I. Schöpfungstheologie in der Gegenwart Zugänge · Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik...

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Prof. Dr. O. Meuffels/Grundfragen der Dogmatik II Folie 1 I. Schöpfungstheologie in der Gegenwart Zugänge theologisch Die Rede von der Schöpfung ist kein Randthema der Theologie, sondern reicht in die trinitarische Gotteslehre ebenso hinein wie in die Eschatologie. naturwissenschaftlich Moderne Physik und zeitgenössische Biologie fordern mit der Verabschiedung von klassischen Paradigmen der Naturwissenschaften die gegenwärtige Theologie neu heraus. ökologisch Die ökologische Krise konfrontiert die Theologie mit dem Vorwurf, die Anthropozentrik des Christentums habe in Verbindung mit dem Herrschaftsauftrag von Gen 1,28 zur Ausbeutung der Natur geführt.

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I. Schöpfungstheologie in der Gegenwart

Zugänge

• theologisch

Die Rede von der Schöpfung ist kein Randthema der

Theologie, sondern reicht in die trinitarische Gotteslehre

ebenso hinein wie in die Eschatologie.

• naturwissenschaftlich

Moderne Physik und zeitgenössische Biologie fordern mit der

Verabschiedung von klassischen Paradigmen der

Naturwissenschaften die gegenwärtige Theologie neu heraus.

• ökologisch

Die ökologische Krise konfrontiert die Theologie mit dem

Vorwurf, die Anthropozentrik des Christentums habe in

Verbindung mit dem Herrschaftsauftrag von Gen 1,28 zur

Ausbeutung der Natur geführt.

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Konsequenzen aus der ökologischen Krise für eine heutige Theologie

Eine zeitgenössische Schöpfungstheologie ist dem Auftrag verpflichtet, die herkömmliche Rede vom Schöpfergott mit der konkreten Weltsituation zu konfrontieren: 1. Die vielfach mißverstandenen biblischen Schöp-

fungsberichte sind exegetisch verantwortet auszulegen und systematisch auszuwerten.

2. Die Theologie darf sich nicht allein auf das Feld

der (Heils-)Geschichte zurückziehen und die Natur der Naturwissenschaft überlassen.

3. Es müssen die naturwissenschaftlichen Erkennt-

nisse über die Natur von der Theologie offen zur Kenntnis genommen werden, da es sich um Einsichten in das Schöpfungswerk Gottes handelt.

3. Orientierungspunkte

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3.1 Schöpfung als trinitarischer Akt Gottes

Auf dem Hintergrund der Möglichkeit, daß die Welt auch nicht sein könnte, weil Gott als der in sich Vollendete ihrer nicht notwendigerweise bedarf, ist die Tatsache, daß die Welt existiert, nur als Akt göttlicher Liebe zu deuten. Wir können daher sagen:

„Das Dasein der Welt ist Ausdruck der Güte Gottes.“ [W. Pannenberg, System. Theol. 2, 35.]

Drei Konsequenzen:

1. Die Gegebenheiten der Schöpfung haben eine letzte positive Qualität und stellen einen Eigenstand in Relation dar, so daß Beziehung ein Grundbegriff innerhalb einer Theologie der Schöpfung sein muß.

2. Die dem Leben der Schöpfung innewohnende Be-ziehungs-Dynamik, die bis zur Teilhabe am göttlichen Leben reicht, findet eine vollkommene Verinnerlichung in der Selbsttranszendenz des Menschen.

3. Die Welt existiert in ihrem Eigenstand in Gott, sie gründet immer schon in den trinitarischen Beziehungen.

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3.2 Der Mensch innerhalb der Schöpfung

3.2.1 Der Mensch zwischen Endlichkeit und Unend-

lichkeit

Der sich reflektierende Mensch denkt immer schon

über sich hinaus und ist offen für das Ganze der

Wirklichkeit. Zugleich ist er aber in Distanz zu den

Dingen dieser Welt und versehen mit einem nicht

austauschbaren Leib. Die menschliche Person ist

ausgespannt zwischen Einheit und Distanz, zwischen

Endlichkeit und Unendlichkeit, zwischen Zeit und

Ewigkeit.

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3.2.2 Die Suche nach der Weltformel Die Suche nach einer Weltformel hat eine zweifache Voraussetzung: 1. Nach Überzeugung der herkömmlichen Physik in Folge

von R. Descartes und I. Newton konnte sich der Mensch als erkennendes Subjekt der Natur als exakt meßbarem und vollkommen objektivierbarem Gegenüber annehmen. Voraussetzung dafür sind ein exakter Raum und eine exakt gleichbleibende Zeit.

2. Hinter der Suche nach der Weltformel steckt ein enormes Fortschrittsvertrauen. Die Wissenschaft, verstanden als Naturwissenschaft, schreitet nach diesem Ansatz immer weiter, bis eines Tages alles in einer Formel zusammengefaßt und erklärt ist.

Solche Versuche sind wenig sinnvoll: a) Die Welt ist nicht vollkommen durch den Menschen

objektivierbar, sondern der Mensch ist immer auch beeinflussendes, ja manipulierendes Moment der Erkenntnis.

b) Auch der Mensch selbst ist nicht vollkommen objektivierbar, was er ja als Teil der Welt in einer Weltformel sein müßte. Vielmehr greift der Mensch stets aus nach dem Geheimnis des Ganzen, in dem er lebt, von dem her er denkt.

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3.3 Fazit

1. Die Welt ist von ihrem Ursprung her im

Beziehungsverhältnis der drei göttlichen Personen am

Ort des Sohnes angesiedelt. In seiner Transzendenz ist

Gott immer jener, der seiner Schöpfung immanent ist.

2. Gottes Heilsgeschichte ist eingebettet in eine Geschichte

jener Natur, die noch im Werden ist, aber von Gott

geschaffen und getragen ist.

3. Die ausgreifende Offenheit des Menschen, seine

Transzendenzbewegung ist ein Ansatzpunkt für die

theologische Rede und die Rede von Gott - mitten in der

Erkenntnis der Welt als Welt.

4. Theologie und Naturwissenschaften können in ein

Korrelationsverhältnis gesetzt werden. Diese Offenheit

ist dann der Boden für ein Gespräch miteinander.

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II. Schöpfung in den Schriften des Alten und des Neuen Testamentes

1.1.2 Die Schöpfungsmythen im israelitischen Umfeld • Mythische Tradition der Sumerer (3. Jtd. v. Chr.) bzw.

Babylonier: Enuma Elisch-Mythos („Als droben ...“): • Theogonie: Aus zwei Urgottheiten, dem männlichen

Apsu und der weiblichen Tiamat, entspringt eine Zeugungsreihe von Götterpaaren, die der mächtige babylonische (Staats-)Gott Marduk beschließt.

• Kosmogonie: Marduk tötet im Kampf die Urmutter Tiamat, aus deren zweigeteiltem Leib das Him-melsgewölbe und die Erdscheibe entstehen.

• Anthropogonie: Marduk erschafft die Menschen zum Dienst für die Götter. Die Menschheit entsteht aus dem Blut des Gottes Kingu, der zur Strafe für seine Schuld am Götterkrieg sterben muß.

• Ägypten:

• Schöpfung ist nicht nur auf den Anfang beschränkt, sondern ist ein unaufhörliches Geschehen.

• Zyklisches Zeitverständnis • Sonnengott Re allein ist der Weltschöpfer. • Vorstellung der Schöpfung durch das Wort

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1.2 Die „Urgeschichte“ des Anfangs

Die biblische Urgeschichte ist kein historischer

Geschehensbericht im modernen Sinne, sondern eine

Wesensbeschreibung, die in Werdegeschichten ihren

Ausdruck findet, ohne daß wir diese Werdegeschichten

historisch verstehen dürfen. Sie liefert keine historischen

Informationen über den Anfang des Kosmos, sondern

Urmodelle mit allgemeingültigem Anspruch.

Die Schöpfungsgeschichten haben gerade nicht

historischen oder naturwissenschaftlichen Wert, sondern

wollen verdeutlichen, daß der wandelbaren Geschichte

bleibende Grundstrukturen dieser Welt vorausliegen, in

denen sich erst das geschichtliche Leben entfalten kann.

Sie sind keine objektive Weltbeschreibung, sondern eine

ganzheitliche Weltdeutung im Glauben.

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1.2.1 Der Jahwist

1.2.1.1 Der Mensch in seinem Menschsein

(1) „Adam“:

• dem Tier ähnlich (Gen 2,19)

• aus Ackerboden geformt (2,7)

• lebendiges Wesen (2,7)

(2) Sonderstellung des Menschen:

• hat die Erde zu bebauen und zu bewahren (2,7)

• ist zu einer Gottesbeziehung fähig (2,7)

• vermag eigentätig-kreativ zu schaffen durch Handwerk, Sprache oder Denken (2,15)

• Namengebung der Tiere (2,19f)

• Verbot in 2,16f, vom Baum der Erkenntnis zu essen

(3) Zweigeschlechtlichkeit des Menschen (2,23)

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1.2.1.2 Die Freiheit zur Sünde

Urmodelle des Sündigens

Struktur:

1. Der Ort der Verfehlung ist etwas Naturgegebenes oder Menschliches.

2. Es handelt sich um zu verantwortende Taten, nicht um ein böses Verhängnis.

3. Das Subjekt verwirklicht eine egozentrische Selbstbehauptung unter Mißachtung gesetzter Grenzen gegenüber Gott, anderen oder der Mitwelt.

Sündenmodelle:

• Das erkenntnisbezogene Sündenmodell (Gen 3,1-13)

• Brudermord (4,1-16)

• Gottessöhne, die sich Menschentöchter zu Frauen neh-men (6,1-4)

• Turmbau zu Babel (11,1-9)

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1.2.1.3 Die umfassende Wirklichkeit der Gnade Gottes

(1) Nach Gen 2,17 droht Gott zwar dem Menschen den Tod an, aber

• Er wird „nur“ aus dem Paradies vertrieben.

• Gott selbst fertigt sogar Röcke aus Fellen für die aus dem Paradies Vertriebenen an (3,21).

• Eva erhält den Namen „Mutter aller Lebendigen“ (3,20).

(2) Entfernung aus dem Garten Eden als Ort unmittelbarer Gottesnähe (3,23f):

• Der Frau bringt die an sich gesegnete Mutterschaft Kummer und Schmerz.

• Sie leidet unter der Unterwerfung unter den Mann, die der Schöpfer nicht gewollt hat (3,16).

• Der Mann erleidet Mühsal im Bereich seiner Arbeit.

• Der Ackerboden ist verflucht (3,17-19).

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1.2.2 Die Priesterschrift 1.2.2.1 Eine Vorbemerkung zu Abfassung und Struktur

• Die jüngere Fassung der Schöpfungserzählung (Gen 1,1-2,4a) wurde in Priesterkreisen während des Exils in Babylon unter Rückgriff auf mythische Motive (aus dem ägyptischen Ptah-Mythos) verfaßt.

• Differenzen zwischen der Schöpfungserzählung der Priesterschrift und dem ägyptischen Ptah-Mythos:

a) Der Ptah-Mythos überschreitet die Schwelle zur Transzendenz eines Schöpfers nicht.

b) Das Erst-Werk Ptahs ist die Götterwelt.

• Unterschiede zwischen den Schöpfungserzählungen der Genesis:

1. Der jeweils vorausgesetzte Urzustand ist verschieden:

Gen 2: trockene Wüste - Gen 1: Wasserchaos.

2. Die Reihenfolge des Schöpfungswerkes ist unterschiedlich: Gen 1: Licht, Himmelsgewölbe inmitten der Wasser, Land und Meer, Grün auf der Erde, Lichter am Himmel, Wassertiere und Vögel, Landtiere, die Menschen. Gen 2: Erde und Himmel, Mensch (Mann), Pflanzen, Tiere, die Frau.

3. Während Gen 2 stärker mit mythischen Bildern arbeitet (Gottesgarten, Baum des Lebens) und Gott als Handwerker schildert (Töpfer, Gärtner, Chirurg und Schneider), entfaltet Gen 1 ein wesentlich höheres Abstraktionsniveau.

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1.2.2.2 Gottes bara-Tat

• Gen 1,1 ist eine programmatische Überschrift, die alles Folgende vorgängig zusammenfaßt:

Alles Außergöttliche hat einen Anfang.

Die Erschaffung des Kosmos ist der Anfang aller Ge-schichte.

• Das Erschaffen erfolgt durch ein wirkmächtiges Sprechen (Gen 1,3; vgl. Ps 33,6.9; 147,15-18; 19,2-5).

• Der von Gott ins Leben gerufene Kosmos ist ganz und gar entgöttert, da er in allem göttliche Setzung ist (Gen 1,14-19).

• Die Schöpfung besitzt eine eigene Würde (Gen 1,11.24; vgl. 1,22.28).

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1.2.2.3 Die Erschaffung des Menschen in seiner Gottebenbildlichkeit

• Norbert Lohfink: Der Mensch ist kein statisches, sondern ein dynamisches Abbild Gottes.

Zum einen soll der Mensch so werden, wie er ursprünglich nach Gottes Konzept, von Gott gedacht war; zum anderen soll der Mensch in seinem konkreten Handeln und Weltauftrag der Weise göttlichen Handelns entsprechen.

• Alfons Deissler: Die Ebenbildlichkeit ist unmittelbar mit der Herrscherlichkeit verbunden (Gen 1,26.28) „Vizekönig“

Die Abbildlichkeit bezieht sich auf beide Geschlechter und verwirklicht sich innerweltlich als Beziehung von Mann und Frau.

⇒ Debora war „Richterin in Israel“ (Ri 4,4) und „Mutter in Israel“ (Ri 5,7). ⇒ Mirjam ist nach Micha 6,4 Heilsgabe an Israel wie Mose und Aaron (vgl. auch Ex 15,20f; Num 12,2). ⇒ Hulda entscheidet nach 2 Kön 22,14ff darüber, ob das Deuteronomium Gottes Heilswort ist oder nicht.

Der Schöpfungsauftrag • Fortpflanzung: Gen 1,28 • „Nehmt die Erde in Besitz“ (N. Lohfink) / „Macht sie euch

untertan“ / „Unterwerft sie euch“ (EÜ) rdh „herrschen“ (Hirtensorge) kbs „niederwerfen, unterwerfen", „friedliches

In-Besitz-Nehmen“ • Herrschaft über die Tiere

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Exegetische Argumente gegen den Vorwurf eines Anthropozentrismus

• Gen 5,1-3 kann man im Sinne eines Anspruchs an den Menschen verstehen:

a) der Mensch hat wie ein König die Schöpfungsordnung zu sichern;

b) wie ein Götterbild hat der Mensch Offenbarungsmedium für Gott in dieser Welt zu sein;

c) wie ein Sohn hat er liebevoll zu verwalten und gestalten.

• Ps 8, der die Herrlichkeit des Schöpfers und die Würde des Menschen beschreibt, ist alles andere als ein rigider Herrschaftsauftrag, son-dern primär Lobpreis auf Gott den Schöpfer (vgl. auch Ps 104).

⇒ innerbiblisches Deutemuster für Gen 1,26-28

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1.2.2.4 Der „siebte Tag“

Vier Leitgedanken:*

1. Leitgedanke: der Sabbat als Hinweis auf die

Vollendung der Schöpfung

2. Leitgedanke: Die Segnung der Schöpfung

3. Leitgedanke: Heiligung der Schöpfung

4. Leitgedanke: Der Sabbat als Fest der Erlösung

[*Vgl. Jürgen Moltmann, Gott in der Schöpfung. Ökologische Schöpfungslehre, München 21985, 279-298.]

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1.2.3 Exegetisch-systematisches Resümee

Die Begrenzung der Schöpfung als anfängliche Ermöglichung kreatürlichen Lebens

a) Die Schöpfung hat ein ihr eigenes Maß.

b) Das rechte Maß wird im Alten Testament auch mit den Begriffen Gerechtigkeit (Hos 4,2f) und Frieden (Jes 11,6-9; 65,25; auch Hos 2,21f) umschrieben.

c) Die maßvollen Proportionen und Relationen der Schöpfung offenbaren eine sinnenfällige Schönheit der Natur.

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1.3.1.1 Das Lob des Schöpfers

• Sir 43,1f.32f:

„Die Schönheit der Höhe, das klare Firmament und der gewaltige Himmel sind ein herrlicher Anblick. Die Sonne geht auf und erglänzt in vollem Licht, ein stau-nenswertes Gestirn, das Werk des Höchsten. ... Die Menge des Verborgenen ist größer als das Genannte, nur wenige von seinen Werken habe ich gesehen. Alles hat der Herr gemacht, und den Frommen hat er Weisheit verliehen“.

• Ps 95,1.4-7:

„Kommt, laßt uns jubeln vor dem Herrn und zujauchzen dem Fels unseres Heiles! ... In seiner Hand sind die Tiefen der Erde, sein sind die Gipfel der Berge. Sein ist das Meer, das er gemacht hat, das trockene Land, das seine Hände gebildet. Kommt, laßt uns niederfallen, uns vor ihm verneigen, laßt uns niederknien vor dem Herrn, dem Schöpfer. Denn er ist unser Gott, wir sind das Volk seiner Weide, die Herde, von seiner Hand geführt. Ach würdet ihr doch auf seine Stimme hören! Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa ...“.

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Theologisch können wir vier bedeutsame Aussagen festhalten:

Psalm 104

1. Alle Bereiche der Welt sind im Licht des Glaubens

transparent auf den Schöpfer hin.

2. Das göttliche Walten ist kontinuierlich, ist beständiges

Schöpfertum, creatio continua.

3. Alles Erschaffen ist Tun des Bundesgottes, so daß alle

Schöpfungsgaben Vorgaben einer eschatologischen

Zukunft sind. Der Vers 35 ist der negative Ausdruck

dieser neuen Welt.

4. Der Mensch ist nicht nur wie das Tier ein Lebewesen in

der Welt, sondern vorab ein an der Welt Wirkender

(Vers 23). Er ist zum kulturellen Tun ebenso berufen

wie zum Lob Gottes.

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1.3.1.2 Die mitschöpferische Weisheit Gottes

Systematische Folgerungen aus der Weisheitsspekulation Spr 8,22-26

• Die Weisheit ist eine von Gott der Welt eingestiftete Ordnung, die aus der immanenten Qualität der Schöpfung heraus zum Menschen spricht: Der Mensch befindet sich in einem Wechselverhältnis mit der Schöpfung insgesamt (Beziehungsverhältnisse statt Trennung von Subjekt und Objekt).

• Sofern der Mensch ein Moment im umfassenden Welt-

ganzen ist und sich selbst so versteht, muß er sich auf die Spielregeln dieser Schöpfung einlassen.

• Sofern man die Gesamtstruktur des Kosmos als

Spielstruktur deutet, ergibt sich ein zweifaches:

a) Im Weltspiel hat die Möglichkeit den Vorrang vor der Wirklichkeit.

b) Im Spiel der Schöpfung kommt etwas zur Darstellung. Die Welt in ihren spielerischen Beziehungsebenen ist transzendent auf Gott den Schöpfer hin, sie ist Darstellungsraum Gottes (Christian Link).

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1.4 Die befreite Schöpfung

Schöpfung und Erlösung bei Tritojesaja

1. Sozialkritischer Akzent: Trotz der Heimkehr aus dem Exil

fehlt vielen Juden ein schöpfergerechtes und mitgeschöpfliches

Verhalten gegenüber sozial Benachteiligten (66,2). Deshalb

wird die Mahnung zu sozialem Engagement laut, das Gott

mehr ehrt als jeder neuaufgebaute Tempel (66,1-4).

2. Kosmologischer Akzent: Die verheißene neue Zukunft (65,17f)

wird in sehr naturfreundlichen Bildern ausgemalt:

• „Wolf und Lamm weiden zusammen, der Löwe frißt Stroh

wie das Rind“ (65,25), so daß der Kreislauf von Fressen und

Gefressen-Werden aufgehoben wird.

• Für die Menschen gilt: „Sie arbeiten nicht mehr vergebens,

sie bringen nicht Kinder zur Welt für einen jähen Tod“

(65,23). „Man tut nichts Böses mehr“ (65,25).

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2.1 Jesu Verkündigung in Anknüpfung an jüdische

Schöpfungstheologie

a) Jesus besitzt eine große Aufmerksamkeit für die

Schöpfungswerke Gottes (Gleichnisse: z.B. Mt 13; Mt

4,18-22; Mt 20,1-16; Mt 18,12-14; Mt 13,33).

b) Jesus weiß um Gottes Fürsorge für seine Schöpfung

(Mt 6,8).

c) Gott, der Schöpfer, ist der liebende Vatergott aller

Menschen (Mt 6,25-34; Mt 5,45; Mt 5,43-47).

d) Jesus ist um die Restitution der guten Schöpfungs-

ordnung bemüht (Mt 12,18; Mk 12,18-27; Mk 10,2-12;

Mt 19,3-9).

Fazit: Jesu Botschaft enthält deutlich universalistische

Züge, die er im Rückgriff auf jüdische Traditionen

schöpfungstheologisch begründen kann.

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2.2 Christologische Schöpfungslehre bei Paulus

1. Die Schöpfung im Spannungsfeld von Sünde und Gnade

2. Die Hoffnung der seufzenden Schöpfung

Zwei Grundaussagen von Röm 8:

a) Die Natur ist keineswegs bloßes Objekt menschlicher Selbstverwirklichung, sondern die ktísis ist ein umfassender Geschehenszusammenhang, in den der Mensch eingeordnet ist - negativ wie positiv.

b) Die Hoffnung, daß der Natur als Schöpfung Gottes eine Befreiung von aller Endlichkeit und Verknechtung verheißen ist, kann nicht vom Menschen eingeholt werden, sondern setzt ganz und gar auf das Tun Gottes.

3. Christus - Herr über die Schöpfung

Wenn der erhöhte Christus Sünde und Tod überwunden hat, dann hat dies Konsequenzen für

a) die Schöpfung als solche, die zu einer neuen Schöpfung geworden ist;

b) den Zusammenhang von Schöpfung und Christus als Schöpfungsmittler: vgl. Kol 1,15-19.

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2.3 Schöpferliebe zu einer zweideutigen Welt nach

Johannes

a) Zur Anerkenntnis dieser Welt in ihrer materiellen

Struktur

• Joh 1,14 • Joh 3,18 • 1 Joh 3,14f • Joh 3,3-8

b) Johannes’ kritische Distanz zu dieser Welt

• Joh 12,31; 14,30 • Joh 8,23 • 1 Joh 2,15 • Joh 3,16 • Joh 1,10f

c) Zur Fleischwerdung des Logos als Grund für die Errettung des Geschöpfes

• Joh 1,1.14 • Joh 1,3

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2.4 Fazit

Die Einbindung der Christologie in die jüdisch- alttestamentliche Schöpfungstheologie verfolgt im wesentlichen drei Interessen:

• Die paulinische Verkündigung möchte aufgrund des Kreuzes- und Ostergeschehens als Rechtfertigungs- und Erlösungsereignis die Neuschöpfung des Menschen in Christus hervorheben (Taufe), damit die Gläubigen als Glaubensgemeinschaft in der Hoffnung auf die zukünftige Vollendung schon jetzt in dieser Welt in Christus leben.

• Die Inanspruchnahme der Hoheitstitel „Erstgeborener der Schöpfung“ und „Schöpfungsmittler“, die in der jüdischen Theologie auf die Weisheit und das Wort Gottes bezogen waren, für Jesus Christus soll sein göttliches Wesen zum Ausdruck bringen.

• Die Schöpfungs-Christologie ermöglichte es den ersten Christengemeinden, ihr Bekenntnis zu Jesus als Erlöser der gesamten Menschheit im jüdischen und hellenistischen Kontext verständlich zu machen.

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III. Systematische Aspekte der Schöpfungstheologie

1.1 Creatio ex nihilo

„Wir schreiben die Schöpfung der Weltmaterie, der Kraft und dem Willen des allerhöchsten Gottes zu. ... Menschen vermögen nicht, aus nichts etwas zu machen, sondern sie bedürfen der Materie als Unterlage. Gott aber ist darin den Menschen zuerst überlegen, daß er die Materie seiner Schöpfung, die vorher nicht war, selbst erfand.“ (Irenäus, Adv. haer. II,10,4.)

Fazit:

Die Rede von der creatio ex nihilo gilt weniger dem Interesse am Geschöpf, sondern allein dem Schöpfer in seiner alleinigen, umfassenden und absoluten Wirkmacht. Nicht die Frage, woraus Gott den Kosmos schuf, ist hier entscheidend, sondern wer geschaffen hat und wie er die Schöpfung gewirkt hat.

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1.2 Schöpfung als fortwährender Prozeß: creatio continua

a) Die Schöpfung am Anfang „creatio originalis bzw. prima“ ist ein voraussetzungsloses Geschehen; sie gründet im freien Liebesentschluß Gottes und enthält viele Möglichkeiten und Potentialitäten, um sich zu entfalten. Ziel dieser sich entfaltenden Schöpfung ist das vollendete Reich Gottes, in dem die Schöpfung ihre vollendende Erfüllung findet. Dieser Erfüllungs-zustand wird „creatio nova“ genannt.

b) Von der creatio originalis zu unterscheiden ist die fortgesetzte Schöpfung: die creatio continua. Damit ist das kontinuierliche Erhalten der einmal ge-schaffenen Schöpfung gemeint. Es ist dies einerseits ein Bewahren der creatio originalis, aber andererseits ein Vorbereiten und Öffnen für die creatio nova. Ge-meint ist ein geschichtliches Schaffen Gottes, das die geschaffene Welt nicht dadurch abwertet, daß Gott immer wieder von außen eingreift, um sie zu erhalten. Vielmehr kann man sich Gottes geschicht-liches Schaffen so vorstellen, daß im Spannungsfeld von gegebenen Gesetzmäßigkeiten oder Anlagen plötzlich Neuerungen auftreten, die dem ganzen Geschehen eine neue Tendenz, neue Entwicklungs-möglichkeiten eröffnen.

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1.3 Die Rede von der sog. „Erbsünde“

Röm 5,12:

Altlateinische Übersetzung:

„die Sünde kam in die Welt durch einen einzigen Menschen ...,

in dem alle sündigten“.

Korrekt:

„die Sünde kam in die Welt durch einen einzigen Menschen ...,

weil alle sündigten". [Vgl. Ulrich WILCKENS, Der Brief an die Römer (EKK VI/1) 306.316.]

Griechischer Text:

Dia. tou/to w[sper diV e`no.j avnqrw,pou h` a`marti,a eivj to.n ko,smon eivsh/lqen kai. dia. th/j a`marti,aj o` qa,natoj( kai. ou[twj eivj pa,ntaj avnqrw,pouj o` qa,natoj dih/lqen( evfV w-| pa,ntej h[marton\

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1.4 Die Transparenz der Natur für das Geheimnis

der Schöpfung

Wir können festhalten:

a) Die Natur-Welt vermag in ihrer Geordnetheit,

Schönheit, aber auch in ihren Brüchen

transparent zu werden für ein letztes tragendes

Geheimnis dieser Welt, das wir Gott nennen.

b) Wer oder was dieses Geheimnis jedoch ist,

können Juden und Christen nur aufgrund der

Selbstoffenbarung Gottes in diese Welt hinein

sagen.

⇒ Die Natur ist transparent für die Schöpfung

Gottes und sein Heilshandeln in der Welt. Sie

kann zum Symbol werden für Gottes Nähe.

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1.5.2 Gott als Ziel der Schöpfung

Es gilt nicht:

Zeit

Ewigkeit Ewigkeit

__________________________________

sondern es gilt:

E w i g k e i t

Zeit

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1.5.3 Futurum und adventliches Novum

Es sind zu unterscheiden

a) die Zeit der Welt als Werdeprozeß, wo die

Zukunft als Resultat aus der Vergangenheit her-

vorgeht (= futurum),

und

b) der Adventus Gottes, der als Ermöglichungs-

grund allen Zeiten gegenübersteht.

In dieser Spannungsbreite kann sich der Mensch entscheiden: für eine Natur mit einer futurischen Zukunft oder für eine Schöpfung mit einer adventlichen Zukunft.

Entscheide ich mich für b), dann ist Gott nicht in die Gegebenheiten dieser Welt einzuordnen, sondern er erscheint adventlich als Novum in den Gegebenheiten dieser Welt.

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2.1 Gesetz und Kontingenz

2.1.1 Physikalische Einsichten

„Das Leben ist auf der Erde erschienen; wie

groß war vor dem Ereignis die Wahr-

scheinlichkeit dafür, daß es eintreffen

würde? Aufgrund der gegenwärtigen Struk-

tur der belebten Natur ist die Hypothese

nicht ausgeschlossen - es ist im Gegenteil

wahrscheinlich, daß das entscheidende

Ereignis sich nur ein einziges Mal abgespielt

hat. Das würde bedeuten, daß die

a priori-Wahrscheinlichkeit dieses Ereignis-

ses fast null war.“

[J. Monod, Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie, München 21971, 178.]

2.1.2 Theologische Deutung

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Gesetz und Kontingenz

- Überlegungen Wolfhart Pannenbergs -

• Die Geschichte Israels ist eine Geschichte von

Kontinuität und Kontingenz.

• Dieser Kosmos ist kontingent (Freiheit der göttlichen

Schöpfungstat). Kontingenz ist ein Moment schöpfe-

rischen Handelns, durch das Neues entsteht: Gott

schafft in Liebe Neues und legt den Ermöglichungs-

grund für eigenständiges Leben.

„Die Ordnungen des Naturgeschehens erscheinen in

theologischer Perspektive als kontingente Setzungen

der schöpferischen Freiheit Gottes. Die Einheit von

Kontingenz und Kontinuität im schöpferischen Wirken

Gottes aber ist in theologischer Sicht begründet in der

Treue Gottes.“ [Wolfhart Pannenberg, Schöpfungstheologie und moderne

Naturwissenschaft, in: Gottes Zukunft - Zukunft der Welt, 282.]

2.2 Chaos und Selbstorganisation

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2.2.1 Naturwissenschaftliche Erkenntnisse Einfügung: Manfred Eigen/Ruthild Winkler, Das Spiel, 117

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Einfügung: Manfred Eigen/Ruthild Winkler, Das Spiel, 121.

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2.4 Resümee

Die auch naturwissenschaftlich anerkannte

Offenheit naturaler Prozesse innerhalb der

Dynamik der Selbstorganisation im Spannungs-

feld von Chaos und Notwendigkeit erweist die

Welt resp. die Natur als „gottoffenes System“,

da sie sich immer neu dem status quo gegenüber

transzendiert. Letztlich wird die Welt damit

transparent für ihren Ursprung und ihren

tragenden Grund: Gott den Schöpfer. Aber

zugleich ist die Welt Medium der Anwesenheit

Gottes, der den Menschen nahe sein will und

ihnen sein Heil, seine Lebensgemeinschaft

schenken möchte.

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B. Sakramententheologie

I. Die Krise als Chance

1. Krisenphänomene

• Das Heilige hat in unserer säkularisierten Welt keinen Platz mehr.

• Ein materialistisch-rationalistisches Welt- und Selbstverständnis

bevorzugt eingeschränkte Erkenntnisformen.

• Der feste Ritus sakramentaler Handlungen scheint jede eigene

Kreativität zu verhindern.

Dem stehen andere Erfahrungen gegenüber:

• Die Sehnsucht des Menschen nach Transzendenz

• Die Suche nach Erfahrungsformen ganzheitlichen Lebenssinnes

• Dialog und Kommunikation als Grundlagen geglückten

Zusammenlebens und gemeinsamer Sinnfindung

• Symbole und Gesten (Freundschaftsbänder, rote Rose, Kuß)

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2.2.2 Der Begriff Symbol und die Bedeutung des Wortes

Ursprünglich: Gasterkennungsmarke als verabredetes Zeichen

oder ganz allgemein das Zeichen für einen Leistungsanspruch.

Dazu zerbrach man ein beschriftetes Tonstück, und jeder der

Vertragspartner erhielt einen Teil, womit die Verbundenheit

der beiden Teile und Partner sehr sinnenfällig zum Ausdruck

kam.

Christliche Antike: Symbolon als Name für das christliche

Glaubensbekenntnis.

Kirchenväter:

• Origenes: Die Sakramente werden allgemein „symbola“

genannt (PG 13, 1242 nota 72).

• Serapion (Eucholog. 13,12ff) erkennt eine Geschehens-

ähnlichkeit zwischen dem gebrochenen Brot und dem in den

Tod gegebenen Leib Christi.

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2.2.3 Die kommunikativ-gemeinschaftliche Dimension des

Symbols

Kategorial Transzendenz Anschauliches Subjekt Symbol-Objekt sozial Subjekt Weltganzheit geschichtlich Gefühle, Eindrücke Intellekt/Wort emotionale Bindungen

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3. Christologische Begründung

Ausgehend vom Ursakrament Christus, bestimmt E. Jüngel das Wesen des Sakramentes als

"die Menschlichkeit Gottes, die als solche

die Göttlichkeit Gottes so offenbart und

vermittelt, daß der Glaubende in der

Teilhabe an der Menschlichkeit Gottes

erfährt und erkennt: Gott ist in seiner

Göttlichkeit menschlich".

(E. Jüngel, Das Sakrament - was ist das? Versuch einer Antwort, in: E. Jüngel/K. Rahner, Was ist ein Sakrament? Vorstöße zur Verständigung (KÖS 6), Freiburg u. a. 1971, 55.)

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4. Was ist ein Sakrament?

1. Ein Sakrament ist ein vom trinitarischen Gott

getragenes, dynamisches Wort- und Symbolgeschehen

im Sinne eines dialogischen Begegnungsgeschehens

zwischen Gott und Mensch.

2. Dieses Ereignis gründet im vorgängigen Inkarnations-

geschehen sowie in der Lebenshingabe Jesu bis zu

seinem Tod als Liebeszuspruch des sich mitteilenden

Gottes.

3. All dies entfaltet sich kraft des Heiligen Geistes und

durch das Wirken der dazu ermächtigten Kirche in die

Zeit hinein, um in konkreten Lebenssituationen den

Menschen Gottes Gegenwart auf leibhaft-symbolische

Weise erfahrbar zu machen.

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II. Jesus Christus - Ursymbol des Sakramentalen

2. Jesus Christus: "Mysterium" und "Ursakrament"

Vier wichtige Momente des biblischen Mysterion-Begriffs:

• Das Christusmysterium besitzt Offenbarungsfunktion;

das sich Zeigende ist ästhetisch, es hat ein

Dahinterliegendes, das sich zeigt.

• Es umgreift soteriologisch die Dimension des Handelns,

da es aus Jesu Leben und Tod entspringt und in Gottes

Offenbarungshandeln gründet (vgl. Eph 1,9ff).

• Es bezeichnet ein Geschehen in einer geschichtlichen

Situation, da Gott sich in der Zeit offenbart.

• Initiator dieses Heilshandelns ist der Vater Jesu Christi

(Eph 1,3), so daß das Christus-Mysterium ohne steten

Transzendenzbezug nicht denkbar ist.

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2.1 Gleichnisse: Tat-Worte des Gottesreiches

Verkündigungsgehalt

Person Jesu

Christ heute

Hl. Geist

“Im Gleichnis spitzt sich die Sprache so zu, daß das, wovon die Rede ist, in der Sprache selber konkret wird und eben dadurch die Angesprochenen in ihrer eigenen Existenz neu bestimmt. Im Gleichnis ereignet sich etwas, und zwar so, daß sich dann auch durch das Gleichnis etwas ereignet.“

[Eberhard Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 31977, 400.]

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2.2 Die Zeichen- oder Symbolhandlungen Jesu

Zeichenhafte Handlungen Jesu sind u. a.:

• Die Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern, in

der sich Gottes eschatologisches Heilsangebot an

alle Menschen realisiert.

• Die Berufung der Zwölf als Wiederherstellung der

12 Stämme Israels (vgl. Lk 12,28).

• Die Heilungen: Jesus berührt den Aussätzigen

(Mk 1,41), legt einem Taubstummen die Finger in

die Ohren und berührt die Zunge mit Speichel

(Mk 7,33), er legt der gekrümmten Frau die Hände

auf den Rücken (Lk 13,13).

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3. Fazit

Gottes Selbstoffenbarung ereignet sich sakramental-kommunikativ. Materielle und worthafte Momente in jeweiliger gegenseitiger Verwiesenheit als Weisen der Selbstbezeugung Gottes betreffen den Menschen in seiner Aufnahme-, Verstehens- und Entscheidungsfähigkeit, so daß es zum dialogisch-kommunikativen Geschehen zwischen Gott und Mensch kommt.

In Jesus Christus vollendet sich dieses Ereignis auf verschiedene Weise:

1.Indem der Logos Fleisch wird, ist menschliches Leben und der menschliche Leib unmittelbar von Gottes Offenbarung und Selbstmitteilung zum Symbol erhoben und gleichzeitig zum Dialog befähigt. Denn Jesus ist der Glaubende und Gott Antwortende par excellence.

2.In der Menschwerdung Jesu Christi ergeht der Anspruch Gottes sowie sein Heilsangebot durch menschliches Wort und kreatürliches Handeln auf allermenschlichste Weise an den Menschen - ohne damit der göttlichen Transzendenzdimension verlustig zu gehen (Chalkedon). Wort und Symbol sind die Medien schlechthin, in denen die Gott-Mensch-Begegnung sich vollzieht - zur Glückseligkeit (Heil) und Vollendung menschlichen Daseins.

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III. Die Kirche in ihrer sakramentalen Struktur

1.2 Die sakramentale Struktur der Kirche

• Mt 5,14: "Ihr seid das Licht der Welt" (vgl. V.16).

• Joh 17,21: "Alle sollen eins sein ..., damit die Welt

glaubt ...".

• Der paulinische Gedanke des Leibes meint den

Kreuzes- und Auferstehungsleib Christi als Ort des

Handelns Gottes (Röm 7,4; Phil 3,21!), an dem der

Christ durch die Taufe Anteil gewinnt und in den

er eingegliedert wird (vgl. Röm 12,5).

• Im Epheser- und Kolosserbrief wird eine weitgehende

Gleichsetzung von Leib Christi und (Gesamt-)Kirche

vorgenommen, so daß die Kirche als Leib Christi "die

Erscheinungsform und Repräsentation des Hauptes in

dieser Welt <ist>" (Heinrich Schlier, Epheserbrief 34).

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2. Die Rede von der Kirche als „Sakrament“

2.2 Die Aussagen des II. Vatikanischen Konzils

Die Kirche ist keine in sich ruhende Größe, sondern

ihre analoge Sakramentalität, ausgespannt zwischen

sozialer Struktur und göttlichem Heilsangebot,

verweist auf ihre polar-kommunikative Struktur

ministerialer Art zwischen Gott und Mensch. Nicht

die Kirche selbst ist das Heil, wohl aber besitzt sie

Dienstfunktion bei der Vermittlung des Heils.

Sofern nun LG 48 von einem "allumfassenden

Heilssakrament" spricht oder LG 59 die Kirche als

"Sakrament des menschlichen Heiles" bezeichnet,

ist Kirche hier weniger von ihrem Wesen her,

sondern vielmehr in ihrem kommunikativ-

vermittelnden Engagement Sakrament des Heiles.

Sie ist Zeichen und Werkzeug (vgl. LG 1.8.9) für das

Heil, für die Einheit mit Gott.

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IV. Geschichtliche Aspekte

1. Tertullian

1.1 Der Terminus „sacramentum“

• Bereits vor Tertullian, aber gerade auch bei ihm nachprüfbar, wird in Bibelübersetzungen oder in biblisch orientierten Texten mysterion mit sacramentum übersetzt.

• Tertullian selbst bezeichnet mit sacramentum die alttestamentliche, verhüllte Vorbereitung des in Christus geschenkten Heiles (adv. Marc. II,27).

• Mit sacramentum kann bezeichnet werden:

♦ Eine Person oder ein Gegenstand, die als Symbol und Zeichen auf das Heil verweisen,

♦ das Heil in Christus bzw. der Inhalt des christlichen Glaubens.

• Tertullian übernimmt den Begriff sacramentum aus der Militärsprache:

⇒Fahneneid, die Verpflichtung zum Dienst. Dieser Akt wurde öffentlich von einer Autorität entgegengenommen und war (möglicherweise) mit einer Kennzeichnung, Signierung verbunden (character).

• Tertullian überträgt diese soldatische Übereignung auf das Taufversprechen des Täuflings, um die Indienstnahme des Täuf-lings durch Christus zum Ausdruck zu bringen.

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Taufhandlung

Nach einer Vorbereitungszeit, die wohl bereits

einem festen Ritual entsprach, begann der Taufakt

mit der Epiklese über das Taufwasser. Daran hat

sich die Abrenuntiation angeschlossen. Es folgt das

dreimalige Untertauchen im Namen des dreifaltigen

Gottes - verbunden mit einem gesprochenen

Bekenntnis des Täuflings auf die Fragen des

Täufers. Anschließend wurde eine Ölsalbung und

Handauflegung unter Gebet vorgenommen.

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Folie 50

In der Schrift über die Taufe (De baptismo 13)

spricht Tertullian von sacramentum fidei:

„ ... sobald der Glaube an Umfang

gewonnen hatte durch den Glauben an

Christi Geburt, sein Leiden und seine

Auferstehung, kam auch eine Erweiterung

durch das Sakrament hinzu, die Besiegelung

durch die Taufe, als äußere Hülle für den

Glauben ...“ (Tert., bapt. 13).

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Folie 51

1.3 Ergebnis

Der ganze Taufakt ist ein sakramen-

tal-dialogisches Interaktionsgeschehen auf

doppelter Ebene, da der Mensch-Mensch-

Dialog über sich hinaus auf den

Gott-Mensch-Dialog verweist bzw. von

dorther zu verstehen ist, weil Gott das Heil

sakramental schenkt. Innerhalb dieses

ganzheitlichen Ereignisses vollzieht sich das

sacramentum.

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2. Augustinus

a) Das philosophische Fundament

Zeichentheorie Augustinus': "Ein Zeichen ist eine Sache, die außer ihrer sinnenfälligen Erscheinung aus sich heraus noch etwas anderes ins Bewußtsein gelangen läßt" (De doctr. christ. III 9,13; PL 34,70). b) Verbum, signum, res • Ein besonderes Zeichen ist für Augustinus das Wort,

das verbum, das als bezeichnendes äußeres Wort (dictio) unterschieden wird von seiner geistigen Bedeutung (dicibile).

• Entscheidend ist nun, daß der signum-Charakter der

Sprache vom Äußeren zum Inneren verweist. Das signum auf der materiellen Ebene läßt den Geist - entsprechend der platonischen Ontologie - zum Bereich der res, der Intelligibilia vorstoßen.

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Folie 53

2.3 Sakramente als signa sacra

Die sacramenta als signa sacra stehen in einem

unlösbaren Spannungsverhältnis zweier Pole:

1. Gottes Wirken in der Geschichte sowie im Menschsein

Jesu - im Sinne christlicher Glaubensüberzeugung;

2. Die absoluten Ideen und der Eine i. S. des Neuplato-

nismus mit einer unüberwindbaren Kluft zwischen

Sinnen- und Ideenwelt.

⇒ Auf der einen Seite bewirken die Sakramente das, was

sie bezeichnen. Denn die Gnade ist objektiv in ihnen

gegeben (signum efficax gratiae) (Ep 98,9); auf der

anderen Seite bestimmt Augustinus die Sakramente gut

neuplatonisch als "Vehikel, die uns ans Ziel bringen

sollen" (C. P. Mayer, Philosophische Voraussetzungen

74).

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Folie 54

3. Entwicklungsstationen im Mittelalter

• Hugo von St. Viktor (+ 1141) forderte drei Wesens-

bestandteile: a) Schöpfungsbegründete Ähnlichkeit der Elemente

mit der Gnade b) Fähigkeit des Bezeichnens aufgrund einer Stiftung

durch Christus c) Wirkmacht, die Gnade zu spenden, da aufgrund

einer Weihe durch einen Sachwalter ein Sakrament die Gnade wie ein Gefäß in sich enthält.

• Petrus Lombardus (+ 1160) geht erstmals von der Siebenzahl aus und stellt Fragen nach Wirkung und Ursache der Gnade. Drei Momente bestimmen seines Erachtens ein Sakrament:

a) Das Sakrament ist Zeichen einer hl. Sache (Augustinus).

b) Das Sakrament ist die sichtbare Form der un-sichtbaren Gnade.

c) Man spricht von einem Sakrament im eigentlichen Sinne, wenn ein Zeichen der Gnade Gottes, eine Form der unsichtbaren Gnade deren Bild trägt und als deren Ursache (causa gratiae!) da ist.

• Zwischen 1148 und 1152 wurde die Siebenzahl in der Pariser

Schule herausgearbeitet.

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3.3 Thomas von Aquin

3.3.2 Die Bestimmung der Sakramente Sakrament ist „Zeichen einer heiligen Sache, insofern diese den Menschen heiligt“ (S. th. 60 a 2). Sacramentum → signum rememorativum (Rück-

bindung an Jesu Leiden) → signum demonstrativum (Aufweis

dessen, was bewirkt wird) → signum prognosticum (eschatolog.

Vorverweis)

Die Struktur des Sakramentes in theol. Bestimmung wird in eine analoge Beziehung zur aristotelischen forma-materia-Entsprechung gebracht:

Wort - sinnenfällige Handlung (= materia) forma - materia

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3.4 Das sog. Armenierdekret des Konzils von

Florenz (1438-1445)

1. Die Siebenzahl der Sakramente wird festgeschrieben, und

zwar in der uns bekannten Reihenfolge (DH 1310).

2. Es heißt im Blick auf die Sakramente des Alten Bundes:

„Diese nämlich bewirkten die Gnade nicht, sondern zeigten

nur an, daß sie durch das Leiden Christi gegeben werden

sollte“ (DH 1310). Daraus ist dann positiv für die Sakramente

des Neuen Bundes zu schließen, daß diese die Gnade

bewirken.

3. Für die Struktur der Sakramente wird festgelegt: Es bedarf

für den Vollzug der Materie, der Worte als Form und der

„Person des Spenders, der das Sakrament erteilt in der Ab-

sicht, zu tun, was die Kirche tut; wenn irgend etwas fehlt,

kommt das Sakrament nicht zustande“ (DH 1312).

4. Die Sakramente werden in ihrer anthropologischen

Einbettung beschrieben (DH 1311).

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V. Systematische Aussagen

1. Die Herkunft der Sakramente von Christus 1.1 Aussagen der Tradition

Augustinus: Einsetzung aller Sakramente durch Christus. Er betont aber darüber hinaus ihren mystischen Ursprung im Gekreuzigten.

Hugo von St. Viktor bindet Taufe und Eucharistie an das Tun Jesu bei gleichzeitiger Einordnung in den gesamten Heilswillen Gottes, so daß Christus seine Vollmacht auch in die Kirche weitergeben kann. Deshalb ist die extrema unctio „ab apostolis institutum“.

Magister Simon deutet die Sakramente in ihrer Siebenzahl nicht von der historischen Einsetzung her, sondern in ihrer Christus- und Kirchenbezogenheit.

Thomas beruft sich diesbezüglich aber nicht nur auf die Hl. Schrift, sondern auch auf die mündliche Überlieferung der Apostel. Bedeutsam ist für ihn vor allem der Ursprung der Sakramente in Kreuz und Auferstehung (vgl. S.th. III 66 a 2).

Das Konzil von Trient legt sich weder auf den historischen Jesus noch auf die nähere Weise der Einsetzung fest.

Die nachtridentinische Theologie behauptet eine unmittelbare Einsetzung aller Sakramente durch Christus.

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1.2 Antwortversuche heutiger Theologie 1.2.1 Aussagen der Exegese

• Die Rückführung der Sakramente auf den historischen Jesus stellt vor erhebliche exe-getische Probleme (vgl. H.-J. Klauck, Ge-meinde, Amt, Sakrament 273).

• Der Taufbefehl in Mt 28,19 wie auch die Bevollmächtigung zur Sündenvergebung in Joh 20,23 sind jeweils nachösterliche Vollmachtsübertragungen.

• H.-J. Klauck: „Erst das Osterereignis ermöglicht es, Zeichenhandlungen in Sakra-mente zu transformieren“ (ebd. 284).

• Sogar die Aufforderung zur wiederholenden Gedächtnisfeier (Verse 24 und 25) in 1 Kor 11,23ff als ältestem Text ist nicht eindeutig als ipsissima verba Jesu nachweisbar.

⇒ Somit gehört zur inneren Voraussetzung für das Entstehen der Sakramente das Oster-ereignis.

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1.2.2 Aussagen der systematischen Theologie

Johann Auer rekurriert sehr stark auf den historischen Jesus als Stifter aller Sakramente.

Karl Rahner geht ebenfalls von der Stiftung der Kirche aus. Grundlage für sein Verständnis ist die Vorstellung von einer „dreistufigen Sakramentalität“ mit Christus als „sakramen-talem Urwort endgültiger Gnade“ (Rahner, Kirche und Sakramente 17), der Kirche als Ursakrament und den Sakramenten „als wesentlichen Grundvollzügen der Kirche selbst“ (ebd. 21). Er folgert dann: „Die Einsetzung eines Sakramentes kann (was natürlich nicht heißt: muß immer) auch einfach dadurch erfolgen, daß Christus die Kirche gestiftet hat mit ihrem Charakter als Ursakrament“ (ebd. 38). Die Notwendigkeit eines historischen Stiftungsworts entfällt damit.

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2. Die Siebenzahl der Sakramente

Die Sieben Sakramente haben ihre Mitte in der Eucharistie

Taufe Ehe

Firmung Eucharistie Buße

Ordo Krankensalbung

Als sacramenta maiora werden jene beiden

Sakramente, Taufe und Eucharistie, bezeichnet,

die das Heilsgeheimnis im Sterben und

Auferstehen Jesu Christi im umfassenden Sinne

zum Ausdruck bringen.

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3. Die Wirkweise der Sakramente 3.1 Die Gnade

„Die Wirkung der Sakramente besteht:

• in der Mitteilung der Rechtfertigungsgnade (gratia creata) als Befähigung zur Annahme der Selbstmitteilung Gottes (gratia increata);

• in der Einprägung des sakramentalen Charakters im Getauf-ten, Gefirmten und Geweihten" (G. L. Müller, Kath. Dogma-tik, 636).

Paulus: Gnade meint das Heil in Christus im ganzen (2 Kor 6,1). Durch die Taufe wird der Mensch in eine dynamische Lebensbegegnung mit Jesus hineingenommen (1 Kor 13-16; Röm 6,3-11). Das Herrenmahl vereinigt zu einem einzigen Leib (1 Kor 10,17; 12,13). Konzil von Trient: Einengung auf die Rechtfertigungsgnade, aber auch Herausstellung verschiedener Wirkweisen sowie Hinweise auf lebensgeschichtliche Beziehungen.

3.2 Der Charakter oder das Merkmal - im AT: Beschneidung; - im profanen Griechisch: Prägemal, Prägewerkzeug; - lat. Zeit: Merkmal eines Menschen, Kennmal eines Soldaten; - Augustinus: sakramentale Nutzung, innere und äußere Zueigennahme durch Christus;

- Mittelalter: Konzil von Florenz (DH 1313) und Tridentinum (DH 1609; can. 9).

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4.1 Sakrament und Symbol

1. Symbole vergegenwärtigen Gottes in Jesus Christus inkarniertes Heilswirken, indem sie sich auf Jesu konkretes Liebeshandeln beziehen oder, genauer gesagt, von dorther entspringen.

2. Die Dynamik des Symbols hat eine transitorische, transzendente Dimension. Diese schöpfungsmäßige Ausrichtung in ihrer medialen Ausdruckskraft wird nun (in ihrem Eigenwert) durch Gottes pneumatisches Handeln eingeholt und zur Fähigkeit ermächtigt, die göttliche Agape auszudrücken.

3. Die von Gottes Wirken her neu qualifizierte Dynamik des sakramentalen Symbols erfordert aber vom Menschen eine Decodierung und Interpretation. Dazu muß sich der Mensch auf ein Doppeltes einlassen:

a) auf das Symbol mit seinen verschiedenen Kommuni-kationsebenen,

b) auf das Wirken Gottes in seiner historisch-geschichtlichen Abfolge sowie als aktuelles Tun.

4. Sakramentale Symbole sind immer in eine Sozialstruktur eingebunden: Gottes Heilsgeschichte - die Gemeinschaft der Kirche - die Glaubenstradition.

5. Das Sakrament vollzieht sich in der gesamten Liturgie der sakramentalen Feier.

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4.3 Sakramente als verbal-symbolische Handlungen

Das Wort spricht einem Symbol einen eindeutigen Inhalt zu, und in der sprachlichen Aktualisierung der Heilsgeschichte wird dieser Inhalt performativ gesetzt.

Umgekehrt drängt das bezeichnende Symbol in das bezeichnende Wort, um von daher seine heilsgeschichtliche Tiefe in der Aneignung durch den Menschen erreichen zu können.

Wort und Symbol bilden im Sakrament eine perichoretische Einheit.

Das Sakrament in seiner perichoretischen Wort- und Symbol-Struktur ist immer eine ganzheitliche, communiale, verbal-symbolische Kommunikationshandlung, innerhalb derer sich Gemeinschaft vollzieht - von Gott her mit Gott und den Menschen. Es ist dies personale, sa-kramentale Interaktion auf der medialen Basis von Wort und Symbol.

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Sakramente als verbal-symbolische Kommunikations-handlungen

Symbol-Kommunikation: Wort-Kommunikation:

1. Ebene Symbol. Feierhandlung = Das gesprochene, litur- Symbolisierendes gische Wort als äußeres, hörbaresWort

2. Ebene Wirkung des Sakramentes = Das innere Ange- Symbolisierendes-Symboli- sprochensein als siertes = Begegnung in dieser personale Glaubens- Zeit bzw. Gotteserfahrung

3. Ebene

Eschatologisches Eingeborgensein in den Leib Christi im Hl. Geist

als Gottesgemeinschaft = Symbolisiertes

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5. Die Teilnehmer der sakramentalen Feier: „Spender und Empfänger“

• NT: Jesus fordert von seinen Hörern Umkehr und Glauben (Mk 1,15), Nachfolge (Mk 10,21) und angemessenes Verhalten (Mt 5,1 ff).

• Urgemeinden: Glaube ist Voraussetzung für die

Taufe. • Gegenüber einem Verständnis des Empfängers als

passivem Objekt ist in Ausrichtung an biblisch-frühchristlichen Vorgaben der Empfänger als Objekt des göttlichen Heilshandelns immer zugleich als Subjekt zu verstehen, das im gott-menschlichen Dialog Ver-Antwortung ausübt.

• Spender und Empfänger beziehen sich gemeinsam

auf die angebotene Gottesnähe. Beide erbitten als von Gott Angesprochene im Gebet Gottes Liebe.

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VI. Einzelsakramente: Taufe und Eucharistie 1.2 Vorbilder der christlichen Taufe im heidnischen Bereich sowie im Judentum

Kulturkreis Ritus Bezug zur christlichen Taufe

Religions-Geschichte Initiation = ritueller Eintritt in neue Lebensphase

Judentum Wasserriten, Reinigungsriten: Gen 35,2; Lev 15,26-29; Num 19,11-13; Beschneidung: Ex 4,24ff.

Antike allgemein

Waschungen zur Her-stellung kultischer Reinheit

Im Gegensatz zur Taufe wiederholbar

Qumrangemeinde rituelle Reinigungs-bäder ohne Sündenvergebung; Wasserinitiation mit Umkehr

Diasporajudentum Proselytentaufe vermutl. v. 50 n. Chr. eigenständiger Ritus

Im Gegensatz zur Taufe - Selbstreinigungsritus

Judentum zur Zeit Jesu

Johannestaufe: eschatologischer Aufruf; Vergebung der Sünden;

Taufe Jesu durch Johannes

Einmaligkeit

Mk 1,9f Tauftätigkeit Jesu? nachösterlich: Mt 28,19 Mk 16,16 Wasserritus: Apg 8,38 Täufer: Apg 10,48 Umkehr: Apg 2,38 Einmalig: Apg 2,41 Parusieerwartung

Christentum Taufe auf Jesu Namen; Hinweis auf Hl. Geist; Übereignung an das Heil, nicht an das Gericht.

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1.4 Die Taufe Jesu durch Johannes

• Alle vier Evangelisten bezeugen die Taufe Jesu durch

Johannes (Mt 9,14 par, Lk 11,1; Joh 3,22-25; 4,1-3).

• Theologischer Gehalt:

1. Auch Jesus besitzt wie Johannes einen eschatologischen

Erwartungshorizont.

2. Jesus selbst stellt sich auf die Seite der

rettungsbedürftigen umkehrwilligen Menschen

(Mt 3,15).

Innerhalb dieses Gesamtrahmens verweist die aus theo-

logischen Gründen beschriebene Herabsendung des Hl.

Geistes (Mk 1,10; Mt 3,16) auf die göttliche Sendung Jesu

durch den Vater - und zwar innerhalb des vorgegebenen

Gesamtrahmens der erwähnten Punkte 1 und 2.

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1.5 Hat Jesus selbst getauft?

• Jesus hat zu Lebzeiten des Johannes, umgeben von einem Jüngerkreis, als Täufer gewirkt oder - falls man Joh 4,2 Glauben schenkt - durch seine Jünger die Taufe vollziehen lassen.

• Jesus hatte in dieser Zeit als Täufer größeren Zulauf als Johannes.

Jesus hielt sich längere Zeit bei Johannes in Peräa auf; er ließ sich also nicht nur von ihm taufen, sondern er war ein Tauf-jünger.

• Das spätere Nebeneinander der beiden Taufgruppen wurde zum Problem. ⇒ Jesus gab seine Tauftätigkeit auf, als er hörte, daß sein den Täufer ausstechender Erfolg den Pharisäern zu Ohren ge-kommen war. Das läßt einen Konflikt zwischen Johannes und den Pharisäern vermuten; Jesus dürfte die Absicht gehegt haben, eine Bloßstellung des Täufers vor seinen Gegnern zu vermeiden.

Fazit:

Jesu Jordantaufe durch Johannes (vgl. Mk 1,9ff; Mt 3,13ff; Lk 3,12ff), die er später mit seinem Tod in Beziehung setzt (vgl. Lk 12,49f; vgl. auch Mk 10,38f), um auf diese Weise sein Selbstverständnis zum Ausdruck zu bringen, ist der gesicherte Anknüpfungspunkt für die christliche Taufe und auch Grundlage für den Zusammenhang von Taufe und Geistempfang.

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1.6 Urchristliche Taufpraxis

Grundzüge neutestamentlichen Taufverständnisses

Die Taufe ist Wichtige Belegtexte:

christliche Praxis von Anfang an Apg 2,38; 2,41; 8,12

die große Lebenswende durch Über-

eignung an Christus Mt 28,18f; Apg 2,38;

Röm 10,9

wirksam aus der Verbindung mit

Christus und seinem Geschick Röm 6,2-6

auf Glauben angewiesen Apg 2,38; Mk 16,16;

Röm 10,9

kirchenbegründend Apg 2,41f; Eph 5,25f

[G. Koch, Sakramentenlehre, in: W. Beinert, Glaubenszugänge III, 388.]

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1.7.1 Die Tauftheologie des Paulus

Nach Röm 6,1-11 ist Taufe:

• Eingliederung, Aufnahme und Einbeziehung in

den Tod Jesu (V. 3-6).

• Anteil an der Auferstehung Christi (V. 4), weshalb

wir ein rechtmäßiges Leben gemäß unserer neuen

Situation leben sollen (V. 7-8).

• Entrissen-Werden aus dem Herrschaftsbereich der

Sünde (V. 6f; 10ff).

Über den Römerbrief hinaus finden sich weitere paulinische Bilder für das, was in der Taufe geschieht:

- Gal 3,26-29: „Anziehen Christi“ - 1 Kor 6,11: „Abwaschen“ - 1 Kor 6,11; 12,13; Eph 1, 13: Mitteilung des

Heiligen Geistes - 1 Kor 12,13f und Gal 3,26ff: Eingliederung in eine

neue Gemeinschaft in Einheit und Gleichheit

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1.7.2 Die johanneische Sichtweise

• Taufe ist für die Wiedergeburt ursächlich.

• Taufe ist Zeugnis für die in die Geschichte hineinwirkende Erlösungstat Jesu Christi.

Die Wirkmacht der Taufe gründet in

der Gestaltungsmacht des Heiligen

Geistes, der Zeugnis ablegt für den

vom Vater gesandten Sohn.

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1.8 Dogmengeschichtliche Entwicklung

Taufe ist der bewußt vollzogene, personal-kommunikativ ratifizierte Übergang in die geistgetragene Gemeinschaft der Glaubenden, die sich auf das kommende Reich Gottes vorbereiten. (Vgl. Nocke, Taufe, 241.)

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1.9.1 Was bewirkt die Taufe?

• Eine herkömmliche, neuscholastische Tauf-theologie betonte sehr stark den individuellen Charakter der Taufe. Demnach gewährt die Taufe:

a) die Verleihung der Rechtfertigungsgnade mit Tilgung der Erbschuld und Heiligung der Seele;

b) den Nachlaß aller Sündenstrafen; c) die Einprägung des Taufcharakters.

• Demgegenüber wird heute der personale Christusbezug innerhalb einer personalen Glaubensgeschichte sowie die Eingliederung in die Gemeinschaft der christlichen Kirche hervorgehoben.

In der Taufe geschieht Eingliederung in die

Kirche zur Übereignung an Jesus Christus, um

durch ihn im Heiligen Geist zur Gemeinschaft

mit dem Vater zu gelangen.

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1.9.3 Zur Frage nach der Heilsnotwendigkeit der

Taufe

LG 16/1 formuliert:

„Die göttliche Vorsehung verweigert auch denen das zum Heil Notwendige nicht, die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes ge-kommen sind ...“.

GS 22/5 unterstreicht, daß

„Christus für alle Menschen gestorben ist ... und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt“,

so konstatieren die Konzilsväter, wird festgehalten,

„daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“.

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1.9.4 Kurzes Resümee

Theologisch-dogmatische Aussage

über die Taufe Die Taufe ist Aufnahme in die christliche Gemeinschaft der an den dreieinen Gott glaubenden Menschen, die sich für Gottes in Christus geschichtlich gewirktes, im Hl. Geist aktuell gegenwärtiges Heilsangebot geöffnet haben. Als ein solches trinitarisch-kirchliches Beziehungsereignis schenkt die Taufe Gerecht-sprechung (Röm 5,9) und Loskauf (Röm 3,24) aus dem Bereich sündhafter Verstrickung, um in das Lebensgeheimnis Gottes als dreieinige Liebe hineingenommen zu werden. Die Taufe gründet im stets vorgängigen Dialog- und Heilsangebot Gottes, bedarf aber zu ihrer vollen Fruchtbarkeit der Glaubensentscheidung des Menschen, so daß aufgrund des sakramentalen Symbol- und Kommunikationsereignisses wahrhaft personale Begegnung stattfinden kann.

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1.10 Die Kindertaufe 1.10.1 Theologische Anmerkungen

Die Argumente gegen die Kindertaufe lauten: mangelnde Erkenntnis und Entscheidungskraft fehlender Glaube das Verständnis der Taufe als authentische Glaubens-information (K. Barth) unzureichender Glaubenshintergrund in der Familie die Entscheidung des Kindes darf nicht vorweggenommen werden. Gründe für eine weitere Ausübung der Kindertaufpraxis: Die Taufe ist primär ein Begegnungsangebot von seiten des dreieinen Gottes. Glaube als wesentliche Voraussetzung der Taufe ist natürlich ein individueller Akt, aber Glaube als personaler Vollzug ist immer auch eingebettet in Gemein-schaftsvollzüge. Glaube ist nie nur ein punktuelles Geschehen, sondern ein Wachstumsprozeß, der bis zum Lebensende andauert.

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