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1994 ICONOLOGIA SACRA Mythos, Bildkunst und Dichtung in der Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas Festschrift für KARL HAUCK zum 75. Geburtstag herausgegeben von HAGEN KELLER und NIKOLAUS STAUBACH WALTER DE GRUYTER· BERLIN· NEW YORK

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1994

ICONOLOGIA SACRAMythos, Bildkunst und Dichtung in der

Religions- und Sozialgeschichte Alteuropas

Festschrift für

KARL HAUCK

zum 75. Geburtstag

herausgegeben von

HAGEN KELLER und NIKOLAUS STAUBACH

WALTER DE GRUYTER· BERLIN· NEW YORK

KARLSCHMID

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Erweiterter und mit Anmerkungen versehener Vortrag der Reihe ,Herrschaft und Gesellschaft inder Salierzeit' des Historischen Vereins zu Münster vom 2. Juli 1991. - Karl Hauck verdanke ichdabei einen interessanten Diskussionsbeitrag zu den Palastbauten der Federzeichnung des Insi-gnienübergangs.Aristoteles, Politik 1303all-13, vgl, 1272b7-11, 1292b5-10, 1293b30-34, 1302b15-18, dazu JOCHENMARTIN,Dynasteia. Eine begriffs-, verfassungs- und sozialgeschichtliche Skizze, in: HistorischeSemantik und Begriffsgeschichte, hg. v. REINHARTKOSELLECK(Sprache und Geschichte 1) Stutt-gart 1978, S. 228-241.Hg. V. OITO BRUNNER- WERNERCONZE - REINHARTKOSELLECK,Bd. 1, Stuttgart 1972; vgl, HANSKARLSCHULZE,Mediävistik und Begriffsgeschichte, in: Historische Semantik (wie Anm. 1) S. 242-261, S. 244 (Monarchie).Vgl, KARLSCHMID, Zum Haus- und Herrschaftsverständnis der Salier, in: Die Salier und dasReich, 1: Salier, Adel und Reichsverfassung, hg. v. STEFANWEINFURTER,Sigmaringen 1991, S. 21-54, S. 22£. mit Anm. 6f., und schon GERDTELLENBACH,Saeculum-Weltgeschichte 5, 1970, S. 71£f.

Die Salier als KaiserdynastieZugleich ein Beitrag zur Bildausstattung der

Chroniken Frutolfs und Ekkehards'

Inhalt: I Vorbemerkung, S. 461; - ILl Neubeginn oder Fortsetzung der Herrschaft ?, S. 463; - 11.2

Speyer als dynastische Stiftung, S. 469; - 11.3 Von der Eigenart und von der Krise der salischen

Dynastie, S. 478; - III Verheißung und Untergang der caesarea stirps, S. 492.

I Vorbemerkung

Nicht einzelnen Herrschern, sondern einer Gruppe von solchen, einer,Kaiserdynastie', gilt das Interesse. Sie ist dadurch charakterisiert, daß ihre Zu-sammengehörigkeit durch den vielgebrauchten Begriff .Dynastie' zum Ausdruckgebracht wird. Er bezeichnet eine Gruppe von Mächtigen, in der die Herrschaftvom Vater auf den Sohn weitergegeben wird. Mit dem Wort ,Dynasteia' hat Ari-stoteles in seiner ,Politika' die vierte, äußerste Form der Oligarchie, die Herrschaftdes Adels, d.h. einer kleinen Gruppe angesprochen'.Aus diesen Bemerkungen geht schon hervor, daß Dynastien' und ,Monarchien'

ihrem Wesen nach zu unterscheiden sind, auch wenn beide das jeweils anderesein konnten. Umso merkwürdiger erscheint es, wenn im ,Historischen Lexikonzur politisch-sozialen Sprache in Deutschland' unter dem Obertitel ,GeschichtlicheGrundbegriffe' die ,Monarchie' zwar behandelt wird, die .Dynastie' aber fehlt-.Auch im ,Lexikon des Mittelalters' findet sich kein Artikel ,Dynastie', obschon dieVokabeln ,dynastisch' und ,Dynastie' gerade auch bei Mittelalterhistorikern fürüber die Zeit hinweg herrschende Familien, auch .Häuser' genannt, durchaus ge-bräuchlich sind'.Mit dem Begriff ,Salier', dem Bestimmungswort dessen, was mit ,Salierdynastie'

gemeint ist, steht es indessen keineswegs besser. Das wird schon daran Sichtbar,daß der Geschlechtername ,Salier' erst zur Zeit des Erlöschens der salischen Dy-

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nastie mit Heinrich V. im Jahre 1125 nachweisbar isr', Er dürfte mit dem altenWort .sal' in seiner Bedeutung: ,rechtliche Übergabe eines Gutes' im Sinne von,Herrschaft' zusammenhängen, das in den Wortverbindungen ,Salland', ,Salman',,Salhof' oder ,Salbuch', aber auch in der Bezeichnung terra salica enthalten ist.Ammianus Marcellinus weist auf jene ,Salier' genannten Franken (Francos vide-licet I, XVII. 8) eos quos consuetudo Salios appellamt), die im vierten Jahrhundertauftauchen. Nach Wenskus empfanden sich die im salischen Bereich beheimate-ten Franken als die ,eigentlichen' Franken, weil das merowingische Königtum ausihrer Mitte hervorgegangen wars. Daß ,Salicus', ,Salici' im Unterschied zu,Langobardi', ,Langobardus' in der Zeit vor und nach 1100 ganz allgemein,Franken' bzw. fränkisch' meint, ist kaum zweifelhaft, zumal vornehmlich KönigKonrad 11.,Salicus' genannt wird.Wie ungewöhnlich der Name ,Salier' als Bezeichnung einer Herrscherdynastie

tatsächlich ist, wird erst recht klar, wenn man ihn mit den Bezeichnungen derübrigen Herrscherdynastien vergleicht. Zwischen die Merowinger nach Mero-wech, die Karolinger nach Karl und die Ottonen nach Otto, nach Herrschemamenalso, und die nach ihren Herrschaftssitzen genannten Herrscherdynastien, nachder Burg Staufen die Staufer, der Habsburg die Habsburger und der Lützelburgdie Luxemburgers, schiebt sich die Salier-Dynastie, die ihren Namen wohl in An-knüpfung an den fränkischen Stamm der ,Salier' erhalten hat. Ist das Zufall odernicht. vielmehr Ausdruck einer besonderen Vorstellung, die sich mit dieser Herr-scherdynastie verbunden hat, einer besonderen Situation gar, in der sie diesenNamen erhielt?Hagen Keller hat vor kurzem .Das Reich der Salier im Umbruch der frühmittel-

alterlichen Welt" charakterisiert", Und Stefan Weinfurter nannte die Salierzeit nochdirekter eine .Umbruchszeit"s. Wenn also die Salierdynastie als Epoche der mittel-

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Ganz selbstverständlich wird der Begriff ,Dynastie' auf die Salier angewandt, vgl, z.B. EGONBosnor, Die Salier (Urban-Taschenbücher 387) Stuttgart 1987, S. 7ff. ("Anfänge") und S. 267ff.(.Ausgang·); zum Namen .Salier' ebd. S. 8. - Vgl. HARRYBRESSLAU,Der Name Salier, Exkurs X,in: Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Konrad II., 2, 1884, ND 1967, S. 519 mit Verweis aufGEORGWAlTZ, Verfassungsgeschichte 5, S. 176 Anm. 3; zuletzt WEINPURTER(wie Anm. 8) S. 13fT.- Zu der bei ScHMID(wie Anm. 3) S. 50 mit Anm. 43 zitierten Berner Handschrift der ,VaticiniaSibyllae' war mir entgangen der Beitrag von CARLERDMANN,Endkaiserglaube und Kreuzzugs-gedanke im 11. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 51, 1932, S. 384-414, bes. S.397f. und S. 400.Vg!. REINHARDWENSKUS,Stammesbildung und Verfassung. Das Werden der frühmittelalterlichengentes, Köln-Graz 1961, S. 524 u. 531; vg!. zu den BegrifTen ,Salier' und ,salisch' auch HERMANNScHREIBMOLLER,Die Ahnen Kaiser Konrads II. und Bischof Brunos von Würzburg, in: Würzbur-ger Diözesangeschichtsblätter 14/15, 1952, S. 173-233, S. 175fT.KARLScHMID,De regia stirpe Waiblingensium. Bemerkungen zum Selbstverständnis der Staufer,in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 124, NF. 85, 1976, S. 63-73, bes. S. 70fT.HAGENKELLER,Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont. Deutschland im Im-perium der Salier und Staufer 1024 bis 1250 (Propyläen Geschichte Deutschlands 2) Berlin1986, S. 57-206.STI!FANWEINFURTI!R,Herrschaft und Reich der Salier. Grundlinien einer Umbruchszeit, Sigmarin-gen 1991; ODlLO ENGELS,Das Reich der Salier - Entwicklungslinien, in: Die Salier und das Reich3: Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier, hg. v. STI!PANWEIN-PURTER,Sigmaringen 1991, S. 479-541, S. 533 hält den Ausdruck .Wandel· für den besten,.obgleich er höchst unbefriedigend ist", - Zu vielen Fragen hat sich HANSMARTINSCHWARZMAlER,Von Speyer nach Rom. Wegstationen und Lebensspuren der Salier, Sigmaringen 1991, geäußert,auf dessen Buch hier generell verwiesen wird.

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alterliehen Reichsgeschichte gelten kann, was bemerkenswert ist, so darf diese je-doch nicht verabsolutiert werden. Bestand das Saliergeschlecht doch aus mehre-ren einzelnen Herrschern, die als Dynastie zwar eine Einheit darstelltens, alleinaber nicht als Inbegriff der Herrschaft zu betrachten sind. Zum Herrschaftsgefügenämlich gehörten die Großen als Mitträger der Herrschaft wesentlich hinzu. Esmanifestiert sich geradezu im Zueinander von König und Großen. Daher war dieBalance der Herrschaftsträger zur Integration der Herrschaft im Reich erforderlich.Das Reich selbst nahm dabei Gestalt an, indem es im Begriffe war, eine eigeneGröße zu werden". Das ist zu bedenken, will man bei der Betrachtung der Salierals Kaiserdynastie nicht der Gefahr einer Überschätzung oder gar Verabsolutie-rung der Kaiserherrlichkeit unterliegen. Und diese Gefahr ist um so größer, alsgerade die salischen Kaiser berühmte, noch erhaltene Zeugnisse ihrer vom Be-wußtsein des Gottesgnadentums erfüllten, d.h. ihrer auf der Gottunmittelbarkeitgründenden Herrschaftsauffassung hinterlassen haben.

II.I Neubeginn oder Fortsetzung der Herrschaft?

Die Frage Neubeginn oder Fortsetzung der Herrschaft soll hier nicht als Alterna-tive, sondern im Sinn des Mehr oder Weniger verstanden werden. Es ist betontworden, für sich genommen erscheine der Dynastiewechsel von 1024 aus derPerspektive der Königsgewalt in Deutschland und der Kaiserherrschaft im Impe-rium als ein .äußerliches" Ereignis, mit dem keine strukturellen Veränderungenund keine Neugruppierung der politischen Kräfte verbunden waren", In der Tathat der Vergleich Heinrichs 11.und Konrads 11.weitgehende Übereinstimmungenin Programm und Stil der beider Herrscher ergeben. Der Salier Konrad hättekeine bessere Devise als die seines Vorgängers Heinrich: Renouatio regni Fran-corum, ,Erneuerung des Reiches der Franken' wählen können. Insofern kann voneinem nahtlosen Übergang der Herrschaft die Rede sein", Und doch ist die Kluftzwischen Heinrich Il. und Konrad 11.nicht zu übersehen. Mußte Konrads Groß-vater Otto ,von Worms' vom neuen König Heinrich dazu gebracht werden, seineBurg in der Bischofsstadt aufzugeben, so war seines Enkels in Worms verbrachteJugend - der Vater war vor dem Großvater verstorben - alles andere als leicht.Konrad hatte auch auf Grund seiner konradinischen Verwandtschaft keinen An-

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In diesem Zusammenhang stellt sich das Problem der sog. ,korporativen Persönlichkeit', vg!.JOSEPDEF1wNE, Adam et son Lignage, Brügge 1959.Dazu HAGENKELLER,Reichsstruktur und Herrschaftsauffassungen in ottonisch-friihsalischer Zeit,in: Friihmittelalterliche Studien 16, 1982, S. 74-128, bes. S. 121ff. - Vg!. auch REINHARDSCHNEI.DER, Das Königtum als Integrationsfaktor im Reich, in: Ansätze und Diskontinuität deutscherNationsbildung im Mittelalter, hg. v. JOACHIMEHLERS(Nationes 8) Sigmaringen 1989, S. 59-82,der m.E. den dynastischen Gedanken jedoch unterschätzt und daher dem Phänomen der Dyna-stiebildung und -erhaltung (ebd. S. 64£.) nicht ganz gerecht wird.KELLER(wie Anm. 7) S. 52; vg!. neuerdings auch ENGELS(wie Anm.8) S. 533.Vgl. THEODORSCHlEPPER,Heinrich 11.und Konrad 11.Die Umprägung des Geschichtsbildes durchdie Kirchenreform des 11. Jahrhunderts, in: Deutsches Archiv 8, 1951, S. 384-437; WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 31.

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laß, ein Anhänger, Verfechter oder gar Freund des Königs zu werden". Verständ-lich, daß sich König Konrad und sein Sohn Heinrich offenbar nicht auf dieAbkunft von Otto dem Großen über dessen Tochter Liutgard, Konrads Urgroß-mutter, beriefen. Der Verzicht auf die Weitergabe des Namens Otto weist daraufhin'", Das spricht für einen bewußt vollzogenen Neubeginn.Zerstritten hat sich die Forschung über der Frage, ob bei der Königserhebung

Konrads 11.geblüts- oder wahlrechtliche Prinzipien ausschlaggebend waren. Auchhier scheint wie bei der Frage Neubeginn oder Fortsetzung der Herrschaft die Al-ternative schon deshalb unzulässig, weil es nicht um die tatsächlich bestehendeVerwandtschaft mit den Ottonen, sondern um die ausdrückliche Berufung auf sie,d.h. um die politische Aktualisierung derselben ging'>, Eine solche aber schien imFalle Konrads und auch seines Sohnes Heinrich offenbar nicht angebracht. Daslassen die Verlautbarungen des Hofkaplans Wipo erkennen. In seinem Berichtüber die Wahl von Kamba hebt er hervor, die vorgeschlagenen Söhne zweierBrüder Heinrich und Konrad, Konrad der Ältere und Konrad der Jüngere, seienSöhne des dux Franeorum ouo gewesen wie Bruno und Wilhelm, von denenBruno als Papst mit dem Namen Gregor V. auf den apostolischen Stuhl gelangte,während Wilhelm als Bischof die Kirche von Straßburg erhöhte"; Geistliche alsowaren es, die das Ansehen der beiden Konrade bestimmten. Und darüber hinaushebt Wipo die Herkunft ihrer Mütter hervor. Konrad des Jüngeren Mutter habevon einer Tochter König Konrads von Burgund abgestammt; Konrads des Älteren. Mutter aber sei die Schwester der streitbaren Grafen Gerhard und Adalbert gewe-sen, die mit dem Burgunderkönig, ihrem Verwandten, gegen den Kaiser gekämpfthätten. Ihre parentes aber sollen - so rühmt der Geschichtsschreiber - de antiquogenere Trotanorum, aus dem Geschlecht der aus Troja gekommenen Franken,gewesen sein", die der heilige Remigius getauft habe.Da von der ottonischen Vorgängerdynastie nicht die Rede ist, sollten diese ge-

wiß gezielten Bemerkungen in Wipos Bericht die zur Wahl stehenden Repräsen-tanten des Adels nachdrücklich als Abkömmlinge eines durch Alter und Herkunftwie durch kirchliche Würden ausgezeichneten Geschlechtes erscheinen lassen.Dazu kommt, daß Wipo zufolge die Großen den beiden Konraden selbst die Ent-scheidung darüber überlassen hätten, welcher von ihnen König sein solle. Nach

13 Vgl. TILMANNSCHMIDT,Kaiser Konrads 11. Jugend und Familie, in: Geschichtsschreibung undgeistiges Leben im Mittelalter. Festschrift für Heinz Löwe zum 65. Geburtstag, hg. v. KARLHAUCKund HUBERTMORDEK,Köln - Wien 1978, S. 312-324.WEINFURTER(wie Anm. 8) spricht S. 23 geradezu davon, daß die Namen Otto und Brun wiedervöllig .getilgt" wurden.Da über das Wissen um die vornehme Abstammung hinaus deren Propagierung eine wesent-liche Rolle spielte, ist es mit der genealogischen Forschung allein nicht getan, solange sie diegenealogische Propaganda nicht einbezieht, die sich nicht selten der genealogischen Fiktionbedient; vgl. GERDALTHOFP,Genealogische und andere Fiktionen in mittelalterlicher Historio-graphie, in: HORSTFUHRMANN(Hg.), Fälschungen im Mittelalter (Schriften der MGH 32.1) Mün-chen 1988, S. 417-441. .

. Wipo, Gesta Chuonradi H. imp. c. 2, ed. HARRYBRESSLAU,in: Die Werke Wipos (MGH Script. rer.Germ. 1915) ND 1956, S. 15.

Vgl. FRANTISEKGRAUS,Troja und die trojanische Herkunftssage im Mittelalter, in: Kontinuität undTransformation der Antike im Mittelalter (Veröff. d. Kongreßakten z. Freiburger Symposion desMediävistenverbandes) hg. v. WIW ERZGRÄBER,Sigmaringen 1989, S. 25-43, spricht S. 37 im Un-terschied zu den Königen von Frankreich von .Versuchen, mit einer Ableitung einzelner Herr-scher aus Troja zu prunken" und zitiert dabei Anm. 69 Wipo im Hinblick auf Konrad H.

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dem Kuß, den der ältere dem jüngeren Konrad gegeben habe, hätten die Wählerauf Einvernehmen unter ihnen geschlossen und dem älteren Konrad ihre Stimmegegeben",Es erscheint müßig, hier Kriterien der Wahl und der Abstammung, d.h. wahl-

bzw. geblütsrechtlicher Belange auseinander dividieren zu wollen'>, zumal demKönig die Bewährung seiner Wahl erst noch bevorstand. Tatsächlich sah er sichnämlich einer vielschichtigen und gefährlichen Opposition gegenüber. Zu ihr ge-hörte der oberlothringische Herzog, der Schwiegervater Konrads des Jüngerenwie dieser bald selbst und weltliche Große Burgunds und Italiens, die Robert vonFrankreich und danach Wilhelm von Aquitanien die lombardische Krone angebo-ten hatten'". Wird mithin der Anspruch auf die Königsherrschaft und die Herr-schaft im Reich gerechtfertigt durch die Erschließung der eigenen Herkunft imRückgriff auf den fränkischen, ja antiken Ursprung des Geschlechtes und seineVerchristlichung wie durch die Betonung seiner königlichen Vorfahren in Bur-gund und seiner Verdienste für die Römische Kirche, so fragt es sich, weshalb aufdie Hervorkehrung der Ottonenverwandtschaft verzichtet wurde. Nun: eine sol-che hatten auch andere potentielle Bewerber vorzuweisen, wozu noch ein wenigbedachtes dynastisches Phänomen gekommen sein mag.Schon nach Ottos n. frühem Tod 983 war bekanntlich eine Vormundschafts-

regierung für den minderjährigen Otto III. vonnöten, der nach siebenjährigerRegierung als einundzwanzigjähriger Kaiser selbst kinderlos starb. Heinrich aber,sein Nachfolger aus dem bayerischen Zweig der ottonischen Dynastie, bliebgleichfalls ein Sohn versagt, der das Geschlecht hätte fortpflanzen können. AlsFügung Gottes verstanden machte das Unglück der Kinderlosigkeit die Not offen-bar und trug gewiß dazu bei, daß sich das Herrscherpaar ob seiner Bußgesinnungund Opferbereitschaft durch bedeutende Stiftungen, unter denen Bamberg her-vorragte, den Himmel zu verdienen bestrebt war. Jedenfalls trugen sie dem kin-derlosen Kaiserpaar die kirchliche Kanonisation ein21•

18 Wipo c. 2 (wie Anm. 16), dazu ODILOENGELS,Der Dom zu Speyer im Spiegel des salischen undstaufischen Selbstverständnisses, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 32, 1980, S.27-40, S. 28: .Wer aus diesem Haus dann als König hervorgehe, das habe man dem Willen derSalier selbst überlassen".HAGENKELLER,Schwäbische Herzöge als Thronbewerber: Herzog Hermann n. (1002), Rudolfvon Rheinfelden (1077), Friedrich von Staufen (1125). Zur Entwicklung von Reichsidee undFürstenverantwortung, Wahlverständnis und Wahlverfahren im 11. und 12. Jahrhundert, in:Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 131 NF. 92, 1983, S. 123-162, S. 125ff.; anders:EOUAROHLAWlTSCHKA,Die Thronkandidaturen von 1002 und 1024 - Gründeten sie im Verwand-tenanspruch oder in Vorstellungen von freier Wahl?, in: Reich und Kirche vor dem Investitur-streit (Vorträge beim wissenschaftlichen Kolloquium anläßlich des BO.Geburtstages von GerdTeIlenbach) hg. v. KARLSCHMID,Sigmaringen 1985, S. 49-64, S. 6lff., ausführliche Fassung:DERs.,Untersuchungen zu den Thronwechseln der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts und zurAdelsgeschichte Süddeutschlands. Zugleich klärende Forschungen um .Kuno von Öhningen"(Vorträge und Forschungen, Sonderband 35) Sigmaringen 1987, bes. S. 79ff.; dazu: KELLI!R(wieAnm. 7) S. 73. - Vgl, auch ULRICHREUUNG,Zur Entwicklung der Wahlformen bei den hochmit-telalterlichen Königserhebungen im Reich, in: Wahlen und Wähler im Mittelalter (Vorträge undForschungen 37) Sigmaringen 1990, S. 227-270, S. 22Bff.BÖHMER- ApPELT,Regesta Imperii Ill: Salisches Haus 1, Die Regesten des Kaiserreichs unterKonrad 11. 1024-1039, Graz 1951, Nm. q und r.Dazu RENATl!KLAUSER,Der Heinrichs- und Kunigundenkult im mittelalterlichen Bistum Bamberg1007-1957 (95. Bericht des Historischen Vereins Bamberg) 1957, bes. S. 69ff.

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Ja, es fragt sich, ob im Angesicht solcher Not bei der Entscheidung für Konradden Älteren die Tatsache eine Rolle spielte, daß er im Gegensatz zum jüngerenKonrad, der söhnelos war und blieb, bereits einen nach dem Großvater genann-ten jungen Sohn Heinrich hatte. Zwar hat man die Verzögerung der KrönungGiselas mit dem Befund zu naher Verwandtschaft der Ehegatten begründen wol-len22• Unzweifelhaft jedoch ist es, daß König Konrad seinen Sohn unverzüglich anseine künftigen Aufgaben herangeführt hat.Da die Angelegenheiten des Reiches in Italien keinen Aufschub duldeten, ver-

wundert es nicht, wenn das Apsisfresko im Dom von Aquileia die Heraufkunfteiner neuen Königsdynastie ankündigt. Nach der Kaiserkrönung Konrads Il. inRom 1027 entstanden, aber später übermalt und somit schwer beschädigt, zeigt esdie der Gottesmutter und dem Kinde huldigenden Heiligen der Kirche von Aqui-leia mit dem Evangelisten Markus an der Spitze und dazwischen die kaiserlicheFamilie samt dem Patriarchen Poppo als Stifter mit dem Kirchenmodelle. Die Dar-stellung erklärt sich aus dem Beschluß der Römischen Lateransynode unter demVorsitz von Papst und Kaiser: Grado sollte nun auf ewige Zeit dem Patriarchenvon Aquileia untergeordnet sein. Da nicht nur ganz Venetien, sondern auchVenedig selbst davon betroffen war, handelte es sich um eine die Belange imReich sogar übersteigende Angelegenheit. Wenn nun noch vor dem Kaiser alsPendant zur großen Gestalt des Evangelisten der kleine künftige Thronfolgerseine Hände der Gottesmutter entgegenstreckt, so scheint hier der Sprößling nichtaus dekorativen, sondern aus dynastischen Gründen unverkennbar den Vortritt zuhaben. Zwei Kaiserbullen Konrads Il, stellen dazu eine nicht weniger sprechendeBestätigung dar. Auf der einen vom 23. August 1028 ist der bekannte ProfilkopfKonrads abgebildet und auf der Rückseite eine gewappnete jugendliche Figur mitder Umschrift HEINRICVSSPES IMPERII, während die zwischen 1033 und 1038nachweisbare andere Bulle auf der Vorderseite innerhalb der Kaiserumschriftzwei durch die senkrechte Inschrift HEINRICVS REX getrennte Herrscher invollem Ornat darstellt, wobei die Rückseite die AUREAROMA zeigt. Diese dieKaiserdynastie schon adaptierenden Bilder finden eine Entsprechung in SpeyererMünzen aus der Zeit Konrads n. oder Heinrichs Ill. mit zwei gekrönten Brustbil-dern beidseits der mit einem Nagel versehenen, d.h. Heiligen Lanze, und den In-schriften CHONRADI.HEINRICp4.Byzantinische Einflüsse sind bei all diesen Sym-bolzeugnissen bis hin zur Reichskrone bemerkt worden. Ihr Bügel gehört aufGrund der Inschrift CHUONRADUSIMP(ERATOR) in die Zeit Konrads", Zwar ist

22 HARRYBRESSLAu,Jahrbücher des deutschen Reichs unter Konrad 11., I, 1879, ND 1967, S. 28 mitAnm. 1. - Zu Konrads angeblichem Scheidungsversprechen ebd. S. 15£.Dazu ScHMlD(wie Anm. 3) S. 26ff. - Vgl. MARISAMICHlEUZANZOITO, 11 ritratto di Poppo nellabasilica di Aquileia e il problema del nimbo quadrato, in: Memoria storiche Forogiuliesi 44,1960/61, S. 219-234.Zu den zit, Bullen: PERCYERNSTSCHRAMM,Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit,751-1190, hg. V. FLORENTINEMÜTHERICH,München 1983, Nr, 137f. und S. 105; zu den Münzen:ebd. Nr. 154, 32a-c und neuerdings BERNDKLUGE,Deutsche Münzgeschichte von der späten Ka-rolingerzeit bis zum Ende der Salier (ca. 900 bis 1125) (Monographien des Römisch-Germani-schen Zentralmuseums 29) Sigmaringen 1991, Nr. 143, dazu S. 81, mit anderer Lesung der Um-schrift ohne Verweis auf SCHRAMM.- Allg. TILMANSTRUVE,Kaisertum und Romgedanke in sali-scher Zeit, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 44, 1988, S. 424-454.Zur ,Heiligen Lanze' vgl. KARLHAUCK,Erzbischof Adalbert von Magdeburg als Geschichtsschrei-ber, in: Festschrift für WaIter Schlesinger II (Mitteldeutsche Forschungen 74/II) Köln 1974, S.276-353; zur Reichskrone: PERCYERNSTSCHRAMM- FLORENTINEMÜTHERICH,Denkmale der deut-

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die von Venedig nach Byzanz in See gestochene Brautwerbungsgesandtschaft fürden künftigen Kaiser ergebnislos geblieben: Doch sind die von ihr mitgebrachtenKreuzreliquien vielleicht im prunkvollen Reichskreuz erhalten".In Parallele zu der Beobachtung, daß unter den Reichsinsignien mehr und mehr

ganz bestimmte in den Vordergrund traten, etwa die Heilige Lanze, die Reichs-krone oder das Reichskreuz, steht die andere vom Reich, das sich jetzt als festeGröße erwies". Sein transpersonaler Charakter wird bereits aus Wipos dem KönigKonrad in den Mund gelegten Worten ersichtlich: Als die Bürger von Pavia dieKönigspfalz in ihrer Stadt nach dem Tode Heinrichs n. zerstört hatten, da ihnenkein König mehr befahl, habe Konrad erklärt: ,Ist der König tot, so bleibt dochdas Reich bestehen, ebenso wie das Schiff bleibt, wenn der Steuermann gefallenist'28.Mit Recht hat Hagen Keller darauf hingewiesen, daß .die Zusammenfassungmehrerer Reiche unter einem König und einer Dynastie nun keine Verschmelzungmehr" darstellte, daß vielmehr die Regna, das ostfränkisch-deutsche, das italieni-sche und das 1033 dazugekommene burgundische unterschieden blieben .• Undweil der Herrscher als Kaiser alle anderen Könige an Rang überragte", war dasImperium in den sich verändernden Herrschaftsverhältnissen besonders flexibel,was zur Dauerhaftigkeit seiner Grenzen bettrugv. Welche Folgen diese Vorstel-lung vom bereits zum Abstraktum gewordenen Reich auf die in ihm Herrschen-den hatte, gilt es zu bedenken. Sicher legte sie die Orientierung an imperialenMaßstäben nahe. Kein Wunder, daß nach Theophanu erneut eine byzantinischeHeirat des Thronfolgers' angestrebt wurde. Als sich diese nicht verwirklichenließ3O,war die Propagierung der Ursprünge des eigenen Imperiums umso mehrgeboten. So hat denn auch Wipo im Tetralogus, einem vierteiligen für den Thron-folger bestimmten Dichtwerk, dessen kaiserliche Abkunft über seine Mutter Giselaverkündet: Als Sproß Karls des Großen, de Caroli procedens Magni sanguine istHeinrich Ill. panegyrisch gerühmt worden!'.Jedoch waren die Salier mit einer rauhen Wirklichkeit konfrontiert, die in den

Blick genommen und angesprochen werden muß, sollen nicht die von der wer-denden Dynastie auszuhaltenden, extremen Spannungen verkannt werden. Und

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sehen Könige und Kaiser 1 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte 2)München 1981, Taf. 67 und 147, dazu Kommentare S. 141 und S. 170, neuerdings, kaum über-zeugend: MECHTIlILDSCHULZE-DöRlAMM,Die Kaiserkrone Konrads 11. 0024-1039) (Monographiendes Römisch-Germanischen Zentralmuseums 23) Sigmaringen 1991, S. 23ff. und S. 117ff.BERENTSCHWINEKÖPER,Christus-Reliquien-Verehrung und Politik, in: Blätter für deutsche Landes-geschichte 117, 1981, S. 183-281, S. 224ff., bes. S. 227.Dazu PERCYERNSTSCHRAMM,Die Krönung in Deutschland bis zum Beginn des Salischen Hauses(028), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftunmg für Rechtsgeschichte, Kan. Abt. 24, 1935, S. 184-332, S. 293, Ndr. unter dem Titel: Die Königskrönungen der deutschen Herrscher von 961 bisum 1050, in: DERS., Kaiser, Könige und Päpste, 3, Stuttgart 1969, S. 98-134, S. 123 (Hinweis V.Huth): zur Bildung eines festen Hortbestandes und zu den .richtigen' Herrschaftszeichen vgl.SCHRAMM- MOTHERICH,Denkmale (wie Anm. 25) S. 35f. - Zum ,Reich' vgl, BEUMANN(wie Anm.28 und 112) und KELLER(wie Anm. 7) S. 102.Wipo c. 8 (wie Anm. 16) S. 30, dazu HELMlIf BEUMANN,Zur Entwicklung transpersonaler Staats-vorsteIlungen, in: Das Königtum. Seine geistigen und rechtlichen Grundlagen (Vorträge undForschungen 3) Sigmaringen 1954, ND 1973, S. 185-204; DERS., Das Imperium und die Regnabei Wipo, in: Aus Geschichte und Landeskunde, Franz Steinbach zum 65. Geburtstag, Bonn1960, S. 11-36.KELLER(wie Anm. 7) S. 20f.BRESSLAU(wie Anm. 22) S. 234ff.Wipo, Tetralogus V. 158, ed. BRESSLAU(wie Anm. 16) S. SO, vgl. auch Gesta c. 4 (ebd.) S. 25.

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überhaupt können alle Anstrengungen und Erfolge nicht über das zuweilen uner-trägliche Leid hinwegtäuschen, das die Salier in und mit ihren Familien durchzu-stehen hatten. Denn keinem von ihnen ist als Vater und/oder Sohn Kummer undSorge, wie man weiß, erspart geblieben.Zum Mitkönig 1028 in Aachen gesalbt und gekrönt, wurde der Königssohn

Heinrich von seinem Vater, dem Kaiser, veranlaßt, dem von ihm geschworenenFreundschaftsbund mit seinem Verwandten, dem Herzog Adalbero von Kärnten,zu entsagen. Und schon vorher hatte der gegen den Herrscher rebellierendeStiefbruder, Herzog Ernst von Schwaben, sein Leben verloren, da ihm der mütter-liche Oheim, Graf Odo von der Champagne, die erbetene Hilfe nicht leistete. AlsKönig Heinrich dann mit der Tochter des England beherrschenden nordischenKönigs Knut des Großen vermählt worden war, schenkte ihm die auch Kunigun-de genannte Gunhild zwar eine Tochter, starb aber bei deren Geburt'".Der söhnelos gebliebene Heinrich richtete nach dem Tod von Vater und Mutter

seinen Blick nunmehr nach Westen und traf 1043 nach der Verkündigung desGottesfriedens im Reich im burgundischen Besaneort mit Agnes von Poitou zurVerlobung zusammen. Trotz laut gewordener Bedenken wegen zu naher Ver-wandtschaft mit der Erwählten - Bedenken oder besser: Befürchtungen, die einBrief des Abtes Siegfried von Gorze an Poppo von Stablo artikulierte, der zurVeranschaulichung des Verwandtschaftszusammenhangs eine ,figura' in Formeiner Tafel angefertigt hatte -, vermählte sich Heinrich Ill. mit der Tochter desHerzogs Wilhelm V. von Aquitanien und der Agnes von Burgund>. Als KöniginAgnes eine Tochter gebar und der König schwer erkrankte, kam eine nicht unbe-trächtliche Anzahl von Großen überein, für den Fall seines Todes den lothrin-gischen Pfalzgrafen Heinrich zum König zu wählen>'. Bis 1050 wurde Agnes nurvon Töchtern entbunden, so daß Hermann der Lahme das Wort .endlich'(tandem) der Mitteilung von der Geburt eines kaiserlichen Sohnes zufügte. So-gleich wurden die Großen auf den so lange ersehnten Thronerben vereidigt, derzunächst wie der Großvater ,Konrad' heißen sollte". Seine Taufe aber verzögertesich, weil sie auf Wunsch des Kaisers von Hugo von Cluny vorgenommen wer-den sollte. Wie eindringlich Heinrich um die Taufpatenschaft des Abtes für seinenSohn warb, geht aus einem Brief an den Reformabt hervor. Das vinculum insolu-hili caruatts, von dem die Rede ist, sollte für Heinrich lV. in den wohl schwerstenTagen seiner Herrschaft als Büßer auf Canossa und als Gefangener seines eigenenSohnes den Charakter eines Rettungsankers annehmen».

3233

Vg!. BRFSSLAU(wie Anm. 22) Bd. 2, 1884, ND 1%7, S. 141ff.Darüber jetzt NORAGÄDEKE,Zeugnisse bildlicher Darstellung der Nachkommenschaft HeinrichsI. (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 22) Berlin 1992, bes. S. 72ff.Annales Altahenses a. 1045 (MGH Script. rer. Germ. 1891) ND 1979, S. 40f.: rex Franchonefurtvenit tbique languescere cepu. Cumque de die 171 diem languor magis ingrauesceret, quam alt-quid decresceret, Henricus dux Baioariae et DUo dux Sueutae, episcoporum nonnullt altiquenobilium quam plurimi tn unum conspirauerunt et quem ttto mortuo regem exaltarent elege-runt, sciltcet Henricum, filium Heziltni comitis, patruelem praedicti Ottonts; vg!. ERNSTSTEIN-OORFP,Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich IlI., Bd. 2, 1881, ND 1963, S. 287.Herimanni chronicon a. 1050, MGH SS 5, S. 129; Annales Augustäni a. 1050 (MGH SS 3) S. 126:Prius Kuonradus nominatus; vg!. STEINOORFP(wie Anm. 33) S. 197.Ed. WILHELMVONGIESEBRECHT,Geschichte der deutschen Kaiserzeit 2, Leipzig 1885, S. 719ff. Do-kument 12. Wichtig ist auch der Brief der Kaiserin Agnes nach dem Tod ihres Gemahls an denAbt, in dem sie ihren Sohn Heinrich als /ilium testrum bezeichnet (ebd. Dok. 13, S. 720). ZuAgnes' Stellung als ,Haupt' des salischen Hauses und Königtums (nach Reg. N.3 Gregors VII.)

35

Die Salier als Kaiserdynastie 469

So stellt sich die mit der Geburt des Thronfolgers tatsächlich geglückte Begrün-dung einer neuen Dynastie mehr als Beginn denn als Fortsetzung dar. Freilichvollzog sie sich im Rahmen der stirps regia, d.h. unter Mitwirkung der aus könig-lichem Geschlecht stammenden Großen. Der Vorgang wurde so dem dynasti-schen Denken und Handeln gerecht, das im Mittelalter eine Selbstverständlichkeitdarstellte und daher keine Alternative kannte'",

11.2Speyer als dynastische Stiftung

Ante regni nostrl primicias hat Konrad Il. voto carltatis versprochen, eine Memo-rialstiftung an der Speyerer Kirche post regnum dioina gratia acceptum vorzu-nehmen (D K II 4). Das geschah eine Woche nach seiner Wahl in Kamba unddrei Tage nach seiner Krönung in Mainz. Sollte das .GelÜbde vor seiner Erhebungzum Königtum", wie Heinrich Appelt meinte'", und nicht erst vor der Thronbe-steigung abgelegt worden sein, so hätte Konrad zumindest auf die Wahl gehofft,wenn nicht gar mit ihr gerechnet. Wie dem auch gewesen sein mag, seit jenemuotum war die Geschichte des Königs Konrad und der von ihm begründetenSalierdynastie mit der Kirche von Speyer verknüpft.Aber - so ist zu fragen - war es nicht zunächst Worms gewesen, wo Konrads

Vorfahren wirkten, ihre Burg und ihre Grablege im Dom errichteten, jenesbischöfliche Worms, in dem der junge Konrad heranwuchs? Wie ist es zu verste-hen, daß er, der unter der Aufsicht des Bischofs Burchard erzogen wurde und dasSchicksal des Vollwaisen und der Vormundschaft zu ertragen hatte, die Aufgabeund Zerstörung der salischen Burg in Worms und damit die Verweisung seinerväterlichen Familie aus der Stadt39, deren Dom 1018 eingeweiht und 1022 voll-endet wurde, als König offenbar hinnahm? Hätte er den Verlust nicht dadurchkompensieren können, daß er nun als König seine Herrschaft in besondererWeise mit Worms verband? Doch wandte er sich stattdessen, während er dieWormser Grablege seiner Ahnen durch königliche Verfügung ausstattete (D K II204), Speyer zu. Wie entschlossen er sein Königtum mit dieser Hochkirche ver-band, zeigt sich an der Übergabe des festen ehemaligen Herrschaftssitzes Limburgan Speyer. König geworden, wandelte er die Burg in ein Heilig-Kreuz- undjohannes-Kloster um und gab dieses im Jahr 1032 in die Schutzpflicht des Bi-

s. WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 98. - Die Briefe aus der Zeit 1102/1105/06 werden nach der Edi-tion von eARLERDMANN,Die Briefe Heinrichs IV. (MGH Deutsches Mittelalter, Krit, Studientexte1) Leipzig 1937, zitiert, hier Nr. 37 S. 49.

37 Der Streit um das ,Geblütsrecht' wird m.E. seine Schärfe verlieren, wenn die Gestalt und dieFunktion, d.h. die Geschichte der stirps regia im Mittelalter erforscht sein wird.

38 BÖHMER- APPElT(wie Anm. 20) III.1 Nr. 4.39 Vita Burchardi c. 9, in: Monumenta Wormatiensia 4, hg. v. H. Boos, Berlin 1893, S. 110, dazu

ZOTZ,Präsenz und Repräsentation (wie Anm. 69) S. 184, der auf die Mitteilung abhebt, ausdemselben Holz und denselben Steinen (der abgerissenen Burg nämlich) habe der Bischof Kir-che und Stift des hl. Paulus errichten lassen. - Nach HANSWERLE,Titelherzogtum und Herzogs-herrschaft, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung fur Rechtsgeschichte, Germanische Abteilung 73,1956, S. 225-299, bes. S. 253f. symbolisiert .Worms die Herzogszeit der Salier, die einfach dieWormser hießen", vgl. WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 25ff. und DERS. (wie Anm. 40) S. 64ff.

470 Karl Schmid

schofs CDK II 180)40.Wenn hier der adlige Herrschaftssitz einem anderen, besse-ren Zweck, dem Gottesdienst nämlich, zugeführt worden ist, so mag dieser Vor-gang, auch wenn er damals keineswegs ungewöhnlich war, vor allem deshalb fürdas im Aufbau begriffene Werk des Königs symptomatisch sein, weil der Herr-schaftssitz von ehedem noch ein anderes, nicht geringeres Gewicht erhielt. Daszur Stätte des Gebetes und damit des Gedenkens gewordene Kloster blieb näm-lich auf das Zentrum hingeordnet, insofern die dem Schutz der Speyerer Bischöfeals misericordes dejensores adiutores anvertraute salische Abtei Limburg nunmehrein Bindeglied zwischen der Königsfamilie und den ihrem Kloster verpflichtetenBischöfen bildete.Der Kern des Werkes aber sollte Speyer sein. Spätestens 1031 begonnen, war

der Dombau sicher schon in den 1020er Jahren vom neuen König und Kaiser insAuge gefaßt worden", Konrad n. war mithin nicht nur um die Durchsetzung sei-nes Königtums und um die Kaiserkrönung. sondern von Anfang an auch um dieGrundlegung und den Bau einer geistlichen Mitte seiner Herrschaft bemüht: Anihrer sichtbaren Gestaltwerdung, nicht nur an der allenthalben hörbaren Verkün-digung seiner Herrschaft durch panegyrische Gedichtwerke lag ihm augenschein-lich viel42.Man hat in diesem Zusammenhang von .Selbstzeugnissen des salischenKönigtums" gesprochen", wobei es sich sowohl um bildliehe Darstellungen aufBullen und Münzen, in Handschriften und an den Wänden repräsentativer Bautenals auch um die Umsetzung des herrscherliehen Seins und Wollens in Stein han-delte. So sollte die Herrschaft sichtbar und gegenwärtig und dauerhaft, ja in ge-wissem Sinne sogar ewig gemacht werden. Indessen soll hier nicht allgemein vonder Bautätigkeit die Rede sein, die einen mächtigen Aufschwung erlebte. Viel-mehr geht es um das zentrale Zeugnis des königlichen, ja kaiserlichen Selbstver-ständnisses in der Herkunftslandschaft des neuen Herrschers.Während die fünf Ottonen, Heinrich I., Otto I., 11., Ill. und Heinrich Il., an fünf

verschiedenen Orten, in Kirchen von Quedlinburg, Magdeburg, Rom, Aachen undBamberg ihre letzte Ruhe fanden, sind alle toten Salier an ein und demselben Ort,im Speyerer Dom, versammelt. Nicht jedoch wie die Capetinger in der alten AbteiSaint-Denis bei Paris, wo in der Tradition des Frankenreiches die alte Königs-grabkirche weiterbenutzt wurde, so daß dort die traditionsreiche französischeKönigsgrablege entstand". Nein. Sie schufen mit der Erneuerung einer Bischofs-

4!

Zur Bedeutung der Verpflichtung des Speyerer Bischofs in D K II 180 schon HARRYBRESSLAU,Zur Kritik des Diploms Heinrichs Il, über die Schenkung der Abtei Schwarzach an das BistumStraßburg, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 52 NF. 13, 1898, S. 54-66, S. 65. -Über Limburg zuletzt STEFANWEINFURTER,Herrschaftslegitimation und Königsautorität im Wan-del: Die Salier und ihr Dom von Speyer, in: Die Salier und das Reich (wie Anm. 8) S. 55-96, S.57ff. - Vgl. dazu auch HANSJÖRGGRAFEN- ALPONSZEITLER, Das Limburger Typar Konrads.Handwerkszeug eines mittelalterlichen Urkundenfälschers? in: Jahrbuch für westdeutsche Lan-desgeschichte 17, 1991, S. 53-65.ANTONDou, Überlegungen zur Grundsteinlegung und zu den Weihen des Speyerer Domes, in:Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 24, 1972, S. 9-25, S. 13ff.Gemeint sind drei nicht erhaltene Gedichte aus der Zeit Konrads 11. und besonders die.Cantilena in Chuonradum 11. factum imperatorern' und die ,Cantilena in Heinricum Ill. annoMXXVIII regem coronaturn', ed. BRESSLAU(wie Anm. 16) S. 103ff., dazu ebd. die ErläuterungenS. X und S. LVlIIf.Vg!. KELLER(wie Anm. 7) S. 75.Zur Königsgrablege in Saint-Denis vgl. KARLHEINRICHKRÜGER,Königsgrabkirchen. Ein histori-scher Katalog (Münstersche Mittelalterschriften 4) München 1971, S. 186ff.; ALAINERLANDE-BRAN-

42

Die Salier als Kaiserdynastie 471

kirehe ein neues Zentrum, nachdem Karl der Große in Aachen, Otto der Große inMagdeburg und Heinrich 11.in Bamberg schon bedeutende neue Reichskirchenerrichtet hatten. Daß dies die salischen Herrscher, so sehr auch sie sich durchGedenkstiftungen in deren Tradition stellten, nicht veranlaßte, ihr eigenes Selbst-verständnis mit einem der bereits bestehenden Zentren imperialen Ranges zuverbinden, bedarf besonderer Beachtung. Und wenn dies auch nicht mit Worms,der traditionsreichen Frankenstadt, geschah, so ist darin gewiß wohl ein untrüg-liches Zeichen für den mit Speyer beabsichtigten Neubeginn zu sehen.Aber hat Konrad 11.das alles, was in und aus Speyer geworden ist, schon bei

seiner Königserhebung angestrebt? Stefan Weinfurter meinte kürzlich zurecht,diese Frage sei schwer zu beantworten". Daß Heinrichs erste Gemahlin Gunhildin der Klosterkirche von Limburg und nicht in Speyer bestattet worden ist, müssedem Gedanken einer Hausgrablege in Speyer nicht widersprechen, da sie nureine Tochter, aber keinen Thronfolger zur Welt gebracht hatte, also .nlcht mehrdynastieerhaltend wirken konnte". Daher sei sie hinsichtlich der Grablege.gewissermaßen aus dem engeren Kreis der Königsdynastie ausgeschieden" wor-den. Bedenkt man aber, daß Gunhild fast ein Jahr vor dem Speyerer KirchenstifterKonrad gestorben ist46, so wird deutlich, wie gefährlich es ist, vom Gewordenenauf die Konzeption desselben zu schließen. Man könnte daher in Weinfurters Er-wägung höchstens den Grund dafür erblicken, daß Gunhild später nicht nachSpeyer überführt wurde.Nachträglich wissen zu wollen, ob schon König Konrad n. den Plan zur Errich-

tung einer Herrschergrablege in Speyer gefaßt hatte oder nicht, in der dann nichtnur die Salier und eine Reihe von Herrscherinnen, sondern bekanntlich auch dieKönige Philipp von Schwaben, Rudolf und Albrecht von Habsburg wie Adolf vonNassau ihr Grab finden sollten, erscheint schon deshalb problernatisch", weil derneue König die Zukunft seines Geschlechtes nicht vorhersehen, ja nicht einmalwissen konnte, ob ihn sein Sohn überleben würde. Daß er dabei wie jeder mit-telalterliche Herrscher die Bewahrung seiner Herrschaft anstrebte, steht wohl au-ßer Zweifel. Da er aber den Herrschaftssitz seiner Vorfahren in Limburg aufgab,ihn zu einer mehr als stattlichen Burg Gottes durch den Abt Poppo von Stabloumbauen ließ und unter den Schutz des Speyerer Bischof stellte CDK 11180), saher jedenfalls die Zukunft seines Hauses nicht am alten Sitz. Dieser ist vielmehrabgelöst worden durch die vielen Pfalzen mit ihren Kirchen im Reich, unterdenen nunmehr Speyer einen besonderen Platz einnehmen sollte. Das zeigt sichschon daran, daß der Bischof als Herr des salischen Hausklosters Limburg dessenbeachtlichen Schatz 1065 nach Speyer überführte CD H IV 165)48. Auch wenndiese Maßnahme die Bezeichnung Speyers als .salisches Familienbistum" nicht zu

454647

DENBURG,Le roi est mort. Etude sur les funerailles, les sepultures et les tombeaux des reis deFrance jusqu'ä la fin du XIII siede (Blbliotheque de la Societe francaise d'archeologie 7) Ge-neve 1975.WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 4lf.STEINOORFF(wie Anm. 34) S. 41f.Dazu INGRIDHEIDRICH,Bischöfe und Bischofskirche in Speyer, in: Die Salier und das Reich 2:Die Reichskirche in der Salierzeit, hg. v. STEFANWEINFURTER,Sigmaringen 1991, S. 187-224, S.121 und schon DIES., Beobachtungen zur Stellung der Bischöfe von Speyer im Konflikt zwi-schen Heinrich IV. und den Reformpäpsten. in: Frühmittelalterliche Studien 22, 1988, S. 266-285, hier S. 267f.Dazu SCHRAMM-MÜTHERICH(wie Anm. 25) Nr. 154 S. 173.

472 Karl Schmid

rechtfertigen vermag=, wird man nicht von der Hand weisen wollen, daß sich derbereits in der Wormser Grablege zum Ausdruck gekommene Familiensinn derVorfahren Konrads 11.in engen Beziehungen zu einer Bischofskirche erneut mani-festiert und die der neuen Situation adäquate Verwirklichung gefunden hat.Angesichts des Aufstiegs Konrads n. zum Königtum und seiner in Worms 1034vorgenommenen Grabsorge (0 K II 204) möchte man jedenfalls nicht annehmen,die salische Vergangenheit sei dort etwa vergessen oder gar verdrängt worden.Daraus wird schon Sichtbar, daß die Gräber der Vorfahren in die neue Wirk-

lichkeit der Königsherrschaft hineingenommen wurden, wobei es nicht vorder-gründig um die Gräber, sondern um die sie beherbergenden Verstorbenen ging.Deren Seelenheil bedingte die Totensorge für Ahnen und Angehörige. Darausaber, daß allein Lebende Sorge für die Toten tragen konnten, verstehen sich dieBemühungen um fortwährenden, d.h. lebendigen Grabdienst. Wenn also Konraddas von ihm für den Fall der Königswahl gemachte Gelübde durch eine Schen-kung an den Domklerus von Speyer einlöste, wenn er gar den alten Dom durcheinen Neubau ersetzte und die Lebensfähigkeit der in ihm angesiedelten Kleriker-gemeinschaft durch eine entsprechende Ausstattung, insbesondere durch die zumKloster gemachte Limburg, sicherte, so hatte er damit eine Stiftungstätigkeit inGang gesetzt, die mit seiner Bestattung in der Domkirche ihre Fortsetzung, abernicht ihren Abschluß fand. Charakterisiert es doch Konrad 11.und die Salier wieschon Konrads Urgroßvater Konrad den Roten und die salischen Vorfahren in be-sonderer Weise, daß es weder im Wormser noch im Speyerer Dom beim Stifter-grab des Frankenherzogs Konrad und dann Konrads, des Herrschers im ReichKarIs des Großen, blieb.Denn Heinrich Ill. setzte die Stiftertätigkeit fort. Vor dem Romzug 1046

schenkte er der hI. Maria von Speyer das Goldene Evangeliar, und alsbald ließ erdie Gebeine des hI. Guido von Pomposa in das bischöflich Speyersche }ohannes-stift überführen'", Mit der Veränderung der Vorkrypta durch die Vergrößerung desfür die königlichen Gräber vorgesehen Feldes, das nun fast ein Drittel des Lang-hauses einnehmen sollte, okkupierte er gewissermaßen das Langhaus des Domesund ordnete dieses den Kaisergräbern ZUSt• Doch kam es 1052 mit dem alsOberhirten anstößigen Speyerer Bischof Sigibodo zum Zerwürfnis. Hermann derLahme hat den Zorn des Kaisers artikuliert und dabei gewiß nicht von ungefährauf die Gräber von Heinrichs Ill. Eltern, die sepultura patris matrisque, abgeho-ben=, Obschon man nicht weiß, was geschehen wäre, wenn der durch eineSynode formal bestätigte Bischof Sigibodo den Kaiser überlebt hätte, hat Heinrich

49 So HERMANNSCHREIBMOLLER,Der staufisehe Geschichtsschreiber Gottfried von Viterbo und seineBeziehungen zu Bamberg, Würzburg und besonders Speyer, in: Zeitschrift für bayerische Lan-desgeschichte 14, 1943/44, S. 248-281, S. 274.Vgl. SCHRAMM- MÜTHERICH,Denkmale (wie Anm. 25) S. 101; SCHRAMM,Kaiser und Könige (wieAnm. 24) Nr. 157 S. 232f. - ERNSTVOLTMER,Von der Bischofsstadt zur Reichsstadt. Speyer imHoch- und Spätmittelalter, in: Geschichte der Stadt Speyer 1, 1982, S. 270.Dazu grundlegend: HANS ERlcH KUBACHund WALTERHAAS, Der Dom zu Speyer (Die Kunst-denkmäler von Rheinland-Pfalz 5) 0.0. 1972, Textband S. 877f£.; vgl. zuletzt WEINFURTER(wieAnm. 8) S. 96.Herimanni ehron. a. 1052 (wie Anm. 35) S. 131: indeque, ut atunt, locum tllum pams matrisquesuae sepultura praeduum magis magisque paruipendens, subiratus episcopoque loct tlltusinfensus discessit; vgl. dazu KUBACH- HAAS (wie Anm. SI) S. 702, wobei die Interpretation,Heinrich sei erzürnt gewesen, .weil er die Grabstätte seiner Eltern zu eng gefunden habe",problematisch erscheint

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SI

S2

Die Salier als Kaiserdynastie 473

Ill. sein Grab neben seinem Vater gefunden. Der Trauerzug zur kaiserlichen Be-stattung in Anwesenheit des Papstes im Speyerer Dom ging von Heinrichs Lieb-lingsstiftung Sankt Simon und Juda in Goslar aus, wo wunschgemäß des KaisersHerz beigesetzt worden war", So ist aus dem Königsgrab in Speyer eine dynasti-sche Grablege geworden, die mit einem Kreuzaltar, mit Schranke und Brüstungversehen, durch die Übermauerung der Gräber und einen nach Westen profilier-ten Sockel zu einem regelrechten Monument geworden ist54• Mit ihm war von nunan das Langhaus der Bischofskirche besetzt, und der Speyerer Bischof konntedas, obschon er es versucht hatte, offenbar nicht verhindern.Während im früheren Mittelalter die Grabsorge für die Herrscher zunächst Klo-

ster- und Stiftsgründungen anvertraut wurde - erinnert sei etwa an Aachen, SanktEmmeram in Regensburg, Fulda oder Quedlinburg -, haben Otto der Große undHeinrich 11. ihrer Gründung von Bischofskirchen in Magdeburg und Bambergnoch dadurch besonderes Gewicht verliehen, daß sie ihnen die Grabsarge fürsich selbst und die Herrseherin anvertrauten. Indem Herrscher nunmehr Bischofs-kirchen errichteten und sie mit Königsgräbern ausstatteten, leiteten sie in derReichskirche einen Vorgang ein, der Aus- und Rückwirkungen auf diese habenmußte. Das geht aus der Mitteilung des Verfassers der Vita des Bischofs Bennovon Osnabrück hervor, der nicht nur festgehalten hat, daß der über Straßburgund Speyer nach Goslar gekommene und schließlich Osnabrücker Hirte gewor-dene Kanoniker und Bausachverständige von Heinrich IV. mit der Weiterführungdes Dombaues in Speyer beauftragt worden war. Vielmehr betont er, das armeSpeyer, das schon fast aufgehört habe, Bischofssitz zu sein (posita paupercula etuetustate collapsa pene iam episcopium esse desierat), sei durch das laudabile oo-tum der Kaiser wiederaufgerichtet worden. Da die Herrscher mit ihren Mittelnnicht in der Lage gewesen seien, ein neues Bistum im Reich zu gründen, hättensie sich verpflichtet gefühlt, mit ihrem Vermögen das zerfallende Speyer zu er-neuern und ihrem Gedenken zu weihen tfacultatibus suis restaurare suaequememoriae dedicare deberenty». Im Unterschied zur Gründung der Missionsbistü-mer Magdeburg und Bamberg sollte indessen Speyers "zweite Gründung" einesolche mit einer Zukunft von besonderer Art werden=.Das Neue im Vergleich zu Magdeburg und Bamberg, wo immerhin zwei Herr-

scher, Heinrich 11.und Konrad 111.,ihre Gräber fanden und von wo ein dritter,Philipp von Schwaben, nach Speyer (!) überführt wurde, ist darin zu sehen, daßbeginnend mit der Bestattung Heinrichs Ill. der Speyerer Dom mehr und mehrzum Kaiserdom schlechthin und damit zur potentiellen Grabkirche der mittelalter-

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STEINOORFP(wie Anm. 34) S. 356f.Dazu KUBACH,in: KUBACH- HAAS(wie Anm. 51) S. 878fT.:Über die Anfänge des Königschoresund zum .Mauerblock über den Gräbern".Vita Bennonis c. 4, ed. HARRYBRI!SSLAU(MGH Script rer. Germ. 1902, ND 19m S. 4, Überset-zung von HATTOKALLFELZ,in: Lebensbeschreibungen einiger Bischöfe des 10.-12. ]hs.(Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Fhr. v. Stein-Gedächtnisaus-gabe 22) Darmstadt 1973, S. 379.Von den Saliern als den .zweiten Gründern" des Bistums spricht KELLER(wie Anm. 7) S. 77,WEINPURTER(wie Anm. 8) S. 38 von Konrad Il. als dem .zweiten Bistumsgründer', wobei dasVorbild Heinrichs 11.in Bamberg betont wird. - In diesem Zusammenhang soll auf die Erhe-bung Bischof Eberhards von Bamberg zum Erzkanzler Italiens und die Privilegierung seinerKirche durch den neuen König (DD K II 7, 11-14) und den von Ekkehard dem Bischof Brunvon Augsburg und Gisela zugeschriebenen Plan einer Aufhebung des Bistums Bamberg hin-gewiesen werden (BöHMER- APPELT,wie Anm. 20, m.1 Nr. p).

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474 Karl Schmid

lichen Herrscher werden sollte. Indessen bemerkte Weinfurter, Heinrich Ill. habe,als er einen großen Teil des Langhauses für das Königsgräberfeld in Beschlagnehmen ließ, den Dom als Bischofskirche .noch weiter entwertet", wodurch sichder Zwist zwischen Bischof und Kaiser erkläre". Doch fragt es sich, wie man denVorgang der Entwertung einer Bischofskirche durch Königsgräber verstehenkann. Handelte es sich in Wirklichkeit nicht vielmehr um eine Aufwertung?An dieser Frage wird wie in einem Brennpunkt das Problem der Herrschaft des

Kaisers in der Kirche offenbar. War nun die Kirche des Speyerer Bischofs mit derBegründung und dem Ausbau der Herrschergrablege im Begriffe, in eine bischöf-liche und eine königliche Kirche auseinanderzudriften? Oder wurde sie nichtvielmehr gerade dadurch zur salischen Reichskirche schlechthin? Tatsächlich solltedie weitere Belegung des königlichen Gräberfeldes zur Anlage des sog.,Königschores' führen. Wann dieser - vielleicht geschah dies noch unter den letz-ten Saliern (?!) - zur selbständigen Einrichtung im Sinne einer Institution wurde,zur ,Stuhlbrüderschaft' nämlich, ist eine Frage, die noch unbeantwortet ist58• Spä-ter jedenfalls konnten Bürger aus der Stadt Mitglieder der königlichen Stuhlbrü-derschaft werden und den Grab- und Totendienst für die verstorbenen Herrscherin einem eigenen Gestühl des Königschores (chorus regum) vor dem Kreuzaltarversehen. Vor und nach 1125 hatte die Königsgrablege erneute Umbauten erfah-ren, die durch die Erhöhung des Gräberbezirkes zu einer Art Mausoleum wurde.Von dem so gestalteten tumbenförmigen Grabmal hat Burchard von Ursberg,

der die sepultura - wie er berichtet - um 1220 selbst gesehen hat, eine detaillierteBeschreibung hinterlassen'". Die knappe Ansprache der Gräber: FILIVS HIC.PATER HIC. AWS HIC. PROAWS IACET ISTIC. HIC PROAVI CONIUNX. HICHENRICI SENlORIS entspricht der schmucklosen Strenge der Sarkophage, von dereine aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammende Zeichnung aus der vatikani-schen Bibliothek noch einen Eindruck vermitteln kanrrv. Zwar sollte sich zurSalierreihe im ursprünglichen Königschor erst später eine zweite Königsreihe ge-sellen. Doch lassen die knappen Inschriften an den Saliergräbern noch erkennen,daß sie für die vier Herrscher - vom filius über den pater und auus bis zumproavus - zusammen konzipiert worden sind. Dabei weist die Kennzeichnungdes letzten Saliers Heinrichs V. als filius lapidar und unmittelbar auf den pater,

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58WEINFURTER(wie Anm. 8) s. 96.KUBACH,in: KUBACH- HMS (wie Anm. 51) S. 8781T. und HMS (ebd.) S. 702: .Wir werden kaumfehlgehen, wenn wir annehmen, daß die Stuhlbrüder ihren Platz auf den erhöhten Flächen zubeiden Seiten des Gräberfeldes hatten. Sie sind zwar erst im 13. Jh. bezeugt, doch verrichtetensie wohl schon seit salischer Zeit das tägliche Gebet an den Kaisergräbern. Auch die auffälligeErscheinung, daß die mit der Bestattung Berthas und Heinrichs IV. erreichte Breite des Gräber-blocks nie überschritten wurde, ... ist wohl so zu erklären, daß für den Gräberdienst derStuhlbrüder und für den Altardienst am Kreuzaltar Platz benötigt wurde, der nicht einge-schränkt werden sollte. Die Umgestaltung zum Königschor könnte ... ein dritter Grund für denUmbau des Gräberbereichs gewesen sein. Da die Stiftung der Stuhlbrüderschaft durch Heinrichm. nicht gesichert ist, gibt diese Begründung keinen Datierungshinweis, doch würde sie denaus den beiden anderen Begründungen gewonnenen Datierungen ,um 1056' und ,vor 1061'nicht widersprechen.' Auch SCHRElBMOll.ER(wie Anm. 49) S. 274, vermutet dies. - Vgl. ANTONDou, Schriftquellen, in: KUBACH- HMS (wie Anm. 51) Nm. 87 und 89 sowie Nm. 138 und 146.Burchardi praep. Urspergensis Chronicon (MGH Script. rer. Germ. 1916) S. 4; vgl. ebd. Einlei-tung S. XlIT.: Die Notizen finden sich auch am unteren Rand der Zwiefalter Hs. in der Landes-bibliothek Stuttgart Ms. Ne. 411, fol. 207.Zeichnung um 1648 (BibI. Vat. Chigi IM 205/241), Abb. bei SCHMID(wie Anm. 62) Taf. XXV.

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Die Salier als Kaiserdynastie 475

nämlich auf Heinrich IV. Und dementsprechend wird dessen coniunx als die desSeniors Heinrich (Henrict sentoriss bezeichnet. Wenn allein Heinrich IV. mit sei-nem Namen und dazu Senior genannt wird, so erweist sich dieser als Bezugsper-son. Ihr hat der Verfasser der dynastischen Inschriften als Senior eine zentraleStellung unter seinesgleichen eingeräumt.Daß die Bürgerschaft der Stadt in Gestalt der Stuhlbrüder an der Totensorge für

die Herrscher teilnahm und so in sie miteinbezogen wurde, ist gewiß von beson-derer Bedeutung, auch wenn der Zeitpunkt ihrer Gründung bisher noch nichtsicher ermittelt werden konnte", In diesem Zusammenhang spielt jenes außerge-wöhnliche Privileg, das Heinrich V. den Speyerer Bürgern anläßlich der Beiset-zung seines 1106 verstorbenen, aber erst 1111 vom Bann gelösten Vaters an demvon diesem gewünschten Ort im Jahr seiner Kaiserkrönung erteilt hat, eine nochkeineswegs zureichend gewürdigte Rolle62. Fixiert es doch nicht nur die den Bür-gern zugestandenen Rechte. Vielmehr hält es auch deren Pflichten fest: Bestim-mungen insbesondere über den Totendienst. den die Bürger bei der Anniversar-feier fur den toten Kaiser zu verrichten hatten. Sichtbar für alle Dombesucherprangte denn auch der diesbezüglich Text als monumentale Inschrift über demDomportal mit dem Kaiserbild in der Mitte63•Will man die Funktion des Speyerer Domes als kaiserliche Grabkirche ermes-

sen, so kommt man nicht umhin, die salische Stiftung in Speyer nicht als eineeinmalige, sondern als eine solche zu betrachten, deren Wesen in der Fortset-zung, das heißt: in der stetigen Erneuerung zu erblicken ist. Wie der Dom selbstgewachsen ist, so ist die Königsgrabstätte in ihm gewachsen. Schon bei derDomweihe im Jahre 1061 aber war ihr Kern bereits grundgelegt. nachdem derWille des Herrschers, das Stiftergrab in ein königliches Gräberfeld zu verwandeln,dem grollenden Bischof zum Trotz obsiegt hatte. Damit aber entstand zwischender Bischofskirche und dem Königtum eine Bindung besonderer Art, die derBischofskirche Pflichten auferlegte. Wenn sie nicht geregelt waren, konnten sieleicht bis in die Nähe der Abhängigkeit reichen. Jedenfalls eigneten sich als Hüterder Kaisergräber vor allem (oder gar ausschließlich) solche Würdenträger der Kir-che, die in Loyalität zur Herrscherdynastie standen. Tatsächlich finden sich nichtwenige unter ihnen, die es an der Treue zu Kaiser und Reich auch in schweren

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Eine neue Untersuchung erscheint dringend erforderlich; KUBACH(wie Anm. 51) weist S. 876Anm. 45a auf A. RODER,Beiträge zur Geschichte der Stuhlbrüder unter besonderer Berücksich-tigung von Speyer (Diss. Heidelberg 1949), eine nicht zureichende Arbeit, hin. Im Hinblick aufden Totendienst an den Herrschergräbern durch eine Laienbruderschaft hat Volkhard Huth mitder vergleichenden Untersuchung des Typikons aus dem Pantokrator-Kloster in Konstantinopelbegonnen.Vg!. KARLSCHMID,Die Sorge der Salier um ihre Memoria. Zeugnisse, Erwägungen und Fragen,in: Memoria. Der geschichtliche Zeugniswert des liturgischen Gedenkens im Mittelalter(Münstersche Mittelalterschriften 48) München 1984, S. 679f. und S. 722, danach HEIDRICH,Bischöfe (wie Anm. 47) S. 215f. u. HANSJÖRGGRAFEN,Die Speyerer im 11. Jahrhundert. ZurFormierung eines städtischen Selbstverständnisses in der Salierzeit, in: HORSTWOLFGANGBÖHME(Hg.), Siedlungen und Landesausbau zur Salierzeit, 2, Sigmaringen 1991, S. 97-152, bes. S. 140.ALFREDHILGARD,Urkunden zur Geschichte der Stadt Speyer 1, Straßburg 1885, S. 17ff. Nr. 14;vg!. KUBACH- HAAS(wie Anm. 51) Bildband Nr. 14, Textbd. S. 78 Nr. 14; WOLFGANGMüUER,Urkundeninschriften des deutschen Mittelalters (Münchner Historische Studien, Abt. Gesch.Hilfswiss. 13, 1975) S. 23 fT., ebd. Kat. Nr. 2, S. 43ff. mit weiteren Hinweisen.

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476 Karl Schmid

Zeiten nicht fehlen ließen64• Offenbar trieb die Not, die schon Heinrich Ill., be-sonders aber Heinrich IV. nach dem Ausbruch des Investiturstreits zu spürenbekam, das Werk der salischen Stiftung in Speyer ganz wesentlich voran. Deutlichwird dies etwa im Wortlaut der Votivurkunde Heinrichs fur die hI. Maria vonSpeyer am Vorabend der Schlacht gegen Rudolf von Rheinfelden, den sog. Ge-genkönig (D H IV 325). Und war es nicht die inständige Bitte um Hilfe in schwe-ren Stunden, die erneut zum Gelübde, sicher aber zu immer neuen Stiftungen, zurAusstattung, Umgestaltung und Sicherung des im Ansatz strengen, aber monu-mentalen Domes, zur Errichtung des kraftvollen Chorhauptes und des demgegen-über gelöst wirkenden Querhauses führte, nachdem am Beginn des Langhausesder Königschor im Entstehen begriffen war? Welche Besonderheit war gemeint,als der Kaiser in der großen Urkunde fur Speyer von 1101 seine ihm besondersvertrauten Kleriker (praecipue nostros spectales clericos) in nostra speciali sanctaSpirensi ecclesia (D H IV 466) ansprach? In ihrem Bittbrief an Heinrich V. be-zeichneten sich dann die Speyerer Kleriker selbst ausdrücklich als filii specialesseines kaiserlichen Vaters und betonten, seine (Heinrichs IV.) Vorfahren hättenihm Speyer, wo sie ehrenhaft ruhten, mit erblichem Recht anvertraut (Cod. Udal-rici 146). In dem ,kaiserlichen Bau'65suchte daher nicht nur ein einzelner, nein: inihm nahmen alle Salierherrscher Zuflucht bei der Speyerer Gottesmutter, der Pa-tronin der Domkirche.Gewiß hat in der Grablege des Speyerer Doms das salische Dynastiebewußtsein

seinen überzeugendsten Ausdruck gefunden. Und doch sollte dabei nicht über-sehen werden, daß die Dynastiebildung keineswegs eine selbstverständlicheFolge des Verlaufs salischer Kaiserherrschaft im Reich des 11. und beginnenden12. Jahrhunderts gewesen ist. Von der friedlich erscheinenden Versammlung dertoten Repräsentanten des Reiches im salischen Dom darf mit anderen Wortennicht einfach auf eine spannungsfreie oder gar harmonische Dynastie- bzw. Fami-liengeschichte der salischen Herrscher geschlossen werden. In Wirklichkeit näm-lich haften ihr - worauf erneut abzuheben ist - ganz andere Züge an. Erinnert seietwa an die salischen Vater-Sohn-Konflikte=. Dabei wurde jedes erträgliche Maßim Fall der Entmachtung des Vaters durch den Sohn überschritten. Gemeint istHeinrichs V. Übernahme der Herrschaft auf dem Mainzer Hoftag an der Vigil vonEpiphanie 1106 unter Mitwirkung der Großen und der Vertreter der Kirche gegenden Willen des gebannten und gefangengesetzten Vaters. Handelte es sich dabeium die mit .skrupelloser Brutalität" begangene .teuflischste Tat der ganzen deut-schen Geschichte" oder um den Versuch der Rettung der salischen Dynastiedurch den propugnator paterni regni 67?Was ist von dieser Alternative zu halten?

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Hervorzuheben sind die Bischöfe Huzman und Johannes; allg. vg!. HERBERTZIELINSKI,DerReichsepiskopat in spätottonischer und friihsalischer Zeit, Stuttgart 1984, bes. S. 148f.Zum Vergleich mit Cluny vg!. WILLlBALDSAUERLÄNDER,Cluny und Speyer, in: Investiturstreit undReichsverfassung, hg. v. JOSEFFLECKENSTEIN(Vorträge und Forschungen 17) Sigmaringen 1973, S.9-32, bes. S. 28ff. (Zitat S. 28). - Zur Baukunst in der Salierzeit hat neuerdings GÜNTHERBINDINGin einem Münsterer Vortrag 1991 Stellung genommen.Zum Vergleich der Vater-Sohn-Konflikte zwischen Konrad n. und Heinrich Ill. sowie HeinrichIV. und Heinrich V. vgl. SCHMID (wie Anm. 3) S. 32ff. und S. 37ff.KARLHAMPE,Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer, bis zur dritten Aufla-ge: Leipzig 1916, S. 74, danach weggelasssen; CARLOSERVATlUS,Paschalis 11.0099-1125). Studienzu seiner Person und seiner Politik (Päpste und Papsttum 14) Stuttgart 1979, S. 140, Quellen-zitat: Ekkehard I (wie Anm. 70) S. 1%; vg!. WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 140 und 144 und schon

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Die Salier als Kaiserdynastie 477

Auch sie ist gewiß unzulässig. Doch sei daran erinnert, daß sich der Sohn um desVaters Lösung vom Bann und Bestattung an der Seite seiner kaiserlichen Ahnenbemühte, auch wenn er sie erst im Jahre 1111, im ersten Jahr seines Kaisertums,erreichte.So wird im Vergleich der ottonischen Herrscherbestattungen in Quedlinburg,

Magdeburg, Rom, Aachen und Bamberg zu den salischen in Speyer das ganzunverkennbar, was ,die dynastische Stiftung' der Salier ausmacht. Es fragt sichjedoch, ob die Erklärung gerechtfertigt ist, die Herrscher der sächsischen Dynastieerschienen im Spiegel ihres jeweiligen Begräbnisortes gewissermaßen als"Individuen", "mit der Person sei auch das jeweilige Königtum zu Ende gegangen,das mit dem Nachfolger jedesmal neu entstanden" sei, ganz wie sich die Pavesen1025 nach Wipo den Wirkungs- und Rechtsanspruch von König und Königtumvorgestellt hätten=, Die Individualität der Herrscher als Erklärung für den erwähn-ten Unterschied bei den Bestattungsorten der Ottonen und der Salier dürfte näm-lich schon deshalb kaum ausreichen, weil nicht nur von der Eigenprägung desKönigtums eines jeden Herrschers wie auch einer jeden Herrscherpersönlichkeitselbst, sondern ganz gewiß auch von der Eigenart der Herrscherdynastie als einersolchen die Rede sein muß. So sehr gewiß jeder herrscherliehen Stiftung besonde-re, d.h. individuelle Motive und Belange des jeweiligen Stifters zugrunde lagen, sowar andererseits der König Repräsentant der Herrschaft nicht nur als Person oderals Amtsträger. Vielmehr war er als Haupt einer Familie zur Bewahrung der Herr-schaft in ihr und durch sie berufen, da sich sonst die Bildung von Herrscherdyna-stien nicht erklären und verstehen ließe. Weiß man doch, daß es die Ottonengewesen sind, die in der Ablösung der karolingischen Königssippe das Mitkönig-tum der Thronfolger praktiziert haben, das im Wahlkönigtum kaum seine zentraleErklärung finden dürfte. Und nicht zuletzt wußte sich der König auch dem Volks-stamm verbunden, aus dem er kam. Kein Wunder, daß das Königtum der Otto-nen zu einem nicht geringen Teil auf seiner Verankerung in Sachsen gründete,wofür die Königsgräber in Quedlinburg und Magdeburg ein sichtbarer Ausdrucksind. Daher dürfte die individuelle Herrschaft jedes einzelnen Königs nicht dieeinzige Erklärung des Befundes der in der Weite des Reiches verteilten Königs-gräber sein. Scheint doch ihre Aufteilung der Verteilung der Herrschaft und derKirchen im Reich eher zu entsprechen, einer Verteilung, die das Unterwegsseindes Königs in den Landschaften des Reiches erklärt und ihren Niederschlag etwaauch in der Lage und Nutzung der Pfalzen fand69• Sie aber hatte damals durchausder jeweiligen Struktur der Herrschaft im Reich entsprochen. Die Entstehung der

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SCHMlO(wie Anm. 3) S. 39. - WEINFURTERformuliert (ebd.) S. 122 zugespitzt: Der salische König,der zu Beginn der Dynastie unter Konrad Ir. noch der .entscheidende Integrationsfaktor desReiches" war und die Einheit des Reiches in seiner Herrschaft stabilisierte, wurde nun umge-kehrt gleichsam zu einem .Risikofaktor für Einheit und Frieden",WEINFURTER(wie Anm. 40) S. 57.Von der .Herrschaft des auf Reisen regierenden Königs" spricht THOMASZOTZ, Grundlagen undZentren der Königsherrschaft im Südwesten, in: Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtau-sends in Südwestdeutschland (Archäologie und Geschichte 1) Sigmaringen 1990, S. 275-293(Zitat S. 275); vgl, DERS., Präsenz und Repräsentation. Beobachtungen zur königlichen Herr-schaftspraxis im hohen und späten Mittelalter, in: Herrschaft als soziale Praxis. Historische undsozial-anthropologische Studien, hg. v. ALF LOOTKE<Schriften des Max-Planck-Instituts für Ge-schichte 91) Göttingen 1991, S. 168-194, hier S. 194.

478 Karl Schmid

Kaisergrablege im Speyerer Dom ist damit aber um so bemerkenswerter und for-dert daher eine Erklärung geradezu heraus.

11.3Von der Eigenart und von der Krise der salischen Dynastie

Versucht man, die Salier innerhalb der Geschichte der mittelalterlichen Herrscher-geschlechter als Dynastie näher zu charakterisieren, so erhebt sich die Frage nachihrer Eigenart.Als Ausgangspunkt eines solchen Fragens bietet sich die Weltchronik Frutolfs

an, eines Mönchs vom Michelsberg in Bamberg der Zeit vor 1100. Das Autographder Chronik, das von Ekkehard von Aura bekanntlich fortgesetzt worden ist, be-richtet zum Jahr 919: Nach dem Erlöschen der stirps Karolorum in regno Fran-corum sei das Reich durch Heinrich auf die Sachsen übertragen worden (regnumad Saxones transferturi": Es folgt die Bemerkung: Genealogtam Karolorum causamemoriae breuiter deptngarnus, und dementsprechend schließt ein Stemma derKarolingergenealogie (Abb. 117) ,zum Zweck der Erinnerung' an, worauf dieOrlgo gentis Saxonum folgt. Das Stemma zeigt den mit dem hI. Arnulf von Metzbeginnenden Karolingerstamm, der sich in drei Äste teilt, die mit Kaiser Lothar,Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen einsetzen. Die Präsentation odervielleicht gar die Verheißung der Nachkommenschaft geschieht durch eineSchriftrolle, die von den figürlich dargestellten Eltern des Heiligen getragen wirdund damit von ihnen ausgeht. Ihre Nimben sollen wohl auf die Heiligkeit des Ge-schlechtes Arnulfs hinweisen.Die zweite, im Anschluß an den Bericht zum Jahr 1024 eingefügte Federzeich-

nung stellt die sächsisch-ottonische Dynastie dar (Abb. 118), deren StammvaterLIVTOLFVSDVX SAXONIE auf einem Thron sitzend zwei Medaillons mit denNamen seiner Söhne Brun und Otto in die Höhe hält. Von Letzterem entspringenweitere Medaillons mit den Namen der Herzöge, Könige und Kaiser des Ge-schlechtes der sog. ,LiudoIfinger': Heinrich und Otto. An die Stelle der Eltern desHeiligen ist nun der Sachsenherzog getreten, der die Heraufkunft seines zurhöchsten Herrschaft bestimmten Geschlechtes verkündet. Als dux Saxonie reprä-sentiert er den Stamm, dessen Herrschergeschlecht mit dem schließlich Kaisergewordenen Babenbergensis dux Baioariae erlosch. In zahlreichen Handschriftender Frutolfschen Weltchronik mit den Fortsetzungen Ekkehards sind diese beidenStemmata mit interessanten, die Darstellung und die Beischriften betreffenden Va-rianten überliefert". Auf sie kann hier nicht eingegangen werden, auch nicht aufdie Entstehung der Karolingertafel".

70 Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die anonyme Kaiserchronik, ed. FRANZ-JOSEFSCHMALEund IRENESCHMALE-Orr(Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters,Frh.v.Stein-Gedächtnisausgabe IS) Darmstadt 1972, S. 17; MGH SS 6, S. 175; künftig MGH,Script. rer. Germ. (im Druck). .Zu den Stemmata in den Handschriften der Frutold-Ekkehardschen Chronik vgl. einstweilenGÄDEKE(wie Anm. 33) S. 118ff.Zu den Karolingertafeln künftig KARLSCHMID,Geschlechterbewußtsein als Ausdruck ausgewähl-ter karolingischer (Bild-)Stemmata aus dem hohen Mittelalter, in: Festschrift Georges Duby, hg.v. College de France (im Druck).

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Die Salier als Kaiserdynastie 479

Indessen enthält die Berliner Frutolf-Ekkehard-Handschrift aus der Mitte des 12.Jahrhunderts vier lavierte, d.h. durch Tintenverwischungen plastisch ausgestaltetePederzeichnungen'". Die beiden ersten stellen wiederum die Karolinger- bzw.Ottonengenealogie dar und hängen, was den Personenbestand angeht, von denFrutolfschen Tafeln ab. Die beiden letzten, auf die Salier bezogenen Federzeich-nungen sind hingegen einzigartig.Vor ihrer eingehenden Betrachtung bleibt festzustellen, daß der Vergleich der

Berliner Karolingertafel mit ihrer Entsprechung, richtiger wohl: ihrer Vorlage beiFrutolf (Abb. 119) auf den ersten Blick zwei neue Elemente der Darstellung zeigt:Einmal sind die mit Namen versehenen Medaillons als Kopfbildnisse mit Inschrif-ten gestaltet, die aus den Fenstern eines Gebäudes heraussehen. Und zum ande-ren ist das Stemma in ein Haus eingefügt, dessen Mauern zu beiden Seiten vonTürmen flankiert werden. Das Elternpaar des mit Nimbus und Tonsur versehenenHeiligen Arnulf inmitten seiner nun nicht mehr in großartiger Verkündigungspose,sondern eher zusammengekauert sitzenden Eltern tritt zu Gunsten des mit einerBurg vergleichbaren Gebäudes zurück. Und die Ottonentafel (Abb. 120) gibt beimVergleich mit der Frutolfschen Vorlage die gleiche Tendenz noch drastischer zuerkennen. Der Stammvater und Sachsenherzog Liudolf sitzt nun zwischen seinenSöhnen Brun und Otto, wobei mit den Händen ergriffene Bänder die Filiationenanzeigen. Während das erste Band Liudolf und den von den Heiden erschlagenenBrun miteinander verbindet, gehen von den Händen Herzog Ottos zwei Bänderaus, zu den Heinrichen und Ottonen, bzw. zur Frau Baba. Die Könige und Kaisertragen Kronen, und es findet sich außer der schon genannten Baba noch eineandere Frau dargestellt: die Kaiserin Kunigunde. Der thronende Liudolf ist mitseinen Nachfahren wiederum in ein festes Haus mit Dachkonstruktion eingefügt.Das lediglich in der Berliner Frutolf-Ekkehard-Handschrift überlieferte Salier-

stemma (Abb. 121) hat, was die Saliergenealogie angeht, keine Vorlage. Unddoch erinnert die Darstellung des auf dem Thron sitzenden COVNRADVSIMPE-RATORganz unmittelbar an den thronenden Liudolf der Frutolf-Handschrift (Abb.118). Hält jener zwei, so streckt dieser nurmehr ein Medaillon in die Höhe, dasseines Sohnes. Es zeigt dessen Brustbild, von dem weitere bebilderte Medaillonsabhängen, unter denen besonders zwei, dasjenige des im königlichen Ornat dar-gestellten Königs Heinrich V. und jenes der darüber ins Bild gesetzten Fraunamens ,Adelheit', in die Augen fallen. Wiederum steht der Thron des Kaisersunter einem Arkadenbogen, der durch steinerne Zinnen und Türme bekrönt an

~ Mit Datierung ,um 1130·, vielleicht aus Corvey: TILOBRANDIS(Hg.), Zimelien. AbendländischeHandschriften aus den Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Wiesbaden 1976, Nr.74 S. 9Of., Abb. S. 122. - Die alte Datierung: 12. saec. ex. WAlTZ,in: MGH SS 6, S. 15, wirdneuerdings wieder vertreten in: TILOBRANDIS(Hg.), Glanz alter Buchkunst. MittelalterlicheHandschriften der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Wiesbaden 1980, Nr. 31 S.74; demnächst ANDREASFINGERNAGEL,Die illuminierten Handschriften der Preuß. Staatsbib!. Ber-lin, Bd. 1, Wiesbaden 1991 (Einsichtnahme verdanke ich Herrn Dr. Michael): 2. Hälfte 12. Jahr-hundert, um 1200 im Kloster Berge. - Zur Beschreibung der Federzeichnung vgl, A. F. J. RIEDEL,Über die Havelberger Handschrift der Weltchronik des Ekkehard von Aura, in: Serapeum. Zeit-schrift für Bibliothekswissenschaft, Handschriftenkunde und ältere Literatur I, leipzig 1848, S.185-191 mit Tab. I-IV; VALENTINROSE,Die Handschriften-Verzeichnisse der königlichen Biblio-thek zu Berlin 13, Lat. Hss. 11.3,Berlin 1905, Nr. 858 S. 1003f.; PETERBLOCH,Bildnis im Mittel-alter. Herrscherbild - Grabbild - Stifterbild, in: Bilder vom Menschen in der Kunst des Abend-landes, Jubiläumsausstellung der Preußischen Museen Berlin ]830-1980, Berlin 1980, KatalogNr. 7 S. 124.

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eine bewehrte Burg erinnert. Ein anderer Unterschied kommt hinzu: Während dieKarolinger- und die Ottonentafel in der Frutolfschen Chronik jeweils zum Endeder Epochen der Karolinger (919) und der Ottonen (024) als Erinnerungsbildergleichsam eingefügt sind, stehen in der Berliner Handschrift alle drei Tafeln, dieder Karolinger-, Ottonen- und Saliergenealogien, in unmittelbarer Folge zusam-men am Beginn der Berichte zu den Regierungsjahren Konrads n. An dieser Stellenämlich beginnt die Chronik des ersten Königs aus der Dynastie der regierendenHerrscher. Dieser bemerkenswerte Befund hat sein Pendant in dem anderen, dernicht weniger merkwürdig ist. Am Ende des Eintrags zum Jahr 1105 findet sichdie berühmte Federzeichnung der Insignienübergabe (Abb. 122). Sie zeigt untereiner durch Zinnen und drei Gebäude bekrönten Arkade zwei stehende, einanderzugewandte Herrscher. Der ältere reicht dem deutlich erhöht postierten jüngerenHerrscher, der schon das Szepter in den Händen hält, die Krone und die mit demKreuz versehene Weltkugel, den sog. Reichsapfel, dar.Ist es Zufall, daß diese Konstellation der Federzeichnungen nur in einer einzi-

gen Handschrift der nicht gerade spärlichen Überlieferung der Frutolf-Ekkehard-Chronik" erhalten geblieben ist? Markieren sie nicht, beginnend mit den mittel-alterlichen Kaiserdynastien der Karolinger, Ottonen und Salier (Abb. 119-121) undendend mit dem Übergang der Herrschaft auf Heinrich V. (Abb, 122), den Anfangund die aktuelle Situation der Kaiserdynastie, die in die Krise geraten war? Dabeifällt beim Salierstemma (Abb. 121) der unmittelbare Einsatz mit Kaiser Konrad Il.auf, während die Stemmata der Karolinger und Ottonen (Abb. 119/120)mit Arnulfbzw. Liudolf, den Vorfahren derselben, beginnen. Steht das mit dem Chroniktextdurchaus im Einklang", so wird eine Origo der Salier nicht eigens geboten, wasdem Einsetzen von Text und Federzeichnung mit Konrad n. entspricht. Obschondessen Geschlecht bis zu den jungen Königen Konrad und Heinrich samt ihrerSchwester ,Adelheit' (Agnes) (Abb. 121) als ein noch herrschendes dargestelltwird", fragt es sich, was die bildliehe Veranschaulichung des Insignienübergangs(Abb. 122) und der Beginn eines neuen Buches mit ihr eigentlich bezwecken.Offenbar sollte mit dem auf diese Weise hervorgehobenen Herrschaftswechsel einEnde und zugleich ein Anfang gesetzt werden. Durch ihn erhielten die DienerGottes endlich wieder ihr ihnen zukommendes rechtgläubiges Haupt (caput). Solautet die Erklärung in dem auf die Federzeichnung des Insignienübergangs fol-genden Dedikationsbrief an den neuen König .• In der Anfangszeit der RegierungHeinrichs V." verfaßt", diente dieses wichtige Zeugnis später als Prolog des fünf-

7. VgI. einstweilen GEORGWAlTZ,MGH SS 6, S. 13ff. und ScHMALE- SCHMALE-On(wie Anm. 70),Einleitung passim und künftig DIES.,Einleitung zur MGH-Ausgabe in Script. rer. Germ. (imDruck). - Kopien der Federzeichnungen in den einzelnen Überlieferungen haben mir freund-licherweise Frau und Herr Schmale zur Verfügung gestellt. Bemerkenswert in der GothaerHandschrift aus Erfurt (Memb. I 92) ist auf der Karolingertafel fol. 138v die Darstellung derPäpste Hadrian und Leo, wobei es sich wohl um die angeblichen Aussteller der falschen Inve-stiturprivilegien, d.h. Hadrian I. und Leo VIII. handelt, was bisher, soweit ich sehe, nicht be-merkt worden ist, vgl. CLAUOIAMÄRTL,Die falschen Investiturprivilegien (MGH Fontes iur.Germ. ant. in us. schol. 13) Hannover 1983. Darauf werde ich zurückkommen (wie Anm. 103).Er geht am Beginn des Berichtes über Konrad 11.nicht auf dessen Vorfahren ein, sondern aufdie Rolle, die Bischof Eberhard von Bamberg und sein Widersacher Bischof Brun von Augsburggespielt haben sollen, vgl, BRESSLAU (wie Anm. 4) I, S. 30f.Vgl. SCHMIO(wie Anm. 3) S. 37ff.So SCHMALIl-SCHMALIl-Orr(wie Anm. 70) S. 206f.

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Die Salier als Kaiserdynastie 481

ten Buches, das die Darstellung der Geschichte des neuen Herrschers enthaltensollte.Welche Funktion hatte dieser Text ursprünglich? Angesichts des in der Feder-

zeichnung wie im Dedikationsbrief zum Ausdruck gebrachten, die Einheit vonKirche und Reich wiederherstellenden Herrschaftswechsels vom Vater auf denSohn gilt es, die in ihm zum Ausdruck kommende, unverkennbare Zäsur zu be-denken. Formal ist sie durch den Beginn eines neuen Buches in der Weltchronikgesetzt. Und inhaltlich stellt der Übergang der Reichsinsignien und damit des Im-periums vom Vater auf den Sohn deshalb eine Zäsur dar, weil Ekkehard zufolgedurch diesen Akt der junge König in die Lage versetzt wurde, die unselige Spal-tung von Kirche und Reich zu überwinden und den Frieden zu gewinnen 78. DieÜberzeugung von der Notwendigkeit der Wiederherstellung der Einheit von Reichund Kirche war offenbar so groß, daß sich aus ihr der Beginn eines neuen Bu-ches der (We1t-)Geschichte erklärt. Sie hat ihren Ausdruck im Bild und in jenemschon zitierten Text gefunden, mit dem der an die Arbeit zurückgekehrteGeschichtsschreiber die nun anbrechende neue Epoche preist: Beata erü et ultraipsas atnte materneque sttrpis magnificentias gloriosior producetur etas tua - zudeutsch: .,Glücklich sei dein Zeitalter und ruhmreich möge es noch über dieGröße des großväterlichen und mütterlichen Geschlechtes hinausgeführt wer-den'?".Trotz wesentlicher Fortschritte in der Beurteilung der mit Federzeichnungen der

Kaiserdynastien ausgestatteten Weltchronik und ihren Fortsetzungen bzw. Über-nahrnen'" ist es bisher nicht gelungen, die Gestalt der aus der anonymen Kaiser-chronik und der fur den Abt Erkenbert von Corvey bestimmten ChronikfassungEkkehards erschlossenen Rezension, der sog. Fassung Ekkehard II der Frutolf-chronik, zu bestimmen. Diese nicht mehr erhaltene Fassung bringt über die vonEkkehard im Autograph Frutolfs bis zum Mainzer Akt von 1105/06 geführteChronik Neues lediglich zum Jahr 1106. Mit dem Bericht über die Kirchenver-sammlung von Guastalla gegen Ende des Oktober endet es jedoch schon wie-der". Die Aussicht auf eine alle noch offenen Fragen klärende Zusammenkunftvon Papst und König wird Ekkehard letztlich bewogen haben, "den wieder auf-geweckten, gerechten Sproß Davids" Csuscuatum Dauid germen iustum) zubeglückwünschen und ihm seinen Bericht vom Weg zu widmen, der ihn zu der

78 Dies ergibt sich aus der Mitteilung Ekkehards, der Kaiser habe dem Rat beider Seiten (nämlichder Reichsfürsten und der päpstlichen Legaten), seine Schuld zu bekennen und Genugtuung zuleisten, zugestimmt und die Insignien in die Gewalt des Sohnes gegeben, Ekkehard I (wieAnm. 70) S. 202ff.ScHMALE- SCHMALE-Orr(wie Anm. 70) S. 208f.Zuletzt durch Forschungen von FRANZ-JOSEfSCHMALE,Zur Abfassungszeit von Frutolfs Weltchr0-nik, in: 102. Bericht des Historischen Vereins Bamberg, 1966, S. 81-87; DERS.,Überlieferungs-kritik und Editionsprinzipien der Chronik Ekkehards von Aura, in: Deutsches Archiv für Erfor-schung des Mittelalters 27, 1971, S. 110-134 und IRENESCHMALE-Orr,Die Rezension C der Welt-chronik Ekkehards, ebd. 12, 1956, S. 363-387; DIES.,Untersuchungen zu Ekkehard von Auraund zur Kaiserchronik, Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 34, 1971, S. 403-461.Bemerkenswert ist Ekkehards Betonung des Auftrags der Gesandtschaften nach Rom im An-schluß an den Mainzer Hoftag 1105/06 und zur Synode von Guastalla, an denen er selbst teil-genommen haue, Papst Paschal II. zu einer Reise über die Alpen zu bewegen. Wurde die ersteGesandtschaft in Trient vereitelt, so kehrte die zweite in der Gewißheit zurück, der Papstwerde seine Reise so planen, daß er mit dem König das Weihnachtsfest in Mainz feiern könnte,s. Ekkehard I/lIl (wie Anm. 70) S. 202f., S. 272ff. und S. 292f. bzw. Kaiserchronik III, S. 246f.

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nunmehr beginnendenruhmreichen Herrschaft führte. Daß Ekkehards Berichtzum Jahr 1106, wie schon vorgeschlagen worden ist82, mit der Ankündigung desPapstbesuches beim König endete, dürfte nicht nur der Hoffnung entsprochenhaben, die Ekkehard und Heinrich V. damals hegten. Vielmehr spricht dafür auchdie Art und Weise, wie im Jahresbericht von 1107 die enttäuschende Sinnesände-rung des Papstes unter anderem wegen der Unverschämtheit der Deutschen(quasi proteruiam Teutonicorum) mitgeteilt wird83, der anstatt Deutschland nunplötzlich Frankreich aufsuchte und nicht in Mainz, sondern in Cluny das Weih-nachtsfest feierte. Als Ekkehard hoffnungsfroh schrieb, hat er das wohl nichtgeahnt, geschweige denn schon gewußt.Ein bis zwei Jahre früher hatte der von Bischof Otto von Bamberg aus Bayern

mitgenommene Ekkehard im Kloster auf dem Michelsberg die WeltchronikFrutolfs fortgesetzte', Daß er als entschiedener Anhänger Heinrichs V. jedoch da-nach das Autograph nicht mehr weiterführte, sondern der Darstellung der Anfän-ge des neuen Königs in seinem leidenschaftlichen Engagement auch eine neueForm gab, hängt wohl damit zusammen, daß sein Einsatz für den neuen Königsich mehr und mehr auch auf aktuelle Dienste erstreckte, was ihn in der Über-zeugung bestärkt haben mag, mit dem Gewinn und der Durchsetzung der Herr-schaft Heinrichs V. breche eine neue Epoche an. Ekkehards Tätigkeit in der Zeitdes Herrschaftswechsels versteht sich somit allein aus seiner Einsicht in die Not-wendigkeit des Kampfes des Sohnes gegen den Vater.Man weiß, daß sich Ekkehard nicht in gleicher Weise wie Frutolf für die Ver-

gangenheit interessierte. Selbst vielmehr aktiv am politischen Geschehen seinerZeit teilnehmend, hat er sich wohl immer häufiger und länger an der Seite Hein-richs V. aufgehalten». Auf seine Geschichtsschreibung wirkte sich dies dahin-gehend aus, daß er nun nicht mehr einfach die Frutolfsche Weltchronik weiter-führte, sondern mit seiner Schreibtätigkeit stärker und unmittelbarer in den Kampfseines Königs eingriff. Betrachtet man unter diesem Aspekt die Wiederaufnahmeder Arbeit, wie sie Ekkehard selbst in seinem Dedikationsbrief an den neuen Kö-nig beschrieb und begründete, so ergeben sich daraus Kriterien für den Rück-schluß auf die Form und den Inhalt der Schrift, die er dem Herrscher aus Anlaßseines Herrschaftsantritts zum Geschenk machte. Seine Feststellung, nach langerZeit lohne es sich wieder zu schreiben, da der König endlich zu seiner ruhmrei-chen Herrschaft gelangt sei86, bezieht sich offenbar nicht nur auf den Heinrich V.dedizierten Text. Vielmehr hat sich Ekkehard darin dem jungen König als dessenGeschichtsschreiber für die Zukunft angetragen: Dem Oberhaupt aller katholi-

82SCHMALE- SCHMALE-Orr (wie Anm. 70) S. 293 Anm. 66, desg!. SCHMALE-Orr, Kaiserchronik (wieAnm. SO) S. 412f.Ekkehard III (wie Anm. 70) S. 294. - Vgl. BRÜHL(wie Anm. 125) S. 719, wo auf diese Stelle je-doch nicht eingegangen wird.SCHMALE- SCHMALE-Orr (wie Anm. 70) S. 22ff.; SCHMALE-Orr, Kaiserchronik (wie Anm. 80)S. 405ff.j zuletzt: THOMASFRENZ,Ekkehard von Aura (+1126), Fränkische Lebensbilder 11, 1984,&l~Q .Dazu vor allem SCHMALE·Orr,Kaiserchronik (wie Anm. SO) S. 418ff.Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint die Stelle ultra vires insennturum im Dedikations-brief, Ekkehard 11 (wie Anm. 70) S. 206, vg!. dazu Übersetzung ebd. S. 207.

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sehen und rechtgläubigen Glieder der Kirche wollte er zu Diensten sein, demdominus gentium, wie er seinen Herrn anredete".Den Kern der diesem Herrn dedizierten Schrift stellte nun aber gewiß nicht eine

Fortsetzung von Frutolfs Weltchronik dar, sondern betraf ganz konkret die Ablö-sung des Kaisers in der Herrschaft und den Gewinn derselben durch seinen Sohn,den jungen König, einen Vorgang, der es seiner Meinung nach rechtfertigte, mitihm ein neues Buch der Geschichte zu beginnen. Bei der Fortsetzung von FrutolfsAutograph bis zum Mainzer Akt von 1105/06 hob er diesen zwar schon gebüh-rend hervor", auch wenn er ihn als Beginn einer etas beata noch nicht gekenn-zeichnet hat. Erst die Überwindung der darauf folgenden Not (miseriae), die dereximperator heraufbeschwor, da er allüberall im Reich und darüber hinaus durchBriefe und Boten verkünden ließ, er sei von seinem eigenen Sohn aus der Herr-schaft vertrieben worden, und alle Väter hätten das gleiche Geschick wie er zuerwarten, stellte den Sieg des neuen Königs sicher. Dieser indessen war endgültigerst durch den Jubel hervorrufenden Tod Heinrichs IV. errungen.In der letzten Phase der Auseinandersetzung zwischen dem Sohn und dem

Vater aber sollte Ekkehard immer stärker in den Vordergrund treten. Auf denBrief Heinrichs IV. an die Fürsten des Reiches, mit dem er sich zur Annahmeihres den Honor des Reiches betreffenden Rates und auch des den Status der Kir-che betreffenden Rates seines Taufpaten Hugo von Cluny bereit erklärte und ver-sprach, dem Papst Gehorsam zu leisten, reagierte Ekkehard nicht nur alsGeschichtsschreiber, indem er ihn im Wortlaut wiedergab und kommentierte.Vielmehr konnte erwiesen werden, daß Ekkehard die Antwort des Königs undder Fürsten auf den anderen im Tenor gleichlautenden Brief des Vaters an denSohn selbst verfaßt hat. Vor ihrer Übermittlung an den Kaiser öffentlich bekanntgemacht (prius publice predicari), stellte sie nochmals in aller Klarheit den Stand-punkt der Anhänger und Verfechter der Sache des Sohnes fest: ,Wir, die Söhnedieser Braut Christi (der Kirche nämlich), haben uns durch den Heiligen Geisteinmütig zur Einheit des Glaubens bekehrt; wir haben daher das unverbesserlicheHaupt jener Spaltungen selbst, unseren so genannten Kaiser Heinrich, ... verwor-fen (ipsumque tncorrigibüe scismatum illorum caput, Heinricum scilicet dictumimperatorem nostrum, ... abdicaoimus) und uns einen rechtgläubigen König ausseinem Samen erwählt (catholicum nobis licet ipsius de semine natum, regem ele-gimus). In der Erkenntnis, daß der Anfang von dessen Herrschaft das Ende dereigenen sei (cuius regni principium sui finem esse conspiciens), stimmte er, dersogenannte Kaiser, selbst gleichsam freiwillig und doch, wie seine Briefe verraten,allzu unwillig zu; er gab die Abzeichen der königlichen Würde zurück (ipse tarn-quam uoluntarius, sed, ut tarn eius fatentur lite~, nimis inoüus collaudaoit, rega-lia reddidit) ... und gelobte, sich nicht mehr um das Gepränge des Königtums

87 Ekkehard gibt sich als Glied der Kirche (catbolicum et ortbodoxum eiusdem eccleste membrum)mit einem Haupt (caput), das der Kaiser darstellt, wie Anm. 86.Was vor allem in der ausführlichen Datierung in Erscheinung tritt, die wie ein Einschnitt wirkt:regnare cepit LXXXVIII. loco ab Augusto, L.patris sui anno, ab Urbe condita MDCCCLVI/. anno,ab origine mundt 'OiLV//f., domlnlc9 vera tncamauonis, ut dictum est, MCV/. anno, (wie Anm.70) S. 204. - Genau bis dahin reicht in Ottos von Freising Chronik die Übernahme aus Frutolf-Ekkehard (wie Anm. 93) S. 518.

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(nu/lam regni pompam), sondern nur noch um das Heil seiner Seele zu kürn-mern'89.. Daß sich Ekkehard, der Verfasser dieser Botschaft an den senior, wie nunHeinrich IV. genannt wird?", hier als der geistige Kopf der Sache des Sohnes inder Auseinandersetzung mit dem Vater erweist, darf bei der Beurteilung seiner imJahr 1106 geschriebenen und Heinrich V. dedizierten Darstellung des Geschehens(Ekkehard 11) nicht unberücksichtig bleiben. Ein zentraler Punkt dabei waraugenscheinlich der Übergang der Insignien. Das geht wohl eindeutig aus Ekke-hards Reaktion auf den mehrfach von Heinrich IV. in seinen Briefen, vor allem indem an den Sohn gerichteten Vorwurf hervor: in captione uero, quicquid resi-duum erat, etiam /anceam et erueem et omnia regalia insignia Vi et timore monts- ut ipse bene scis et omnt ferme iam notum est cbristianitatt - a nobis extorsisti,vtx relicta ipsa uüa 91.

Wie schwer und empfindlich der Vorwurf der Erpressung im Hinblick auf denÜbergang der Insignien den neuen König offenbar getroffen hat, gibt die bemer-kenswert verklausulierte Erklärung Ekkehards zu erkennen: ,gleichsam freiwillig(ooluntanus), jedoch, wie seine Briefe verraten, allzu unwillig (invitus), habe erzugestimmt (collaudavit) und die Insignien zurückgegeben (regalia reddidity:Bemerkenswert, weil Ekkehard vordem im Bericht über den Mainzer Akt präziserformulierte: regalia vel imperialia insignia, crueem scilicet et lancearn, sceptrum,globum atque coronam, filii potestati tradidtt 92. Aus der offenbar schwierigen,wenn nicht peinlichen Situation dürfte es sich erklären, daß Ekkehard auf denGedanken verfiel, die Ablösung der Herrschaft des Seniors durch den Junior mitdem Übergang der Insignien von jenem auf diesen ins Bild zu setzen. Trifft dieszu, was wohl kaum zweifelhaft erscheint, dann zeigt die Federzeichnung zwi-schen den Verbformen tradidü bzw. reddtdu weniger die ,Insignienübergabe' alsvielmehr die .tnsrgruenrückgabe'». Darüber hinaus kommt im gleichen Satz-

89 Ekkehard III (wie Anm. 70) S. 282ff. - Zur Verfasserschaft Ekkehards: SCHMALE-Oir,Kaiser-chronik (wie Anm. 80) S. 408 mit Anm. 10.Ekkehard III (wie Anm. 70) S. 284 danach: ad Heinricum seniorem ebd. S. 286.ERDMANN,Briefe Heinrichs IV. (wie Anm. 36) Nr. 40 S. 59.Ekkehard I (wie Anm. 70) S. 204; vgl. SCHMID(wie Anm. 3) S. 39; HUTH(wie Anm. 93).Was ,Rückgabe' im Unterschied zu ,Übergabe' bedeutet, ist noch nicht diskutiert worden. - Esfragt sich, ob sich die Federzeichnung .an das für eine Thronübergabe aus Byzanz überliefertehieratische Schema" hält, insofern .man jede königliche Gewalt als von Gott eingesetztempfand" (Zimelien, wie Anm. 73, S. 91), zumal da dies durch ein entsprechendes Bildzeugnisnicht erwiesen ist, dazu VOLKHARDHUfH, Reichsinsignien und Herrschaftsentzug. Eine verglei-chende Skizze zu Heinrich IV. und Heinrich (VII.) im Spiegel der Vorgänge von 1105/06 und1235, in: Frühmittelalterliche Studien 26, 1992, S. 287-330, hier Anm. 1. - Wie man daher dendargestellten Vorgang angesichts der Tatasache zu verstehen hat, daß keine persönliche Über-gabe, sondern nur die offenbar erzwungene Einwilligung in die Auslieferung der auf der BurgHammerstein stationierten Insignien stattgefunden hat, bedarf sorgfältiger Prüfung; dazu alsQuelle wichtig: Libellus de rebellione, in: Annales Hildesheimenses, hg. v. GEORGWAlTZ(MGHScript. rer. Germ. 1878, ND 1947) S. 55f., s. den zit. Beitrag von HUTH.- Man wird dem Auf-traggeber der Federzeichnung, wohl Ekkehard selbst, eine solche nach unseren Begriffen,falsche' Darstellung kaum unterstellen können, so daß eine ,Fälschung' wohl nicht in Fragekommt (zum Problem: HORSTFUHRMANN,Von der Wahrheit der Fälscher, in: Fälschungen imMittelalter, Schriften der MGH 33,1, Hannover 1988, S. 83-98). Da von einem Übergang der In-signien durch Erzbischof Ruthart berichtet wird, gibt sie offenbar den Vorgang wieder, wie ervorgesehen war und hätte vor sich gehen sollen.

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zusammenhang der Äußerung cuius regni principium sui finem esse besondereBedeutung zu, da sie die bereits angesprochene Zäsur betrifft. Die dem Seniorunterstellte Erkenntnis: ,Der Anfang von dessen Herrschaft sei das Ende der sei-nen' dürfte nunmehr wohl der Einsicht Ekkehards selbst von der geschichtlichenRelevanz dieses Herrschaftswechsels entsprochen haben. Sie ließ es für ihnoffenbar gerechtfertigt erscheinen, mit Heinrich V. ein neues Buch der Geschichtezu beginnen.Welche äußere Gestalt Ekkehard diesem Neubeginn in seinem Werk von 1106

gegeben hat, bleibt, da es nicht erhalten ist, letztendlich offen. Jedoch erscheintsicher, daß zu ihm neben dem Dedikationsbrief die Vorlagen der in der BerlinerHandschrift überlieferten Federzeichnungen gehörten. Hebt der Dedikationsbriefauf das neue Zeitalter (etas tua) und damit auf die Außergewöhnlichkeit desHerrschaftswechsels von 1105/06 ab, so wird in den Stemmata der mittelalter-lichen Kaiserdynastien auf die Kontinuität der Herrschaft abgehoben, in die derneue König eingetreten ist. Das bringt der Glückwunsch Ekkehards am Schlußdes Dedikationsbriefes zum Ausdruck, in dem es heißt: Glücklich sei dein Zeit-alter, und ruhmreich möge es noch über die Größe des großväterlichen - wohl-gemerkt: nicht des väterlichen(!) - und mütterlichen Geschlechtes hinausgeführtwerden?'. Wandel, um nicht zu sagen: Zäsur, sowie Kontinuität in der Herrschaftsind mithin die beiden Kriterien, um die es in Ekkehards Werk von 1106(Ekkehard II) ging.

Daher wird man annehmen, die überlieferte Federzeichnung sei als eine Kopie der ursprüng-lichen, d.h. zeitgenössischen Gestalt dieser Zeichnung zu betrachten. Denn die Annahme, eshandele sich um eine spätere Umsetzung von Ekkehards Text ins Bild der Zeit um 1130, wäreeine wohl kaum überzeugende Erklärung des Sachverhalts. Und das auch deshalb, weil dasSalierstemma den König (rex), nicht den im Jahre 1111 Kaiser gewordenen Heinrich in vollemOrnat zeigt und dazu über ihm - was noch schwerer wiegt - seine auch von Ekkehard im TextAde1heit genannte Schwester Agnes abbildet, die Witwe des 1105 verstorbenen Stauferherzogs;dazu GÄDEKE(wie Anm. 33) S. 39 mit Anm. 92, SCHWARZMAlER(wie Anm. 8) S. 77 und SCHMID(wie Anm. 3) S. 38. Wurde doch sie just im gleichen Jahr von Heinrich V. dem MarkgrafenLiutpold versprochen, wonach dieser vom Kaiser abfiel. Nun erst nämlich wurde die Opposi-tion des Sohnes gegen den kaiserlichen Vater in ihrer ganzen Gefährlichkeit recht offenbar.Otto von Freising selbst schrieb als Sohn dieser in Regensburg 1105 gegen den Kaiser gestifte-ten Verbindung ausschlaggebende Bedeutung zu. Sie habe insofern den Charakter der Wendebesessen, als von da an die verfiigbaren Kräfte des Vaters im Schwinden, die des Sohnes hin-gegen im Wachsen begriffen waren (et exbinc vires etus Immtnul iuntonsque crescere cepe-runt), Ottonis ep. Fris., Chronica sive Historia de duabus civitatibus VII.9, ed. WALTHERLAMMERS(Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte, Frh. v. Stein-Gedächtnisausgabe 16) Berlin1960, S. 512ff., bes. S. 516.

94 Meine Zweifel (wie Anm. 3) S. 41 Anm. 73 an der Meinung von SCHMALE- SCHMALE-Orr(wieAnm. 70) S. 25 Anm. 53, der Widmungsbrief sei nicht vor, sondern erst nach Heinrichs IV. Todverfaßt worden, werden eher bestärkt durch die Annahme, daß sich die Konzeption der bild-lichen Darstellung der ,Insigniencückgabe' wohl besser aus der Auseinandersetzung selbst er-klären ließe, während diese nach dem Tod des Kaisers ihre Aktualität verloren haben dürfte.Darauf deutet die Überlieferung und insbesondere die Tatsache, daß der Anonymus der Kaiser-chronik sie durch eine andere Darstellung ersetzt hat, vgl. dazu Anm. 93. - Zur Klärung dieserFrage können m.E. die von BEUMANN(wie Anm. 112) S. 310 im Zusammenhang der.Unterschlagung von lngelheim' und der .sich daraus ergebenden Verlegung der Abdankungnach Mainz" durch den Verfasser der Vita Heinrici IV. formulierten Einsichten beitragen, diefolgerichtig zur Unterscheidung eines .familiären" und eines .verfassungspolitischen Konflikts"(Ebd. S. 315) führten. - Dazu künftig wie Anm. 103.

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Im Prolog der anonymen, zwischen 1112 und 1114 entstandenen Kaiserchronikerklärt der Verfasser, der Kaiser habe ihm aufgetragen, eine Chronik der Zeit vonKarl dem Großen bis auf ihn selbst zusammenzustellen (colligat sibi chronicumopus a temporibus Karoli Magni usque ad sua temporas. Er habe es jedoch, umder Ehre des Römischen Kaisertums und des Deutschen Reiches zu dienen, fürnotwendig erachtet, zunächst den Ursprung des Volkes (der Franken) darzustel-len und sein Werk daher in drei Bücher geteilt, wobei das erste die Zeit derKönige vom Ursprung der Franken an umfaßt, das zweite die Herrschaft der Kai-ser beginnend mit Kar! dem Großen und das dritte die Taten des fünften Heinrich(acta et agenda buius quinti Henriciy». Unverkennbar ist hier die Übereinstim-mung mit den beiden Anliegen, die für Ekkehards Werk des Jahres 1106 ermitteltwerden konnten. Die Frage ist nur, weshalb der inzwischen Kaiser gewordeneHeinrich nicht Ekkehard, sondern einen anderen mit der Abfassung seiner undder übrigen Kaiser Chronik betraut hat. Die vom Anonymus aus Ekkehards Textnicht übernommenen, d.h. um- oder gänzlich neu formulierten bzw. weggelasse-nen Passagen lassen erkennen, in welchen Punkten sich die Einstellung desAnonymus, der sich dem 1111 Kaiser gewordenen Heinrich V. in der Zwischen-zeit zugeneigt hatte, VOnder Ekkehards unterschied. Dabei springt die gänzlichandere Einschätzung Heinrichs IV. sogleich in die Augen, was sich drastisch inder Abweichung des Anonymus von dem unerhört verbitterten, im Affekt ge-schrieben Bericht Ekkehards über das Ende, den Untergang und das letzteGeschick (finis, interitus, sors ultima) des von seinen Anhängern imperator, vonden Rechtgläubigen (a catbolicis) aber arcbipyrata, beresiarcba, apostata et per-secutor genannten Heinrich erkennen läßt96• An seine Stelle tritt nun ein teilsbetont sachlich orientierter, teils die Leistung des alten Kaisers anerkennenderAbschnitt: Sein Verfasser stand offenbar dem Bischof Erlung von Würzburg nahe,der inzwischen als Autor der Vita Heinrici IV. erkannt werden konnte?'. Die Nähedes Verfassers der Kaiserchronik zu Erlung legt es angesichts der gleichfalls be-stehenden Nähe zu Ekkehard nahe, in ihm mit Irene Schmale-Ott den BischofOtto von Bamberg zu sehen=. Weist doch die Kaiserchronik im Grunde genom-men das gleiche Anliegen auf, das schon Ekkehard 1106 propagiert hatte, als er inder Darstellung des Insignienübergangs vom Vater auf den Sohn den Herr-schaftswechsel in seiner Kontinuität wie in seinem Wandel charakterisierte. In-

o nerhalb der von Karl dem Großen ausgehenden Kaisergeschichte aber hat mitdem Regierungsantritt Heinrichs V. tatsächlich ein neues Zeitalter begonnen, inso-fern der gebannte alte durch den vom Bann gelösten jungen Salierherrscher abge-löst wurde.Aus diesem Zusammenhang von Ekkehards Tätigkeit mit der des Verfassers der

Kaiserchronik möchte man schließen, jener sei als Geschichtsschreiber ein Opferseines leidenschaftlichen Kampfes für die Sache des Königs gegen den kaiser-lichen Vater geworden. Nach dem errungenen Sieg aber ist nicht ihm, sondern

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96ScHMALE - SCHMALE-Orr (wie Anm. 70) S. 212ff.Trefflich bezeichnet ihn SCHMALE-OTT, Kaiserchronik (wie' Anm. 80) S. 408f. als einen.triumphalen Haßgesang' .Dazu SCHMALE-Orr, Kaiserchronik (wie Anm. 80) S. 457ff., wo sprachliche Assoziationen zu derLebensbeschreibung Heinrichs IV. untersucht werden. Zur Verfasserfrage der Vita Heinrichs IV.:BEUMANN (wie Anm. 112).Diesen von SCHMALE-Orr, Kaiserchronik (wie Anm. 80) S. 449ff. vorsichtig geäußerten Vorschlaghalte ich für sehr bedenkenswert.

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dem Kaiser Heinrich IV. mehr Verständnis entgegenbringenden, d.h. gerechterwerdenden Autor, offenbar Ekkehards Bischof Otto, die Aufgabe zuteil geworden,die Kaiserchronik mit dem Buch über den seit 1111 herrschenden neuen Kaiserzu schreiben.Zwei Folgerungen lassen sich nun ziehen: Einmal erscheint es mehr als zwei-

felhaft, ob die sog. Recensio H als Fassung der Weltchronik betrachtet werdendarf, da sie sich vielmehr als Vorstufe der Kaiserchronik zu erkennen gibt99• Mitden Stemmata der Kaiserdynastien einsetzend umfaßte sie wohl die Zeit der Saliervon 1025 bis 1106. Zum anderen spricht die Gliederung der Kaiserchronik, d.h.die Hervorhebung der Herrschaft Heinrichs V. durch den Beginn eines neuen,dritten Buches, dafür, daß die Einteilung des Werkes auf Ekkehard als Vorstufezurückgehen dürfte, der mit dem auch im Bild dargestellten Herrschaftswechselvon 1106 ein neues Zeitalter, die beata etas, ankündigte. Jedenfalls wies schonEkkehards Werk von 1106 eine wie immer geartete Zäsur anläßlich der AblösungKaiser Heinrichs IV. auf - und wenn diese nur mit der Federzeichnung vom Herr-schaftswechsel durch die .Insignienrückgabe' markiert war. In der Kaiserchronikist dieses Bild weggeblieben, da es offenbar keine Aktualität mehr hatte. Dochwurde es durch ein anderes ersetzt, das - wie bei Ekkehard - den Beginn einerneuen Zeit und eines neuen Buches anzeigte (Abb. 123). Nach Percy ErnstSchramm stellte es die .Kaiserkrönung Heinrichs durch Papst Paschalis H." imJahre 1111 darloo. Nachdem ich zunächst Schramm gefolgt war und in der zuerstabgeschlossenen Fassung meiner Studie festgestellt hatte, die Darstellung derÜbergabe des Globus stelle eine merkwürdige Art der Insignienübergabe dar,glaube ich nunmehr Schramms Interpretation der ganzseitigen kolorierten Feder-zeichnung widersprechen zu müssen. Denn offenbar handelt es sich um die Dar-stellung der Insignienübergabe auf dem Mainzer Hoftag zu Anfang des Jahres1106 durch den Erzbischof Ruthart an den König Heinrich V.IOI.Das wird schondurch die Beischrift: HENRICVSQUINTVS nahegelegt (Abb. 123), da Heinrich der

99 So ScHMALI!- SCHMALI!-Orr(wie Anm. 70) S. 26: .Exemplar von Frutolfs Chronik", vgl, SCHMALI!-orr, Kaiserchronik (wie Anm. 80) S. 412: .Man muß annehmen, daß Ekkehard 1Ibis auf diesenJahresbericht Ekkehard I glich", während F.-J. SCHMALI!,Überlieferungskritik (wie Anm. 80) S.112: .Rez. 11, die aus der (vollständigen') Chronik Frutolfs bis 1097, der Rez. I und deren Fort-setzung bis zum Ende des Jahres 1106 bestand", der jedoch in: Deutschlands Geschichtsquellenim Mittelalter 3, hg. v. WIl.HELMWATIENBACH- ROBERTHOTZMANN,Darmstadt 1971, S. 152" ein-räumt, daß die genaue Gestalt, die nicht rekonstruierbar sei, .vielleicht später als FrutolfsChronik einsetzte"!SCHRAMM-MÜTHERICH,Denkmale (wie Anm. 25) Tar. 167 S. 403 charakterisierten im KommentarS. 178 das Bild als .Übergabe des Reichsapfels durch Papst Paschalis 11. (d.h. als Kaiserkrö-nung)" und betitelten das Bild dementsprechend in: Kaiser und Könige (wie Anm. 24) S. 250als .Kaiserkrönung Heinrichs durch Papst Paschalis II. 1111", ebd. Taf. 184 S. 439.Vg!. schon MONTAGu!!RHODESJAMES,A Descriptive Catalogue of the Manuscripts in the Libraryof Corpus Christi College 2, Cambridge 1912, S. 215ff. Ebd. S. 217: .Under an arch with battle-mented gable, and turrets, above. The Emperor on L. holding sceptre and wearing diadem re-ceives orb from an archbishop in close-fitting mitre (like skull-cap), red chasuble, pall withgreen crosses, stole, tunicJe, alb, with long staff. Both stand." - Anders danach PERCYERNSTSCHRAMM,Umstrittene Kaiserbilder aus dem 9.-12. Jahrhundert, in: Neues Archiv 47 (1927) S.469-497, hier S. 489. - F.-J. SCHMAL!!,Geschichtsquellen (wie Anm. 99) schreibt S. 154·: "DemBericht über die einzelnen Herrscher ist jeweils eine Federzeichnung des betreffenden Königsvorangestellt. Der Verfasser hat sich bei seiner Aufgabe zunächst vor allem auf die ChronikEkkehards - wahrscheinlich das ca. 1107 Heinrich V. überreichte Exemplar - gestützt ...", wassich jedoch nur auf die Heinrich V. betreffende Federzeichnung beziehen kann.

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,vierte' Kaiser war (Henrlcus quintus rex et quartus tmperatoryv-, Ohne hier aufdie erheblichen Konsequenzen dieser neuen Zuordnung eingehen zu können'?',sei nur noch angemerkt, daß die Federzeichnung des Insignienübergangs vomVater auf den Sohn (Abb. 122) nunmehr sicher als aktuelles Werk des Jahres 1106gelten kann'?'.Ekkehards (erste) vollständige, vornehmlich auf Frutolf, seinem eigenen Werk

von 1106 und auf der Kaiserchronik basierende Weltchronik stammt aus dem Jah-ren 1116/17105• Er widmete sie dem Abt Erkenbert von Corvey, wie aus dem Pro-log hervorgeht. In ihm ist die Einteilung des Werkes in fünf Bücher erläutert: Daserste sollte bis zur Gründung Roms, das zweite bis Christi Geburt, das dritte bisKart den Großen und das vierte bis zum Beginn der Herrschaft Heinrichs V. rei-chen. Es schien, so schreibt Ekkehard dann, nicht ungereimt (non incongruo), mitdem fünften' Heinrich das fünfte' Buch zu bezeichnen'w, Vom Zahlenspiel ganzabgesehen, scheint er damit darauf abzuheben, wie sehr für ihn noch immer mitdiesem Herrscher ein Neubeginn in der Geschichte verbunden war, wenngleichEkkehard seit 1106 .persönbch in den Schatten tritt"I07und später dann seinemköniglichen und kaiserlichen Herrn .eher skeptisch" gegenüberstand=. SeineZeitgeschichtsschreibung des Jahres 1106, zu der ein Ensemble von vier sichervon ihm veranlaßten, wenn nicht selbst hergestellten Federzeichnungen alswesentlicher Bestandteil gerechnet werden muß, ist nur in einem einzigen Über-lieferungsstrang bzw. in einer einzigen, der Berliner Handschrift der Frutolf-Ekke-hard-Chronik erhalten geblteben':", Daran läßt sich ablesen, wie schnell sichEkkehards im Jahr 1106 geschaffenes Werk überlebt hatte. Es läßt sich nur nochrekonstruieren.Daß noch weitere Bildzeugnisse erhalten geblieben sind, deren Datierung und

Interpretation in der bisherigen Forschung Schwierigkeiten bereitet haben, weilsie den Kaiser und den König nebeneinander darstellen, ist nun weniger erstaun-lich. Denn es erscheint nicht mehr als Widerspruch, wenn in den Jahren vor odernach dem Herrschaftswechsel1105/6, jedenfalls vor 1111 in Prüm-'? und Regens-burg"! der Kaiser und der ihn ablösende König zusammen ins Bild gesetzt wor-den sind, in Regensburg auch mit seinem älteren Bruder Konrad als König, der

102 So im Prolog der Kaiserchronik (wie Anm. 70) S. 212; vgl. auch SCHRAMM,Könige und Kaiser(wie Anm. 24) S. 247 Nr. 181.Auch darum ging es in Seminarübungen, die ich im WS 1991/92 und im SS 1992 mit den Her-ren Hansjörg Grafen und Volkhard Huth an der Universität Freiburg abhielt.Die Beibehaltung der Federzeichnung am Beginn des 3. (bzw. 5.) Buches, wobei der In-signienübergang vom Vater auf den Sohn nunmehr dem historischen Vorgang entsprechend alsein solcher vom Erzbischof Ruthart auf den König Heinrich V. dargestellt wurde, mutet vor-dergründig als Richtigstellung oder Versachlichung des Vorgangs an. Der .Griff zum Bild" (vgl.ScHMID,wie Anm. 3, S. 41) wird dadurch jedoch noch erheblich interessanter und aussagekräf-tiger, vgl. Anm. 102.SCHMALE- SCHMALE-Orr(wie Anm. 70) S. 34.Ekkehard III (ebd.) S. 268.So ScHMALE-Orr.Kaiserchronik (wie Anm. 80) S. 421.SCHMALE-ScHMALE-Orr(wie Anm. 70) S. 30.Wie Anm. 73, künftig Einleitung zur MGH-Ausgabe.Dazu GÄDEKE(wie Anm. 33) S. 104fT.,bes. S. 116f.Dazu neuerdings CUUDIAMÄRTI,Regensburg in den geistigen Auseinandersetzungen des Inve-stiturstreites, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 42, 1986, S. 145-191, bes. S.154, wo als Entstehungszeit .um 1100" angegeben und auf ScHRAMM(wie Anm. 24) S. 117f. undS. 249 hingewiesen wird, der die Hs. auf 1106-1111 datiert, ebd. weitere Hinweise.

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sich gleichfalls gegen den Vater erhoben hatte. Man erinnert sich hier an Mittei-lungen des Verfassers der Vita Heinrici IV., der Kunde gibt von unzufriedenenGroßen (domini cum satellitibus suis). Diese hätten einen geeigneten (idoneus)Kontrahenten des Kaisers gesucht (emulum imperatori reperire querebann undihn in dessen Sohn gefunden. Er könnte in die Herrschaft seines gebannten, vonden Großen verlassenen und von der Kirche ausgestoßenen Vaters eintreten,wenn er mit der Thronbesteigung nicht zuwarte, bis ihm ein anderer zuvorkom-men werde (si investituram regni usque ad obitum eius differret, haut dubium,quin alter illud sibt praeripereirv.Da alle diese Bildzeugnisse im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts entstanden

sind, dürften sie ein sichtbar gemachter Ausdruck der Befürchtung einer Exi-stenzkrise der salischen Dynastie gewesen sein'P, Im Ausbruch des Sohn-Vater-Konflikts des Jahres 1105 ist sie manifest gewordenl", und im Jahr 1106 hat siemit der Entmachtung des Kaisers ihren Kulminationspunkt erreicht. Auch wenndie Vorgänge von Ingelheim und Mainz,wohl ganz und gar unprogrammäßig ver-liefen und die für die Inszenierung eines Herrschaftswechsels jedenfalls erforder-lichen Reichsinsignien beim erzwungenen Herrschaftsverzicht des Kaisers inIngelheim nicht zur Stelle waren, ist augenscheinlich eine inuestitura regni imVerlauf des Mainzer Hoftags unter Beteiligung der Großen und päpstlicher Lega-ten inszeniert worden. In Abwesenheit des alten ist der neue Herrscher, nachdemes gelungen war, die Reichsinsignien von der Burg Hammerstein herbeizuschaf-fen, in einem merkwürdigen und denkwürdigen Akt ein zweites Mal gewähltworden (in regem iam secundo electus),wie es heißtl15• Indessen hat der Tod desnach Köln und Lüttich zurückgewichenen Kaisers noch im gleichen Jahr 1106dem salischen Haus wohl weiteres schweres Unheil erspart.

112 Vita Heinrici IV. imperatoris c. 9, ed. FRANZ-JOSEFSCHMALl!und IRENESCHMALE-OlT,in: Quellenzur Geschichte Kaiser Heinrichs IV. (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mit-telalters, Frh. vom Stein-Gedächtnisausgabe 12) Darmstadt 1963, s. 440ff. - Vg!. HELMUTBEU-MANN,Zur Verfasserfrage der Vita Heinrici IV., in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mit-telalter, Festschrift josef Fleckenstein 1984, S. 305-319.Zur salischen Dynastie als ,Integrations-' bzw. ,Risikofaktor' s. WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 122.Ob, inwieweit und welche Ratgeber (die Jugendfreunde Heinrichs V. oder die päpstlichen le-gaten bzw. Bischof Gebhard von Konstanz?) am erzwungenen Herrschaftsverzicht Mitverant-wortung trugen, läßt sich einstweilen nur schwer einschätzen. WEINfURTER(wie Anm. 8) S. 143f.hebt den ,Reform-Adelskreis' um die Gründer des ,hirsauischen Reformklosters Kastl im baye-rischen Nordgau' hervor. - Vgl, auch HERMANNJAKOBS,Die Hirsauer. Ihre Ausbreitung undRechtsstellung im Zeitalter des Investiturstreltes (Kölner Historische Abhandlungen 4) Köln -Graz 1961, S. 215ff. - S. Anm. 103. - Zum sog. ,Reform-Adels-Kreis' jetzt: STEFANWEINFURTER,Reformidee und Königtum im spätsalischen Reich. Überlegungen zu einer Neubewertung Hein-richs V., in: Reformidee und Reformpolitik im spätsalisch-frühstaufischen Reich (Quellen undAbhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 68) Mainz 1992, S. 1-45, hier S. 24ff.Ekkehard I (wie Anm. 70) S. 204 . - Zu den Vorgängen GEROLDMEYERVONKNONAU,Jahrbücherdes Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 5, 1904, Ndr. Berlin 1965, S.280f. Anm. 1 und eingehend HUTH(wie Anm. 93). - Nach PETERRAssow, Der Kampf KaiserHeinrichs IV. mit Heinrich V., in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 47 NP. 10, 1928, S. 451-465,gehört dieser ,zu den wichtigsten Ereignissen der mittelalterlichen Kaisergeschichte', währendU. STUTZin der Vorbemerkung zu BERNHARDSCHMEIDLI!R,Heinrichs IV. Absetzung 1105/06 - kir-chenrechtlich und quellenkritisch untersucht, in: Zeitschrift der Savignystiftung für Rechts-geschichte 43, Kanonistische Abteilung 12, 1922, S. 168-221, von einem .in der deutschen Ge-schichte zu trauriger Berühmtheit gelangten Fall' spricht. Vg!. auch Anm. 67.

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Den Leichnam des Kaisers ließ der Sohn sogleich nach Speyer überführen; ererreichte 1111 seine Absolution und sein eigenes Kaisertum in Rom116• Und dreiJahre später feierte er mit der englischen Königstochter Mathilde jenes glanzvolleHochzeitsfest'?", das als letzte Federzeichnung in der Kaiserchronik ins Bild ge-setzt (Abb. 124) die Hoffnung auf eine Weiterführung der Dynastie zum Ausdruckzu bringen scheint'". In der Kaiserchronik ist jedenfalls davon die Rede, es seialler Wunsch gewesen, daß Mathilde die Mutter des Erben des Römischen Rei-ches (Romani imperii heredis mater) werde'!", Jedoch blieb dem kaiserlichenEhebund die Geburt eines Thronfolgers bekanntlich versagt, weshalb der Man-nesstamm der von Konrad 11.ausgegangenen Kaiserdynastie sein Ende fand.Der Vergleich der Federzeichnungen in der Berliner Handschrift mit ihren Vor-

lagen in Frutolfs Original hat indessen einige Befunde erbracht:1. Die Namenmedaillons sind figürlich gestaltet in Bauten eingefügt worden. So

scheinen die einzelnen Dynastien, mit Burgen oder Pfalzanlagen verknüpft, einenBezug zu architektonischen, wohl den Standort der Herrschaft symbolisierendenGebilden aufzuweisen. Dazu kommt noch, daß die Könige unter den dargestell-ten Angehörigen der Dynastien durch Kronen gekennzeichnet sind.2. Die Federzeichnung des Insignienübergangs, die sich unter oder in einer aus

drei Gebäuden bestehenden, zinnenbewehrte Anlage, einer Pfalz offenbar'w,

116 Wichtig erscheint dabei die Einlösung des väterlichen Wunsches durch den Sohn, den vomVolk verehrten toten Kaiser von Lüttich nach Speyer zu überführen, der auf Geheiß des Bi-schofs Gebhard von Speyer zunächst in eine ungeweihten Kapelle verbracht wurde; dazuMEYERVONKNONAU(wie Anm. 115) Bd. 6, S. 7ff. Dieser hält es für möglich (S. 29f.), schon inGuastalla sei es um die Absolution des Gebannten gegangen.Zum Hochzeitsfest mit Mathilde von England neuerdings FRANZ-REINERERKENS,Fecit nuptisregio, ut aiunt, apparatu. Hochzeitsfeste als Akte monarchischer Repräsentation in salischerZeit, in: Feste und Feiern im Mittelalter, Paderborner Symposion des Mediävistenverbandes,Sigmaringen 1991, S. 401-421, S. 412ff., spricht S. 416f. von einer .Selbstdarstellung der Monar-chle", die .Zenit und Wende" oder zumindest .Einleitung einer Wende" war. GERDALTHOFF,Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbildung im frühe-ren Mittelalter, Darmstadt 1990, hebt S. 207f. an diesem Beispiel darauf ab, daß aufwendig vor-bereitete Feste ihre .integrative Wirkung" auch .verfehlen" konnten.Abb. der Federzeichnung bei WAlTZ,in: MGH SS 6, nach S. 108, und ScHRAMM- MOTHERICH,Könige und Kaiser (wie Anm. 25) Taf. 190 S. 445, dazu S. 253 bzw. S. 250. - Anders als imHochzeitsbericht, der voll der Hoffnung auf eine Fortsetzung des königlichen Hauses sei,drückt nach SCHWARZMAlER(wie Anm. 8) S. 119 Ekkehard den Zweifel aus, wie es weitergehenwerde: .Heinrich, von Gott mit Kinderlosigkeit gestraft, trägt eine negative Schlußbilanz, die inder Metapher vom Geiz ausgedrückt wird".SCHMALE-SCHMALE-Orr,Kaiserchronik III (wie Anm. 70) S. 262.Nach GONTERBANDMANN,Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 1951, 6. Aufl.1979, S. 99f. mit Tafel VII Abb. 2 (zu 1099) ist hier der .Baldachincharakter wegen .der Ge-schlossenheit der Architekturteile noch stärker, so daß man nicht mehr versucht ist, den Bogenunten als Tor im Zusammenhang mit der oberen Architektur zu sehen. Die Stadt- oder vielmehrdie Palastformen oben sind deutlich gekennzeichnet und nicht mit Kirchenbauten zu verwech-seln. Die mit Zinnen besetzte Stadtmauer wird von zwei Flügelbauten abgeschlossen; in derMitte erhebt sich das deutlich als Palas erkennbare Bauwerk". Seine Annahme indessen (ebd. S.158), der Bischofspalast in Speyer sei nach 1101 nicht mehr wie noch 1096 (Bernoldi chron.,MGH SS 5, S. 464: palatium regis et eplscop{) gemeinsamer Besitz von König und Bischof ge-wesen, so auch SCHREIBMOLLER(wie Anm. 49) S. 280 mit Anm. 6, beruht auf späterer Überliefe-rung, die von DoLL,Schriftquellen, in: KUBACH- HMS (wie Anm. 51) S. 30f. nicht aufgenommenist, so daß SCHREIBMOLLERSÄußerung S. 281: .Nur die toten Kaiser hatten zu Gottfrieds [vonViterbol Zeit eine besondere Ruhestätte in Speyer, die lebenden mußten beim Bischof zu Gastgehen", zumindest problematisch erscheint.

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Die Salier als Kaiserdynastie 491

vollzieht, hebt nachdrücklich auf die Zeichen der Herrschaft, das Szepter, dieWeltkugel und die Krone ab und weist so auf die Kontinuität der königlich-kai-serlichen Herrschaft und damit des Reiches im Übergang von einem zum anderenHerrscher hin.3. Das Salierstemma entspricht diesem Befund, insofern der gekrönte, auf dem

Thron sitzende, die Weltkugel tragende Kaiser Konrad mit dem drei Generationenjüngeren, die Weltkugel und das Szepter tragenden, gekrönten König Heinrich V.korrespondiert, der - wie Ekkehard sagt - in seine etas beata eingetreten ist.4. Das Salierstemma beginnt nicht wie die Stemmata der Karolinger und Otto-

nen mit den Vorfahren dieser Herrscher: Während die Karolinger mit dem hI.Arnulf und den Hausmeiern vor König Pippin, dem Begründer der Königsdyna-stie, und die Ottonen mit dem Sachsenherzog Liudolf und seinen beiden Söhnenvor König Heinrich I., dem Begründer der sächsischen Dynastie einsetzen, weistdas Salierstemma nicht etwa den zu erwartenden Saliervorfahren Konrad demRoten auf. Es beginnt vielmehr ganz unmittelbar mit dem Kaiser Konrad.Das Salierstemma und damit die Salier selbst sind somit dadurch charakterisiert,

daß sie als Herrscherdynastie - ohne eigene Ursprünge sozusagen - voll undganz in das Reich eingefügt sind. Das ist neu und entspricht nicht nur der PrümerTafel der Nachkommenschaft Heinrichs 1.121, sondern vor allem dem Konzept derbildlichen Darstellungen in der Berliner Ekkehard-Handschrift im Unterschied zurVorlage in der Frutolf-Chronik: Gebäude als Vergegenwärtigung der Herrschaftund damit des Reiches sind das Gehäuse, Herrschaftszeichen und deren Über-gang kennzeichnen ihre Träger, die Herrscher wie die Herrscherdynastie. DieseZeugnisse erhellen die Meinung der Forschung über den epochalen Wandel des"Herrscherbilds" in der Zeit um die elfte jahrhundertwende'v.Was die Salier selbst angeht, so fragt es sich, ob die behandelten Text- und

Bildzeugnisse als Äußerungen ,salischen Selbstverständnisses' zu gelten haben'P.Indessen haben die Erörterungen gezeigt, daß die Bildung einer salischen Kaiser-dynastie keineswegs etwa ausschließlich aus der Perspektive und dem Strebeneines einzelnen Herrschers betrachtet werden dart. Vielmehr dürfte die beharriichverfolgte Dynastiebildung bei allen Unwägbarkelten und Widersetzlichkeiten - in

121

122Dazu GÄDEKE(wie Anm. 110).Dazu HAGENKELLER,Herrscherbild und Herrschaftslegitimation. Zur Deutung ottonischerDenkmäler, in: Frühmittelalterliche Studien 19, 1985, S. 290-311, S. 300. - Zu neu erschlossenenbildlichen Herrscherdarstellungen vgl. PAULGERHARDSCHMIDT,Heinrich Ill. - Das Bild des Herr-schers in der Literatur seiner Zeit, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 39,1983, S. 582-590.Vgl, KELLER(wie Anm. 7) S. 75, der .in den Selbstzeugnissen des salischen Königtums" von An-fang an den dynastischen Gedanken erkennt. WEINFURTER(wie Anm. 8) S. 9: .Das Bild [gemeintist das Salierstemmal signalisiert eine besondere Geschlossenheit, eine enge innere Verbindung,mit der die dargestellte Dynastie zusammengehalten wird; die Hausarchitektur unterstreichtdiese Zusammengehörigkeit noch. Die feste Verankerung, den ,Halt', verleiht der Dynastie abervor allem der thronende Kaiser Konrad II., der Begründer des salischen Herrscherhauses. SeineKraft, so scheint das Bild mitteilen zu wollen, strömt auch auf die nachfolgenden Generationenüber und gibt der Herrscherdynastie dauerhafte Stabilität." Vg!. ebd. S. 141 die Bemerkungenüber die Einwirkungen der Kirchenreformer auf König Konrad, wodurch .das salische Dyna-stiedenken zurückgedrängt werden" konnte, desg!. S. 144, wo davon die Rede ist, daß HeinrichV. wie sein Bruder habe befürchten müssen, .daß sich eine breite Opposition gegen seinenVater bilden würde und daß er selbst für sein Thronerbe keine Anerkennung mehr findenwürde, wenn er auf seiner Seite bliebe. Er mußte sein Königtum retten, ja mehr noch: er mußtedas Königtum der salischen Dynastie retten.'

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492 Karl Schmid

der Forschung ist von •Verrat" die Rede124 - das Ergebnis eines zähen Ringensgewesen sein, das stärker von den Zielen der adligen und kirchlichen Kräfte dennvon denen der Herrscher selbst beeinflußt, um nicht zu sagen: provoziert wordenwar. So gesehen möchte man die Entstehung der Kaiserdynastie der Salier alsFolge, ja als Reaktion auf das immer zielbewußter werdende Streben des Adelsund der Kirche nach größerer Selbst- oder Eigenständigkeit betrachten'": Daswachsende Selbstbewußtsein des Adels und des Römischen Papsttums hat mithingleichsam in kontraproduktiver Weise gewirkt und so zur Entstehung des Dyna-stiebewußtseins der salischen Kaiser beigetragen.

III Verheißung und Untergang der caesarea stirps

Der staufisehe Geschichtsschreiber Otto von Freising - über seine Mutter Agnes(alias .Adelheit') selbst ein Enkel Kaiser Heinrichs IV. - beklagte in seiner Welt-chronik ,De duabus civitatibus' den jammervollen Wechsel der Geschlechter aufdem Thron und verwies dabei auf das biblische ,Buch der Könige', wonach we-gen der Sünden der Könige und des Volkes nach der vierten oder fünften Gene-ration neue Aspiranten die alten Inhaber der Macht zu bekämpfen, vertreiben undvernichten pflegten. Nur das Geschlecht Davids, aus dem nach der VerheißungChristus kommen sollte, sei die Ausnahme gewesen. Aber wegen der Sünden undGesetzlosigkeit habe der Same der Väter (semen patrum) große Demütigung er-fahren. Das Geschlecht Kaiser Heinrichs (progenies Heinriet tmperatoris) sei nachseinem Tod durch einen neuen Herrscher (Lothar von Supplingenburg istgemeint) erniedrigt worden!". Mit der Wahl Friedrichs jedoch, des Urenkels Kai-ser Heinrichs IV., sollte das Reich zur alten und damit neuen Größe gelangen, soverkündet Otto: Ihm, Friedrich, der aus den beiden führenden Familien im Reich,der ,Welfen von Altdorf' und der familia Heinneorum de Gueibelinga entsprossenwar, einer Familie, die Kaiser hervorzubringen pflegte (imperatores producere),sei es gelungen, die tödliche Feindschaft zu überwinden. Das ist die BotschaftOttos, des Oheims Friedrichs, in den ,Gesta Friderici Irnperatoris', den ,Taten Kai-ser Friedrichs'l?".

124 Wichtig BEUMANN(wie Anm. 112) S. 310ff. _ Allg. zu Untreue und Verrat vgl. BOSHOF(wie Anm.4) S. 304, desgl. S. 263. _ Indessen ist SCHWARZMAlER(wie Anm. 8) S. 118 aufgefallen, daß .inallen Versionen der Kaiserchronik _ der Fortsetzung von Frutolfs Chronikwerk _" Konrads.Achtung vor dem Vater" wiederkehrt.Das adlige und königliche Selbstbewußtsein und Selbstverständnis im Sinne eines ,Wir-Gefühls'ist (dem Stammes- oder Volksbewußtsein ähnlich) offenbar stark von außen bestimmt worden,wobei Kontrastphänomene eine Rolle gespielt haben dürften. Während eine Studie über dieBedingungen des adligen ,Selbstverständnisses' noch fehlt, kann bezüglich des Nationalgefühlsim Frühen Mittelalter auf das Buch von CARLRICHARDBRÜHL,Deutschland und Frankreich. DieGeburt zweier Völker, Köln _ Wien 1990, bes. S. 243ff. verwiesen werden. _ Vg!. jetzt auchKARt FERDINANDWERNER,Art. ,Volk, Nation', in: Geschichtliche Grundbegriffe (wie Anm. 2) 7,Stuttgart 1992, S. 171-281.Duo von Freising, Chronik VI.17 u. VIJ.17 (wie Anm. 93) S. 456ff. bzw. 528.Otto von Freising, Gesta Frederici 11.2,ed. FRANZ-JOSEFSCHMALE(Ausgewählte Quellen zur deut-schen Geschichte des Mittelalters, Frh. vom Stein-Gedächtnisausgabe 17) Darmstadt 1965, S.284ff.

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Die Salier als Kaiserdynastie 493

Das Kaisergeschlecht der ,Heinriche von Waiblingen' indessen stellt eine merk-würdige Erscheinung der Geschichte dar. Sein Name steht für den Versuch, dieherrschende Kaiserdynastie ihrem Erlöschen im Mannessstamm zum Trotz fortzu-setzen - ein Versuch, der sich in der Geschlechterbezeichnung bekanntlich nichtdurchgesetzt hat. Geblieben sind die Namen .Salier' und ,Staufer'. Die beideGeschlechter umfassende, übergreifende, also übergeordnete Bezeichnung,Heinriche von Waiblingen'!28 aber hatte als Dynastiebezeichnung keinen Bestand.Sie wurde der Name einer Partei, der ,Ghibellinen' im Gegensatz zu den,Guelfen<129.Diese von Geschlechterbezeichnungen genommenen Parteinamenbezeichneten die Konfrontation der Anhänger - grob gesagt - des Reiches bzw.der Kirche und damit eine ganze Epoche der Auseinandersetzung im spätmittel-alterlichen Italien'P.Wenn Konrad 11. im 12. Jahrhundert mehrfach die Bezeichnung de Waibelingin

oder quem dicunt de Waibelingen erhielt und Gottfried von Viterbo von ihm sagt:Dux erat ex villa, quam rite uocant Guebelinguam /Inelita nobilitas regum gene-ratur ab ilia, wenn der gleiche Gottfried von Heinrich IV. gar wußte: HeinricusQuartus Guebelingo semine surgens und dazu Waiblingen als den Ort seiner Her-kunft (loeus nattuuatis), ja als cognomen omnium Henricorum bezeichnete'>', sowird damit der Weg zum Ursprung des ,Waiblingen-Mythos' gewiesen. Nach dereingehenden Beschreibung der salischen Kaisersepultur in Speyer kam Burchardvon Ursberg unter Bezugnahme auf Otto von Freising auf die den princtpes deWabilingin zugeschriebene Herkunft folgendermaßen zu sprechen: Auf einemrömischen Steinmonument, das ein Clodius für seine Gemahlin errichtet hatte,wurde der titulus monumenti als der jenes mit der merowingischen Origo ver-knüpften Chlodio erkannt, der in der fränkischen Trojanersage ebenso vorkommtwie Salagast, nach dem das Gesetz das salische genannt worden sej132.Wir schüt-teln über diese unwahrscheinlichen Assoziationen den Kopf. Aber gleichviel, obsie zur vermeintlichen Entdeckung oder zur nachträglichen Bestätigung der an-geblichen Herkunft der Waiblinger von den trojanischen Franken geführthaben'". Es kann kein Zweifel sein, daß Burchards Mitteilung, Kaiser FriedrichBarbarossa habe sich gerühmt, de regia stirpe Waiblingensium progenüum fuisse,dem Bewußtsein von der Existenz einer die Geschlechter überdauernden stirpsentsprochen hatB", Eine seit Beginn der Weltordnung bestehende imperialis

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Vg!. CARLSTENZEL,Waiblingen in der deutschen Geschichte, 2.Auß. 1936, bes. S. 20ff., dazuauch Anm. 131.Vg!. R. DAVtDSOHN,Die Entstehung der Guelfen- und Ghibellinen-Partei, in: Forschungen zurGeschichte von Florenz, Berlin 1908, S. 29ff.Art. v. F. COGNASSO,Guelfi e Ghibellini, in: Enciclopedia Cattolica 6, 1951, Sp. 1222-26.Dazu SCHMlO(wie Anm. 6) S. 67f.ono von Freising, Chronik IV.32 (wie Anm. 93) S. 368f.Burchard v. Ursberg (wie Anm. 59) S. 5: Cuonradus proaous ... prosapiam ducens, ex partematrts a probausstmorum Gallorum princtpum qu; ex antiqua Trotanorum surpe descenderant,nach Wipo c. 2 (wie Anm. 16) S. 16.Vg!. SCHMlD(wie Anm. 6) S. 72fT. und OOILOENGELS,Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12.Jahrhundert 0), in: Deutsches Archiv 27, 1971, S. 373-456, bes. S. 437ff. ND in: DERS.,Staufer-studien. Beiträge zur Geschichte der Staufer im 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1988, S. 32-115,bes. S. 96ff.

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494 Karl Schmid

prosapia hat nach Gottfried von Viterbo den Verlauf der Geschichte bestimmt'tt.Und die dtgrutas tmperialis hat in der domus tmpertalis, dem kaiserlichen Haus,ihre Heimstatt gefundent=.Indessen war der Versuch der Staufer, Reich und Kaiserdynastie in eins zu set-

zen, d.h. ihre Identität zu behaupten und offenbar zu machen, ein vergebliches,zum Scheitern verurteiltes Bemühen. Der Versuch scheiterte an den Aktivitätender Fürsten und des Papstes. Es genügt, das Stichwort ,Thronstreit' zu nennen.Gleichwohl hinderte die dadurch bewirkte neue Lage einen Kaiser wie FriedrichII. nicht daran, in der Auseinandersetzung mit den Fürsten und den europäischenMächten, insbesondere mit Frankreich, die Kaiseridee und damit die Vorstellung,das eine seit Anbeginn der Weltordnung ununterbrochen herrschende Geschlechtder Kaiser, die caesarea stirps, fortzusetzen, ja noch zu stelgern'!'. Diese Vorstel-lung sollte ungeachtet des in der Krise befindlichen byzantinischen Kaisertums imRingen mit dem Papsttum um das Imperium eine letzte Zuspitzung erreichen: DasKaisergeschlecht wurde als das "auserwählte", das .davidische Geschlecht" er-kanntl38,Der Kaiser als Nachfolger Christi im Reich' war wie der Heiland in einem abge-

legenen Ort zur Welt gekommen, in jesl, das nun mit Bethlehem verglichenwirdl39, Dem Reich der Kaisererben aber verhieß Nikolaus von Bari, als sichFriedrich Il. 1229 zum ,König von Jerusalem' gekrönt hatte und das berühmteRelief an der Kanzel von Bitonto angebracht worden war140, Dauer bis zum Jüng-sten Gericht: usque ad finem mundi .. , progenies tmperabü. Denn das imperialesemen kommt vom Himmel (de celo venit) und ist deshalb allen anderen Fürsten-häusern überlegen: super omnes est, id est, qui de imperiali semine descendit,cunctis nobilior es[l41. Geht es in der Theorie des dynastischen FortIebens um dasFortleben der kaiserlichen Dynastie, das heißt: um das Weiterleben des Kaisers imSohn und Enkel, so wurde nach Ernst Kantorowicz in der ersten Hälfte des 13.Jahrhunderts die gleichsam rationalisierte "Idee der Dynastie auch für das Kaiser-tum, für die staufisehe caesarea stirps, in Anspruch genommenv=. Dabei spielte

135 Vg!. OOlLOENGElS,Gottfried von Viterbo und seine Sicht des staufischen Kaiserhauses, in: AusArchiven und Bibliotheken, Festschrift für Raymund Kottje z. 65. Geburtstag, hg. v. HUBERTMORDEK(Freiburger Beitr. z. mittelalter!. Gesch., Studien und Texte 3, 1992) S. 327-345.ODILOENGElS(wie Anm. 134) bemerkt S. 443 bzw ..S. 102: .Die Wendung ,domus imperialis' istdem literarischen Vorbild der ,domus' des römischen Imperators nachgebildet".Zur caesarea stirps vgl, ERNSTKANTORowlCZ,Kaiser Friedrich der Zweite, Düsseldorf und Mün-chen 21963, S. 62f. und S. 523f., Erg.bd. S. 221£. über die Erblichkeit der Kaiserwürde im.staufischen Haus"; S. 222 zur .Anschauung, daß das staufisehe Geblüt schlechthin Kaiser- oderReichsgeblüt sei", mit Hinweis auf das Manifest Manfreds an die Römer (MGH Const. 2, Nr.424, S. 559ff.).KANroROWlCZ(wie Anm. 137) S. 185f., Erg.bd. S. 73f.KANTORowlCZ(wie Anm. 137) S. 11 und S. 46ff. mit Erg.bd. S. 202 (BF 2470, MGH Const, 2, Nr.212, S. 304.Vgl. HANSMARTINScHALLER,Das Relief an der Kanzel der Kathedrale von Bitonto: ein Denkmalder Kaiseridee Friedrichs n., in: Archiv für Kulturgeschichte 45, 1963, S. 295-312, ND in: StuporMundi. Zur Geschichte Friedrichs Il, von Hohenstaufen (Wege der Forschung 129) Darmstadt1966, S. 591-616.Nikolaus von Bari, Lob Friedrichs IL, Abschn. 11 bzw. 4, ed, RUDOLFM. KLOOS,Nikolaus vonBari. Eine neue Quelle zur Entwicklung der Kaiseridee unter Friedrich n., in: Deutsches Archiv11, 1954, S. 166-190, S. 172f. bzw. 170, ND in: Stupor Mundi (wie Anm. 140) S. 373 bzw. 370.ERNSTKANTOROWICZ,Zu den Rechtsgrundlagen der Kaisersage, in: Deutsches Archiv 15, 1957, S.125-150, S. 146, ND in: Stupor Mundi (wie Anm. 140) S. 482-524, S. 522. Vgl. HANSMARTIN

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Die Salier als Kaiserdynastie 495

die Lehre von der Identität von Vater und Sohn, von Erblasser und Erben, Monar-chen und Thronfolger, Amtsvorgänger und Amtsnachfolger die wohl wichtigsteRolle.Aber man weiß, daß und wie die caesarea stirps untergegangen ist. Das dyna-

stische Prinzip hatte sich für die Herrschaft im Reich nicht als tragfähig erwiesen.Nach den Saliern sind die Staufer streng genommenn die letzte mittelalterliche,Kaiserdynastie' gewesen. Denn das Erbkaisertum hatte sich nicht als durchsetzbarerwiesen. Vielmehr blieben die Habsburger, Luxemburger und Wittelsbacher undviele andere: Landesfürsten. Es war der dynastische Fürstenstaat, dem die Zukunftgehörtet".

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SCHAllI!R,Die Kaiseridee Friedrichs H., in: Probleme um Friedrich n. (Vorträge und Forschungen16) Sigmaringen 1974, S. 109 -134.Dazu allg. ]OHANNESKUNISCH(Hg.), Der dynastische Fürstenstaat Zur Bedeutung von Sukzes-sionsordnungen für die Entstehung des frühmodernen Staates (Historische Forschungen 21)Berlin 1982.

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