In Werden hergestellt – Spuren mittelalterlicher ... · Auf den Ofen verweisen zwei Fragmente...

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Berichte aus der Essener Denkmalpflege 18 In Werden hergestellt – Spuren mittelalterlicher Keramikproduktion an der Ruhr

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  • Berichte aus der Essener Denkmalpflege 18

    In Werden hergestellt – Spuren mittelalterlicher Keramikproduktion an der Ruhr

  • Berichte aus der Essener Denkmalpflege

    Impressum

    Herausgeber: Dr. Detlef Hopp für die Stadt Essen/Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/Stadtarchäologie Essen

    Texte: D. Hopp, B. Song

    Bearbeitung: D. Hopp, E. Schneider Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen

    Abbildung Titelblatt: B. Song

    Layout und Druck: Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen

    Erscheinungsdatum: September 2018

    Auflage: 750 Exemplare

    Bezugsquelle: Stadt Essen, Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/Stadtarchäologie Rathenaustraße 2 45121 Essen

    ISSN Nummer: ISSN 2199-1693

  • Berichte aus der Essener Denkmalpflege

    Inhaltsverzeichnis

    1. Einleitung ...............................................................................................

    2. Der Fundort ...........................................................................................

    3. Die Funde ...............................................................................................

    3.1 Keramik ...........................................................................................

    3.1.1 Importe ................................................................................

    3.1.2 Einheimische Gefäßformen ...............................................

    3.1.2.1 Kugeltöpfe .............................................................

    3.1.2.2 Gefäß mit Ausgusstülle .......................................

    3.1.2.3 Große Gefäße mit Knetfüßen .............................

    3.2 Töpferofen ......................................................................................

    3.3 Lage des Töpferofens ....................................................................

    3.4 Weitere Objekte ............................................................................

    4. Fazit ........................................................................................................

    5. Endnoten ................................................................................................

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    1. Einleitung

    In den 1950er Jahren wurden im Ortsteil Werden, sehr wahrschein-lich außerhalb des historischen Ortskernes, Fragmente mittelalter-licher Keramik und weitere Objekte aus gebranntem Ton geborgen. Der Anlass und die genauen Fundumstände sind heute nicht mehr bekannt.

    Die Objekte gelangten etwa zwischen 1950 und 1955, ohne dass es detailliertere Aufzeichnungen gegeben hätte, in das damalige Ruhrlandmuseum. Nach deren Aufnahme im Depot erlosch das Interesse an ihnen und sie verblieben zunächst dort für gut drei Jahrzehnte unbeachtet. Erst in den 1980er Jahren beschäftigte man sich wieder mit diesen Funden.

    Hinweise auf den genauen Fundort, den genauen Zeitpunkt der Auffin-dung oder die Art der Bergung der Objekte existieren somit nicht. Einzig ein handgeschriebener Fundzettel weist in Essen-Werden die Straße Wesselswerth als möglichen Fundort aus (Abb. 3).

    1950er Jahren

    Wesselswerth

    Abb. 1 (links) Stammen die Funde tatsächlich aus diesem Bereich? (Grafik: Amt f. Geoinformation, Vermes-sung und Kataster der Stadt Essen; D. Hopp/Stadtarchäologie Essen)

    Abb. 2 (rechts) Der gleiche Bereich mit der Straße Wesselswerth, außerhalb des historischen Ortkernes von Werden gelegen, auf der Karte von Honigmann und Vogelsang von 1803/06 (Grafik: Amt f. Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen; D. Hopp/Stadtarchäologie Essen)

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    Datiert wurden die Funde bei der ersten Aufnahme der Fundstelle all-gemein in das Mittelalter und die Neuzeit. 1992 sollten die Objekte im Rahmen einer Neuerfassung aller Essener Fundstellen in Augenschein genommen und neu bewertet werden, waren aber im Depot nicht auf-findbar. Somit konnte nur die bereits vorliegende, allgemeine Datierung in das Mittelalter und die Neuzeit übernommen werden.

    Allerdings war schon seit den 1990er Jahren bekannt, dass es sich bei den Funden um Objekte handelt, die auf eine Töpferei deuten: Denn aus den spärlichen Aufzeichnungen, die seit der Aufnahme in den 1950er Jahren im Museumsdepot entstanden waren, ging hervor, dass nicht nur Fehlbrände sondern auch Fragmente einer Lochtenne im Fundgut vorlagen (Abb. 8 und 10)1.

    Da eine Zugriffsmöglichkeit auf diese bedeutsamen Funde bis 2006, in Teilen sogar bis 2012 nicht bestand, war es nicht möglich, weitere Er-kenntnisse zum Fundkomplex – Essens einzigen mittelalterlichen Töpfe-reifunden – zu erzielen.

    2. Der Fundort

    Schon in den 1980er Jahren tauchten Zweifel an dem Fundort „Wes-selswerth“ (Lage s. Abb. 1 und 2) auf: Nachforschungen ergaben da-mals, dass die Funde aus dem Nachlass von Franz Körholz (1882-1952), einem bekannten Essener Heimatforscher, stammen. Da dieser aber in der Straße Wesselswerth wohnte, lag der Schluss nahe, dass mit dem Hinweis auf dem Fundzettel möglicherweise nicht der Fundort, sondern lediglich der Wohnort des Einlieferers gemeint war. Zu diesem Ergebnis gelangte jedenfalls Hugo Rieth, langjähriger Mitarbeiter des Ruhrland-museums (heute Ruhr Museum). Nach seinen Angaben lag den Scher-ben ein Zettel mit den folgenden Angaben bei: „Scherben erhalten von Körholz Essen Werden, Wesselswerth“ (Abb. 3). Dieser Fundzettel, so zweideutig er war, war Anfang der 1990er Jahre genauso wenig greif-bar wie die Objekte selbst. Von Rieth findet sich weiterhin eine durch den Oberhausener Heimatforscher Alfred Zeischka (1930-2005) überlie-ferte, undatierte Bemerkung, dass der Zettel „natürlich nichts über den genauen Fundort...“ aussage, aber auch: „Kein Zweifel besteht daran, daß es sich um Scherben einer Töpferwerkstatt handelt.“ Ein jüngerer,

    Neuerfassung

    mittelalterliche Töpfereifunde

    Körholz

    Zeischka

    Rieth

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    evtl. aus den 1980er Jahren stammender Fundzettel gibt deshalb als Fundort allgemein nur Essen-Werden an.

    Eine andere Auffassung als Rieth vertrat in Gesprächen Erich Schu-macher, der in der gleichen Zeit als Kustos mit der archäologischen Sammlung betraut war2. Er vermutete, dass die Funde durchaus vom Wesselswerth stammen könnten. Auch 1992, als die Stadtarchäologie in Essen neu entstand, wurden die Funde deshalb mit dem Fundort „Wes-selswerth“ verbunden. Unter Schumacher waren die Funde bereits in den 1980er Jahren (1983?) an Zeischka gelangt, in dessen Haus sie bis nach seinem Tod, teilweise noch bis 2006 und sogar 2012 verblieben.

    Für Zeischka, der sich mit den Funden intensiver beschäftigte, bestan-den jedenfalls Zweifel daran, dass die von ihm grob aufgenommenen Gefäße tatsächlich vom Wesselswerth stammen. Er führte in seinen Aufzeichnungen die Funde lediglich als aus „Essen-Werden“ kommend an, bezeichnete diese aber auch als „Töpfereifunde“ und erkannte gleichzeitig Importstücke unter ihnen.

    Schon in den 1990er Jahren wurde anhand eines Vergleichs historischer Karten, Grundkarten, topografischer Karten und von Bauakten erschlos-

    Schumacher

    Töpfereifunde

    Abb. 3 Fundzettel aus den 1950er Jahren (Foto: P. Jung/Ruhr Museum Essen)

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    sen, dass durch Bodeneingriffe nach dem 2. Weltkrieg etwa der Bereich um die Häuser Wesselswerth Nr. 28 und Nr. 30 als möglicher Fundort in Frage kommen könnte. Gleichzeitig wurde auch festgestellt, dass sich dieses Areal ursprünglich an der Bismarckstraße befand, die erst 1937 in Wesselswerth umbenannt worden war. Insgesamt blieben letztlich auch hier die Zweifel an der Verortung des Fundplatzes bestehen.

    2006 gelangten die Fundstücke zu einem großen Teil wieder zurück in das Ruhr Museum. Der Fundort Wesselswerth wurde aber weiterhin in Frage gestellt, während Werden als Entdeckungsort als äußerst wahr-scheinlich erachtet wurde3. Weitere Bestände, darunter die Reste der Lochtenne gelangten dann 2012, zusammen mit weiteren Objekten aus dem Nachlass von Zeischka, ins Ruhr Museum. Auch der originale Fundzettel war jetzt wieder greifbar, so dass die von Rieth gemachten Angaben bestätigt werden können4.

    Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass auch 2018 kaum Zweifel an einer Herkunft der Funde aus Werden bestehen, da der Heimatforscher Franz Körholz nur im Werdener Raum, u.a. als Ausgrä-ber auf der frühmittelalterlichen Alteburg in Heidhausen tätig war. Der Fundort Wesselswerth gilt aber insgesamt als unsicher.

    3. Die Funde

    Im Wintersemester 2017/18 dienten die Funde in einem von den Ver-fassern geleiteten Seminar an der Ruhr Universität Bochum als Studi-enobjekte. Dabei wurde das Material neu beschrieben und gezeichnet. Die Erfassung von Zeischka in einem Katalog und die Neuerfassung der Funde 2017/18 dienten als Grundlage weiterer Überlegungen.

    Bei den nachträglich im Ruhr Museum inventarisierten Fundstücken - insgesamt wurden 48 Objekte erfasst - handelt es sich in der Regel um einfache, reduzierend gebrannte Kugeltöpfe (Abb. 5 bis 8) mit kantig ausbiegenden Dreiecksrändern. Unter den erhaltenen Gefäßfragmenten finden sich zahlreiche Fehlbrände. Diese Funde geben Hinweise dar-auf, dass in den 1950er Jahren möglicherweise Teile einer Ofenfüllung,

    Studienobjekte

    Ofenfüllung

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    nebst geringen Überresten des Ofens selbst und einigen Importen, geborgen wurden. Auf den Ofen verweisen zwei Fragmente einer töner-nen Lochtenne (Abb. 8 und 10) und Teile der Ofenauskleidung.

    3.1 Keramik

    Eine erste Durchsicht der Gefäße, von denen eines vollständig, andere nahezu vollständig erhalten geblieben sind, zeigte bereits 2012, dass sie zu einem großen Teil etwa in das 11., vielleicht noch bis das 13. Jahr-hundert datiert werden können.

    Bei dieser Durchsicht fielen aber schon Importe auf, die vermuten ließen: • dass sich unweit des Töpferofens eine „Siedlungsstelle“ befand,• dass wohl nur eine Auswahl von Objekten geborgen wurde, oder aber...• dass bei der Bergung unterschiedliche Komplexe nicht getrennt wurden, oder...• das Fundmaterial insgesamt – außerhalb des historischen Orts- kernes – schon ursprünglich gemeinsam in den Boden gelangte. • Letztlich konnte auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Fund- material einer Töpferei im Nachlass von Körholz mit anderen Funden vermischt worden war.

    3.1.1 Importe

    Unumstritten ist, dass mit den Töpfereifunden auch importierte Objekte in das Museum gelangten. Unter diesen Funden ist die Bodenscherbe eines Gefäßes Pingsdorfer Art (o. Abb., Nr. 14)5 zu erwähnen, die ein-deutig nicht zur Ofenfüllung gehört. Das Gefäß wurde eben so wenig in Werden hergestellt, wie auch zwei Kannenfragmente Siegburger Art (o. Abb., Nr. 5 und Nr. 20, ca. 13./14.(?) Jh.). Auch der Rest eines großen Gefäßes so genannter Grauware muss als Import angesehen werden (Abb. 4, Nr. 43, ca. 13. Jh., Rdm ca. 15 cm). Letzteres fällt durch seine Stempelzier auf der Gefäßschulter auf. Es handelt sich um den Rest eines großen Vorratstopfes, der möglicherweise aus Breitscheid oder Lintorf (Kr. Mettmann) stammen könnte6. Auch bei einem Grapenfuß

    11.-13. Jahrhundert

    Pingsdorfer Art

    Grauware

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    (Nr 21, o. Abb., ca. 13. Jh.) mit grauer Oberfläche und weißlich grauer Innenseite könnte es sich um einen Import handeln.

    Diese, gut von dem „einheimischen“ Material zu unterscheiden Frag-mente „importierter“ Keramik sprechen dafür, dass im Nahbereich des Töpferofens, wohl außerhalb des historischen Ortskernes von Werden, Abfallgruben oder Vergleichbares zu erwarten sind, vorausgesetzt, die Funde waren nicht bereits gänzlich umgelagert.

    3.1.2 Einheimische Gefäßformen

    3.1.2.1 Kugeltöpfe

    Das Gros der Funde einer vermuteten Ofenfüllung bilden die reduzie-rend gebrannten Kugeltöpfe (s. Abb. 5 bis 8, Auswahl). Neben vielen Fehlbränden (bes. Abb. 5.2, 5.8 oder z.B. 6.12) zeigen andere Stücke kei-ne Deformationen. Es handelt sich weitgehend um angesinterte Irden-waren, wobei die Objekte durchaus unterschiedliche Härtegrade auf-weisen: Dieses muss nicht verwundern, da der Sinterungsgrad u. a. von der Position im Ofen abhängt. Es ist anzunehmen, dass es sich bei den

    Abb. 4 Großer Topf mit Stempelzier (Foto: F. Schnieders)

    Kugeltöpfe

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    Stücken entweder um Töpfereiausschuss handelt oder unter Umständen sogar um die Überreste einer insgesamt fehlgeschlagenen Produktion. In beiden Fällen kamen sie wahrscheinlich zusammen mit den Fragmen-ten einer Lochtenne und weiteren Ofenresten in eine Abfallgrube nahe der Töpferei.

    Abfallgrube

    Abb. 5 Kugeltöpfe aus der vermuteten Ofenfüllung (Grafik: D. Hopp/Stadtarchäologie Essen)

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    Die einfachen, unverzierten, meist nachgedrehten Gefäße besitzen in der Regel schlichte Dreiecksränder. Die Gefäße wurden aus übereinan-dergelegten Tonwülsten aufgebaut, die Wulstgrenzen danach verstri-chen und die Außenflächen geglättet.

    Die Randdurchmesser sind bei 20 Kugeltöpfen mit einiger Sicherheit bestimmbar: sie liegen zwischen 6 und 17 cm. Demnach wurden in Werden sowohl Kochtöpfe als auch kleine, rundbodige Gefäße, die bei-spielsweise auch als einfache Becher gedient haben können, hergestellt. Allgemein sind die Kugeltöpfe mit Sand gemagert und hart gebrannt, oft im Bruch grau. Die Farbe der Außenflächen ist in der Regel dunkel-braun-grau bis schwarzgrau.

    Die Kugeltöpfe wirken, trotz der Größenunterschiede, insgesamt recht einheitlich. Sie wurden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auch vor Ort ausgeformt und später gebrannt. Das Gefäß mit einem der größten Randdurchmesser (Abb. 6.13, Rdm ca. 17 cm) fällt durch einen leicht gekehlten, durch den Brand verzogenen Rand auf, auf dem zudem beim Ausformen Fingereindrücke zurückgeblieben sind. Auch einige weitere Kugeltöpfe besitzen eine leichte Kehlung des Randes (Abb. 5.2, 5.7 und Abb. 6.11, 6.12), die, als einer der wenigen Datierungshinweise, möglicherweise auch noch für das 13. Jahrhundert spricht. Da Gefäß-verzierungen fehlen und weder die insgesamt sehr einfach gestalteten Ränder, noch sonstige Merkmale - abgesehen vielleicht von dem harten Brand - eine genauere Datierung der Funde erlauben, kann bisher nur eine recht grobe Einordnung in das 11./12. und vielleicht noch bis in das 13. Jahrhundert erfolgen.

    Größenunterschiede

    Datierung der Funde

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    3.1.2.2 Gefäß mit Ausgusstülle

    Eine Randscherbe besitzt eine Tülle (Abb. 5.3). Die Wandungsfarbe ist bei diesem Stück außen hell- bis dunkelbraun, auf der Innenseite braun bis schwarz. Auch dieses Gefäß besitzt einen Dreiecksrand, ist hart ge-brannt und der Ton mit Sand gemagert.

    Abb. 6 Weitere Kugeltöpfe und der Überrest eines größeren Vorratsgefäßes (14, Nr. 8) aus der vermuteten Ofenfüllung (Grafik: D. Hopp/Stadtarchäologie Essen)

    Dreiecksrand

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    Gefäße mit Tüllen gehören zu den seltenen Formen. Es ist nicht auszu-schließen, dass es sich um das Fragment eines kleinen Schankgefäßes handelt und dieses auch Henkel besessen haben wird.

    3.1.2.3 Große Gefäße mit Knetfüßen

    Unter den Gefäßfragmenten fallen zwei große Bodenscherben auf, die wohl von Vorratsgefäßen stammen. Diese haben einen Knetfuß (Abb. 6.14 und o. Abb., Nr. 25) und besitzen eine dunkelgraue bis schwarz-braune Außenwandung. Beide Stücke bestehen aus sandgemagertem Ton. Zumindest bei einem der Fragmente (Abb. 6.14) handelt es sich um einen Fehlbrand, so dass auch hier die Vermutung naheliegt, diese Stücke hätten ebenfalls zur Ofenfüllung gehört.

    Abb. 7 Zwei Kugeltöpfe (Fotos: J. Klan und J. Christe)

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    Insgesamt lässt sich festhalten, dass die beschriebenen Kugeltöpfe wahrscheinlich aus einer Ofenfüllung stammen und in Werden herge-stellt wurden. Gleiches gilt vermutlich auch für die großen Gefäße mit Knetfüßen.

    3.2 Töpferofen

    Zu den geborgenen Objekten gehören auch zwei Fragmente einer Loch-tenne aus Ton. Eines der bis etwa 4,5 cm dicken Fragmente besitzt noch zwei Originalkanten die darauf schließen lassen, dass die ursprüngliche Form quadratisch oder rechteckig war. Lochtennen sind nicht nur in der römischen Kaiserzeit (Abb. 9), sondern auch später, im Mittelalter und in der Neuzeit bekannt7. Sie gehören zu den bereits von den Römern verwendeten, stehenden Öfen, bei denen der über dem Feuerungsraum liegende Brennraum von diesem durch eine Lochtenne abgetrennt war8. So wurde im Fundbericht zu Ausgrabungen in Kaiseraugst 2007 ein Ofen des frühen Mittelalters mit Lochtenne vorgestellt9. Auch die früh-mittelalterlichen Öfen, in denen beispielsweise die Keramik Badorfer Art (8.–10. Jh.) gebrannt wurde, glichen noch den römischen, stehenden Öfen.

    Töpferofen

    Lochtenne

    Abb. 8 Gefäßauswahl und Fragmente der Tenne (Foto: B. Song/Ruhruniversität Bochum)

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    Die spärlichen, dem Ofen zuweisbaren Funde - die beiden Fragmente der Lochtenne (Abb. 10) und stark verschlackte Stücke einer Ofenver-kleidung (o. Abb., Nr. 46 (?), 47 und 48) – lassen keine Rückschlüsse auf die Gestalt der unterschiedlichen Ofenelemente, wie Heizgrube, Feuerungskanäle, Brennraum, Ofenwandung, Kuppel, Beschickungs-öffnung, Abzug etc. zu. Auch Umbauten, wie sie beispielsweise an mehrfach genutzten Öfen durch eine Abfolge verziegelter Wände erkennbar wären, sind nicht nachzuweisen; Die wenigen Fragmente der Ofenauskleidung liefern hier keine weiteren Erkenntnisse. Immerhin ist aber anzunehmen, dass es sich bei dem Ofen in Werden um einen so genannten stehenden Ofen mit Lochtenne gehandelt haben wird.

    Auf eine besondere Beobachtung, die Herstellung der Lochtenne be-treffend, sei noch am Rande hingewiesen: auf einem Stück blieb partiell der Abdruck eines Gewebes erhalten (Abb. 10 rechts und Abb. 11): Die-ser ist der bisher älteste archäologische Nachweis für einen gewebten Stoff in Essen10.

    Abb. 9 Römischer Ofen in Bonn (Quelle: httpsde.wikipedia.orgwiki-Vicus_bonnensis#mediaFileZiegelbrennofen,_vicus_bonnensis.JPG, Stand: 9.3.2018)

    Ofenauskleidung

    Gewebeabdruck

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    3.3 Lage des Töpferofens

    Da die ursprüngliche Lage der Werdener Töpferei, die unter Umständen sogar nur für diesen einen Brand existiert haben mag11, sowie dessen Auftraggeber und auch die weiteren Fundumstände nicht unbekannt sind, sind weitere Aussagen kaum möglich. Allerdings sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass sich beispielsweise der Standort einer etwa zeitgleichen Töpferei auf dem Averdunkgelände in Duis-burg auf einer Fläche der Niederterrasse befand, die von mächtigen Schwemmschichten bedeckt wird12. Vor allem aber lagen die Töpferöfen außerhalb des karolingisch-ottonischen Duisburgs. Zumindest Letzte-res, ein Standort außerhalb des Ortskernes, ist auch für die Werdener Töpferei anzunehmen, denn sie wird aufgrund der Brandgefahr kei-nesfalls innerhalb des mittelalterlichen Ortes angelegt worden sein. So erscheint auch der erwogene Fundort Wesselswerth in diesem Zusam-menhang - aufgrund der vorherrschenden NW-Winde (Funkenflug) und beispielsweise der Nähe zur Ruhr - nicht abwegig.

    Brandgefahr

    Abb. 10 Fragmente der Lochtenne aus Werden (Foto: B. Song/Ruhruniversität Bochum)

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    Tonige Ablagerungen der Ruhr könnten als genutztes Rohmaterial in Frage kommen: Nach Udo Scheer (Ruhr Museum) sind beispielsweise Stauwassertone oberhalb von Mülheim-Broich bekannt. Dieses Materi-al soll als Rohstoff sogar zur Erzeugung von Delfter Kacheln verschifft worden sein!

    3.4 Weitere Objekte

    Zu dem Fundkomplex gehört auch ein etwa 11 cm langes Geröll (o. Abb., Nr. 45), das auf einer Seite Schlagspuren aufweist. Wenn auch auf Grund der unbekannten Fundumstände nicht beweisbar, so besteht doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der „handliche“ Stein bei der Ausformung der Kugeltöpfe Verwendung gefunden haben mag.

    Abb. 11 Gewebeabdruck auf einem der Tennenfragmente (Foto: B. Song/Ruhruniversität Bochum)

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    4. Fazit

    Die überlieferten Funde im Ruhr Museum lassen den Schluss zu, dass zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert in Werden, wahrscheinlich außerhalb des historischen Ortskernes und zumindest temporär, eine Töpferei bestand. Möglicherweise war hier ein Wandertöpfer tätig. Überreste des Töpferofens und größere Anteile des Ausschusses, Fehl-brände und Fragmente von Vorratsgefäßen und Kugeltöpfen unter-schiedlicher Formate, darunter Kochtöpfe und Trinkgefäße, gelangten in den Boden. Da die Umstände der Bergung nicht bekannt sind, lässt sich aber nicht mehr klären, weshalb beispielsweise so wenige Elemen-te des Ofens geborgen wurden und warum so viele Gefäßteile fehlen. Fehlbrände sind von anderen, in das Mittelalter datierten Fundorten in Essen bisher noch nicht bekannt geworden.

    Auch die Auftraggeber für die Herstellung der Gefäße bleiben letztlich unbekannt. Doch schon für die ältere, rollstempelverzierte Keramik des 9. bis 11. Jahrhunderts wird angenommen, dass sie sogar in Essen oder Werden hergestellt worden sein könnte13: Sowohl mit dem freiweltli-chen Damenstift in der Innenstadt als auch mit der Benediktinerabtei in Werden sind mögliche Auftraggeber und Abnehmer von Töpfereiwaren bekannt14: Für Werden überliefern historische Quellen für die Mitte des 12. Jahrhunderts beispielsweise, dass der Haupthof der Abtei zu einem bestimmten Ereignis 50 kleinere (quinquaginta minores ollulas) und 6 größere Kochtöpfe (maiores ollas ad pultes) sowie einen Topf zum „Pfeffern“ (ollulam ad pipertam15) zu liefern hatte16. Leider ist nicht bekannt, wie ein solcher „Pfeffertopf“ aussah. Allein die Tatsache, dass es einen solchen gab, ist erstaunlich genug, denn Pfeffer, der importiert werden musste, war ein Luxusgut!

    Wandertöpfer

    Auftraggeber

    Pfeffertopf

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    5. Endnoten

    1Bei einer Lochtenne handelt es sich um eine Schamotteplatte mit Lö-chern, die sich zwischen Feuerungs- und Brennraum eines Töpferofens befindet.2Festgehalten in den Akten der Stadtarchäologie E-1992-112/NI1992/0030. 3Schriftverkehr von Oktober 2008 in den Akten der Stadtarchäologie.4Schriftverkehr in den Akten der Stadtarchäologie vom 24.8.2012. 5Die nachfolgenden Nummern beziehen sich auf die Erfassung im Kata-log von A. Zeischka.6T. van Lohuizen, Hochmittelalterliche Töpfereibetriebe bei Breitscheid und Lintorf, Stadt Ratingen, Kreis Mettmann. Ratinger Forum 8, 2003. 7Hierzu Grunwald u.a., wie Anm. 14. 8Zu Töpferöfen vergleiche z. B. die Befunde vom Averdunkgelände in Duisburg, s. Kluge-Pinsker, wie Anm. 14.9U. Müller/S. Ammann/L. Grolimund/C. Saner/S. Waddington/S. Wyss, Ausgrabungen in Kaiseraugst im Jahr 2007. Ausgrabungen in Augst und Kaiseraugst 29 (2008) S. 111-137.10Hier sei darauf hingewiesen, dass sich Reste von zwei Webgewichten (ca. 11./12. Jh.) in der Akazienallee fanden: D. Hopp, Beginen an der Stadtmauer. Der Konvent „Im Dunkhaus“, in: D. Hopp (Hrsg.), Ans Ta-geslicht gebracht. Archäologie in der Essener City (Essen 2008) S. 60 f.11Das Stichwort „Wandertöpfer“ sei hier zumindest genannt.12S. Kluge-Pinsker, wie Anm. 14.13S. Hopp und Kluge-Pinsker, wie Anm. 14.14Beispielsweise: M. Buhlmann, Frauen in der mittelalterlichen Werde-ner Grundherrschaft. Das Münster am Hellweg 51, 1998, S. 42. Verwendete Literatur (Auswahl): W. Bauer/G. Engemann/H.-W. Heine/U. Lobbedey/H.G. Stephan, Beiträge zur archäologischen Burgenforschung und zur Keramik des Mittelal-ters in Westfalen. Denkmalpflege und Forschung in Westfalen 2 (Bonn 1979); D. Gaimster/M. Redknap/H.-H: Wegner (Hrsg.), Zur Keramik des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit im Rheinland. BAR Int. Series 440 (Oxford 1988); U. Gross, Keramikgruppen des 8. bis 12. Jahrhun-derts am nördlichen Oberrhein. Zur Frage von Verbreitungsgebieten und Produktionsstätten, in: L. Grunwald/H. Patermehl/R. Schreg (Hrsg.), Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM. Tagungen Bd. 13 (Mainz 2012) S. 63-76; D. Hopp, Archäologisches vom Gelände der Volkshoch-

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    schule in der Essener Innenstadt. Berichte aus der Essener Denkmalpfle-ge 16 (Essen 2017); A. Kluge-Pinsker, Produktion und Verbrauch von Keramik im mittelalterlichen Duisburg des 9.-10. Jahrhunderts. Archäo-logie und Denkmalpflege in Duisburg 5 (Duisburg 2001); L. Löw, Kera-mik des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit aus dem westlichen Oberfranken (Bamberg 2001); U. Müssemeier/M. Schneider, Keramik-produktion der späten Merowinger- und frühen Karolingerzeit in Born-heim-Walberberg, Rhein-Sieg-Kreis , in: L. Grunwald/H. Patermehl/R. Schreg (Hrsg.), Hochmittelalterliche Keramik am Rhein. Eine Quelle für Produktion und Alltag des 9. bis 12. Jahrhunderts. RGZM. Tagungen Bd. 13 (Mainz 2012) S. 191-208; T. Peek, Siedlungsgeschichtliche Unter-suchungen im Duisburger Stapelviertel. Die Ausgrabung Niederstraße, Block D. Archäologie und Denkmalpflege in Duisburg 8 (Duisburg 2008) S. 36 ff.; R. Röber, Hoch- und spätmittelalterliche Keramik aus der Klos-teranlage tom Roden. Ausgrabungen in tom Roden, Bd. 1. Denkmalpfle-ge und Forschung in Westfalen 21 (Bonn 1990); M. Sanke, Die mittelal-terliche Keramikproduktion in Brühl-Pingsdorf, Technologie – Typologie – Chronologie. Rheinische Ausgrabungen 50 (Mainz 2002). 15Das sog. Bremer Pfefferkorn gilt für das Mittelalter als der älteste archäologische Nachweis von Pfeffer nördlich der Alpen, hierzu: D. Bischop, Aus der Ferne so nah. Pfefferkorn, in: Matthias Puhle (Hrsg.), Aufbruch in die Gotik. Der Magdeburger Dom und die späte Stauferzeit (Magdeburg 2009) S. 526. Schriftliche Quellen berichten von Pfeffer bereits seit dem 11. Jahrhundert. Allgemein ist die Verwendung von Pfeffer schon für das Römische Reich belegt. Pfeffer erfuhr besonders durch das Römische Militär seine Verbreitung: K. H. Knörzer/R. Gerlach u.a., Pflanzenspuren. Archäobo-tanik im Rheinland: Agrarlandschaft und Nutzpflanzen im Wandel der Zeiten. Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland (Köln/Bonn 1999) S. 68, 93, 124, 126 und 170.16R. Kötzschke, Rheinische Urbare. Die Urbare der Abtei Werden an der Ruhr, A. Die Urbare vom 9.-13. Jahrhundert. Publikationen der Gesell-schaft für Rheinische Geschichtskunde XX. Nachdruck der Ausgabe von 1906 (Düsseldorf 1978) S. 193 (VII. Urbar E, § 3 Fronhofsamt Barkho-ven, um 1150). Hierzu auch: T. van Lohuizen, wie Anm. 6.

  • Berichte aus der Essener Denkmalpflege

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  • In der Reihe Berichte aus der Essener Denkmalpflege sind bereits erschienen:

    Heft 1: Visualisierung archäologischer Befunde am Limbecker Platz, Stadtmodell der Stadt Essen

    Heft 2: Die Visualisierung des Werdener Kastells, Das Stadtmodell der Stadt Essen

    Heft 3: Das metallzeitliche Gräberfeld an der Lilienthalstraße in Essen- Haarzopf, Visualisierung der Untersuchungsergebnisse

    Heft 4: 200 Jahre Krupp. Die Walkmühle in Essen-Vogelheim: Die „Firma Friedrich Krupp zur Verfertigung des Englischen Gussstahls und aller daraus resultierenden Fabrikate“

    Heft 5: Die Essener Stadtbefestigung

    Heft 6: Archäologische RuhrZeiten - Visualisierung der Kulturland- schaft des Ruhrgebietes in Dortmund, Duisburg und Essen

    Heft 7: Dokumentation von zwei wiederentdeckten Luftschutzanlagen auf dem Gelände der ehemaligen Krupp-Gussstahlfabrik

    Heft 8: Archäologie rund um den Silberkuhlsturm

    Heft 9: In Essens neuer Grünen Mitte: Spuren der Rheinischen Bahn an der Bargmannstraße

    Heft 10: Die Familie Arnold Krupp auf dem Hof Aschebruch - Ergebnisse einer archäologischen Untersuchung

    Heft 11: Archäologische Spuren im frühen Essener Stift

    Heft 12: In und unter den Kettwiger Müll geschaut

    Heft 13: Archäologie am Gänsemarkt

  • Heft 14: Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung in Essen aus achäologischer Sicht

    Heft 15: Essens historische Stadtparks - Grüne Oasen im Stadtgebiet

    Heft 16: Archäologisches vom Gelände der Volkshochschule in der Essener Innenstadt

    Heft 17: Feldbrandziegel und Feldbrandöfen in Essen