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Psychiatrische Krankheiten und Störungen Sucht - Drogen PD Dr. E. Fabian

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Psychiatrische Krankheiten und Störungen

Sucht - Drogen

PD Dr. E. Fabian

ICD: F11-19, DSM: 304, 305, 292

s. Alkohol – aber auch Unterschiede- Geschichte und kulturelle Faktoren (Maya, Azteken, Coca in Südamerika, Opium in China, Kat in Yemen). Jede Kultur hat ihre Drogen- Tabak, Koffein, Thein- Zunehmend seit dem 2. Weltkrieg- Ökonomische Faktoren (Afghanistan, Iran etc.) - Drogentote Prävalenz (2012): Estland 99 pro mill., Österreich 22 pro mill., Deutschland 16 pro mill.

Sucht - Drogen

1. Cannabinoide

Cannabinoide (1)

- Hanf wurde in China schon vor 6000

Jahren als Textilpflanze kultiviert

- Kulturell wichtig; "Club des Hachachins“

- Geringe körperliche Abhängigkeit, hohe

psychische Abhängigkeit

- Niedrigere Schwelle zu "harten Drogen"

- Endocannabinoide werden in Stresssituationen ausgeschüttet: analgetische und antiinflammatorische Eigenschaften- Marijuana (Blätter, Blumen)- Haschisch (Harz, Blumenstengel)- Wirkstoff: THC (Tetrahydrocannabinol)- In niedriger Dosierung stimuliert, in hohen Dosen hemmt- „High"-Gefühl, Euphoria oder Sedierung - Kontrollierter medizinischer Gebrauch als Analgetikum, Antiglaukommittel oder Muskelrelaxans

Cannabinoide (2)

Cannabinoide (3)

- Fast 50% der jungen Menschen unter 24 haben C. Versucht; 23% aller Altersstufen - Chronischer Konsum kann zu Halluzinationen, paranoiden oder psychotischen Symptomen führen - Häufig kann man Spätsymptome wie Abgestumpftheit, Gleichgültigkeit, Passivität, mangelndes Interesse an der eigenen Person und der Umgebung bzw. niedrigschwellige Depression beobachten ("Amotivationales Syndrom"). - Besondere Gefahr ist die Einführung anderer Drogen

2. Opiate

Opiate

- Opiumraucher, „Opiumhöhlen“ in China. Paris ca. 1850. Baudelaire, Rimbaud, Berlioz. - Analgetischer Effekt auf Opiatrezeptoren; weit verbreitet in der grauen Substanz in Gehirn und Rückenmark, v.a. im limbischen System - Endorphine werden endogen produziert als analgetische und euphorisierende Hormone - Typische Opiate: Morphium, Heroin - Andere Opiumderivate für ärztlichen Gebrauch: Codein (analgetisch, antitussiv), Fentanyl (Chirurgie, Anästhesie), Methadon (Substitution)

Heroin (1)

- Ersetzt frühere Morphiumabhängigkeit

- Prävalenz ca. 0,4%

- Rasche Entwicklung von Toleranz und

Abhängigkeit

- Schwere Form der Sucht mit allmählichem aber

dramatischem individuellen und sozialen

Abstieg

Heroin (2)

Wirkung (sympathikoton): - Analgetisch- Euphorisierend- Anxiolytisch- Sedierend- Übelkeit und Erbrechen- Respiratorische Hemmung- Epileptische Anfälle- Obstipation- Antitussiv

- Kleine Pupillen (Myosis)- Allgemeiner Interessenverlust außer Droge- Sekundäre Risiken: Hepatitis, HIV-Infektion

Heroin (3)

Suizid - bewusst, geplant ("goldener Schuss") - unbeabsichtigt (unreiner Stoff, schlechte Qualität)

Entzugssyndrome, meist schwerwiegend: - Angst - extreme Agitiertheit– - Gefühl von Kälte - Hypertension, Hyperthermie - starke Muskel- und Gelenkschmerzen, Krämpfe - Tremor - Übelkeit, Erbrechen, Durchfall - Mydriasis.

Heroin (4)

Behandlung:

- Sedativa

- Benzodiazepine

- Entzug (mit oder ohne Methadon; seit

1965 in den meisten Ländern legalisiert)

- Psychotherapie

4. Kokain4. Kokain

Kokain (1)Kokain (1)

- Psychostimulans; aus Kokablättern

hergestelltes Alkaloid

- Freuds Entdeckung der anästhetischen

Wirkung von K. (1884) > Koller

- Hemmt die Wiederaufnahme von

Dopamin, Serotonin und Noradrenalin,

v.a. im Mittelhirn

Kokain (2)Kokain (2)

Wirkung: - Euphorie- affektive Enthemmung- erhöhte Wachsamkeit und Vigilanz- psychomotorische Unruhe, Hyperaktivität- erhöhte Reizbarkeit- Schlaflosigkeit- Tachykardie, Arrhythmien, Hypertonie - Embryotoxizität- Medizinische Verwendung als Anästhetikum

Kokain (3)Kokain (3)

Kokainentzug ("crash"):

- Erschöpfung- „craving“- Depression- Agitiertheit- in schweren Fällen Delir

Behandlung:- Antidepressiva- Sedativa

4. Amphetamine4. Amphetamine

Amphetamine (1)Amphetamine (1)

Substanzklasse von Psychostimulanzien:

- D-Amphetamin- Metamphetamin- Methylphenidat u.a.

Erhöht Dopamin- u. Noradrenalinproduktion

Amphetamine (2)Amphetamine (2)Wirkung:

- erhöhte Wachsamkeit und Vigilanz- antidepressiv- motorische Hyperaktivität- Ruhelosigkeit- Hemmungslosigkeit- reduzierter Schlafbedarf- nach längerem Konsum erhöhte Aggressivität und paranoide Symptome - Methylphenidat wird als ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität-Syndrom) Medikament eingesetzt - Medikament gegen Narkolepsie

Behandlung: wie Kokain

5. Halluzinogene 5. Halluzinogene (psychedelische) Drogen(psychedelische) Drogen

HalluzinogeneHalluzinogene

LSD, Meskalin, Peyote etc.

- Sehr verbreitet in den 60'er Jahre, v.a. um kreative

Zustände und Halluzinationen zu fördern. Hippie

Subkultur, Carlos Castaneda)

Wirkung abhängig von der Persönlichkeit: - Euphorie oder Dysphorie- Traurigkeit oder "high"-Gefühl- veränderte Wahrnehmung

- rasch zunehmende Toleranz

- Flashbacks, psychotische Symptome (“horror trips”)

6. Sedativa und Hypnotika6. Sedativa und Hypnotika

Benzodiazepine (1)Benzodiazepine (1)

- Wirken antagonistisch zum synaptischen - Wirken antagonistisch zum synaptischen

Inhibitor GABA: erhöhen die Menge von Inhibitor GABA: erhöhen die Menge von

Serotonin, Adrenalin und Azethylcholin, die Serotonin, Adrenalin und Azethylcholin, die

die Rezeptoren erreicht die Rezeptoren erreicht

- Langzeitwirkung (langsame Metabolisierung): - Langzeitwirkung (langsame Metabolisierung):

Diazepam (Valium)Diazepam (Valium)

- Mittlere oder kurze Wirkung (rasche - Mittlere oder kurze Wirkung (rasche

Metabolisierung): Lorazepam (Tavor), Metabolisierung): Lorazepam (Tavor),

Oxazepam (Adumbran), Bromazepam Oxazepam (Adumbran), Bromazepam

(Lexotanil)(Lexotanil)

Benzodiazepine (2)Benzodiazepine (2)

Wirkung (abhängig von chemischen Eigenschaften):Wirkung (abhängig von chemischen Eigenschaften):

- sedierend, narkotisch (Valium, Bromazepam)- sedierend, narkotisch (Valium, Bromazepam)

- anxiolytisch (Lorazepam)- anxiolytisch (Lorazepam)

- muslkelrelaxierend- muslkelrelaxierend

- Libidoverlust- Libidoverlust

- antikonvulsiv- antikonvulsiv

- rasche T- rasche Toleranz- und Abhängigkeitoleranz- und Abhängigkeit

- "Low-dose-dependency“- "Low-dose-dependency“

Häufige Verwendung als Suizidmittel, oft in Häufige Verwendung als Suizidmittel, oft in

Kombination mit AlkoholKombination mit Alkohol

- Starke sedative und hypnotische Wirkung- Starke sedative und hypnotische Wirkung

- fördern den Schlaf, reduzieren die REM-Phase- fördern den Schlaf, reduzieren die REM-Phase

- raschere Gewöhnung und Risiko als bei - raschere Gewöhnung und Risiko als bei

BenzodiazepinenBenzodiazepinen

- rapide Toleranzentwicklung- rapide Toleranzentwicklung

- Entzugssyndrom ähnlich wie beim Alkohol- Entzugssyndrom ähnlich wie beim Alkohol

Behandlung:Behandlung:

- kontrollierter Entzug, Psychotherapie- kontrollierter Entzug, Psychotherapie

- Cave: iatrogene Gewöhnung (ärztliche- Cave: iatrogene Gewöhnung (ärztliche

Beschreibung ohne Vorsichtsmaßnahmen)Beschreibung ohne Vorsichtsmaßnahmen)

Barbiturate

7. „Designer-Drogen“

Chemisch verschiedeneChemisch verschiedene synthetische "party drugs" in Mode. synthetische "party drugs" in Mode.

Beispiele: Beispiele:

- Ecstasy, methylierte Amphetamine (MDE) (stimulierend) - Ecstasy, methylierte Amphetamine (MDE) (stimulierend)

- DOM (Amphetaminderivat, Hhalluzinogen)- DOM (Amphetaminderivat, Hhalluzinogen)- "Bath salt", "White dove" legal, in den USA frei käuflich- "Bath salt", "White dove" legal, in den USA frei käuflich- "Spice", ein cannabinoid-Mix. Allergische Reaktionen, Gefahr - "Spice", ein cannabinoid-Mix. Allergische Reaktionen, Gefahr von anaphylaktischem Schockvon anaphylaktischem Schock- “Crystal”: Hirnschaden- “Crystal”: Hirnschaden- Modafinil (Vigil): Psychostimulans ("brain doping")- Modafinil (Vigil): Psychostimulans ("brain doping")- Desomorphin (“crocodile“): relativ einfache herstellung, billig, - Desomorphin (“crocodile“): relativ einfache herstellung, billig, Wirkung 10x stärker als Morphium, kurze WirkungWirkung 10x stärker als Morphium, kurze Wirkung

Starke Verbreitung in den letzten Jahrzehten, da HerstellungStarke Verbreitung in den letzten Jahrzehten, da Herstellung

einfach, billig und im Serum schwer nachweisbar. einfach, billig und im Serum schwer nachweisbar.

Teilweise frei käuflich bzw. Durch Internet besorgbar, schwer Teilweise frei käuflich bzw. Durch Internet besorgbar, schwer

kontrollierbarkontrollierbar

  

„Designer-Drogen“

8. Andere Suchtarten

Andere Suchtarten (1)

NikotinNikotin - Tabak- Tabak (häufigste Sucht weltweit. In Deutschland: (häufigste Sucht weltweit. In Deutschland:

110,000 Tote jährlich110,000 Tote jährlich- Zigarettenrauchen setzt ca. 4000 verschiendene, zum großen - Zigarettenrauchen setzt ca. 4000 verschiendene, zum großen Teil giftige Substanzen freiTeil giftige Substanzen frei- tödliche Nikotindosis: ca. 60 mg- tödliche Nikotindosis: ca. 60 mg- Aktiviert die dopaminergen Neurone im Mittelhirn und die - Aktiviert die dopaminergen Neurone im Mittelhirn und die - Acethylcholin-Receptoren in der grauen Substanz- Acethylcholin-Receptoren in der grauen Substanz- stimulierender Effekt auf Konzentration und Aufmerksamkeit- stimulierender Effekt auf Konzentration und Aufmerksamkeit

Behandlung (medizinisch)Behandlung (medizinisch): : Clonidin, Cytisin, Nortryptilin, Pflaster Clonidin, Cytisin, Nortryptilin, Pflaster

Bulimie, Sexualitätssucht, "Workaholics", "Sportsucht"Bulimie, Sexualitätssucht, "Workaholics", "Sportsucht"

““Non-substance addictions” (Spielsucht, Elektronische Non-substance addictions” (Spielsucht, Elektronische

Geräte etc.)Geräte etc.)

Andere Suchtarten (2)

Psychodynamik und Gruppendynamik:Psychodynamik und Gruppendynamik:- Angst- Angst- Ich-Abgrenzung- Ich-Abgrenzung- Flucht vor Gefühlen- Flucht vor Gefühlen- Aggressivität- Aggressivität- Abhängigkeit und Sucht- Abhängigkeit und Sucht

- - Selbstmedikation gegen Depression, Psychose, Angst, Selbstmedikation gegen Depression, Psychose, Angst,

Einsamkeit etc.Einsamkeit etc.

Behandlung:Behandlung: Psychotherapie nach Entzug Psychotherapie nach Entzug

KasuistikKasuistik

DiskussionDiskussion

Literatur:Literatur:Kaplan & Sadock's Synopsis of Psychiatry (2003) (KSSP). Kaplan & Sadock's Synopsis of Psychiatry (2003) (KSSP).

Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins, 380-470Philadelphia: Lippincott Williams & Wilkins, 380-470

Kaplan & Sadock's Comprehensive Textbook of Psychiatry, Kaplan & Sadock's Comprehensive Textbook of Psychiatry,

2 Vol. (2000) (KSCT). Philadelphia: Lippincott Williams & 2 Vol. (2000) (KSCT). Philadelphia: Lippincott Williams &

Wilkins, 924-1095Wilkins, 924-1095Möller, H.-J.; Laux, G.; Kapfhammer, H.-P. (Hrsg.) (2011): Möller, H.-J.; Laux, G.; Kapfhammer, H.-P. (Hrsg.) (2011): Psychiatrie und Psychiatrie und Psychotherapie, 4. Aufl. Berlin, Heidelberg: SpringerSinger MV, Batra A, Mann K (2011): Alkohol und Tabak. Singer MV, Batra A, Mann K (2011): Alkohol und Tabak.

Berlin, Heidelberg: ThiemeBerlin, Heidelberg: Thieme

Tölle, R., Windgassen (2014): Psychiatrie, 17. Aufl. Berlin, Tölle, R., Windgassen (2014): Psychiatrie, 17. Aufl. Berlin,

Heidelberg: SpringerHeidelberg: Springer

WHO: Alcohol and injury in emergency departments. WHO WHO: Alcohol and injury in emergency departments. WHO

Library Publication Data, Geneva (2007)Library Publication Data, Geneva (2007)

Internet: Internet:

Nationwide Trends. National Institute on Drug Abuse (2014)Nationwide Trends. National Institute on Drug Abuse (2014)

Statistiken in Deutschland u. Österreich (2013-2014)Statistiken in Deutschland u. Österreich (2013-2014)