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IGM R egional Juli /August 2002 Zeitung für die Region Stuttgart · E 45481/Nr.3 D ie Angestellten von Daimler- Chrysler in Stuttgart müssen keine kosten- losen Arbeitsleistungen über die vereinbar- te Arbeitszeit hinaus erbringen. Nach dem jüngsten Beschluss der Zweiten Kammer des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Stuttgart will der Betriebsrat jetzt dafür sorgen, „dass bis Ende September die Gleitzeitkonten auf maximal 100 Stunden abgebaut werden“, kündigt Richard Roos, der zuständige Be- triebsratsvorsitzende, an. Siegesstimmung beim Betriebsrat von Daimler-Chrysler in Stuttgart (Zentrale), bei der IG Metall sowie bei Jens Herbst, dem Prozessvertreter und Leiter der Rechtsstelle der IG Metall Stuttgart: Nach mehrjähriger außergerichtlicher und gerichtlicher Aus- einandersetzung hat das LAG unter dem Vorsitzenden Richter Ulrich Hensinger dem Betriebsrat und der IG Metall jetzt in allen Böblingen · Esslingen · Göppingen · Ludwigsburg · Stuttgart · Waiblingen Arbeitszeit-Urteil: Niederlage für Daimler Hans Baur: Der LAG-Beschluss wird auch in anderen Betrieben Mut machen Firma muss Freizeitausgleich sicherstellen wesentlichen Punkten Recht gegeben. Da- mit wird Daimler-Chrysler untersagt, Arbei- ten außerhalb des vereinbarten Arbeitszeit- rahmens von sechs bis 19 Uhr zuzulassen. Ausnahmen erfordern die Zustimmung des Betriebsrats. Des weiteren dürfen Gleitzeit- guthaben - entsprechend den jeweiligen Betriebsvereinbarungen - nicht mehr als monatlich 30 beziehungsweise jährlich 100 Stunden beinhalten. Das Unternehmen ist dazu verpflichtet, rechtzeitig vor dem 30. September bei den betroffenen Angestell- ten für den Abbau übermäßiger Gleitzeit- konten zu sorgen. Das Gericht hat dabei im Gegensatz zum erstinstanzlichen Urteil ausdrücklich den Anspruch des Betriebsra- tes auf Mitsprache bestätigt. Zitat aus dem Urteil (AZ.:2 TaBV 2/01), gegen das Daimler allerdings Berufung eingelegt hat. „Die Ei- genverantwortlichkeit des Arbeitnehmers und die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Durchführung der Abbauplanung und –umsetzung sind deshalb kein Wider- spruch.“ Wie wichtig das Urteil für die unmittelbar Betroffenen 12.000 Daimler-Angestellten der Zentrale, der Forschung und des Lkw- Versuchs ist, beweisen Berichte von Ver- stößen bis in die jüngste Zeit hinein. So hat der Chemiker und Betriebsrat Karl-Ernst Haak in der Motorenforschung in Unter- türkheim selbst erlebt, „wie ein Abteilungs- leiter die Angestellten dazu angehalten hat, über zehn Stunden zu arbeiten“. Und dies kurz nachdem das Gewerbeaufsichtsamt Daimler wegen ähnlicher Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz zu einem Bußgeld verdonnert hatte. Zufrieden mit dem LAG-Urteil ist auch Hans-Jörg Schmierer von der IG Metall Stuttgart: „Daimler muss jetzt erkennen, dass erbrachte Leistung auch bezahlt werden muss; schließlich sind wir keine Nation von Zechprellern.“ Und Hans Baur, der Zweite Bevollmächtigte der Stuttgarter Metaller, verweist auf die weit über Daimler hinaus reichende Bedeutung der Entschei- dung: „Sie wird den Beschäftigten und Betriebsräten in anderen Betrieben Mut machen.“ Das Urteil im Wortlaut (unter „Aktuelles“) www.bw.igm.de/region/stuttgart/ Die Sieger: Daimler-Betriebsräte vor dem Landesarbeitsgericht Seite 2 Strukturwandel an der Pragstraße Seite 3 Unterrichtsausfall in Berufsschulen Seite 4/5 Reaktionen auf die Tarifrunde 2002 Seite 6 Krise in der IT- und Telekom-Branche Seite 7 Fragen zur Person: Konrad Ott Die Zweite Kammer des Landesarbeitgerichts Vorsitzender Richter Ulrich Hensinger (Mitte) bei der Urteilsverkündung

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IGMRegionalJu l i / Augus t 2002Ze i tung für d ie Reg ion Stut tgar t · E 45481/Nr.3

Die Angestellten von Daimler-Chrysler in Stuttgart müssen keine kosten-losen Arbeitsleistungen über die vereinbar-te Arbeitszeit hinaus erbringen. Nach demjüngsten Beschluss der Zweiten Kammerdes Landesarbeitsgerichtes (LAG) Stuttgartwill der Betriebsrat jetzt dafür sorgen, „dassbis Ende September die Gleitzeitkonten aufmaximal 100 Stunden abgebaut werden“,kündigt Richard Roos, der zuständige Be-triebsratsvorsitzende, an.Siegesstimmung beim Betriebsrat vonDaimler-Chrysler in Stuttgart (Zentrale), beider IG Metall sowie bei Jens Herbst, demProzessvertreter und Leiter der Rechtsstelleder IG Metall Stuttgart: Nach mehrjährigeraußergerichtlicher und gerichtlicher Aus-einandersetzung hat das LAG unter demVorsitzenden Richter Ulrich Hensinger demBetriebsrat und der IG Metall jetzt in allen

Böb l i ngen · E s s l i ngen · Göpp ingen · Ludw ig sbu rg · S tu t tga r t · Wa ib l i ngen

Arbeitszeit-Urteil: Niederlage für Daimler

Hans Baur : Der LAG-Beschluss wird auch in anderen Betrieben Mut machen

Firma muss Freizeitausgleich sicherstellen

wesentlichen Punkten Recht gegeben. Da-mit wird Daimler-Chrysler untersagt, Arbei-ten außerhalb des vereinbarten Arbeitszeit-rahmens von sechs bis 19 Uhr zuzulassen.Ausnahmen erfordern die Zustimmung desBetriebsrats. Des weiteren dürfen Gleitzeit-guthaben - entsprechend den jeweiligenBetriebsvereinbarungen - nicht mehr alsmonatlich 30 beziehungsweise jährlich 100Stunden beinhalten. Das Unternehmen istdazu verpflichtet, rechtzeitig vor dem 30.September bei den betroffenen Angestell-ten für den Abbau übermäßiger Gleitzeit-konten zu sorgen. Das Gericht hat dabei im Gegensatz zum erstinstanzlichen Urteilausdrücklich den Anspruch des Betriebsra-tes auf Mitsprache bestätigt. Zitat aus demUrteil (AZ.:2 TaBV 2/01), gegen das Daimlerallerdings Berufung eingelegt hat. „Die Ei-genverantwortlichkeit des Arbeitnehmers

und die Verpflichtung der Arbeitgeberin zurDurchführung der Abbauplanung und–umsetzung sind deshalb kein Wider-spruch.“Wie wichtig das Urteil für die unmittelbarBetroffenen 12.000 Daimler-Angestelltender Zentrale, der Forschung und des Lkw-Versuchs ist, beweisen Berichte von Ver-stößen bis in die jüngste Zeit hinein. So hatder Chemiker und Betriebsrat Karl-ErnstHaak in der Motorenforschung in Unter-türkheim selbst erlebt, „wie ein Abteilungs-leiter die Angestellten dazu angehalten hat,über zehn Stunden zu arbeiten“. Und dieskurz nachdem das GewerbeaufsichtsamtDaimler wegen ähnlicher Verstöße gegendas Arbeitszeitgesetz zu einem Bußgeldverdonnert hatte. Zufrieden mit dem LAG-Urteil ist auchHans-Jörg Schmierer von der IG MetallStuttgart: „Daimler muss jetzt erkennen,dass erbrachte Leistung auch bezahlt werden muss; schließlich sind wir keine Nation von Zechprellern.“ Und Hans Baur,der Zweite Bevollmächtigte der StuttgarterMetaller, verweist auf die weit über Daimlerhinaus reichende Bedeutung der Entschei-dung: „Sie wird den Beschäftigten und Betriebsräten in anderen Betrieben Mutmachen.“

Das Urteil im Wortlaut (unter „Aktuelles“)www.bw.igm.de/region/stuttgart/

Die Sieger: Daimler-Betriebsräte

vor dem Landesarbeitsgericht

Se i te 2Strukturwandel an der Pragstraße

Se i te 3Unterrichtsausfallin Berufsschulen

Se i te 4 /5Reaktionen auf dieTarifrunde 2002

Se i te 6Krise in der IT- undTelekom-Branche

Se i te 7Fragen zur Person:Konrad Ott

Die Zweite Kammer des LandesarbeitgerichtsVorsitzender Richter Ulrich Hensinger (Mitte) bei der Urteilsverkündung

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Die Firmen an der Pragstraße inStuttgart-Bad Cannstatt waren einst dasSymbol für die aufstrebende Industrie in derRegion Stuttgart. In den 80er und 90er Jah-ren wurde die Pragstraße zur Arbeitsplatz-vernichtungsstraße. Heute arbeiten nurnoch wenige Menschen dort, vor allemDienstleister, Autoverkäufer, Polizisten, Un-ternehmensberater und Kulturschaffende,aber auch viele Entwickler des Automobil-

IGM REGIONAL Sechster Jahrgang

Nr. 3/2002 (Juli/August)

Erscheinungstag: 18. Juli

Herausgeber: IG Metall in der Region Stuttgart

Verantwortlich: Dieter Knaußund Jürgen Stamm, die Sprecherder IGM in der Region Stuttgart

Redaktionsanschrift:IG Metall, Fronackerstraße 60

71332 WaiblingenFon 07151/95 26-0

Fax 07151/95 26-22e-mail: [email protected]

www.bw.igm.de/region-stuttgart

Konzeption, Realisierung,Redaktion: Ostendmedia

Erscheinungsweise:jeden zweiten Monat

(außer im Sommer)

Nächste Ausgabe:Oktober 2002

Fotos: Graffiti, IGM, Latz, Zapata,Schiermeier, Stampe

Druck: Weinmann

Papier: Paroli matt100% Sekundärfasern

nordisches Umweltzeichen

Auflage: 50.000

Verteilung: Postversandund Betriebsverteilung

Jahresabonnement: 15 Mark(inkl. Versandkosten). Bei

Mitgliedern ist die Bezugs-Gebühr im Beitrag enthalten.

Anzeigen: OstendmediaFax: 0711/42 90 80

zulieferers Mahle. Und ab Oktober werdenan der Pragstraße auch Roboter gebaut.Die Pragstraße ist ein Symbol des Struktur-wandels in der Region. Mindestens 10.000Industrie-Arbeitsplätze wurden dort seitden 80er Jahren vernichtet. Die Totengrä-ber haben Namen wie SKF und Wizemann.Bei Eckart arbeiten noch 130 Beschäftigte;vor zehn Jahren waren es 1.700. Und von Fortuna existiert nur noch ein Rumpf-Betrieb in Weil der Stadt – mit knapp 100Arbeitsplätzen. Ein Erfinder hatte die Firmagroß gemacht, Albert Hirth. Er besaß zeit-weise die meisten Patente in Deutschland. Sohn Helmut Hirth gehörte zu den Grün-dern von Mahle. Der Kolbenhersteller bliebals einziger dem Standort Pragstraße treu.Doch in Cannstatt wird kaum noch produ-ziert. Seit der Umstrukturierung Mitte der80er Jahre sind rund 2.000 Arbeitsplätze in der Produktion abgebaut worden. Dafürwurden Jobs für kaufmännische und tech-nische Angestellte geschaffen. An der

Pragstraße sind jetzt die Zentrale, die Ent-wicklung, der Versuch und der Rennsportkonzentriert. Statt 3.200 (1986) bietetMahle damit am Standort nur noch 1.570Arbeitsplätze. Neu in der Pragstraße ist seit kurzem die Fir-ma Bosch mit einer Teilefertigung (170 Be-schäftigte) in einem ehemaligen SKF-Ge-bäude. Und ab Oktober werden die 290Angestellten und 130 Arbeiter von Bosch-Rexroth von Feuerbach auf das SKF-Arealziehen und dort Industrie-Roboter bauen.

10.000 Arbeitsplätze fehlenSt rukturwande l an de r S tu t tga r te r P rags t raße :

Dienstleister bringen wenig neue Jobs

An

zeig

e

e in ladung

1983: Der Anfang vom Ende eines traditionellen Industriestandortes

Sommerfest der

IG Metall Region Stuttgart in

Stuttgart Bad-Cannstatt

Dienstag, 23. Juli 2002

Beginn: Um 17 Uhr bei Mypegasusim früheren SKF-Gebäude, Löwentor-straße 68, Fon 0711 - 36 53 38 13

Fortsetzung ca. 18.30 Uhr auf dem be-nachbarten Wizemann-Areal im Bier-garten des Latino-Kulturtreffs Zapata,Pragstraße 120, Fon 0711- 9 56 15 44

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fordert. Auch die Ausbilder der FirmenBosch in Wernau, Festo und Hahn & Tesskyin Esslingen sowie Thyssen Aufzugswerkein Neuhausen hatten sich beschwert. Dochgetan hat sich zunächst nichts. Erst als derFall an die Öffentlichkeit kam, wurde Kul-tusministerin Annette Schavan aktiv. Mitt-lerweile hat die Schule neue Lehrer bekom-men. Und der Kreis Esslingen hat imVergleich zu den anderen Kreisen in der Re-gion die geringsten Defizite in der Lehrer-Versorgung. Trotzdem herrscht an der Friedrich-Ebert-Schule weiterhin Mangel: „In den vergan-genen drei Monaten sind in meiner Klasse16 Stunden ausgefallen“, berichtet NicoBauer, der im zweiten Lehrjahr den Berufdes Kommunikationselektrikers erlernt.„Und dies ausgerechnet in wichtigenFächern wie Technologie, Mathematik so-wie Schaltung und Funktionsanalyse.“Auch die IHK in der Region bemängelt denMangel an Lehrern, Unterrichtsräumen undAusstattung. „Doch weder die für die Leh-rerversorgung zuständige Landesregierungnoch die für die Schulgebäude zuständigenKreise konnten sich seither zu einer Bil-dungsoffensive entscheiden“, sagt SusanneThomas von der IG Metall-Verwaltungsstel-le Stuttgart. Die für Stuttgart Vaihingen ge-plante Berufsschule mit Schwerpunkt Infor-

3Jede achte Unterrichtsstunde fälltan den gewerblichen Berufsschulen der Re-gion Stuttgart aus, weil 270 Lehrer fehlen.Zudem platzen die Schulen aus allen Näh-ten. Allein in Stuttgart fehlen nach Anga-ben des Oberschulamtes bis zum Jahr 2010Unterrichtsräume mit einer Fläche von25.000 Quadratmetern. „IGM-Regional“sprach mit den Jugend- und Ausbildungs-vertretern Holger Rößer von Daimler-Chrys-ler in Sindelfingen, Nico Bauer von Hirsch-mann in Neckartenzlingen und HelmutKatzenberger von Allgaier in Uhingen so-wie mit Raoul Ulbrich, Betriebsrat bei Sche-fenacker in Schwaikheim. „Wir mußten einmal sechs Stunden ohneUnterricht herumsitzen, weil die Lehrer beieiner Fortbildung waren“, berichtet HelmutKatzenberger, der im zweiten LehrjahrWerkzeugmacher lernt und die Gewerbli-che Berufsschule in Göppingen besucht.Und wenn Vertretungslehrer eingesetztwürden, müssten sie häufig zwei Klassengleichzeitig betreuen. „Wenn man Pech hat, unterrichtet dannder Deutsch-Lehrer Mathe oder Technolo-gie“, ergänzt Raoul Ulbrich, der das Berufs-schulzentrum in Backnang besucht hat. Beiden Industriemechanikern falle dort im drit-ten Lehrjahr zur Zeit ein Viertel des Unter-richts aus, manchmal sogar ganze Tage. Die Betriebsräte und Jugendvertreter vonSchefenacker und Bosch in Murrhardtprotokollieren deshalb jede ausgefalleneStunde, um mit diesen Zahlen bei der Be-rufsschule und beim Oberschulamt gegenden Ausfall zu protestieren. Ausbilder undGeschäftsführungen haben ihre Unterstüt-zung zugesagt. Besonders schlimm waren noch bis vor zweiJahren die Zustände an der Friedrich-Ebert-Berufsschule in Esslingen-Zell. Der Ausbil-dungsleiter der Esslinger Indexwerke Hel-mut Zimmer hatte gegenüber der Schuleund dem Oberschulamt immer wieder die„katastrophalen“ Auswirkungen des Un-terrichtsausfalls geschildert und Abhilfe ge-

Jede achte Unterrichtsstunde fällt ausHolger Rößer : Wir stehen bald vor einer Katastrophe

Zunehmender Lehrermangel wegen miserabler Bezahlung

mationstechnologie sei lediglich ein Tropfenauf den heißen Stein. Der Daimler-Jugendvertreter Holger Rößer –er ist Ver- und Entsorger – befürchtet, dassdie Versorgung noch viel schlechter wird:„Wir stehen bald vor einer Katastrophe,denn in den nächsten acht Jahren werden40 Prozent der Lehrer in den Ruhestand ge-hen und es gibt wegen der miserablen Be-zahlung kaum Nachwuchs.“

beruf s s chu len

Holger Rößer, Raoul Ulbrich, Nicolas Bauer (von links)IG Metall-Jugendliche von den Firmen Daimler-Chrysler, Schefenacker und Hirschmann

In der Region

Stuttgart fehlen 270

Berufsschullehrer

0% 5% 10% 15% 20%

Region Stuttgart

Landkreise

Stuttgart

Rems-Murr

Ludwigsburg

Göppingen

Esslingen

Böblingen

Durchschnittlicher A

usfall wegen Erkrankung von Lehrern, Fortbildung etc.

Ausfall w

egen nicht besetzter Lehrerstellen

Unterrichtsausfall an den Berufsschulen

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Unterschiedliches Echoauf den Tarifabschluss

Er i ch K lemm: Wir müssen jetzt neue, mutige Schritte gehen

Horror-Märchen von VDMA und BDA

Tausende von Arbeitsplätzenwerde der jüngste Tarifabschluss für dieMetall- und Elektroindustrie kosten, ver-lautbarten die Lobbyisten der Wirtschaft inden vergangenen Wochen. Die Metaller inder Region sind gegenüber derart pauscha-len Drohungen längst immun. Sie diskutie-ren lieber darüber, ob der Abschluss hättebesser sein können und wie die Tarifpolitikder nächsten Jahre aussehen soll.

6.000 bis 8.000 Jobs werde der Tarifab-schluss allein im Maschinen- und Anlagen-bau in Baden-Württemberg kosten, verkün-dete der VDMA-Vorsitzende DieterBrucklacher. „Das ist absolut nicht nachvoll-ziehbar“, sagen dazu Betriebsräte der Bran-che wie Bernd Haußmann von Heller inNürtingen. Haußmann: „Ich kenne genü-gend Firmen in der Region, die können aufGrund ihrer guten Auftragslage auf keineneinzigen Mann verzichten.“ Eine „zwangsläufige Personalreduktion inden Unternehmen“ kündigte auch DieterHundt an, der Präsident der Bundesvereini-gung der Arbeitgeberverbände. Die Lohn-erhöhungen hätten nämlich Rationali-sierungsmaßnahmen zur Folge. Demwiderspricht Dieter Sprang, der Betriebs-ratsvorsitzende der von Hundt geführtenAllgaier-Werke in Uhingen. „Die neue Pres-senstraße, die mit Robotern arbeitet, hatDieter Hundt doch schon vor der Tarifrundegekauft, da wusste er noch gar nicht, wiedie Auseinandersetzung ausgeht.“ Auch Bosch-Chef Hermann Scholl lamen-tierte über den „inakzeptabel hohen Ab-schluss“ und prophezeit eine negative Arbeitsplatzwirkung. Roland Saur, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende beiBosch in Stuttgart-Feuerbach, sagt dage-gen, der Aufbau von Produktionsstand-

orten im Ausland gehöre seit Jahren zur Fir-menstrategie – ganz unabhängig von Tarif-abschlüssen. Die Stuttgarter Bosch-Be-schäftigten hätten im Übrigen einenhöheren Tarifabschluss erwartet. Saur: „Zu-dem war die Enttäuschung groß, als derStreik in Feuerbach wegen des BöblingerKompromisses in letzter Minute abgesagtwurde.“Bei Bauknecht in Schorndorf dagegen wur-de gestreikt. Trotzdem oder gerade deshalbwaren die Kolleginnen und Kollegen mitdem Abschluss unzufrieden, berichtet Be-triebsratsvorsitzender Christos Prassas, derden Böblinger Kompromiss in der Tarifkom-mission abgelehnt hatte. „ERA hätten wirschon beim Ludwigsburger Angebot be-kommen“, sagt Prassas, „dazu noch 3,2Prozent“. Und für die meisten Kolleginnenund Kollegen bei Bauknecht bringe auchERA nichts, „denn die arbeiten in unterenLohngruppen“. Aus gewerkschaftspoliti-schen Gründen aber hält Prassas ERA „füreine tolle Sache“. Und wie geht es weiter? „Wir müssen jetztneue, mutige Schritte gehen, wenn wir denFlächentarifvertrag halten wollen“, sagt Erich Klemm, der Betriebsratsvorsitzendevon Daimler-Chrysler in Sindelfingen. „Wirmüssen einen Weg finden, um künftig dif-

ferenzierte Forderungen zustellen – damit sich stärkereund schwächere Betriebe imAbschluss wieder finden.“Über diese Wege diskutiertendie Metaller in der Region zur Zeit. Die Meinungen ge-hen noch weit auseinander.Leute wie Christos Prassas jedenfalls lehnen eine Diffe-renzierung ab, denn damitwerde „innerhalb der Ge-werkschaften ein Zwei-Klas-sensystem eingeführt“.

Christos PrassasBauknecht, Schorndorf

Jürgen SprangAllgaier, Uhingen

Roland SaurBosch, Stuttgart-Feuerbach

Erich KlemmDaimler-Chrysler, Sindelfingen

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Die IG Metall hat in diesem Jahrin Baden-Württemberg einen Arbeitskampfgeführt, der vor allem wegen des Abschlus-ses des Entgeltrahmentarifvertrages, kurzERA, in die Geschichte eingehen wird. IGM-Regional sprach mit Dieter Knauß, demSprecher der IG Metall Region Stuttgart,über die Lehren aus dem Streik.

Welche gesellschaftspolitische Bedeutunghat die diesjährige Tarifauseinandersetzungfür dich?Die abhängig Beschäftigten haben derWirtschaft nach Jahren der Zurückhaltungklar und deutlich gezeigt, dass es Grenzengibt – auch in einer globalisierten Welt, inder der Kapitalismus seit Jahren wahre Or-gien feiert. Die Metaller in Baden-Württem-berg haben mit dem Arbeitskampf begon-nen und sie haben damit ein Signal gesetzt.Andere Brachen folgten, beispielsweise dieBauarbeiter und die Bankangestellten. Die gesellschaftspolitische Bedeutung derdiesjährigen Tarifrunde sollte auch von derPolitik wahrgenommen werden. Unabhän-gig davon, wer die Bundestagswahl am 22.September gewinnt, die neue Regierungwird mit uns rechnen müssen. Wer denKündigungsschutz angreift, das Tarifrechtbeschneidet, Wahlleistungen in der Kran-kenversicherung einführt oder ihre paritäti-sche Finanzierung aufhebt, wird Massen-proteste ernten.

Und wie schätzt du die tarifpolitische Be-deutung des Abschlusses ein?Der ERA wird in die Geschichte eingehen.Jetzt kommt es auf die ERA-Umsetzung an.Erst dann wird das volle Ausmaß diesesTarif-Abschlusses spürbar.Dann kann die Benachtei-ligung der Arbeiter endlichder Vergangenheit an-gehören, denn der ERA be-wertet die Arbeit von Ar-beitern und Angestelltennach gleichen Kriterien.Viele qualifizierte Arbeiten,deren Wert bisher zu ge-ring bewertet wurde, kön-nen so höher eingruppiertund damit besser bezahltwerden.

Haben die betroffenen Koleginnen undKollegen diese Bedeutung erkannt? Wir haben darüber im Vorfeld der Tarifaus-einandersetzung zu wenig informiert. Dasmuss schnellstens nachgeholt werden undwir haben damit bereits begonnen.

Ist damit auch die relativ geringe Zustim-mung zum Tarifabschluss zu erklären? Inder Region gab es ja Bereiche, in denennicht einmal ein Drittel der Kolleginnen undKollegen für den Böblinger Kompromiss ge-stimmt hatten. Zum Teil hängt dies sicher mit der kompli-zierten ERA-Materie zusammen. Und da diezweite Urabstimmung schon kurz nachdem Böblinger Durchbruch stattfand, hat-ten wir keine Zeit, mit unseren Mitgliederndarüber zu diskutieren. Wir dürfen uns des-halb künftig nicht mehr so unter Zeitdrucksetzen lassen.

Aber in den Betrieben ging es doch vor al-lem um die Lohnprozente.So ist es und deshalb ist die Ablehnung desAbschlusses in der Region Stuttgart auch so hoch. Viele Betriebe unserer Region – vor allem in der Automobilindustrie – ha-

ben in den vergangenenJahren hervorragende Um-sätze gemacht und sehr gutverdient. Gerade die Be-schäftigten dieser Betriebehaben natürlich mehr Gelderwartet.Dazu kam in einigen Be-trieben noch die Enttäu-schung darüber, nicht ge-streikt zu haben. DieStreikaufrufe waren bereitsbekannt – zum Beispiel beiBosch in Stuttgart-Feuer-bach oder im Waiblinger

Kunststoffwerk – und dann hieß es: Bittezur Arbeit kommen, wir haben einen Kom-promiss. Die Boschianer wollten aber auchihr Streikgewicht in die Waagschale werfenund sie konnten es nicht. Das ist bitter; daskann ich gut verstehen.

War der so genannte Schmusestreik eigent-lich ausreichend?Die Streiktaktik haben wir uns nicht selbstausgesucht. Sie ist ein Ergebnis der Anti-Streik-Gesetzgebung der Regierung KohlMitte der 80er Jahre. Wir mussten so strei-ken, damit es zu keiner kalten Aussperrungkommt. Dies ist uns, von wenigen Ausnah-men abgesehen, gelungen. Die Tagesstreikshatten aber auch positive Seiten: Wir konn-ten viel mehr Betriebe in den Arbeitskampfeinbeziehen als früher. Und die Streikaufru-fe wurden überall befolgt, auch in Betrie-ben, in denen seit Jahrzehnten kein Arbeits-kampf mehr stattfand. Dies gilt übrigensauch für die Angestellten. Noch nie hat dieIG Metall so viele Angestellte zum Streik ge-rufen. Und in Fällen, in denen es keinenAufruf gab, bekamen wir oft böse Proteste.

Im Regierungsprogramm derrot-grünen Koalition von 1998steht, dass der Antistreik-Para-graph gestrichen werden soll. Ist dies über-haupt nötig nach dem erfolgreichen Ar-beitskampf im Frühjahr? Wir haben zwar die Tarifauseinanderset-zung in diesem Jahr bestanden, aber waswäre gewesen, wenn die Gegenseite nichtan einem Kompromiss interessiert gewesenwäre, wenn sie gezielt heiß ausgesperrthätte, um damit kalte Aussperrungen zuprovozieren? Wenn Leute, die ihr Lebenlang Beiträge gezahlt haben, vom Arbeit-samt und der IG Metall kein Geld bekom-men hätten, weil ihre Firma sie wegen aussperrungs- oder streikbedingtem Auf-tragsmangel nach Hause geschickt hätte?Deshalb bin ich sehr verärgert darüber, dassdie Regierungsparteien ihr Versprechen,den Anti-Streik-Paragraphen zu streichen,bis heute nicht erfüllt haben.

Die Metaller haben ein Signal gesetztDie te r Knauß : Wir dürfen uns bei der Urabstimmung nicht mehr unter Zeitdruck setzen

Koalition soll endlich den Anti-Streik-Paragraphen streichen

Dieter KnaußSprecher IG Metall Region Stuttgart

Streikszene bei

Daimer-Chrysler in

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protes t be i se l

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Die BiKo ist ein freier Bildungsträger, der in Kooperation mit der IG Metall Region StuttgartBetriebsräte, Jugend- und Auszubildenden- sowie Schwerbehinderten-Vertretungen qualifiziert.

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sowie Azubi- und Schwerbehinderten-Vertretungen

„Die BiKo ist unverzichtbar für IG Metall-Betriebsräte.“

Peter Weingart, Betriebsratsvorsitzender von Dürr in Stuttgart und BiKo-Teamer

sucht einen potenten Übernehmer. Und beiden Leiterplattenherstellern Multec in Böb-lingen und Solectron in Herrenberg ist dieLage angespannt. Bei der Böblinger Logic-Chip-Schmiede Philips-SMST dagegen hatsich die Auftragslage im Frühjahr schlag-artig verbessert. Ein weiterer Kahlschlag droht bei AlcatelSEL. Mehr als 40.000 Leute hatte SEL nochvor drei Jahrzehnten beschäftigt. Ein Viertelist übrig geblieben. Und jetzt will die PariserZentrale weitere 1.200 Stellen in Deutsch-land streichen, die meisten davon in Stutt-gart. Die Beschäftigten gingen deshalbkürzlich auf die Straße. Sie wollen verhin-dern, was sie noch verhindern können.

Schlechte Auftragslage auch bei Marconi inBacknang (früher Bosch-Telekom bzw.ANT), wo die Entwicklung, der Vertrieb unddie Deutschland-Zentrale des britischenKonzerns angesiedelt sind. 1.800 Leute hatdie Firma in Backnang noch bis vor gut ei-nem Jahr beschäftigt. Bald sollen es nurnoch 1.300 sein.

Die Krise der IT- und der Tele-kommunikationsbranche hat längst auchdie Region Stuttgart erfasst. Der Traum desfrüheren Ministerpräsidenten Lothar Späth,im Kreis Böblingen ein deutsches SiliconValley aufzubauen, könnte bald in negati-ver Hinsicht Wirklichkeit werden, denn wiein Kalifornien, verliert die IT-Branche imRaum Böblingen seit einem Jahr immer wei-ter an Bedeutung.Die Hoffnungsträger des Neuen Marktes inder Region Stuttgart sind pleite (Brokat)oder nichts mehr wert wie der LeonbergerInternetdienstleister Caatoosee. Auch hierwar Sprüche-Klopfer Späth mit am Werk -als Aufsichtsratsvorsitzender. Beim Caatoo-see-Börsengang im September 2000 betrugder Ausgabekurs 21 Euro. Mittlerweile istdas Papier auf 1,10 Euro gesunken. Doch auch die IT-Riesen der Old EconomyIBM und Hewelett-Packard haben Proble-me; auch sie wollen deshalb im Raum Stutt-gart Personal abbauen. Bei IBM (knapp7.000 Angestellte in der Region) wurdenbereits zahlreiche Aufhebungsverträge ab-geschlossen. Bei HP (4.500 Beschäftigte in Böblingen) und Compaq (230 Angestell-te in Echterdingen) sind die Erwartungenseit der Fusion noch düsterer. Sogar dieBoomfirma T-Systems (2.900 Angestellte inder Region Stuttgart), früher Debis-System-haus, wo noch bis vor kurzem Fachkräftegesucht wurden, hat ein „Hire-Freeze” verkündet, auf Deutsch einen Einstellungs-stopp.Auch den meisten IT-Produktionsfirmen derRegion geht es nicht gut. Der Leiterplatten-Produzent STP in Sindelfingen, der aus demIBM-Konzern hervorging, ist pleite und

Krisenerscheinungen in der Region Stuttgart

I T- und Te lekommunika t ionsbranche :

STP-Beschäftigte kämpfen für ihre ArbeitsplätzeBetriebsrätin Gisela Haupt bei einer Kundgebung

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Warum engagierst du dich als Gewerk-schafter in der Region Stuttgart?Gewerkschaftliche Arbeit lässt sich nichtauf die Kreisebene beschränken. Kirch-turmspolitik lehne ich ab.

Was findest du negativ in der Region?Dass sich die Straßen um Stuttgart herumimmer mehr zu Parkplätze entwickeln.Schon deshalb muss der Öffentliche Nah-verkehr dringend verbessert werden. Unddeshalb setzen wir uns als IG Metall auchfür bessere Bus- und Bahnangebote für Be-rufspendler ein.

Wer war in deiner Jugend dein größtes politisches Vorbild?Der langjährige Bezirksleiter der IG Metallin Baden-Württemberg Willi Bleicher, denich als Jugendvertreter noch kennen ge-lernt habe. Beeindruckt hat mich bei ihmnicht nur seine politische Arbeit, sondernauch seine Standhaftigkeit. Ein weiteresVorbild war der SPD-Politiker Erhard Eppler,der in der rabenschwarzen Region Obern-dorf, wo ich damals wohnte, seinen Wahl-kreis hatte. Eppler war immer wieder unbe-quem; er war ein wichtiger politischerVordenker.

Hast du heute noch politische Ideale?Ich bin überzeugt, dass das kapitalistischeWirtschaftssystem nicht das Ende der Ge-schichte ist. Kürzlich habe ich Kuba bereist;ich bin beeindruckt vom „Sozialismo tropi- kurz und bünd ig

f ragen zur pe r son

cal“ und vor allem darüber, was in diesemEntwicklungsland in den Bereichen Bildungund Gesundheitsvorsorge möglich ist. Hierherrscht ein Gesellschaftssystem, in demder Mangel gleichmäßig verteilt wird. Manstelle sich einmal vor, wie Deutschland aus-sehen würde, eines der reichsten Länderder Welt, wenn unser Reichtum gleich-mäßig verteilt wird.

Welches Ereignis war für dich als Gewerk-schafter besonders prägend?1981 meine Kündigung durch den Rüs-tungskonzern Heckler & Koch. Der Grundwar mein gewerkschafts- und friedenspoli-tisches Engagement. Ich sprach mich fürRüstungskonversion aus, also für die Pro-duktion alternativer Produkte. Der Betriebs-rat hatte die Kündigung zu meinem Ent-setzen mit acht zu sieben Stimmenbefürwortet. Und dies obwohl ich selbstBetriebsrat und Leiter der IG-Metall-Ver-trauensleute in der Firma war. Zwei Jahredanach gab es Massenentlassungen. HätteHeckler & Koch rechtzeitig auf andere Produkte gesetzt, hätte vielleicht dasSchlimmste verhindert werden können.

Warum wolltest du hauptamtlicher Ge-werkschaftsfunktionär werden.Das war nicht mein Ziel. Nachdem ich abermeine Weiterbeschäftigung bei Heckler &Koch auch arbeitsrechtlich nicht durchset-zen konnte, hat mir die IG Metall in Lud-wigsburg eine Stelle angeboten.

Was ist die größte Enttäuschung in deinempolitischen Leben.Dass die rot-grüne Koalition die Kriegs-einsätze in Jugoslawien und in Afghanistanbeschlossen und die paritätisch finanzierteRente verkauft hat.

Sollten Gewerkschafter Mitglieder politi-scher Parteien sein?Ich gehöre keiner politischen Partei an. Ichhalte mehr von außerparlamentarischenBündnissen wie zum Beispiel ATTAC. Trotz-dem ist es wichtig, wählen zu gehen.

Konrad Ott

45 Jahre alt, lebt zusammen mit seiner Frau

Gelernter Werkzeugmacher

Zweiter Bevollmächtigter der IG Metall imKreis Ludwigsburg seit 1993

Erster Bevollmächtigter seit 2000

Aufsichtsrat bei Hüller Hille

Konrad Ott engagiert sich seit Anfang der 90er

Jahren in der Region Stuttgart vor allem für die gewerk-

schaftliche Bildungsarbeit. Er war einer der Initiatoren der

BildungsKooperation Region Stuttgart, einer Einrichtung,

die Betriebsräte fortbildet. In der Region zum

ersten Mal politisch aktiv wurde Ott beim siebenwöchigen

Arbeitskampf 1984 als Sekretär der IG Metall Ludwigsburg.

Nenne die wichtigste Eigenschaft, die einGewerkschafter bzw. eine Gewerkschafte-rin haben sollte?Man muss mit Menschen umgehen kön-nen, braucht ein gesundes Selbstbewusst-sein und muss belastbar sein.

Bist du Einzelkämpfer?Unsere Aufgaben sind so komplex, dass sienur im Team bewältigt werden können.

Welche Fähigkeiten vermisst du bei dir ammeisten?Nein zu sagen, wenn politisch notwendigeTermine meine private Zeit einschränken.Im Übrigen fällt mir das Reden leichter alsdas Schreiben. Das ist bei Schwaben oft so.Und bessere Fremdsprachenkenntnissewären auch nicht schlecht.

Kennst du ein Leben neben der (Gewerk-schafts-)Arbeit?Ich würde gern mehr Zeit für meine großeLeidenschaft, die Berge, haben – im Som-mer und Winter -, zum Laufen, Fahrradfah-ren und Reisen.

Welches Buch hast du zuletzt gelesen?„Der Taubenzüchter von Bagdad“ von EilAmir. Das Buch beschreibt den Konflikt derJuden in Bagdad nach der Gründung desStaates Israel: Man erfährt dabei viele Hin-tergründe, die auch zum Verständnis derheutigen Probleme beitragen.

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IG Metall-Mitgliedsausweisdes damaligen Sekretärs der Verwaltungsstelle Ludwigsburg

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rä t se le cke

Rund 10.000 neue Arbeitsplät-ze haben Politiker wie der Stuttgarter Ober-bürgermeister Wolfgang Schuster mit demBau einer neuen Messe auf den Fildern ver-sprochen. Wie bei den Job-Prognosen zu„Stuttgart 21“ hat die IG Metall auch dieMesse-Zahlen von Anfang an bezweifelt.Ein neues Gutachten von Hans-Dieter Feserbestätigt diese Haltung. Der Professor fürVolkswirtschaftslehre und Wirtschaftspoli-tik an der Universität Kaiserslautern hat dasGutachten im Auftrag der Stadt Leinfelden-

Berlin-Reise zu gewinnenIn welchem Monat mussten die Pesonalbüros die erste ERA-Strukturzahlung laut Tarifvertrag auf dieKonten der Metallerinnen und Metaller überweisen?

Name, Vorname

Straße, Nr.

PLZ, Wohnort

Telefon

Einsendeschluss: 8. August 2002

Lösungswort

Bitte ausfüllen und an folgende Adresse schicken:

IG Metall · Redaktion REGIONALFronackerstraße 60 · 71332 WaiblingenFax 0 71 51/95 26–22

Unter den Einsendungen mit der richtigen Antwort wer-den sieben Gewinner gezogen. Erster Preis: eine dreitägi-ge Studienfahrt nach Berlin für zwei Personen. Derzweite Preis besteht aus zwei Karten der Kulturgemein-schaft des DGB für ein Konzert, eine Ballettvorführung,einen Theater- oder Opernbesuch oder eine Kunst-führung. Die übrigen Gewinner erhalten das soeben in derEdition der Frankfurter Rundschau erschienene BuchFlexibel, aber sicher (Nest Verlag). Gewerkschaftsange-stellte können an der Verlosung nicht teilnehmen. DerRechtsweg ist ausgeschlossen.

ERA (Entgeltrahmentarifvertrag) ist das Lösungswort desletzten Rätsels.

Der Gewinner der Studienfahrt nach Berlin ist Uwe Vietzaus Jettingen. Die Karten der Kulturgemeinschaft erhältAlbrecht Klumpp aus Großbottwar. Der Buch-Preis gehtan Werner Bohner in Schorndorf, Heinrich Bormann inBiedenkopf, Leopold Dary in Filderstadt, Hüseyin Ergül inStuttgart, Karin Klett in Fellbach, Monika Lotti in Stuttgart,Alfred Maier in Großbottwar und Karl-Heinz Stolpa inWolfschlugen.

Echterdingen erstellt, die sich gegen einenMesse-Neubau auf ihrer Markung wehrt.IGM-Regional sprach mit dem Volkswirt-schaftler.

Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze bringtdie neue Messe wirklich?Feser: Geht es nach den Planfeststellungs-unterlagen, würde sich die Zahl der von derMesse abhängigen Arbeitsplätze um 270Prozent erhöhen - von jetzt 2 900 auf 7 800Arbeitsplätze. Jedes Kind kann allerdingsnachrechnen, dass dies keine 270 Prozentsind, sondern nur 170 Prozent. Abgesehenvon solchen kapitalen Rechenfehlern kannich nur sagen: Die einer solchen Annahmezugrunde liegenden Wachstumsraten sindnicht ausreichend begründet.

Wenn die Ausstellungsfläche verdoppeltwird, wie vorgesehen, wächst dann nicht au-tomatisch auch die Zahl der Beschäftigten?

Feser: Eben nicht. Nur wenn die Zahl derAusstellungen und Aussteller zunimmt,würden positive Effekte auftreten. Aber esfehlt ein schlüssiges Konzept, aus dem ent-nommen werden könnte, wie diesesWachstum entsteht. Kein Wort über zusätz-liche Themen, über Ausstellungen, die ab-geworben werden, über Marktlücken, diebesetzt werden können. Hier sollen über ei-ne Milliarde Euro investiert werden, ohnedass die Messe ein Konzept vorgelegt hat,aus dem zu schließen wäre, dass sich dieseInvestition rentiert. Insofern stehen diePrognosen über einen Zuwachs an Arbeits-plätzen auf schwankendem Boden.

Ist wenigstens sicher, dass in Leinfelden-Echterdingen selbst neue Arbeitsplätze ent-stehen?Feser: Auch hier tappen wir im Dunkeln,denn die Gutachten der Fildermesse lassenzu dieser Frage keine Aussagen zu. In Lein-felden-Echterdingen gibt es zur Zeit nur we-nige Betriebe aus dem Messewesen. Insge-samt hat Leinfelden-Echterdingen sowiesonicht das Problem, dringend neue Arbeits-plätze zu benötigen. Seit Jahr und Tag hatdie Stadt landesweit die niedrigsten Ar-beitslosenquoten und kann sich kaum ret-ten vor lauter Anfragen von Betrieben, diesich hier niederlassen wollen. Ich nehme an,dass die Firmen, die schon heute für dieMesse arbeiten, dies auch für die neueMesse tun werden – egal wo der Standortder neuen Messe ist.

Geplantes Messegelände

mit Parkhaus

über der Autobahn

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f i l de rmesse

Rechenfehler bei der Arbeitsplatz-Prognose

Hans -D ie te r Fese r : Bei den Messeplanern fehlt ein schlüssiges Konzept

Gutachter bestätigt kritische Haltung der IG Metall

IGM im Internet

IGM-Regional kann auch im Internet gelesen werden: www.bw.igm.de/region-stuttgart/

Die IG Metall-Verwaltungsstellen haben eigene Internetseiten:

Esslingenwww.esslingen.igmetall.de/

Göppingen/Geislingenwww.goeppingen-geislingen.igmetall.de/

Ludwigsburgwww.bw.igm.de/region/ludwigsburg/

Stuttgart/Böblingenwww.bw.igm.de/region/stuttgart/

Waiblingenwww.bw.igm.de/region/waiblingen/