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FORUM BACHAKADEMIE 75 Oktober bis Dezember 2011 BACH IST DAS RÜCKGRAT Dreißig Jahre Bachakademie EINTAUCHEN IST LEICHTER ALS AUFTAUCHEN Das Musikfest-Auftragswerk »Aqua« BITTE KOMMT WIEDER! Die Bachakademie erstmals zu Gast in China

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F O R U M B A C H A K A D E M I E

75Oktoberbis

Dezember2011

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Dreißig Jahre Bachakademie

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Das Musikfest-Auftragswerk »Aqua«

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Die Bachakademie erstmals zu Gast in China

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F O R U M B A C H A K A D E M I E 75Inhalt

Akademieleiter: Helmuth Rilling � Intendant: Christian Lorenz � Redaktion: Holger Schneider � Fotos: privat (6) � Christian Lorenz (8-u.) � Martin Frobeen (9-re.Sp.) � Atelier Hostrup (17) � fzfilm (19)� Holger Schneider (alle anderen) � Druck: Werner Böttler GrafikSatzBildDruck, Walddorfhäslach� Auflage: 4.500 � Die nächste Ausgabe erscheint im Februar 2012

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Sollten Sie, L I E B E L E S E R I N , L I E B E R L E S E R ,diese Ausgabe nicht bequemerweise in Ihrem Brieasten vorgefunden haben, dann deutet das daraufhin, dass Sie noch immer nicht Mitglied im Förderkreis Internationale Bachakademie Stuttgart e.V.sind. Diesem nicht wirklich glücklichen Umstand können Sie allerdings mit einem kleinen Schritt auf-helfen, der es uns wiederum ermöglicht, große Schritte zu gehen. Für Sie ist die Zusendung des ForumBachakademie dabei nur einer von vielen Vorteilen.

Wir freuen uns auf Ihren kleinen Schritt!

2 B A C H I S T D A S R Ü C KG R A T U N S E R E R A R B E I TDreißig Jahre BachakademieChristian Lorenz im Gespräch mit Helmuth Rilling

6 E I N T A U C H E N I S T L E I C H T E R A L S A U F T A U C H E NDas Musikfest-Auftragswerk »Aqua«Aus dem Tagebuch einer Schüler-Praktikantin

11 B I T T E KO M M T W I E D E R !Die Bachakademie erstmals zu Gast in ChinaEin Bericht mit Abschweifungen

17 Ü B E R G R O S S E D A N K B A R K E I TZum Gedenken an Peter Kreyssig

19 K U R Z V O R G E S T E L L TBuch »Neue Wege zur Passion« von Lutz RiehlDVD zur Geschichte der Bachwoche Ansbach

20 V E R M I S C H T E SDAS LEUZE Mineralbad am Berger

Neckarufer zählt heute zu den

meistbesuchten Bädern in Deutsch-

land. Doch das hat die 1842 von

Augustin Koch gegründete, 1854

von Ludwig Leuze neu eröffnete

Badeanstalt in ihrer wechselvollen

Geschichte auch noch nicht erlebt:

Ein Wasserballett zur Musik von

Johann Sebastian Bach – mit den

Synchronschwimmerinnen des

Schwimmerbunds Schwaben 1895

Stuttgart, am 30. August beim

MUSIKFESTUTTGART 2011 (Titelfoto).

Nach seiner Nutzung als Reserve -

lazarett im I. Weltkrieg verkaufte

die Familie Leuze 1919 das Bad an

die Stadt Stuttgart, die ein Alters-

heim darin einrichtete. 1945 konnte

es als Freibad wiedereröffnet wer-

den, bevor das Leuze in den 1950er

Jahren zu einem Heil- und Hallen-

bad mit modernen Freizeitanlagen

ausgebaut und später mehrfach er-

weitert wurde. Die heutige Form

wurde Anfang der 1980er Jahre

durch Otto Herbert Hajek mitge-

staltet, der – es hängt doch alles

irgendwie zusammen – auch das

Bronzerelief PASSION 2000 am Ein-

gang des Hauses Bachakademie

(S. 3) stiftete.I M P R E S S U M

... und noch einige Impressionen von unserer China-Tournee

Konzerthalle Guangzhou Gru

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mit

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Türme in Shanghai

Im Sommerpalast Beijing In einem der »Hutong« in Beijing

Straßenszene in Guangzhou

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F O R U M B A C H A K A D E M I E 75 � � � 1

D R E I S S I G J A H R E B A C H A K A D E M I EAnstelle eines Editorials: Kleines Pamphlet zur Zahlensymbolik

Aller guten Dinge, verzehnfacht – das ergibt eigentlich eine richtiggute runde Dreißig. Wäre da bloß nicht diese geltungssüchtige Fünf -undzwanzig, von der tatsächlich manche meinen, sie sei viel runder.

Unsinn. Die stiehlt der Dreißig doch nur ihre Show-Runde! Mal abgesehenvon ihrer deutlich kantigeren Anmutung: Was prädestiniert denn eine der-art holprig-ungerade Ziffernkombination wie die Fünfundzwanzig als

Jubelzahl, außer ihre Herkunft aus dop-pelter Gleichteilung der kleinsten

dreistelligen Menge? Das Vier-telhäppchen eines Jahrhun-

derts zu sein? Fünf imQuadrat? Wie eckig!Da loben wir unsdoch die hehre, hei-lige Drei im prope-ren Zehnerpack!Saubere Nullungder Märchenzahl,ein Dezenniumfein rundlich mitder ersten Mer-

senne-Primzahl ver-multipliziert! Eine

Fünfundzwanzig – dar-auf reimt sich doch nicht

mal was … fast nichts. Auf»dreißig« hingegen etwa: Ein

Zeisig, sehr fleißig, der Reisig beisich… ach, was weiß ich?! Lassen wir die

Dreißig doch besser ungereimt sich runden und nehmen’s nicht gar so be-deutungsschwer mit den drei Jahrzehnten. Gute runde dreißig Jahremacht’s nun laut Adam Ries, dreißigfach gab’s gute Jahres-Frucht auf demAkademie-Acker. Und eh sich’s einer versieht, der wie ich zwanzig Jahr’dabei ist und aufs Ganze die nächsten zwanzig bis zur Fünfzig hochrechnet,folgt auf die Dreißig bereits die Sechzig vor der Hundert (Mt 13, 8)… Drumhalten wir für einen Moment inne, schlagen um auf Seite zwo, wo Zwei sichzur Dreißig was haben einfallen lassen. Dann, wie es uns gefällt, blätternund zählen wir einfach weiter, halten inne und blättern weiter, zählen weiter…

Zigfach herzlich grüßend:Ihr Redaktör

»Dein Gedeihenhat itzundeinen rechtenfesten Grund,dich mit Wohlzu überschütten.«BWV 30, Satz 1

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Schaffen beeinflusst? Das beginnt bei seinenSöhnen, die vielfach in den Programmen derBachakademie zu hören waren, dann die Epo-che der Wiener Klassik: Ein später Mozart istohne den Einfluss Bachs nicht denkbar, undbei Beethoven ist es genauso. Und wenn wirvon da in die Romantik gehen, vor allem zuMendelssohn, dann erleben wir ja geradezueinen Bach enthusiasmus, den diese Komponis-ten damals alle gehabt haben. Der Blick aufMendelssohn hat uns ja nun sehr stark beschäftigt, die Entdeckung dieser wunder -baren Jugendoper »Der Onkel aus Boston«war sicher einer der Höhepunkte unserer damaligen Arbeit und hat ja auch für entsprechende Aufmerksamkeit, ich möchtesagen weltweit, gesorgt.

Neben dem Ausgangspunkt Bach hat unsimmer die Frage beschäftigt: Was macht unsere zeitgenössische Musik? Es ist ja so,dass die Komponisten, die heute führend sind,nicht automatisch geistliche Texte komponie-ren, wie sie bei uns im Zentrum stehen, alsoetwa einen Messtext, ein Requiem oder garden Text der Passions berichte. Die Regel ist,dass ein Symphonieorchester oder Opernhauseinen Etat hat für einen Auftrag an irgend -einen Komponisten, eine Symphonie oder eineneue Oper zu schreiben. Deshalb gibt es diezeitgenössischen Werke in diesen Bereichen.Aber der Auftraggeber für geistige, geistlicheMusik fehlt – eigentlich müssten da unsereKirchen einspringen. Wir haben mit der Bach-akademie diese Rolle übernommen. Das Pro-jekt 1995, fünfzig Jahre nach Ende des Zwei-ten Weltkrieges, war herausragend: Wir haben14 Komponisten beauftragt, führende Kompo-nisten der damaligen Zeit aus Ländern, die imII. Weltkrieg verfeindet waren, und sie habentatsächlich dieses Requiem geschrieben. Dasses uns gelang, das Israel Philharmonic Or-chestra mit uns zusammenzuführen für dieUraufführung dieses neuen Stückes, das wareine Tat der Versöhnung. Oder das ProjektPASSION 2000. Die Komponisten waren zu-

nächst sehr erstaunt über diese Anfrage, einePassion zu schreiben. Aber sie haben ge -schrieben und das ist eine weltweite Aktivitätgewesen! Und dies hat sich weiter gezogen überdie Jahre, ich denke an den »Messiah« vonSandström 2009 und an die kleineren Werkevon Uri Caine 2010. Also hier sehe ich, sah ichimmer und sehe bis heute eine wichtige Akti-vität unserer Bachakademie: Anreger zu seinfür Neues.

Dieser Schwerpunkt zeitgenössische Musik istfür die Bachakademie relativ spät dazugekom-men?!

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Im Grunde ist es doch erstaunlich, dass dieBachakademie 30 Jahre lang inhaltlichund finanziell so gut dastehen konnte!

Und immer wieder hat sie sich verändert – indieser Tradition stehen wir noch heute. Duhast eine Bachakademie gegründet, hast aberimmer weit über Bach hinaus geblickt: Dieerste Schrift unserer Reihe war zum Thema»Messa per Rossini« entstanden. Die Bach-woche ist erst 1999 gegründet worden. Musikfest-Schwerpunkte waren Beethovenund Mendelssohn, Schumann und vieles an-dere. Wir sind doch jetzt manchmal konfron-tiert mit der Frage: »Was macht ihr alles für

2� � � W W W. B A C H A K A D E M I E . D E / F O R U M

verschiedene Dinge, solltet ihr euch nicht aufdie Kernkompetenz Bach konzentrieren?!«Aber Du hattest schon immer den Impetus,stets Neues zu finden.

� Bach ist das Rückgrat unserer Arbeit. Aberimmer, von unseren Anfängen her habe ichdas so verstanden, dass dazu anderes tretenmuss, es muss also immer eine »Bach-und-Akademie« sein. Nun lässt sich diese Frage»Was gehört zum Thema Bach dazu« in ganzverschiedener Weise beantworten. Fangenwir an mit Bach als dem großen Lehrer derMusikgeschichte. Wen alles hat er mit seinem

B A C H I S T D A S R Ü C K G R A T U N S E R E R A R B E I TDreißig Jahre Bachakademie� C H R I S T I A N L O R E N Z I M G E S P R Ä C H M I T H E L M U T H R I L L I N G

Bronzerelief »PASSION 2000« am Gebäude der Bachakademie,

gestiftet von dem Maler und BildhauerOtto Herbert Hajek

Fotos S. 1 bis 5: Die Bachakademie

innen und außen (November 2011).

Einige Motive wurdenmit einem Fisheye-

Objektiv aufgenommen.

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getan, die nun schon dreimal hier in Stutt-gart gespielt worden ist und für die wir großePläne in China haben. Und da wäre wiederdie gegenseitige Befruchtung: Ohne die »Water Passion« hätte es das WASSER- Musikfest nicht gegeben und damit vieles,über das wir uns heute als Bachakademieund Publikum gefreut haben!

� Anfangs sprachen wir von der stetigen Veränderung, die die Bachakademie immerausgezeichnet hat. Das ist mir auch wichtig,wenn wir über 30 Jahre Bachakademie spre-chen. Christian Lorenz wurde Intendant miteinem sehr speziellen Auftrag. Der Auftraghieß einerseits das Alte, was die Bachakade-mie über lange Zeit ausgezeichnet hat, zu bewahren, andererseits neue Wege zu finden,um die Bachakademie an unsere heutige Zeitanzunähern; und ganz wichtig: junge Leute,junge Hörer für unsere Arbeit zu gewinnen.Diese Ziele haben wir gemeinsam in den letzten Jahren mit großer Intensität verfolgt;nach wie vor ist Bach im Zentrum: Wir musi-zieren seine Großwerke weltweit, wir habeneine neue Bachreihe mit Kantaten in der Johanneskirche, wir veranstalten die Bach-wochen, haben dafür das JSB-Ensemble gegründet, holen also junge Leute aus derganzen Welt zusammen, die hier vor allem inden Geist dieser Werke eingeführt werden.

Das JSB-Ensemble ist, finde ich, ein tollesBeispiel dafür, dass die Bachakademie keinenMangel an kreativen Ideen hat und an Mög-lichkeiten! 2001 wurde das Festivalensemblegegründet, 2011 dann das JSB-Ensemble. Immer wieder finden wir neue »Formate«,die in engem Kontakt zum Kern der Bach-akademie bestehen. Nicht zu vergessen dasBach-Geburtstagskonzert jedes Jahr am 21. März. Ich habe den Eindruck, dass dieBachakademie früher – das hing vor allemmit der deutschen Teilung zusammen – sichin gewisser Weise als die Hüterin des rechtenVerständnisses von Bachs geistlicher Musikverstanden hat. Da hat auch der Hang zumEnzyklopädischen, zum Bewahrenden sehrstark geprägt. Die Wiedervereinigung und diepositive Entwicklung des Bacharchivs inLeipzig, aber auch gesamtgesellschaftliche

Entwicklungen haben zu einem ganz anderenUmgang mit Bach geführt. Es ist uns heutewichtiger, dass Menschen überhaupt die h-Moll-Messe hören, als dass wir uns als Hüter dieser Kunstform oder unserer Inter-pretation sehen.

� Es geht heute weniger darum, den wenigerbekannten Teil des Bachschen Werkes be-wusst zu machen, sondern es geht um Musik-vermittlung. Und Musikvermittlung heißt,vor allem jungen Leuten diese Musik oderüberhaupt Musik nahe zu bringen.

Das gilt ja auch für unser Musikfest. Mit unseren klaren und durchaus plakativen Themen ab 2009 wollen wir den Zusammen-halt der »neuen Vielfalt« und die Einzig -artigkeit unserer Festivalspielpläne gewähr-leisten. Wir machen das Spektrum weit, sehen ernste Musik auch weit. Ernste Musikkann auch Spaß machen, soll auch Spaß machen!

� Unsere Musikfeste haben sich nun in denletzten Jahren sehr verändert. Einerseits be-wahren wir ganz traditionelle Konzerte oderauch reich bestückte musikalische Gottes-dienste (welches Festival sonst tut das!) –aber auf der anderen Seite versuchen wirneue Formen, versuchen wir, das Musikfestzu öffnen in seiner programmatischen Planung, vor allem durch die Überschriften,die einen Sinnzusammenhang stiften. Undbewusst sind die Programme so angelegt,dass sie für Menschen attraktiv sind, die vielleicht bisher nicht in die Stiftskirche oderin die Liederhalle gingen. Ich halte das füreine sehr gute und wichtige Zielrichtung imvielfältigen Wirken der Bachakademie. � � �

� Eigentlich nicht. Von unseren Anfängen anist das immer so gewesen. Vielleicht nicht sospektakulär. Wir haben früher mehr im a cappella-Bereich, im kleiner besetzten Bereich gedacht. Die Anfänge der GächingerKantorei waren Uraufführungen von Werkenvon Johann Nepomuk David, Ernst Peppingund anderen damals wichtigen Komponisten.

Das hat sich weiterentwickelt,von der eher kammermusika -lischen in die groß besetzte symphonische Form, was vielleicht einhergeht mit derEntwicklung meiner eigenen Aktivitäten.

Letztlich ging es aber um vielmehr als eine »wohlbestallte Kirchenmusik«;die Impulse, die die beiden großen Projekte1995 und 2000 geben sollten, zielten weiter.

� Vielleicht kann man sagen, dass für unsin zunehmender Weise die Internationa-lität eine Rolle gespielt hat. Wir woll-ten nicht Kirchenmusik haben, die nurin unseren Kirchen hier in Deutschlanderklingt, sondern die darüber hinausreicht und weltweit aufgeführt wird.

Und umgekehrt befruchtet das welt-weite Netzwerk wiederum unsere Anreger-Rolle: Durch unsere Bach -akademien in Caracas kamen wir auf

Alberto und Gonzalo Grau und den Kompo-sitionsauftrag für das große Wasserorato-rium »Aqua« – kein geistliches Werk, aberein Stück zu einem übergreifenden Thema,das deutlich in der Oratorientradition steht.

� Vielleicht sollte man in diesem Zusammen-hang auch die kontinuierliche Zusammen -arbeit mit Wolfgang Rihm erwähnen. ÜberJahre hinweg hat er immer wieder neue Stücke für uns geschrieben und wird das auchin Zukunft tun.

Und es ist uns ein besonderes Anliegen, dasswir die Stücke, die wir in Auftrag gegebenhaben, nicht nur einmal aufführen, sondernuns um Wiederaufführungen bemühen. Dashaben wir ja mit Tan Duns »Water Passion«

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rierte, dessen künstlerischen Werdegang ichaus nächster Nähe verfolgen sollte.

»Aqua« erzählt vom Wasser auf der ganzen Welt, vom Mangel auf der einen undvom Überfluss auf der anderen Seite, von derSchönheit des Wassers, aber auch von dessenzerstörerischer Kraft. Es ist in fünf Teile ge-gliedert, die fließend ineinander übergehen.Das Oratorium beginnt mit dem Ursprungdes Wassers und seinem weiten Weg in dieverschiedenen Flüsse dieser Welt. Es erzähltvon ausgetrockneten Flussläufen und vonMenschen, die nahe am Verdursten sind. Esschildert den lang ersehnten Regen, der vomSegen schnell zur Katastrophe wird, weil ereinfach nicht mehr aufhören will. Das Orato-rium endet mit dem Traum aller Flüsse, demAufgehen in den Weiten des Ozeans.

Viel mehr wusste ich nicht, als ich mich bereits am dritten Tag meines Praktikums imZug auf dem Weg nach Berlin wiederfand,wo am selben Abend die Erstaufführung mitAusschnitten aus »Aqua« stattfinden sollte.Ich sollte – mit einer mir fremden, respek -tabel schweren Kamera – »mal eben« Fotos machen und den Musikern kluge Fragen stel-len! Obwohl ich natürlich wusste, dass es sichum das Bundesjugendorchester handelt, hatteich unwillkürlich doch damit gerechnet, dassalle viel älter sein würden als ich. Umso über-raschter war ich, als auf der Bühne lauterjunge Menschen saßen, die mit mir in dieSchule gehen könnten. Kaum zu glauben,dass man als begabter Musiker in dem Alterschon so weit sein kann und mit den berühm-testen Künstlern zusammenarbeiten darf.Herzstillstand!

Die Orchestermitglieder selbst sahen dasdurchaus gelassener: Es sei zwar schonimmer was Besonderes und natürlich aucheine Riesenchance für das Orchester, sagtemir die Cellistin Nuala McKenna, aber imGrunde gewöhne man sich daran. Und mitMaría Guinand, die das Orchester für das»Aqua«-Projekt leitete, sei das sowieso keinProblem, weil sie sehr nett sei und so ambitioniert, dass es allen wahnsinnig Spaßmacht, auch wenn die Proben mal längerdauern. Tatsächlich war der Umgang zwischen María und den Musikern freund-lich-routiniert und geradezu herzlich.

Wenn man viel liest, kommtman schnell an einen Punkt,wo man beginnt, sich mehrund mehr mit einem odermehreren Protagonisten desjeweiligen Buches zu identifi-zieren. Man taucht gänzlichein in die Geschichte. Das geht zumeist ganzleicht! Wieder aufzutauchen dagegen ist einechter Kraftakt, und je tiefer man versunkenwar, desto schwerer wird es: Zu erkennen,dass man unterscheiden muss – zwischen Ge-schichte und dem eigenen Leben. Zu merken,dass man in Wahrheit kein Held ist, der tag-täglich Menschenleben rettet, sondern viel-leicht nur ein einfacher Büroangestellter, dernichts zu retten versucht als die Stunden sei-nes Tages. Wenn man zwar eine glück liche,vollkommene Beziehung führt, die nur leiderdas romantischste Candle-Light-Dinner derWelt bisher nicht beinhaltet. Wenn man inWahrheit keine Wunder vollbringen kann (es sei denn in der Küche), und das mit dem Fliegen ohne Flugzeug auch nicht so rechtklappen will.

Dann ist das Auftauchen aus bunten, span-nenden und romantischen Anderswelten oftso schmerzhaft, dass es Tage dauert. Tagevoller »Mein Leben ist so langweilig undtrist«- und »Ich bin einfach mal nichts Beson-deres, nur besonders gewöhnlich«-Gedanken.Bis man plötzlich erkennt, dass da Irgend -etwas ist; dass man immer und aus jeder Geschichte beim Auftauchen etwas mit-nimmt. Etwas, das tief im Menschen schlum-mert und von dort eine wunderbare Wärme ausstrahlt. Diesen kleinen wohlig-warmenHeizofen nennen die Menschen Fantasie.Und jene, die diese innere Bereicherung be-wusst wahrnehmen, erkennt man schon vonweitem: Sie strahlen einem entgegen wie eine

menschliche Sonne. Da leuchten die Augen,da pulsiert das leuchtende Geheimnis förm-lich aus ihnen heraus und um sie herum! Essind Menschen, die gemerkt haben, dass auchin kleinsten Gesten des Alltags größte Heldentaten liegen können; dass ein Abend,an dem vieles nicht wie gewünscht klappt, oftviel romantischer ist als der perfekte Tag;dass man mit den Wundern seiner Küche dieMenschen verzaubern kann und dass manbloß die Augen zu schließen braucht, um fliegen zu können!

Aber am schönsten ist es natürlich, wennman überhaupt nicht aufzutauchen braucht;wenn die Geschichte ein echter, lebendigerTeil des eigenen Lebens ist; wenn das Buchnicht mit irgendeinem Namen überschriebenist, sondern mit dem eigenen! Das hier, dasist meine Geschichte:

A ls ich eine Woche vor Beginn des Musikfestes mein Praktikum bei derInternationalen Bachakademie Stutt-

gart begann, herrschte in Stuttgart gerade gefühlte Gartemperatur, was mir die Bedeu-tung von Wasser auf sehr drastische Weisedeutlich machte. Ein perfekter Einstieg in dieMaterie sozusagen! Das Projekt, das mich inden nächsten Wochen beschäftigen sollte,war die diesjährige Auftragskomposition fürdas Musikfest. Bereits in den vergangenenJahren vergab die Internationale Bachakade-mie Stuttgart thematisch passende Auftrags-werke für ihre Musikfeste. Nach dem Psal-men-Projekt im Jahr 2009, an dem vierKomponisten und eine Komponistin beteiligtwaren, und den »Lamentations« von UriCaine im letzten Jahr ging der Auftrag in die-sem Jahr an den Venezolaner Gonzalo Grau,den das diesjährige Musikfestthema WAS-SER zu seinem Oratorium »Aqua« inspi-

E I N T A U C H E N I S T L E I C H T E RA L S A U F T A U C H E N – E I N N A T U R G E S E T ZDas Musikfest-Auftragswerk »Aqua«Aus dem Tagebuch einer Schüler-Praktikantin� T H E A L I N A S T I E T Z

Thea Lina Stietz, am24. Januar 1995

geboren, besucht imletzten Jahr das

evangelische Mörike-Gymnasium in Stutt-gart, eine Schule mit4-stündigem Musik-

kurs. Hat im Zugeeiner möglichen

Berufswahl ein 3- wöchiges Praktikum

bei der Bachakademiegemacht, schmiedet

ansonsten diverseAuswanderungsplänein die Berge oder ans

Meer. Tanzt durch ihr Leben, wenn sie

nicht gerade als schwäbisch-

sächsische Müllers -tochter zugange ist.

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Eine Woche später begannen in Stuttgart dieChorproben der Gächinger Kantorei mitMaría Guinand. Gespannt saß ich in den Proben und verfolgte aufmerksam die Arbeiteines Profichores an einem völlig neuen Stück.Die zumeist spanischen Texte zu »Aqua« stammen von María Fernanda Palacios. Eini-germaßen überrascht war ich dann, als es plötz-lich in englisch und deutsch durch den Proben-raum schallte. Nachdem ich noch mal imLibretto nachgelesen hatte, war ich schlauer:Wir waren im zweiten Teil des Oratoriums an-gelangt, bei der »Anrufung der Flüsse«. In diesem Teil folgt man dem Wasser durch dieLänder dieser Welt, während der Chor dieNamen einiger größerer Flüsse aufzählt. Und inEngland wird die Themse tatsächlich mit einemGedicht von Eliot, in Deutschland der Rheinmit Auszügen von Hölderlin besungen!

Offensichtlich machten die Proben allen großen Spaß, schon allein deshalb, weil es nielangweilig wurde. María Guinand und die Gächinger leisteten bravouröse Arbeit in dieserkurzen Zeit, lernten fremde Rhythmen, Melodien und vor allem Texte. Einigermaßenverzweifelte Zungenbrecher und unterschied-lichste Grimassen als Folge diverser zu erzeu-gender Geräusche sorgten immer wieder fürallgemeine Erheiterung. Am Ende der a cap-pella-Probentage wurden dann die Bewegun-gen hinzugefügt, richtige kleine Choreografienfür den Chor, die teilweise und vor allem inVerbindung mit den Rhythmen wirklich nichteinfach waren, dafür aber sehr viel hermach-ten! Da wurden die Hände in Anbetung an dieGöttin Yemayá gen Himmel erhoben, Flüsse

wurden angedeutet, und mit ausgestrecktenHänden fingen die Sänger wie glückliche Kinder die ersten Regentropfen auf, die vomHimmel fielen.

Dann kam die erste Probe zusammen mitdem Bundesjugendorchester. Und plötzlichklang das, was ich glaubte auswendig zu ken-nen, ganz anders! Auf einmal ergaben sogarStellen, die zuvor merkwürdig klangen, einenSinn, fügten sich zu einem Gesamtbild, daseinen mitzog in andere Welten, in denen dasWasser regiert. Auch wenn in dieser erstenTutti-Probe noch einiges drunter und drüberging, baute sich da vor mir ein so vollkomme-nes Klanggebilde auf, dass mir fast die Tränenkamen! – Während manch ein Bundesjugend-orchestermusiker immer wieder schmunzelnmusste über die anfänglich noch seltsam an -mutenden Bewegungen, die der Chor da vollführte. Doch die Erheiterung wandelte sichschnell wieder in ernsthaftes Staunen ob derWirkung, die diese choreografischen Elementeerzielten. Sehr beeindruckend war eine Stelleim dritten Teil des Oratoriums, als alle Flüsseausgetrocknet sind und der Chor vor Durstschwankt und stöhnt, einer sogar hustend zu-sammenbricht!

Langweilig wurden auch diese Tutti-Probennie, und immer wieder brachte María Guinandihre Musiker zum Lachen! Ein Großteil diver-ser technischer Effekte wurde von einem Mäd-chen an einem Synthesizer erzeugt. Als sie ein-mal versehentlich zu weit aufdrehte, wurde dieBühne plötzlich von einer gigantischen Welledavon gespült, anstatt von einem kleinen, sanften Bächlein durchkreuzt zu werden. Der

Als ich María Guinand selbst das ersteMal im Foyer begegnete, strahlten mir ihreHerzlichkeit und ihr Charisma förmlich ent-gegen. Da war sie, die menschliche Sonne!Und jetzt stand sie da oben auf der Bühne desKonzerthauses Berlin vor dem Bundesjugend-orchester und begann ihre Probenarbeit miteinem fröhlich-beschwingten Gruß in dieRunde. Natürlich war ich, die ich selbst einigermaßen passabel Geige spiele, sehr ge-spannt auf die Probenarbeit des deutschenElite-Jugendorchesters. Und vor lauter Stau-nen über dieses Niveau, das ich beim bestenWillen nicht mit dem unseres Schulorchestersvergleichen konnte (auch wenn wir gar nichtso schlecht sind), kam ich kaum dazu, meineFotos zu machen. Zu meiner Beruhigung bestätigte sich dann doch die Binsenweisheit,dass niemand auf dieser Welt perfekt ist:Auch ein Bundesjugendorchester verspieltsich mal und verpasst seinen Einsatz.

Am Abend ging alles gut. Das Konzert botmit den »Aqua-Skizzen« einen ersten hoch -interessanten Einstieg in die Musik GonzaloGraus, auch wenn hier noch kein Chor dabeiwar. Das Publikum war (nach anfänglichenskeptischen Blicken) doch sehr begeistert,und ich denke, dass ich nicht die Einzige war,die an diesem Abend Lust auf mehr bekam!Natürlich konnte ich nicht mit auf die bevor-

stehende Konzertreise nach Venezuela undEcuador, aber wenigstens konnte ich Fragenstellen. Die Kontrabassistin Heike Schäferhatte zunächst mein Bild des ständig um dieganze Welt reisenden Orchesters richtig zustellen. Ja, es gäbe schon immer wieder sogroße Tourneen, aber in der Regel nur allezwei Jahre. Und sie würden auch mitnichtendie ganze Zeit proben; natürlich hätten sieimmer etwas Zeit, sich in der Fremde um -zuschauen. Das sei schließlich einer der interessantesten Teile einer solchen Reise: andere Menschen in anderen Ländern kennen zu lernen und mit ihnen gemeinsamzu musizieren!

8� � � W W W. B A C H A K A D E M I E . D E / F O R U M

María Guinand undGonzalo Grau

Proben im Beethoven-Saal

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Kommentar von María Guinand, das Mädchensolle etwas vorsichtiger sein, sonst höre es sichan, als würde sie ihre Dusche voll aufdrehen,heiterte die Stimmung merklich auf! Langsamentwickelte sich »Aqua« und zeigte sich immerwieder von neuen, noch facettenreicheren Sei-ten. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehrheraus. Die Solisten waren wie geboren für ihreRollen, da sie selbst aus Südamerika stammenund diese Rhythmen und Melodien einfach imBlut haben. Vor allem Iván Gárcia motiviertedie Musiker immer wieder zu mehr Lockerheitim Umgang mit Rhythmen und Bewegungen, erselbst schauspielerte so viel wie er sang, tanztebeim »Aufgehen der Flüsse im Meer« sogar eineArt kleinen Freudentanz.

Obwohl der Beethoven-Saal am 3. September2011 nicht so gut gefüllt war, wie man es einerMusikfest-Erstaufführung gewünscht hätte,wurde das Konzert ein voller Erfolg! Auch hierverwandelte sich anfängliche Skepsis in tosendeBegeisterung. Kein Wunder, bei diesem Gesamt-kunstwerk: Der Chor in seinen weiten blauenund grünen Umhängen wirkte wie eine riesigeWelle, und das Orchester lieferte mit seinerfremdartigen und doch so vertrauten Musik dieFlügel, die einen mitten hinein trugen in diesesLand des »Aqua«! Als am Ende der Komponistselbst auf die Bühne kam, zeigten der riesigeBeifall und die Leute, die sich voller Begeiste-rung aus ihren Sitzen erhoben, ganz deutlich:Der Venezolaner Gonzalo Grau hat ihn völligzu Recht bekommen, den Europäischen Kom-ponistenpreis für sein Oratorim »Aqua« beimYoung Euro Classic Festival in Berlin!

Das also war eine dieser Geschichten, aus deres sehr, sehr schwer ist, wieder aufzutauchen.Nur war es in meinem Fall nicht einmal nötig.Sie ist aus diesem vergleichsweise kurzen Prak-tikum entstanden und hat sich einen Platz zwi-schen meinen Lieblingsbüchern wirklich ver-dient. Manchmal ergeben Geschichten deseigenen Lebens eben ein viel bunteres und viel-fältigeres Bild, als jede Fantasie es auszumalenvermag. »Aqua« ist eine dieser kleinen Ge-schichten, und es ist nicht nur meine. DennGonzalo Grau hat mit seinem Oratorium eineMusik geschaffen, die in Zukunft immer wie-der Menschen entführen wird in scheinbarfremde, exotische Welten, die gar nicht so weitvon der unseren entfernt liegen.

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Unbestritten gehört es zum Selbstverständnisder Bachakademie, Bachs Musik nicht nur zupflegen und stets erneut zu ergründen, son-dern sie auch in alle Welt zu tragen, das er-worbene Wissen und die Meisterschaft mitanderen Menschen zu teilen. Dafür stehenBach-Workshops (z.B. in Caracas, Krakau,Krasnojarsk) und weltweite Gastspiele derEnsembles sowie die vielfältigen Gasttätig-keiten von Helmuth Rilling. Entsprechendder wachsenden globalen Bedeutung Chinasgewann der Wunsch mehr und mehr Gestalt,Bach nach China zu tragen. Rilling hatte be-reits mehrfach in Taiwan gearbeitet, und inHongkong verfolgten wir mit einem enga-gierten lokalen Partner schon behutsamePläne zum Aufbau einer »Bachakademie«.Die Volksrepublik China, das so genannte»mainland« hatten wir noch nicht gewon-nen… Das wollten wir nun angehen.

Schließlich finden sich an den Musikhoch-schulen in aller Welt immer mehr hochbe-gabte Chinesen, spielen Chinesen eine immergrößere Rolle unter den internationalen Klas-sik-Stars – und finden in China mittlerweilehochkarätige Musikfestivals statt. Allerdingswussten wir als Bachakademie nur allzu gut,dass im Kommunismus geistliche Musik kei-nen offizielle Präsenz finden kann...

Vor Jahren war ich mit meinem damaligenOrchester, der Südwestdeutschen Philhar -monie Konstanz, in China. Das war eine auf-regende Organisation. Das Programm mussteunbedingt populär sein – und dies blieb sobei allen Folgeanfragen: Strauß am liebsten,Mozarts g-Moll-Sinfonie, Dvoráks »NeueWelt« oder die »Carmina Burana«... Ein finanzielles Risiko wollte man keinesfalls ein-gehen auf chinesischer Seite – wobei die Honorare auch für Populäres sehr gering aus-fielen, jedenfalls nicht einmal die Reisekostenabdecken konnten.

Nun also Bach in China?

B I T T E K O M M T W I E D E R !Die Bachakademie erstmals zu Gast in China

E I N B E R I C H T � C H R I S T I A N L O R E N Z

M I T A B S C H W E I F U N G E N � H O L G E R S C H N E I D E R

請再來!

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Die Erstaufführungam 3. September 2011

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denn das Festival habe einenMahlerschwerpunkt. Diese»kleine Einschränkung« im Zusammenhang mit der Konzertzusage kann man als typisch chinesisch bezeichnenund sie lässt ahnen, wie nerven-aufreibend die monatelangen Planungen waren. Aber wir hatten Glück: Wir fanden eineMahlersche Bearbeitung zweierBach-Suiten, die sich sogar alsziemlich interessant entpuppte;das wichtigste aber war: Sie rettete unser Bach-Programm!

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Als erstes brauchten wir einen chinesischenPartner, eine Konzertagentur, die mit erst-klassigen Kontakten in China die nötigenVeranstalter und die bedeutenden Säle gewin-nen könnte und die den Reiseablauf vor Ortorganisieren würde. Und zusätzlich brauch-ten wir einen Sponsor, der eine solche Reisefinanzieren würde, denn es war klar, dasskostendeckende Honorare nicht zu erzielensein würden.

Vor ungefähr zwei Jahren gab es erste Kontakte zu Zhu Lin, einer jungen Unterneh-merin aus Peking, die mit ihrer Agentur Eu-rovista erste Erfahrungen im Kulturaustauschund in der Konzertorganisation gesammelthatte. Ihr ausgezeichnetes Deutsch hatte sievon ihrem Studienaufenthalt in Bochum undes entwickelte sich bald ein Vertrauen in ihreFähigkeiten und ihre Zuverlässigkeit. Aber injedem Detail musste sie gewonnen und begeistert werden: für ein geistliches Programm überhaupt, für die Unterbringungder Ensembles in Einzelzimmern ordentlicherHotels, für einigermaßen vertretbare Hono-rare. Als sie 2010 mit der Nachricht kam,dass wir einen Auftritt beim renommiertenBeijing Music Festival im Oktober 2011haben könnten, hatten wir den ersten»Anker« für unsere Reise. Allerdings gab esein schier unüberwindbares Problem: Wirsollten nicht Bach, sondern Mahler spielen,

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Was da als teuer ermieteterInhalt eines Pakets ins HausBachakademie kam, spotte-te jeglicher Beschreibung:Eine Masse aus gebranntemGraphit-Ton-Gemisch, zwi-schen der sich papierähnli-che Reste befanden! Dasgrässlich miserable Leihma-terial zu Mahlers »Suite ausOrchesterwerken von J. S.Bach« war derart von Blei -stifteintragungen durch-furcht, dass selbst bei vor-sichtigen Radierungen Noten verschwanden undnachgetragen werden mus-sten… Hier drohte nicht Tinten-, sondern akuter Radierfraß! Glücklicher-weise wusste die bachaka-demische Chefrestauratorinfür bedrohte Antiquitätenaus derlei verlegerischer

Zumutung beherzt und fleiß -betont ein veritables Auffüh-rungsmaterial zu erstellen.

Gustav Mahlers Zu-sammenstellung aus denbeiden Bachschen Orches-tersuiten h-Moll BWV 1067und D-Dur BWV 1068 warschon ein Novum vor gut200 Jahren, als die Besuchereines der »Historical Con-certs« in New York zum ersten Mal mit barockenKlängen konfrontiert wur-den. Ein Novum für die

Amerikaner, aber so erfolg-reich, dass die Suite alsbaldin weitere Konzertprogram-me aufgenommen wurde.Nun also kam diese Raritätzum ersten Mal nach China– und sorgte auch hier fürallergrößte Zustimmung.Die wohl wichtigste Mahler-Komponente der im Noten -text nicht veränderten Bach-Bearbeitung ist – neben derOrgel – ein von Mahler als»Cembalo« bezeichnetesweiteres Tasteninstrument.Nach Lektüre der Rezensio-nen von 1909 handelte es

sich damals – Mahler selbstsaß an diesem Instrument –um ein an den Hämmernpräpariertes Steinway-Kla-vier! Mit dieser Art »Turbo-Cembalo« konnte Mahler of-fenbar die gewünschten dy-namischen Entwicklungennachzeichnen, die er mit ei-nem Kielinstrument nie hät-te erreichen können. Übri-gens entsprechen etlichedieser Vortragsbezeichnun-gen, die Helmuth Rillingganz in Mahlers Sinn nach-vollzogen hat, nach heuti-gem Stand durchaus einer»historisch informierten Auf-führungspraxis«!

Dieses Klavier also, inChina (schon aus Kosten-gründen) nicht präpariert,war der heimliche Star desAbends: Hier eine kleinePassage der zweiten Geigenoder Bratschen unverhohlenfrech hervorhebend, dortmit einer rasanten Über-gangs-Roulade brillierend,mal sanft kolorierend, malaberwitzig vorwitzig, ziehtsein Treiben die Aufmerk-samkeit nahezu gänzlich aufsich. In der Badinerie arpeg-giert es sich wie ein Stern-

chenfeuer in die Streicher-Pizzicati hinein… – hat derSpieler überhaupt noch dieTasten berührt? – Eine Par-tie wie für ihn prädestiniertund herrlich präzis präsen-tiert von Boris Kleiner, unse-rem allseits beliebten Tau-sendtastensassa!

Und dann die Orgel in derOuverture! Stolz wie ein Kai-ser der Ming-Dynastie sitztMartin Henning, geradenoch Gächinger Tenor, amSpieltisch des für ihn völligneuen Orgelwerks und bie-tet in der Anspielprobe zweiunterscheidliche Registrie-

ABSCHWEIFUNG

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rungen an. Nach der zwei-ten, etwas dunkler gedack-ten Palette schiebt HelmuthRilling die Unterlippe vorund legt unter herunter -gezogenen Augenbrauenseinen »Pesante«-Blick auf: Das sei fraglos die richtigeMahler-Mixtur! Der Organistist sehr zufrieden. Kurz darauf schwebt selbst dersesshafteste GächingerBass ein paar Millimeterüber dem Sitz, als ihm derBachsche Continuo-Trillervom prall registrierten Orgelpedal hinterrücksdurch die Magengrube tremuliert! Und freut sichdrüber.

Zhu Lin und Christian Lorenz

Seite 11: Die Verbotene

Stadt bei Nacht

Eingang zum Kaiserpalast in Beijing

Backstage in Guangzhou

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Bald kamen noch Konzertmöglichkeiten inanderen Städten Chinas hinzu: Guangzhou,Shenzhen, Tianjin. Parallel hatten wir die Ge-spräche mit einem unserer bedeutendstenFörderer, der EVONIK AG in Essen aufge-nommen. Hier gab es sehr enge und freund-schaftliche Beziehungen, die sich über vieleJahre in regelmäßigen EVONIK-Weihnachts-konzerten in der Essener Philharmonie aus-geprägt hatten. Wir wussten, dass EVONIKin Shanghai ein neues Chemiewerk aufgebauthatte und rechneten uns daher für die ersteBachakademie-Tournee gute Chancen aus,da sich hier kulturelles Engagement mithoher Identifikation verbinden lassen sollte.Den Vorstandsvorsitzenden, Dr. Engel,brauchten wir kaum zu überzeugen: er istBach- und Rilling-Fan. Aber zwischen einemsehr guten ersten persönlichen Gespräch und

der Erstellung eines tragfähigen Sponsoring-Vertrages liegen Monate und viele Zustän-digkeiten in den Firmenabteilungen für Mar-keting und Kommunikation...

Aber wir waren auf gutem Weg: hatteneinen chinesischen Organisator und positiveSignale eines deutschen Sponsors. Was fehltewar der eigentlich verbindende Punkt: einKonzert in Shanghai, denn es war klar, dassdies für EVONIK eine Voraussetzung seinwürde. Es folgte eine wochenlange Gratwan-derung – galt es doch, Zuversicht und Über-zeugung auf beiden Seiten zu vermitteln.

Mit China begann ein langwieriges undzähes Verhandeln – zumal man dort in unsnicht geläufiger Weise die eigene Position be-tont. Ein paar mal drohte das ganze Projektzu scheitern, war z.B. Shanghai gewonnen,Tianjin aber verloren und damit wieder eineTeilfinanzierung. Und am Ende hatten wireine ganzes Quäntchen Glück, denn die chi-nesischen Lokalveranstalter erkannten mehrund mehr, dass die Bachakademie-Tourneemit Helmuth Rilling ein herausragendes Er-eignis sein würde. So wurde das Konzert inPeking, das zunächst in einer kleinen katho -lischen Kirche geplant war, in die bedeutend-ste Konzerthalle, die Forbidden City ConcertHall, gelegt, und so machte das ShanghaiArts Festival das zunächst eher »ungeliebte«Programm ganz zu seiner Sache und zu einemzentralen Event innerhalb seines Veranstal-tungsangebotes.

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Skyline von Shanghai

Mittlerweile gibt es allerleikurzweilige »Gebrauchsan-weisungen« als Büchlein fürWeltreisende – mehr oderweniger hilfreich, mehr oderweniger brillant geschrieben.Die zwei Exemplare für unse-ren Tournee-Abstecher in dasReich der Mitte – für ganzChina sowie für Peking undShanghai (Quellen in derOnline-Beilage) – sind wahrefeuilletonistische Kunstwer-ke, liebevolle, berstend witzi-ge und zweifellos unanfecht-bar kundig verfasste Schreib-kunstwerke. Wollte sich aller-dings jeder europäische China-Neuling ihren litera-risch verbrämten Warnungengemäß verhalten, versuchteer, derart wissensgewappnet,weite Bogen um alle Anfän-ger-Fettnäpfchen zu ziehen:Er käme aus dem Haken-schlagen nicht mehr herausund schlimmstenfalls nichtmehr zurück ins eigene Staunen über Neues. So be -titelt der Verfasser des Peking/Shanghai-Bändchens(es ist nicht ganz so launig,nein: brüllend komisch ver-fasst wie der China-Guide)ein Kapitel etwa mit: »Alles –nur nicht Pekingente«. Dassei zwar eine der leckerstenSpeisen der Erde – so derAutor – aber man oute sichals Ausländer, wenn man siebestelle. Der Pekinger tue

das nicht; warum genau,bleibt im Kapitel offen...

Als die bachakademischen»Touristen« am ersten Abendin einem völlig smog-verne-belten Beijing in ein Restau-rant einzogen, schienen siedie einzigen europäischenGäste zu sein. Keine Massen -abfertigung auf Rollschuhen(auch das gibt’s dort!), kein Touri-Nepp! Einmal mehr zeigte sich, mitwelcher Obachtwir die ganze Zeitüber wunderbarumsorgt und ver-köstigt wurden. Andiesem Abend gabes für Gächingerund Bach-Collegennun sogar die be-rühmte Pekingen-te, die selbst dergroße Mao in einem seiner zahl-losen Sinnsprüchebedacht habensoll: »Wer nichtauf der GroßenMauer war, istkein echter Kerl, wer keinePekingente gegessen hat,der ist wirklich zu bedauern.«Auf die Mauer stiegen dieechten Kerle und Mädels amnächsten Tag. Heute galt eszunächst, die Kostbarkeit voneinem der drehbaren Tisch-scheiben in Windeseile mitden Stäbchen vor dem Zugriffder Nachbarn zu retten. Wiesich herausstellte, war jedesfutterneidische Beharren aufeiner bevorzugten Drehrich-tung der Scheibe völlig unnö-tig, denn nicht ein Ensemble-mitglied blieb am Ende vonder erschreckenden Erkennt-nis verschont, viel zu viel zusich genommen zu haben.

Ihre unvergleichbareKnusprigkeit erhält die Pekin-gente durch aufwändigsteVorbereitung: Nach besonde-rer Fütterung und verordne-

ter Bewegungsarmut vor derSchlachtung wird zunächstdurch einen Halsschnitt Luftzwischen Haut und Fleischgepumpt, dann hängt dasgute Flügeltier gewürzt undkandiert für einige Zeit ab,wird schließlich im Steinofengebacken und unmittelbar vor

dem Servieren aufgeschnit-ten. Kellnerinnen wusel tenumher, um den rechten Ge-brauch der Speise vorzu -führen: In eine spezielle wür-zige Soße getunkt, werdendie Bruststücke zum Verzehrgemeinsam mit feinen Strei-fen von Frühlingszwiebeln inReisteigpfannküchlein gerollt. Absolute Hochstim-mung unter den »Lang -nasen«! Und während ein Lieferwagen für Entennach-schub in der Küche sorgte,wurden von dort große Beutel auf einen Tisch ge-schichtet, von dem sich jederBesucher die »Reste« seinerkulinarischen Freuden mitnach Hause nehmen konnte.Denn nicht nur für mitteleu-ropäische Konzertreisende –auch für chinesische Besu-cher eines Restaurants istPekingente alles andere alsein Alltagsgericht!. Besserso, besonders für die Enten…

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P E K I N G E N T E

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Dem Glück hatten wir natürlich ein wenigauf die Sprünge geholfen mit unermüdlicherÜbersendung bester Promotions-Materialien,ja sogar mit einem eigenen Werbefilm, den wirim Rahmen einer Probe im Beethoven-Saal ge-dreht hatten, und für den eigens eine Begrü-ßung auf chinesisch einstudiert worden war.

Schließlich war es dann soweit: Wir kamenam 18. Oktober 2011 tatsächlich mit einemganz überwiegend geistlichen Bach-Programmnach China: Bachs Kantate »Lobe den Her-ren« BWV 137 und Messe G-Dur BWV 236,im zweiten Teil Mahlers »Suite nach den Orchesterwerken von Johann Sebastian Bach«und Bachs Magnificat D-Dur BWV 243. Umdas Programm hatten wir noch gebangt undunsere gute Lin lächelte verschmitzt, als siesagte, sie habe die Texte chinesisch etwas angepasst...

Und dann verlief alles wie ein Begeiste-rungssturm. Alle Veranstalter hatten enormeWerbeanstrengungen unternommen. In Presse-und Medienkonferenzen, wie man sie inDeutschland nur aus der Filmbranche kennt,wurden Helmuth Rilling, Ensemblemitgliederund ich befragt und begutachtet. In endlosenInterviews wurde der weißhaarige Meister ausDeutschland über Bach ausgehorcht. Mit dem

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Ü B E R G R O S S E D A N K B A R K E I TZum Gedenken an Peter Kreyssig

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Im Mai 1962 wurde Peter Kreyssig Pfarrer an der Gedächtniskirche in Stuttgart. Im Rahmeneines Vormittagsgottesdienstes wurde er in sein Amt eingeführt; für den Abend war eine Ver-

anstaltung geplant, bei der die Gemeinde ihren neuen Pfarrer kennen lernen sollte. Wir saßenalle im großen Saal des Gemeindehauses. Die Tür ging auf, herein rollte ein Leiterwagen.Gesteuert von Peter Kreyssig erreichte er die Saalmitte. Von dort wandte Peter Kreyssig sich anseine künftige Gemeinde: Er wisse ja wohl, dass man sich als Pfarrer an dieser Gemeinde nurbewerben könne, wenn man vielseitig musikalisch sei. Dies wolle er in aller Demut beweisen.Das den Leiterwagen bedeckende Tuch wurde zurückgezogen und Instrumente wurden sichtbar.Peter Kreyssig begann die Instrumente abzuladen. Auf jedem der Instrumente spielte er eineWeile, zuerst auf einem Cello, dann auf einer Klarinette. Danach, von begeistertem Beifallumgeben, auf einer Gitarre, einer Blockflöte und schließlich einer Handharmonika. PeterKreyssig war enthusiastisch akzeptiert: Ein wunderbarer Ausgangspunkt für eine gute Zu-sammenarbeit zwischen Pfarrer und Kirchenmusiker.

Ich selbst war seit 1957 Kantor und Organist an der Gedächtnis- und Waldkirchengemeinde.Ich hatte den damaligen Kirchenchor übernommen, den Figuralchor aufgebaut und musiziertemit diesen Chören und der Gächinger Kantorei in den Gottesdiensten und geistlichen Abendmusiken.Von Anfang an war es mir eine Freude, Peter Kreyssigs Gottesdienste musikalisch zu begleiten,die Gemeindelieder mit ihm auszuwählen und die chorischen Beiträge abzustimmen. Durch seintheologisches Denken und seine Predigten fühlte ich mich persönlich bereichert. Darüber hinausentwickelte sich zwischen Uta und Peter und meiner Frau Martina und mir eine intensive freund-schaftliche Beziehung.

Die Abende in der Lessingstraße 4 mit dem von Peter so geschätzten »Rotspon« sindunvergessen. Es wurde diskutiert und gelacht – und auf dem kleinsten Ort des Hauses konnteder Besitzer anhand eines Holztäfelchens mit Gemse, Wald und Kirche erkennen: »Hier siehtman nun rein an der Praxis wie wunderschön Prein an der Rax is«.

Ergebnis: Die Konzerte waren allesamt in erst-klassigen Konzerthäusern und sehr gut besucht.Viele junge Menschen – in Guangzhou saß dashalbe Konservatorium im Publikum – brachtenihre Begeisterung nach der Aufführung in wildem Geschrei, Getrampel und schier nichtenden wollendem Applaus zum Ausdruck. DieTournee entwickelte sich zu einem »Siegeszug«Bachscher Musik.

Bei Empfängen des Generalkonsuls inGuangzhou oder der Deutschen Botschaft in Peking wurde die Bedeutung der Gastspieleunterstrichen. Und es kam zur Sprache, wie sehres gerade die Kultur ist, die die Sonderstellungund Vorbildfunktion Europas begründet – gerade in einem Land, das auf Grund seineratemberaubenden wirtschaftlichen Entwicklungin unternehmerischer Hinsicht an Selbstbe-wusstsein gewonnen hat und in zahlreichen Aspekten längst eine Führungsrolle der globalenMärkte eingenommen hat. Den Diplomaten, denVeranstaltern, unserem deutschen Sponsoring-partner und den chinesischen Sponsoren, aberauch dem Publikum wurde Musik »invented undmade in Germany« als hochkarätige Marke bewusst, und aus der großen Freude über dieKonzerte erwuchs die vielfach ausgesprocheneEinladung: 請再來! Bitte kommt wieder!

Ensemblefoto im Kaiserpalast in Beijing

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L E S E N S W E R T !Das Buch zum Projekt PASSION 2000

An das Exemplar in der Bachakademie warin den letzten Wochen kaum heranzukom-men: Einer benötigte es für eine Fakten -recherche, eine Andere für eine Pressemit-teilung, ein Dritter zum Schmökern...Dabei handelt es sich bei dem Buch – nunhalten Sie sich fest – um eine musikwissen-schaftliche Abhandlung! Freilich nichtirgendeine: »Neue Wege zur Passion. DiePassion Christi in der Musik der Gegen-wart am Beispiel des Projektes Passion

2000« von Lutz Riehl beschäftigt sich mit einem der ganzgroßen und wichtigen Marksteine der 30-jährigen Bach-akademie-Geschichte, letzthin mit einem Ereignis, das unsbis in die Gegenwart hinein immer wieder beschäftigt hatund weiter beschäftigen wird. Denn die vier Auftrags -kompositionen von Sofia Gubaidulina, Osvaldo Goliov,Tan Dun und Wolfgang Rihm sind zu einem sehr lebendi-gen Bestandteil der jüngsten Musikgeschichte gewordenund werden immer wieder aufgeführt; die »Water Passion«von Tan Dun erst kürzlich beim Musikfest Stuttgart. Dasallein ist schon als großer Glücksfall zu bezeichnen.

Wenn sich dann noch ein ebenso kundiger wie leiden-schaftlicher Wissenschaftler gemeinsam mit einem enga-gierten Verlag einem solch komplexen Themenkreis intensiv widmen, wenn aus der Dissertation eine Berufungwird, das ganze Projekt in seiner Gesamtheit, in Detailsund übergreifenden Fragestellungen näher untersuchen zuwollen, dann unterstreicht das auf eindrucksvolle Weisedie Aktualität des Themas und den Stellenwert der Kom-positionen. Doch nicht nur das: Dem Autor ist bei dieserGratwanderung ein kleines Kunststück gelungen: Die vierPassionsvertonungen könnten unterschiedlicher kaumsein, doch die Abhandlung läuft an keiner Stelle Gefahr,spezifische Merkmale gegeneinander zu stellen oder gar inin Präferenzen zu überführen. Der Titel »Neue Wege zurPassion« evoziert zudem einen weit gefassten Ansatz, dochauch hier gelingt es Riehl, durch eine klare Struktur undknappe, nahezu lakonische Impulsgebungen, den Rahmenzu bändigen. Kein Aspekt bleibt unberührt, keiner er-scheint lediglich abgehandelt. Alles in allem ein enzyklo-pädischer Schatz mit wertvollen Anregungen, auch für denguten Kenner in der Bachakademie! Aber das Beste ist:Dieses Buch hebt sich durch den angenehm flüssigenSchreibstil seines Verfassers aus der großen Menge eherschwer verdaulicher Wissenschaftslektüre heraus; ein Stil,der auch für jeden Laien gut verständlich ist. Nicht ein einziges Mal stolpert man über einen belehrenden Tonfalloder über eitle Fremdwort-Pirouetten: Lutz Riehl möchtevermitteln, ohne zu belehren, möchte schlussfolgern, ohnezu werten. Und das gelingt ihm – ohne Wenn und Aber.Fazit: Wirklich sehr empfehlenswert! (d.Red.)

S E H E N S W E R T !Die DVD zur Geschichte der Bachwoche Ansbach

Als das Helmuth-Rilling-Kapitel aufgeschlagen wird, werdendie Kinder frech und toben durch die Kirche. Eine köstlicheEpisode später (Rilling schildert den Wortwechsel mit Star-trompeter Maurice André während einer Ansbach-Probe) prägtChristoph Wolff den großartigen Satz: »In gewisser Weise hatHelmuth Rilling das Erbe von (äh) Karl Richter angetreten,aber er hat es ganz anders gemacht!«

Die Kapitel-Intermezzi mit den beiden Kindern, die sich in je-weils zeittypischen Situationen in den reizvollen Aufführungs-räumen der Bachwoche bewegen – das Konzept bezeichnetdiese wunderbar poetischen Episoden trocken als »inszenatori-sche Mittel« –, die raren histo-rischen Aufnahmen, die Kom-mentare der Insider und dieGespräche mit zwei charman-ten Besucherinnen der erstenStunde, die durchweg sehraparte Komposition von Bild,Musik und Text – all das fügtsich in dieser zur BachwocheAnsbach 2011 erschienenenDVD zu fünf überaus erquick-lichen Viertelstunden. Undauch wenn bereits der Titel»Weichet nur, betrübte Schat-ten« (Bachs Kantate 202) darauf hindeutet, dass es derer etlichein der über 60-jährigen Geschichte der Bachwoche wohl gege-ben haben muss, auch wenn die Schatten im Film keineswegsausgeblendet werden: Nie überfällt den Zuschauer das unan -genehme Gefühl, er könne aus einer Laune der Filmemacherheraus um das allseits verdiente Happy End geprellt werden!

Dass es sich nicht einfach um einen ambitionierten Doku-mentarfilm handelt, sondern (so meint d. Red.) um Filmkunst,wie sie nur fernab jeglicher Eitelkeit geraten kann, das liegtwohl in erster Linie am musikalischen Rhythmus, am natür-lichen Atem, an der Stille, die die Musik erst ermöglicht. Esdarf als ganz ausgezeichnete Idee der Bachwoche und ihres Intendanten Dr. Andreas Bomba gelten, dass sie ausgerechnetdas Team von Stefan Zednik mit der Filmerzählung beauftragthaben. Denn hier kennt man sich eben auch mit feinsten rhyth-mischen Nuancen und sonstigen musikalischen Subtilitäten sogut aus, dass nachher alles vollkommen organisch zusammen-passt, ohne dass dies dem Zuschauer zu Bewusstsein dringt.

Während das eine Auge von Regisseur und Kamera-Crewstets hellwach ist, zwinkert das andere immer wieder – zumeistkaum merklich… Vielleicht liegt ja irgendwo ein tieferes Geheimnis verborgen, mithilfe dessen filmischer Humor be-sonders raffiniert in eine spezielle Art Understatement verstecktwerden kann. Denn an einer Stelle (siehe Foto) musste ich end-lich vor Freude laut loslachen und konnte nicht mehr aufhören;ich weiß bis heute nicht warum... Und noch ein Tip: SchauenSie sich unbedingt den kompletten Abspann an! (d. Red.)

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Peter Kreyssig und ich selbst sahen die damalige kirchenmusikalische Situation mitBesorgnis – es wurde zunehmend schwieriger, für die Gottesdienste genügend Chorsänger zurVerfügung zu haben. So entstand die Idee der Kantatengottesdienste. Jeden Monat sollte eineBachkantate im Mittelpunkt eines Gottesdienstes stehen, ihr Text das Thema der Predigt sein.Nicht die eigenen Chöre sollten musizieren, jeder sollte mitsingen oder im Streichertutti des Orchesters mitspielen können. Würden Proben am Samstag Nachmittag und Abend, dann amSonntag Morgen genügen? Am 23./24. Januar 1965 wagten wir einen ersten Versuch.

Dreißig Jahre lang gab es diese Kantatengottesdienste. Fast immer war Peter Kreyssig derPrediger. Er vermochte es, die Predigt- und Kantatentexte verständlich zu machen und in dieRealität des Heute zu übersetzen. Das geschahmit bewuss ter und nachvollziehbarer theolo-gischer Zielrichtung und in klaren und klugenWorten. Im 6. Band der Schriftenreihe derIBA, »Auskunft über den Glauben«, sind diesePredigten zusammengefasst. Dieser Band, von Andreas Keller und Ulrich Prinz herausgegeben,erschien 1993 und Peter Kreyssig schrieb mireine berührende Widmung in mein Exemplar(Abb.).

Unendlich viele Menschen hat Peter Kreyssig mit seinem theologischen Denken geleitet – auch mich. Sein Verständnis christ-lichen Glaubens, des »unendlichen Seufzensder Kreatur«, ist Teil meiner selbst geworden.Wenn ich die großen Werke unserer Kirchen-musik dirigiere, ist Peters Frage nach Sinn undZiel immer lebendig. Nach langen Jahren derKrankheit und des Ferner-Rückens ist PeterKreyssig am 6. Juli 2011 gestorben. Uns allenbleibt eine übergroße Dankbarkeit dafür, dasses ihn gab.

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K n a b e n c h o r S t u t t g a r tJ. S. Bach »Weihnachtsoratorium«Sa. 17.12.11 | 16 Uhr Weihnachtsoratorium für Kinder ab 5 Jahren

So. 18.12.11 | 17 Uhr Weihnachtsoratorium Kantaten I-III

Fr. 06.01.12 | 17 Uhr Weihnachtsoratorium Kantaten IV-VI

Mitwirkende:Sandra Hartmann, SopranDavid Erler, Altus Gustavo Martin-Sánchez, Tenor Thomas Scharr, Bass Michael Gusenbauer, Erzähler (17.12.)

Knabenchor collegium iuvenum Stuttgart

Barockorchester L´arpa festante

Leitung: Friedemann Keck

Kartentelefon 0711 – 60 70 20-2 Email [email protected]

Darüber hinaus bei allen Vorverkaufsstellenvon Reservix. Z. B. in der Tourist-Information Stuttgart(Königstraße 1A), Konzertkasse SKS Russ(Charlottenplatz 17), Ticketcenter imBreuninger (Marktstr. 1-3) , Eventbüro bei Karstadt (Königstraße 27-29)

Konzertort: Markuskirche, Filderstraße 22 Buslinie 43 (Haltestelle Markuskirche) U1 / U14 (Haltestelle Marienplatz)

Eintrittspreise:

17.12.11 Euro 14,- / erm. 7,- freie Platzwahl

18.12.11 | 06.01.12 1. Kategorie Euro 29,- / erm. 19,-2. Kategorie Euro 24,- / erm. 15,- 3. Kategorie Euro 16,- / erm. 8,-4. Kategorie Euro 12,- / erm. 6,-

Preise inkl. Gebühren.

Kombitickets für beide Konzerte (Teil I-VI)am18.12.11 und 6.1.12 (nur im Vorverkauf)

1. Kategorie Euro 52,- / erm. 35,-2. Kategorie Euro 44,- / erm. 27,-

Ermäßigungen gelten für Schüler, Studenten und Schwerbehinderte mit Ausweis.

Weitere Informationen unter www.collegium-iuvenum.dewww.reservix.de

V O R G E S T E L L TK U R Z

Lenka �DuranováEntwürfe für Logo »PASSION 2000« zumBuch von Lutz Riehl, Tusche/Papier, Abdruck mit freund-licher Genehmigungder Künstlerin

»Wo geht'sdenn hier zumWorkshop?«

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B E G R Ü S S E N S W E R T !Helmuth Rilling erhält in Baden-Baden denHerbert von Karajan Musikpreis

»Das ist fast schon komisch, dass ich den Karajan-Preisbekomme. Eigentlich bin ich ja ein Abtrünniger und sollteeher einen Bernstein-Preis bekommen.« Als Helmuth Ril-ling dies am Freitagabend im gut besuchten Baden-Bade-ner Festspielhaus bei der Verleihung des Herbert-von-Ka-rajan-Musikpreises sagt, lächelt er zwar, aber so rechtwohlzufühlen scheint er sich nicht. Kein Wunder, hat ersich doch gerade eine gute halbe Stunde lang öffentlichesLob anhören müssen, was dem eher bescheiden auftreten-den Musiker wesensfremd ist. »Ich bin dankbar, dass ichein unermüdlicher Bach-Botschafter sein durfte«, formu-liert er seine Haltung und betont, dass es ihm dabeiimmer auch um persönliche Beziehungen ging, um dasEinbinden junger Musiker, die nun auch von diesem Kara-janpreis profitieren sollen. Denn das Preisgeld inHöhevon 50.000 Euro will Rilling aufteilen für Stipendien beimBach-Festival im amerikanischen Oregon, für das JSB-En-semble, das im Frühjahr 2012 wieder in Stuttgart zu hörensein wird, und für das Kammermusik Festival Hohenstau-fen. Horst Weitzmann, der Vorsitzende des Stiftungsvor-standes der Kulturstiftung des Festspielhauses, würdigteRilling als Botschafter Bachs und als Musikvermittler vonWeltrang. (Markus Dippold, Stuttgarter Zeitung)

Der frühere baden-württembergische Ministerpräsi-dent Erwin Teufel hielt als Laudator eine sehr persönlichgeprägte Rede, die viel Applaus erhielt. »Entscheidend ist,was wir aus der Begabung machen«, sagte Teufel und zitierte den früheren Bundespräsidenten Richard vonWeizsäcker, für den »Musik eine Art Pfingstwunder« ist.Rillings vielseitige Lebensleistung strebe nach wie vorauch über rein chorische Bereiche hinausreichende visio-näre künstlerische Ziele an und erfülle sie in höchsterQualität. Dabei setze er sein fantasievolles Organisations -talent ein und bewältige ein kaum vorstellbares Arbeits-pensum. (Martin Betulius, Heilbronner Stimme)

»Auch für sein demütiges Arbeiten an den Wurzeln derMusik wird Helmuth Rilling nun in Baden-Baden ausge-zeichnet. Wir gratulieren von Herzen.« (Susanne Benda,Stuttgarter Nachrichten)

20� � � W W W. B A C H A K A D E M I E . D E / F O R U M

KO N Z E R T - T I P P

Zum zweiten Mal laden wir alle, die gern selbst wiedereinmal Bachs Weihnachtsoratorium singen möchten, zueinem s i n g A L O N G ein. Wir stellen drei profes -sionelle Ensembles, Dirigent und Solisten zur Verfügung,um am 1 9 . D E Z E M B E R 2 0 1 1 in der schönen Gais-burger Kirche alle gemeinsam ein Konzert zu gestalten.Es erklingt eine Auswahl aus den schönsten Stücken dersechs Kantaten, jeder bringt seinen Klavierauszug mit,und die Arien dürfen auch mitgesungen werden! Details:M V M . B A C H A K A D E M I E . D E

G E S C H E N K - T I P PZu Lebzeiten war A L E S S A N D R O G R A N D I so populär, dass fast alleseine Kompositionen im Druck erschienen.Heute steht sein Schaffen zu Unrecht imSchatten seines be rühm -teren Kapell meister-Kollegen an San Marcoin Venedig, ClaudioMonteverdi. Die Zu-sammenstellung seiner MAR I E N V E S P E R auf dieser CD-ERSTE IN SP I E LUNGzeigt Grandi als Meister großartiger Choreffekte undsubtiler Textausdeutung und beeindruckt durch Wärmedes Ausdrucks und vielfältige Besetzungen. Die Musikfest-Aufnahme entstand unter Leitung vonMAT T H EW HA L L S , der im Februar 2012 unsere Ensembles erneut in der Reihe »BachKantate« dirigiertund ab Sommer 2013 die künstlerische Leitung des Oregon Bach Festival als Nachfolger von Helmuth Rilling übernehmen wird.Alessandro Grandi (um 1586–1630): Vespro della BeataVergine � Deborah York, Sopran � Daniel Taylor, Altus� Ed Lyon, Tenor � Peter Harvey, Bass � Gächinger Kantorei & Bach-Collegium Stuttgart � Matthew Halls,Leitung � Carus CD 83.367 � EAN 4009350833678

O N L I N E - T I P PAuch in der Online-Beilage zu dieser Ausgabe gibt esneben vielen weiterführenden Links, Fotos und Textenwieder einige exklusive Beiträge: Wir gratulieren SO F I AGU BA I D U L I N A – mit einem Blick auf ihre Vertonun-gen des Johannes-Zyklus (Passion und Ostern) – alsGrande Dame unter den Komponistinnen zum 80. Ge-burtstag; wir widmen uns einer völlig neuen Gattung imKonzertsaal: der »SMAR T PHON I E « und schauen ge-nauer hinter die Kulissen der Video-Postproduktion zuden Gesprächskonzerten beim Musikfest Stuttgart 2011:W W W. B A C H A K A D E M I E . D E / F O R U M

V E R M I S C H T E S

Die Preisverleihungin Baden-Baden:Helmuth Rilling,

Horst Weitzmann,Erwin Teufel

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F O R U M B A C H A K A D E M I E 75Inhalt

Akademieleiter: Helmuth Rilling � Intendant: Christian Lorenz � Redaktion: Holger Schneider � Fotos: privat (6) � Christian Lorenz (8-u.) � Martin Frobeen (9-re.Sp.) � Atelier Hostrup (17) � fzfilm (19)� Holger Schneider (alle anderen) � Druck: Werner Böttler GrafikSatzBildDruck, Walddorfhäslach� Auflage: 4.500 � Die nächste Ausgabe erscheint im Februar 2012

I N T E R N AT I O N A L EB A C H A K A D E M I ES T U T T G A R T

Herausgegeben von der

Neuerscheinung

Per Amore – Opernarien von Bizet, Gounod, Massenet, Mozart, Puccini, Smetana, Tschaikowski und Weber

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DIE EDITION BACHAKADEMIE

Das gesamte KANTATENWERKin einer 71-CD-Box!Helmuth Rillings Zeichen setzende Edition der kompletten Kirchen- und weltlichen Kantaten von J. S. Bach ist ab 1. August 2011 erhältlich als Kom-plettedition. Sichern Sie sich jetzt diese vielfach preisgekrönte Edition, inklusive 2 Booklets und 1 CD-ROM mit allen Kantatentexten, Einführungs-texten und Biographien.hänssler CLASSIC Bestell-Nr.: 98.630

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Rosemarie TrautmannJohann-Sebastian-Bach-Platz 70178 StuttgartTelefon: 0711 [email protected]

Sollten Sie, L I E B E L E S E R I N , L I E B E R L E S E R ,diese Ausgabe nicht bequemerweise in Ihrem Brieasten vorgefunden haben, dann deutet das daraufhin, dass Sie noch immer nicht Mitglied im Förderkreis Internationale Bachakademie Stuttgart e.V.sind. Diesem nicht wirklich glücklichen Umstand können Sie allerdings mit einem kleinen Schritt auf-helfen, der es uns wiederum ermöglicht, große Schritte zu gehen. Für Sie ist die Zusendung des ForumBachakademie dabei nur einer von vielen Vorteilen.

Wir freuen uns auf Ihren kleinen Schritt!

2 B A C H I S T D A S R Ü C KG R A T U N S E R E R A R B E I TDreißig Jahre BachakademieChristian Lorenz im Gespräch mit Helmuth Rilling

6 E I N T A U C H E N I S T L E I C H T E R A L S A U F T A U C H E NDas Musikfest-Auftragswerk »Aqua«Aus dem Tagebuch einer Schüler-Praktikantin

11 B I T T E KO M M T W I E D E R !Die Bachakademie erstmals zu Gast in ChinaEin Bericht mit Abschweifungen

17 Ü B E R G R O S S E D A N K B A R K E I TZum Gedenken an Peter Kreyssig

19 K U R Z V O R G E S T E L L TBuch »Neue Wege zur Passion« von Lutz RiehlDVD zur Geschichte der Bachwoche Ansbach

20 V E R M I S C H T E SDAS LEUZE Mineralbad am Berger

Neckarufer zählt heute zu den

meistbesuchten Bädern in Deutsch-

land. Doch das hat die 1842 von

Augustin Koch gegründete, 1854

von Ludwig Leuze neu eröffnete

Badeanstalt in ihrer wechselvollen

Geschichte auch noch nicht erlebt:

Ein Wasserballett zur Musik von

Johann Sebastian Bach – mit den

Synchronschwimmerinnen des

Schwimmerbunds Schwaben 1895

Stuttgart, am 30. August beim

MUSIKFESTUTTGART 2011 (Titelfoto).

Nach seiner Nutzung als Reserve -

lazarett im I. Weltkrieg verkaufte

die Familie Leuze 1919 das Bad an

die Stadt Stuttgart, die ein Alters-

heim darin einrichtete. 1945 konnte

es als Freibad wiedereröffnet wer-

den, bevor das Leuze in den 1950er

Jahren zu einem Heil- und Hallen-

bad mit modernen Freizeitanlagen

ausgebaut und später mehrfach er-

weitert wurde. Die heutige Form

wurde Anfang der 1980er Jahre

durch Otto Herbert Hajek mitge-

staltet, der – es hängt doch alles

irgendwie zusammen – auch das

Bronzerelief PASSION 2000 am Ein-

gang des Hauses Bachakademie

(S. 3) stiftete.I M P R E S S U M

... und noch einige Impressionen von unserer China-Tournee

Konzerthalle Guangzhou Gru

ppen

bild

mit

bärt

igen

Opa

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hang

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Türme in Shanghai

Im Sommerpalast Beijing In einem der »Hutong« in Beijing

Straßenszene in Guangzhou