Immer Ärger mit der Materialität? – Politische Ökologie ... · 230 T. Schmitt: Immer Ärger...

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Geogr. Helv., 71, 229–244, 2016 www.geogr-helv.net/71/229/2016/ doi:10.5194/gh-71-229-2016 © Author(s) 2016. CC Attribution 3.0 License. supported by Special Edition SOCIAL GEOGRAPHY Immer Ärger mit der Materialität? – Politische Ökologie und das Dispositiv der Dürre im Nordosten Brasiliens Tobias Schmitt Institut für Geographie, Universität Hamburg, Bundesstr. 55, 20146 Hamburg, Germany Correspondence to: Tobias Schmitt ([email protected]) Received: 8 March 2016 – Revised: 17 August 2016 – Accepted: 23 August 2016 – Published: 17 October 2016 Kurzfassung. While the role of materiality was understudied in most social sciences, there was a sensibility for these issues in political ecology. The different approaches of political ecology focused on the political cha- racter of ecology and the ecological (and thus material) character of politics. But a conceptual framework that captures the different dimensions of the societal nature relations was seldom explicitly elaborated. Following the considerations of Michel Foucault, this article explores whether dispositive analysis as a concept and as a me- thod offers a way to integrate both social and material conditions into studies of political ecology. By examining water infrastructure and the dispositive of drought in Northeastern Brazil, this paper displays how dispositive analysis is a means to identify different elements, their autonomies as well as their interconnectedness. Focusing on the entanglements of discourses, institutionalizations, subjectivity, practices and materiality allows capturing the materiality of discourses and the discursivity of material orders. 1 Einleitung Mit den unter dem Schlagwort „cultural turn“ zusammen- gefassten Verschiebungen in den Sozialwissenschaften und der vermehrten Fokussierung auf Sprache, Zeichen, Sym- bole und Bilder als zentrale Elemente zum Verständnis von Welt, wurde die materiell-stoffliche Dimension zunehmend vernachlässigt oder gar ganz aus den theoretischen Überle- gungen und vorgenommenen Analysen ausgeblendet (Kazig und Weichhart, 2009:109; Pels et al., 2002:5; Namberger, 2013:135). Auch in der Humangeographie bestand die Ge- fahr, die materielle Welt und ihre Bedeutung für (kulturelle) Praktiken aus dem Blickfeld zu verlieren (Kazig und Weich- hart, 2009:110). Gegenstände, Körper oder Landschaften wurden dabei am ehesten noch als passives, unbelebtes Roh- material thematisiert, in das sich Diskurse und Machtverhält- nisse einschreiben, und somit lediglich als Resultate sozia- ler Prozesse begriffen (Lykke, 2013:44; Pels et al., 2002:5). Als Reaktion darauf wurde eine Re-Materialisierung der Forschung eingefordert, um die vielfältigen Verwobenheiten zwischen materiellen und sozialen Prozessen (wieder) be- nennen zu können (Bakker und Bridge, 2006:5; Mattisek und Wiertz, 2014:157; Kazig und Weichhart, 2009:110): „After poststructuralism and constructivism had melted everything that was solid into air, it was perhaps time that we noticed once again the sensuous immediacy of the objects we live, work and converse with, [. . . ] which bind us as much as we bind them“ (Pels et al., 2002:1). Durch eine Rückbesinnung auf das Materielle als kon- stitutives Element sozialer Wirklichkeit bei einer expliziten Berücksichtigung der gegenseitigen Bedingungsverhältnisse zwischen Sozialem und Materiellem besteht jedoch die Mög- lichkeit, Gegenstände, Körper, gebaute Umwelt usw. in die Analysen zu integrieren, ohne erneut in Essentialisierungen und Dichotomisierungen zu verfallen. Indem dabei die Ei- genständigkeit von sozialen und materiellen Prozessen be- tont und gleichzeitig auf ihre unausweichliche gegenseiti- ge Durchdringung bestanden wird, kann über eine additive Aufzählung verschiedener Dimensionen der Wirklichkeits- konstitution hinaus gegangen werden. Gerade in der politischen Ökologie, die aus einer Kritik an einer einseitigen und unpolitischen Bearbeitung von soge- nannten Umweltproblemen entstanden ist, besteht eine lange Tradition, die gegenseitigen Wechselverhältnisse zwischen ökologischen und sozialen Prozessen aus ganz unterschiedli- chen erkenntnistheoretischen Positionen in den Blick zu neh- Published by Copernicus Publications for the Geographisch-Ethnographische Gesellschaft Zürich & Association Suisse de Géographie.

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Immer Ärger mit der Materialität? – Politische Ökologieund das Dispositiv der Dürre im Nordosten Brasiliens

Tobias SchmittInstitut für Geographie, Universität Hamburg, Bundesstr. 55, 20146 Hamburg, Germany

Correspondence to: Tobias Schmitt ([email protected])

Received: 8 March 2016 – Revised: 17 August 2016 – Accepted: 23 August 2016 – Published: 17 October 2016

Kurzfassung. While the role of materiality was understudied in most social sciences, there was a sensibilityfor these issues in political ecology. The different approaches of political ecology focused on the political cha-racter of ecology and the ecological (and thus material) character of politics. But a conceptual framework thatcaptures the different dimensions of the societal nature relations was seldom explicitly elaborated. Following theconsiderations of Michel Foucault, this article explores whether dispositive analysis as a concept and as a me-thod offers a way to integrate both social and material conditions into studies of political ecology. By examiningwater infrastructure and the dispositive of drought in Northeastern Brazil, this paper displays how dispositiveanalysis is a means to identify different elements, their autonomies as well as their interconnectedness. Focusingon the entanglements of discourses, institutionalizations, subjectivity, practices and materiality allows capturingthe materiality of discourses and the discursivity of material orders.

1 Einleitung

Mit den unter dem Schlagwort „cultural turn“ zusammen-gefassten Verschiebungen in den Sozialwissenschaften undder vermehrten Fokussierung auf Sprache, Zeichen, Sym-bole und Bilder als zentrale Elemente zum Verständnis vonWelt, wurde die materiell-stoffliche Dimension zunehmendvernachlässigt oder gar ganz aus den theoretischen Überle-gungen und vorgenommenen Analysen ausgeblendet (Kazigund Weichhart, 2009:109; Pels et al., 2002:5; Namberger,2013:135). Auch in der Humangeographie bestand die Ge-fahr, die materielle Welt und ihre Bedeutung für (kulturelle)Praktiken aus dem Blickfeld zu verlieren (Kazig und Weich-hart, 2009:110). Gegenstände, Körper oder Landschaftenwurden dabei am ehesten noch als passives, unbelebtes Roh-material thematisiert, in das sich Diskurse und Machtverhält-nisse einschreiben, und somit lediglich als Resultate sozia-ler Prozesse begriffen (Lykke, 2013:44; Pels et al., 2002:5).Als Reaktion darauf wurde eine Re-Materialisierung derForschung eingefordert, um die vielfältigen Verwobenheitenzwischen materiellen und sozialen Prozessen (wieder) be-nennen zu können (Bakker und Bridge, 2006:5; Mattisek undWiertz, 2014:157; Kazig und Weichhart, 2009:110): „After

poststructuralism and constructivism had melted everythingthat was solid into air, it was perhaps time that we noticedonce again the sensuous immediacy of the objects we live,work and converse with, [. . . ] which bind us as much as webind them“ (Pels et al., 2002:1).

Durch eine Rückbesinnung auf das Materielle als kon-stitutives Element sozialer Wirklichkeit bei einer explizitenBerücksichtigung der gegenseitigen Bedingungsverhältnissezwischen Sozialem und Materiellem besteht jedoch die Mög-lichkeit, Gegenstände, Körper, gebaute Umwelt usw. in dieAnalysen zu integrieren, ohne erneut in Essentialisierungenund Dichotomisierungen zu verfallen. Indem dabei die Ei-genständigkeit von sozialen und materiellen Prozessen be-tont und gleichzeitig auf ihre unausweichliche gegenseiti-ge Durchdringung bestanden wird, kann über eine additiveAufzählung verschiedener Dimensionen der Wirklichkeits-konstitution hinaus gegangen werden.

Gerade in der politischen Ökologie, die aus einer Kritikan einer einseitigen und unpolitischen Bearbeitung von soge-nannten Umweltproblemen entstanden ist, besteht eine langeTradition, die gegenseitigen Wechselverhältnisse zwischenökologischen und sozialen Prozessen aus ganz unterschiedli-chen erkenntnistheoretischen Positionen in den Blick zu neh-

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men (Robbins, 2004:7 f.). Eine der Stärken der politischenÖkologie besteht dabei unzweifelhaft darin, konzeptionelleAnsätze mit konkreten empirischen Studien zu verknüpfen.Nachdem zunächst eher marxistische Ansätze innerhalb derpolitischen Ökologie überwogen, fanden seit den 1980er Jah-ren verschiedene, mit dem Präfix „post“ markierte Ansätze(poststrukturalistische, postmarxistische, postkoloniale) Ein-zug in die Debatte (Escobar, 2010:91). Somit rückten dis-kursanalytische Methoden und Fragen nach der Produktionvon Wissen und die Konstitution von Bedeutung über Naturund Materialität mehr und mehr in den Vordergrund. WenigerBeachtung fand bisher jedoch das Konzept einer Dispositiv-analyse, das vor allem auf Überlegungen von Michel Fou-cault zurück zu führen ist (Foucault, 1978). Hierbei werdennicht sprachliche Äußerungsmodalitäten auf der einen undmaterielle Ordnungen auf der anderen Seite untersucht. Viel-mehr geht es um die machtstrategischen Verbindungen zwi-schen Diskursen, Institutionalisierungen, Subjektpositionen,Praktiken und Materialisierungen (Bührmann und Schneider,2008). Im Fokus stehen folglich Fragen nach dem gegensei-tigen Hervorbringen von diskursiven und materiellen Forma-tionen und nach den Auswirkungen ihres Zusammenwirkens.

Ziel dieses Beitrags ist es, das Konzept des Dispositivsund die Methodik der Dispositivanalyse als Zugang zu er-arbeiten und damit das Verhältnis zwischen Gesellschaft undNatur analytisch zu fassen. Als empirisches Beispiel dienendabei die Herstellung von und der Umgang mit Dürrever-hältnissen im Nordosten Brasiliens. Insbesondere wird da-bei auf das Verhältnis zwischen Materialität und Diskursivi-tät am Beispiel der Wasserinfrastruktureinrichtungen – Stau-dämme, Kanäle, Pumpen etc. – eingegangen. An ihnen kannaufgezeigt werden, wie materielle Ensembles und Diskursesowie institutionelle Arrangements sich gegenseitig hervor-bringen und zusammen diskursive und nicht-diskursive Prak-tiken strukturieren. So wird in ihnen sowohl die Materialitätdes Diskurses als auch die Diskursivität des Materiellen deut-lich. Über ein solches Dispositiv werden bestimmte Prozes-se und Entwicklungen erzeugt, die jedoch nicht auf einzelneElemente sondern nur auf ihr Zusammenspiel zurückzufüh-ren sind. Darüber hinaus kann ein Verständnis der Eigenstän-digkeit von Natur und der Bruch mit einer rein konstrukti-vistischen Sichtweise herausgearbeitet werden. Gerade dann,wenn Naturaneignung scheitert, wenn eine einfache Übertra-gung von Diskursen und Ideen auf materielle Gegebenhei-ten ungeahnte Ergebnisse zeitigt, wenn Stauseen austrock-nen oder Wasser verschmutzt wird, wird der eigenständigeCharakter von Materialität sichtbar.

Zunächst soll jedoch in einer kurzen Skizze aufgezeigtwerden, wie Materialität innerhalb der politischen Ökologie– insbesondere auch in Bezug auf Wasser und Wasserinfra-struktur – verhandelt wird, und welche Herausforderungensich daraus für eine konzeptionelle Weiterentwicklung erge-ben. Dabei wird jedoch vor allem auf Ansätze aus dem anglo-amerikanischen Raum verwiesen, sodass Debatten insbeson-dere aus den Ländern des Globalen Südens und außerakade-

mische Diskussionen unbenannt bleiben. Ihre Einbeziehungstellt eine Herausforderung für zukünftige Auseinanderset-zungen und Forschungsprojekte dar.

2 „Matter matters“ innerhalb der politischenÖkologie

Gemeinsamer Ausgangspunkt der frühen Arbeiten, die sichauf den Begriff der politischen Ökologie beziehen, war dieKritik an der ontologischen Trennung zwischen Materialität(Natur) und Gesellschaft (Kultur) seit der europäischen Auf-klärung (Castree, 2001:6). Gleichzeitig grenzte man sich voneinem naturdeterministischen und (neo)malthusianischenVerständnis natürlicher Grenzen und der Vorstellung vonMaterialität als „Ausdruck bestimmter Zwangsgesetzlichkei-ten“ (Wissen, 2011:108) ab. Demgegenüber gehen die Ansät-ze der politischen Ökologie von der Annahme aus, dass Na-tur keine externe, objektive Einheit, sondern ein Produkt so-zialer und folglich auch politischer Prozesse darstellt (Budds,2004:32). Ökologische Prozesse, wie etwa Bodenerosion undDesertifikation, werden dabei als inhärenter Bestandteil vonpolit-ökonomischen und historischen Prozessen verstanden(Blaikie und Brookfield, 1987).

Viele Arbeiten der ersten Generation der politischen Öko-logie der 1970er und 1980er Jahre sind von einer historisch-materialistischen Tradition geprägt (Köhler, 2008:852). Da-bei bilden der Begriff des Stoffwechsels zwischen Menschund Natur als „ewige[n] Naturbedingung des menschlichenLebens“ (Marx, 1968:198) und der Begriff von Arbeit alsProzess der Aneignung und Transformation von Natur zen-trale Kategorien zur Analyse und Beschreibung des Mensch-Natur-Verhältnisses. Aus ökomarxistischer Perspektive stelltdie Materialität von Natur daher einen der grundlegendenWidersprüche der kapitalistischen Produktionsweise dar. Dadie Verwertungslogik des Kapitals mit der Reproduktionslo-gik von Natur nicht übereinstimmt „produziert der Kapitalis-mus Natur negativ, das heißt in Gestalt von Umweltzerstö-rung; in letzter Konsequenz produziert er sie als seine eigeneSchranke“ (Wissen, 2011:117).

Wichtig ist hierbei der Begriff der (kapitalistischen) Pro-duktion von Natur, den vor allem Smith (1984) stark gemachthat. Dabei wird Natur in Anlehnung an Marx als stofflich-materielles und zugleich historisch-gesellschaftliches Pro-dukt verstanden, das über spezifische Praktiken hergestelltwird. Jedoch werden durch den Fokus auf die Prozesse dersozialen Produktion von Natur die Eigengesetzlichkeiten ma-terieller Bedingungen vernachlässigt: „The production of na-ture thesis tries to solve this historically by ,internalizing na-ture‘ as a social product but [. . . ] ends up squeezing out anyproductive or generative role for ecology or biophysical pro-cesses“ (Bakker und Bridge, 2006:9).

Demgegenüber macht Harvey (2007) ein dialektischesVerständnis der Mensch-Natur-Beziehungen stark. In An-lehnung an das von Alfred North Whitehead formulierte

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Prinzip des „being is constituted by becoming“ (Whiteheadin Harvey, 2007:54) betont er die gegenseitige Konstituie-rung von Subjekt und Objekt, von Sozialem und Materiel-lem, wobei weniger die Analyse von Dingen, (Öko)Systemenoder Strukturen, sondern vielmehr von Prozessen, Strö-mungen und Beziehungen im Vordergrund stehen (Harvey,2007:49 f.).

Auch Castree (2001) geht von einer unausweichlichenVerwobenheit zwischen Sozialem und Materiellem aus. Mitseinem Konzept der sozialen Natur (social nature) greift erSmith’s These der Produktion von Natur auf, besteht aber –mit Bezugnahme auf Harvey – auf die unvermeidbare undunkontrollierbare Eigenständigkeit von Materialität: „naturemay indeed be ,produced‘ but produced nature, in turn, can-not be exploited indefinitely: it has a materiality which can-not be ignored“ (Castree, 2000:29).

Wichtige Impulse für die konzeptionelle Weiterentwick-lung des Mensch-Natur-Verhältnisses kamen u.a. von derActor-Network-Theory (ANT) (Haraway, 1991; Latour,1998). Dabei wird nicht danach gefragt, wie Gesellschaft Na-tur produziert, sondern wie Menschen und Dinge in Netz-werke eingebunden werden, wodurch neue hybride Forma-tionen entstehen. Eine der bedeutendsten Neuerungen derANT stellt die Sichtweise dar, Natur, Gegenstände, Instru-mente etc. nicht als passive Einheiten zu begreifen, über diegesellschaftliche Verhältnisse vermittelt werden. Vielmehrwird ihnen über die Einbindung in Netzwerke Handlungs-macht (agency) zugeschrieben, da sie die Fähigkeit besitzen,die Verbindungen innerhalb des Netzwerkes zu stabilisie-ren oder zu untergraben (Murdoch, 1997:740). Diese Natur-Kultur-Hybride – Haraway (1991) prägte den Begriff des Cy-borgs, Latour (1998) den der Quasi-Objekte – sind jedochkeine einfachen Mischwesen, sondern emergente Resultateder Netzwerkbildung, denen ein eigener ontologischer Sta-tus zugwiesen wird, „one that ,does not resemble either thatof the forlorn and passive things-in-themselves, or that ofhumans-among-themselves. Too social to look like the for-mer, they remain too nonhuman to resemble the latter‘“ (La-tour in Murdoch, 1997:744).

Die Einforderung ontologischer Gleichbehandlung vonMateriellem und Symbolischem und die emergente Heraus-bildung neuer Eigenschaften und Fähigkeiten durch die Ver-knüpfung von Subjekten, Institutionen, Dingen usw. in so-genannten Gefügen stellen auch für die Assemblage-Theoriein Anlehnung an die Arbeiten von Gilles Deleuze und Fe-lix Guattari zentrale Eckpunkte dar (Mattissek und Wiertz,2014:160). Da hier jedoch in Abgrenzung zur ANT der Spra-che eine besondere Bedeutung zukommt und der Ansatz so-mit für diskurs- und machttheoretische Überlegungen an-schlussfähig wird, sehen Annika Mattisek und Thilo Wiertzdarin eine vielversprechenden Chance für die Humangeogra-phie, den Zusammenhang zwischen symbolischen und mate-riellen Aspekten gesellschaftlicher Wirklichkeit konzeptio-nell weiter zu denken (ebd.:162).

Gemeinsam ist den unterschiedlichen Ansätzen der po-litischen Ökologie in erster Linie die Zurückweisung es-sentialistischer Vorstellungen der „Natur der Dinge“. Naturwird dabei sowohl als stofflich-materiell als auch als sozial-symbolisch begriffen. Ob der Blick jedoch vornehmlich aufdie soziale Konstruktion von Natur, die gegenseitige Konsti-tuierung von materiellen und sozialen Prozessen oder auf dieHandlungsweisen sozialökologischer Hybride gelegt wird,hat sowohl Auswirkungen auf den Untersuchungsgegenstandals auch auf Forschungsmethoden und mögliche Erkenntnis-gewinne. Zentrale Frage bleibt dabei, inwiefern die Eigen-ständigkeit von Natur ernst genommen wird, ohne in eineerneute Essentialisierung – etwa von physischen und chemi-schen Prozessen – zu verfallen.

Im deutschsprachigen Raum hat sich mit dem Konzeptder gesellschaftlichen Naturverhältnisse, das sich in ersterLinie auf die Kritische Theorie Frankfurter Schule bezieht,ein weiterer Strang innerhalb der politischen Ökologie entwi-ckelt. Insbesondere mit dem Begriff der Nicht-Identität vonNatur (Görg, 2003b) wird eine konzeptionelle Rahmung vor-geschlagen, die die Unmöglichkeit eines direkten, unvermit-telten Zugangs zu Natur anerkennt und gleichzeitig der Natureine gewisse Autonomie einräumt.

2.1 Gesellschaftliche Naturverhältnisse

„Der gesellschaftliche Prozess ist weder bloß Gesellschaftnoch bloß Natur, sondern Stoffwechsel der Menschen mitdieser, die permanente Vermittlung beider Momente“ (Ad-orno, 2003:221).

In diesem Zitat von Theodor W. Adorno werden bereits dieGrundannahmen des Konzeptes der gesellschaftlichen Natur-verhältnisse deutlich: Gesellschaft und Natur stehen in ei-nem permanenten Vermittlungsverhältnis, sodass sie nicht„an sich“ existieren und unabhängig voneinander erkanntwerden können. Jedoch führt ein solches Vermittlungsver-hältnis nicht zu einer großen Einheit, bei der beide Elementevollständig ineinander aufgehen. Vielmehr bleiben sie in ei-nem Spannungsverhältnis von Relation und Differenz beste-hen und können als „aufeinander bezogene gegensätzlichePole einer Differenz“ (Jahn und Wehling, 1998:83) begriffenwerden. Als gesellschaftliche Naturverhältnisse werden „re-lativ dauerhafte Beziehungsmuster“ (Becker et al., 2011:89)bezeichnet, die sowohl eine stofflich-materielle als auch ei-ne kulturell-symbolische Dimension aufweisen, wobei ei-ne solche Unterscheidung lediglich analytisch vorgenom-men werden kann. Faktisch kann die gegenseitige Durchdrin-gung nicht voneinander getrennt werden (Jahn und Wehling,1998:84).

Dabei sind die gesellschaftlichen Naturverhältnisse so-wohl in kulturelle Deutungszusammenhänge und Wahrneh-mungsmuster eingebettet – wie sie etwa in religiösen undästhetischen Naturbildern oder wissenschaftlichen Erklärun-gen zum Ausdruck kommen – als auch in bio-physischeProzesse und deren Wirkungszusammenhänge. Damit Natur

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– oder ein bestimmter Ausschnitt von Natur – eine gesell-schaftliche Bedeutung erhält, braucht es immer die Vermitt-lung über bestimmte Repräsentationen (Wissen, 2011:121;Becker et al., 2011:78). Gleichzeitig können gesellschaftli-che Naturverhältnisse nicht abgekoppelt von der Materialitätund den stofflich-energetischen Eigenschaften gedacht undhergestellt werden. Die materiellen Bedingungen und Ge-setzmäßigkeiten weisen gegenüber sozialen Prozessen be-stimmte Widerständigkeiten auf und entziehen sich dadurcheiner vollständigen Verfügbarkeit und Kontrolle (Wissen,2011:122). Natur kann dabei somit nicht als bloße Trägerinvon Bedeutung verstanden werden, sondern ist immer auchKo-Produzentin der gesellschaftlichen Naturverhältnisse.

Die Unmöglichkeit einer rein sozialen Konstruktion vonNatur und eines einseitigen Einschreibens von gesellschaftli-chen Verhältnissen in die materiellen Bedingungen verweistauf die Eigenständigkeit von Natur. Mit dem Begriff derNicht-Identität von Natur bezeichnet Görg (2003a) in An-lehnung an Theodor W. Adorno etwas, das nicht benanntwerden kann, das über die identitäre Zuschreibung von Na-tur hinausgeht. Die Nicht-Identität ist quasi die Lücke zwi-schen der Benennung der Dinge und den Dingen selbst. So-mit ist die Nicht-Identität nicht als eine positiv bestimmbareObjektivität oder als ontologischer Kern von Natur zu verste-hen, „der sich bestimmen ließe, wenn man den gesellschaftli-chen Einfluss gleichsam ,abzieht‘“ (Wissen, 2011:122). Viel-mehr wird von einer Eigengesetzlichkeit von Natur ausge-gangen, ohne dass diese positiv und a priori bestimmt werdenkann. Diese erschließt sich erst dann, wenn gewisse Formender Naturaneignung mit der Eigenlogik von Natur in Wider-spruch geraten, wenn also die Benennung und Aneignungvon Natur scheitern (Görg, 2005:234).

Demzufolge liegt der Fokus des Konzeptes auf den Wech-selbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Verhältnissenund Naturverhältnissen. Im Gegensatz etwa zur ANT wirdjedoch explizit danach gefragt, wie Macht- und Herrschafts-verhältnisse an Naturverhältnisse gekoppelt sind und überdiese produziert und reproduziert werden. Macht wird da-bei nicht allein als „ability of an actor to control theirown interaction with the environment and the interaction ofthe other actors with the environment“ (Bryant und Bailey,1997:37) verstanden. Vielmehr kommen Machtverhältnissein den vielfältigen Beziehungen zwischen sozialen und ma-teriellen Verhältnissen zum Tragen. Insofern wird danachgefragt, wie sich Macht- und Herrschaftsverhältnisse mani-festieren, in die Natur einschreiben und darüber verstetigtwerden. Gleichzeitig geht es um die Prozesse und Mecha-nismen, über die bestimmte materielle Bedingungen Diskur-se und gesellschaftliche Praktiken vorstrukturieren und folg-lich zu einem Medium sozialer Herrschaft werden (Görg,2003b:201; Köhler und Wissen, 2010:223). Darüber hinauswird in Anlehnung an die Kritische Theorie das Verhältniszwischen Natur, Gesellschaft und Subjekt ausgelotet. Insbe-sondere Theodor W. Adorno und Max Horkheimer haben aufdas enge Verhältnis zwischen der Herrschaft des Menschen

über die Natur, über andere Menschen und der Verinnerli-chung von Herrschaftsverhältnissen im Subjekt hingewiesen(Adorno, 1950:125; Horkheimer, 1967:94).

2.2 Wasser als emblematische Materialität

Ganz besonders prominent wird das wechselseitige Verhält-nis zwischen materieller Natur und nicht-materiellen gesell-schaftlichen Verhältnissen innerhalb der politischen Ökolo-gie am Beispiel der Wasserthematik verhandelt. Insbesonde-re Linton (2010) hat mit seinem Buch „What is Water?“ dieDiskussionen über das ontologische Verständnis von Was-ser vorangetrieben. Dabei zeigt er auf, wie das hegemoniale,essentialistische Konzept des „modernen Wassers“ (modernwater) Wasser als eine abstrakte, isomorphe und quantitativmessbare Einheit erzeugt, die auf die Formel H2O reduziertwerden kann und als solche in einem globalen Wasserkreis-lauf zirkuliert (ebd.:14). Demgegenüber stellt er das Konzeptder sozialen Natur von Wasser. Dabei produziert GesellschaftWasser über soziale Prozesse und Praktiken, sodass jeglichesWasser bereits mit Ideen, Bedeutungen, Werten und Poten-tialen aufgeladen ist (ebd.:5). Jedoch zeigt sich allein an derTatsache, dass unser Körper zu einem Großteil aus Wasserbesteht, dass die Grenzen zwischen Wasser und Gesellschaft,zwischen einem Innen und einem Außen, zwischen Subjektund Objekt „flüssig“ sind. Folglich produzieren Menschennicht nur Wasser als abstraktes Gebilde, sondern sind auf-grund ihrer Körperlichkeit immer schon Teil dieses Produk-tionsprozesses. In den vielfältigen Prozessen der Herstellungvon Wasser stellen wir letztendlich immer auch uns selbsther: „We mix language, gods, bodies, and thought with wa-ter to produce the worlds and the selves we inhabit“ (ebd.:3).

Jedoch wird Wasser nicht allein über soziale Praktikenhergestellt. Vielmehr sind neben den Prozessen der Be-deutungszuschreibungen, Repräsentationsmechanismen undMachtbeziehungen auch Kräfte wie Klima, Jahreszeiten,Luftdruck, Geomorphologie und zahllose andere nicht-menschliche Lebewesen in die Ko-Konstitution des Wassersinvolviert (ebd.:34). Wichtig dabei ist, dass die Repräsenta-tionen von Wasser nicht als soziale Konstruktionen den phy-sikalischen Eigenschaften des Wassers als wahre Wesenszü-ge gegenübergestellt werden: „Physical properties, as well asmeanings and representations, are not essential to water, norare they merely imposed from what is beyond. [. . . ] Nor canwe impose any identity or behaviour on water in the mannerof a pure social construction. Our constructions – as well asour material productions – of water must be constrained bythe reality of water’s myriad engagements“ (ebd.:34–35).

Gemeinsam mit Bakker (2002), Budds (2008) oder Kai-ka (2005) versteht Jamie Linton den globalen Wasserkreis-lauf nicht als gegebene Tatsache der materiellen Welt, diewissenschaftlich beschrieben werden kann, sondern als Kon-zept, in dem die physikalischen Eigenschaften des Wassers,die hydrologischen Besonderheiten der Orte, an denen dasKonzept entstanden ist, die hegemonialen Vorstellungen von

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Natur, der Forschungsstand der Hydrologie und die vorherr-schende Nutzungsart des Wassers verinnerlicht sind (Linton,2010:35; Bouleau, 2014:249). Dabei verändern sich im Lau-fe der Zeit die Vorstellungen über den Wasserkreislauf inAbhängigkeit von den kulturellen, sozialen und geographi-schen Verhältnissen. Diese Veränderungen sind jedoch nichtbeliebig, sondern werden notwendigerweise von den bio-physischen Eigenschaften des Wassers (Schwerkraft, Ver-änderung der Aggregatszustände etc.) beschränkt (Linton,2010:35). Der Wasserkreislauf wird daher als hydrosozialerKreislauf verstanden, durch den Wasser über interne sozio-ökologische Prozesse ständig als Hybrid aus materiellen unddiskursiven Elementen hergestellt wird, wodurch neue verge-sellschaftete Naturen (socio-natures) entstehen (Linton undBudds, 2014; Swyngedouw, 2015:21).

Den Begriff der socio-natures hat vor allem Erik Swynge-douw geprägt. In seinen zahlreichen Arbeiten beschreibt er,wie Wasser durch Landschaften, technische Arrangementsund Städte fließt, dabei Orte und Menschen, die menschli-che und die nicht-menschliche Sphäre miteinander verknüpftund neue hydro-soziale Landschaften (hydro-social lands-capes bzw. hydroscapes) herstellt (Swyngedouw, 1999:445,2015:21). Auch Swyngedouw macht deutlich, dass Was-ser nicht bloß eine passive Materie darstellt. Vielmehr be-tont er das Handeln (acting) von Wasser, das über eine be-stimmte Zusammensetzung verschiedener Elemente – tech-nologische Systeme, akademisches Wissen, politische In-stitutionen, wirtschaftliche Kräfte, soziale Praktiken, poli-tische Netzwerke und Regime – vermittelt wird (Swynge-douw, 2015:28). Verändert sich diese Zusammensetzung, soverändern sich auch die Möglichkeiten des materiellen Han-delns des Wassers (ebd.:29). Ein solches Handeln ist jedochweder vollständig vorhersehbar noch kontrollierbar. Jegli-che Versuche, die Natur zu beherrschen und sie gänzlich in-genieurstechnisch zu kontrollieren, sind also unweigerlichzum Scheitern verurteilt. Somit wird es immer einen Restgeben, der der kompletten Vereinnahmung widersteht: „Cy-borgs and hybrids are imperfect creatures and cannot be butso. The attempts to engineer, master, and control the hydro-social cycle, to keep ,nature on a leash‘, are never complete,never fulfill fully their Promethean promise. The actants inhydro-social networks often [...] push beyond the bounds inwhich they are imagined to dwell, and behave in strange andoften unpredicted, if not unpredictable, ways“ (ebd.).

Die besondere Rolle von materiellen Infrastrukturen wirdvor allem auch in der urbanen politischen Ökologie dis-kutiert. Dabei wird ihr Verhältnis zu Ressource-, Wasser-und Energieflüssen, sowie ihre Einbettung in kulturelle undpolit-ökonomische Prozesse thematisiert. Zentraler Bezugs-punkt ist dabei die Metapher eines urbanen Stoffwechsels(urban metabolism), wobei insbesondere Gandy (2004) aufdie unterschiedliche Verwendungsweise der Metapher hin-weist. Während in einer funktionalistischen Konzeption dieStadt als Körper und der Stoffwechsel mit der Natur als ei-ne Art bio-physischer Austauschprozess zwischen zwei un-

abhängigen Sphären verstanden wird, wird in einer neo-marxistischen Interpretation das dialektische Verhältnis unddie wechselseitige Konstitution von natürlichen und sozia-len Prozessen betont (ebd.:364). In diesem Sinne kann un-tersucht werden, wie bspw. Urbanisierungsprozesse, Pro-duktionsbedingungen, kulturelle Ausdrucksformen, Macht-verhältnisse usw. die sozialökologischen Interaktionen inStädten formen und durch diese geformt werden (Mon-stadt, 2009:1933). Die materiellen Bedingungen können da-bei als unabdingbare Voraussetzung für den urbanen Stoff-wechsel angesehen werden und werden gleichzeitig überdiesen in eine neue, warenförmig organisierte urbane Natur(Nahrungsmittel, Energie, Trinkwasser) transformiert (Gan-dy, 2004:374). „[C]ities are built in and with nature and [. . . ]they produce nature“ (Monstadt, 2009:1933).

In dieser Sichtweise sind Infrastruktureinrichtungen wiedie Wasserinfrastruktur sozioökologische Systeme, durch dieNatur genutzt und gleichzeitig verwandelt wird. In An-lehnung an die ANT können Wassernetzwerke als akti-ve Akteure der Raumproduktion verstanden werden (Gan-dy, 2004:374), durch die Natur, sowohl in Form von in-tendierten Ergebnissen (Trinkwasserversorgung) als auch inForm von unintendierten Folgen (Verunreinigungen, Flä-chenverbrauch, Lecks usw.) neu hergestellt wird (Monstadt,2009:1933). Gleichzeitig nehmen sie dabei immer auch ei-ne aktive Rolle bei der Produktion von urbanem Leben undurbaner Kultur ein (Gandy, 2004:374).

In diesem komplexen Geflecht von Mensch-Natur-Beziehungen spielen neben Diskursen, Materialität und In-frastruktureinrichtungen auch gesetzliche Bestimmungen,wasserbezogene Praktiken und die Herausbildung von Sub-jektpositionen eine wichtige Rolle. Erst im Zusammenspielder unterschiedlichen Dimensionen werden spezifische ge-sellschaftliche Naturverhältnisse hervorgebracht und trans-formiert. Gegenüber den bereits beschriebenen Konzeptensoll in diesem Aufsatz der Beitrag einer Dispositivanalysefür das Verständnis der Mehrdimensionalität gesellschaftli-cher Naturverhältnisse, ihre diskursive und materielle Ord-nung und deren wechselseitigen Bedingungsverhältnisse her-ausgearbeitet werden.

3 Dispositivanalyse

Ähnlich wie der Begriff des Diskurses ist auch der Begriffdes Dispositives in der französischen Sprache ein fest veran-kerter Ausdruck. Darunter kann eine bestimmte Konstellati-on von Maßnahmen und Objekten verstanden werden, die zueinem spezifischen Zweck miteinander in Verbindung stehenund dabei jedoch nur als Ganzes funktionieren. Angelehntist die Dispositivanalyse insbesondere an die Überlegungenvon Michel Foucault, der ein Dispositiv als „ein entschie-den heterogenes Ensemble“ definiert, „das Diskurse, Institu-tionen, architekturale Einrichtungen, reglementierende Ent-scheidungen, Gesetze, administrative Maßnahmen, wissen-

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schaftliche Aussagen, philosophische, moralische oder phil-anthropische Lehrsätze, kurz: Gesagtes ebensowohl wie Un-gesagtes umfasst. Soweit die Elemente des Dispositivs. DasDispositiv selbst ist das Netz, das zwischen diesen Elemen-ten geknüpft werden kann“ (Foucault, 1978:119–120).

Beispielsweise könnte eine Alarmanlage mitsamt ihrertechnischen Vorrichtungen (Sensoren, Kabel, Apparaturen),dem in ihr vorhandenen technischen Wissen, den einge-schriebenen Handlungsweisen (An- und Ausschalten mitHilfe eines Geheimcodes), den rechtlichen Rahmenbedin-gungen usw. als Dispositiv beschrieben werden (Keller,2007:50; Bührmann und Schneider, 2008:51–52). Demzu-folge werden Dispositive oftmals als „materielle und ideel-le Infrastruktur“ (Keller, 2008:235) bezeichnet, über die Dis-kurse stabilisiert werden. Eine solche Infrastruktur-Metapherbirgt jedoch die Gefahr der Verkürzung in sich. Ein Dispo-sitiv ist nicht als ein Nebeneinander einzelner Elemente undeine Dispositivanalyse nicht als bloße Bestandsaufnahme derbeteiligten Einheiten zu verstehen. Vielmehr ist das Dispo-sitiv das Netz, das zwischen ihnen geknüpft werden kann,das Dazwischen, die Verbindungen, die den Zusammenhaltzwischen den Elementen ausmachen. Gleichzeitig sind die-se Verbindungen jedoch nicht neutral, sondern üben immerauch eine machtstrategische Funktion aus, indem über siebestimmte (Wissens)Ordnungen hervorgebracht und gestütztwerden (Bührmann und Schneider, 2008:52–53).

Eine explizite Methodologie zur Durchführung einer Dis-positivanalyse gibt es nicht (Jäger, 2001:72). Foucault selbsthat in seinen Schriften Überlegungen zu einem Sicherheits-bzw. Sexualitätsdispositiv angestellt. Bührmann und Schnei-der (2008) geben in ihrem Buch „Vom Diskurs zum Dis-positiv“ anhand zweier Beispiele (Geschlechterdispositiv,Sterbe-/Todesdispositiv) Hinweise zur methodischen Um-setzung einer Dispositivanalyse. Jedoch bleibt die Durch-führung einer solchen Untersuchung mit der Einbeziehungdes umfangreichen, unterschiedlichen und oft widerständi-gen Materials aus der empirischen Forschungspraxis eine be-trächtliche Herausforderung.

Die Hauptfunktion eines Dispositivs sieht Foucault darin,„zu einem gegebenen historischen Zeitpunkt [. . . ] auf einenNotstand (urgence) zu antworten. Das Dispositiv hat also ei-ne vorwiegend strategische Funktion“ (Foucault, 1978:120).Ein solcher Notstand – wie etwa eine Dürre – ist jedochnicht objektiv gegeben sondern wird diskursiv hergestellt.Der Ausgangspunkt einer Dispositivanalyse kann somit dieUntersuchung der Herstellung von Problemlagen mit Hil-fe einer Diskursanalyse darstellen. Zentrales Moment dabeiist, dass die soziale und materielle Welt in Diskursen nichteinfach nur reflektiert, sondern auf eine spezifische Art undWeise hergestellt wird (Foucault, 1973:74; Keller, 2008:63).Demnach kann anhand einer Diskursanalyse herausgearbei-tet werden, was als Problem wahrgenommen und benanntwird, welche Lösungsstrategien sich daraus ergeben, welcheSubjektpositionen zur Verfügung gestellt und welche Prakti-ken legitimiert werden.

Abb. 1. Dimensionen einer Dispositivanalyse.

Die strategische Funktion des Dispositivs besteht laut Fou-cault nun darin, über ein Set von Diskursen, Praktiken, Insti-tutionen und Materialisierungen Antworten auf eine diskur-siv hergestellte Problemlage zur Verfügung zu stellen. Zwarwird ein Dispositiv als Ensemble verstanden, dessen Elemen-te untrennbar miteinander in Verbindung stehen. Da das Dis-positiv jedoch nicht als amorphe Einheit oder als untrenn-bares Hybrid, sondern als Netz zwischen verschiedenen Ele-menten benannt wird, können diese in ihrer Besonderheit be-schrieben und gleichzeitig die Verbindungen zwischen ihnenuntersucht werden. Aufgrund der Vielschichtigkeit der Di-mensionen eines Dispositivs können neben einer Diskusana-lyse verschiedene ethnographische Methoden, die Analyseinstitutioneller Arrangements, die Beschreibung und Kartie-rung von Raumstrukturen etc. als Untersuchungsmethoden indie Analyse integriert werden. Insofern stellt eine Dispositi-vanalyse einen „triangulierenden Forschungsprozess“ (Bühr-mann und Schneider, 2008:92) dar.

In Anlehnung an die Darstellungsweise von Andrea Bühr-mann und Werner Schneider (Bührmann und Schneider,2008:94) werden in Abb. 1 die Elemente eines Dispositivsdargestellt. Auch wenn der Fokus einer Dispositivanalyse aufden unterschiedlichen Beziehungen und gegenseitigen Be-dingungsverhältnissen liegt, sollen dadurch keine kausalenUrsachen-Wirkungszusammenhänge aufgespürt werden. Esgeht eher um das „Spiel von Positionswechsel und Funkti-onsveränderungen“ (Foucault, 1978:120), das in seiner Viel-falt sicherlich nicht vollständig erfasst, jedoch zumindest inden Blick genommen werden kann. Das Dispositiv als for-mierendes Netz mit machtstrategischer Funktion zu begrei-fen bedeutet, die Machtwirkungen in den Beziehungen auf-zuspüren (Bührmann und Schneider, 2008:52). In diesemVerständnis ist Macht nicht etwas, was besessen und einsei-

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tig ausgeübt werden kann, sondern etwas, das zwischen denElementen wirkt, das kanalisiert, erschwert und ermöglicht,„was sich von unzähligen Punkten aus und im Spiel unglei-cher Beziehungen vollzieht“ (Foucault, 1983:115). Demzu-folge ist die Analyse der gegenseitigen Wechselverhältnisseund ihrer Wirkungsweisen innerhalb eines Dispositivs immerauch eine Analyse von Machtverhältnissen. So ist danach zufragen, wie bestimmte Diskursanordnungen dominant wer-den, wie diese über Institutionalisierungen auf Dauer gestelltwerden, welche Subjektpositionen mit Sprech- und Hand-lungsmacht ausgestattet werden, wie sich Diskurse in denRaum einschreiben und materialisieren, welche Praktikenhervorgebracht werden und welche Rückwirkungen sich dar-aus wiederum für die Wissensordnung ergeben.

Foucault interessierte sich insbesondere auch für die Zu-sammenhänge zwischen materiellen Anordnungen und de-ren Auswirkungen auf die Handlungsweisen von Akteuren.In „Überwachen und Strafen“ geht er in Anlehnung an dasPanoptikum von Jeremy Bentham auf die Gefängnisarchitek-tur ein, die ein bestimmtes Verhalten der Individuen kondi-tioniert und Überwachungspraktiken in Praktiken der Selbst-kontrolle verwandelt. Dabei wird die Machtwirkung nicht al-lein auf die Handlungen einzelner Personen zurückgeführt.Vielmehr wird angenommen, dass sie von der mit Bedeu-tung aufgeladenen Anordnung der Dinge ausgeht: „Das Prin-zip der Macht liegt weniger in einer Person als vielmehr ineiner konzertierten Anordnung von Körpern, Oberflächen,Lichtern und Blicken“ (Foucault, 1977:259). Gebaute Um-welt kann demnach immer auch als Vergegenständlichungvon sozialen Beziehungen gelesen werden, über die Machtausgeübt wird (Bührmann und Schneider, 2008:103; Wissen,2011:105 f.).

Eine solche Machtwirkung, die aus dem Zusammenwir-ken der einzelnen Elemente des Dispositivs entsteht, kann alsAgency beschrieben werden. Dabei wird weder davon ausge-gangen, dass die Dinge an sich handeln, noch dass Diskursebestimmte Praktiken determinieren. Jedoch können die Sub-jekte nicht länger als alleinige Urheber ihrer Handlungswei-sen verstanden werden. Vielmehr geht die Handlung aus demuntrennbaren Zusammenspiel zwischen Diskursen, Subjek-ten und Dingen erst hervor. Bestimmte materielle Anord-nungen üben dabei eine stärkere disziplinierende Wirkungauf die Handlungsweisen der Akteure aus als andere. Indemim Zusammenspiel der Materialität der Dinge mit institutio-nellen Vorgaben und dem Vorhandensein bestimmter Sub-jektpositionen einige Verhaltensweisen erleichtert, andere er-schwert werden, werden Handlungen kanalisiert und geleitet.Somit lässt sich konstatieren, dass im Dispositiv Handlungs-skripte eingeschrieben sind, die bestimmte Verhaltens- undGebrauchsweisen zumindest wahrscheinlicher machen (vgl.Bührmann und Schneider, 2008:103).

In diesem Sinne bietet die Dispositivanalyse einen kon-zeptionellen Rahmen, um die unterschiedlichen Dimensio-nen gesellschaftlicher Naturverhältnisse ansprechen und inihren wechselseitigen Bedingungsverhältnissen analysieren

zu können. Doch gerade aufgrund der Komplexität der Ver-hältnisse und der Vielschichtigkeit der Wechselbeziehungenstellt die Durchführung einer solchen Analyse eine erhebli-che Herausforderung für empirisch angelegte Arbeiten dar.Im Folgenden soll anhand des Phänomens der Dürre alsTeil gesellschaftlicher Naturverhältnisse im Nordosten Bra-siliens ausgelotet werden, inwieweit eine Dispositivanalysedabei helfen kann, die Beziehungen zwischen den einzelnenElementen herauszuarbeiten und die darin eingeschriebenenMachtverhältnisse zu benennen. Der Schwerpunkt soll dabeivor allem auf dem Zusammenhang zwischen Diskursen undMaterialisierungen liegen. Auf die weiteren Elemente desDispositivs (Institutionalisierungen, Subjektivationen, Prak-tiken) kann innerhalb dieses Artikels nicht näher eingegan-gen, sondern lediglich auf einige Anknüpfungspunkte kurzverwiesen werden (ausführlicher: Schmitt, 2013).

4 Fallbeispiel: Das Dispositiv der Dürre imNordosten Brasiliens

Für die empirische Anwendung einer Dispositivanalyse wur-den die Dürreverhältnisse im Nordosten Brasiliens, genauerin der Region Baixo Jaguaribe im Bundesstaat Ceará unter-sucht. Der Nordosten Brasiliens kann als besonders emble-matisch für eine räumliche Einheit angesehen werden, dieüber spezifische gesellschaftliche Naturverhältnisse – ins-besondere den Dürreverhältnissen – als abgrenzbare Regi-on konstituiert wird (Schmitt, 2013:104 ff.). Niederschlä-ge, bzw. das Ausbleiben von Niederschlägen werden dabeinicht allein als Grundlage für die Landwirtschaft und dieWasserversorgung der Bevölkerung oder als Standortfaktorfür die Tourismusindustrie verhandelt. Vielmehr werden sieals integraler Bestandteil der Geschichte des Nordostens unddes Selbst- und Fremdverständnisses der „Nordestinos“ ver-standen. Sie spiegeln sich in der Vielzahl an Programmen,Institutionen und Organisationen der Dürrebekämpfung wi-der und sind aus den Diskursen über Fortschritt und Ent-wicklungsmodelle nicht wegzudenken. Insbesondere die als„Große Dürre“ bezeichnete Dürreperiode zwischen 1877–1879, der allein im Bundesstaat Ceará Schätzungen zufol-ge fast die Hälfte der Bevölkerung zum Opfer fiel (Taddei,2005:113; Carvalho, 1988:195), wurde zu einem Kristalli-sationspunkt der Entstehung des Nordostens als „Armen-haus“ Brasiliens. Durch dieses Ereignis wurde die Dürrezur unhinterfragbaren Realität des Nordostens, wodurch sichdie gesellschaftlichen Probleme in Probleme eines spezifi-schen Raumes verwandelten (Albuquerque, 1999:199; Bar-telt, 2001:343).

Als konkrete Untersuchungsregion diente die Region Bai-xo Jaguaribe im Nordosten des Bundesstaates Ceará (s.Abb. 2), da hier seit den 1990er Jahren tiefgreifenden Verän-derungen der gesellschaftlichen Naturverhältnisse in Bezugauf Wasser stattgefunden haben. Zum einen wurde in Cearábereits 1992 ein Integriertes Wasserressourcen-Management

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(IWRM) gesetzlich verankert, wodurch dem Bundesstaat ei-ne Vorreiterrolle in Sachen integrierter Ressourcenpolitik zu-kam. Zum anderen kam es speziell in der Region BaixoJaguaribe zu einem großflächigen Ausbau der Wasserinfra-struktur und zu einer massiven Expansion der Flächen derBewässerungslandwirtschaft und Shrimpszucht für den Ex-port (IPECE, 2007b). Dies führte zu räumlichen und sozia-len Umstrukturierungsprozessen, die mit einer Erhöhung derKonflikte um die Nutzung von und den Zugang zu Land undWasser und mit einer verstärkten Mobilisierung von Wider-stand einhergingen. Aufgrund dieser Entwicklungen wurdedie Region von Elias und Sampaio (2002) auch als Beispiel-region für eine exkludierende Modernisierung bezeichnet.

Werden die Niederschlagsverhältnisse der Region nunnicht als externe natürliche Bedingungen, sondern als Be-standteil eines (sozio-materiellen) Dispositivs verstanden,kann deren sozialer Konstruktionscharakter aufgezeigt wer-den, ohne jedoch die physisch-materiellen Bedingungen aus-zublenden oder in eine dualistische Deutungsweise zu ver-fallen. Dabei kann aufgezeigt werden, wie das Dürredisposi-tiv sowohl über messbare, materielle Bedingungen, als auchüber deren Interpretation und diskursive Verhandlung undden sich gegenseitig bedingenden Wechselwirkungen konsti-tuiert wird. Das Dispositiv entfaltet sich, indem sich Diskur-se über Dürre in institutionelle Arrangements einschreiben,sich in der gebauten Umwelt manifestieren, bestimmte Sub-jektpositionen hervorbringen und verschiedene Handlungs-weisen ermöglichen oder erschweren. Dabei wird das Dispo-sitiv über die Niederschlagsverhältnisse gestärkt und weiterverankert. Gleichzeitig können jedoch Ereignisse wie etwaDürren oder Überschwemmungen auch dazu führen, dass diebestehende Diskursordnung in Frage gestellt wird und neugeordnet werden muss (Mattisek und Wiertz, 2014:158).

Ausgangspunkt der Analyse des Dürredispositivs in derRegion Baixo Jaguaribe stellt eine Analyse des Dürrediskur-ses und der Konstitution der spezifischen Problemlage so-wie den darin eingeschriebenen Lösungsansätzen dar. Dar-über hinaus werden die verschiedenen Verknüpfungen mitden unterschiedlichen Elementen des Dispositivs angedeutet,um dann insbesondere auf die Materialisierung des Diskur-ses und die Diskursivität der materiellen Ordnung einzuge-hen. Im Anschluss daran soll der Frage nachgegangen wer-den, welche Effekte über das Dispositiv hervorgebracht wer-den und welche Widerstände und Verschiebungen sich dabeiergeben können.

4.1 Der Dürrediskurs

Für die Freilegung von Wissensordnungen und die Benen-nung von Strukturen und Regelhaftigkeiten des Dürrediskur-ses in Ceará wurde eine Diskursanalyse vorgenommen. Aus-gehend von der Annahme, dass (Massen)Medien als „zen-trale Arenen der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstrukti-on“ (Keller, 2008:79) verstanden werden können, über diebestimmte Themen bzw. Problemkomplexe gerahmt werden

(ebd.), wurden 340 Artikel der größten Tageszeitung in Ceará(Diário do Nordeste) aus den Jahren 2008–2012 analysiert.Darüber hinaus wurde eine sechsstündige Senatsdebatte, inder Gegner∗innen und Befürworter∗innen des Ableitungs-projektes des Rio São Francisco – dem wichtigsten und sym-bolträchtigsten Projekt zur Bekämpfung der Dürre im Nord-osten Brasiliens – zu Wort kamen, transkribiert und analy-siert. Und schließlich wurden noch drei Reden des ehema-ligen Präsidenten Inácio Lula da Silva, als herausragendeSprechposition innerhalb des Diskurses um die Bearbeitungder Dürre, in die Analyse mit einbezogen.

Anhand der Analyse des Diskurses über die Dürre inCeará wurde in erster Linie deutlich, dass nach wie vorder physische Wassermangel als zentrales Problem der Re-gion verhandelt wird. Durch diese hegemoniale Deutungs-weise der Dürreverhältnisse wird die Erhöhung des Wasser-angebots durch den Ausbau der Wasserinfrastruktur (Stau-dämme, Brunnen, Flussableitungen etc.) zur unmittelbar not-wendigen Lösungsstrategie erhoben. Dabei wird eine direk-te Kausalbeziehung zwischen den natürlichen Bedingungen(v.a. geringe Niederschläge) und den gesellschaftlichen Ver-hältnissen (meist als Armut und Rückständigkeit bezeichnet)hergestellt. Dies hat zur Folge, dass jegliche Mechanismender sozialen Vermittlung – wie etwa die Regelung des Zu-gangs zu Wasser, Besitzverhältnisse, Machtverhältnisse, his-torische Entwicklungen etc. – ausgeblendet und somit un-sichtbar gemacht werden. Über die Darstellungsweise der be-sonderen Dringlichkeit und des riesigen Ausmaßes des Pro-blems erscheinen Großprojekte, mit deren Hilfe besondersviel Wasser gespeichert oder transportiert werden kann, alsunabdingbar. Mögliche dezentrale, kleinstrukturierte Projek-te der Wasserversorgung oder Ansätze einer Landwirtschaftim Einklang mit den semi-ariden Bedingungen der Region(convivência com o semi-árido) gelten in Anbetracht der Di-mension des Problems als ineffektiv und werden über denDiskurs als adäquate Lösungen ausgeschlossen.

Gleichzeitig ist der Dürrediskurs in einen globalen Dis-kurs um Knappheit, Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz undWirtschaftlichkeit eingebettet. In Bezug auf den Umgang mitWasser wird dabei vor allem auf die „Dublin-Prinzipien“ ver-wiesen, die 1992 auf der Konferenz über Wasser und Umwelt(ICWE) verabschiedet wurden und eine dominante Stellunginnerhalb des globalen Wasserdiskurses einnehmen. In denPrinzipien wird Wasser als endliche Ressource mit ökono-mischem Wert definiert, die über partizipative Management-Methoden verwaltet werden soll (ICWE, 1992:4). Aus die-ser Logik wird eine gewinnmaximierende Inwertsetzung derknappen Ressource Wasser, insbesondere über den Ausbaueiner exportorientierten Bewässerungslandwirtschaft, als an-gemessene und legitime Lösungsstrategie abgeleitet.

4.2 Das Aufspannen des Netzes

Der hier nur sehr skizzenhaft vorgestellte Dürrediskurs ma-nifestiert sich auch in den übrigen Elementen des Dürredis-

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positivs und wird über diese verfestigt. Dies ist jedoch nichtals einseitige Einwirkung auf Gesetze und Subjektpositionenoder als Determinierung von Praktiken zu verstehen. Viel-mehr geht es um sich wechselseitig verstärkende Prozessedes Einschreibens und Rückwirkens, des Legitimierens undBestätigens, des Ermöglichens und Verstärkens. So wurdebeispielsweise in Ceará als zweitem Bundesstaat Brasiliensein Integriertes Wasserressourcen Management gesetzlichfestgeschrieben. Darin wurden Wassereinzugsgebiete, Was-sertarife und Wasserkomitees als zentrale Instrumente derstaatlichen Wasserpolitik institutionell verankert. Durch dieFestlegung von Wassereinzugsgebieten als neue, administra-tive Einheiten kam es zu einer räumlichen Reorganisationdes Wassermanagements und zu einer Reterritorialisierungvon Entscheidungsstrukturen. Darüber hinaus wurden Was-sertarife für nicht behandeltes Oberflächenwasser eingeführt,wodurch die in der Region betriebene wasserintensive Reis-produktion, die vor allem auf die lokalen Bedürfnisse ausge-richtet war, unrentabel wurde. Gleichzeitig breitete sich seitEnde der 1990er Jahre aufgrund hoher Gewinnmargen undzahlreicher Vergünstigungen in einigen Regionen eine ex-portorientierte Obstproduktion auf Bewässerungsbasis aus.Für die Umsetzung eines partizipativen Wasserressourcen-Management wurden regionale Wasserkomitees ins Lebengerufen, in denen in erster Linie über die Abflussmenge vonStaudämmen abgestimmt wird. Auch wenn die Erfahrungender letzten Jahre gezeigt haben, dass über diese Art der Betei-ligungspolitik grundsätzliche Änderungen der Wasserpolitikund eine Neuregelung von Besitzverhältnissen und Zugangs-rechten eher verhindert als möglich werden, so erhöhte dieEinbettung der Wasserpolitik in einen Diskurs von Teilhabeund Mitbestimmung die Legitimation der staatlichen Politikin Ceará (Schmitt, 2016).

Durch die Einführung eines partizipativen Wassermana-gements werden Praktiken der Kooperation und des Aus-gleiches gestärkt, während radikale Gegenentwürfe zum vor-herrschenden Entwicklungsmodell und widerständiges Ver-halten marginalisiert werden. Über den Diskurs des Res-sourcenmanagements werden die verschiedenen Akteure alssogenannte Stakeholder angerufen, d.h. in erster Linie alsInteressensvertreter∗innen, die über einen Konsens die knap-pe Ressource Wasser verwalten. Unterschiedliche Positio-nen werden als Stakeholder in die staatliche Wasserpolitikkooperativ eingebunden, während widerständige Positionen,wie etwa die der Landlosenbewegung MST (Movimento dosTrabalhadores Rurais Sem Terra) zunehmend kriminalisiertwerden. Gleichzeitig wird der Staat als zentrale Positiondes Wassermanagements inszeniert, dessen Vertreter∗innenüber Insiderwissen und Handlungsmacht verfügen. Dabeistellt ein naturwissenschaftlich-technisches Wissen das ent-scheidende Zugangskriterium für ein legitimes Sprechen in-nerhalb des Diskurses dar, während lokales Wissen, Erfah-rungswissen oder indigenes Wissen tendenziell marginali-siert wird. Schließlich ergibt eine Analyse der Sprechposi-tionen, dass das Sprechen über die Dürre im Nordosten und

die Suche nach möglichen Lösungsansätzen nach wie vor ei-ne männlich dominierte Position darstellt.

4.3 Wasserinfrastruktur als symbolische und materielleObjektivation

An den Infrastrukturen der Wasserversorgung und -speicherung lässt sich das Wechselverhältnis zwischen Dis-kursivität und Materialität besonders anschaulich nachvoll-ziehen. Dabei kann sowohl danach gefragt werden, wie sichDiskurse und Machtverhältnisse in die Umwelt einschrei-ben, als auch, welche Wirkmacht Infrastruktureinrichtun-gen auf Wahrnehmungen, Diskurse und Praktiken ausübenund welche Eigenständigkeit von Materialität dadurch zumVorschein kommt. Gerade in einer semi-ariden Region bil-det die Wasserinfrastruktur eine zentrale Schnittstelle ge-sellschaftlicher Naturverhältnisse, über die die Beziehungenzwischen Natur und Gesellschaft organisiert und vermitteltwerden. Sie kann sowohl als physisch-materielle Grundla-ge für die Aneignung und Transformation von Natur alsauch als Resultat gesellschaftlicher Aushandlungsprozesseund symbolischer Ausdruck von Kräfteverhältnissen gele-sen werden (vgl. Swyngedouw, 2015; Bakker, 2003; Wissen,2011:107). Über die Infrastruktursysteme werden insbeson-dere die Zugriffs- und Aneignungsmöglichkeiten von Wasserverändert. Mithilfe von Stauseen, Kanälen, Pumpen und Lei-tungen kann Wasser gezielt als Produktionsfaktor in der Be-wässerungslandwirtschaft eingesetzt werden. Über Schleu-sen kann die Verteilung gesteuert und über Wasserzähler derWasserverbrauch kontrolliert und die Verfügbarkeit mone-tär geregelt werden. Gemäß gesellschaftlicher Imaginationenund wissenschaftlich hergestelltem Wissen wird Wasser mitHilfe von Infrastruktureinrichtungen in eine isolierte Einheitverwandelt, die wiederum transportiert, zentriert, gespeichertund genutzt werden kann; die evaporiert, versickert, versalztund verschmutzt; die gemessen, bewertet und verkauft wer-den kann. Dadurch wird Wasser in eine Ressource und somitin kommodifizierte Natur verwandelt (Kaika, 2008:91).

4.3.1 Materialisierung von Diskursen

Betrachtet man die Dürreverhältnisse als Dispositiv, dannstellen die Wasserinfrastrukturprojekte keine isolierten Maß-nahmen zur Bekämpfung der Dürre dar, sondern können imZusammenspiel mit den weiteren Dimensionen als konstitu-ierendes Element der Dürreverhältnisse verstanden werden.Die Ausweitung der Wasserspeicherkapazität als Lösungs-strategie materialisiert sich in riesigen Staumauern und ki-lometerlangen Kanalwänden und schreibt sich über diese inden Raum ein. Insbesondere im Nordosten des Bundesstaa-tes Ceará wurden in den letzten Jahren vermehrt Großpro-jekte der Wasserinfrastruktur umgesetzt. Mit dem Bau desCastanhão mit einer Speicherkapazität von 6,7 Mrd. m3 wur-de in dieser Region der zweitgrößte Stausee des NordostenBrasiliens aufgestaut. Darüber hinaus wird hier das Kanal-

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Abb. 2. Jahresdurchschnittsniederschläge (1974–2003) und Was-serbilanz ausgewählter Wassereinzugsgebiete in Ceará.

system Eixão das Águas (Wasserachse) mit insgesamt 255km Wasserkanälen, Pumpstationen, Tunneln und Wasserlei-tungen errichtet (ADECE, 2015). In dieses System wird auchdas Wasser aus dem Ableitungsprojekt des Rio São Francis-co, dem größten und umstrittensten FlussableitungsprojektBrasiliens, geleitet.

Legitimiert wird der Bau solcher Großprojekte über dieNiederschlagsverhältnisse, die als objektive und messbareFakten die naturräumliche Benachteiligung der Region be-legen sollen. Betrachtet man jedoch die durchschnittlichenJahresniederschläge nicht auf bundesstaatlicher Ebene, son-dern differenziert nach den einzelnen Wassereinzugsgebie-ten (Abb. 2), so wird deutlich, dass Dürre nicht als homo-genes Phänomen, das den gesamten Bundesstaat gleich starkbetrifft, dargestellt werden kann. Zieht man die – von staat-lichen Behörden erhobene – Wasserbilanz hinzu, zeigt sichnoch viel deutlicher, dass vor allem der Südwesten des Bun-desstaates eine geringe Wasserverfügbarkeit aufweist, wäh-rend im Nordosten eine vergleichsweise hohe Wassersicher-heit verzeichnet werden kann.

Allein an diesem Beispiel wird deutlich, dass keine di-rekten Kausalzusammenhänge zwischen natürlichen Bedin-

gungen, hegemonialem Wissen und gesellschaftlichen Prak-tiken (Ausbau der Infrastruktur) angenommen werden kön-nen. Vielmehr werden die materiellen Gegebenheiten überDiskurse in Kausalzusammenhänge eingebettet, interpre-tiert und vermittelt, wobei spezifische Machtverhältnissezum Tragen kommen. Durch die Herstellung des Nordos-ten Brasiliens als homogenen, von der Dürre betroffenenRaum, können alle Wasserinfrastrukturprojekte der Regionals Maßnahmen der Dürrebekämpfung gerahmt werden. Ver-schnitten mit den Diskurssträngen einer effizienten und ge-winnbringenden Wassernutzung führt der spezifische Aus-bau der Wasserinfrastruktur zu einer gezielten Inwertset-zung bestimmter Räume für die exportorientierte Agrarin-dustrie. So soll über den einseitigen Ausbau der Wasserin-frastruktur die exportorientierte Bewässerungslandwirtschaftund Shrimpszucht in der Region Baixo Jaguaribe weiter aus-gebaut, die Wasserversorgung der Metropolitanregion For-taleza (mit über 3,5 Mio. Einwohner∗innen) gesichert undder Ausbau des Industriehafens Pecém, inklusive der Ansied-lung von mehreren Unternehmen mit enorm großem Wasser-bedarf (Stahlindustrie, Kohlekraftwerk, Zementfabriken etc.)ermöglicht werden (ADECE, 2013).

Der scheinbare Widerspruch zwischen dem Wasserman-gel im Südwesten und dem Ausbau der Wasserinfrastrukturim Nordosten des Bundesstaates kann somit nur über dasdahinter liegende Entwicklungsmodell und die darin einge-schriebenen Machtverhältnisse erklärt werden. Der Ausbauder Wasserinfrastruktur in Ceará kann dabei nicht als unmit-telbare Antwort auf die Niederschlagsverhältnisse begriffenwerden. Vielmehr ist sie manifester Ausdruck einer hegemo-nialen Diskursordnung, in der politische und ökonomischeInteressen und Machtverhältnisse verwoben sind. Das zurknappen Ressource erhobene Wasser wird insbesondere indenjenigen Regionen konzentriert, in denen es effektiv ein-gesetzt werden kann und hohe Gewinne in Aussicht stehen.

4.3.2 Materialität als Verstetigung vonMachtverhältnissen

Über die spezifische Materialität der Wasserinfrastruktur undihre territoriale Verbreitung schreiben sich folglich Macht-verhältnisse in die Umwelt ein und werden auf Dauer ge-stellt. Ein solches Einschreiben von Diskursen und Macht-verhältnissen in die gebaute Umwelt kann jedoch wederals Automatismus noch als linearer Prozess verstanden wer-den. Vielmehr ist der Prozess der Materialisierung geprägtvon gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und ständigenAushandlungsprozessen. Wo welcher Staudamm mit wel-cher Größe und zu welchem Zweck gebaut wird, ist einehöchst umkämpfte Angelegenheit. Gerade Großprojekte wieder Bau des Staudamms Castanhão, für dessen Fertigstellungca. 15 000 Menschen umgesiedelt wurden (Araújo, 2006:22)oder die Realisierung des Ableitungsprojektes des Rio SãoFrancisco waren heftig umstrittene Projekte, gegen die sichstarker gesellschaftlicher Widerstand regte. Mit der Fertig-

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stellung solcher Megaprojekte sind diese Konflikte und Wi-derstände jedoch nicht länger sichtbar. Gerade durch ihre ma-terielle Existenz erhalten sie ihre Stabilität und ihr überin-dividuelles Beharrungsvermögen. Sie werden zu einem Teilvon Natur und folglich zu vermeintlich unhinterfragbarenGegebenheiten und lassen sich nur unter erheblichem Auf-wand wieder verändern (Bauriedl, 2008:308).

Gleichzeitig verwandelt sich durch die Infrastrukturein-richtungen die Wasserverfügbarkeit einzelner Orte. Währendin manchen Regionen mehr Wasser zugeführt wird, sinkt ananderen Orten die Verfügbarkeit sowohl des Oberflächen-als auch des Grundwassers. Der soziale und politische Ur-sprung des materiellen Vorhandenseins bzw. Nichtvorhan-denseins von Wasser – und somit von Dürreverhältnissen –ist jedoch nicht sichtbar. Über materielle Objektivierungenwerden soziale Unterschiede und Machtverhältnisse in na-türliche Unterschiede transformiert. Eine solche Naturalisie-rung gesellschaftlicher Verhältnisse führt zu einer Normali-sierung von Ungleichheiten und letztendlich zu einer Verfes-tigung von Diskursordnungen und Kräfteverhältnissen: „Dieräumliche Objektivierung sozialer Tatbestände verfestigt al-so nicht nur bestehende soziale Ungleichheiten, womit siesich als Hemmschuh für sozialen Wandel erweist, sie trägtzusätzlich noch zur Verschleierung sozial hergestellter Rea-litäten bei, indem diese der ,Natur der Dinge‘ zugeschriebenwerden“ (Schroer, 2008:145).

4.3.3 Diskursivität materieller Ordnung

Die kilometerlangen, betonierten Schneisen, die die großenBewässerungskanäle in die Landschaft einziehen, und dieriesigen Mauern großer Staudämme können geradezu als ide-altypische Beispiele der Symbolkraft von Materialität an-gesehen werden. In ihnen kommen Vorstellungen von Fort-schritt, Modernität, Staatlichkeit und der Beherrschung vonNatur zum Ausdruck. Durch ihre materielle Existenz undWirkmacht werden solche Vorstellungen (scheinbar) bestä-tigt. Wenn Jawaharal Nehru als Ministerpräsident IndiensStaudämme als die „Tempel der Moderne“ bezeichnet (Lin-ton, 2008:640), dann werden diese zu einem konkreten Ortder (religiösen) Verehrung wirtschaftlicher Entwicklung undwissenschaftlichen Fortschrittes. Als ingenieurstechnischeMeisterleistungen wurden Staudämme zu den wichtigstenProjekten des prometheischen Traumes der Eroberung undKontrolle von Natur erhoben (Kaika, 2006:276). Gleichzei-tig wurden sie zu zentralen Elementen der Formierung vonmodernen, industrialisierten Nationalstaaten, indem sie denNationalstolz bedienten und zur Stärkung und Legitimie-rung von Führungspersonen und Politiken beitrugen (Molle,2008:217; Alier, 2007:178). Genau darin ist auch der Grundzu suchen, warum der Stausee Castanhão sowohl von Präsi-dent Fernando Henrique Cardoso, als auch von seinem Nach-folger Inácio Lula da Silva gleich zwei Mal feierlich einge-weiht wurde. Die Symbolkraft der Staumauer machte diesezu dem geeigneten Ort, um sich als einen Präsidenten zu in-

szenieren, der in der Lage ist, die Dürre im Nordosten zuüberwinden.

Darüber hinaus kommt der gebauten Umwelt eine „star-ke Verbindlichkeit für die Wahrnehmung und das Han-deln“ (Klöppel, 2010:256) zu. Über ihre spezifische Ma-terialität werden bestimmte Denk-, Verhaltens- und Pro-duktionsweisen hervorgebracht, andere wiederum verdrängt.So sind beispielsweise die Kanäle des Eixão das Águasin Ceará derart gestaltet, dass ein seitlicher Zugang zumWasser nur sehr schwer möglich ist (s. Abb. 3). Eine Nut-zung des Wassers durch die Kleinbäuer∗innen an den Uferndes Kanals, deren Wasserversorgung oftmals vollständig vonden Niederschlägen abhängt und die nicht die Position vonBewässerungslandwirt∗innen einnehmen, ist somit nicht vor-gesehen. Vielmehr soll das Wasser an ihnen vorbei in dieZentren der Bewässerungslandwirtschaft und in die Metro-politanregion geleitet werden.

Dabei ist die Hervorbringung von Handlungsmacht nurim Zusammenspiel mit den übrigen Elementen des Dispo-sitivs zu sehen. Die Etablierung eines IWRM stellte den in-stitutionellen und gesetzlichen Rahmen für die Einführungeiner modernisierten Bewässerungslandwirtschaft. Dadurchwurden die Positionen von Manager∗innen, Ingenieur∗innenund technisch geschultem Personal gestärkt und diese zuden wichtigsten Protagonisten der Wasserpolitik erhoben.Und schließlich führte der Bau von Großstrukturen derWasserinfrastruktur zur räumlichen Konzentration großerWassermengen und somit zu einer Erhöhung der Wasserver-fügbarkeit für die Unternehmen des Agrobusiness in der Re-gion. Demzufolge bringt das Dürredispositiv gesellschaftli-che Naturverhältnisse hervor, die sich in bestimmten Produk-tionsweisen, Arbeitsverhältnissen, Sozialstrukturen usw. äu-ßern. Gleichzeitig werden über das Dispositiv andere Formengesellschaftlicher Naturverhältnisse, wie etwa eine kleinpar-zellierte, dezentrale Familienlandwirtschaft sowie Vorstel-lungen und Praktiken des Modells der convivência com osemi-árido (Leben im Einklang mit den semiariden Verhält-nissen) tendenziell zum Verschwinden gebracht.

4.3.4 Widerstände und Brüche

Ein solches Verständnis einer Hervorbringung von Hand-lungsweisen über das Dürredispositiv darf jedoch nichtals deterministische Vorgabe von Handlungsmöglichkeitenmissverstanden werden. Handlungsmöglichkeiten bleibenkontingent, wenn auch nicht beliebig. Über eine Aneig-nung und Umdeutung der Wasserinfrastruktureinrichtungenbesteht immer die Möglichkeit, Nutzungsweisen zu verän-dern, Widerstand zu leisten und Machtverhältnisse in Fra-ge zu stellen. Trotz der architektonischen Gestaltung derKanäle, der Installation von Überwachungskameras und ei-ner institutionalisierten Nutzungsanweisung in Form des ge-setzlichen Verbotes der Wasserentnahme eignen sich dieBewohner∗innen an den Ufern des Kanals Eixão das Águ-as das Wasser an. Dies ist jedoch nicht nur als materiel-

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Abb. 3. Nichtvorgesehene Praktiken der Wasseraneignung.

le sondern auch als symbolische Aneignung von Wasser zuverstehen. Mit dem Bild der Wasserentnahme mit Hilfe ei-nes einfachen Eimers aus einem randvoll gefüllten Kanal(Abb. 3) wird der hegemoniale Diskurs, dass der Wasserman-gel das Hauptproblem des Nordostens darstellt, herausgefor-dert. Über den Bruch mit den vorbestimmten Nutzungswei-sen rücken Fragen nach dem Zugang zu und der Verteilungvon Wasser in den Vordergrund.

Mit der Besetzung eines der wichtigsten Bewässerungs-kanäle auf der Hochebene von Apodi (Ceará) durch dieLandlosenbewegung MST im Mai 2014 wurde die Wasse-rinfrastruktur von einem Instrument der einseitigen Zutei-lung von Wasser und einem Medium der Reproduktion vonMachtverhältnissen in ein machtvolles Instrument des Wi-derstandes verwandelt (Abb. 4). Die strategische Bedeutungdes Kanals für die Bananenproduktion eines der größten Ba-nanenproduzenten Brasiliens (Banesa) erhöhte die Verhand-lungsposition der Vertreter∗innen des MST derart, dass derStaat in relativ kurzer Zeit bereit war, die Notwendigkeit derLandbesetzung anzuerkennen und 1700 Hektar für die Land-losenbewegung zu demarkieren. Über die diskursive Umdeu-tung des Kanals wurde dieser zu einem wichtigen Bestand-teil bei der Verschiebung von Machtverhältnissen. Durch ihnwurden Praktiken der Aneignung ermöglicht und über ihnkonstituierten sich machtvolle Subjekte des Widerstandes.

Darüber hinaus fingen die Bewohner∗innen der Landbe-setzung an, Felder anzulegen und das Wasser des Kanalsfür eine ökologisch diversifizierte Landwirtschaft zu nutzen.Schon nach einigen Monaten konnten sie die überschüssi-ge Produktion auf den Märkten der Region verkaufen. So-mit wurde über eine Umdeutung der Wasserinfrastruktur undeine veränderte Praxis der Wassernutzung die hegemonia-le Logik des monokulturellen Anbaus für den Export auf-gebrochen. Mit den Produkten der ökologischen Landwirt-schaft materialisierte sich der Diskurs eines alternativen Ent-

Abb. 4. Bewässerungskanal als Ausgangspunkt von Widerstand.

wicklungsmodells. In diesen Praktiken zeigt sich gleichzei-tig auch das Potential, die Wasserinfrastruktur – wenn auchzunächst nur räumlich begrenzt – in ein Medium des Aufbre-chens von Machtverhältnissen zu verwandeln.

4.4 Eigenständigkeit von Materialität

Darüber hinaus spielt in dem gegenseitigen Wechselverhält-nis zwischen der diskursiven Produktion von Dürre und ih-rer materiellen Einschreibung auf der einen und der Macht-wirkung von Materie auf Diskurse und Handlungsweisen aufder anderen Seite auch die Eigenständigkeit von Natur einewichtige Rolle. Natur kann nicht beliebig diskursiv geformtund angeeignet werden. Ihre spezifischen Eigenschaften sindGrundbedingungen ihrer Wahrnehmung und Verwendungs-weise, auch wenn sie nie vollständig erfasst werden kön-nen. Dadurch weisen sie Widerständigkeiten gegenüber einerkompletten Integration in die Diskursordnung auf und wider-setzen sich einer totalen sozialen Aneignung und Kontrolle.Diese Widerstände schränken die Kontingenz der Wirklich-keitsproduktion ein, ohne sie jedoch in lineare Kausalitäts-beziehungen zu zwängen. Wasser kann nicht beliebig trans-portiert, gespeichert, gemischt oder in der Bewässerungs-landwirtschaft eingesetzt werden. So ist für die Umleitungdes Wassers des Rio São Francisco in die Bewässerungsge-biete von Ceará ein erheblicher Energieaufwand nötig, umüber 300 m Höhenunterschied zu überwinden. Gleichzeitigkommt es in den Staubecken und Kanälen zu erheblichenVerdunstungsverlusten und zur Verschlechterung der Was-serqualität, insbesondere durch den massiven Eintrag vonAgrarchemikalien. Der intensive Einsatz von Pestiziden undFungiziden ist jedoch nötig, um die monokulturelle Anbau-weise überhaupt zu ermöglichen. Der Verfall von Bewässe-rungskanälen durch Nicht-Benutzung, das Brechen von Stau-mauern und der Ausfall von Wasserpumpen führen genauso

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zu einem Scheitern von Bewässerungsprojekten, wie der Be-fall durch Schädlinge und Pilze, oder das Versalzen von Bö-den. Auch haben die vergangenen niederschlagsarmen Jah-re im Nordosten Brasiliens die große Erzählung der Inwert-setzung des Nordostens als „Kalifornien Brasiliens“ (Untied,2005:20) erneut in Frage gestellt. Wenn der Stausee Castan-hão nur noch 8 % seiner Wasserspeicherkapazität aufweist,wenn die darin angelegten Vorzeigeprojekte der Fischzuchtaufgrund der Wasserknappheit allesamt eingestellt werdenmüssen (Diário do Nordeste, 2016), dann kann der Stau-damm nicht länger als Tempel der Moderne verehrt werdensondern wird eher als Wahrzeichen des gescheiterten Ver-suchs der Naturbeherrschung gelesen. Die spezifische Ma-terialität von Natur ist letztlich eine Quelle von „unpredic-tability, unruliness and, in some cases, resistance to humanintentions“ (Bakker und Bridge, 2006:18). Dabei kann einScheitern der hegemonialen Aneignungsstrategien aufgrundder Widerständigkeit von Natur und Materialität neue dis-kursive Ereignisse hervorbringen, die wiederum zu Verschie-bungen innerhalb der Diskursordnung und letztlich auch in-nerhalb des Dispositivs führen.

5 Fazit

Am Beispiel der Expansion der Bewässerungslandwirtschaftim Nordosten Brasiliens wird deutlich, dass eine Analysevon Diskursen allein nicht ausreichend erscheint, um die inden letzten Jahrzehnten hegemonial gewordene, spezifischeInwertsetzung von Natur angemessen zu erklären. Der mo-nokulturelle Anbau für den Export im Kontext einer semi-ariden Region kann nicht nur mit Diskursen über Wasser-mangel und Ressourceneffizienz begründet werden. Viel-mehr müssen die unterschiedlichen Ebenen und Dimensio-nen einer gesellschaftlichen Situation erörtert und in einenGesamtzusammenhang eingebettet werden. Mit dem Kon-zept der Dispositivanalyse, das den Fokus der Untersu-chungen explizit auf die Verbindungen zwischen den unter-schiedlichen Dimensionen gesellschaftlicher Naturverhält-nisse legt, können die Vermittlungszusammenhänge zwi-schen gesellschaftlichen Verhältnissen und materiellen Be-dingungen herausgearbeitet werden, ohne auf essentialisie-rende und dichotome Beschreibungen zurückgreifen zu müs-sen. Wie Dürren diskursiv gerahmt und bspw. über Besitz-verhältnisse und Zugangsrechte zu Wasser gesellschaftlichvermittelt werden, ist dabei ebenso Gegenstand der Unter-suchungen, wie die Frage danach, wie über materielle Be-dingungen Machtverhältnisse (re)produziert werden.

Durch die Anerkennung der Eigenständigkeit der einzel-nen Elemente des Dispositivs, bei gleichzeitigem Insistie-ren auf ihre unausweichliche Verbundenheit, können Dis-kurse, Institutionalisierungen, Subjektpositionen, Praktikenund Materialität sowohl in ihrer Eigenlogik untersucht alsauch nach ihren gegenseitigen Wechselbeziehungen befragtwerden. Erst durch die Berücksichtigung der institutionel-

len Verankerung der Diskurse über Gesetze, Organisations-formen und Finanzierungsmechanismen werden der grundle-gende Charakter der Veränderungen und ihr potentielles Be-harrungsvermögen offenbar.

Am Beispiel der Analyse der Wasserinfrastruktur in derRegion Baixo Jaguaribe konnte gezeigt werden, wie sichDiskurse entlang von Machtstrukturen in die Umwelt ein-schreiben und manifest werden. Durch den spezifischenmateriellen Charakter der Kanäle und Staudämme werdenWahrnehmungs- und Handlungsweisen vorstrukturiert undDiskursordnungen auf Dauer gestellt. Somit ist die Mate-rialität der Wasserinfrastruktur nicht nur Ergebnis von Dis-kursen und sozialen Praktiken, sie stellt auch deren Basisund Ausgangsbedingung dar. Dabei gilt es, sich nicht in ei-ner „Henne-oder-Ei“-Diskussion zu verlieren, sondern aufdie permanente Gleichzeitigkeit des Vermittlungsverhältnis-ses zu verweisen.

Durch die Fokussierung auf die Wechselbeziehungen zwi-schen den unterschiedlichen Elementen kann die gegensei-tige Herstellung diskursiver und materieller Elemente unddie Agency von Materialität herausgearbeitet werden. Überdie gebaute Umwelt in Form von Staumauern, Schleusenund Kanälen kann Wasser auf eine spezifische Art und Wei-se gespeichert, transportiert und verteilt werden. Nur da-durch wird eine bestimmte Zuteilung, Nutzung und Kon-trolle von Wasser überhaupt möglich. Dabei geht es jedochnicht darum, die Stauseen und Kanäle als eine Art neue,intentional handelnde Akteure zu bestimmen, die den Was-serzugang selbstbestimmt regeln. Vielmehr werden erst imZusammenspiel zwischen Diskursen, Institutionalisierungen,Subjektpositionen, Praktiken und Materialität bestimmte An-eignungsweisen von Natur hervorgebracht und hegemonial.

Der Verweis auf die Eigenlogik der einzelnen Elemen-te innerhalb des Dispositivs bedeutet gleichzeitig auch, dieEigenständigkeit von Materialität ernst zu nehmen und dasVerständnis von Materie als passives Rohmaterial zu über-winden. Materialität kann demnach nicht beliebig diskursivhergestellt werden und entzieht sich somit gleichzeitig ei-ner völligen Beherrschbarkeit. Die Nicht-Identität von Na-tur ist insbesondere dann bestimmbar, wenn diskursive Ein-schreibungen, institutionelle Vorstrukturierungen oder vor-gesehene Aneignungsweisen scheitern oder zu unvorherge-sehen Ergebnissen führen. Somit kann es auch aufgrund derEigenlogik der Materialität zu Veränderungen des Disposi-tivs kommen. Dadurch verschieben sich bestehende Kon-stellationen und hegemoniale Verfestigungen können aufge-brochen werden. Zusammenfassend stellt das Konzept eineran Foucault angelehnten Dispositivanalyse eine Möglichkeitdar, die Wechselverhältnisse zwischen Diskursivität und Ma-terialität analytisch zu rahmen. Gerade da innerhalb einerDispositivanalyse die Beziehungen zwischen sozialen Ver-hältnissen und materiellen Gegebenheiten explizit auf ihreMachtwirkungen hin befragt werden, bietet das Konzept dieMöglichkeit, „die materiellen Facetten eines poststruktura-listischen Machtkonzepts hervorzuheben und den Zwischen-

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raum symbolischer und materieller Ordnungen zum Schau-platz geographischer Forschung zu machen“ (Mattissek undWiertz, 2014:158). Darüber hinaus stellt ein solcher Ansatzinsbesondere für empirisch angelegte Arbeiten innerhalb derGeographie die Möglichkeit dar, diskursanalytische Untersu-chungen mit ethnographischen Methoden konzeptionell zuverbinden, um dadurch die Komplexität gesellschaftlicherNaturverhältnisse besser in den Blick nehmen zu können.

6 Datenverfügbarkeit

In dem Artikel beziehe ich mich vor allem auf Interviews undErhebungen, die ich im Rahmen meiner Dissertation durch-geführt habe und die nicht öffentlich zugänglich sind. Eineausführliche Besprechung und Auswertung der Daten findetsich in Schmitt (2013).

Danksagung. Bedanken möchte ich mich vor allem bei SörenBecker für die vielen Anmerkungen und produktiven Kommentareund bei den beiden unbekannten Gutachter*innen, die wesentlichzur Schärfung der Argumente und zum Entstehen des Artikels inseiner jetzigen Form beigetragen haben.

Edited by: S. BeckerReviewed by: two anonymous referees

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