebnisse oder Rezepte aufPapier drucken lassen.

Die Qualität von Jamie OliversKochbüchern soll hier nicht The-ma sein. Das neue Buch des Sän-gers der Band Franz Ferdinand,Alex Kapranos, und das 2004 er-

TTEENNAACCIIOOUUSS DD

“The Pick of Destiny”

2007 [DVD]

DDOONNAALLDD DDAAVVIIDDSSOONN

“Vernünftige Tiere”

2005

NNIINNAA RRUUZZIICCKKAA

“Der Tod und das Mädchen”

Die Biblyothek, edition moritate

AALLEEXX KKAAPPRRAANNOOSS

“Sound Bites”

Kiepenheuer und Witsch

Page 29: Hydra #1 remastered

schienene Werk der Roten Gour-met Fraktion hingegen schon. Ka-pranos ist ein scharfer Beobach-ter. Er seziert die Stationen seinerkulinarischen Reise oft bis zurUnkenntlichkeit. Manchmal ver-liert er sich in den Beschreibun-gen der Zutaten und Lokalitäten,zwanghaft darauf bedacht, keinDetail zu vergessen und gerät obder Einzigartigkeit der Speisen inpoetische Schwärmerei. Dabeivergisst er aber, seinem Buch Li-nie und Struktur zu geben. Erspringt durch die Zeiten und vonKontinent zu Kontinent. Beim Le-sen wird man nicht durch dasBuch geleitet, man wird von Kapi-tel zu Kapitel gestoßen.

Trotzdem gelingt es Kapranos,die geneigte Leserin und den ge-neigten Leser durch seine Liebezu kulinarischen Details zu fes-seln.Wussten Sie zum Beispielwas Muskelmägen sind? Unddass man sie essen kann? Wieangeblich auch mit Innereien undHafermehl gefüllte Schafsmägen,dem fachkundigen Publikum un-ter dem Namen Haggis bekannt.(Ob diese Mahlzeit allerdingsauch der durchschnittliche, anbritische Küche nicht gewöhntemitteleuropäische Magen längerals eine Minute behalten kann,darüber schweigt Kapranos.)

Wer näheres über das Tourlebenvon Franz Ferdinand erfahrenwill, sollte sich die gut acht Eurosparen, denn er wird enttäuschtwerden. Lediglich die Marottenseiner Bandkollegen sind Kapra-nos ein paar Zeilen wert. Amü-sant zu lesen ist die Rache desAutors an einem Hoteldirektor,der ihm verbot, in der Lobby desHotels sein Otha zu verzehren.

Wer tiefer in das Thema "Wasmachen Musikanten, wenn dasPublikum die Halle verlassen hat"eindringen will, sollte gut zehnEuro in das 2004 erschieneneBuch “Rote Gourmet Fraktion”von Ole Plogstedt und Jörg Rau-feisen investieren.

Plogstedt und Raufeisen gründe-ten Mitte der Neunziger Jahre einCatering-Unternehmen, das sichzum Ziel gesetzt hat, Musikantendas Leben auf Tour möglichst an-genehm zu gestalten. Sie beglei-teten die Toten Hosen, die Ärzteund Rammstein auf ihren Tourenund richteten das Catering beigroßen Festivals aus.

In “Rote Gourmet Fraktion” er-zählen sie einerseits von ihremWeg, der sie weg von denKüchen diverser Nobelhotels, hinzu zugigen Veranstaltungshallenführte. Sie geben aber auch einenEinblick in das Leben, das Bandsauf Tour führen. Manchmalscheint es beim Lesen, als obman einen Schelmenroman vorsich hat, so dicht sind die Anek-doten gesetzt. Dabei vergessendie Autoren aber nicht, auch dieSchattenseiten des Tourlebens zubeleuchten. So sind die Streiche,die sie sich und anderen spielen,ein Ventil, das einen Arbeitstagmit sechzehn Stunden, nach demman mit einem Bus zum nächstenGig fährt, erträglich macht.

Im Anhang finden Rezepte, mitdenen die RGF ihre Stars Back-stage verwöhnen.Wer sich alsoeinmal wie ein Rockstar nach einem Konzert fühlen will, solltesich unbedingt als Nachspeiseein Jägermeistermousse odereine Gummibärchenlasagne gönnen.(l’orou)

BBEEAATTIIFFIICCAA

“Der Tod und das Mädchen”

PPRREEAACCHHEERR

Die Biblyothek, edition moritate

Bernadette mochte keine Co-mics, die waren ihr zu wenig in-tellektuell. Für Bernd waren Co-mics heilig. Ich hingegen hattekeine Ahnung: weder von Intel-lektualität, noch von Comics.Das war vor 15 Jahren undBernd erweiterte meinen Hori-zont, wie weiland der alte Gö-del jenen der Formalisten.Bernd (nicht Gödel!) gab mirAkira (von Katsuhiro Otomo) zulesen und Sin City (von FrankMiller) zu bestaunen. Und wennich heute auch nicht mehr mitihm rede, dafür werde ich ihmdankbar sein bis Eins und Einsgleich Drei über der elementa-ren Zahlentheorie sein wird.

Die erste Regel bei Comics ist,dass man sie in engen, schwachbeleuchteten, angrammeltenLöchern kauft, derenInhaber/innen sich selten vonihrer Umgebung (positiv) abhe-ben. Die zweite Regel ist, dasses nur amerikanische und japa-nische Comics gibt. Die drittehabe ich vergessen, aber siewar so schön wie die Tarski-sche Quantorenelimination.

Nach Regel No. 2 ist BeatificaBlues kein Comic, weil ausFrankreich. Beatifica Blues er-zählt die Geschichte von ValdoSlack, der in einer zukünftigen,atomschlaggeschädigten Erdesein Dasein als Ex-Designerder Glücksdroge Beatifica fri-stet. Und wir fristen mit. Die Se-rie wurde nach den ersten dreiAusgaben eingestellt. Aus

nostalgischen Gründen habeich mir gerade wieder Band 1-3gekauft. Das Schönste sind dieüberall lustvoll brennenden Zi-garetten.

Preacher ist ein böses, fiesesund gemeines Comic. So könn-ten die script books von Taran-tinofilmen aussehen, bevor dieZensur zuschlägt. Preacher er-zählt die Geschichte von JesseCuster, Tulip O'Hara und Posei-das Cassidy. Jesse wird heimge-sucht von Genesis, dem Af-färenresultat eines Engels undeiner Teufelin. Hinfort sprichter mit der Stimme des Herren.Er erfährt, dass Gott sich aufsein Altenteil zurückgezogenhat und begibt sich auf einenKreuzzug, um diesen verantwor-tungslosen Pensionisten zurRede zu stellen. Unterwegs triffter Tulip wieder, seine Jugend-liebe, deren Umschulung vonder Autodiebin zur Profikillerinnicht so recht gelingen will.Und Cassidy? Findet es dochselber raus!

Die Wir-treten-Gott-in-den-Arsch-Storyline wird in epi-scher Breite ausgelutscht, un-terbrochen von Zwischenschau-kämpfen mit den Gralsrittern,Hintergrundinformationen zuden Protagonisten und Ähnli-chem. Die Serie geht über eingutes Dutzend Bücher, sowie ei-niger Specials. Aber daran istgrundsätzlich nichts auszuset-zen, schließlich ist auch der Be-weis der Fermatschen Behaup-tung ein elendslanger.(prof_moser)

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OOLLEE PPLLOOSSTTEEDDTT &&

JJÖÖRRGG RRAAUUFFEEIISSEENN

Rote Gourmet Fraktion

Kiepenheuer und Witsch

BBEEAATTIIFFIICCAA

“Der Tod und das Mädchen”

PPRREEAACCHHEERR

Die Biblyothek, edition moritate

OOKKAAMMII

Ein “Game”, wird hier aber

nicht rezensiert

JA ... GENAU! DERSELBE SCHEISSNOCHMAL. NUR SIND ES EBEN BÜCHER JETZT.BÜCHER? DAS SIND SO DINGER MIT BUCHSTABEN DRINNEN.

Page 30: Hydra #1 remastered

EIN PAAR FRAGEN AN FRAUSTENZEL HÄTTE DA NOCH TOM.

Das Drogenproblem der Inneren Stadtist so gut wie gelöst. Seit heute weißich das.Wiens Untergrundbahnblatthat mir und ungezählten anderen gelangweilten U-Bahn-Passagieren dieunvergleichliche Idee der Bezirks-vorsteherin kundgetan. Die Musikwird, wenngleich nicht die Welt, sodoch einen Teil davon – den Karlsplatz– für die gute, also christlich-bürgerliche Gesellschaft retten.

Mittels großflächiger Beschallung vonOpernpassage und Park vor der Karlskirche mit klassischer Musik sollDrogendealern, deren Kundschaft undsonstigen Herumlungerern der Karlsplatz vergällt werden. Umsoschmackhafter wird dieser dadurchfreilich für die korrekt eingestelltenMitbürgerInnen und erwünschten ausländischen Gäste.

Da bleiben kaum noch Fragen offen,magere 37 hätte ich:

1.Womit wird der Soundteppichgeknüpft?

2. Mit Hilfe wetterfester Lautsprecher im Geäst?

3. Sind auch Live-Übertragungen ausdem Musikverein eingeplant,möglicherweise mit Übertragungauf Großbildleinwände, um so all jenen, die in der Abo-Erbfolge fürdas Philharmonische an abgeschla-gener Stelle rangieren, die hoheKunst zumindest um einen Straßenzug näher zu bringen?

4. Stünde das Anti-Drogen- und Obdachlosen-Programm am Karls-dann nicht in Konkurrenz zum Sommerprogramm auf dem Rathausplatz?

5. Soll womöglich gar vor Ort musiziertwerden?

6.Wer spielt auf?7.Werden Orchester aus Städten

geladen, die Erfahrung mit der Drogenproblematik haben?

8. Etwa ein Musikerkollektiv aus derStadt, die zu werden Wien nicht wollen soll: das Chicago SymphonyOrchestra?

9. Möglicherweise noch geeigneter,

das Royal Concertgebouw Orchestra aus Amsterdam?

10.Warum nicht auch Zwangsver-pflichtung lärmender Straßen-musikantInnen von Kärntner Straßeund Graben zum Klassikdienst amKarlsplatz: Ein Schlag, zwei Fliegen?

11. Unter Umständen will die obersteBezirkshirtin auf Nummer sicher gehen und mit der Exekutive zusammenarbeiten?

12. Könnte diese eine musizierendeEingreiftruppe bilden?

13. Eine Drogen Orchester Polizei Einheit analog zur WEGA?

14.Was definiert die Qualität derzweckdienlichen Musik?

15. Die Werke welcher Komponistensind besonders geeignet, dieGehörgänge unliebsamer Individuen zu beleidigen?

16.Vielleicht muss die klassische Musik einfach nur schlecht gespieltsein, um ihre zersetzende Wirkungzu entfalten?

17.Wäre dann ein Orchester vonVolkshochschulen-Erstsemesterndie Lösung?

18. Oder von Volkspartei-Politikern?19. In welchem Zeitraum täglich ist die

musikalische Untermalung der(Dann-)Karlsplatz-Idylle geplant?

20. 24 Stunden am Tag?21. Zieht hier ein dunkler Widerspruch

im genügend bekannten lichtenBestreben der Bezirksherrscherinauf, die Innere Stadt in eine ungestörte Oase der Totenstille zuverwandeln?

22. Dann doch nur bis 22 Uhr?23. Hallen aber die Klänge der

Streicher, Holz- und Blechbläser inden Ohren der Verwunschenen

lange genug nach, so dass sie nichtnächtens in ihr Revier zurückkehren?

24. Im Rückkehrfall, wann werden siemorgens symphonisch geweckt?

25. Und wohin sollen die Drogendealer und -süchtigen, vor allem aber obdachlose Herumlungerer vorder Klassik fliehen?

26. Nach Hause?27. In die angrenzenden Bezirke?28.Werden nachhaltige

Problemlösungen überbewertet?29. Muss in der Folge damit gerechnet

werden, dass die “Klassikzone”Schritt für Schritt erweitert wird,nicht unähnlich der Kurzparkzoneim Zuge der Parkraumbewirtschaftung?

30.Wirkt die klassische Waffe tatsächlich so zielgruppengenau?

31. Ist klassische Musik das Weihwasser des Drogenteufels?

32. Sind Liebhaber dieser Klänge gegen die Verlockung berauschen-der Substanzen und öffentlichesHerumlungern gefeit?

33. Liegt also die Erziehung der Kinderzur E-Musik als Suchtpräventionauf der Hand?

34. Begründet das die Ignoranz desschulischen Musikunterrichts gegenüber Rock- und Pop-Musik?

35. Berücksichtigt die klassische Ideeaber die Anpassungsfähigkeit desMarktes?

36. Agieren findige Dealer zukünftigmit situationsgerechten Lockangeboten: Bei Suchtmittel-kauf – Ohropax gratis?

37. Quietscht hier etwa gar Federvieh?

Lieber Chef! Hier meine Textspende, “Enten füttern” ist der Kolumnentitel. Alleanderen Ideen (“Sofa-Empfehlungzum teuersten Gemälde der Welt”,“Meine schönsten Briefmarken – Rückblick eines beschränkten Philatelisten”, oder Teil 1 der Serie“Meine langweiligsten Hobbies”)wurden wieder verworfen ...

LieberTom! Ewig schade drum!

Page 31: Hydra #1 remastered
Page 32: Hydra #1 remastered

HYDRA No. 1 entstand in Zusammenarbeit mit der medienMANUFAKTUR Wien.

JA, ICH UNTERSTÜTZE HYDRA MIT EINEM FÖRDERABO VON 20,- EURO FÜR VIER AUSGABEN,egal wann diese erscheinen (und wenn es 2037 wird!),verlange aber im Gegenzug, dass mir die Hydranten abwechselnd die Haare kämmen, den Nacken kraulen,die Ohrläppchen auspusten, und das nicht seltener alsdreimal die Woche, nicht öfter allerdings als siebenmaldie Woche (ich habe ja auch ein Privatleben, wo solldas hinführen); dann hätte ich gerne, dass mir die Hydranten täglich meine Morgenzeitung ans Bett bringen, und zwar auf Händen und Knien krabbelnd,den Kopf gesenkt, auf dem Rücken die eingerollte Zeitung, daneben ein Wachsblumenstrauß und zwei voneiner berühmten Filmdiva der 30er Jahre angeknabberte Strohhalme; außerdem verlange ich,dass Alice eine Anti-Hangover-Maschine erfindet undsie kostenlos der Menschheit zur Verfügung stellt; Undich will dieses Schnurrbartdings vom Dipl.-Ing. Huberbei mir Zuhause auf der Kommode stehen haben ... hm,, ich denke, das ist alles.

Datum, Unterschrift

Hier ausschneiden, dann dort drüben und dann quer über dasTischtuch ihres Stammwirten. Und wenn Sie so frei sind, können

Sie gleich die erstbeste Ausgabe von ÖSTERREICH zerschnipseln. Dan-ke! Und dann per Post an Kulturverein HYDRA, Knöllgasse 9/41, 1100Wien schicken. Oder einfach so ein Mail an [email protected] odernoch besser, einfach das Geld mit Name und Anschrift überweisen

KTO NR28835968400BLZ 20111KENNWORT 4X HYDRA

Bezahlte Anzeigen

Gute Frage. Hätte sicheine ehrliche Antwortverdient. Aber nicht indiesem Leben. Undnicht auf dieser Welt.Trotzdem eine Antwort.Das neue Logo! Dasmusste einfach hinein.

Nein. Okay.Wir gebenes zu. HYDRA #1 warein Reinfall.Weil wirkeine Ahnung hatten,wo wir hin wollten. Dasssich im Heft acht Seiten Rezensionen befinden,sagt schon alles, oder?

Insbesondere aberwurmte das Layout.Darum haben wir dasHeft einfach in dieWaschmaschine gesteckt und einen aufLevis-Jeans gemacht.Siehe da: Gleich vielcooler das Teil ...

Der Nachdruck einerexklusiven Sonder-edition von 250 Stückwürde lumpige

€ 592,-kosten. Finanziere denNachdruck und das Heftgehört Dir. Selbst-verständlich wäre daseine sponsored issue,worüber wir gerne imDetail plaudern können.Schreib an [email protected]

warumzumteufeleinremake?

wiekommeich zudiesemheft?