IM SPIEGEL DER WOCHE - wochenspiegellive.de

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Mayen ist mehr als Burg und Adorf. Das allein genügte schon, um Mayen wichtig zu nennen, bedeutsam. Aber die Stadt hat noch viel mehr zu bieten. Dort wo heute auf dem oberen Teil des Marktplatzes, vom alten Rathaus aus gesehen, das „Emil´s“ entstanden ist, direkt neben „La Piazza“ (Die Besitzer sind Brüder), und etwas unterhalb vom Kultlokal „Dajöh“ (Die freie Übersetzung von „Dajöh“ soll so viel wie „gib Gas“ heißen“) dort also im jetzigen „Emil´s“ sind Generationen von Mayenern groß geworden, und zum Teil wieder gesund mit einer Apothe- ke, die so lange da stand, dass man annehmen könnte, dass es sie schon vor der Gründung Mayens gab. „Alte Apotheke am Markt“ hieß sie. Als Kind durfte ich immer auf die Waage steigen. Die stand links, wenn man reinkam. Meine Mutter ist immer in die Apo- theke und dann sind wir ins Café Bittner und in den Kaufhof. Die Apotheke hat einer Familie Hoffmann gehört. Das habe ich damals nicht gewusst, es wär mir auch egal gewesen. Ich weiß nur, dass es in dieser Apotheke nie einen Bonbon für die Kinder gab. Beim Schlags war das schon mal möglich. Und eine Waage hatten die auch. In der „Alten Apotheke“ in Mayen ist am 19. April 1899 Gro- ßes geschehen. Gustav Emil Hoffmann wurde als ältestes Kind der Familie geboren. Er besuchte die Volksschule in Mayen und dann das Alumnat in Boppard (So nannte man damals Lehran- stalten mit Schülerheim). Er kam also ins Internat. In München begann er mit dem Studium der Malerei, vom Krieg unterbrochen und ohne Abschluss. 1918 studierte er zwei Se- mester an der Königlichen Keramikfachschule in Höhr-Grenz- hausen, danach an der Kunstgewerbeschule in Darmstadt. Anfang der 1920er-Jahre legte er sich, in Anlehnung an den Namen der Großmutter, den Namen Emil van Hauth zu. 1922 war er Mitbegründer der Koblenzer Künstlergemeinschaft „Das Boot“. Er lernte Margarethe Schmidt kennen, die zu UFA-Zeiten Schauspielerin war. Sie heirateten 1925 und zogen nach Berlin. In Berlin lernte von Hauth die großen Künstler dieser Zeit kennen: die Maler Max Beckmann und Emil Nolde und den Schauspieler Gustav Gründgens. Von ihnen und anderen Per- sönlichkeiten der Berliner Gesellschaft schuf van Hauth Port- räts. Expressionismus zeichnet seine frühen Werke aus. Danach wechselt er zum Stil der neuen Sach- lichkeit, vor allem beeinflusst von mehreren Studienaufenthalten in Paris, wo er den Stil Cezannes an- nahm. Als er in den 1930er-Jahren die Künstlergruppe Ahrenshoop besuchte, änderte er wieder sei- nen Malstil, seine Landschafts- bilder wurden realistischer. Seine Hauptwerke blieben eben diese Bilder von Landschaften, darunter viele aus der Eifel, und die Porträts von Frauen. Ein Bombenangriff 1943 zerstörte sein Berliner Atelier und viele seiner wichtigen Arbeiten. Van Hauth und eine Frau zogen nach Bollendorf in die Eifel, wo der Vater eine Apotheke hatte. Nach dem Krieg wohnte die Familie in Neuwied, Königstein, Frankfurt und am Ammer- see. Seinen letzten Wohnsitz fanden die van Hauths 1953 in München. An seine großen Erfolge der Frühwerke konnte er nie mehr anknüpfen. Emil van Hauth starb am 9. März 1974 in München. Er ist in der Familiengruft der Familie seiner Frau in Lahnstein beigesetzt. Das Eifelmuseum auf der Genovevaburg in Mayen hat sich am intensivsten mit der Erforschung des Lebens von Emil van Hauth beschäftigt. Hier sind auch viele seiner Bilder und Gra- fiken zu sehen. Und die Erinnerung an Mayens großen Künstler van Hauth wird auch im „Emil´s“ auf dem Marktplatz wachgehalten. Sie wis- sen: Emils´s neben La La Piazza und Dajöh. Mail an den Autor: [email protected] IM SPIEGEL DER WOCHE von Hans-Peter Schössler Mayens großer Maler lebt weiter 39/15 Alle Kolumnen von Hans-Peter Schössler finden Sie ab sofort unter www.wochenspiegellive.de/im-spiegel-der-woche Foto: Wollenweber

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Mayen ist mehr als Burg und Adorf. Das allein genügte schon,

um Mayen wichtig zu nennen, bedeutsam. Aber die Stadt hat

noch viel mehr zu bieten. Dort wo heute auf dem oberen Teil

des Marktplatzes, vom alten Rathaus aus gesehen, das „Emil´s“

entstanden ist, direkt neben „La Piazza“ (Die Besitzer sind

Brüder), und etwas unterhalb vom Kultlokal „Dajöh“ (Die freie

Übersetzung von „Dajöh“ soll so viel wie „gib Gas“ heißen“)

dort also im jetzigen „Emil´s“ sind Generationen von Mayenern

groß geworden, und zum Teil wieder gesund mit einer Apothe-

ke, die so lange da stand, dass man annehmen könnte, dass es

sie schon vor der Gründung Mayens gab.

„Alte Apotheke am Markt“ hieß sie.

Als Kind durfte ich immer auf die Waage steigen. Die stand

links, wenn man reinkam. Meine Mutter ist immer in die Apo-

theke und dann sind wir ins Café Bittner und in den Kaufhof.

Die Apotheke hat einer Familie Hoffmann gehört. Das habe ich

damals nicht gewusst, es wär mir auch egal gewesen. Ich weiß

nur, dass es in dieser Apotheke nie einen Bonbon für die Kinder

gab. Beim Schlags war das schon mal möglich. Und eine Waage

hatten die auch.In der „Alten Apotheke“ in Mayen ist am 19. April 1899 Gro-

ßes geschehen. Gustav Emil Hoffmann wurde als ältestes Kind

der Familie geboren. Er besuchte die Volksschule in Mayen und

dann das Alumnat in Boppard (So nannte man damals Lehran-

stalten mit Schülerheim). Er kam also ins Internat.

In München begann er mit dem Studium der Malerei, vom Krieg

unterbrochen und ohne Abschluss. 1918 studierte er zwei Se-

mester an der Königlichen Keramikfachschule in Höhr-Grenz-

hausen, danach an der Kunstgewerbeschule in Darmstadt.

Anfang der 1920er-Jahre legte er sich, in Anlehnung an den

Namen der Großmutter, den Namen Emil van Hauth zu. 1922

war er Mitbegründer der Koblenzer Künstlergemeinschaft „Das

Boot“. Er lernte Margarethe Schmidt kennen, die zu UFA-Zeiten

Schauspielerin war. Sie heirateten 1925 und zogen nach Berlin.

In Berlin lernte von Hauth die großen Künstler dieser Zeit

kennen: die Maler Max Beckmann und Emil Nolde und den

Schauspieler Gustav Gründgens. Von ihnen und anderen Per-

sönlichkeiten der Berliner Gesellschaft schuf van Hauth Port-

räts. Expressionismus zeichnet seine frühen Werke aus. Danach

wechselt er zum Stil der neuen Sach-

lichkeit, vor allem beeinflusst von

mehreren Studienaufenthalten in

Paris, wo er den Stil Cezannes an-

nahm. Als er in den 1930er-Jahren

die Künstlergruppe Ahrenshoop

besuchte, änderte er wieder sei-

nen Malstil, seine Landschafts-

bilder wurden realistischer. Seine Hauptwerke blieben

eben diese Bilder von Landschaften, darunter viele aus der Eifel,

und die Porträts von Frauen. Ein Bombenangriff 1943 zerstörte

sein Berliner Atelier und viele seiner wichtigen Arbeiten.

Van Hauth und eine Frau zogen nach Bollendorf in die Eifel,

wo der Vater eine Apotheke hatte. Nach dem Krieg wohnte

die Familie in Neuwied, Königstein, Frankfurt und am Ammer-

see. Seinen letzten Wohnsitz fanden die van Hauths 1953 in

München. An seine großen Erfolge der Frühwerke konnte er

nie mehr anknüpfen. Emil van Hauth starb am 9. März 1974 in

München. Er ist in der Familiengruft der Familie seiner Frau in

Lahnstein beigesetzt.Das Eifelmuseum auf der Genovevaburg in Mayen hat sich

am intensivsten mit der Erforschung des Lebens von Emil van

Hauth beschäftigt. Hier sind auch viele seiner Bilder und Gra-

fiken zu sehen.Und die Erinnerung an Mayens großen Künstler van Hauth wird

auch im „Emil´s“ auf dem Marktplatz wachgehalten. Sie wis-

sen: Emils´s neben La La Piazza und Dajöh.

Mail an den Autor: [email protected]

wechselt er zum Stil der neuen Sach-

lichkeit, vor allem beeinfl usst von

bilder wurden realistischer. Seine Hauptwerke blieben

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Mayens großer Maler lebt weiter

39/15 Alle Kolumnen von Hans-Peter Schössler finden Sie ab sofort unter www.wochenspiegellive.de/im-spiegel-der-woche

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