In Bewegung. Die Kinosammlung Piasio - nmbiel.ch · Das heute noch populäre...

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NMB Nouveau Musée Bienne / Neues Museum Biel Faubourg du Lac 52 / Seevorstadt 52 Case postale / Postfach 2501 Biel / Bienne Pädagogisches Material In Bewegung. Die Kinosammlung Piasio Zum Workshop „Wenn Tiere Kino machen“ im Rahmen der Aktionswochen (18.9. 17.11.2017) Mighty Mouse ©youtube Kunst- und Kulturvermittlung [email protected] Tel.: 032 322 24 64 www.nmbiel.ch

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NMB Nouveau Musée Bienne / Neues Museum Biel

Faubourg du Lac 52 / Seevorstadt 52 Case postale / Postfach 2501 Biel / Bienne

Pädagogisches Material

In Bewegung. Die Kinosammlung Piasio

Zum Workshop „Wenn Tiere Kino machen“

im Rahmen der Aktionswochen (18.9. – 17.11.2017)

Mighty Mouse ©youtube

Kunst- und Kulturvermittlung

[email protected]

Tel.: 032 322 24 64

www.nmbiel.ch

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Inhaltsverzeichnis

Die Kinosammlung William Piasio im NMB Neues Museum Biel ................................ 3

Handschatten und Schattentheater ........................................................................... 4

Die Camera obscura und Camera lucida ..................................................................... 5

Die Laterna magica oder Zauberlaterne: die Projektion von Bildern .......................... 7

Das Thaumatrop: Die Wunderscheibe ........................................................................ 9

Das Phenakistiskop: Das Lebensrad.......................................................................... 10

Zootrop & Praxinoskop ............................................................................................ 12

Der Cinématographe Lumière .................................................................................. 14

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Die Kinosammlung William Piasio im NMB

Neues Museum Biel

Anamorphosen | Camera lucida und Camera obscura | Diaramen | Episcope | Filmkameras und -

projektoren | Folioskope | Fotoapparate | Glasbilder | Guckkasten | Kinoplakate und -reklamen |

Kinoraen | Mutoscope | Phenakistiskope | Polyoramen | Praxinoscope | Schattenfiguren und -

theater | Stereoskope | Thaumatrope | Zauberlaternen | Zootrope

All diese, heute oftmals unbekannten Begriffe illustrieren die technische Entwicklung hin zu

bewegten Bildern. Über 2000 Objekte zählt heute die im NMB Neues Museum Biel aufbewahrte,

schweizweit einmalige Kinosammlung William Piasio, die erstmals in einer Schaudepot-

Ausstellung nahezu vollständig zu entdecken ist. Ein chronologischer Parcours

durch die optischen Gegenstände der Sammlung erläutert, wie ab dem 18.

Jahrhundert aus Einzelbildern die Illusion von Bewegung entsteht.

Vierzig Jahre lang sammelt der Bieler William Piasio (1926–2004) mit grossem Sachwissen über

1200 Dokumente und Apparate zur Geschichte des Kinos. Durch sein Netzwerk an Kinosammlern

und durch sein unermüdliches Stöbern bei Antiquitätenhändlern, Sammlern, auf Brocantes und

Flohmärkten trägt er einzigartige Objekte zusammen. Ursprünglich ausgebildet als Schriftenmaler

und später als Besitzer eines Malergeschäfts beschäftigt er

sich ab Mitte der 1950er-Jahre mit dem Film, nachdem ihm

ein Freund einen alten Pathé-Apparat geschenkt hat.

Neben seiner Sammlerleidenschaft dreht er verschiedene

Dokumentarfilme wie Sable et gravier Biel/Nidau (1957)

oder Cendres et Métaux Bözingen (um 1960), die er auch

an internationalen Festivals präsentiert.

Die Kinosammlung kommt 1988 als städtisches Depositum

ins Museum. 1995 realisiert Piasio als Kurator die erste

Dauerausstellung im damaligen Museum Neuhaus, in

einem, anlässlich des Umbaus soeben fertiggestellten,

Anbau. Als William Piasio 1996 in Ruhestand tritt, betreut

fortan das Museum die Sammlung und erweitert sie stetig

mit Ankäufen und Geschenken. Letztmals wurde die

Ausstellung 2008 erneuert.

William Piasio (1926–2004)

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Handschatten und Schattentheater

Seit Urzeiten spielen die Menschen mit den Schatten, die vom Feuer auf Wände geworfen werden.

Im Höhlengleichnis beschreibt Platon Menschen, die gefesselt und unbeweglich in einer Höhle

sitzen. Ein Feuer in ihrem Rücken wirft verschiedene Schatten von Gegenständen aus dem

Äusseren an die Wand. Für die in der Höhle sitzenden Menschen ist das an die Wand projizierte

Bild die Wirklichkeit, denn eine andere Welt kennen sie nicht.

Malerei in der Höhle von Altamira (Spanien), 15‘000 v. Chr. Vielleicht das erste bewegte Bild überhaupt? Einige Tiere wurden mit mehreren Beinen dargestellt, um Bewegung anzudeuten.

Asien: Ursprung des Schattentheaters

Die ältesten asiatischen Schattentheater stammen aus dem 9. Jahrhundert. Vor allem in China und

in Indonesien entwickelt sich seit dem 11. Jahrhundert eine besondere Kultur des Schattenspiels.

Mit teilweise kunstvoll hergestellten Figuren werden Schatten auf einer durchscheinenden

Leinwand abgebildet. Das heute noch populäre Wayang-Kulit-Schattentheater in Indonesien ist

mehr als nur Unterhaltung. Es ist eine mystische Darstellung der Welt, in der der Wandschirm den

Himmel und die Bühne die Erde symbolisiert. Die Figuren stellen die Menschen dar. Die Spieler

treten an die Stelle der Götter und erwecken die Figuren zum Leben und leiten ihre Geschicke.

Begleitet von Musik und Rezitaten ist das Schattentheater ein stundenlanges Gesamtkunstwerk.

Im Mittelalter kommt das Schattenspiel nach Kleinasien, wo es im Osmanischen Reich als

Karagöz- Schattentheater eine eigene Tradition entwickelt.

Ombres chinoises in Europa

Im 18. Jahrhundert wird das Schattentheater auch in Europa heimisch. Vor allem in Frankreich

sind die Ombres chinoises (Chinesische Schatten) im 18. und 19. Jahrhundert sehr populär. Ohne

mystisch-religiösen Hintergrund werden unterhaltsame Geschichten und Märchen aufgeführt. Die

Beweglichkeit der Figuren wurde über die Arme und Beine hinaus immer weiter ausdifferenziert.

Ab dem ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert stellt man diese Ombres chinoises in

Miniaturausgaben auch als Spielzeug für Kinder her.

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Die Camera obscura und Camera lucida Ebenso einfach wie genial – und zudem grundlegend für die Entwicklung von Fotografie und Kino

– ist die Camera obscura (lateinisch: dunkler Raum). Bohrt man in eine Wand eines

geschlossenen dunklen Raums ein kleines Loch, projizieren die Lichtstrahlen des hellen

Aussenraums das Aussenbild durch das Loch auf die gegenüberliegende Innenwand – allerdings

steht das Bild auf dem Kopf.

Das Prinzip der Camera obscura

Illustration aus: Athanasius Kircher, Ars Magna Lucis et Umbrae, Amsterdam 1671

Das Prinzip der Camera obscura beschreiben bereits im frühen 11. Jahrhundert arabische

Wissenschaftler. Um 1500 liefert Leonardo da Vinci (1452–1519) eine technische Beschreibung

und vergleicht die Funktionsweise des menschlichen Auges mit der Camera obscura. Der

Neapolitaner Giovanni Battista della Porta (1535–1615) erklärt 1558 in seinem Werk Magia

Naturalis erstmals eine grosse begehbare Camera obscura.

Lochkameras und Modelle mit Linsen

Anfänglich operiert man mit einfachen Lochkameras. Hier sind die Bilder nur dann scharf, wenn

das Loch sehr klein ist, die Abbildung erscheint dadurch sehr dunkel. Hellere und schärfere

Wiedergaben erreicht man, indem die Öffnung vergrössert und gleichzeitig eine Sammellinse

eingesetzt wird. Dies ist seit dem 16. Jahrhundert möglich, als man die Technik der

Linsenherstellung perfektionierte.

Tragbare Modelle und Camera lucida

Im 17. Jahrhundert baut man erstmals kleine tragbare Modelle, in denen über einen Spiegel von

45 Grad das Bild auf eine Mattscheibe geworfen wird. Vor dem Aufkommen der Fotografie nutzten

Maler das Instrument, um Landschaften oder Details ihrer Sujets abzuzeichnen.

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Tragbare Camera obscura

Abbildung aus: Edouard Charton (Hg.), Le

Magasin Pittoresque, Paris 1876

Mit der 1807 erfundenen Camera lucida kann man mittels eines Prismas die Umrisse des Motivs

auf das Papier projizieren, wobei der Zeichner durch ein Guckloch über der Kante des Prismas

schaut und die Umrisse sowohl des Originals als auch seiner Zeichnung auf dem Papier sieht.

Nach 1833 nutzen die Pioniere der Fotografie das Prinzip der Camera obscura, um Bilder mit

lichtempfindlichen Platten in einem Kasten einzufangen.

Die Camera obscura im Neuen Museum Biel

1990 baut William Piasio den ehemaligen

Fischerpavillon vor dem damaligen Museum

Neuhaus zu einer begehbaren Camera obscura

um. Das Spiegel-Objektiv im Dach der Camera

obscura ist nach Westen auf die

Schüsspromenade gerichtet.

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Die Laterna magica oder Zauberlaterne: die Projektion von Bildern Mit der Camera obscura wird ab dem 16. Jahrhundert die Sammellinse weiterentwickelt, was dann

im 17. Jahrhundert die Erfindung der Zauberlaterne möglich macht.

Damals experimentieren verschiedene Physiker mit Projektionslinsen. Der erste glaubwürdige

Beleg für die Projektion von Bildern auf Glasscheiben mit einer Zauberlaterne stammt 1656 vom

holländischen Mathematiker und Astronomen Christiaan Huygens (1629–1695). Neben Huygens

experimentieren und arbeiten verschiedene seiner Zeitgenossen ebenfalls mit solchen

Projektionsapparaten. Das Weltbild war noch nicht so rational und wissenschaftsgläubig wie heute.

Für die damaligen Menschen schien das eine Art Zauberei zu sein, wenn im Dunkeln plötzlich

grosse Bilder aus einem kleinen Kasten an die Wand geworfen werden. Daher auch der Name

dieses ersten Projektionsapparats: Laterna magica, Zauberlaterne.

Die erste bildliche Darstellung einer Zauberlaterne stammt vom deutschen Gelehrten Athanasius

Kircher (1602–1680). In der 1671 erschienenen Neuauflage seines 1646 erstmals gedruckten

Werks Ars magna lucis et umbrae (Die grosse Kunst von Licht und Schatten) zeigt er eine

Darstellung einer Projektion mit einer Zauberlaterne.

Zauberlaternen

Entnommen aus: Johann Zahn, Oculus artificialis, Würzburg 1685

Schausteller, die zu Fuss von Ort zu Ort ziehen, machen die Zauberlaterne in ganz Europa

bekannt. Sie projizieren mit Glasbildern farbige Phantasiefiguren auf Wände oder weisse Tücher

und bringen so die Zauberlaterne auch in den Theater- und Unterhaltungsbereich, wo sie von

Varieté-Künstlern eingesetzt wird. Ein wahrer Meister der Schaustellkunst ist der Franzose

Etienne-Gaspard Robert (1763–1937), der seine Zuschauer mit «Geistern» im Raum verblüfft. Er

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projiziert von hinten auf feinen Musselin-Stoff mitten im Raum immer grösser werdende

Geisterbilder und andere Allegorien des Todes.

Glasbilder

Die bewegten Bilder, die die Zauberlaternen erschaffen, stammen von Glasplatten. Diese werden

handbemalt und mittels Kerzenlicht oder Öllampe durch eine Linse projiziert. Das Licht geht durch

die Glasplatte, dann durch die Linse und wirft eine umgekehrte Vergrösserung des Glasbildes an

die Wand.

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Das Thaumatrop: Die Wunderscheibe 1823 demonstriert der englische Wissenschaftler John Herschell (1792-1871) mit einer Münze das

Gesetz der Nachbildwirkung. Er lässt die Münze solange um ihre Querachse rotieren, bis Zahl und

Wappen im Auge des Betrachters zu einem einheitlichen Bild verschmelzen. Das Auge ist träger

als die Bewegung: Das wahrgenommene Bild verblasst auf der Netzhaut so langsam, dass diese

bereits das nächste Bild aufnimmt, und aus zwei Bildern wird ein neues Gesamtbild.

Das Drehen der Wunderscheibe

Abbildung aus: Gaston Tissandier, Les

récréations scientifiques, Paris 1884

Unabhängig voneinander kommen 1825 verschiedene Thaumatrope als Spielzeug auf den Markt.

Auf beiden Seiten einer runden (oder auch rechteckigen) Kartonscheibe wird je ein Teil eines

Motivs dargestellt. Lässt man die Scheibe mittels der beidseitig angebrachten Fäden rasch um ihre

Achse drehen, verschmelzen die beiden Darstellungen im Auge des Betrachters zu einem Bild. Die

ersten Thaumatrope sind handkolorierte Kartonscheiben. Bald stellen verschiedene

Spielzeughersteller unter verschiedenen Namen (The Magic Circle, Wunderscheibe, optische

Zauberscheibe etc.) farbig bedruckte Thaumatrope her. In Kinderbüchern werden auch

Anleitungen zum Selbermachen dieses beliebten einfachen Spielzeugs publiziert.

Das Thaumatrop respektive die Nachbildwirkung spielen beim Kino eine wichtige Rolle. Die

raschen Dunkelphasen (mittels der Blende) zwischen zwei Filmbildern beim Transport des Films

werden so überbrückt und vom Auge nicht wahrgenommen.

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Das Phenakistiskop: Das Lebensrad

Die stroboskopische Bewegungstäuschung

In den 1820er-Jahren beschäftigten sich verschiedene Wissenschafter, unter anderem der

englische Physiker Michael Faraday (1791–1867), mit der stroboskopischen

Bewegungstäuschung. Faraday baut Versuchsmodelle, so auch eine Zahnradscheibe mit drei

Kränzen von Zähnen und Lücken. Betrachtet er die sich schnell drehende Scheibe vor einem

Spiegel durch die Zähne des Aussenkranzes, so bewegt sich das Spiegelbild des inneren und

mittleren Kranzes in die entgegengesetzte Richtung, während der äussere Kranz auf dem Spiegel

stillzustehen scheint.

Der Gebrauch des Spiegel-Phenakistiskops

Abbildung aus: Gaston Tissandier, Les récréations

scientifiques, Paris 1884

Das Lebensrad

Unabhängig voneinander entwickeln 1833 J.A.F. Plateau (1801–1883) in Brüssel und S. Stampfer

(1792–1864) in Wien das Lebensrad oder Phenakistiskop. Sie füllen die Lücken der Faradayschen

Scheibe mit Phasenbildern einer Bewegung und ersetzen den Zahnkranz durch umlaufende

Sehschlitze. Stampfer konstruiert ein Gerät ohne Spiegel: Er montiert zwei Scheiben auf der

gleichen Achse, die in entgegengesetzter Richtung rotierten. Auf einer sind die Phasenbilder

abgebildet, die andere (Blende) ist mit Sehschlitzen versehen. Der Blick durch die Sehschlitze

ergibt ein deutlich schärferes Bild als bei der Spiegelkonstruktion. Verschiedene Nachahmer

produzieren bald ähnliche «Täuschungseher». Unter phantasievollen Namen wie Fantaskope,

Phantasmaskope, optische Zauberscheiben oder Phenakastiskop wird dieses Spielzeug

angepriesen.

Die Projektion lebender Bilder

Mit dem Projektions-Phenakistiskop werden bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

bewegte Bilder auf eine Wand projiziert. Als Projektionsapparat dient eine Zauberlaterne. Die

Phasenbilder werden auf eine kleine Glasscheibe gemalt, die in einen Holzrahmen eingebaut sind.

Mittels einer Kurbel dreht man sowohl die Bilderscheibe als auch eine Umlaufblende mit einem

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Schlitz, und auf der Projektionswand erscheint einen Kranz lebender Bilder. Nach einem ähnlichen

Prinzip werden gegen Ende des 19. Jahrhunderts kleine Projektoren gebaut, die Phasenbilder auf

runden transparenten Scheiben als sich bewegende Bilder projizieren können.

Bastelvorschlag : Das Lebensrad (Phenakistiskop)

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Zootrop & Praxinoskop

Das Zootrop oder die Wundertrommel

Eine wesentliche Verbesserung des Phenakistiskops entwickelt 1834 der Engländer William

George Horner (1786–1837). Auf einem Metallzylinder bringt er parallel zur Achse Sehschlitze an.

Statt auf Scheiben malt er die Phasenbilder auf Bildstreifen, die er auf der Innenseite des Zylinders

anbringt. Dreht man den Zylinder mit einer ausreichenden Geschwindigkeit, werden die

Phasenbilder beim Blick durch die Sehschlitze lebendig. Die schwarzen Flächen zwischen den

Sehschlitzen bewirken den stroboskopischen Effekt: Die einzelnen Bilder scheinen an Ort zu

verharren und sich gleichzeitig zu bewegen. Horners Erfindung hat gegenüber dem Phenakistiskop

zwei Vorteile: Erstens braucht es keinen Spiegel, und zweitens können mehrere Personen

miteinander die Bilder betrachten. Erst nach 1867 wird Horners Wundertrommel von einem

Amerikaner als Zoetrop patentiert und als Spielzeug popularisiert. Bald kommen unterschiedliche

Zootrope in Blech- oder Kartonausführung auf den Markt, teilweise auch mit einem

Antriebsmechanismus (Handkurbel oder Spielzeug-Dampfmaschine) versehen.

Das Praxinoskop

1877 patentiert der Franzose Emile Reynaud (1844–1918) sein Praxinoskop (Tätigkeitsseher). Im

Vergleich zum Zootrop bringt es eine wesentliche Verbesserung der Bildqualität. Es braucht weder

Sehschlitze noch Dunkelpausen, und es kommt daher mit weniger Licht aus. Die Bilder werden

durch einen im Zentrum der Trommel angebrachten prismatischen Spiegel betrachtet. Schwarze

Flächen zwischen den einzelnen Phasenbildern auf dem Bildstreifen und der prismatische

Spiegelkranz sorgen für den stroboskopischen Effekt respektive den optischen Ausgleich: Das

Auge kann beim Drehen der Trommel ein Bild solange stillstehend sehen, bis das nächste Bild

sichtbar wird.

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Das

Praxinoskop-

Theater

Abbildung aus:

Gaston Tissandier,

Les récréations

scientifiques, Paris

1884

Das Praxinoskop-Theater

Reynauds Paxinoskop ist in drei verschiedenen Grössen erhältlich. Besonders reizvoll und

erfolgreich ist sein 1879 entwickeltes Praxinoskop-Theater: Die Phasenbilder sind auf Bildstreifen

mit schwarzem Hintergrund gedruckt. Die sich auf dem drehenden Spiegelkranz bewegenden

Figuren werden durch zwei Sehöffnungen hindurch betrachtet, wobei die hintere Öffnung mit

einem Glas versehen ist. Das Glasscheibchen der Sehöffnung wird wegen des schwarzen

Hintergrunds des Bildstreifens zum Spiegel und reflektiert das im Innern des Gehäusedeckels

angebrachte austauschbare farbig gedruckte Bühnendekor. Die Figuren scheinen sich so auf einer

kleinen fantastischen Bühne zu bewegen. Eine Kerze mit Lampenschirm im Zentrum dient der

besseren Beleuchtung. Von Reynaud bis zum eigentlichen Kino ist es nicht mehr weit. Reynaud

kombiniert 1882 sein Praxinoskop mit einer Zauberlaterne zum Praxinoscope à projection. Ab

1892 führt Reynaud im Musée Grévin seine Pantomines lumineuses als eigentliche

Zeichentrickfilme vor: Er malt 300 bis 700 Phasenbilder auf Gelatinefolien. Diese werden mit einem

speziellen Rollensystem durch ein Projektions-Praxinoskop geführt. Mit einer separaten

Zauberlaterne wird eine fixe Kulisse als Hintergrund für die bewegten Bilder projiziert.

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Der Cinématographe Lumière

Die Brüder Auguste und Louis Lumière (1862-1954 / 1864-1948) führen die vom Vater gegründete

Fabrik für Fotoplatten und -chemikalien weiter. Am 22.3.1895 stellen sie ihren Cinématographen

erstmals geladenen Gästen vor, am 28.12.1895 folgt die erste öffentliche Vorführung in Paris. Ihre

Erfindung vereinigt alle wesentlichen Voraussetzungen für das moderne Kino: einen perforierten

35mm-Filmstreifen, einen Exzenter für den ruckartigen Transport des Films (ab 1896 verwendet

man dafür das Malteserkreuz), die Projektion von 16 Bildern pro Sekunde (was für die ganze

Stummfilmzeit üblich ist), eine Umlaufblende für den Bildunterbruch und die Möglichkeit, die Filme

vor einem grossen Publikum zu zeigen. Ihr Cinématographe ist sowohl Kamera als auch – in

Verbindung mit einer Projektionslampe – Projektor. Die Gebrüder Lumière konzentrieren sich in

der Folge auf die Produktion von Fotoartikeln und verkaufen ihr Patent für den Cinématographe

1897 an Charles Pathé, der die Industrialisierung des Kinos wesentlich vorantreibt.