V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

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IL GLAGOLITICA. WÜRDIGUNG NEUENTDECKTER FRAGMENTE. VON D^ V. JAGIC, WIRKLICHEM MITQLIEDE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. MIT 2 TAFELN. VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 15. JANUAR 1890. -Im Monate December v. J. wurden mir eines Tages in der k. n. k. Hofbibliothek zwei kleine Pergamentblätter vorgelegt, von denen man zwar vrnsste, dass sie mit glagolitischer Schrift beschrieben sind, allein man wollte auch über den Inhalt und die Bedeutung der- selben etwas Näheres erfahren. Beim ersten Blick, den ich auf diese äusserlich so unan- sehnlichen Blätter warf, war ich von der merkwürdigen Beschaifenheit der Schriftzüge aufs höchste überrascht, und beim Durchlesen des Inhaltes, so weit dieses fürs erste gelingen wollte, wurde auch von dieser Seite meine Ueberraschung rege erhalten. Es stand allsogleich bei mir fest, dass wir es hier mit einem Unicum seiner Art zu thun haben, welclies unsere gegenwärtigen Kenntnisse über den Entwicklungsgang der glagolitischen Literatur in er- wünschter Weise erweitert und gerade darum' die eingehendste Würdigung verdient. Die zwei Blätter, auf den beigelegten zwei Tafeln in natürlicher Grösse reproducii-t, stellen sich als Fragment eines sehr alten glagolitischen Messbuches (Missale) kroatischer Familie heraus, das an Alterthümlichkeit der glagolitischen Schriftzüge alles bisher in diesem Zweige bekannt gewordene weit übertrifft und als ein äusserst willkommenes Bindeglied zwischen die glagolitischen Denkmäler pannonisch-macedonischer, und die gewöhnlichen glagolitischen Texte kroatischer Abkunft in die Mitte tritt. Mit den einen verbindet es der paläograpliische Charakter, runder Typus der glagolitischen Schrift, mit den andern die Redaction der Sprache und auch der Inhalt. Atn nächsten verwandt diesem neuen Fimde sind die vor fünfzehn Jahren bekannt gewordenen, aber wissenschaftlich bisher wenig ver- wertheten glagolitischen Kijewer Blätter, mit welchen er die Gleichartigkeit der äusseren Form und des Inhaltes theilt: beide sind Bruchstücke eines nach römischem Ritus ein- gerichteten, auf Grund einer lateinischen Vorlage abgefassten Messbuches, beide mit glago- litischer Schrift auf Pergament in kleinem Octavformat geschrieben. Von den späteren Missalen des XIV. und XV. Jahrhunderts, die noch in ziemlich grosser Anzahl vorhanden Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXXVIII. BJ II. Atli. 1

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V. Jagić. Glagolitica

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IL

GLAGOLITICA.WÜRDIGUNG NEUENTDECKTER FRAGMENTE.

VON

D^ V. JAGIC,WIRKLICHEM MITQLIEDE DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.

MIT 2 TAFELN.

VORGELEGT IN DER SITZUNG AM 15. JANUAR 1890.

-Im Monate December v. J. wurden mir eines Tages in der k. n. k. Hofbibliothek zwei

kleine Pergamentblätter vorgelegt, von denen man zwar vrnsste, dass sie mit glagolitischer

Schrift beschrieben sind, allein man wollte auch über den Inhalt und die Bedeutung der-

selben etwas Näheres erfahren. Beim ersten Blick, den ich auf diese äusserlich so unan-

sehnlichen Blätter warf, war ich von der merkwürdigen Beschaifenheit der Schriftzüge aufs

höchste überrascht, und beim Durchlesen des Inhaltes, so weit dieses fürs erste gelingen

wollte, wurde auch von dieser Seite meine Ueberraschung rege erhalten. Es stand allsogleich

bei mir fest, dass wir es hier mit einem Unicum seiner Art zu thun haben, welclies unsere

gegenwärtigen Kenntnisse über den Entwicklungsgang der glagolitischen Literatur in er-

wünschter Weise erweitert und gerade darum' die eingehendste Würdigung verdient.

Die zwei Blätter, auf den beigelegten zwei Tafeln in natürlicher Grösse reproducii-t,

stellen sich als Fragment eines sehr alten glagolitischen Messbuches (Missale) kroatischer

Familie heraus, das an Alterthümlichkeit der glagolitischen Schriftzüge alles bisher in diesem

Zweige bekannt gewordene weit übertrifft und als ein äusserst willkommenes Bindeglied

zwischen die glagolitischen Denkmäler pannonisch-macedonischer, und die gewöhnlichen

glagolitischen Texte kroatischer Abkunft in die Mitte tritt. Mit den einen verbindet es der

paläograpliische Charakter, runder Typus der glagolitischen Schrift, mit den andern die

Redaction der Sprache und auch der Inhalt. Atn nächsten verwandt diesem neuen Fimde

sind die vor fünfzehn Jahren bekannt gewordenen, aber wissenschaftlich bisher wenig ver-

wertheten glagolitischen Kijewer Blätter, mit welchen er die Gleichartigkeit der äusseren

Form und des Inhaltes theilt: beide sind Bruchstücke eines nach römischem Ritus ein-

gerichteten, auf Grund einer lateinischen Vorlage abgefassten Messbuches, beide mit glago-

litischer Schrift auf Pergament in kleinem Octavformat geschrieben. Von den späteren

Missalen des XIV. und XV. Jahrhunderts, die noch in ziemlich grosser Anzahl vorhanden

Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXXVIII. BJ II. Atli. 1

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2 II. Abhandlung: V. Jagic.

sind, weichen sowohl unsere zwei Blätter als noch mehr die Kijewer, durch die Alterthüni-

lichkeit der Schrift, dui-ch einige Eigenthümlichkeiten des sprachliclien Ausdruckes, zuletzt

durch die ganze Anordnung des Inhalts wesentlich ab. Untereinander zeigen sie den

liauptsJichlichen Unterschied, dass während auf den Kijewer Blattern die altslovenische

Sprache in ihrer ältesten und reinsten, nur durch einige Moravismen (ich gebrauche den

Ausdruck im Sinne des geschichtlichen grossmährisclien Reiches) leise modificirten Gestalt

vertreten ist, der sprachliche Charakter unserer zwei Blätter schon die vollständig ent-

wickelte kroatische Redaction des Altslovenischen zum Vorschein bringt. Die Kijewer Blätter

sind traus-, die Wiener cisdanubisch : die Heimat der ersteren fiillt in den Bereich der

böhmisch-mährisch-slovakischen Sprache, der letzteren in das kroatische Sprachgebiet. Auch

dem Alter nach werden die Kijewer Blätter um ein bis anderthalb Jahrhundertc den neu-

gefundenen vorausgegangen sein. AYenn man die ersten ins XL Jahrhundert versetzt,' so

kann man mit grosser Bestimmtheit die letzten dem XII. Jahrhundert ziu'echnen.

Von nun an wird mau an die Spitze der Denkmäler, in welchen der Glagolisnuis im

Dienste des römischen Ritus steht, folgende zwei stellen dürfen: 1. die Kijewer Blätter, 2. die

jetzt ans Licht gekommenen Wiener Blätter. Ich will beide hier zum Abdruck bringen, die

ersteren im Anhang, und die letzteren luiter Berücksichtigung aller dabei in Betracht kom-

menden Fragen nach folgenden Gesichtspunkten einer Würdigung unterziehen : I. nach der

Provenienz und der daraus sich ergebenden literaturgeschichtlichen Bedeutung derselben

;

II. nach dem Inhalt des Textes und seinem Vcrhältniss zu den entsprechenden Stellen

lateinischer und glagolitischer Missale des X.—XIV. Jahrhunderts; III. nach der Sprache

und Orthographie ; IV. nach den paläographischen Merkmalen.

I. Provenienz der Blätter und ihre Stellung in der Geschichte des Glagolismus.

Unsere zwei Blätter sind in der Bildiothek der k. k. technisclicn Hochschule zu Wien

entdeckt worden. Als man daselbst vor einiger Zeit unter den aus der Bibliothek als

unbrauchbar ausgeschiedenen Büchern eine letzte Umschau hielt, entdeckte man auf den

Deckeln irgend eines jetzt nicht mehr zu bestimmenden Buches diese zwei Blätter. Sie

wurden abgelöst und aufgehoben; der gegenwärtige Bibliothekar der erwähnten Anstalt,

Dr. Friedrich Leithe, deponirte sie in der k. u. k. Hofbibliothek, als dem zur Aufbewahrung

solcher Seltenheiten geeignetsten Orte. Ich muss allerdings sehr bedauern, dass man nicht

seiner Zeit aucli das Buch, in welches diese Blätter eingeklebt gewesen zu sein scheinen,

bei Seite gelegt hat. Wir würden möglicher Weise aus dem Druckorte, aus der Jahreszahl

desselben, oder aus irgend welchen anderen Umständen einige Anhaltspunkte zur Bestim-

mung der Zeit und des Ortes, wann und wo diese Blätter in jenes Buch gerathen waren,

gewinnen. Femer — und das ist im gegebenen Falle noch wichtiger — würde man mit

Hilfe jenes Buches wahrscheinlich in den Stand gesetzt werden noch einige Zeilen, Wörter

' Der erste Herausgeber der Kijewer Blätter (I. I. Sreznevskij) liat es unterlassen über das Alter derselben irgend eine bo-

stimmte Meinung zu äussern. L. Geitler versetzt sie ziemlich spät, da er sie zwischen die Inschrift von Veglia und die

jüngeren Theile des Zographensis einreiht (Die albanesischen und slavischen Schriften, S. 151, §. 164), trotzdem er selbst

zugibt (ib. S. 186), das» die Majuskel der Kijewer Fragmente älter ist, als die des Cloz. Ich besorge nicht auf einen Wider-

spruch zu stossen, wenn ich die Kijewer Blätter spätestens dem XI. .Jahrhundert zuweise, ich halte sie aus paläographischen

und sprachlichen Gründen für entschieden älter als das Euchologium Sinaiticum oder das Psalterium Sinaiticum, auch für

älter als da» Aclirider Evangelienfragment.

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Glagolitica. Würdiodng neiientdeckter Fragmente. 3

oder Buchstaben an unseren zwei Blättern zu entzitfern, die jetzt gänzlich verwischt sind.

Unsere Blätter scheinen nämlich auf der inneren Seite stellenweise so stark an den Deckeln

(oder an dem einen Deckel?) geklebt zu haben, dass beim Ablösen bald ganze Zeilen,

bald einzelne Buchstaben oder Wörter von dem Pergament sich abschälten und an demDeckel die Spuren zurückgelassen haben müssen. Sie sind dadurch für uns verloren

gegangen und die Entzifferung der beiden inneren, angeklebt gewesenen Seiten, welche

unsere Tafel II zur Anscliauung bringt, gestaltet sich zum Theil sehr schwierig, zum Theil

ist sie geradezu unmöglich geworden.

Bei der Ermangelung jedes äusseren Anhaltspunktes zur Beantwortung der Frage nach

dem Ursprung dieser Blätter, muss man sich an ihren Inhalt halten und mit Hilfe dieses

die muthniassliche Heimat derselben festzustellen suchen. Die Betrachtung führt zu sicheren,

^\'e^an auch etwas allgemein lautenden Resultaten. Der Charakter der Sprache — sie ist

die altslovenische in der kroatischen, vollständig und consequent durchgeführten Recension

— lässt keinen Zweifel darüber aufkommen, dass diese Blätter, so wie das Buch, dessen

Bestandtheile sie einst bildeten, innerhalb der Grenzen des kroatischen Grlagolismus ge-

schrieben worden sind. Das Missale muss einer katholischen Kirche innerhalb jener Diöcesen

Istriens, Kroatiens und Dalmatiens, die verschiedenen Inseln zwischen Istrien und etwa

Curzola inbegriffen, angehört haben, in welchen im XI.—XII. Jahrhundert die Liturgie nach

römis(diem Ritus, aber in kirchenslavischer Sprache mit glagolitischer Schrift im Gebrauch

war. Da das Gebiet des Glagolismus zu jener Zeit beträchtlich weiter reichte, als gegen-

wärtig, so hat man freie Wahl sich jede beliebige katholische Kirche zwischen Capo d'Istria

oder Parenzo im Westen, Makarska und Curzola im Süden, die Städte mit romanisch reden-

der Bevölkerung ausgeschlossen, als den Heimatsort unserer Blätter zu denken. Wie weit

sich die Herrschaft der slavischen Liturgie gegen Norden imd Osten ins Binnenland damals

erstreckt haben niag, das weiss man nicht.'

Lange Zeit hindm-ch war man in Verlegenheit, wie man diesen kroatischen Glagolismus,

den man anfangs für eine ziemlich späte Erscheinung hielt, mit den ältesten Denkmälern

der glagolitischen Literatur, die aber alle erst im Laufe unseres Jahrhunderts grösstentheils

nach Dobrowsky's Tode allmählig ans Licht kamen, in Einklang bringen sollte. Zwei ab-

weichende Richtungen in paläographischer und sprachlicher Beziehung stellen da einander

gegenüber, scheinbar ohne jede Vermittlung: auf der einen Seite runde, auf der anderen

eckige glagolitische Schriftzüge ; auf der einen Seite die altslovenische Sprache, mit allem

FoiTiienreichthum ausgestattet, in vielen Beziehungen selbst die ältesten Denkmäler der

cvrillischen Schrift überbietend: auf der anderen zwar dasselbe Idiom, allein mit vei*ein-

Uie Frage, wie weit die slavisclie Liturgie zu verschiedeuen Zeiten iu Istrieu, Kroatien und Dalmatien gereiclit liat, bedarf

eiuer kritischen Untersuchung, für welche kleinere Vorarbeiten bereits vorliegen. Ausser dem, was Kopitar, Safah'k, Miklo-

sich, Ra£ki, Tkalcic u. a. darüber bemerkt haben, erwähne ich folgende kleinere Untersuchungen: Razprava ob obstojedoj

porabi staroslovenskog ili glagoljskog jezika u sdruZenih biskupijah öenjskoj i Modruskoj, U Bakru 1882. 8". 18 (von

Bischof V. Soic); Crtice o slovenskoj litiirgiji, sastavio ih o. Siniun Milinovic. Zadar 1880. 16". 160; Poraba glagoljice kod

redovnika III reda sv. Franje po Dalmaciji, Isti-i i Kvarneru, napisao o. Stjepan M. Ivan(Si(-. U Zadru 1887. 8*. 58 (diese

Abhandlung enthält neues Material); S. Ljubid: Borba za glagolicu u Loäinju (Rad LVII, 150 ff.). Durch die Gefälligkeit

des Herrn Regierungsrath Dr. Thallöczy bin ich im Besitz einer Abschrift des in Rom, im Archiv der römischen Propa-

ganda betiiidlichen Manuscripts J. Pastric's, welche» folgenden Titel führt: De Missalis, Breviarii, illyrici romani et sirailiuni

divinonim officicjrum origine, charactere, coutinuatione, scriptione, impressione, usu et locis ac modo intelligendi scripta et

impressa, officiacjue nova scribendi. Opus iu gratiam, decus, utilitatem tum Nationis illyricae in Dalmatia, tum quoque

cleri Glagolitarum concinnatum a Joanne Pastritio Dalmata Spalatensi, philosophiae ac sacrae theologiae doctore et in

collegio de Propaganda fide sacrae theologiae polemicae seu dogmaticae lectore, inchoatuni ab anno 1688 circa finem, abso-

lutum . . . Ich will einiges aus dem Maiuiscript im Anhang zu dieser Abhandlung mittheilen.

1*

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4 n. Abhani)i,uno: V. Jagiö.

fachten jrranunatisclien Formen und mit einer neuen, offenbar späteren Orthographie. Als

dritter nicht unbedeutender Factor kommt nocli die divergirende Riclitung des Inhaltes dazu:

die ältesten altslovenischen Denkmäler glagolitischer Sclu'ift, wie wir sie noch bis unlängst

kannten, stellen gottesdienstliche Bilcher nach dem griechisch-orientalischen Ritus dar,

während die kroatischen glagolitischen Handschriften ausnahmslos dem römischen Ritus

dienstbar sind. Alan erging sich in allerlei Vermuthimgen, wie dieser Uualisnuis hat ent-

stehen, wo und wann jener wichtige Frontwechsel hat vor sich gehen können. Selbst

Safaifik begnügte sich noch in seiner letzten Schrift' mit folgenden allgemeinen Worten:

,In Kroatien wurde bekanntlich die römische Liturgie eingeführt. Das Fragment von Zara

ist ein BeAveis des hohen Alters des glagolitischen Missale. Ich sah noch andere Fragmente

des Missale von sehr hohem Alter. Ebenso sah ich Fragmente des Breviers (Ilomiliarium),

welche älter sind als die jetzige Einrichtung des lateinischen ]3reviers oder das XIU. Jahr-

hundert.' Safah'k war, wie man sieht, allerdings geneigt die Einrichtung der glagolitischen

Bücher nach römischem Ritus bereits in eine sehr frühe Zeit zu versetzen, aber er dachte

dabei immer nur imd ausschliesslich an Kroatien (Istrien, Dalmatien) als dasjenige Land,

wo diese Aenderungen vor sich gingen. Durch die glückliche Auffindung der Kijewer

Blätter sind wir jetzt in den Stand gesetzt über diesen wichtigen Punkt andere, bestimmter

lautende Ansichten vorzutragen, welchen der neueste Fund eine weitere kräftige Stütze ver-

leiht. Jetzt unterliegt es nämlich keinem Zweifel mehr, dass nicht erst in Kroatien, sondern

schon im Bereich Grossmährens und Pannoniens, zu einer Zeit, als dort die slavische Liturgie

noch ihr bedrängtes Dasein fristete, die ersten Versuche gemacht worden waren, die kirchen-

slavische Sprache für den Gottesdienst dadurch zu erhalten, dass man sich im Ritus der

herrschenden römisch -germanischeu Richtung anschloss und in diesem Sinne auch die

Kirchenbücher anfing umzuarbeiten. Die Kijewer Blätter sind ein unverfälschtes Zevigniss

datiir, dass schon damals, als in der altslovenischen Sprache noch die echten, alten Formen

in voller Fülle, mit genauer Unterscheidung aller lavitlichen Feinheiten, wenigstens in der

schriftlichen Tradition fortdauerten, ein nach römischem Ritus abgefasstes Missale ent-

standen und vorhanden war.

Um dieser Schlussfolgerung aus dem Wege zu gehen, könnte man die Frage aufwerfen,

ob nicht die Kijewer Blätter aus einem anderen Lande, nicht gerade aus Mähren stanuuen?

Ich finde wu-klich in der bekannten, glänzenden, wenn auch verfehlten, paläographischen

Studie^ Geitlers die Behauptung aufgestellt, dass die Kijewer Blätter aus Macedonien her-

rühren: ,Die ihnen (d. h. den Prager Fragmenten) verwandten Kijewer Blätter hat Archim.

Antonin in Jenisalem gefunden, und dahin kamen glagolitische Handschriften nur aus

Macedonien." Dieser Grund allein reicht wohl noch nicht hin, um die Blätter macedonisch

zu nennen, und einen anderen Beweis ist luis der früh verstorbene Verfasser gerade so hier

schuldig geblieben , wie bei seiner zweiten , nicht minder paradoxen Behauptung , nach

welcher die Prager Fragmente weder in Böhmen und Mähren, noch in Nordungarn ge-

schrieben sind, sondern gleichfalls aus Macedonien herrühren. Leider konnte er seinen

Plan, diese Behauptimgen ,vorzüglich durch sprachliche Mittel' zu begründen, nicht aus-

führen.' Mich führt dasselbe Mittel gerade zur entgegengesetzten Ueberzeugung, nach welcher

an der ,gro88mährisclien' Heimat der Kijewer Blätter ein für alle Male festzuhalten ist. In

' Ueber den Ursprung und die Heimat des Glagolitisinus, S. 17.

^ Die albanesischen und slavischen Schriften, von Dr. L. Geitlor, Wien 1883, S. 1.53.

3 a. a. O., 8. 188.

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Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 5

der That, ich kann in den sonst ganz regelmässigen altslovenischen Sprachfonnen, wo nur für

i|i ein c, für «a ein z\ für lur ein sc eintritt, nichts anderes als Moravisnien erblicken,

welche auf dem mährisch-slovakischen Sprachgebiete in den sonst echt altslovenischen Text

eingedrungen waren. Beispiele also, wie : orpAA^n-b, )fOA'»''''»'*Hi«, npHCMAi^i^, npocAi;(, Hkcr^i^f,

OK'ku'kA'h-OK-kukHH'k, iio/uoi^k-no/v\ou,hiJK, nm\A, oder: jiL,Aäw, oT-kAdsi», noA<>3k, TaKoat JKt, TO/Hhaf,

T0A3t, oder: aaujMHTH, aamsHTHT-K, OMHiuHfHHE-OHHuiHEHHiv — fasse ich als echte altslovenische,

nur in den drei Punkten des Consonantismus ins ,altmälirische' umgeprägte Sprachformen

auf Wer der Annahme, dass das gegenwärtig vorhandene Kijewer Exemplar nur eine süd-

slavische, sagen wir macedonische Abschrift repräsentirt, den Vorzug geben wollte — wogegen

mehrfache Gründe sprechen — müsste dennoch endlich und letztlich auf ein ,altmährisches'

Original zurückkommen Mau wird also immer wieder dorthin geführt, von wo wir aus-

gegangen sind, d. h. nach Grossmähren.

Ich muss übrigens noch eine andere Combination zur Sprache bringen, die zwar

meines Wissens bisher von Niemandem aufgestellt worden ist, und doch neben der Ansicht

Geitlers geprüft zu werden verdient: sind die Kijewer Blätter nicht möglicher Weise kroa-

tischen Ursprungs imd von dort aus nach dem Norden gebracht, wo sie erst nachträglich

mit den oben erwähnten Moravisnien ausgestattet wurden? Wenn man diese Combination

mit irgend welchen nennenswerthen Gründen stützen könnte, dann würde freilich der oben

ausgesprochenen Behauptung, dass der Uebergang aus dem griechisch-orientalischen in den

römisch-westlichen Ritus schon im Bereiche Mährens und Pannoniens begonnen hatte, der

Hauptbeweis entzogen sein. Allein ich glaube nicht, dass die Annahme einer Wanderungdes Kijewer Textes aus Kroatien nach Mähren und Oberpannonien viel für sich hat. Vor

allem wenn man den sprachlichen Charakter derjenigen glagolitischen Denkmäler der ältesten

Periode, die einigermassen auf Kroatien und Dalmatien als ihre muthmassliche Heimat hin-

deuten, näher ins Auge fasst, — dazu würde ich Glagolita Clozianus und Codex Marianus

rechnen — so merkt man in diesen schon allerlei Abweichungen von der feinen Regel-

mässigkeit, durch welche sich gerade die Sprache der Kijewer Blätter so vortheilhaft aus-

zeichnet. Wie sollten nun Texte, die in einem notorisch picht altslovenischen Medium ent-

standen, schon desswegen einige Einbusse an sprachlicher Feinheit erlitten hätten, nachträglich

nach Norden gekommen, daselbst von neuem in echter Ursprünglichkeit der altslovenischen

Sprache erglänzen? Die Kijewer Blätter stehen bezüglich der ungetrübten Ueberlieferung

der altslovenischen Eigenthümlichkeiten (wenn man von den oben berührten drei Punkten

des Consonantismus absieht) so ziemlich auf dem Standpimkt des Codex Zographensis, wo-

mit ich natürlich nicht einer unmittelbaren ,pannoni8clien' Provenienz dieses Denkmales das

Wort reden will. Worin sie etwa noch sonst abweichen, alles das klingt ganz gut ,alt-

mährisch'. Ich hebe besonders das fein entwickelte Sprachgefühl für die Weichheit der

Palatallaute hervor, das bekanntlich weder zu. Gunsten Kroatiens noch zu Gunsten Mace-

doniens spricht, wohl aber deutlich genug auf das böhmisch-mährisch-slovakische Sprachge-

biet hinweist. Bildet ja doch die Weichheit der c-c-s-l Laute eines der Hauptmerkmale gerade

der ältesten Denkmäler der böhmischen Sprache. Ein Mkiu'k (cyrill. iMkiu»), ein «K'ku'kA'h

(cyrill. OEid^iaA-k, ockipuA'k) u. s. w. sehen in den Kijewer Blättern wirklich wie Moravismen aus.

Seit der Bekanntmachung der Kijewer Blätter also muss an der Behauptung festgehalten

werden, dass schon in der ältesten Epoche der slavischen Liturgie, die man als mährisch-

pannonische zu bezeichnen pflegt, in welche jedenfalls dieses Denkmal fällt, die ersten Versuche

gemacht wurden den Gebrauch der altslovenischen Kirchensprache mit den Anforderungen

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6 II. ABHANDriUNG : V. Jagi(!'.

des römischeu Ritus in Einklang zu bringen. Ich hatte frtlher, nach dem Vorgang ^afaf-iks

und Anderer, hauptsächUch die Zeiten, die unmittelbar auf den Tod des Methodius folgten,

in Betracht gezogen. Allein es scheint ^deles dafür zu sprechen, dass der erste Anfang der

Umgestaltung bereits in die dornenvolle Laufbahn des pannonischen Erzbischofs fällt.

Bekanntlich hat die schon frtlher von Historikern hochgeschätzte slavische ,Vita Methodii'

durch die im British Museum gemachte Entdeckimg der Papstbriefe eine glänzende Recht-

fertigung im Sinne der geschichtlichen Glaubwürdigkeit erfahren. Nun heisst es im Cap. VI 1

1

dieser Legende, in welchem die Hauptgedanken eines Schreibens des Papstes Hadrian an

die mährisch-pannonischen Fürsten reproducirt werden, ausdrücklich so : ,unus vero hie ser-

vandus est mos, ut in missa primum apostolus et evangelium legantur Lingua romana, postea

slovenica'} Schon diese erste, laut gewordene Einschränkung, der sich Methodius, wir haben

keinen Grund das zu bezweifeln, willig unterworfen haben wird, spricht entschieden daflir,

dass man in Pannonien gleich beim ersten Aiiftreten genöthigt war, den kirchlich-politischen

Verhältnissen jenes Landes einigermassen Reclmimg zu tragen. Man weiss ferner aus der

Lebensgeschichte des Methodius, welche Anstrengungen es ihn kostete, den Papst Johannes VIII.

ftir die slavische Liturgie günstig zu stimmen, bis dieser den berühmten Satz aussprach: ,nec

sanae fidei vel doctrinae aliquid obstat sive missas in eadem sclavinisca lingua canere sive

sacrum evangelium vel lectiones divinas novi et veterii testamenti bene translatas et intetyretatas

legere, aut alia horartim officia omnia psallere . . .' und doch selbst in dieser so günstig

lautenden Concession folgt, ganz im Sinne Hadrians, folgender* wichtige Zusatz: ,jubemus

tarnen, ut in omnibus ecclesiis terrae vestrae propter maiorem honorificentiam evangeliuin

latine legatur et postmodum sclavonica lingua translatttm in auribus popidi, latina verba non

intelligentis adnuncietur'} Nach der dm'cli die el•\^ähnten Papstbriefe vollinhaltlich bestätigten

Erzählung der slavischen Legende war Methodius, selbst nach Erlangung dieser Concession,

schweren Verfolgungen und Misshandlungen ausgesetzt. Ja wenn die Behauptungen des

Papstes Stephan VI. nicht auf ungenauen Informationen beruhen, was man nicht ohneweiters

annehmen kann, so scheint er (Methodius) zu einer gewissen Zeit, vielleicht gerade nach

der mit päpstlicher Hilfe erlangten Befreiung, durch die Umstände gezwungen gcAvesen zu

sein, in der Frage über die slavische Liturgie sich noch weitere Einschränkungen gefallen

zu lassen und der lateinischen Sprache solche Vortheile einzuräumen, dass der Papst Stephan

nachher sein Festhalten an den von Johannes VIII. erlangten Privilegien als Starrsinn auf-

fasBte und selbst als einen Eidbruch ansah. In der Instruction nämlich, die dieser Papst

den ,ad Sclavitos' oder ,in fines Sclavorum' abgesandten Legaten mitgab, wird betreffs des

Methodius behauptet:* ,Missas et sacratissima illa ministeria que sclavorum lingua idem Me-

thodius celebrare presumpsit quamvis decessoris sui temporibus, domni videlicet Johannis,

sanctissimi pape, iuraverit se ea ulterius non presumere, apostolica auctoritate ne aliquo

modo presumatur penitus interdicit. ' Durch diese neu gefundene Parallele gewinnt bekanntlich

auch der von Wattenbach^ herausgegebene Brief desselben Papstes ,ad Zuentopolcum regem'

glänzende Bestätigung. In letzterem las man nändich schon früher betreffs desselben Gegen-

standes folgende Worte: , Divina autem, ojßcia et sacra misteria ac missarum soUemnia que

' Vita Hancti Methodii, russicoslovenice et latine ed. Fr. Miklosich. Vindobonae 1870, p. 15.

2 B. A. TifUhOacoKT,, KHpHAät h MeeoAJfi no ^OKyMeiiTaji.iiuMi iicro'iHBKaMi,. CTiißri 1868. I. cip. 134.

' l»ie von Miklosich und Ka£ki herausgegebenen I'apstbriefe de» British Museum, soweit sie die Slaven betreffen, findet mau

in den Agramer ,Starine' B. XII. Unsere Stelle ib. p. 220.

* Beiträge zur Geschichte der christlichen Kirche etc. von Dr. W. Wattenbach. Wien 1849, S. 4H—18.

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Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 7

ideni Methodius sdavorum Ungua celebrare presumpsit, quod ne ulterius faceret suprasacratissimum heati Petri corpus iuramento firmaverat, sui periurii reatum per-

horrescentes nullo modo deinceps a quoUhet presumatur.'

Soc. Jes. P. I. Martynov, der meines Wissens der erste seit der Publication der LondonerPapstbriefe, von neuem auf die Widersprüche zwisclien diesen Behauptungen des Papstes

Stephan VI. und dem Privilegium des Papstes Johannes VIII. sein Augenmerk richtete,

gesteht offen, diese niclit lösen zu können:^ Reste k savoir si Methode a röellement promis

sous semient de renoncer k cel^brer la messe en slavon, ainsi que le disent les deux documents;

mais ce n'est pas le lieu de discuter ce point, qui nous paralt encore obscur'. Auchich masse mir nicht an, den Gegensatz der Aeusserungen der beiden bald auf einander fol-

genden Päpste vollständig beseitigen zu können. Das wird kaum jemals gelingen. Allein zm-

Milderung desselben lässt sich dennoch so manches sagen. Vor allem kann niclit in Abrede

gestellt werden, dass Stephan VI. im Punkte der slavischen Liturgie persönlich und grund-

sätzlich anderen Ansichten huldigte als sein Vorgänger. Nach seiner strengeren Auffassung

der ganzen Frage, lag in der Concession seines Vorgängers das Hauptgewicht auf den zwei

Schlusssätzen, durch welche erstens der Vorrang der lateinischen vor der slavischen Sprache

bei dem feierlichsten Abschnitt der Messe, beim Lesen des Evangeliums, laut zur Anerkennung

gelangte, so dass schon dadurch allein der lateinische Charakter der Messe gleichsam pro-

clamirt wurde (evangelium latine legatur), zweitens der ganzen Concession betreffs der

slavischen Liturgie der feste Rechtsboden dadurch entzogen war, dass es ad libitum, von

dem Wunsch und der Entscheidung des Fürsten und seiner Grossen abhing, die slavische

Liturgie zu dulden und zu gestatten oder nicht. Denn in derselben Concession stehen ja die

Worte: ,si tibi et iudicihus tuis placet missas latina Ungua magis audire, praecipimus lU latine

missarum tibi sollemnia celebrentur^ . Diese Clausel ist so zweideutig, dass sie für Methodius,

als den Oberhirten von ganz Pannonien, eine Quelle beständiger Verlegenheiten und Conflicte

bilden konnte. Es genügte, dass in irgend einem Theile seines Erzbisthums der Wunschnach lateinischer Messe laut wurde: wenn sich der Erzbischof nicht sogleich damit ein-

verstanden erklärte oder der bedrängten slavischen Priester sich annahm, so gerieth er

schon in Conflict mit der erwähnten Clausel der päpstlichen Concession. Man konnte gegen

ihn scheinbar berechtigte Klagen erheben, dass er der slavischen Messe auf Kosten der

lateinischen den Vorschub leiste. In der Person seines Suffragans Wiching wird er in der

l'hat einen wenig wohlwollenden, misstrauischen, und die slavische Liturgie eher verfolgenden

als beschützenden Priester zur Seite gehabt haben. Es kommt noch hinzu, wie ich es glaube

auf Grund der vorhandenen Literaturdenkmäler annehmen zu dürfen, dass damals in Mähren

und Pannonien innerhalb der slavischen Kirche selbst zwei Richtungen vertreten waren:

die ursprüngliche, rein slavische, den griechischen Ritus beobachtende, die auf der ersten

Einführung der slavischen Liturgie seitens der beiden aus Constantinopel geschickten Missionäre

beruhte, und die spätere slavisch-lateinische, welche Methodius seit seinen Romfahrten vor-

geschrieben worden war und offenbar schon bei seinen Lebzeiten in Mähren und Pannonien

einige Verbreitung, vielleicht in gewissen Gegenden, gefunden haben muss. Die Haupt-

opposition in der Bekämpfung der slavischen Liturgie wird, wir dürfen es vermuthen, gegen

die erste Richtung, die damals noch allem Anschein nach stärker war als die erst in der

F.ntstehung begriffene zweite, gerichtet gewesen sein. Ja aus der Existenz dieser, konnten die

' Saint Methode, apotre des Slaves et les lettre» des souverains poiitifes, conservees au British Museum, Paris 1880, p. 25.

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8 n. Abhandlung : V. Jagic.

Gegner des Methodius geradezu die Missachtung der in der Concessionsurkunde des Papstes

Johannes VIII. entlialtenen Restimnuingen ableiten und derartige Klagen gegen den Erz-

bischof nach Rom richten oder in Rom persönlich vorbringen (Wiching), dass Papst Stephau VI.

sich veranlasst sah, jene oben citirten Beschuldigungen gegen ihn zu schleudern. In dieser

Weise versuche ich den Gegensatz der Sprache eines Johannes VIII. und Stephan VI. dem-

selben Methodius gegenüber unserem Verständniss näher zu rücken.*

Ein weiterer Beweis dafür, dass die slavisch-lateinische Messe bis in die Zeiten des

Methodius zxirückreicht, ist uns in der slavischen Fassung der Methodiuslegende gegeben.

Mag diese ursprünglich griechisch abgefasst gewesen sein oder nicht — die erste von

Dümmler imd Miklosich vertretene Ansicht hat später Voronov durch neue Gründe zu

stützen gesucht* — jedenfalls ist die heute allein vorhandene slavische Redaction derselben

sehr alt. Es ist nun gewiss recht beachtenswerth, dass gerade in dieser Legende — und in

dieser allein — fiir die Bezeichnung des Gottesdienstes einige Male das charakteristische

lateinisch-deutsche Wort mkuia [mbSa) gebraucht wird : Cap. 8 ck cbiütoiö Mhiufi«, ib. Hd MkiuH,

Cap. 10 fi,A nowTii MhiuA (ed. Mikl.), während in der Cyrilluslegende an entsprechenden Stellen

fortwährend der Ausdruck AHToyprHia (liturgija) wiederkehrt, trotzdem gerade in der letzten

Legende einige Male (im Cap. XVII) Anlass genug vorhanden war den Ausdruck <uhui4 zu

gebrauchen. Das sieht nicht wie ein Zufall aus, sondern wie eine wohlberechnete Absicht.

Der Verfasser oder der Uebersetzer der Vita Methodii muss, me ich glaube, gut darüber

unterrichtet gewesen sein, dass in jenen Ländern (Mähren, Pannonien) der Gottesdienst den

Namen mwiua (oder «ukui-k = mhSa, nihäia) führte, womit wohl auch die äussere Form des-

selben (nach römischem Ritus) charäkterisirt war. Denselben Ausdruck finden wir wirklich

in den beiden ältesten Repräsentanten des römischen Glagolismus, früher in den Kijewer

und jetzt in diesen zwei Wiener Blättern wieder. In den Kijewer Fragmenten kommt das

Wort achtmal vor, immer im Nom. sing, und immer in der Form jukurk (gsfluiA), womit die

weich klingende Aussprache des s-Lautes bezeichnet ist, ganz im Einklang mit dem aus

miia entstandenen altböhmischen msie. Auf unseren Blättern liest man dasselbe Wort zwei-

mal, jedesmal s in der Ligatur mit m (das glagolitische iii ist oben an "ss angebracht), als amua

(mia), also bereits ohne Erweichung des s'-Lautes. In späteren glagolitischen Missalen (z. B.

dem Missale Novak's vom Jahre 1368) ist diese ältere Form des Wortes («Mkui-k, /UhiiJd),

welche man ihrem Ursprünge nach mährisch-pannonisch nennen kann, bereits durch die

spätere Form mhca beinahe gänzlich verdrängt worden. Ich fand nämlich bisher das Wort

MuiA in den gewöhnlichen glagolitischen Missalen (des XIV.—XV. Jalirhunderts) nur an einigen

Stellen, in dem Rubrmn, wo von der Praeparatio ad Missam u. a. die Rede ist. So liest man

in mis. nov: ,egda se erei oblaci k masi po rimskoga dvora zakonu reci' und in dem unlängst

aus Constantinopel ans Licht gezogenen Prachtexemplar Hrvoja's lautet dieselbe Stelle so : ,erei

egda se obraßi (Schreibfehler statt: oblaci) ka m'§i po zaküt rim'skoga dvora, r'ci sie

' Verständig und massvoll gelialten ist die Beurtheihing dieser Frage bei einem russisclieii Kircheiiliistoriker J. Malyoevsliij,

der in seinem grossen Werke: jCeaiBe KepBXii H MeeoAiS iiepiioyHHTeüH ajaBSHCKie.' Kieei 1886. 8", 483, diesen Gegenstand

auf 8. 333—369 ausführlich behandelt. Ich möchte nur die Behauptung des Verfassers, dass die Erwähnung der durch einen

Eid bekräftigten Verziclitleistung des Methodius auf den Gebraucli der slavischen Liturgie — eine bewussto Lüge sei

(S. 352) im Sinne der oben versuchten Darlegung als nicht ganz begründet zurückweisen. Gewisse Einschränkungen der

»lavischen Liturgie waren ja, wie wir sahen, schon in dem Privilegium des Papstes Johannes VIII. enthalten und wir

können nicht wissen, in welchem Lichte Methodius von seinen Gegnern dem neuen Papste Stephan VI. gescliildert wor-

den war.

' Vergl. Archiv für slavische Philologie IV, S. 100 ff.

Page 9: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente- 9

5 psnib'. Vergl. noch nasser dem in mis. hrv. einmal ka m'si 155b. Daneben steht

die andere Form misa in beiden diesen Handschriften imgemein häufig, z. B. im IVIis-

sale Hrvoja's auf Blatt 17, 25, 26, 60, 70, 98, 99 u. s. w. Namentlich im zweiten Tlieil

des Missais, wo das sogenannte Commune Sanctorum und die Aufzählung verschiedener

Specialmessen beginnt, • liest man sowohl in mis. nov. als auch in mis. hrv. immernm- misa, nie msa oder masa, vergl. z. B. in mis. Hi-voja's: mhca r nacTk cri rpcHUf

211a, <HHc<i K MacTK cro aV-» 211c, /MHca k nacTk cro KpHxa 212a, MHca Ha cnomcHoyTitE lupiu ^R"

213b, <HiicaBMCTK aHliaoM' 219 d, MHca orrHaTH T«yri>\f 224a u. s. av. Das Vorkommen des

Wortes in seiner früheren Form (als Mkiiia) in unseren Fragmenten gerade an solchen

Stellen, avo die späteren Texte ausschliesslich und immer mhca schrieben, spricht demnachstark zu Gimsten des hohen Alters derselben.'

II. Originaltext samnit der cyrillisclien Traiiscriptiou, die lateiiiisclie Ueber-

setzung desselben nebst der Analyse.

Zuerst ein Wort über die äussere Gestalt unserer zwei Blätter. Ung-eachtet einisfer Ver-

stümmelung am oberen Ende und tlieilweise am Rande hat sich die ursprüngliche Anzald

von 18 Zeilen, welche auf jeder Seite standen, erhalten. Der Codex war also, was das

Format betriflft, aucli ursprünglich nicht viel grösser, als ihn jetzt die beiden erhaltenen

Blätter veranschaulichen ; man muss sich nur eine geringe Ei'höhung ober der ersten Zeile,

die olmehin durch Beschneidung etsvas gelitten hat und seitwärts einen kleinen Rand, der

gleichfalls beim Beschneiden Aveggefallen ist, hinzudenken. Das Pergament ist nicht glatt,

sondern raidi, was wohl davon herrührt, dass die gegenwärtigen Schriftzüge über einer

weggewischten früheren Schrift aufs Pergament aufgetragen sind. Wir haben also einen

glagolitischen Palimpsest vor uns, der insofern besondere Beachtung verdient, als da-

bei, Avie man deutlicli sielit, zweimal die gleiche Schrift zur Anwendung kam. Die photo-

typische Reproduction lässt noch deutlich erkennen, dass unter der jetzigen eine andere,

' In dorn glagolitischen Theil des sogenannten Reimser Evangeliums (Texte du Sucre, Paris 1852) kommt zweimal mhu vor

(pag. 41 MHca, pag. 44 kti MHcfe) und einmal im Text sclireibt er muh (pag. 51 kt» iUiuh). Möglicherweise ist die letztere Formein südsl. Ueberrest, während in der böhmisch gehaltenen Subscriptio vom Jahre 1395 Accus, sing, .uuih (= böhm. ni.«) böhmisch

klingt. In ihrer kroatischen Vorlage fanden die Mönche vorwiegend awu. Man vergleicho in der glagolitischen Urkunde(einem Te.stament) aus Zara vom Jahre 1437 (Acta croat. ed. J. Kukuljevic, p. 61): da e ima reci 1 misu ciniti, da se refe

30 mis' u svetoga trntata; ib. 70 in einer Schenkungsurkunde aus Novi (Vinodol, kroatischem Küstenland): da vsaki misecb

imi se slu^iti 2 misi; ib. 71 (ausZengg): 3 mise male na nedilju. Irgendwo um Fiume und das kroatische Küstenland muss

da.f Grenzgebiet des Ausdrucks misa sich erstrecken, wenigstens in einem Testament vom Jahre 1445 aus Buccari linde ich

neben misa (z' mi.sami i kandelom') auch schon masa: da ima svako leto ciniti jedne mase .. druge mase. Auch auf der

Insel Veglia spricht man — masa. Daher auch masiti — celebrare mi.ssam und masivati —• solere celebrare missam und

sacerdos heisst — masnik. Diese Form hat das Wort sanimt seinen Ableitungen auf der Insel Veglia (Krk) schon seit alten

Zeiten. So liest man in dem Vrbniker Statut unter dem Jahre 1367 folgende Hestinimnng: ,da bude zvan vas pl'k' po

busovici, veli i mali, i da ima to vice biti v' nedilju z' mase' (post missam). Bei Crncic (Najstarija poviest, Kim 1867.

S. 123) liest man unter dem Jahre 1387: ,aki ki iak'n nehoce pomagati mase peti etc.'. Auf dem Festland kann von bei-

den Seiten (östlich und westlich) masa belegt werden. Im Statiit von Vinodol (vom Jahre 1288) liest man § 59: ,vsaki

pop ki ima crikav v gradu, du^an je vsaki dan sluäSiti maäu' und auch in der Grenzvermessmigsurkundo Istriens (Istarski

razvod vom Jahre 132.5) kommt der Ausdruck masa sehr häufig vor: ,v jutro poli masi', ,Anton reco masu'. Dom Worte

mi,sa gegenüber misa scheint es so ergangen zu sein, wie dem Worte kri^ gegenüber kriistt. Obschon in den Kirchen-

büchern und kirchonslavischen Texton misa und krristi vorherrschten, hat sich dennoch von Böhmen un<l Mähron bis nach

Istrien und dem kroatischen Küstonlando hinunter das uralte nitsa (masa, mesa, msa) und krizi, erhalten.

Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXXVIII. M. U. AI)h. 2

Page 10: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

10 II. Abiiandlunü : V. Jagic.

bedeutend kleiuei-e, aber ebenfalls glagolitische Schrift stand. Wir bewegen uns also, auf

Grund dieses Palinipsestes, ausschliesslich im Bereich des Glagolismus, von der cyrillischen

Schrift merkt mau nicht die geringste Spur. Das Verhältniss der getilgten zur gegenwärtig

sichtbaren Schrift erinnert an eine gleichartige Erscheinimg bei den in «den Codex Zogra-

phensis eingeschalteten Blättern und bei dem ersten Prager Fragment, während das so-

genannte Bojauer Aprakos-Evangelimn, nach AVeglöschimg der glagolitischen Urschrift, mit der

cyrillischen neu besclirieben worden war. Schon dieser äussere Umstand gibt vms einen

Fingerzeig ziu* Bestinuuuug der Heimat dieser Denkmäler. Wären die Prager Blätter —wie 68 Geitler meinte — in Macedonien entstanden, so würde auf dem glagolitischen

Grund eine cyrillische Schrift angebracht worden sein. Mau darf sich nicht dagegen auf

den Zographeusis b. berufen, der allerdings auch nach meinem Dafürhalten irgendwo in

Macedonien geschrieben worden ist. Die Wahl der glagolitischen Schrift auf diesem Bruch-

stück Avar ja durch den glagolitischen Charakter des ganzen Codex Zographeusis bedingt;

dass aber dem Schreiber die cyrillische Schrift schon ganz geläufig war, das hat er durch

Beimischung einzelner cyrillischer Buchstaben in den sonst glagolitischen Text dargethan.

Ebenso dürfte das Milanoviö'sche Fragment aus einer Gegend stammen, wo schon die cyril-

lische Schrift geläidig Avar.

Ich gebe den Originaltext in glagolitischer und cyrillischer Schrift wieder, in der

letzteren Transcription werden die Lücken, so weit möglich, durch die in Klammern bei-

gesetzten Buchstaben ausgefüllt.

Fol. A, a.

1. . . . . üD • • • •

2. • • (+)b8 *8 : 3363 &.+ «-88 • • •

3. roV38b« • rb8'f388A\fl • • •

4. • • • 8A\8 : 8 Va+ &A+A, &3i3 20»V • •

5. • • M« : 3Vbtira8 3 -p-hs-a : < TS • • •

l). (J8jf83-P8lb>8 P+88WfllU3 83 00+ • •

7. •?« : vsksiAß WS 83 : <(i..i. 8».«ä •

8. • +A\3m-8 9003«« : H-fÄ-8 ro(v) •

0. Sb-S : OVAIbS ^'.%8iraV4'A\8 iH- SCb

10. c+vB-ttfl 83 :\ [ 'SS'iu-h

lt : .J.fA'gg'

1 1

.

fb388Mfl OT3 Va3M3»«.8 VA» • • •

12. ii:'3 : si+ Ahsjo 8a»ov« iü'm-k

l'i. A-FihB 8i%-8»>3W3 • f3M3»8 rb38 •

14. AB P4W« VsJhSmV-t-IAS Sh9 • 9

15. <ft3363W8bfl P-l-n.8W8 • £h.\- 80.

16. e+v8/ttfl 83: li ODH-S

17. firoS %8 fb8'P9UJ3'P8A -P-MU

18. A3 SSM« rb8<'38<«.8 : +rÄ • • •

TAH ....(/\a)pH fti : tJKf 3a Mhc(TK aiiA'k)

TBOII)fk . npHHC<CHA\k (/U<\CTHßk)

(npH)HiUH : H Bca aaa'k, "k^Kt ctb(c'Ph)

/Hk : OBpani o nack : nO(KPflLU)

Gn'cEHH)(k HaCHljIkUIC Cl Ta(H)

Hk : /UAHMk TH Cf : JS,A H)fkJK(f)

(n)a(MfTk MTtiMk : aiiAk t(bo)

H\'k : T'k)fk (HrtHTKaiMH fi,A H3

BaBH/Uk CE : m\M : B : HIIÄM

npOCHMk Tf BCfMCHfl"" K'kH(kHH)

«f : ji,A •kK«'Ai( CO\'Tk BAa;K((HH)

aHa» c/\k3a|iE . iio<uoi|iH npoc(H)

AH . HaA\h A\AH'rBaMH H^l^ *> (Haj

AE<Ka|IH)^k HanacTH . JS,A H3

BaBHAfk cc : THH

Gth PH : npHHOUifHHi; Hauj(a 'k)

7Kt . (CA\k MpHHCCAH : AHA . .

Page 11: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 11

Anmerkungen zu A, a: Z. 1 hat durch Beschneidung, wahrscheinlich erst bei der Ablösung vom Deckel,

so stark gelitten, dass man bloss die Füsso einer Initiale sieht, es scheint glagolitisches ÜO (T) gewesen zu sein

;

ich vermuthe, dass das ganze Wort THH lautete, wie auf derselben Seite, Zeile 16, also die Ueberschrift einer

Oratio ,secreta' bildete. — Z. 2 zu dem sichtbaren pH ergänze ich /^,a, also /^apH; am Ende dieser Zeile ist

unzweifelhaft MhCTk zu lesen; wie viel von dem nächst darauffolgenden Worte AfiAk noch in der zweiten Zeile

untergebracht war, wahrscheinlich das ganze, das lässt sich nicht berechnen. — Z. 3 vor TKOHVk sieht man Spuren

eines Initialbuchstaben, diese scheinen dem grossen glagolitischen <rt> der vorderen Zeile anzugehören. Die Buch-

staben TB, np werden in der glagolitischen Schrift, wie gewöhnlich, so auch hier zu Ligaturen verbunden. —Z. 4 beginnt mit H/MH, vor welchem offenbar npH oder wenigstens np stand, npHH/V\H oder npHiUM. Wahrschein-

licli war vor diesem Wort am Ende der vorhergehenden Zeile ein in Ligatur geschriebenes iWACTHBk zu lesen. In

3/1411 bildet 3A abermals eine Ligatur; auf das Wort folgt ein Zeichen, welches ich als Interpunction deute. AmEnde der Zeile ist nach CTß wenigstens ein 0, vielleicht opil hinzuzufügen, zu welchem am Anfang der nächsten

5. Zeile <Uk den Abschluss bildet, so dass man das ganze Wort entweder CTBOpH/V\k oder vielleicht CTBOpHY*'Mk

zu lesen hat. In derselben Zeile 5 mag nach 110 noch KP geschrieben gewesen sein, es ist vom Gebete no

KpauikHKi^H ,post communionem' die Eede. — Z. 6 zu Ende ist der Zusatz H, um das Wort TitHH'k zu gewinnen,

unzweifelhaft. — Z. 7 zu Ende nach m folgte noch c ; Mrt bilden im Glagolitischen die allerüblichsto Ligatur. —Z. 8 zu Anfang fehlt der Buchstabe n vor aMCTk : iiaMfTk ; am Schluss der Zeile folgte auf die Ligatur TK noch

O: TBO, was mit dem Anfange der nächsten Zeile TBOHjfk ergibt. — Z. 9 hat Ligaturen in iV\i\, TB. — Z. 10

Mllin, im Original ist ui über M geschrieben als Ligatur; ebenso bilden in HIIA/W. die drei Consonantcn zu-

sammengenommen eine Ligatur, ein Monogramm. — Z. 1 1 in BCE/MO^PH sieht man ein Schreibversehen ; zu Ende

der Zeile fehlt nach K^CM noch kHH : B'kskHH. — Z. 12 die Titla auf KrtaSK ist überflüssig, am Ende fehlen die

Buchstaben (HH. — Z. 13 zeigt Ligaturen in H/i und np; nach npOC fehlt noch H: npoCH/\H. — Z. 14 iWi\ und

TR bilden Ligaturen; nach o muss Ha gefolgt sein, also: OTk Ha/\EH;(l|IHYk HanaCTH. — Z. 17 ergänze ich

am Ende Hatlia 'kiKt. — Z. 18 np und HA bilden Ligaturen. Zu dem abgekürzten Worte ana folgte die Fort-

setzung auf der Rückseite, wo man leider nichts herausbringen kann, weil die Zeile weggeschnitten ist.

Fol. A, b.

1 aa-p . »

2. • • . 3A\-8 .... aws-p

3. f + "V

4. • . Sbrfl.h K3 -f.h Srob+Ul-PAM« 8 •

5. A8W8 : a3A3iro-8 5b'e : as : c •

G. . fhivs-h ve sbsihvsA - mm e • 2(-p)

7. *•• 30,8!.« (8) e 30.8;'3M+ + . . .

8. . . 8a(v) a3-f+ • SAhS sh •

9. A+ -P+W-PaTO-S »>A+ . %^ t-

10. -PAM-S a&Bi-aAW . § f . . .

11. . A»11W.»TO3 i>,+P31fAfl>8 M33e •

12. . +M T t;3 fA»>-8 f3aA ....13. . • -3 +m8 8 fbb^^8 . . . • siyiwa

14. . • Ä+tro-e .•• VH.M« . a+Mfl ca •

15. . » v+a : f3 «003 -pa fsa.*»

K

f3

fC(H)

0/Mk CTHH

II n n

(ß)rfi,d X( HA CTpaiUH'k/Mk C{0\f)

^Hi|JH : ct^fTk r'k : Ck : K . . .

(a)naA\a Bk fpcaAxi» . Toy k . . .

H. E3HKk (h) k E3HK0/Ua fl

HC(r) OfHa . . H'k)fk fi, . . JK . . (Tkr)

fi,A HaMHtTk raa(TH) r'k (Kk o)

H'IvMk fSHKOiUk . HO (sTO Hf) HO

(c)ao^iijacTE sanOR-k^H M9(t .

(c)a(H 1 KO K'k)fk nc«ca(aak) ..... . i aiiAH H rippoKH (c'Vro) (RKal^H'k)

(raa)r«aaTk k Baatk . c&mw K'k

(]fk) oy sac : no mto m noca^y

Page 12: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

12 II. Abhandlung : V. Jagic.

16. • . 8003 «.+P3VA<!*8 IA9 • 'S

17. Ab3S3<%8 a»r8v«iii3 (rbA)Ae •

18. • vsshsma a« sa-\-

fi,ptCtAH OyHIlKKIIIt (np'k)^k (a\)

(HOK») RHAHTf (KC>)Ak CAa(AkKK)

Anmerkungen zu A, b: Die ganze Seite liat stark gelitten, fast in jeder Zeile kann man nur noch einzelne

Buchstaben entziffern, die herausgerissen aus dem Zusammenhang keinen befriedigenden 8inn geben. Z. 1 und 2

sieht man nur einige Huehstabcn, mit denen nichts anzufangen ist. — Z. 3 liest man deutlich drei auseinander

stehende Buchstaben II fl 1^, die ich als Ueberschrift llF'liO{ll|,H'li (rraefatio) auffasse. — Z. 4 vor PAdJKf wird

ein grosses (1 gestanden haben, wenn nicht vielleicht Tk, d. h. (lr;i,<i;K( oder Tkr,\<lJKI ; am Ende der Zeile fehlt

Oy. — Z. 5 nach K, als Zahl aufgefasst, erwartet man noch H (glagolit.) zur Bezeichnung von 10, zusammen 12,

doch ist nichts davon zu entdecken. — Z. 6 vor der Ligatur n/\A\d ist wohl ein a zu ergänzen, das auch am Ende

der vorhei^hendcn Zeile Raum hätte. — Z. 7 beginnt mit H, die Titla ober dem Buchstaben kennzeichnet diese

als Zahl; das nächstfolgende Wort E3HKk unterliegt keinem Zweifel, eben so steht etwas weiter CSHKOiMa fest,

doch das inzwischen Befindliche (zwei bis drei Buchstaben) ist unsicher, vielleicht H K (k als 2) oder CK B.

Nach OllKOiUa sieht man die glagolitische Initiale fl. — Z. 8 ist aus einzelnen Buchstaben nichts herauszubringen.

— Z. 9 vor fi,A möchte ich TkP setzen, vielleicht ans Ende der vorhergehenden Zeile : Tkr^a ; nach deutlich sicht-

barem raa ergänze ich TH. — Z. 10 zu HivAtk denke ich mir in der vorhergehenden Zeile Kk 0: Kk OH'k/Uk

;

nach 110 ergänze ich HTO Hf, also: llO HTO Hf flOCrtOyiuaCTI, denn Z. 11 fehlt zu Anfang ein c. — Z. 12

vor AM setze ich C, also ca/l\, nach noca lese ich nocaaak ; was noch in dieser Zeile gewesen sein mag, lässt

sich nicht bestimmen. — Z. 13 das übrig gebliebene erste E gehört vielleicht zum Worte A\OI ; nach nppOKH

möchte ich CTPO vermuthcn, die Buchstaben EBha würde ich dann zu (KhaH'k ergänzen. — Z. 14 was vor K

BaAlk war, ist schwer zu sagen, wahrscheinlich ein Supinum, etwa raaroaaTk, denn 'i'k glaube ich noch zu sehen.

Auch nach K BaiMk möchte ich als ziemlich sichere Conjoctur caa\k B'kY'^ vorschlagen. — Z. 15 ist fast alles

lesbar. — Z. 16 zu M* verlangt der Zusammenhang U: iV\OE(. Was nach der Initiale H (eigentlich glagol. S)folgte, ist schwer zu sagen. —• Z. 17 obgleich die meisten Worte erkennbar sind, vermag ich dennoch nicht einen

Zusammenhang herzustellen. — Z. 18 nach BH4,HTf dürfte KOak caa,il,kKk fest stehen, allein wie BH4,HTI mit,

dem Vorhergehenden zusammenhänge, das kann ich nicht sagen, ich lese nur ziemlich deutlich: ,A,p{CEaH oyHHBklllE

lip'k,;\k AtHOlO, die beiden letzten Worte sind jedoch unsicher.

Fol. B, a.

1. OaOD-S b.lH . 8 • • •

2. 'I' VBA8DU3 A,S ^9A-8 SWb-l- •

3. 3sm« r«;-.;!.« • sst&iid vsavsws •

4. aro« V8A«8 Afl368V8A\fl •

5. il«AVA3M* V« VAi-B : +&8

6. SSM« : 9V« 8?-8 STOB Ab« : /H^ • •

7. 83 .••A+-PAIPOO : +«,n>8 8 +bH>ttÄ8

ö. %m -p+iuBM« : E ' r9 KJb+r <

9. Vfl8»A+ (roV83«>3 b-|..!l8 • 3363 • •

10. MB 'ü''8fc3<fl>8 : VSASmtf-h/AS .|.r . • •

11. ^s'^8^.fl : 8t.fla63 f+A\3iro« vm

12. rasffÄ»8 -PK: \\ WÜl-»- : d£h\-Pd%

1.). TaA+äWl« W<flb8M8 83 V83M • • .

ECTk paH . H . . . .

!l BH^HTE AH KOAk CTpa(ulkHk)

ECTk llkKak . H^'k/KE MaKHT(H e)

CTk BC'k/Wk /\k»;HBHjUk . (ll)

AK'kBao/Uk Bk B'kKH : a.sk

EC/Uk : O'Ük CHk c'i'H XX'"» : (M»K'k)

CE KaaH'ki«T : aKaH h Afi\\,AH

r'Mk HaiiiHA\k : H ilO RPn(Ulj

Gkcoy'Aa tboepo pa^H . ejke (ec)

A\k Bk.3EAH : /ÜaiiTBaMH a[l(Ak T)

BOH^k . H^W'Ail naatETk M'l'(('V\k)

fiO/HAovH H» : l] MlÜn 6AIH«I'(0)

rioAaHtA'» A\ÄHA\k CE BCE/M(<irH}

Page 13: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glaüolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 13

14. v&'i-PB ea : .a+ e;<a.+a63-p+

15. f<R>+ OTiyaafca IA\b fbama^» •

00 "^ +16. 39b3 • 3 vsAib« fasbst:« : <ti •

17. VÄA^aM« 83 :f

< +rÄ t I"b

18. Cb+TOSA • e-8 -PS +rAS ra •

R-ksHii Kf : fi,A KA'd/KfHafro a)

nAa TBOcrc : i<up . iipoiiJ{H(H(iv\)

iro . Kckjfk noroyuk 4,(a ch)

KA-kse-Mk ce : flÖA . KP . . .

BpaTH-k Kh HH aifrtH no(cA'kA)

Anmerkungen zu B, a : Z. 1 mit den Worten (CTk paH schliesst sich nach meiner Ansicht dieses Blatt an das

vorhergehende als unmittelbare Fortsetzung an; die zweite Hälfte der Zeile ist durch Beschneidung verloren gegangen,

man sieht nach H nur noch die Spuren eines Buchstabens, der od, ä, as, <fi> sein kann. — Z. 2 Tp bildet die

übliche Ligatur; zu CTpa ist ohne Zweifel ilJHk zu ergänzen. — Z. 3 MAR sind im Original zu einem mono-

grammartigen Ganzen verbunden ; zu Ende der Zeile stand I, welches mit den Anfangsbuchstaben der nächsten

Zeile fCTk gibt. — Z. 4 nach ak}KHBH/Mk scheint dem Sinne nichts abzugehen, doch wäre für ein kurzes Wort

etwa H, Raum genug übrig. — Z. 5 RA bildet Ligatur, bei a3k ist der letzte Buchstabe nur theilweise sichtbar. — Z. 6

im letzten Worte fehlt "k : /w'H'k. — Z. 8 am Ende der Zeile könnte zwar noch ein III stehen, allein man ver-

gleiche das noch kürzer ausgedrückte HO auf Blatt A, a 5. — Z. 9 nach tJKI folgte ec, das mit Mh der nächsten

Zeile (CA\k bildete. — Z. 10 MA und TK bilden Ligaturen, vom letzten Worte ist nur an sichtbar, man ergänze

Ak, d. h. ariAk, zuletzt wird noch T in dieser Zeile gestanden haben, wozu in der nächsten BöH^k gehört

:

TKOHjfk. — Z. 11 nach MT ergänze f/Hk : MTfMk. — Z. 12 MA in der Ligatur; im Worte MlUfl steht III über

AV, verbunden zum Monogramm wie A, a 10; zu O^IHOF ist wenigstens ein hinzuzufügen, für ein zu erwar-

tendes flllAn scheint nicht genug Raum vorhanden zu sein. — Z. 13 in die Rundung der grossen, bis in die

fünfte Zeile hinabreichenden Initiale 11, glagol. f, ist in roher, aber charakteristischer Weise ein bebartetes

Menschenantlitz hineingezeichnet; in /MAH/V\k sieht man die übliche Ligatur, zu BC(/V\ ergänze ich OPH, d. h. KCt-

MOfH. — Z. 14 in KAa>KCHa, wozu PO zu ergänzen ist, hat der Buchstabe B stark gelitten, fast ganz unsichtbar; ganz

am Ende der Zeile stand noch a, wozu die nächste Zeile naa ergänzt; in dieser (15.) bilden HA und TB Ligaturen,

ebenso np ; zu npouKH ergänze ich Hf/M : npOLUEHHEM. — Z. 16 bei nOPOt^Bk schrieb der Schreiber selbst a über 0,

da er sein Versehen bemerkt hatte ; zu Ende der Zeile folgte nach js^ noch a und Ck oder c, als Anfang des in

der nächsten Zeile fortgesetzten Wortes : ,/t,a CkBAHknC/Uk C(. — Z. 17 HA sind verbunden, darauf folgt ein sonder-

bares Zeichen t, welches wahrscheinlich als Apostroph zu deuten ist; zu KP wird noch etwas fehlen, es ist aber

schwer zu sagen was. Die Lection ist dem Corintherbrief I, Cap. IV, 9-—17 entnommen. — Z. 18 nach no am

Ende der Zeile mag noch etwas auf dieser Seite gesehrieben gewesen sein, die Fortsetzung des Wortes, welches

riOCaiv^kHEC lautete, folgte auf der umgekehrten Seite des Blattes.

Fol. B, b.

1.

2.

3.

4.

5.

• • 8'8iWb'80B-P8,''8 Ai-a f •

ba» e;8ll>3M-8 VSSM» A\Bb» • !•

M>8 : s vt-aiA« : ms essfc« b+AS

• 3 fA»£hb8h^ 3 kA 8S&. .%' Ms »3

. 3W.e-ps : vs äs i-bAr-S'vs • . •

6. Ü'-PS : M8 863 C • . • • 8 . . . .

7. S-PAfbS «+8+ : +Ä'8

8. « . -P+Ob5 K:8V+3M8 -.'S

9. • . OD+SAX« 83 0Dba9aS<n.+ • . -8 83 A

10. . . 8V38M8 -PS . •

(HH "kßH iiKO HAJCkA^pkTHHKH 'kKO n(o)

(30)pO»,' BH)(^0/Uk BCE/UOlf MH^oy . A

(hAO)A^k : H MKO/Hk : MH BO^-Hlfk pa4,H

(bH }K)f MOYAP"X'' * T^ "^''^ •'' ^" ^*

(HC(U)0l{JkHH : BH 7K.I Kp'ktlkl^H . (Bh)

(CAa)BHH : MH }Kt E(t3 MkCTH . Ji,9 fi,w)

(Hi)cH-kpo Maca : aAk(Mf/Hk h }Kf}Kfi,()

(A\)k . Ha3H BHBa(<Uk : I (cTpaJKAf'Mk)

(h cKH)Tae/Hk cf (h) •rpov*A'>(*'") •» " aC'^'^'»)

(k>1|J() CB0HA\H (pOyKaAMI . . . HH . .

Page 14: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

14 II. Abhandlung : V. Jagic.

11.

12.

«»8M« 83 9A XÄ8A\ (Ap)Ka<HiHK C( (Y)ov(rtHiMH) iiTahm (c^^

13.

14.

15. 3-p.(-A

16. • • tV+F V8 • +W3 8 TOM» fASOO» •

17. • . +003 • f« fs M-pasbsa a'va • • •

18. • • • 3ViMä83«-8 +*« V+8-8

(Ka)3aio KH . aifie h TMoy n'kcToy(Hh)

(H(U)aT( . Hh Hf lUHCrHC OU,f . . .

. . . (KliAHCMk aSk KaCk

iHA-k (Ha)

Anmerkungen zu B, b : Z. 1 vorn fehlen einige Worte, der Abscliluss dos auf der vorigen Seite begon-

nenen Wortes noca'k/t,H({, dann "kBH "kKO und Ha, das zu dem .sichtbaren CkMpkTHHKH gehört; nach 'kKO sieht

man noch die Spur des n, am Ende der Zeile stand also no. — Z. 2 enthielt zu Anfang 30p*Y, wovon nur fi9y

zu sehen ist. Am Ende dieser Zeile sieht man noch a. — Z. 3 wird mit I^AOMk angefangen haben, davon ist

noch Mk sichtbar; am Endo der Zeile scheint nichts zu fehlen. — Z. 4 beginnt mit I, vor welchem KH X ge-

standen haben mag. — Z. 5 zu Anfang fehlt HtM, das Anfangswort lautete HriUOl|JkHH ; am Ende der Zeile ist

wohl BN zu ergänzen. — Z. 6 zu den erhaltenen Buchstaben KHH muss caa ergänzt werden : caaBHH. Sonst kann

man in dieser Zeile nur noch /WH ;K K entziffern, alles übrige ist beim Ablösen verloren gegangen. — Z. 7 beginnt

mit deutlichem CH'kro, wozu ich AkHt vorn ergänzen möchte. — Die zweite Hälfte der Zeile ist nicht mehr zu

entziffern. — Z. 8 lässt noch die Spur des glagolitischen k erblicken, vor welchem M gestanden haben mag, das

Wort lautete nach dem Zusammenhange }K(/K^(Mk. In der zweiten Hälfte der Zeile ist noch ein grosses I zu

sehen, nach welchem möglicher Weise CTpa>K^(/Uk folgte. — Z. 9 lässt noch TaCMk Cf deutlich erkennen, wozu

vorn CKH zu ergänzen ist; von dem nächsten Wort ist eigentlich nur KJi,A sichtbar, d. h. Tpotcai/l,a(/Hk CJ; weiter

sieht man noch ein 4,, wohl zu ;j,'krta gehörend. — Z. 10 liest man noch i CßOHMH, zu ( möchte ich ioi|J er-

gänzen, zusammen ,\'kaaiOl|il ; weiter kann man in dieser Zeile nur noch HH .sehen, das zum vollen Wort rOHHiWH

gehört zu haben scheint, doch kann zwischen CKOH/UH und rOHHMH nur ein oder zwei Worte gestanden haben,

alles das was die gewöhnlichen Texte hier bieten, poy'Ka/UH OKAfEfTatiMH KarocaOKHA\k, könnte in dieser Zeile

nicht untergebracht werden. — Z. 11 ist kJKH/Uk C( noch gut zu sehen, also: ;t,pkH<HiUk Cf. In dieser Zeile sind

ausserdem Spuren von Y^VAK/MH, namentlich aber A\aHiV\ Cl deutlich zu lesen. Dann aber beginnt eine Lücke

von vier Zeilen, welche ganz verwischt sind, nur in der Zeile 13 sieht man Spuren zweier Buchstaben, die wie

}Kp oder aH? aussehen ; im letzten Falle dürften sie mit ^OCIA'fe im Zusammenhang .stehen. Erst Z. 15 kann wieder

IHaiv entziffert werden, das wohl zu RkBaoyKAiHa'k gehört. — Z. 16 sieht man aaaiO RH, wozu vorn HaK zu er-

gänzen ist, wovon ein Theil zu Ende der Z. 15 gestanden haben kann; in derselben Zeile gegen Ende ist noch

nlkCTOy deutlich zu sehen, also H'kcTOYH'» oder n^JCTOyK. — Z. 17 beginnt mit AT(, was zu H/VtaTE ergänzt

werden muss. Am Ende dieser und zu Anfang der nächsten Zeile sind die Worte C Jfk oder Jfk HC'b gewesen.

Der Schloss der Lectio sowie das Evangelium, das darauf folgte, befanden sich auf dem nächsten, verloren gegan-

genen Blatt.

Ich komme nun zur Analyse des Textes dieser zwei Jililtter, deren Ergebnis» zu einer

möglichst genauen üebersetzung derselben ins Lateinische führen soll. Es handelt sich vor

allem um die richtige Reihenfolge der Blätter. Verleitet durch den Umstand, dass auf dem

einen Blatt mit grossen Buclistaben ,Mi88a unius' (sc. Apostoli), auf dem anderen ,Missa

altera Apostolorum' geschrieben ist, ging icli anfänglich von der falschen Voraussetzung

aus. das» das jetzt mit B bezeichnete Blatt die erste Stelle einnehmen müsse. In der Regel

geht ja die Missa unius apostoli einer solchen plurimonim apostolorum voraus. Nachträg-

licli stellte es sich jedoch heraus, dass die umgekehrte Reihenfolge der Blätter die allein

Page 15: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 15

riclitig'e ist. Ungeachtet dessen, dass auf dem einen Blatte von Missa altera Apostolormn

die Rede ist, muss doch gerade dieses Blatt als das erste angesetzt werden, weil der auf

der Rückseite desselben befindliche Text auf dem anderen Blatte ohne Unterbrechung fort-

gesetzt wird. Dass aber die ,Missa altera Apostolorum' vorangeht, das wird wohl so zu

verstehen sein, dass es sich hier um die ,Vigilia Apostolorum' und bei der nachfolgenden

,Missa unius' (sc. Apostoli) um das ,Natale Apostoli' handelt. Also der Inhalt entscheidet

über die Aufeinanderfolge der Blätter und wir beginnen mit dem Blatt A.

In der Mitte von A, a, in der zehnten Zeile, liest man die Ueberschrift MÜJÜ B flffAM,

d. h. Missa altera apostolorum. Die Abbreviatur aham kann nvir als Dativus plur. aufgefasst

Averden (anocTOrtO/Wk), welcher in altslovenischer Weise den lateinischen Genetivus Aposto-

lorum wiedergibt.

Das erste darauf folgende Gebet lautet so (mit ausgefüllten Lücken)

:

ripOCHiUk rt, ß'cf/MOrH KivH'HH KOXt, Ji,A 'kKO }K( COlfTK CAaHfEHH dHOCTOAH CAh3(l|IC nO(MOl|JH npOCHAH

HAiWk, /UOAHTBa<V\H H)(k OTk HAM}KH\m^h. HanaCTH fi,A »3HARHMh. C(.

Wörtliche Uebersetzung : Quaesumus te, omnipotens sempiterne deus, ut sicut heati apo-

stoli lacrimantes auxilium imploraverunt pro nohis, ita orationibus eorum ab imminentibus ten-

tationibiLS Uberemur.

Eine gleichlautende Oratio finde ich allerdings nirgends, allein Anklänge sind in den

alten Sacramentarien reichlich vorhanden. Für die Construction ut sicut verweise ich auf

folgende Parallelen: aus Liber Sacramentorum Gregorii Magni (ed. Migne P. L. LXXVIII,

46): supplices exoramus, ut sicut etc.; aus Sacramentarium Gelasianum (ib. LXXIV, 1169):

concede, quaesumus, ut sicut etc. Den Ausdruck lacrimantes kann ich nicht belegen, da-

gegen steht uns für die in die Uebersetzung aufgenommene Wendung implorare auxilium

folgende Parallele aus der Oratio in vigilia S. Andreae (1. c. LXXVIII, 150) zu Gebote:

Quaesumus, omnipotens deus, ut beatus Andreas ajjostolus pro nobis imploret auxilium, vergl.

noch 1. c. LXXIV, 1182. Statt der wörtlichen Uebersetzung ,orationibus eorum' kann im

lateinischen Original der slavischen Uebersetzung möglicher Weise auch ein anderer Aus-

druck gestanden haben, z. B. intercessione, wie 1. c. LXXVIII, 43 : ut — martyris interces-

sione liberemur, oder ib. 50: ut intercessionis eins auxilio — liberemur. Der Schluss der

Oratio, den ich nacli dem slavischen Wortlaute durch ,ab imminentibus tentationibus' wieder-

geben musste, erinnert sehr stark an das häufig wiederkehrende lateinische : ut . . a cunctis

malis imminentibus eins intercessione liberemur, vergl. Migne P. L. LXXVIII, 50, 101, 103,

118, 137. Uebrigens das Verbum H3i;aBH<uk « könnte auch dem lateinischen eruamur ent-

sprechen und HanacTk das lateinische periculum vertreten; dann hätten wir folgende nahe-

liegende Parallele (1. c. LXXVIII, 137): ut — de instantibus periculis eruamur, vergl. auch

den Schluss der Oratio in natali S. Andreae (1. c. LXXIV, 1182): ut — a cunctis peri-

culis eruamur.

In der Mitte des Blattes B, a, Z. 12, liest man ebenso: A\lDfl 6AlH0r0 (sc. nnOGTOAfl),

Missa unius (sc. Apostoli). Dass von einem Apostel (und nicht Märtyrer) die Rede ist, das

ersieht man aus dem Inhalt des ersten Gebetes, welches" ich, da es dem vorenvähnten der

Stellung und dem Charakter nach genau entspricht, gleich hier aneinander reihe

:

ncA'*5*^A''? 'M«>aH(V\k cf, ß'cf/WorH R-knkHH bO/Ks, ji,A BAa^KfHaro aiiocToaa TBOtro (H/wpK.) npc>uj(HH(A\k

tro OTk Kckyk riaroi,'Bk js,a ckKa-kMf/VAk ct.

Page 16: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

16 II. Abhandlung: V. Jagiö.

Wörtliche Uebersetzuug : Praesta (oder Tribue), quaestimus, omnipotens sempiterne deus.

ut beati apostoU tut (N.) imploratione a cunctis periculis exuamur.

Dieses Gebet stimmt zwar nicht wörtHch überein, doch kommt es sehr nahe derjenigen

Oratio, die in alten Missalen unter der ,Missa in natali unius Apostoli' an erster Stelle

gelesen wird und nach dem Wiener Codex saec. X, Nr. 1888 (fol. 139), folgendermassen lautet:

Quaesumus, omnipotens deus, ut beatus apostolus tuus (N.) pro nobis imploret auxilium,

ut a nostris reatibtis absoluti, a cunctis etiam periculis exuamur}

Es ist schwer zu sagen, ob die abweichende Redaction des slavischen Textes auf unserem

Blatt einer anderen lateinischen Vorlage des Gebets ihren Ursprung verdankt oder ob der

einstige slavische Uebersetzer sich die Mühe der wörtlichen Uebersetzuug durch einige

Kürzungen oder Vereinfachungen erleichtert hat. Denn soviel ich auch suchte, ich fand

überall nur Anklänge an die oben citirte Redaction des Codex Nr. 1888. Vergl. z. B. im

S acramentarium Gelasianum die Oratio in natali S. Andreae (bei Migne P. L. LXXIV,1182) oder in Lib. Sacramentorum S. Gregorii in vigilia s. Andreae (ib. LXXVIII, 150).

Zum Schluss stimmt auch im Sacramentarium Codex Vind. saec. IX, Nr. 1815, fol, 188 (es

ist ad Complendum in Dom. III post oct. Paschae): ut . . et purgemur a vitiis et a ijericulis

Omnibus exuamur.

In den glagolitischen Missalen späterer Zeit ist der slavische Text schon in Einklang

gebracht mit der besagten Redaction, wie man das am Missale Novak's (vom Jahre 1368)

und an der mit diesem genau übereinstimmenden editio princeps vom Jahre 1483 erkennt:

M0AHA\k Tl, KC(<UOrH CCM^E, XA BiiaJKEHH (H/Mp.) dllOCTOAk TKOII nO;MOl|IK »AiWW HCnpOCHTK, A«* *'•''» "<*'

UIH)fK KpHKHHk OTp-kuiCHH KO«|'Af'Mk H OTh KCkyii nOPHB'kAH /k,<t CKrt'kMfMk Cf.^

Bekanntlich werden in den alten Sacramentarien nur selten die Lectionen der Epistel

und des Evangeliums besonders angefülirt, das geschieht nur für missa communis oder für

bestimmte Festtage, wie z. B. in Codex Nr. 1888 auf fol. 155 die Messe de sancta trinitate

alle Bestandtheile enthält. In der Regel folgt auf die erste Oratio (selten auf zwei) gleich

das Gebet ,Secreta' oder nach der Bezeichnung des Liber sacramentorum des Gregorius

,super Oblata'. Die beiden Benennungen gelten für die alten Handschriften als synonym,

so im Wiener Codex Nr. 1815 (saec. IX) findet man abwechselnd bald ,Secreta' bald ,super

Oblata*. Auf unseren Blättern begegnet zweimal ,Secreta' (auf A, a, Z. 16 und auf der-

selben Seite schon oben A, a, Z. 1), das eine Mal steht deutlich dafür ein slavisches ta»

geschrieben, das zweite Mal lässt sich nur die Spur des ersten Buchstaben t errathen, aber

offenbar stand auch hier im Texte ta». Wir haben also auf demselben Blatte, ja sogar auf

derselben Seite A, a zwei Gebete ,Secreta', das eine gehörte zur Missa altera apostolorum,

das andere, vor diesem stehende, offenbar zur ,Missa prima Apostolorum', deren Anfang für

ims verloren gegangen ist. Ob bei der ersten Messe ,plurimorum Apostolorum' die Lectionen

der Secreta vorausgegangen waren, das wissen wir nicht ; bei der zweiten aber, wie mansieht, folgt auf die Oratio gleich Secreta. Dagegen schliesst sich bei der Missa miius (sc.

Apo.stoH) an das erste Gebet zunächst die Lectio an ; von dieser ist uns aber nur die Epistel

erhalten (auch sehr lückenhaft), auf B, a, 17—18 und ganz B, b. Wir wollen diese, da sie

nach der üblichen Reihenfolge der Secreta vorausgeht, hier zuerst der Betrachtung unterziehen.

• Ganz 8o auch in Codex saec. XllI, Nr. 1933, fol. 113; etwas abweicheuil iu Codex Nr. 1H45, .saec. XI, fol. 20'2; Quaesuimis

omnipoten« deas, ut beatus apostolus tuus N. te pro nobis iugiter imploret, ut a nostris etc.

' Zu den 8chlusswortcn des Gebetes vergl. noch in miss. nov. 251a: HAiH-,«f «Tk iidcTOii|iH)(' .sjak h i;«\-a8i|ihx' cki\hi|ih cf »yii'Kjf,«.

Page 17: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neüentdeckter Fragmente. 17

Auf unserem ]31att B, a beginnt sie in der Zeile 16 und setzt sich auf der ganzen

Rückseite fort, sie unifasst I ad Corinthios Cap. IV, von 9— 16. Diese Lectio kommt in

dem Wiener Codex Nr. 1888, trotzdem dieser auf alle vier Messen (vigil. et natal. unius und

vigil. et natal. plur. Apostolorum) Lectionen bietet, gar nicht vor. In dem Codex Nr. 1836

(saec. XII) Avird sie in natali plurimorum mai'tyrum, und zwar in der ,alia missa' mit An-fangsworten citirt (fol. lld): ,Speculum facti sumus mundo'. In einem Salzburger Missale

saec. XIV (Codex Nr. 1798, fol. 204 b) wird sie gleichfalls in der Missa ,de Martyribus' an

zweiter Stelle gelesen. Ein anderes Salzburger Missale saec. XIV (Codex Nr. 1790, fol. 197)

enthält sie an demsell)en Feste ,de pluribus martyribus' als die sechste Lectio. In dem zu

Venedig im Jahre 1563 gedruckten Missale romanum fand ich diesell)e Epistel in vigilia

plurimorum Apostolorum als dritte Lectio, und ganz so liest man sie schon in dem glago-

litischen Missale Novak's vom Jahre 1368 und in der glagolitischen editio princeps vomJahre 1483.

Vergleicht man den Anfang dieser Lectio in allen vorerwähnten, sei es lateinischen,

sei es glagolitischen Texten mit dem Anfang derselben auf unserem Blatt, so fällt ein sehr

beachtenswerther Unterschied auf. Während sonst in allen Texten die Perikope mit den

Worten ,spectaculum facti sumus mundo' beginnt, lauten bei xms die Anfaugsworte derselben so

:

KpdTH-k KOPK HH anocTOAH no(c/\-kAKHH) : Fratres, Dens nos apostolos novissimos. Dagegen schon

in miss. nov. ganz nach dem lateinischen Texte mit diesem Anfang: npaTH-k, ii030pHi|i( ctko-

pEHH fc<Mk. Woher diese Abweichung ? Ich erkläre mir die Sache so : Mit den Worten

unseres Blattes beginnend stand die Perikope Ijereits fertig in einem nach griechischem

Ritus eingerichteten Praxapostohis. Zum Beweis dafür genügt es auf den Apostel Sisatova-

censis zu verweisen. Audi in einem griechischen Ajjostolus der k. u. k. Hofbibliothek

(Cod. tlieolog. Nr. 308) liest man auf fol. 24 b unsere Epistel auf den 10. Sonntag (oder wie

es am Rande angemerkt ist: auf einen Apostel). Sie beginnt mit den Woi'ten : "ASsX^ot, 6

Osöc YjjAäc zci'jc, aTzrjazöXriOC, iajdzo'jz etc., also ganz so, wie auf unserem Blättclien. Als

es nun darauf ankam die Lectio aus dem griechisch -slavischen Praxapostohis in das

römische Missale zu übertragen, nahm man fürs erste die ganze griechische Perikope

in ihrem vollen Umfange auf, ohne die geringen Unterschiede zu Anfang und, wie wir

später sehen werden, zu Ende derselben zu beachten. Erst später nahm man diesen Unter-

schied im Umfange der Perikope wahr und machte der Abweichung in späteren glago-

litischen Missalen ein P'.nde. Die Wahrscheinlichkeit dieser Erklärung wird durch den

Charakter der slavischen Uebersetzung, wie sie in unserer Perikope zum Vorschein kommt,

fast bis zur Gewissheit erhoben. In der Lectio unseres Blattes hat sicli noch die uralte

altslovenische Uebersetzung des Corintherbriefes erhalten, die wir aus den zalilreichen cyril-

lischen Aposteln kennen, während das Missale Novak's und ebenso die erste gedruckte

Ausgabe an vielen Stellen schon den Einfluss des lateinischen Textes verräth, nach welchem

die ursprüngliclie, aus dem Griechischen geflossene Uebersetzung umgearbeitet worden ist.

Nun besitzen wir in der höchst verdienstliclien Ausgabe der glagolitischen Bibeltexte'

Berßic's auch den Text unserer' Epistel nach dem ältesten (ersten) Brevier der Kirche zu

Vrbnik (auf der Insel Veglia), das der verstorbene tüchtige Kenner der glagolitischen Schrift

in das XIII. Jahrhimdert gesetzt hatte, und es ist gewiss nicht unwichtig zu constatiren, dass

' Ulomci svetoga pisma obojega nvjeta staroslovenskim jezikora sknpio iz rukopisali i tiskaiiili knjigali lirvatskoga razreda svp-

<!enik Ivan Bercid Fünf Theiln, herausgegeben in Prag 1804— 1871; vergl. ib. V, 34—.35.

Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXXVIII. nd. II. Abb. 3

Page 18: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

18 II. Abhandlung : V. Jagic.

schon hier einige Spuren der alhnähhg vor sich gegangenen Umarbeitung der ursprüng-

lichen akslovenischeu Uebersetzung dem lateinischen Vorbild gemäss begegnen. Es ergibt sich

daraus ein neues, inneres, aus der Gestalt des Textes gewonnenes Kriterivun tiir das höhere

(als das Xlll. Jahrhundex't) Alter unseres Fragmentes.

Diese Behauptung soll durch Beispiele beleuchtet werden

:

Die Lectio beginnt, wie gesagt, auf unseren Blättern ganz so wie in ap. sis.' KparH'k,

Kork HH aiiocTO.Mi iic^cA'kAHtf HiKH 'kKO Ha)ck<upkT'HHKii (sis. nur orthographisch abweichend

:

KpaTHHi, Kork Hki aiiocTOAki iiocab,VM'<"-'<5 M'^" '^'^'> HaciMpkTHHKki). Ali dicscn Anfang schliessen sich

die Worte an: 'kKO iioaopoy Kii\'Oi\\k is'ciiHoy MHpoy, (aHkf/\0(Mk) h sAOK'kKOjUk, in fast Avörtlicher

Uebereinstimmung mit ap. §is., in einem Punkte diesen sogar übertreffend: das griechische

zq) xoa|Aqj Avird in sis. bloss durch AtHpoy wiedergegeben, während bei uns K'ciMoy MHpoy da-

fiir steht, bekanntlich eine ältere Uebersetzung des griechischen %öa[j.oc.^ In der That, auch

der sogenannte karpiuskisclie AjjosteP hat KCfA\8 /uiipoy. In dem vrbnik. brev., ferner in

miss. nov. und ed. 1483 lauten die letzten AVorte schon ganz nach dem Lateinischen um-

geändert: n030pHl|l( CTBOpiHH ICMk /HHpO\' U. S. W.

Weiter schreibt unser Text: m» KoyHyk pa^H, (kh }K)f /mo^aphyi» o )f'k Hck. Hier hat der

Schreiber oder einer seiner Vorgänger ein Versehen begangen, indem er Koyii)f'' P^'A" ^Is

Koij'HYk paAH las imd wahrscheinlich als weitere Folge dieses Fehlers auch aus mo\'aP" den

Genetiv /Mov'APHyk bildete. Genetive sind natürlich hier falsch, doch selbst in dieser ver-

derbten Lesart erkennt man noch die ursprüngliche Uebersetzung, die so lautete : iwki ko^h

YPHCTa pa^H, K'ki }Kf MXx\()H \-pHCT-k, die übereinstimmend in allen ältesten cyrillischen Texten

wiederkehrt (vergl. die Nachweise bei Amphilochius). Dagegen schreiben vrbn. brev, und

Ulis. nov. oder ed. 1483 statt ko^-h das Adjectiv ki30\-/m'hh. Das hinter ^-k auf unserem Blatt

sichtbare Hcb ist zwar hier überflüssig, aber keincsAvegs durch den lateinischen Text her-

vorgerufen. Ebenso bietet unser Text /hh jk« H(/uoi|ikHH, kh xf Kp'kiiki^H, in vollem Einklänge

mit dem sis. oder karp. ap. (nur hat sis. nach mu das Wörtchen H«t ausgelassen), und hier

hat auch vrbn, brev. die ursprüngliche Lesart <hh hemoijihh noch bewahrt, während miss. nov.

und ed. 1483 schreiben: mh caaKH.

Im Folgenden ist der Text unseres Blättcheus leider stark verwischt, dennoch kann manaus dem deutlicli ersichtliclien k'hh, mh jki k mit Sicherheit folgenden Zusammenhang er-

schliessen : rh »;« caaKHH, a\h xt Kta HkCTH (oder KCikCTkHH), ebenfalls übereinstimmend mit den

ältesten cyrillischen Texten, denen hier auch noch vrbn. brev. treu bleibt, wogegen mis.

nov, und ed. 1483 schreiben: bh nAtMfHUT», a mh h(ii/\ea\(hhth, nach dem lateinischen: vos

uobiles, nos autem ignobiles.

In der nächsten Zeile kann man nur cirkro saca : aahh entziffern, ich vermuthe daher

A« A''M"M'kro Haca : aakscMk, Avofür in den cyrillischen Texten jy,o NkiH'kujkH'kro haca steht; demgriechischen [xsypc zfjQ apti "/ojpac entspricht das letztere genauer; vrbn. brev. und mis.

nov. haben schon nach dem lateinischen usque in lianc horam : fi,AKi a« cfro saca. Der bosn.

Codex Hval's bietet AOH>^AMUiHaro, vielleicht ebenfalls a*' A'^h^i^'M'»''* ^^h lesen.

' Apiistolu» 6 codice monasterii Siäatovac, palaeoslovouice ed. Fr. Miklosich. Viudobonae 1853. Uu.seie Loctio liü.st mau da-

Hftlbst auf 8. 97.

5 Zum Beweis verwoiso ich auf moiuen Index zu Codex Marianus s. v. «bCt und miipi.; vergl. auch l'pnropiii BocKpeceHCüift,

Api'BHiü cjaii. nepcB04t AnocTO.ja. MocKia 1879, 8". S. 216—217, und PoHvka im Arcliiv für slav. Phil. X, 467.

'> Herausgegeben von Archim. Amphilocliius in dem Werke: ^pcBie-CAaBflucKiii KapiiHHCKifi Aiiocio.ii> XIU BiKa . . MocKua

188.Ö. Unser Text steht auf S. 346—35(J.

Page 19: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. WüRDiraiNG neuentdeckter Fragmente. 19

In der achten Zeile treten bloss die Worte Ha3H GHBaciiik klar hervor, sie sind ein recht

beaehtenswerther Beleg für die Uebereinstimmnng der Lesart unseres Blattes mit dem kar-

pinskischen Apostel, wälu-end sonst alle cyrillischen Texte (vergl. die Belege bei Amphilo-

chius imd betreffs Hval's Stainne III, S. 129) wörtlich das griechische '(0\).Tf]Zt'j'j\xt^/ durch

HaroTo»,'i6/Mk übersetzen, ja selbst das glagolitische vrbn. brev. folgt ihnen darin. Würde nicht

ap. karp. die Lesart Haan KKiKatMk stützen, so könnte man versucht sein an einen unmittelbaren

lateinischen Einfluss zu glauben, wo es nudi sumus heisst; allein eine solche Schluss-

folgerung wäre schon darum voreilig, weil noch in mis. nov. und ed. 1483 diese Lesart

fehlt, man findet daselbst ein anderes Verbum dafür: oi^cHaoYf'Wk.

Auf der nächstfolgenden Zeile des Blättchens sind nur mit schwerer Noth die Btich-

staben ratiMk et zu entziffern, sie gehörten zum vollen Worte cKH-rat/Mk et, welches in allen

cyrillischen Texten und selbst noch in vrbn. brev. an dieser Stelle steht, nur mis. nov. und

ed. 1483 halten sich ganz an die lateinische Vorlage, da sie statt crpa^Af-Mk, welches wahr-

scheinlich auch auf unserem Blatt Z. 8 ans Ende zu setzen ist, da es so in allen cyrillischen

Aposteln, ja selbst noch in vrbn. brev. gelesen wird, in starker Alihängigkeit vom lateinischen

colaphis caedinmr also schreiben : na uihh Ttnotf t' hh und für cKHTafA\k et, entsprechend demlateinischen instabiles sumus, diese Lesart haben: craHa Ht Hjv\a/Uk.

In der zehnten Zeile ist nur noch das Wort crohiuh ziemlich sichtbar, es geliört offen-

bar zu CROH/UH po^Ka/MH, das man auch in den cyrillischen Aposteln und vrbn. brev. liest;

mis. nov. und ed. 1483 schreiben dafür poyKaMH HauiiiiUH, nach dem lateinischen: manlbus nostris.

In der sechzehnten Zeile haben sich die Worte, eigentlich Bruchstücke von Worten,

3AK BH deutlich erhalten, sie beziehen sich ohne Zweifel auf den Vers 14: ^(ji,A Rk.saiOKafHa'k

HaKaaaio rh und bestätigen ganz die Lesart des karpinskischen Apostels, wo ebenfalls das

Wörtchen Rki steht, das sis. ausgelassen hat. Vrbn. brev. gibt das Particip HaKasoyf, nicht

dem lateinischen, sondern dem griechischen Texte vouGäTwv gleichkomuiend. Im sis.

könnte HaKasaw ebenfalls als serbische Umprägung der mittelbulgarischen Form HaKasoyiA«

(im Sinne des Particips HaKaso^-iA) aufgefasst werden. Denn so wie es jetzt im Texte steht,

gibt es keine richtige Construction : hc cpa/uarai« jkc Rack 11111110^ chh, Hk laKC Hf,\<» RksawKaieHaa

ndKA3AK>. Wenigstens he cpa/waiaio muss entschieden als Particip ni cpaiuaiaie genommen werden,

da ja auch vrbn. brev. und hval. hi cpa/uaac bieten. Mis. nov. richtet sich auch hier ganz

nach der lateinischen Vorlage : hi ji,A iiocpa/waio rh cf nHuioy, Ha ivKo hij^a a\o-k RsawRAfHa-k nc>«\,-i|iaio

(non ut confundam vos, haec scribo, sed ut filios meos charissiraos moneo).

In den jetzigen lateinischen Missalen schliesst diese Perikope mit dem Vers 14, mit

Hinzufügung der gewöhnlichen Formel: in Christo domino nostro. Dieselbe Regel befolgt

auch mis. nov. und ed. 1483. Auf unserem Blättchen wird dagegen die Lectio über den

Vers 14 hinaus fortgesetzt, offenbar auch hier aus demselben Grunde, den ich oben an-

gegeben habe. In der That ist in ap. §is das Anagnosma um die nächsten zwei Verse ver-

längert worden, die ohne Zweifel auch hier, auf unserem Blatte und dem darauf folgenden,

für uns verloren gegangenen, zu lesen waren. Die Lesarten stimmen abermals mit den

ältesten cyrillischen Aposteln übereiii. Man kann bei uns noch ganz deutlicli folgende

Worte lesen: ai|it h tmo\" n-kcTOY»"* H/warf, Hk he A\HC>rHE OTkne (Z. 16— 17), in Uebereinstimmung

mit sis. ai|iE ko Tk/Mo^f n-kcTo»,-Hk hmati w )fpHCT'k, Hk he MHOrki WTkUE. Alle älteren Texte geben

hier das griechische Wort (jL'jpiou^ durch Tk/Mo^ wieder,' erst die späteren cyrillischen Apostel

' Verel. das oben citirte Werk Voskresenskij's, S. 257.^

3*

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20 II- Abhandlung : V. Jagic.

und ihnen lulgx'ud auch vrl)n. brev. schroibeu dafür <v\Horiü (oder (UHorki() HacraKHHKKi. Der karpiu-

skisehe Apt)stel weicht in der Wahl des Ausdrucks etwas ab: ai|i£ ko h ThA^;K o^ihts/m», alleiu nach

den Angaben des Aiuphilochius (1. c. 350) steht irkcroyHh noch im Achrider und Slepcer Apostolus.

Da in der letzten Zeile noch deutlich die Worte {KaHkcAiHAtk ahk KacK zu lesen sind, so

wird der Text der Lectio ohne Zweifel auf dem nächstfolgenden IJlatt bis Vers 16, d. h. bis

zu den AVorten /uc>aK> tm hu, noACKHH a\h KMKaHTC, fortgeführt gewesen sein. Bis hieher reicht

die Perikope auch in dem oben erwähnten griechischen Apostolus der k. u. k. Wiener Hof-

bibliothek, wo sie mit folgenden Worten abschliesst: xapaxaXcö o6v üjjiä; \^.l\l:f^~ai [jlod yivscöc.

Ich habe bereits oben auseinandergesetzt, welche wichtige Schlussfolgerungen sich aus dieser

an sich ganz geringfügigen Thatsache ergeben.

Nach der Lectio der Epistel sollte auf dem nächsten nicht erhaltenen Blatt der Hand-

schrift das Evangelium folgen. Wenn uns unsere Berechnungen nicht täuschen, so dürfte

das Johannes XV. 1— 7 gewesen sein.

Ich komme nun zu den beiden Gebeten, die Secreta oder Super Oblata heissen. Es

wurde bereits erwähnt (vergl. oben S. 16), dass auf unserem Blatt A, a zweimal die ent-

sprechende slavische Ueberschrift TAH zu lesen war, oben Z. 1, wo sie beim Beschneiden

des Blattes zu Grunde gegangen ist, und weiter unten Z. 16, wo man sie noch jetzt klar

sieht. Die Kijewer Blätter befolgen eine andere Nomenclatur für dieselbe Sache, in ihrer

Vorlage stand nicht ,Secreta', sondern ,Super Oblata'. Das ,übersetzten' sie mit der Bei-

behaltung des lateinischen Ausdrucks in ,nij\,-k. onaaT'KMk', also oblata lautete damals : onaar'k,

als Subst. masc. gen. Man liest in den Kijewer Blättern die Phrase ,HaA'K oii/iar'KMh' zehn-

mal und niemals raii. Ob nicht in dem Missale, zu welchem unsere zwei Blätter einst

gehörten, neben tam zuweilen auch Ha^h onaaTO/Mk vorkam, das lässt sich nicht sagen. Der

Ausdruck cnaarnvK'k war in der spcciellen Bedeutung des katholischen, ungesäuerten Brotes

(Hostie) selbst bis nach Russland verbreitet. Man liest russ. Chronik Laur. Text ed. 2, S. 84:

ca\-a;aTk ko onpkcHOKii, piKuif onaaTKH, Ipat. Text ed. 2, S. 58: cayjKaTk ko oiip'kcHOKki, piKUJi

oiiaaT'kKki. Noch in s^iäteren glagolitischen Missalen wird das Wort ,Hostie' bald durch

ouji'Ha^ bald durch den an oiiaar-k nur schwach erinnernden Ausdruck o\j-KaaTHna wieder-

gegeben: (PA«» Moiik iioaa(ra)rrk oyKaaTHHo\- Ha oa'rapk Ha na'rkHH AP^KtMaciHO mis. nov. 155b,

lipH.lUI CKCTH OTkHf, BCtMOPH K'ksHH KO^C, CHK) M(nOpOMH01f O^'BAaTHI^Oy lOHU a.3k HE;l,OCTOHHH paBk

TKOH iipnHomoy u. s. w. ib., h cTKopHTk KpH%k Kp')fo^' o\"KaaTHHf H KaA(»;a Koynno 156 b.

Von den beiden .Secreta'- Gebeten hat sich der Inhalt des ersten, das auf Blatt A, a

die Zeilen 2 bis 5 einnimmt, vollständig erhalten, es fehlt bloss die abgeschnittene Ueber-

schrift, dennoch glaube ich in der 1, Zeile die Spuren des grossen glagolitischen Buch-

staben üö noch zu sehen. Das Gebet lautet mit nothwendigen Ergänzungen so

:

,\apM, rocnoAH, t'Ait 3a ikCTk anocroak TKOH)fk npHHOCHmk, iipH/viH h ß'ca .saak "kacf criiopHaik

(c'TKOpiI\'Oa\k y) OTKpaTH OTk Hack.

Wörtliche Uebersetzung : Munera, domine, quae pro lionore apostolorum tuorum dcfeiH-

mus, suscipe et omnia mala quae facimus (f fecimus 9) averte a nobis. In der Wirklichkeit

lautet die Secreta in natali plurimorum Apostolorum nach Cod. Vind. Nr. 1888, fol. 142

folgendermaesen : Munera, domine, quae pro apostolorum tuorum sollemnitate deferimus, propi-

cius suscipe et mala omnia quae iuste meremur averte} Der slavische Uebersetzer wird ent-

1 Codex 18:^0, fol. 10 1) ganz so, mir lässt er iusto aus. In L'ebBreinstiinmuiig damit fehlt das Wort iuste a«i:h in einem

Missale antiipium vom .lalire 1075, das »ich in Rom in der ,lJiljliotheea Vallicelliana', 15. 24, befindet (nach einer briefliclieu

Angabe L)r Cni^ic'»). Vergl. iiocli eine gleiclilautendo Secreta (bis auf ausgelassenes iuste) auf Natale der Apostel Philipp

niid .I;iii.b in T,ib sacram. Gregorii bei Migne P. L. LXXVIII, 101.

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Glagolitica. Würdigung neuentdbckter Fragmente. 21

weder den lateinischen Ausdruck soUemnitas durch skCTh (eigentlich honor) übersetzt haben,

wie er, wir werden es später sehen, auch celebro durch M'Toy zii übersetzen pflegte, oder

aber in seiner lateinischen Vorlage das einfachere pro honore vorgefunden haben. Dass eine

solche Lesart nicht ausgeschlossen ist, zeigen folgende Parallelen: muneribus, quae pro

sanctorum martyrum Grervasii et Protasii honore deferimus Migne 1. c, 120, 2:)ro tuorum

honore sanctorum ib. 134, pro cunctorum honore sanctorum ib. 146, cuius honore exhi-

Ijetur ib. 151, quae pro tuorum tibi grata sunt honore iustorum ib. 166 etc. Ob hinter

iipHHCcHMk (deferimus) nicht das Adjectiv iuhaocthbii oder MHAOcpKAk; dem lateinischen propi-

cius oder benignus entsprechend, folgte (abbrevirt als (MÄctbk würde es nicht zu viel Raumeinnehmen), das lässt sich wegen des an dieser Stelle schief abgeschnittenen Randes nicht

mehr bestimmen. Einige Bedenken erweckt das in der vierten Zeile nach -kjKi folgende

Verbum. Ich glaube c'tk deutlich zu sehen, darnach sollte man ctkoph^mi» oder c'TBopH)fO/Mk

lesen; man muss aber gestehen, dass dieses Verbum nicht recht in den Zusammenhangpasst; besser wäre jedenfalls CTpa>KA«'Mh, was durch die neueren Texte gestützt werden

kann. Denn in mis. nov. (233) lautet das Gebet so : ^''P"? rocnoAH, ixi aa anocTOAK TBOiiYk

(HAAp. HiUp.) npaSAHHKH lipHHOCH/Uh, <UH/\OCTHBh npHMH H BCa 3aAa 'k>K( npaBO 3a rpii)^H HAlUl Tp'nH/U,

OTBpaTH.

Die andere ,Secreta', die auf Blatt A, a, Z. 16 beginnt und bis in die ersten Zeilen

der Rückseite reicht, kann nur zur Hälfte entziffert werden, da die beiden oberen Zeilen

der Rückseite beim Beschneiden des Pergaments sehr viel gelitten haben. Der erhaltene

Text lautet so

:

GßtTH rocnoAH npHHOiufHH'k Hauia, •kjKt ecmk npHHccAH anocTO/i . . . Sanctißca, domine, ohla-

tiones nostras, quas detuUmus apostolis (wahrscheinlich intercedentibus).

Das Verbum cBn-n ist Uebersetzung des lateinischen sanctifico, welches in Secretis häufig

sich wiederholt, so in Sacram. Gelasii (ed. Migne LXXIV, 1074) : ieiunia sanctifica, in Lib.

sacr. Gregorii (ib. LXXVIII, 44): dona sanctifica, ib. 62: ieiunia sanctifica; vor allem häufig:

munera sanctifica.' Da ich au keiner Stelle ,oblationes sanctifica' gelesen habe, obgleich

sonst ,oblationes' nicht selten in Secretis begegnen,^ so darf die Vemuithung geäussert wer-

d'Cn, ob nicht der slavische Uebersetzer wirklich auch hier in seiner lateinischen Vorlage

folgende Worte vorfand: Munera, domine, oblata sanctifica, wie es Öfters in den lateinischen

,Super oblata' des Gregorius Magnus lautet. Aus mis. nov. führe ich noch folgende Parallele

an (fol. 185): cbith, MoaHiUk t(, fochoah ko^ks, ch( ji,ApH ixt b' sacrk CBiTaro NHKoyaH ap'yHtp'k'k

TBOfrO npHHOCH<Uk.

In diesem Gebete verdient das Wort npHNomcHHc besonders beachtet zu werden, da durch

dieses vmsere Blätter schon an die später übliche Ausdrucksweise erinnern. In den glago-

litischen Missalen des XIV.—XV. Jahrhunderts wird nämlich das Gebet ,Super Oblata',

welches, wie wir sahen, das Kijewer Denkmal mit Ha^'k cnaaTTsMk bezeichnet, regelmässig

durch Ha^k npHHCiiiJEHH(<uk übersetzt. In gekürzter Form schrieb man h^ oder H^npHO, oder

mis. nov. 22 b, 48 a hjs, npHiuHH. Daraus entstand das Compositum HaAnpHHOiufHHt (Offertorium),

das schon in mis. nov. nachweisbar ist: HAnptiHuiEHHe 124, 3A'k p'hh Ha^ cpHHOUJtHHt t>K.i no^*-

KacTk, noTO<Hk npo<)>ai;HKi 157 a. Für oblatio oder munus gebrauchten aber auch die Kijewer

' Liber sacramentorum Gregorii Magni ed. Migne, P. L. t. LXXVIII, p. 103, 112, 117, 121, 12a, i:-i7, 150 etc.

2 Sacrament. Gelasii ed. Migne, P. L. t. LXXIV, 1117, 1160, 1167, 1183; Liber sacrament. Gregorii, ib. LXXVIII, 67, 73,

127.

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22 II- Abhandlung : V. Jagic.

Blätter im Text der Gebete das Wort npHHOCK : ckH iipiiHOCh npHHEccH'ki (hoc nimius oblatuni),

npHHOCK ck (ipHHfCfH'Ki Tjuli, oder aucli A'^P'"* (eigentlich mumis, wie bei uns oben) : "kKTvi ^Kf

Aap'ki H.waiWK. Diese Form lebt, neben der üblicheren iipiiHOiiiEHiic, noch in den Missalen des

XIV.—XV. Jahrhunderts fort: iipH-kTaH' tik-I; ko^^ah, <wortHA\k rt, rocnoA", cKiriijf' awah TBOH)fk

iipHHCck mis. nov. 185, k' A\OAHTBa/V\k, rocnoAH, ii k iipiiHOco/Wk K'kpHHY" iipHspH ib. 187.

Nach der ,Secreta', oder gemäss der anderen Bezeichnung, nach der jSu^Der Oblata'

folgt, wenn sie überhaupt da ist, die ,Praefatio'. Unsere Blätter enthalten eine vollständige

.Missa' und zwei Bruchstücke. Beim ersten Bruchstück, das auf Blatt A, a zehn Zeilen

umfasst, fehlt die Praefatio gänzlich; beim zweiten Bruchstück, das auf Blatt B, a, Z. 12

beginnt und bis zu Ende von B, b reicht, kann man nicht wissen, ob die Praefatio vor-

handen war oder nicht, da das Bruchstück schon mit der Lectio epistolae abbricht. Somit

bleibt nur eine vollständige ,Missa altera Apostolorum' in der Mitte, auf A, a, Z. 10 begin-

nend bis B, a, Z. 12 reichend. Diese Messe hat ihre eigene Praefatio, wenn ich mich nicht

täusche in der Voraussetzung, dass jene drei ziemlich weit auseinanderstellenden Initialen

auf A, b, Z. 3, die ich 11 fl IJ^ lese, als np-k<]^ai^H'k zu deuten sind. Nach der üblichen Reihen-

folge der Gebete erwartet man in der That jetzt — d. h. an die Secreta sich anschliessend —die Praefatio. Die Ueberschrift Ilfm sieht zwar etwas sonderbar aus, namentlich sollte, wenn

schon n abseits steht, wenigstens Uli, zusammengeschrieben sein ; und doch wüsste ich nicht,

welche andere Deutung für jene drei Buchstaben näher läge. Ich fasse also MÜH, als die

Kürzung (in der Ueberschrift) des Wortes llp-kijianH'k auf. In dieser Form kommt das Wort

schon in den Kijewer Blättern siebenmal vor. Auch die späteren Missale halten an dem

seit alten Zeiten üblichen Ausdruck fest, nur dass sie neben der genau die lateinischen

Laute wedergebende Hp'k^^auH'k (z. B. mis. nov. 88 b np-k^a^Hi«) auch noch npo^lianH-k sehr

lieben und, fast möchte ich es behaupten, häufiger anwenden, als jene erste Form : npo^ai^H-k

mis. nov. 10 b, npo^auHio 12 a, vergl. noch ib. 78 b, 108 a, 157 a u. s. w. Kroatisirt liest maudas Wort auch noch in der Form nponai^Hii I

Leider ist gerade diese Seite des Blattes A, wo der Text der Praefatio steht, so sehr

verstümmelt, dass man ohne Aushilfe des lateinischen Textes keinen rechten Sinn heraus-

bringt und diesen zu finden — das wollte mir, ungeachtet des vielen Nachschlagens und

Nachfragens, bisher nicht gelingen. Ich habe sie nicht nur selbst in den reichen Schätzen

der k. u. k. Hofbibliothek vergebens gesucht, sondern auch in Rom blieben die eifrigen

Nachforschungen meines hochverehrten Freundes, Dr. Crnci(^, ohne Erfolg, obgleich er in

der Vaticana und anderen Bibliotheken die ältesten Missalen aufgeschlagen hatte. Es bleibt

also nichts anderes übrig, als eine wortgetreue lateinische Uebersetzung einzelner Stellen,

die leserlich sind, zu versuchen.

Der Anfang (A, b, Z. 4) lautet so : (6)rA'J Jki Ha cxpauiH-k/Mk covahi|ih cijyirw rociiOAk ck ijii

(d. h. 12 oder vielleicht nur k, d. h. 2) anocToak/wa Kk epoycaaH/M'k, d. h. quando i>ro horriljili

tribunali sedebit (oder sederit) dominus cum duodecim (oder : duobus) apostolis in Jerusalem.

Weiter lässt sich in dieser Zeile fast nichts lesen : ein Toy (ibi ?) scheint den Anfang des

Nachsatzes zu dem mit irAa^it eingeleiteten Vordersatz zu bilden. In der nächsten Zeile

sieht man ii. i3HKk . . k. ishhoma, vielleicht vor e ein ck einzuschalten, also septuaginta

duae(?) gentes? es wird etwas von ihnen gesagt, vielleicht to^ iipHcroYneTk (oder ckKepoyrk et

oder ckKoii'rifTk ce) : ibi accedent (congregabuntur) scptuagintaduac gentes? Doch könnte

nach T©y auch ein Verbum futur. sing. 3 pers. folgen, dessen Subject das im Vordersatze erwähnte

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Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 23

rcciioAi» wäre ; dann würden h. esHKh und k. oHKOiwa den Dativns coniniodi ausdrücken. Ausden weiter in dieser und der nächsten Zeile einzeln auftauchenden Buchstaben bin ich nicht

im Stande einen Sinn zusammenzustellen.

Etwas mehr bieten die weiterfolgenden Zeilen : TkrAa HaMHnk radroAdTH rocno^k Kk OHii/Uk

(3HK0A\k : tunc incipiet loqui dominus ad illas gentes. Das Wort Kk OH'kMk ist allerdings nicht

ganz sicher. Unmittelbar daran sich anschliessend lautet der Text so : o roh'to hi nucaoY-

uiAcrt sanoB-kA" 'Wd«: o quare non obediistis legi meae (oder mandato meo?). Auch hier

sind die Buchstaben m'to hc mehr errathen, als wirklich gelesen. Dann heisst es weiter (ein-

schliesslich meiner Conjecturen) : caMk ko K'k)fk iiocaaak mo( anocroAH h npopoKH cKtraro (BaHhcaH'k

rAaroaaTk(?) Kk Ba<uk: ipse enim miseram meos apostolos et prophetas ut sanctum evangelium

loquerentur ad vos. Das erste Wort ca/Uk (ipse), von welchem nur die Buchstaben a/Wk sicht-

l)ar sind, habe ich aus der weiter unten folgenden Wiederholung desselben Anfangs (Ana-

phora) erschlossen. Von dem Verbum nockaaak (miseram) können nur die Buchstaben noc

mit Sicherheit angesetzt werden. Zwischen dem deutlichen nppoKH und CBl^AHiv bleibt für das

von mir vemiuthungsweise eingeschaltete Wort cBtraro (sanctum) Raum genug übrig und vor

dem in der nächsten Zeile deutlich hervortretenden k RaMk (ad vos) gehört am Anfang der-

selben Zeile ein Wort, vielleicht ein Verbum im Supinum, das ich mit Rücksicht auf I Thess.

IL 2 durch raaroaaTk ausdrücke. Der nächste Satz beginnt wieder mit ca<Hk, nach- Avelchem

ein Verbum folgte und nach diesem in der 15. Zeile das ganz gut lesbare Back, also ipse

— vos, ich conjicire: caiMk K-k^k o\f Back: ipse fui apud vos.

Mit Leichtigkeit kann der gleich darauf folgende Satz gelesen werden : llo h'to m nocaoy-

ujacTf .3anc>B'kAH mc«: quare non obediistis legi meae (mandato meo). Also abermals eine

Wiederholung, eine Anaphora, Avie mir ähnliche bei der Prüfung und Vergleichung der ver-

schiedenen Praefatien häufig begegneten. Leider folgen schon wieder unmittelbar darauf

vereinzelte Worte, aus denen ich nichts herauszubringen vermag. Denn bei js,fi(ctAn oyHHKkiuE,

tristes anxiati, hält es schwer den Zusammenhang mit dem nachfolgenden Text herzustellen.

Erst in der letzten Zeile kann man mit einiger Sicherheit lesen: bhahtj Koak caa/k,kKk (videtis

(|uam dulcis) und nun schliesst sich unmittelbar an diese Worte der Anfang des nächsten

Blattes an: ecTk pan (d. h. quam dulcis sit paradisus). Abgesehen davon, dass der Satz

KHAHTt KOAk caa^kKk fCTk paH cincn ganz annehmbaren Sinn gibt (videtis quam dulcis oder suaAas

sit paradisus), unterstützt diesen Zusammenhang auch noch die gleich darauf folgende Anti-

these : a BH^HTf AH, KOAk cTpaujkHk fCTk nkKAk : nonne videtis autem, quam horribilis sit in-

ternus. Es ist von dem Gegensatz zwischen Paradies und Hölle die Rede. Die Hölle -närd

so näher beschrieben : HA'kJKf MAkBHTH fCTk Bck/Uk Ak>KHBH/Hk A»''kKACt(Hk Bk B-kKH : ubi tumultuan-

dimi est Omnibus mendacibus diabolis in sempiternmn ; oder vielleicht : mendacibus et diabolis ?

Ganz an die üblichen Praefatien erinnern die Schlusssätze: ask fCMk OTki^k, cHHk, cbith

A^VX"»» '«Wb « KAaH'kwTk ahI^cah h apyaHliEAH, rocnctA*'""» HaiUHMk: ego sum pater, filius, sanctus

Spiritus, nie adorant angeli et archangeli, per dominum nostrum.

Die ganze Praefatio, so trümmerhaft sie auch sein mag, würde nach meinen Muth-

massungen ungefähr so in der lateinischen Uebersetzung lauten:

Qiiando autem pro horribüi tribunali sederit dominus cum duobos (oder duodecim) apo-

stolis in lerusalem, ibi accedent (congrarjabuntur) septitaginta gentes cum duabus gentibus (oder

vielleicht: ibi apparebit septuaginta gentibus et duabus gentibus) . . Tunc incipiet loqui

dominus ad illas gentes: o quare non obediistis mandato meo (legi meae). Ipse namque mise-

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ram meos (?) apostolos et prophetas ut sanctum evangelium (oder vielleicht: verbum evangelii)

loquerentur ad vos. Ipse eram (?) apud vos. Quare non ohediistis mandato meo (legi meae).

Et . . . tristes anxiati . . . videtis, quam didcis (suavis) sit paradisus . . . Nonne autem

videtis, qiunn horrihilis sit infertms, uhi tumidtuandum est Omnibus mendacibus (et) diabolis in

saecida. Ego sum pater, filius, sancttcs spiritus; me adorant angelt et archangeli, per domi-

num nostitim.

Indem ich anderen, die sich grösserer Belesenheit in solchen Texten rühmen können,

die glückliche Aufiindung des Originals zu dieser Praefatio überlasse, will ich meinerseits

alles beitragen, was einigermassen zur Beleuchtung derselben oder der darin enthaltenen

Gedanken dienen kann. Einige Gedanken fand ich in folgenden Sätzen, dem Liber anti-

phonarius Gregorii Magni entnommen (bei Migne P. L. LXXVIII, 685) : Cum venerit filius

hominis in sede maiestatis suae et coeperit iudicare saeculum per ignem, tunc assistet ante

eum omnis chorus angelorum et congregabuntur ante eum omnes gentes. In dem griechi-

schen Kovtdxtov auf den Apostel Philipp, das mir nur aus dem Wiederabdruck bei Archi-

mandrit Amphilochius bekannt ist,* stehen folgende an unsere Praefatio anklingende Wen-dungen: 'Hvixa 5c6§£xa Öpövotc itaÖT^aYj aov tqi Kupt(p xäv (pu/.(t)v toO 'lapavjX xataxpivcov

lO'ji; äictatoOvrac, tots etc. Auch in den aus dem Sacramentarium Gallicanum bei Migne

(P. L. t. LXXII) abgedruckten ,Contestationen' finden sich schwache Anklänge an unsere

Praefatio (1. c. S. 552) : ut cognoscantur mendaces et veraces in illo die iudicii . . . o mag-

num diem iudicii, oder (1. c. S. 553) : qui per filium tuum dominum nostrum genus hinna-

num iudicare disposuisti . . . o quam terribilis et horribilis est dies illa . . . Und im Missale

mixtum (Liturgia Mozarabica) wird in einer ,Inlatio' (bei Migne P. L. LXXXV, p. 578)

gesagt: Ante tribunal presidis stetit, cuius metuenda tribunalia universi siuit coeli.

Bekanntlich ging man in den älteren Messbüchern mit den Praefatien sehr frei umund bildete sie in sehr grosser Anzahl , die erst später eingeschränkt wurde. Dr. Crncid

fand in Rom, als er das Original unserer Praefatio suchte, folgenden merkwürdigen Text

in der Praefatio zur Missa sancti Hieronymi : ,ut omnium pene sacrarmn scripturarum Volu-

mina graecae hebraicaeque caldaicae suo eloquentiae fönte disertaque latina et materna lingua

nobis aperte et magnifice explanaret.' Der Verfasser dieser Praefatio dürfte ein Illyrier

(d. h. ein Dalmatiner) gewesen sein, der die falsche Ansicht theilte, dass der heil. Hieronymus

das glagolitische Alphabet erfunden, folglich auch die Bibel ins Kirchenslavische übersetzt

hat. Die lateinische Handschrift stammt ungefähr aus dem XV. Jahrhundert luid auch in

dem glagolitischen Missale Ko2i(5i6's vom Jahre 1531 liest man dieselbe geschichtliche

Unwahrheit in folgender Uebersetzung : ,da vseh maloman' svetih pisam knigi: grcke, ebreiske i

haldeiske recnosti svoee istocnikom i urisenim latinskini i otocaskim ezikom ocito nam i

vzveliceno istlmaßi.'

Nach der Praefatio pflegt in der üblichen Reihenfolge das Gebet ,Ad complendum' zu

folgen. So wird in den alten Sacramentarien das letzte Gebet genannt, wenn das vor der

Praefatio stehende ,Super Oblata' heisst. Bei der Bezeichnung dieses Gebetes mit dem Aus-

druck ,Secreta' scheint es üblicher zu sein, das Schlussgebet der Missa ,Po8t communionem'

zu nennen. Doch fand ich schon in dem Wiener Codex Nr. 1818 (saec. IX) neben ,Super

oblata' auch ,Po8t communionem', z. B. fol. 59 a (Fest. s. Stephani), fol. 86 a (Nat. s. Vitalis),

fol. 88 a (am 13. Mai) u. s. w. Auf diesem Standpunkt stehen die Kijewer Blätter, da sie

' KoHAaKapifi «h rpciecKOai no4>iHHHHKt, Mockbe 1879, fol. In der Beilage auf S. 72.

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Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 25

das erste Gebet immer HaA'K «n/ur-KAMi (Super oblata) und das letzte nc RTkC&A'b i'^-li> post

commiraiouem) nemien. Die letztere Bezeichnung ist auf unseren Blättern durch einen

neueren, sjiäteren Ausdruck ersetzt: no KpauikHkUH, welcher in den Messbücliern des XIV. und

XV. Jalu-hunderts fortwährend gebraucht wird. In der Regel schreibt man gekürzt Ilo spa

oder FTo Kpui, doch dann und wann wird es auch vollständig ausgeschrieben, so mis. nov.

28 : no Epam'HUH, ed. princ. 1483 weiter kroatisirt zu no KpaiuaHi^H, so aucli schon mis.

nov, 246 b : no BpaniaHi|H cm n'kcHH HHJKt nHcane. In diesen Ueberscliriften bedeutet also

BpauikHkut : connnunio. Das Agramer akademische Wörterbuch bringt einige hübsche

Belege aus der altkroatischen Literatur für brasance in der Bedeutung ,corpus domini,

und ,commimio', doch hat es vergessen auf das so häufige Vorkommen des Wortes in

den glagolitischen Missalen aufmerksam zu machen. Seit wann das Wort cpauikHki^t in

dieser sjjecielleu Bedeutung in der kirchenslavischen Literatur gebraucht wird, das lässt

sich nicht bestimmen: durcli unsere Blätter ist es für das XII. Jaln-lumdert sichergestellt.

Denn die auf B, a, Z. 8 enthaltenen Buchstaben 110 KPfl müssen zu 110 KPflUlhNIiLtH ergänzt

werden ; und so ist auch auf A, a, Z, 5 zu HO dasselbe Wort hinzuzudenken. Ich venuuthe,

dass EpauikHkiM seine Einführung in die kirchenslavische Literatur den Kroaten verdankt.

In den Kijewer Blättern, die ich, wie oben gesagt, nach Mähren-Pannonien versetze, kommt es

nocli niclit vor, dort wird ,Communio' immer, sei es in der Ueberschrift, sei es in dem Texte,

durcli R'Kc;^,»,'»' wiedergegeben. Als Uebersetzung von ,post comnumionem' liest man daselbst

no BTvc^^.'k neunmal ; ausserdem im Texte der Gebete : ckattii troh R'kc;^^'^ J^ks Nomin. sing,

(sacra tua communio) und als Accus, sing, (sacram tuam communionem), dann B-hCÄ^a xROfro,

rocno;^H, Hac'kiii.cHH (connnunione tua, domine, satiati), R'kc;f;4,i>'Mi' CHiMk R-kSAT-KLMk (hac comniu-

nione sumpta), endlich als Adjectiv : B'kc;^A>>Ha'k MoanTRa nauj-k (communionis nostrae oratio).

Es ist kein geringer Vorzug der neu entdeckten Blätter, ja es illustrirt sehr schön ihre

Vermittlerrolle für den Uebergang der slavischen Liturgie aus Mähren-Pannonien nach

Kroatien, dass auch sie das so seltene Wort B'kCÄA'K kennen. In der Ueberschrift fanden

wir zwar bloss Spuren des Ausdrucks spaujkHkt;«, im Texte des Gebetes kommt aber Rkcoy;t,k

in der kroatischen Form wenigstens einmal vor, im Genet. sing. Rkcc^-^a TRotro pa^n

(propter oder per communionem tuam). Dadurch wird es zur Gewissheit, dass das Wort,

welclies bisher in einem einzigen Denkmal nachzuweisen war, in der Wirklichkeit ein längeres

Leben fristete und nicht auf die mährisch - pannonischen Grenzmarken beschränkt blieb,

sondern auch in den glagolitischen Denkmälern des Südens einst üblich war.

Zwei Gebete ,post communionem' sind auf unseren Blättern zu lesen. Das erste auf

Blatt A, a, Z. 5—10 lautet so (mit Ausfüllungen und Ergänzimgen)

:

no(RpauikHkUH). G'nacEHH)(^k HacHi|ikujE c( TaHHk; lUoaiiMk TH et, ji,A H\h -Ait naA\iTk MTcaxk ano-

CTOAk TROHj^k, Tk^W MOAHTRAMH X^ H.3KaRH/Mk Ct.

Wörtlich üljersetzt: Saliotaribus satiati mysteriis, quaesumus te, ut quorum memoriam

veneraraur apostolorum tuorum, eorum orationibas liberemur.

In der Wirklichkeit kennt man ein solches Gebet ,in natali plurimorum apostolorum'

in folgender Fassung (nach Cod. Vindob. Nr. 1888, foL 142): Ad complendum. Quaesu-

mus, domine, salutarihus repleti mysteriis, ut quorum soUemnia celebramus, eorum orationibus

adiuvemur. P]benso im Codex der Bibliotheca Vallicelliana, B. 24, vom Jahre 1075 ;vergl.

auch Migne P. L. LXXVIII, 41. Es ist damit nicht gesagt, dass der slavische Ueber-

setzer gerade diese Worte übersetzen wollte. Statt repleti kann er ja auch satiati in

seiner Vorlage gelesen haben, denn die Wendungen ,caelesti munere satiati' oder ,8acro

Denkschriften der phil.-liist. Cl. XXXVIII. Bd. II. Abh. 4

Page 26: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

26 II- Abhandlung: V. Jagiö.

mutiere satiati' begegnen ungemein häufig, auch ,sahitari munere satiati' kaun nach-

gewiesen werden (Migne, \. c. 59). Die Kijewer lilätter liieten dafiir eine wörthchere, wenn

ich so sagen soll, aljer weniger empt'elileuswerthe üebersetzung durch das Participium pas-

sivae: R'h.cikXA troipo HackiuiHH. In den späteren glagolitischen Missalen hat man die ältere

Participfonn Hdc-kit|ikiii{ ca durch die später üblich gewordene HacKiTHR-kuit ca ersetzt: KOSKk-

CTRIHdrO MP^ OKHAH© HaCH'l'HBUH Cl mis. nOV. 252b, HaCHTHBUIE C( npMHEI|l(HH(A\' ^apk CKfTH\-' ib.

239 a. Allein da in dem oben citirten lateinischen Texte auf dieser Stelle des Gebetes

nicht satiati, sondern repleti steht, so haben die späteren glagolitischen Handschnften auch

in der slavischen üebersetzung HaciiTHKUij et (oder HacHi{ikui( ci) in Hana'HHKUJC et geändert.

Ebenso g-laubte man das Wort naiucTk, welches eigentlich memoria oder commemoratio

bedeutet, wegen des lateinischen soUemnia in npasAHHKH ändern zu müssen. Am Schlnss

des Gebetes näherte man sich der lateinischen Vorlage dadurch, dass man adiuvenmr wört-

lich, aber schwerfällig, diu-ch iioaxopah ci khyO'Vxk wiedergab. Endlich auch cnac{HH\'k raHHk für

salutaribus mysteriis schien nicht genau zu sein ; allerdings würden auch wir nicht cnacEHH\'k

als Part. pass. (c-KiiactH-kijfk), sondern entweder als cknackHTviY'k oder als cknactHhH'kiY'k erAvartcn.

Die Emendatoren späterer Zeit zogen jedoch die Fomi cknacHTtakHiv vor, und so liest mancriacHTiaHHiMH raHHaiUH mis. uov. an unserer Stelle oder ib. ISli: a\caii/m' ti, rocnoAH, Haria'HiiR'iiK

c( ciiacHTt,\Hii\-" Tj'kHk. Das ganze Gebet lautet mis. nov. 233 folgendermnssen : A\oaH,v\ Tt,

l'OCIICi,l,H, CliaCHTfa'HHiVlH HailAHHKlUE C( TAHHAMH, M H^JK! lipaSAHHKH HTf*«', »)(' iWOAHTRAAm IIOA\Or/\H

CI KH)fO<Hk.

Das zweite Gebet ,post communionem' steht auf Blatt B, a, Z. 8— 12 imd lautet so:

Kkcoi'Aa TEOiro pa,\,H, i*,ki icmk RksiAH, iMoaHTKaa\H anocTUAk TRCHyk, H^k»:! naMiTk MkTfA\k,

nOAtHAOril HH.

Wörtliche Üebersetzung: Fropter communionem tuam, quam sumpsimibs, oratiordhus apo-

stolorum tuorum, quorum memoriam veneramur, miserere nohis. Der Phraseologie alter Gebete

,ad complendum' käme folgender Wortlaut näher: Per communionem tuam quam sumpsimus,

interventione (oder inteixessione) apostolorum tuorum quorum memoriam veneramur, refove nos

(oder adiuva nos). Aber auch eine so lautende Postcommunio kann ich nicht nachweisen,

ja ich möchte gar nicht behaupten, dass die slavische Üebersetzung sklavisch wörtlich

gemacht ist. Dass ich Kkcoi'Aa tkoipo pa^H richtig durch ,per commimionem tuam' ausdrücke,

beweist mir folgende Parallele : haec nos conmiuuio, domine, purget a crimine et caelesti-

bus remediis (al. caelestis remedii) faciat esse consortes (Cod. vindob. 1815, fol. 22, ib. 33b,

vergl. Migne P. L. LXXVIII, 128). Der ganzen Phrase ,per conmmnionem tiiam quam

sumpsimus' steht sehr nahe diese Postcomnmnio : ,Sacramentorum tuorum, domine, com-

muuio smnpta' etc. (Migne ib. 132.) Durch diese, sowde durch die Fonnel ,tui communio

sacramenti' (Migne ib. 180) wird der Sinn des Pronomens tuus bei communio beleuchtet;

vergl. auch Migne P. L. LXXIV, 1118: tua nos (piae sumpsimus sancta. Die üebersetzung

,A\oAHTRa(MH anocTOAk TROH)fk' kauu statt der Avöi-tlichen ,orationibu8 apostolorum' oder ,pre-

ciljus apostolorum tuorum' auch folgende lateinische Vorlage gehabt haben: ,intercedentibus

apostolis tuis'. In der That in ,Vigilia omnium apostolorum' lesen wir natdi Sacrament.

Gelasii folgendes Gebet post communionem :

' ,sumpto domine sacrameuto suppliciter depre-

(ramtn-, xit intercedentibus beatis apostolis' etc., oder auf Natale Sti. Pauli (Migne P. L.

LXXVIII, 125): Perceptis, domine, sacramentis, beatis aijostolis intervenientibus, deprecamur

' A. Muratori, Litnrgia roinann vetus, Veiietüs 1740, I, 655, vergl. ib. I, 340 oder Cod. vindob. Nr. 188«, fol. 142.

Page 27: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

GiiAGOLiTiCA. Würdigung neuentdecktbr Fragmente. 27

etc. ; ähnlieli in Vigilia s. Audreae, ib. 150. H^fhait naiucTk HTf/Uk wurde wörtlich dem latei-

nischen ,quormn nietnoriam veneramur', entsprechen ; das liest man ziemlich häufig, es kann

aber im lateinischen Original auch eine andere Phrase, z. B. quorum soUemnia celebramus

oder quorum soUemnitatem veneramur gestanden haben. Der slavische Uebersetzer jener

frülien Zeit, als solche Bücher, vielleicht mit einiger Hast, zusammengestellt wurden, nahmdie Aufgabe von der leichtesten Seite auf, vereinfachte was nur möglich war einfacher aus-

zudrücken, selbst wenn im Original die Phrase complicirter lautete. So liest man Cod.

vind. 1888, fol. 140b ,ad complendum' folgendes Gebet: Perceptis, domine, sacramentis sup-

pliciter exoramus, tit intercedente beato N. apostolo tuo, quae pro Ulms veneranda gerimus

sollempnitate, nobis proficiant ad medelam. Eine wörtliche Uebersetzung davon gibt mis. nov.

(in ,natale nnius apostoll') : npH-kTH<v\H, rocnoAH, TaHHa<MH npHAE»:HC ri MOtWMh., )(9j\,ArAVii\i<»y eaa-

•AitHOiWOy (HiUp.) anOCTOACy TKOIMCHj', tJKt 3d HtrO SaCTh npaSAHHKa TROpH/Hk, Ha-MK JS,A lipCCri'klOTk Bk

iicunjAfHHf. Etwas abweichend (in vigil. plur. Apostolorum) : npHlsTow, rocno^H, CKtTHHtK« npHA(»;HC>

Tt MCAHiUk, ji,A \(>ji,ATAHCTß^Mh (als(j : interccssionc) Eaa»;(HHYk ( H/Mp. HiMp.) anccToak tkoh)^', ijkj

Bp-k.uiHH-k TKopHAtk, K HiHROToy R-kMHOMoy A'» npHfAXAf.Mk (d. li. wörtHcli : quod temporaliter geri-

mus, ad vitain capiamus aeternam).

Der Schluss unseres Gebetes lautet nach der slavischen Uebersetzung auffallend ein-

fach: nOiUHAo\,''H HH miserere nobis. Solchen Schluss las ich nirgends und darum komme ich

auf die Vermutlumg, dass auch hier im lateinischen Original eine andere Phrase gewesen

sein möchte, etwa so wie bei Migne LXXVIII, 42 : eins quaesumus semper interventione

nos refove cuius sollemnia celebramus, oder vielleicht adiixva nos, wie bei Migne ib. 127:

beati apostoli tui lacobi . . . nos intercessione adiuva.

In kürzester Uebersicht sieht der Inhalt unserer Blätter so aus

:

Secreta. Munera, domine, quae pro apostolorum tuorum honore (sollemnitate) deferi-

nuis etc.

Post communionem. Salutaribus satiati (repleti) mysteriis, quaesumus ut quorum

sollemnia celebramus etc.

Missa altera Apostolorum.

Quaesunms te, omnipotens sempiterne deus, ut sicuti beati apostoli lacrimantes etc.

Secreta. Sanctifica domine oblationes nostras, quas detulimus etc.

Praefatio. Quando pro horribili tribunali sederit dominus cum duodecim apostolis etc.

Post communionem. Per communionem tuam quam sumpsimus etc.

Missa unius (Apostoli).

Da (tribue) nobis, quaesumus, omnipotens sempiterne deus, ut beati apostoli tui (N.)

interventione etc.

Epistola ad Corinthios. Fratres, deus nos apostolos novissimos ostendit etc.

Vergleicht man mit dieser Inhaltsangabe den entsprechenden Text des Missale Novak's

vom Jahre 1368 oder der editio princeps vom Jahre 1483 auf der einen und des Wiener

Missale Cod. Nr. 1888, saec. X, auf der anderen Seite, so ergibt sich das merkwürdige

Resultat, dass die glagolitischen Messbücher des XIV.—XV. Jahrhunderts dem oben citirten

lateinischen des X. Jahrhunderts sehr nahe kommen, während der Inhalt unserer Blätter

wesentlich abweicht. Die Uebereinstimmung beschränkt sich nändich bloss auf folgende4*

Page 28: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

28 n. Abhandlung : V. Jagic.

Punkte: die erste ,Secreta' (Miinera doniine) ist auch in Cod. 1888 und mis. nov. in der

Missa in natali plurimorum Apostolorum enthalten; ebenso die ,Postconimunio' (,SahitarIbus

repleti mysteriis'); ferner stimmt noch in der Missa unius apostoli das erste Gebet einiger-

massen zu dem in Cod. 1888 und mis. nov. enthaltenen. Die Lectio epistolae ad Corinthios

tindet sieh in Cod. 1888 gar nicht, in einem anderen Nr. 1836, saec. XII, in der Messe für

Märtyrer und in mis. nov. in Vigilia phu-imorum apostolorum. Weiter reicht die Ueberein-

stinunung nicht. Dagegen hat mis. nov. für die meisten Antiphonen und Verse, so wie für

alle Gebete und auch für einige (aber nicht alle) Lectionen sein Vorbild bereits in demCod. 1888, saec. X. Es wäre also verfehlt zu sagen, zur Zeit, als das Missale der jetzigen

zwei Wiener Blätter geschrieben wurde, sei eine solche Anordnung des Stoffes, wie ihn

mis. nov. darstellt, noch nicht vorhanden gewesen, da ja der Codex 1888 schon fürs X. Jahr-

hundert das Gegentheil beweist.' Der Grund der abweichenden Einrichtung imserer Blätter

muss augenscheinlich nicht bloss in ihrem hohen Alter, sondern auch in localen Verhält-

nissen liegen. Ich vermuthe, dass Messbücher, die nachweislich im X.—XII. Jahrhimdert

im Bereich des Patriarchats von Aquilea geschrieben wurden, uns nähere Aufschlüsse darüljer

geben könnten ; leider ist mir eine solche Handschrift augenblicklich nicht zugänglich. Ich

kann nur noch constatiren, dass auch jenes glagolitische Missale des XIV. Jahrlnmdei-ts, das

aus der Bibliothek Kukuljevic's später in die Bibliothek der südslaviscJien Akademie gekom-

men ist (es wird jetzt mis. giagol. brebirense III, br. 3 bezeichnet), Avelches ich einst häufig

in Händen hatte imd als mk. zu citiren pflegte — im Ganzen mit mis. nov. und edit. 1483

übereinstimmt (IVIittheilung des Herrn Prof. Dr. Broz in Agram). Ebenso theilt man mir aus

Eom mit, dass das glagolitische in der Propaganda befindliche Missale vom Jahre 1387

ganz dieselbe Redaction vertritt, die Abweichungen beschränken sich auf einzelne Ausdrücke,

so z. B. in dem Graduale ,Justus ut palma' steht es dort nicht npaKAHHKk ivKO na/\Ma, son-

dern das letzte Wort ist durch hhhhk' vertreten. Endlich war es mir möglich auch in das

Missale Hrvoja's (c. 1404—1415 geschrieben) einen Einl)lick zu tliun und auch darin ganz

dasselbe, wie in allen übrigen vorerwähnten Exemplaren zu finden.

III. Sprache und Graphik.

Die Sprache unserer Blätter bietet nicht viel bemerkenswerthes, dafür ist ja schon der

Umfang zu gering; sie enthält Av^eder seltene Sprachfonnen, da für diese kein Anlass im

Texte vorlag, noch weicht sie von der üblichen Kegelmässigkeit des Altslovenischen ins

Dialectische mehr ab, als es die Grundsätze der kroatischen Redaction erheischten. Das

Wort f.SHKK z. B. ist hier nocli nicht dialectisch in iiSHKh (jazik) geändert worden, trotzdem

die letztere Form schon sehr früh, d. h. in den ältesten glagolitischen Texten der eckigen

Schrift vorkonmit. Vergleiche -bsHKk hom. lab. in Saf. pam. 56 oder Berc. cit. 32. Das Zeichen

ti fglagol. itt) beschränkt sich auf die Wiedergabe des g-Lautes, in Beispielen wie iBdHlifAHi,

aHtifAH; ein KHl^k (statt KiiHtAi^)? wie man es schon in mis. nov. liest, kennt unser Denkmal

noch nicht, vielmehr vergleiche no^'^'^Ak. Kein Beispiel für den Ersatz des h, sei es durch

a, sei es durch i, konmit vor, vergleiche nkKAk, Mkcrk, während sonst in den kroatischen

' Auch Schulting macht in seiner Bibliotheci ecclesiastica (ed. Colon. 1590, II, p. 24—20) der Antijdionen, Ver.se, Gebete

n. B. w. ganz in üblicher Weise Erwähnung, nur die l)ei uns enthaltene Lectio kommt bei iiini weder in Vigilia nocli in

Xatali Apostolorum vor.

Page 29: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuektdeckter Fragmente. 29

Spraclidenkmalern glagolitischer Schrift schon seit den ältesten Zeiten (also seit der zweiten

Hälfte des XIII. Jahrhunderts) k zuweilen durch a ersetzt wird, vergleiche ca MAOB-kKk hom.lab. bei Saf. pam. 56. K-kcHii jkj ca il).. Ha (sed) h ca-knk ib.; npIvcartK, cpkA'>U'» ioan. bapt. lab.

bei Saf. pam. 63, b' uik'to cat'hoi A-kro fragin. brev. in Berc. Cit. 41, a<«JKA'*-A'»>kA'J (phivia) ib.,

;K(HacKk ib., js,RAfiH ib.

Ueberhaupt ist in der Wahrung des k dieses Fragment noch ziemlich feinfühlig, wie

es schon der Umstand zeigt, dass sowohl im Inlaut wie im Auslaut regelmässig k geschrieben

wird, was in den späteren Denkmälern bekanntlich durchaus nicht so genau genommenwird. Vergleiche solche Beispiele, wie: (Unii.uk th et, c'ßrt-kMf/Uk et, iisRaBHMk ci, fCTk, coyxk,

Ak/KHBHA\k. H\-KJKf, HaCHl|Jklltf Cf, BkCU^A'') KliCf/MOl', BkSEAH, HaCk/Upkr'HHKH, HE<V\Ol|lkHH, Kp-kokl^H. ÜaS

den Vocal k vertretende Zeichen ' steht meistens richtig: n'ca, kcemo^, Rt'kv^ Kct/worH, c'tb«-

pH<Uk, MTf/Mk, HaMHtTk, ROMTO, MH% CTpaiUHlwMk, B-fcHNH, CAaBHH, T/MO^", KAaNivIOT', <V\/\H/Vt'c(. Docll

wird es mehrere Male aucli üljerfiiissig zwischen zwei beliebige Consonanten gesetzt:

c'ak3(i)JE, fcMk, fcTk, npHHfc'aH, nocaoriuac'Ti. Das erinnert stark an das Mihan. Fragment, wok geradezu sehr oft überflüssiger Weise eingeschaltet ist.

Da in der kroatischen Recension des Altslovenischen die verschiedenen Casusendunsren,

namentlich bei der sogenannten pronominalen Declinatiou des Adjectivs, seit ältesten Zeiten

zusammengezogen vorkommen, so kann die Form saalc (ß'ca 3AA'k "kKi) als eine Alterthüm-

lichkeit gelten, die man in gewöhnlichen kroatisch-glagolitischen Texten durch aaa, oder

dialectisch sogar saaa, wiedergeben würde. Sonst schi*eibt unser Denkmal, wie alle alt-

kroatischen (glagolitischen): rci/moph (statt Bkci/HoniiH), B-kskHH (statt B'kskH'km), akH^HBH/Uk (statt

a-kSKUB-KiHMTi), A\oyApH)f'k (statt /H*AP''»^'")f'0' cncfHH\-k (statt c'knactH'KiHY'k), HarttH;tijiH)fk (statt haa(-

jkauitiihy'k), HanacTH (statt HanacTHH) und Ha cxpauiH-kiMk (statt cTpam'H-kf/Hk). Der letzte Fall

ist in den ältesten glagolitischen Texten dieser Recension allerdings auch noch durch die

volle, nicht contrahirte Fonn auf "kt/Mk vertreten, z. B. hom. lab. (nach Facsimile bei Geitler)

:

B cfA\5K4,' HTHH (BH^Ai^'kEAAk ; fragm. mis. jader. b a^opH spk/UH'kfmk Saf. 57. Nur im Genitiv sing,

hat sich der Auslaut-« (moh, TBOft) sehr lange erhalten; noch in den Texten des XIV. und

XV. Jahrhunderts bildete er die Regel. Darum fällt in unserem Fragment Gen. sanoB-kAH

A\OH A, b, Z. 11, in lautlicher Hinsicht gar nicht auf, wohl aber ist die graphische Darstel-

lung des u beachtens\\'erth, wovon im Cap. IV die Rede sein wird.

Dass die in Rede stehende Contraction schon sehr früh in mährisch-pannonischen und

kroatischen Denkmälern festen Fuss gefasst hatte, das l)eweisen uns sowohl die Kijewer

Blätter mit ihren Fonnen: KaaJKtHaro, KaajKfHoymo^-, MkCTkHaro, cBATarc, ß-ksknaro, BiiSkN-k/Uk,

RnvimkHH/WH, Toy.3Ha\k, npoTHKrftUHY-k; als auch die Prager Fragmente, avo es gleichfalls heisst:

npaß'KA'ivHaro, anocToa'kCKaro, HacTvin'kuiaro, TaiAnaro, ckTBop-kiuaro, ca-kno/wo^, YBaaAi^HiWk.

Mit den Kijewer Blättern theilt unser Text auch noch die Vorliebe für die Anwendung

der zusammengesetzten Praeterita, namentlich in den Relativsätzen. Dort liest man: hjkj

tcH KaarocaoBKTHa-k, »xt ic» OK-kn-ka-K, ajkj jch nockaaa-k; hjkj (CM-k Bn^at^aH, "kKOJK« htiI ich ncKick-

cnnvi/f^ fiHUA HackiTHa-K, (tS^jk! kh OKpa.s'kMk CBona^k oyncACGHak, "kKOJKt a «ch caasoM; tboj»* HCBfCk-

CKoyK>» oyxBpkAHa'k, hjk( H'ki B'k3BJCfaHa'k fCH ; und hier ebenso : -kKO/Kt coyxk BaaH;(HH anccToaH

lipOCHAH, -k'Ail fCiWh ripHHCCaH, t}K( (C/Uk BkSCAH.

Das lexicalisch Merkwürdige ist schon im Cap. II zur Sprache gekommen (BpaiukHkiM

Rkco»|'Ak, npiiHcnuHHO. Hier möchte ich noch den Ausdruck nkKa^k in der Bedeutung infernus

als einen jjeachtenswerthen Kroatisnuis hervorhel^en. In dt-h kirchenslavischen Bibeltexten,

nicht bloss der ältesten, sondern auch der späteren Zeit, wird infermis immer und aus-

Page 30: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

30 n. Abhandlung: V. Jagi<5.

schliesslich durch ax^ übersetzt. Auch in den bei Bercic gesammelten glagolitischen Texten

oder in der Apocalypse Hval's u. s. w. kennt man nur den letztgenannten Ausdruck.

Matth. IB, 18 ist die übliche üebersetzung Kpara a^^Ka erst im Messbuchc Levakovic's (die

Zeugger oder Fiumaner Ausgabe steht mir nicht zur Hand) und in der vulgaren Üeber-

setzung Dalmatiens. deren älteste Ausgabe Bernardin von Spalato besorgt hatte, in ,vrata

paklena* geändert worden.^ Das so frühe Aultreten des Wortes nKKak auf unserem Blättchen

erklärt sich wohl aus dem nichtbiblischen Charakter der Stelle. Vergleiche im glagolitischen

Brevier vom Jahre 1561, in einem Kirchenliede : ,zatvori preispodnfie pakla pro§adb' Berc.

cit. 82. Dr. Crncic aus Rom theilt mir noch folgende Beispiele mit : In einer der römischen

Propaganda angehörenden glagolitischen Handschrift, welche 1445 ,zakan Luka' (Diaconus

Lucas) in Vrbnik auf der Insel Veglia unter der Ueberschrift ,Zrcalo' (Speculum) schrieb,

liest man : ,Lucifer bi§e se dvigaV proti bogu svoemu stvoritelju i zato v m'gnovni oka s

visoti nebeske do prop'sti p'klene svr2en' e'. Ein anderes glagolitisches Büchlein aus demXVI. Jahrhundert (vor dem Jahre 1567 geschrieben), im Besitze Dr. Crnßic's befindlich,

dessen Inhalt die aus dem Lateinischen übersetzten Predigten bilden, enthält u. a. tblgendes

:

,Ako bih znal otca moega v pakli, nebih za nego molil kako za devla' (si scirem patrem

meum in infemo, non plus orarem pro eo, quam pro diabolo), ,mnogi paklenogo ogna

strase se' (multi gehennam horrent), ,5 deferencii i razluöen'i e meju ognem' paklenim' i

sgastnm' (est quintuplex ditferentia inter ignem inferni et praesentis saeculi) u. s. w.

Das Wort ist nicht bloss süd- sondern auch westslavisch, nur dass es im Böhmischen

als Neutrum gebraucht wird. Als Masculinum ist es daher bei uns jedenfalls ein Kroatis-

mus. Unter den cyrillischen Denkmälern kommt es in der von einem Serben etwa im

XII.—Xni. Jahrhundert gemachten Üebersetzung des Gregorius Dialogus vor, wo inferni

poenas durch ,nkKaa A\o\'Kki' übersetzt worden ist.

Bei einem zweiten Worte kann wenigstens von einer gex-ingen Modification in der

Form die Rede sein, durch welche es zum kroatischen Ausdruck gestempelt wird. Das

griechische oidßoXoc, diabolus, lautet altslovenisch ;t,H»BO/\'k oder ;i,KniRO/\'h, gen. ^.ktüKOAa, dat.

AkBKoaoy u. s. av. In glagolitischen Texten kroatischer Provenienz wird jedoch das AVort

schon sehr früh so declinirt, dass in den Casus obliqui das o vor l (dijavolt) ausfällt, also

dijavla, dijavlu, dijavlomb u. s. w. Daraus hat sich dann ein Nominativ ;i,k-kKkak und selbst

Ak'kBaak (djaval) entwickelt. So liest man in dem sonst recht alten (saec. XIII) hom. lab.

noicTk H A'^'t^KkAk, raaRa 7Kt h Bci5)fk A'^'t^^kak fCTk, rocnoA«» Haiufro a'^'I^k'»'*'» HCKoycH; gen. oTk

AkiwKaa Saf pam. 55 ; Matth. IV, 5 steht in der edit. princeps des glagolitischen Missais vomJahre 1483 ,vii'kK<i'^k- So erklärt sich auch auf Blättchen B, a, 5 4,'''l»Kacia\K statt des früheren

Ak'kKoaoa\k.

Wegen der sonstigen Grleichartigkeit der beiden Denkmäler darf man mit Bestimmtheit

sagen, dass auch solche charakteristische Ausdrücke der Kijewer Blätter, wie nancHtk, aaKOHk-

HMKit, piiCHOTHRkH'k, R'kp-kcHHTH CA, KaakCTRo, HfMpH'ksHk, dcm Missalc unscres Fragments keines-

wegs fremd waren. Sie sind ja bis in die spätesten Zeiten Gemeingut aller kroatisch-glago-

litischen Texte geblieben. So lese ich mis. nov. 18a: r' K-ksHOH p-kcHor-k, ib. 21b: p-kcH-k

HciipaRHTH, ib. 51a: piiCHOE ciucchhe, ib. 268 : r' cnaccHHc TROtro eaakCTRa, und auch sonst häufig.

Die Orthographie des Fragmentes ist die übliche kroatische, sie kennt also keine Nasal-

zeichen, keinen Unterschied zwischen u und h, sondern immer h. Neben dem gewöhnli(;hen

Vergl, meine Bemerkungen darüber in ,Ti»uenica'. Agram 1863, S. 58.

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Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 31

8 kann Avenigstens einmal auf Blatt B, b, 8 S als grosser Buchstal)c nachgewiesen werden.

Es scheint auch auf A, b, Z. 16 zu stehen. Ausserdem findet man zweimal I statt 'S oder

8: B, a, 12 in der Üeberschrift 6AIH0r und ib. 15 in i/MpK. Diese Zeichen i, welclies zuerst

Greitler auf den ältesten glagolitischen Inschriften Veglias constatirt hat, wird unten im

Cap. IV zur Sprache kommen. Das MerkAvürdigste an unserem Bruchstück in orthographi-

scher Hinsicht ist das gänzliche Fehlen des Zeichens i in der Geltung des Halbvocals unddie ausschhessliche Geltung dafür des Zeichens -s. Diese Eigenschaft theilt mit ihm unter

den zur kroatischen Gruppe gerechneten Denkmälern glagolitischer Schrift nur noch das

Mihanoviii'sche Fragment. Alle anderen bisher bekannt gewordenen glagolitischen Texte

kroatischer Abkunft, selbst die ältesten, die gerade wegen des in ihnen vorkommendenZeichens -s als ziemlich alt gelten müssen (saec. XIII), lassen schon das Zeichen i in der

Eigenschaft des cyrillischen w entschieden zur Geltung kommen, und wenn einst Safaffk

pam. 65 aus der Häufigkeit des Vorkommens des Zeichens -8 auf ein relativ höheres Alter

des Denkmals schloss, so würde er einen Text, in welchem ausschliesslich « und kein einziges

Mal I gebraucht wird, gewiss allen anderen vorangestellt haben. Diese Schlussfolgerung

wäre auch ganz richtig, mag er auch das Alter der ihm bekannt gewesenen glagolitischen

BruclistiK'ke mit dem Zeichen -8 etwas überschätzt haben. Man kann mit einiger Sicher-

heit nur so viel sagen, dass sie nicht jünger sind als aus dem XIIL, und die spätesten

unter ihnen etwa aus dem XIV. Jahrhundert.

Das so charakteristische Zeichen ,o unserer Blätter beruht auf dem älteren pannonisch-

macedonischen -8, während das in dem Mihanovid'schen Fragment angewendete Zeichen /ff

sich von dem pannonisch-macedonischen « ableitet. Darin gehen sie auseinander: das Miha-

noviö'sche Fragment kommt der serbischen Orthographie näher, welche seit dem Ende des

XIII. Jahrhunderts ausschliesslich h schrieb : unsere Blätter stehen im Zusammenhang mit

solchen Denkmälern der runden g-lag'olitischen Schrift, welche von den beiden Zeichen -8 und

8 dem ersteren, also cyrillisch umgeschrieben, dem -k den Vorzug gaben. Ein derartiges

Denkmal ist das zweite Prager Fragment oder die in den Zographus eingelegten Blätter.

IV. Palaeograpliisclie Bedeutung.

Die grösste Bedeutung muss unseren zAvei Blättern in palaeographischer Beziehung zu-

geschrieben werden. In dieser Hinsicht sind sie geradezu ein Unicmn zu nennen, aber ein

er^vartetes, und daher höchst erwünschtes Unicum. Safaffk hatte in seiner letzten Schrift

(vergl. oben S. 4) die Ansicht ausgesprochen, dass schon im IX.—X. Jahrhundert ein

Reformator in Kroatien das Alphabet vereinfacht und der kroatischen Mundart angepasst

habe. Diese Ansicht lässt sich heute nicht mehr halten, abgesehen davon dass in den

Worten Safarfk's zwei verschiedene Dinge zusanmiengeworfen sind: die Eigenthümlichkeiten

der Orthographie, d. h. die Einrichtixng der sogenannten kroatischen Recensiou des Alt-

slovenischeu und der palaeographisclie Cliarakter der Schrift, d. h. die abweiclienden Schrift-

züge der kroatischen Glagolitza. Offenbar hatte er sich beides im innigsten Zusammen-

hang gedacht. Ein ,Refonnator' sollte im IX.—X. Jahrhundert nicht nur die der Physio-

logie der kroatischen Sprache widei-strebendeu Nasallaute und ihre Bezeichnung (also 3€,

«, 9€, ^) und die combinatorische Lautbezeichnung -st für den nicht mehr wahrgenom-

menen Laut kl, und den Unterschied zwischen 4 und « (-k und \) aus dem glagolitischen

Page 32: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

32 11. Abhandlung : V. Jagic.

Sclirifttliimi Kroatiens (ich verstehe darunter immer Istrien, kroatisches Küstenland, alle

Quarnero-Inseln nud Dalmatieu bis Makarska und Curzola) beseitigt, sondern ausserdem

noch der ganzen Schrift einen besonderen, der lateinischen Graphik näher kommenden,

eckigen Typus gegeben haben. Neuere Entdeckungen, wie das von mir herausgegebene

Mihanovid-Fragment imd die von Crnöi6, Racki, Geitler bearbeiteten ältesten glagolitischen

Inschriften, haben entgegen der Ansicht Bafarik's den Beweis geliefert, dass die Reform der

Orthographie und die Umgestaltung der Schriftzüge nicht Hand in Hand gingen, sondern

unabhängig von einander sich entwickelten. Die ki'oatische Recensiou, d. h. die Gesammt-

heit der Aenderuugen, die im Altslovenischen zu Gunsten der kroatischen Aussprache vor-

genommen ^\nirden, war, wie man jetzt weiss, bereits längst durchgeführt — das zeigen

eben aufs unzweideutigste die Mihanovic'schen und jetzt die Wiener Blätter — während der

Charakter der glagolitischen Sclirift noch immer die ursprünglichen, mehr gerundeten als

eckigen Züge wahrte. Die orthographische Vereinfachung liatte also einen merklichen Vor-

spruug vor der palaeographischen Entfaltung. Der ersteren können wir nicht in ihren einzel-

nen Entwicklungsphasen beikonnnen, man kann auch hier nur die Vermuthung aussprechen,

dass die endgiltige Consolidirung der kroatischen Recensiou nicht das Werk eines Reforma-

tors war, sondern allmählig zu Stande kam.' Die Nebeneinanderstellung der Mihanovic'schen

und der Wiener Blätter, die sich sonst palaeographisch ziemlich nahe stehen, spricht stark

zu Gunsten einer solchen Vermuthung. Denn in beiden herrscht zwar durchgehends die

serbo-kroatische Redaction des Altslovenischen, aber in Einzellieiten weichen sie von ein-

ander ab : die Mihanovic'schen Blätter kennen das Zeichen i der Wiener Blätter gar nicht,

dafür AN-issen die letzteren nichts von dem cyrillisch aussehenden h bei Mihauovic. Beide

Fragiiiente gehen aucli dem Inhalte nach wesentlich auseinander, was auf einen nicht

unbeträchtlichen localen Abstand schliessen lässt. Ich hatte bereits vor 22 Jahren aus-

gesprochen und halte noch immer an der damaligen Ansiclit fest, dass die Mihanovic'schen

Blätter eigentlich mehr serbisch als kroatisch sind.^ Die jetzt entdeckten Wiener Blätter

mü.ssen dagegen unbedingt Kroatien zugesproclien werden. Die ersteren stellen einen nach

griechischem Brauch eingerichteten Praxapostolus dar, die letzteren sind, wie wir oben gesehen

haben, Bruchstücke eines römischen Missais. Gerade darin liegt auch die grosse principielle

Bedeutung des neuen Fundes. Denn während das MihanoviC'sche Fragment für jetzt wenigstens

noch ganz vereinzelt dasteht, darf man unsere Blätter geradezu an die Spitze der reich

genug entwickelten kroatisch-glagolitischen Literatur stellen, in welcher sie vdn nun an als

der erste sichere Repräsentant des halbrunden Sclaifttypus gelten werden, einer, wie manjetzt .sieht, einst durch viele Denkmäler vertretenen, später aber für unsere Kenntnisse fast

ganz entschwundenen Epoche, deren Dauer man bis in den Anfang des XIII. Jahrhunderts

setzen kann.

Man liatte allerdings schon seit langem theoretisch die Ansicht vertreten, dass die

eckige glagolitische Schrift aus der gerundeten hervorgegangen,^ allein materielle Belege

' Diese meine Vermuthung scheint in neuester Zeit eine thatsäohliche Bestätigung gefunden zu liaben. Ich erfahre durch

eine briefliche Mittlieilung des Domherrn Dr. C'rncid aus Rom, dass unlängst in Vrbnik, also abermals auf der Insel Veglia,

dieser Va^na rerum glagoliticarum, vier glagolitische Pergamentblätter entdeckt worden sind (der Inhalt ist — Apostolus),

deren Schriftziige rund sind, wo -8 ausscliliesslich angewendet wird, ebenso VS, einmal *, aber die spätere kroatische

Redaction der Sprache noch nicht durchgeführt zu sein scheint, da man auch •flS (für *!) und einige Male selbst 3€

fstatt 3) findet. Sollte dieses Bruchsfilck nicht rein altslovenisch sein, in der Art des Glagolita clozianus, dann liaben wir es

abermals mit einer merkwürdigen Entdeckung zu thun.

' Vergl. Rad, B. II, .S. 15.

' Vergl. u. a. meine Darstellung in Rad II, 17.

Page 33: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

t

l

k

Glagoutica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 33

für diese Ansicht fehlten anfangs gänzlich, dann kamen als erste Stütze derselben die Miha-

novic'schen Blätter auf, die jedoch, weil sie auf einen anderen Ursprung hinwiesen, keinen

vollgiltigen Beweis zu liefern im Stande waren. Ich selbst sprach damals, als ich das

Fragment herausgab, die Ansicht aus, dass dieses einen bulgarisch-kroatischen (besser wäre

es zu sagen: bulgarisch-serbischen) Uebergangstypus bildet, neben welchem gleichzeitig

anderswo (d. li. in Istrien, Kroatien, Dalmatien) die eckige Glagolitza bereits ausschliesslich

im Grebrauch gewesen. Diese falsche Ansicht von der sehr früh vor sich gegangenen Um-prägung der glagolitischen Schrift aus dem runden in den eckigen Charakter konnte nur

so lange aufrecht erlialten werden, als man auf die bei Safafik und Bercid gesammelten

Texte beschränkt war und diese als die alleinigen Repräsentanten des ältesten kroatisch-

glagolitischen Schriftthums ansah. Einige Jahre darauf kamen jedoch die ältesten glago-

litischen Inschriften Veglias zimi Vorschein, in welchen schon deutliche Zeichen einer runden

glagolitischen Schrift gegeben wurden. Von nun an konnte man allerdings mit grösserer

Bestimmtheit Ijehaupteu, auch in Kroatien sei einmal die runde Glagolitza im wirkliclien

Gebrauch gewesen, die man bis dahin in der Wissenschaft ausschliesslich als etwas specifisch

bulgarisches bezeichnet hatte. Allein Inschriften sind noch keine Handschriften, die Schrift-

züge einer Inschrift müssen nicht gerade mit der in den Büchern üblichen Schrift identisch

sein. Ausserdem enthalten gerade jene wenigen Inschriften, sei es in Folge der Unleser-

lichkeit, sei es in Folge der Ungeübtheit der Steinmetze, sehr viel Sonderbares und Räthsel-

haftes, so dass man aucli fernerhin nach sichereren Stützen und deutlicher sprechenden Zeug-

nissen sich sehnen musste. Hat ja doch noch unlängst Geitler seinen Zweifel an der un-

mittelbaren Zusammengehörigkeit des Mihanovic-Fragmentes und der ältesten Inschriften

mit der später üblichen kroatischen Glagolitza in folgende Worte gekleidet:' ,Die Inschrift

von Baska ist einiger Eigenthümlichkeiten halber nicht in allen Stücken die Vorgängerin

der kroatischen Schrift. I)assel1)e gilt vom kroatischen Fragment Mihanovic trotz seiner

eckigen Züge.' Niin ist der Zweifel ein für alle Mal behoben und der Beweis fiir das Hei-

matsrecht der kroatischen Glagolitza auch in ihrem runden Typus erbracht. Diesen liefern

unsere Blätter, der erste Fall, dass ein in kroatischer Redaction für den Ge-

brauch einer katholischen Kirche abgefasster Text mit runden Schriftzügen zumVorschein kommt.

Der runde Charakter der Schriftzüge unseres Fragmentes liegt für Jedermann, selbst

bei flüchtiger Betrachtung klar zu Tage. Er tritt besonders bei den Buchstaben .n, v «. s

f b » und ^ stark hervor, aber auch od as a & a w ». können eher gerundet, als eckig ge-

nannt werden. Bloss in der Ueberschrift A, a, 16 TflH ist sowohl

LI LJ als auch o

bereits ganz eckig und an den späteren kroatischen Ductus erinnernd. Die ruhige Gleich-

mässigkeit der Schrift verräth eine geübte, sichere Hand, welche offenbar mit grosser Leich-

tigkeit schrieb. Selbst der Druck der Feder war nicht stark, sie hat eher gezeichnet als

geritzt; ganz feine Striche, die scharfes Schreibzeug voraussetzen, kommen überhaupt nicht

vor. Daraus kann man mit voller Gewissheit den Schluss ziehen, dass unsere zwei Blätter,

respective das betreffende Missale, für ilire Zeit durchaus nicht vereinzelt dastanden, son-

dern den allgemein üblichen Schrifttypus ausprägten. Sieht man sich nacli den Parallelen

' L. Geitler, Die albanesisciien und slavischen Schriften, S. 147.

Dentscliriften der phil -iist. Cl. XXXVIII. Bd. II. Abh.

Page 34: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

34 II. Abhandlung: V. JagiO.

zu unserer Schrift um, so stehen ihr ohne Zweifel die Mihanovid'scheu Blatter am nächsten.

Doch macht unser Fragment auf mich den Eindruck einer schöneren, gleichmilssigeren und

au mehreren Buchstaben den alten runden Typus treuer wahrenden Schrift. Ferner be-

rilhren sich die Schriftzüge unserer Blätter mit der in den Zographensis eingelegten Er-

gänzung, doch ist diese mehr dem Mihanoviö' sehen Fragment als unserem verwandt. Zu

den Zügen der grösseren Verwandtschaft rechne ich die nach rechts geneigte Haltung der

Buchstaben und den in ungeraden • Linien ziemlich roh und nachlässig gehaltenen Ductus

jener Schrift. Der paläographische Typus unserer Blätter steht ungefälir in der Mitte zwi-

schen diesen ZAvei letztgeuannten Denkmälern und etwa dem Achrider Evaug-elienfragment.

Die Kijewer Blätter, dem Inhalte nach sonst sehr nahe kommend, weichen in paläogra-

phischer Hinsicht bedeutend ab; ebenso die Prager Fragmente.

Während noch vor wenigen Jahren Geitler das Wesen der späteren kroatischen Gla-

golitza in der Weise definiren zu müssen glaubte, dass er sie ,eine eckige langfüssige

Majuskel der Bulgaren' nannte,^ entfällt jetzt für uns dieser Zwang, ,die Uebergänge zur

kroatischen Schrift' ausserhalb Kroatiens suchen zu müssen, gänzlich. Der spätere kroatische

(eckige) Typus ist, wie ja das jetzt auch im Werke Geitlers zur Anerkennung kommt, nicht

plötzlich entstanden. In den ältesten bisher bekannt gewesenen kroatisch-glagolitischen Denk-

mälern kommen fortwährend einzelne Buchstaben in einer an den alten runden Typus

erinnernden Gestalt vor. Wären einige Fragmente aus dem Nachlass Berciö's, der jetzt in

der kaiserlichen öflfentlichen Bibliotliek zu Petei'sburg aufTjewahrt wird, paläographisch heraus-

gegeben, so würde die Zahl der Buchstaben des alten Typus bedeutend grösser sein. Ich

mache auch auf die zwei zu Anfang und zu Elnde an das Missale Novaks angebundenen glago-

litischen Blätter aufmerksam, die entschieden älter als dieser Codex, aller Wahrscheinlichkeit

nach in's XIII. Jahrlumdert fallen und für die allmähligen Uebergänge aus der runden in

die eckige Schrift einige nicht unwichtige Belege bieten. Nun kommt unser Fund jenen

ältesten Repräsentanten des eckigen Typus von der entgegengesetzten Seite, als der letzte

Ausläufer des runden Typus, mit seinen zahlreichen Uebergangs- und VeiTnittelungsfiguren

entgegen, er liilft uns die paläograpliische Brücke zu schlagen, und während früher Geitler

in den ,bulgarisclven' Ueberschriften, im jüngeren Zographus und in den Prager Fragmenten

die Vorbilder suchte, liegt uns jetzt alles das viel näher, zu Hause, auf unseren Blättern.

Ueberhaupt wird die ganze Theorie Geitlers von der totalen Abhängigkeit des eckigen

Tyjius von der ,bulgarischen' Glagolitza (jede irgendAvie bemerkbare kroatische Eigen-

thümlichkeit hat ihr Prototyp in der bulgarischen Schrift', so lautete sein Grundsatz auf

S. 147) durch die Tliatsachen unserer Blätter ü1>er den Haufen gcAvorfen.

Um diesen Beweis durchzuführen, wollen wir einzelne Buchstaben nach ihrer paläo-

graphischen Eigenthümlichkeit prüfen.

1. Zeichen für Vocale.

+ + !- rti

Für das spätere langfüssige a hat man bei uns schon auf A, a, 16, B, a, 8 oder 12 ein

fertiges Vorbild; da gibt es aber auch allerlei kurzfüssige Uebergangsformen, z. B. auf A, a,

4, 5, 6, 10, B, a, 2, 16, 17. Nichts zwingt vms also mit Geitler (a. a. 0. 91) nach Bulgarien

zu wandern, lun das später übliche kroatische a zu erklären.

< l. c, 8. 164.

Page 35: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 35

I

Das älteste glagolitische 3 ist in der Regel zweimal durchstrichen, das spätere kroatische

entweder nur einmal oder gar nicht. Ganz willkürlich und im Widerspruch mit den That-

sachen wollte Geitler das einmal durchstrichene zum ältesten Typus des Buchstaben stem-

peln. Nun bieten aber unsere Blätter, trotz ihres runden Charakters, das einmal durch-

strichene Zeiclien als das Vorbild für das gewöhnliche Kroatische. Hier sei noch des

Zeichens 3€ gedacht, das ich auf A, b, Z. 11 zu sehen glaube, der Ligatur zweier 3 zu

einer eigenthündichen Figur 3€, die selbst in dem gedruckten Missale vom Jahre 1483 öfters

vorkommt. Ich fand es (die Blätternach dem Petersburger Exemplar gezählt) auf fol. 197 b

:

KHiuHK Krtro;i,-kTH, auf fol. 201b: h ckc3€ pocH oKpon/WHHiiM'. Geitler hatte Reclit (S. 69), dass

diese Ligatur von dem Nasalzeichen se ganz verschieden ist.

S S BFür das glagolitische ii kommt auf unseren Blättern nicht blos das runde, wie eine

arabische 8 aussehende Zeichen vor, sondern auf Bl. A, a, 16 schon das spätere länglich-

sclmiale, oben und unten eckige, in der Mitte nur massig eingebogene. Also schon wieder

zwei Typen auf demselben Denkmal vereinigt, deren zweiten, den eckigen, die spätere

Schrift vorg'ezooren hat.

Ä t I'

Das zweite in der späteren kroatischen Glagolitza immer mehr aus dem Gebrauch konmiende

glagolitische Zeichen für l sieht man noch auf Blatt B, b, 8 (und in Spui-en auf A, b, 16).

Die oberen Bestandtheile des Buchstaben sind hier noch gerundet, während sie in der spä-

teren Schrift eckige Form bekommen. Eckig sieht dieser Theil des Buchstaben auch schon

in dem Achrider Fragment (bei Geitler auf der zweiten Tafel) aus. Das untere Dreieck ist

bei uns stark entwickelt, während es im mis. kuk. (das Facsimile bei Geitler) sehr schmal

aussieht. Unzweifelhaft kann dieses Zeiclien als ein Kriterium bei der Altersbestimmung

verwerthet werden. Nur in den älteren Denkmälern der kroatischen Glagolitza kommt es

noch als selbstständiger Buchstabe, als Initiale, vor, z. B. auf Blatt 271, welches dem mis.

nov. ganz am Ende nur angebunden ist, ohne ursprünglich dazu zu gehören (s. oben S. 34),

sieht man in dieser Weise, als Initiale, den Buchstaben zehnmal angewendet; auf demBlatte 1, in gleicher Weise vorn angebunden an mis. nov., ohne dazu zu geh(3ren, kommtes zweimal vor. Dagegen im mis. nov. herrscht durchgehends das andere glagolitisclie Zei-

clien fi und das 'S ist beschränkt auf den Gebrauch in den Ligaturen, als hjk und ha.

Eine merkwürdige Analogie zu dem bisher nur in einigen kroatischen Inschriften

Veglias nachgewiesenen Zeichen i in der Bedeutung des Lautes i bieten jetzt unsere

Blätter, wo i zweimal vertreten ist: in a-sw-fa». B, a, 12 und in iMb ib. 15. Die Combi-

nationen Geitlers Uljer den angeblich albanesischen Ursprung dieses Zeichens haben für

mich auch jetzt noch nichts Ueberzeugendes (1. c. S. 80), mir erscheint noch immer' als das

Wahrscheinlichste, dass dieses Zeichen ein Eindringling aus der lateinischen Schrift ist, der,

vielleicht als eine Kürzung des •? aufgefasst, dieses ersetzte. Dass gerade aus diesem i

' Vergl. Archiv für slavische Pliilolorrie VII, 4.54.

5*

Page 36: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

36 n. Abhandlung : V. Jagiö.

{= i) jene spflter allgemein verbreitete Function des i (als Zeichen für k) hervorgegangen sein

sollte, wie Geitler meinte, der von einer Umstempelung sprach, das klingt in hohem Grade

unwahrscheinlich. Abgesehen von der Bedeutungsverschiedenheit ist noch das sehr seltene

und nur zut^Uige Vorkommen des i als i in Betracht zu ziehen. Hätte i als i in einer

gewissen Periode des glagolitischen Schrifttlumis sich allgemeine Geltung verschajffen können,

so wtirde es a) nicht so leicht sich verdrängen lassen und b) nicht die Bedeutung gewechselt

haben. Ich glaube aber jetzt gerade durch unsere Fragmente auf die richtige Fährte ge-

kommen zu sein, um die Entstehung des gewöhnlichen i als Halbvocals erklären zu können.

Es ist walu'scheinlich nichts weiter als eine Versteifung und Verlängerung des in das Niveau der

gewöhnlichen Buchstaben eingereihten Zeichens t. Man beachte den Umstand, dass dieses

Zeichen nicht immer die volle Höhe des Buchstaben erreicht, als ein ganzes i, sondern zuweilen

auch wie t (also wie die obere Hälfte des ganzen t) aussieht. Darin hat sicli wohl die

Erinnerung an den Ursprung des Buchstaben (aus dem steifen j) erhalten. Ich nehme

daher meine früher im Archiv VII, 455, ausgesprochene Vemuithung zurück und halte jetzt

an der schon in der russisch geschriebenen Abhandlung (^lexLipe cTaTBii, S. 131) vom Jahre

1884 versuchsweise gegebenen Deutung fest.

9

Das Zeichen für o kann mit vollem Recht als eine Uebergangsform bezeichnet werden.

Die beiden Schlingen des Buchstaben sind auf unseren Blättern noch immer rund oder

oval, aber der Vex-binduugsstrich sieht nicht mehr bogenartig aus, sondern fällt meistens

senkrecht lieral). Aehnliche Figur dieses Buchstaben findet man im Fragment Mihanovic

und in dem Laibacher Homiliarium.

9^ 9a- a^ $Bezeichnend ist die Figur des Buchstaben oy, auch hier liegt schon das fertige Vor-

bild des späteren kroatischen Zeichens vor. Von einer abgesonderten Stellung zweier 83,

wie sie in den Kijewer Blättern und Prager Fragmenten die Regel bildet, findet man hier

keine Spur, die beiden Bestandtheile sind schon zusammengeschweisst in eine einheitliche

Figur. Die einstige Selbstständigkeit derselben ist allerdings einigermassen noch sichtbar,

namentlich in der ersten Hälfte tritt das ursprüngliche 3 deutlich hervor, während in der

späteren Gestaltung des Buchstaben der Rücken dieses ersten Bestandtheiles geradlinig

aussieht. Eine solche Form des liuclistaben, wie sie hier erscheint, kehrt dann und wann

noch in den ältesten eckigen Denkmälern der glagolitischen Schrift wieder (Fragm. mis.

kuk., Theklafragm., Hom. lab.); sie ist aber auch schon in eniigeu macedo-bulgarisclien

Denkmälern vorhanden, z. B. im Achrider Evangelienfragment, im Eucholog. und Psalt.

sinait. Fflr wesentlich halte ich bei diesen Buchstaben nicht die geringere oder stäi-kere

Zusammenrückung, sondern die vollständige Bewahrung der wahren Gestalt beider Bestand-

theile, die man namentlich daran beobachten kann, ob der zweite, angelehnte Theil gleich-

falls die beiden Schlingen noch deutlich erkennen lässt oder nicht; auf unseren Blättern

und in den tlbrigen kroatischen, soAvie in den vorerwähnten macedo-bulgarischen Denk-

mälern ist das nicht mehr der Fall, der zweite Theil der Buchstaben sieht da Avie e,, nicht

wie a aus.

Page 37: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 37

yo ^Das Zeichen für w ist auf unseren Blättern sehr beachtenswerth, es hat sich in der

alten Figur p- erhalten, deren oberer Theil noch nicht eine compacte trapezfönnige Gestalt

angenommen hat, wie das in den kroatischen Denkmälern des eckigen Typus der Fall ist,

sondern aus zwei abgesonderten, fast wie ein ro aussehenden Elementen besteht. Diese

Figur nun ist gerade den ältesten Denkmälern eigen, wird aber schon in dem Achrid.

Evangelien-Fragment, in dem Mihanovic'schen Fragment, im Abecenar. bulgar. durch die

andere, an das spätere kroatische mehr erinnernde Zeichen ersetzt.

°8 'tQ off

Das charakteristischeste Merkmal unserer Blätter in paläographischer Hinsicht ist ihr

rO, neben welchem, \A-ie bereits gesagt worden, keine Spur des späteren kroatischen i zu

finden ist. Auf diesem graphischen Standpunkt sehen wir zunächst das Fragment Mihanovi(!;,

doch ist sein /ff bedeutend eckiger und links hinausragend zeigt es nicht eine Schlinge,

sondern einen nagelartigen Kopf, beruht also nicht auf dem älteren «, sondern auf fl.

Zum .Mihanovic'schen Typus stimmt stellenweise das Zeichen, welches für diesen Buch-

staben in den späteren Bestandtheilen des Zographus zu sehen ist, während auf der drei-

zeiligen Interpretation des sinait. Psalters (nach Geitler a. a. O. S. 85) das gleiche Zeichen

schon mit der Schlinge versehen ist, also ein « voraussetzt. Der ellipsenartige Körper des

Buchstaben begegnet schon in einigen späteren macedo-bulgarischen Denkmälern (z. B. auf

Achrid. Fragm.) und ferner auf einer Inschrift in Veglia (vergl. Geitler a. a. 0. S. 85). Der

Grundsatz, den betreffenden Vocal (es werden nicht mehr zwei unterschieden) durch -8

wiederzugeben, kommt auch im Prager Fragment II und in dem späteren Zusatz der

Kijewer Blätter zur Geltung. Das in den ki'oatischen Denkmälern eckiger Schrift neben i

gebrauchte Zeichen, welches, wie wir bereits sagten, seit Safafik als Kriterium des hohen

Alters angesehen wird, beruht unzweifelhaft auf einer Umgestaltung dieser Figur: aus der

Ellipse machte man ein Viereck, der Schlinge gab man ebenfalls ein viereckiges Aussehen^

zuweilen senkt sich dieser links hinausragende Theil bis an den Fuss der Buchstaben und

n-ird mit dem viereckigen Körper innig verknüpft £ß_. Auf unseren Blättern gehört der

Buchstabe noch zu den entschieden runden Typen. Das merkwürdig starke Herausragen

der Schlinge nach links erinnert an die Gestalt des Buchstaben im Abecenarium bulgaricum,

an die Kijewer Fragmente imd Prager Blätter, zum Theil an die Achrider Evangelien-Frag-

mente, an die glagolitischen Buchstaben des Bologner Psalters u. a.

Als Stellvertreter des einzigen Halbvocales r« figurirt ein Zeichen t, welches sich nicht

an die üblichen Spiritus asper oder lenis anschliesst, sondern ein eckiges Aussehen hat, un-

gefähr wie T.

A

Das Zeichen für -k bietet keinen Anlass zu besonderen Bemerkungen, der Buchstabe

ist nach der Gestalt, die er auf unseren Blättern hat, oben etwas breit abgestumpft, was

auch sonst recht liänfig vorzukommen pflegt.

Das Omega ist auf unseren Blättern eben so wie das Ypsilon unvertreten geblieben.

Die Präposition ot-r wird immer durch o mit einem fast in gleicher Grösse überschrie-

benen t ausgedrückt.

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38 n. Abhandlung : V. Jagiö.

2. Zeichen für Consonante.

V QJ3 Ä — odOI] Cftl Ob

Von den Consonanten haben den eclitrunden Typus vor allem die Buchstaben v und abewahrt. Die schön gestalteten Rundungen dieser Buchstaben sind mit spitzförmigem

Bogen (besonders stark bemerkbar bei ,-j^ auf Blatt B, a, 12) verbunden. Der Tyjms

dieser Buchstaben auf unseren Blättern überragt jenen des Mihanovic 'sehen Fragments undder eingeschalteten Zographusblätter, was die Rundung betrifft. In kroatischen Denkmälern

späterer Zeit wrd a ganz eckig, allein in den ältesten derselben ist die rechte Hälfte der

Buchstaben noch immer fast so hoch, wie die linke, so dass der Unterschied zwischen

X und T (ih imd ot) ein minimaler ist. (Vergleiche Fragm. mis. kiik. oder Hom. lab., woman noch die bogenförmige Verbindung beider Vierecke sehen kann). In späterer Gestaltung

sinkt das rechte Viereck des Buchstaben bis zur halben Höhe des linken herab.

Der Kopf und der Schweif dieses Buchstaben sind gerundet, wie noch im hom. lab.,

der Schweif erstreckt sich zuweilen sehr weit nach rechts, steckt nicht so tief unter demKopf, wie z. B. auf dem später geschriebenen Blatt der Kijewer Fragmente oder im Assem.

Sonst bietet die Gestalt dieses Buchstaben nichts bezeichnendes.

Die erste, linke Hälfte des Buchstaben »> ist oval, wie der Hauptkörper bei »e (vergl.

A, a, 2, 13, B, a, 5, B, b, 8).

h

Auffallend gross ist «>, die nach links geneigte Hauptlinie ist oben imd zum Tlieil auch

unten abgegrenzt durch einen feinen horizontalen Strich, sie reicht zuweilen (A, a 7) selbst

bis unter das Niveau der Linie und die Schlinge erstreckt sich in ziemlich horizontaler

Richtung nach rechts, ohne jedoch die Basis der Hauptlinie zu berühren. Mit dem horizon-

talen Strich ist die Hauptlinie dieses Buchstaben auch sonst versehen, z. B. im Achrider

Evangelienfragment, in dem Prager Fragment und in den späteren kroatischen Texten, so

im Fragm. mis. kuk., Hom. lab.

Sehr auffallend ist die Figur des as und merkwürdig wegen der Uebereinstimmung mit

der Gestalt, die derselbe Buclistabe auf der grossen Bagka-Insclirift zeigt. Diese Ueberein-

stimmung beschränkt sich allerdings hauptsächlich auf die Hörnchen, die in diesen zwei

Denkmälern, ganz getrennt von einander, parallel in die Höhe emporragen, während sie

sonst überall von einem spitzen Winkel aus in divergirender Richtung auseinandergehen.

Die beiden Striche, die ich Hörnchen des Buchstaben genannt habe, stehen auf unseren

Blättern weit auseinander als immittelbare Verlängerung der beiden inneren Seiten der

Untertlieile. Je isolirter sonst dieser Typus des Buchstaben ist, da ilnn die übrigen bekannten

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Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 89

Denkmäler nichts entsprechendes zur Seite stellen, um so erwünschter konunt uns die

Parallele auf einem Denkmal, mag es auch eine Inschrift sein, auf heimatlichem Boden.

Das Psalterium Sinaiticum zeigt eine kleine Aehnlichkeit, insofern auch dort die Hörnchenzunächst getrennt von einander, aber parallel emporstreben, doch später biegen sie nach

rechts und links ab.

A nf

Die Figur des Buchstaben t gleicht auf unseren Blättern entschieden dem alten undnicht dem späteren kroatischen Typus. Das bezeichnende Merkmal besteht darin, dass später

der Oberkörper aus drei parallel laufenden senkrechten Säulen gebildet wurde, deren äusserste

(rechte) oben mit einer Schlinge versehen ist und wie ein lateinisches P aussieht. Die untere

Schweifung dieser Schlinge reichte in älteren Denkmälern nur bis zur mittleren Säule (so

im miss. nov. und auch schon im Fragm. miss. kuk.), in späteren (z. B. in der edit. 1483)

umschlingt sie bandartig alle drei Säulen. Ausserdem waren in älteren Texten von den drei

Säulen die erstell zwei (die linke und die mittlere) oben durch horizontalen Strich verbunden,

die dritte stand frei; in späteren Texten (z. B. edit. 1483) sind alle drei nach oben offen

und frei. Dass die erste Art der Zeichnung dieses Buchstaben die ältere ist, das zeigt die

andere Gestalt dieses Buchstaben, die in den ältesten macedo-bidgarischen Denkmälern und

auch auf unseren Blättern vertreten ist. In diesen älteren Denkmälern kommen nändich

neben dem P nicht noch zwei gleich hohe Säulen vor. sondern nur links zu Fuss jener

wie P aussehenden Bestandtheile sieht man einen kleinen mit horizontalem Strich gleich-

sam angebu.ndenen Kreis, oder statt des vollständig geschlossenen Kreises (wie z. B. in glag.

cloz.) ist dieses Anhängsel noch viel häufiger nach unten offen, so dass es zuweilen nicht das

Aussehen eines umgestürzten gewölbten Bechers hat. sondern spitzig ist, einer kleinen Pira-

mide ähnlich. Die letztere Abart, die man gelegentlich auch im Assem. beobachten kann,

ist auf unseren Blättern vertreten. Auf unserem Blatt (II, A, Z. 7) sieht nämlich der eine

Bestandtheil des Buchstaben AAae ein kleines umgestürztes a aus, das an ein etwas höheres

rechts stehendes P durch einen kleinen Strich gebunden ist.

Beim Buchstaben k unterscheidet man im Glagolitischen zwei Typen. Der eine von

ihnen, den man füglich als den älteren ansehen kann, zerfällt in zwei von einander getrennte

Theile: eine dreimal gebrochene Linie bildet den Hauptkörper des Buchstaben, zur linken

Seite des dritten Stücks dieser Linie geht parallel laufend mit diesem eine kleine Linie, die

sich in der Regel mit jenem Hauptkörper gar nicht verbindet. So sieht der Buchstabe in

den ältesten Denkmälern aus, z. B. assem., zogr., mar., kijew. Der untere Strich kann mit

der gebrochenen Linie zu einem Ganzen verbunden sein, wie es zuweil im glag. cloz. (a. a. 0.

S. 123), namentlich in den Ueberschriften, der Fall ist. Jener untere vollständige Strich

kann bei kleineren Schriftzügen, dann und wann, zu einem eckigen Pvmkt zusammen-

schrumpfen, wie im Sin. psalt., im Prager Fragment und Fragment Mihanoviö. Es kann

aber auch jede Spur desselben versch^vinden — und das ist der zweite Haupttypus des

Buchstaben, der in allen kroatischen Texten regelmässig zum Vorschein kommt, selbst die

ältesten Denkmäler der eckigen Schrift, Fragm. miss. kuk. oder hom. lab. nicht ausgenommen.

Bisher hatte es einen Anschein der Berechtigung, den ersten Typus ,bulgarisch', den zweiten

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40 H. Abhandlung : V. Jagii'.

.kroatisch' zu neunen. So ungefähr stellte sich Geitler die Sache vor (vergleiche a. a. 0.

S. 123). Nuu legt sich auch hier unser Fragment ins Mittel und zeigt, dass auf dem kroatischen

Boden beide Typen, sowohl der altere wie der jüngere, vertreten waren. Auf unseren Blättern ist

!> in der Mehrzahl der Fälle entschieden mit einem punktartigen Strichlein versehen, so B, a, 2

!>8A«, ib. 5 vAi-8, ib. 7 ^A+<'AP'(ro', ib. 15 t- welches über imk steht, B, b, 1 am. Aber auch ohne

Pimkt scheint ^ vorzukommen: A, a, 12 As-a, A, b, 10 3%8^3M.e, ib. 14 .'v+m«, B, a, 3 f-e^A«,

B, b, 5 !>bAf^'8. Es ist allerdings die Annahme nicht ausgeschlossen, dass in den zuletzt

angeftihrten Stellen der Punkt bei : verwischt worden ist, weil er ja auch dort, wo ich

ihn als vorhanden annehme, sehr klein aussieht und einige Male so sehr abseits steht, dass

mau sogar im Zweifel sein kann, ob jener Punkt wirklich zu dem Buchstaben ^ gehört.

AUein selbst angenommen, dass auf unseren Blättern an allen Stellen . mit einem Punkt

versehen war, auch da erklärt gerade die Geringfügigkeit dieses Punktes den weiteren

Scliritt der Graphik — nämlich seinen völligen Schwund.

cß) A A dfi rfb

Schon in der runden Glagolitza finden sich zwei Arten des Buchstaben a. Im Assem.

ev. besteht die Figur aus drei runden in ein ganzes Bild verbundenen Schlingen; eben so im

Cod. mar. Schon im Sin. psalt. Avird die obere Schlinge massig eckig. Auf dieser Modifi-

cation beruht dann die weitere Versteifung des Buchstaben bis zur gewölmliclien kroatischen

Gestalt desselben, in welcher auch die unteren Theile eckig sind, so dass das ganze

Bild eine Verbindung von drei Vierecken darstellt. Eine zweite Art desselben Buchstaben,

die auch schon in den ältesten Denkmälern vertreten ist, besteht darin, dass die obere Run-

dung über den beiden unteren, mit einem horizontalen Strich vei'bundenen Schlingen sich

wie auf einen ausgestreckten Hals emporhebt. Das musste namentlich in den Ueberschriften,

wo A als Majuskel geschrieben wurde, stark hervortreten (vergleiche a als Majuskel auf demFacsimile zu meiner Ausgabe des Cod. Marianus). Nur selten blieb bei dieser Emjjor-

streckung des oberen Theiles die Lage des Kreises central en face (wie im Cod. Mar.); in

der Regel ist da das Köpfchen nach links oder (seltener) nach rechts gewendet, sieht gleich-

sam en profil aus (man vergleiche das in der Ueberschrift stehende a im Facsiinile meiner

Ausgabe des Cod. Zographensis oder im Glag. Cloz. bei Kopitar, hier rechts blickend). Dieses

gibt dem Buchstaben ein etwas verändertes Aussehen, bei Minuskeln allerdings kaum be-

merkbar, wenn nicht alle Einzelheiten scharf ins Auge gefasst werden. Und doch beruht

selbst in der Minuskelschrit't des Cod. Zogr. das a auf der letzten, profilartigen Stellung des

Köpfchens; desgleichen die Figur des gewöhnlichen a im Psalt. Sinait. und auf dem zweiten

Prager Fragmente. Ins Eckige umgestaltet, muss ein solches a ebenfalls etwas anders aus-

sehen, als das aus der ersten Abart ins Eckige umgeprägte a, d. h. statt eines viereckigen

Aufsatzes, der sich über den beiden länglichen Vierecken erhebt, kann das nach links hin-

blickende Köpfchen, ins Eckige übertragen, nur ein auf die Spitze gestelltes Dreieck bilden.

Das ist auch in der Tliat der Fall. Man vergleiche die Figur dieses Buchstaben im hom.

lab. nach dem Facsimile bei Geitler oder auf dem zweiten Prager Fragment. Auch auf dem

ersten, dem Miss. Nov. angehängten Blatt findet man ein solches a öfters. Auf imseren

Blättern sind beide Arten des a vertreten. Einerseits findet man schon die stark ins Eckige

umschlagende Gestalt des Biichstaben als Prototyp des später allgemein üblichen kroatischen

Page 41: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. WCedigung nkuentdeckter Fragmente. 41

Zeichens (vergleiche A, a, 3, 8, 12, 13, 14, 18 u. s. av,); andererseits begegnet auch noch die

andere Figur, wo auf der Unterlage ein birnenartiger Aufsatz liegt, mit seinem dünneren

Ende nach unten gekehrt (vergleiche A, a, 13, B, a, 3, 4, 7, 8 u. s. w.).

Am entschiedensten prägt sich der ,kroatische' Charakter der Schrift unserer Blätter

in dem Buchstaben m aus. Dieser wird in selbstständiger Stellung, also ohne Ligatur mit

einem anderen Buchstaben, immer in der auch in allen Denkmälern eckiger Schrift con-

sequent beobachteten Gestalt als m geschrieben. So auch in dem Fragment Mihanovid's.

Geitler hat dasselbe Zeichen auch im Sinait. psalt. zweimal constatirt (a. a. O. S. 108), allein

desswegen seinen Ursprung auf den macedonischen Boden versetzen wollen — dazu fehlt

uns jeder Grund. Ich habe bereits anderswo die Sache so aufgefasst, dass ich von einem

lateinischen Eindringling sprach. Ich halte auch jetzt mit aller Entschiedenheit daran fest.

Zum Beweis, dass der Zusammenhang dieses Buchstaben mit der lateinischen Schrift gefühlt

wurde, möge die Thatsache dienen, dass in recht alten kroatischen Denkmälern das ge-

wöhnliche itt dann vmd wann zu 444 der Fractur werden konnte. Ich fand solche m einige

Male in den beiden an das Missale Novaks angebundenen Blättern.

Unsere Blätter kennen auch die ältere, mit vier Schlingen versehene Figur des Buchstaben

(M, nändich ?s, sowohl als Initiale wie auch im Texte, aber immer nur in der Ligatur. So ist

zweimal a\ui derart verbunden (A, a, 10, B, a, 1 2), dann am in der Ueberschrift anÄM (A, a, 10),

und öfters im Texte: anA/wa (A, b, 6), tpcÄM'k ib., oder ma: mahmk (A, a 7, B, a 13, B, b, 11),

MAHTBdMH (A, a, 9, 14, B, a, 10), ho/mao^h (B, a, 12). Einmal wurden drei Consonanten marin ein Monogramm vereinigt, dessen Hauptbestandtheil das geschlungene a\ bildet (B, a, 3).

Die Figur des Buchstaben ist in allen diesen Ligaturen so geschrieben, dass die vier

Schlingen noch rund aussehen und die oberen zwei etwas enger zu einander gespannt sind

(durch einen horizontalen Strich) als die weit auseinander gehenden unteren Schlingen,

deren Verbindungslinie meistens bogenförmig, wie bei a, aussieht; immer jedoch wird das

obere Schlingenpaar mit dem unteren durch eine kurze senkrechte Linie verbunden.

Vergleicht man damit die Figur dieses Buchstaben in anderen alten Denkmälern, so wird

man bemerken, dass z. B. im Assem. das obere Paar der Kreise (oder Schlingen) breiter

auseinandersteht als das untere, und dass die senkrechte Verbindungslinie fehlt, vielmehr

ein Knotenpimkt da ist, indem der Bogen des unteren Paares der Kreise (oder Schlingen)

bis an die obere horizontale Linie reicht. Fast ebenso sieht der Buchstabe im Cod.

Mar. aus, doch eine kurze Verbindungslinie ist schon da, eben so im Achrid. Fragm.,

Zograph. b., noch deutlicher in den Kijewer und Prager Fragmenten. Schon in den ältesten

Fragmenten der eckigen Schrift (Fragm. miss. kuk., hom. lab.) wurden die einstigen Schhngen

oder Kreise zu kleinen Vierecken, und zwar reichen die unteren zwei Vierecke an die oberen,

so dass das Ganze eine compacte, gleichsam aus mehreren Würfeln aufgebaute Figur dar-

stellt: für die Ligatur ml: ifl?, oder für mz: ^ u. s. w.

Dennoch fand ich in den beiden an das Missale Novaks angebundenen Blättern (Blatt

1 und 271) noch die ältere Gestalt dieses Buchstaben: die Schlingen sind schon zwar zu kleinen

Vierecken versteift, allein das obere Paar der Vierecke steht noch frei von dem unteren und

es verbindet sie der wohl bekannte senkrechte Strich. Ein neuer Beweis von der allmäligen

Denkschriften der phil.-hist. Cl. XXXTIII. Bd. II. Al>h. 6

Page 42: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

42 II. Abhandlung: V. Jaoic. .

Veränderung der einzelnen Buchstaben auf dem Gebiete der kroatischen Glagohtza. Es ist

Schade, dass Geitler jene zwei Blätter nicht beachtet hat, es war aus ihnen so manches zur

besseren Einsicht zu schöpfen.

S' d* ^ V

Beim Buchstaben h (-P) sind auf unseren Blättern die alten Züge noch deutlich erkennbar,

die Rundung eines lateinischen P verlängert ihren unteren Theil in gerader Linie über die

Grimdsäule links hinaus und schliesst diese wie mit einem Knopf ab. Diese Verlängerung

tritt stark hervor, wie in allen älteren glagolitischen Denkmälern, während sie in den spä-

teren kroatischen Texten fast oder geradezu ganz verschwindet. Im Fragm. mis. kuk. oder

mis. nov. ist kaum noch ein ganz dünner kurzer Strich sichtbar, im hom. lab. oder thecla-

fragm. schon gar nichts mehr. Auch am Fusse des Buchstaben findet man einen ähnlichen

horizontalen Strich.

-P PIn ähnlicher Weise ist bei dem Buchstaben r der aus der Mitte der Säule lieraus-

ragende kleine Strich bezeichnend, da auch hier die späteren glagolitischen Texte eckiger

Schrift (z. B. Fragment mis. kuk., hom. lab., theclafragm., mis. nov.) diese Verzierung gänzlich

aufgegeben haben. Unsere Blätter wahren also noch den älteren Typus.

Die untere Hälfte des Buchstaben c, soweit er nicht einer 8 ganz nahe kommt, be-

steht auf imseren Blättern aus einem Dreieck. So sieht auch in allen übrigen alten Denk-

mälern dieser Bestandtheil aus. Dagegen hat in den kroatischen Texten diese Basis des

Buchstaben die Form eines Vierecks angenommen, und zwar schon sehr früh, in den ältesten

Repräsentanten der eckigen Schrift.

Pö [IT] UJ

Die beiden Schenkel des glagolitischen Buchstaben m sind nach unten noch meistens

abgerundet und im Ganzen klein, so dass sie dann und wann nicht einmal bis zum Grund

der Linie reichen, was in der eckigen Schrift seit jeher der Fall war. Dasselbe gilt für

manches ui (vergleiche A, a, 6, 17, A, b, 4, B, a, 8, 15). Man erinnert sich dabei der kleinen

Figur dieser Buchstaben auf den Kijewer Blättern. Wenn Geitler erst in dem verlängerten

uj und OT den ,kroatischen' Charakter erblickt (a. a. O. S. 146), so beweisen abermals unsere

Blätter, dass seine Schlussfolgerung übereilt war.

Bei dem Buchstaben i^ finde ich die obere Oeffnung der gabellormigen Gestalt ent-

schieden grösser als in den späteren kroatischen Texten.

Der runde Charakter unserer Schriftzüge hat sich selbst bei diesem Buchstaben nicht

verläugnet, insofern der Nabel desselben noch nicht viereckig geworden, sondern oval ge-

l)heben ist.

Page 43: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdiguno neuentdeckter Fragmente. 43

8. Die Ligaturen, Zeichen, Initialen.

Der paläograpliisclien Eigentliümlichkeit der SchriftzUge miiss noch die besondere Vor-

liebe für die Ligaturen benachbarter Buchstaben beigezählt werden. In dieser Hinsicht ge-

hören unsere Blätter ganz entschieden der kroatischen paläographischen Schule an. Sel})st

in den spätesten glagolitischen Texten der pannonisch-macedonischen Redaction findet mannicht so häufig und so sichtbar das Bestreben nach Verkettung gemeinsamer Bestandtheile

zweier benachbarter Buchstaben, wie das bei allen kroatischen Texten eckiger Schrift und

auch bei unseren Blättern der Fall ist. So oft sich die Lautgrujjpen tv, tr, pr, gd, zd, zl,

pl, ml, gl, vi, sei es im Anlaut sei es im Inlaut, einstellen, gleich findet auch die Ligatur statt.

Ich habe auf unseren zwei Blättern, so weit man den Text lesen kann, nicht weniger als

43 Ligaturen gezählt. Dieser Hang zur Abkürzung ist bezeichnend, er steht off"enbar mit

der häiifigen Anwendung der Schrift im Zusammenhang. Die anderen uns paläographisch

bekannten Denkmäler des runden Typus kennen zwar diese Ligaturen ebenfalls, doch

wenden sie dieselben nur massig und selten an. Nur das Fragment Milianovi(j's tritt in

diesem Punkte ganz in die Fussstapfen der kroatischen Denkmäler. Um die Häufigkeit der

Ligaturen in Zahlen auszudrücken, bemerke ich, dass ich auf einer einzigen Seite des mis.

nov.. die bei Geitler facsimilirt ist, 55 Fälle der Ligatur gezählt habe.

Auch der Apostroph, d. h. das den ausgelassenen oder unbeachteten Vocal ^andeu-tende Zeichen, verdient mit einem Worte hervorgehoben zu wei'den. Es sieht entscliieden

eckig aus und gleicht einigermassen dem Spiritus lenis der griechischen Minuskel in den

Handschriften des X.—XI. Jahrhunderts. Ich schliesse aus der eckigen Form, die sich be-

kanntlich auch noch in den Kijewer Blättern vorfindet, auf die treue Bewahrung alter Tra-

dition. Diese Thatsache fällt um so bedeutungsvoller in die Wagschale, als ja in den späteren

kroatischen Denkmälern, trotz ihrer eckigen Schrift, gerade dieses Zeichen nicht mehr

eckig, sondern rund gebogen aussieht. Man vergleiche das Facsimile des Laibacher Ho-

miliariums bei Geitler.

Endlich will ich noch auf die merkwürdige Uebereinstimmung der Initiale V .(B, a,

Z. 9— 10) mit einer gleichen im Glagolita Clozianus. die bei Kopitar in einem Specimen

abgebildet ist, hinweisen und den nicht bedeutungslosen Umstand hervorheben, dass auf

unseren Blättern die Ueberschriften mit gewöhnlicher schwarzer Tinte geschrieben und nur

zwischen den schwarzen Umrissen mit Roth übertüncht sind. Auch das ist der paläogra-

phische Usus älterer Handschriften, die in der Anwendung des Cinoberroths sehr massig

vorgehen, falls sie sich nicht ganz desselben enthalten. Auch jene an das Missale Novaks

angebundenen Blätter, von denen schon öfters die Rede war, befolgen diese Regel.

6*

Page 44: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

44 II- Abhandlung: V. Jaök^.

Erster Anhang.

Bei der Wichtigkeit des glagolitischen Textes der Kijewer Blätter, auf den ich mich so oft

im Verlaufe dieser Abhandlung berufen musste, wird es hoffentlich Vielen erwünscht sein einen

getreuen Abdruck dieses Denkmals nebst der lateinischen Uebersetzung hier zu finden. Bekannt-

lich hat dieses Denkmal mein verstorbener Freund und Gönner, der Akademiker I. I. Srez-

nevskij, zuerst gelegentlich des im Jahre 1874 in Kijew abgehaltenen Archäologen -Con-

gresses ans Licht gezogen imd einige Jahre später (im XV. Bande des Cbophhkt> OTjjßnieiiin

pyccKaro H3i>iKa ii cjigbcchocth, C. üeTepByprT. 1877) in glagolitischer Urschrift und cyrillischer

Transscription, sanmit seinen Bemerkungen herausgegeben. Nicht Vielen wird die Ausgabe

Sreznevskij's zugänglich sein, sie ist auch nicht ganz fehlerfrei. Doch nicht diese Gründe

allein bestimmen mich das Denkmal hier von neuem herauszugeben, sondern vor Allem ist der

Wunsch massgebend, durch die lateinische Uebersetzung dieses Bruchstück eines Missais, das

zu recht alten liturgischen Büchern der römischen Kirche zählt, den europäischen Gelehrten,

die sich um die Geschichte der Liturgie des christlichen Orients und Occidents interessiren,

zugänglich zu machen. Wie ich nämlich überzeugt bin, dass die slavischen Kirchenbücher

der orthodoxen Kirche für die Einsicht in die noch wenig aufgehellten Zustände der griechi-

schen Liturgie des IX.—XL Jahrliunderts von grosser Wiclitigkeit sind, so halte ich auch diese

beiden Bruchstiicke des römischen Missais in slavischer Uebersetzung für beachtenswerth

vom allgemeineren Standpunkte, als einen zwar kleinen, aber durch das Alter hervorragenden

Beitrag zur Geschichte der römischen Liturgie bei den Westslaven. Zumal die Kijewer Blätter,

die ich spätestens ins XL Jahrhundert nach ihrer gegenwärtigen Gestalt, nach ihrem Ursprünge

aber ans Ende des IX. Jahrhundertes setzen möchte, lenken schon dadurch die Aufmerksamkeit

auf sich, dass sie nach den inneren (sprachlichen) Kriterien des Denkmals auf die Länder hin-

weisen, wo einst der Schauplatz der beiden slavischen Apostel, des Cyrill und Methodius,

war. Ich habe der Erklärung dieses Denkmals vor mehreren Jahren ziemlich viel Zeit ge-

opfert und mir Mühe gegeben, die Lücke, die selbst nach den Bemerkungen und Zusätzen

Sreznevskij's betreffs der lateinischen Quellen offen geblieben waren, auszufüllen. Leider waren

auch meine Forschungen bezüglich des Kijewer Fragments damals eben so wenig von einem

vollständigen Erfolg gekrönt, wie gegenwärtig bezüglich unserer neuentdeckten zwei Blätter.

Ein gleichlautendes lateinisches Missale liess sich ni<!ht entdecken. Das war mit auch ein

Grund, warum ich von der vor Jahren beabsichtigten Ausgabe abstand, trotzdem für eine

kleine Auflage sellist die photographische lieproduction des ganzen Denkmals vorbereitet

war. Die letztere soll übrigens bei dieser Gelegenheit verwerthet werden. Ich gebe den

Text nur in einer möglichst genauen cyrillischen Transscription wieder, da das glagolitische

()rii.nn;il ans der Beilage ersiclitlich sein wird.

Page 45: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckteu Fragmente. 45

Fol. Ib. B'h SV AHHh KAIM6HTfl.

(Taf.m.) . . .

b'W ITKt HlkH ' AliTA OPpbftA^U'K

MfHiKa TKCfrc i nanfMta

5 MhCThütx Kcccaiuii: n6ji,Ä-

3k lUlAOCTIB'kl ' Ji,ä CrOMff

MkCTh MkCTI/Wk • CiaÖl^

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M-K : : r-Hk:-

HflA'h OnAHTMh.

10 PoBaHHbft n npiHECCH'kHbft

CBbftTi • i )f04,aTaiAi;K>

BaaHtcHov'.uotf kah/Mihto»/'

M;t;H(HHKO^' TBOCUOlf ' CHiUk

H'kH CT-K rp-kjfk CKBpkHOCTHl

15 Hauji)("k OMiCTi : r,Mk :

riPii(DniJiH-B : Ao BkHkH-ki KJKf.

(H)kcTkHaro KaHMCHTa saKO-

HkHi'Ka i <u;KMCHn;a MkcT

20 Tl Baa^KEHOyiUOY* <>f'OCTO-

aoy TBOf/MO^ niTpoy • bti, f-

HOKOCTI nCAPOV'""* ' ^'^J HCIIO-

Fol. IL R'I^A' O^'MfHIKTv KTi HkCTI Ha-

-M'kcTkH'lK'k • ß1. M^^(HH\ Hä-

CA'kxhHIK'h : Y'"!»'"'"'» HaUJ(Mk:

110 RhO/^AÜ :

s T-katcf cBiATarc i iip-kApj-

riiHbft Kp'kBE HailAkHEHi Bli-

AHTMii lipOCLU'k PI BHtE HaiiJk :

Aa eh;« MHACCTiBa'k OK'ku'k-

HH-k HOCl/U'k - p'kCHOTIBkHa'k

10 HSA^kuiEHH-k OBk<V\Ea\'k : PMk .

Die XXIII. Clement! s.

Deus qui nos annua beati Cle-

mentis martyris tui atque pontiücis

solleranitate laetiricas, concede propi-

tius, ut cuius natalieia colimus, virtutem

quoqiie passionis imitemur.'

Super oblata.

Munera, cloniine, oblata sanctifica,

et intercedente beato demente martyre

tuo, nos per hunc a peccatorum nostro-

runi maculis eraunda. Per dominum.'^

Praetatio usque aeterne deus.

Venerabilis Clementis sacerdotis

et martyris natalieia recolentes, qui

beato apostolo tuo Peti-o in peregri-

natione comes, in praedicatione disci-

pulus, in dignitate vicarius, in passione

(martyrio) successor esse promeruit.

Per Christum Dominum nostrum.'

Post Comiuuiiioneiu.

Corporis sacri et pretiosi sanguinis

repleti libamine, quaesumus, domine

deus noster, ut quod pia devotione geri-

mus, certa redemptione capiamus. Per

dominum. ••

Page 46: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

46

B'h T'h36 AIiHh cDOAHUHTTiH

KKCfMOr'KHl K>Kf ' KAaHifH'KH

Mi pa^l M;kH(HIIU^ TBCXM

15 «{^(AIIUT'KH K-KKOYIIkH;K(^

a\oahtba; : i Toi>ft3c fiAxi

SaiUsl^TI HTvH : PiWk :

HA'h ÖllA

Ha CiXCHj'JKkKTvH AWAMl TKCIY'*'

mhaocthm; npiskpi - i . . .

20 Cf H'kll MkCTkW» CRI»ftT-kH]fk Hk-

CThvx'k : ckTßopi H'kll pa^o-

CTkNlvH • KTk KlvSkN-k/Mk :KHBOT('k)

Fol. IIb. nO B'hGAvAli

(Taf. IV.) G'kM-kpkHO TIA MOaH/M-k Kkci-

AtOr'KI KiKf MO/\HTKa/V\l CKMk-

rkH)fK TKC>l\"k l T'kH CAMls.

5 B^A' l A'IP''^ TK*' K'KCtAI

ß'k H-kH ' l Kp^iMIA HaUlC &!%.

npaiikA^ iiocTa'Ki : • fmw :

MhiJJ-& NH ßhGhft AIiHL Bh

Gero AüTa ökia^Uü :

10 ß'k 1>K( TKapk CRÖHUk B(-

AkAti nOiUiAOBa ' i 110 rnH;-

R-k CBOEiUk • H.SKOai R-k-

iiA'kTHTi CIA c'kiiac(HH-k pa-

A' MAOR-kHkCKa • l B'kCJfO-

15 T-liR'k Haivt'k oyTRpkAi cpk-

Akl^ii Hailliv l iMHAOCIHW;

TKOfUi» iipocB'kTi H'WH : P/Wk :

HflA'' ÖlIAflT'fiMFj :

Rai.3'k Hac'k ba;ai ' »pöci-

20 M'w TIA i /MoaiTR* Haiu;^

II. Abhandlung : V. Jagiö.

£od(;iu die Felicitatis.

Tribue nobis, quaesumus te, omni-

potens deus, per beatam martyrem

tuam Felicitatem completam orationera

et per eandem protege nos. Per do-

minum.'^

Super oblata.

Vota populi tui propiciatus respice,

et quorum nunc nos sollemnia sancto-

nun celebramus, fac nos gaudere in

vita aeterna."

Post coiuimmioiit'iu.

Supplices te rogainus, omnipotens

deus, suftplicationibus sanetorum tuo-

rum et tu ipse adsis, et munus tuuru

colloces in nobis et tempus nostrum

iuste disponas. Per dominum.'

Missa ad omiius dies totiiis

aniii (annua).''

Deus, qui creaturam tuam valdc

miseratus es et post iracundiam tuam

pro Salute hominum incarnari digna-

tus es, et benevolus nobis confirma

corda nostra et gratia tua iUumina nos.

Per dominum."

Super oblata.

Adesto nobis, quaesumus, dominc,

et preces nostras exaudi, ut fiduciam

Page 47: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neobntdeckter Fragmente. 47

OVCAHiHUII ' 4,d Oyn'kKdHHE

(B'k)HkA\fM'k A'^ATk CKOIjfk '

l B'k AKVBIvBk A'^PI^ (1^ '^^-

kIc npiHOciiU'k : rA\k :

Fol. III. IIP-B^Dfll^H-fi: B'kHhHki Ka?f:

H(KECkCK'kHM\ TßObA CUlvH

npOcf/H'k l lUÖ/MiWk • JS,& CK

R'kHiUkmiUi TKOi.Mi ' ;v,o-

5 CTOIHHiH C'kTßOpllUI H'kH : l-

B'kskHa'k TBÖii l]^'K»C 7tiMi,\A-

IM^K n<l4,dCk HatWK iUlAOCTI-

KkHO : Y<Uk r<Uk HaiUlMk ' IMk

110 B'hG/^A'B :•

10 ripÖCI/MTv TIA ri A<>3'' HdA^-k *

fi,i CBMT-kl TBOI B'kC;^A'»'

nptfMA\ihH,l AÖCTOIHI K».

fi,lM'K OMIlUMfHH'k TßOfrO '

i B-kpa TKO-k B'k Ha'ck m b'k-

15 SApäcTITTi : TMk HaUIIMk HCM '

^ MFiIll-B e Ö T0Mh36

ripOCIiVt'k Tbft BkCCiUOr'kl R^k-

HkH'M EXt npi3kpi Ha MQ-

MTRJk HAUlik • l K'kH;t;-

20 TpkH'k'k HAluii OMICTI " "klKf

HTkH COY'UIIAT'k rp'k)fKH HaUJI-

A»l : A^ /WiaOCTIWi TBOf-

Kk iseaBi H'kH : riUk naiui

HflAt ÖnAÜThMFi :

Fol. nib. Gkl npiHOCk npiHCCCH'M TtK-k

CTaf V ) « 'V ' n npociM-K Tb» npiiMi : i-

«t (ci KaarocacKtcTiATk

Ha c'knaccHHE Hauii : rMh Hauii :

operum nostrorum capiamus et in cari-

tate donum hoc tibi offeramus. Per

domimim. "•

Praefatio. Aeterne deus.

Caelestes tuas virtutes, quaesumus

et rogamus, ut supernis tuis dignos

nos efficias atque aeterna tua, quae

appetimus, tribuas nobis clementer. Per

Christum dominum nostrum, per quem

Post communioiiem.

Quaesumus te, domine, praesta no-

bis, ut Sacra tua communione sumpta

digni efliciamur purificatione tua et

lides tua in nobis ut succrescat.** Per

dominum nostrum.

Missa altera de eodeiu.

Quaesumus te, omnipotens sempi-

terne deus, respice preces nostras et

interna nostra purifica, quae nos sic-

cant peccatis nostris, atque per miseri-

cordiam tuam redime nos. Per domi-

num nostrum.

Super oblata.

Hanc oblationem tibi delatam, do-

raine, quaesumus te, suscipe, quam bene-

dixisti ad salutem nostram. Per domi-

num nostrum.

Page 48: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

48 11. Abhandlung : V. Jagiö.

CTI TKCCIrfk lipOCIiU'K : npi-

3'kKdA'k HiiH fci n ' A^ Hcnpa-

Kl H-hH l OHIC'l'l ' HC Häuil- .

cro pa^,! i>K( (ci OE'ku'ka'h

HÄMTk : M R'k3/H0}KIA\'K A®V'

Uliv/Ul l rljaiCkH l «UliHCAk-

Mi Haiiii/v\i ' iipibftTH 3ano-

15 K-k^l TKOIA : MiJKf fCI nOC'k-

AAA'K K'k HAM'h. : J^AAk TiWk Ha-

lUlMh l<Uk;K( RCaiMk .

110 BTiG/^A'fe :

GrIATtTi TROI R'kCKKA'K

20 Fl l«( icM'K R-KahfiM A\0-

ai.U'k TIA • Ji,A OMICTHT'k

H'kH OT'k rp'kjf'k HaUll\"k : l

K'k HfRCCkCI^-ki AlCR-kRI

iipHRf^\n"k H'kH : PMk Haui :

Fol. IV. Mhlllli V T0AVIi36 :

llpOctuU'k TIA KkCI/MCT'kl

SXt jS,A 'kKOH<( (CA\'k CKp'kRkHI

rp'k]('kH Hauji<ui : ««laocTk-

5 Kk. TROCM; OT'k Rkck^Ti 3'k-

AHI HaUIIY'k OHICTI H'kH :

PA^k :

imA'i- öiiAnri.AVh :

llpiiiUH ri ripoci<v\'k tia iipn-

HOCk eil ' npiHCCCH'kl TfR-k-

10 HSKaRrttHii'k paA« laoR'k •

MkCKa i ckApaRii Ha<Mk

Aa3k • l AM'UIIA HailllA i T'k-

Praefatio ustjue aetfriie deiis.

Ut to sequaiuur et misericordiaiu

tuam exoreums, vocasti nos, domine,

itaque corrige uos et iniinda non per

opera nostra sed per votiini tuum quod

nobis proinisisti, ut animis et corpo-

ribus et mentibus nosti'is praecepta

tua suscipere valeamus (mereamur),

quae misisti nobis. Per Christum domi-

num nostrum, per quem

Post coiumiiitioiieiu.

Sacra tua communio, domiiic, quam

sumpsimus, quaesumus te, purget nos

a peccatis nostris et ad amorem cae-

lestem nos perducat.'^ Per dominum

nosti'um.

Missa tertia de eodeiu.

Quaesumus te, omnipotens deus,

ut sicuti peccatis nostris contristati su-

luus, per misei-icordiam tuam ab Omni-

bus pravitatibus purges nos. Per do-

minum.

Super oblata.

Suscipe, domine, quaesumus te, lio-

stiam hanc tibi oblatam pro redemptione

hominum et sanitatem nobis da et ani-

mas nostras atque corpora emunda

Page 49: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente. 49

MCA OMHCTI • a MOrtlTK*

HdiiiA; npHUUi : P/Uk :

15 y\0 K'kskH'hi KJKf ;•

TliH fCI «HBOT'k HaiUk PI 0-

TTi HCB'kHTI'k KO BTi K'kHT(H()

CkTKOpiATv WkH (Cl " l OTTk-

naA'KUJbft K-kCKpfiCi naK-KH '

20 fl,A Ha/MTi Hl A*CT«''T1» TtK'fc

CTirp+iUiari : TRcix JKt c;&-

T-k BkCK • HEEECkCKa-k l 3f-

lUAkCKa'k n •

a** "•"»^h ca^MTv

OTTk rp-k)fTk Hauji^nv HSEaBH

25 HTiH : ]f(Hk ratk ;

Fol. IV b.

(Taf. VI).JSt,A3W HAM-h. KkCEMOr'kl R»:( '

fi,A 'kKO^KC HlvH ECl HEBECkCK'kHbA

llll^hK HaC'kHTIrt'K : TaK03E

5 :KE l >KHKOT'k HaUlk CIAO-

Mx TROEKK OYTBpk^i : r<Mk :

MhUI-B : ^ : Ö 'rOMh36

(L^liicapkCTB'li HaiiiEjUk ri /ui-

aocTkKi; TBOEiAx npiSkpr :

10 l HE 0T'k/l,a3k HaiUEPO TO^"

3lM'k l HE OKpaTI HaCk

Rix na'KH'k Hapo,v,o<u'k iiora-

HhCK'h'iiAt'k :Y<> PMi r'i "a-

lilEPO ia?E HljCapiTTv C'k OTk-

15 l^E/Mk l CTv CBI>ftT'kHiUk :

TboIj l^npK'kHa'k TBpk^h 3a-

UIMITI HHiH n ° l«H<E ECl

OBpasikAik cBOiMk oyno-iJenkschriften der phil.-hist. Cl. XXXVIII, B'l. 11. AhU.

precesque iiostras suscipe. Per domi-

num.

Pracfatio usque Aetcriie deus.

Tu es vita nostra, domine, namque

a iion essentia in essentiam nos creasti

et cadentes (deficientes) iterum suscitasti.

Neque nos decet tibi peccare; tua enim

sunt omnia, caelestia et terrena, domine;

tu autem ipse a peccatis nostris libera

(redime) nos, per Christum dominum.

Post couimuiiionem.

Da nobis, omnipotens deus, ut sicut

nos coelesti cibo satiasti, sie et vitam

nostram virtute tua eonürmes. '^ Per

dominum.

Missa quarta de eodeiii.

In regnum nosti'um, domine, miseri-

cordia tua intuere, et quae nostra sunt

alienigenis tradere noK, neque nos in

rapinam paganarum gentium convertas.

Per Christum dominum nostrum, qui

regnat cum patre et sancto (spiritu).

Super oblata.

Tuae ceclesiae tinnitas protegat nos,

domine, quam imagini tuae assimila-

visti, quam nos colimus ad medelam

Page 50: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

50 II. Abhandlung : V. Jaoiö.

20 A^KIA'K • HiyXl H-KH HkCTI-

«WK HÄ KaAkCTKO HÄUlt ' TO-

(r)o paAi cci HäiWk Kicsk-

rMw HauiiiWk :

Fol. V. nP1i<I>(fli;H1i . . .)

Ad iiK'kHH« C^r-K TBOMk Cl

CAOl^'HCkBnvH K'k»;AIÖBA(H'kH-

M> ' TaK'kH»:( iWkHCakMI CBO-

5 liUI HTkH TKOpiAtTi ' A TTiH

CAM1%. PH npHCHO H'kH lipiCiWAl :

fi,A K'k3/M0»;(/U'k npaBk4,k-

HA-k TKO-k HacA-k^'^KaTi •

10 i OT'k HEnpi'k.3NIH^ A'^'^'''

OMICTHTI CA : )fiMk T/Mk HaUI-

iUk : liV\kH;( BiAISkCTBO :

nostrain, proptor quam nobis sempiterna

promissa'^ adtulisti. Per dominum no-

strum.

Praefatio.

Ut sicut haec tua ofticia gratissima

sunt, talia nos mentibus nostris fa-

ciamus ; tu autem ipse, domine, semper

nos sustine, ut iusta tua imitari et ab

operibus diaboli mundari valeamus. Per

Christum dominum nostrum, cuius ma-

iestas.

*

110 BliG/^AÜ :

TboIi cBMkTa'k KkciMor-ki

B>K( ' 'k^Kt C( H'kH npiCMACM'k :

lö Ha pa3;l,p'klll(HH( ° l Ha OMHUIMt-

HHf HaA\-k KA;,\^ : A T-kH CA

/Wk nOMOUklA« TROfKK Riv-

HkHOK»» .SaillHITI H'kH : T/Mk

AYI.IIlli 6h 6 rOA\l,36

20 llpoci/U'k Tl/A n B'k.3AKI-

PHi cpk^ki^a Haurk ktv TfK-k o-

T'k 3(<U/\kCK-kH)^'k nO)('OT(HI)

Ji,A RTkSiHOHil/M'k JfOTilTI (HJ-)

KfCkCK'kHiU'k TBOlAX'k •

Fol. Vb. (UnA'ii oiiAnr'i.Mii

(Taf.Vn.) ^llKkHIKf ,\A(I-KH IMAiWk ' Hp'k^'k

TOKOKK c;üT'k ' l HpOCIAX'k

Post eomiuunioiiem.

Sancta tua, ''^ omnipotens deus, quae

nos hie sumimus, in absolutionem et

purificationem nobis sunto, tu autem

ipse praesidiis tuis perpetuis tuere ">

nos. Per dominum.

Missa qninta de codem.

Quaesunaus te, doniinc, excita corda

nostra " ad te, a terrenis cupiditatibus

ut caelestia tua appetere valeamus.

Super oblata.

Qualia mimera liabemus, eoram te

sunt et, quaesumus te, suscipe ea, ut

Page 51: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdiguno neuentdeckter Fragmente. 51

TIA npil/MI bA •A<» 'HTkH KTiSi««-

Ö »E/U'h B'k B'KH^/MORAiHHI TKOC-

EMK : r<v\k HauiiiUh :

np-BOfl

S'KAOBa HAlwk HC K'hp'kCHI Cbft B'k

HaCK ' H'k H3;t,P'klllEHHC B'ksk-

10 HOE npiCHO Ha'iM'k K^A' ' ri

HaiuEro paAi : T-k ko H-kH ca-

/Wk OTTi Tk/MkH'kH)fk OTTiBE-

AE : i OMicTi • i saKAEnE

i A*<^T*iH<> HSBaßi : )f/«k

16 r/Uk HaiiiHA\k :

alia in cariüite tun promereamus. Per

dominum nostrum.

Praefatio usque aeterne deiis.

Neqnitia nostra ne inveterescat in

nobis, sed redemptio aeterna continuo

nobis Sit, per dominum nostrum; hie

enim nos ipse a tenebrosis abduxit et

purgavit et reelusit et dignanter re-

demit. Per Christum dominum nostrum.

HO BTiO/fxA'fi :

B'kCA^A'^Ha'k lUOAiTBa Haiui:

«YTBpkAI H'kH ri R'kHkH'kHMI

TBCi/Mi : i no4,a3k Ha'/Wk ck-

nacEHHE TBOE : r<ük Hauii/Uk :

Post communionem.

Preces nostrae communionis mu-

niant nos, domine, aeternis tuis et tri-

buat nobis salutare tuum. Per dominum

nostrum.

20 Mhlllli 3:0 T0/Uh36 :•

(T)TkH n OTk<UI H'kH OT'k A;i;KaBk-

cTBa HaujEro • i tboeja; m\a<>-

CTHM; OEpaTH H'kH Ha HpaBk^^

tbom; : Piük Haiuhuk :

Fol. VI. mXi^ ÖnAHThMh :

npinECEHlCl TEK'k ri Ckl Mfi-K

l«?E T'kH ICI Ji,AA'K l C'kTBO-

pWk l^ip-kK-kBE paA? TKOE-

5 MV - t »<IBOTa l np'kcTaBAE-

HH-k HauiEPO pa^i : i ckB^kcroy-

E/U'k H'kH ' 'kKO BaakCTBO E

CT'k t6 «HROTa K'kHkHaro :

rmk :

Missa sexta de eodeiu.

Tu domine eripe nos a malitia nostra

et per misericordiam tuam converte nos

in iustitiam tuam. Per dominum no-

strum.

Super oblata.

Oblatum tibi domine hoc munus,

quod tu dedisti et instituisti pro eccle-

sia tua et pro vita atque morte nostra,

nos profitemur medicinam esse vitae

aeternae. '**

Per dominum.

Page 52: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

52 II. Abhandlung : V. Jagiö.

npii<i>flunii AO

10 K'kHkH'KI K}K( :

AVoAliWK CIA HCOy \-0V|' C'KHHOy

TBOEAioy n HauifMcy •

a<*

.UlAOCTkUK CKCCKK aaiiiHi-

TITTk HTkH l CknaCfTTv : Kl-

15 }K HirOHCf KO lUlAOCTI Hi K'K-

3iU0>KE<U'K HHMhCOJKI C'KTKO-

piTi : T-t/Mk «« ca/Mcro

Uro pa^i A'ipi^H ' 'Hi'tocTk

npi(<UA(iU'k l KTv rtWK'kKI

20 ;KHBEi\\'k : YMk FMh HMUlMk

110 H'hGi1\A'B :

H'Kc;i;/k,a TBOcro n HackH-

l^iHI npOCI/M'k TIA ; OTTi Kk-

Fol. VIb. ('^X'*' "POTHKIAUlX-k CIA Ha'-

(Taf. Vni.) M'K ckiiaci htiH : r^Mk Hauii ;

A\;(;hehikii TKOi)("k n Hk-

5 CTI HkCTIAHC /MOrtliM'k TIA

npociA^c : fi,A 'Ukoke ia fci

CaaKCHAv TKOfl^ HEKCCkCKÖY-

m; oyTspkAi'^'K : TaK03( }KE

l HliH /UlAOCTIKk^ TR0(M;

10 npiiur PiUk :

NflA'l' OIIAflTMEi :

liplHOC'k n lipiNECMTkl TCB'k

/UAi^iwiiKni cKiAT'kHY'k pa-

4,1 npH/u^ : i A\oaiTKa<ui

i^'k i sanoK-kAkMi troi-

15 Ml lipicn-kl HÄM'h. IIOMOUk

TROli r/Mk :

Praclatio usque aeterne deus.

Oremus Jcsuni Christum filium tu-

um, dominum nostrum, ut gratia sua

protegat nos et salvet. Nam sine eins

misericordia nihil efficere possumus.

Ideo per eum ipsum et gratias accipi-

mus et in caritate vivimus. Per Chri-

stum dominum nostrum.

Post comniHiiioiiem.

Communionc tua, domine, satiati,

qaesumus te, ab omnibus adversis**

nobis salva nos. Per dominum nostrum.

Missa de martyribiis.

Martyrum tuorum, domine, natalicia

celebrantes, suppliees te rogamus, ut

sicut eos gloria tua caelesti confirmasti,

sie etiam nos per gratiam tuam susti-

neas.^" Per dominum.

Super oblata.

Hostiam, doraine, oblatam tibi per

sanctos martyres suscipe et interceden-

tibus precibus eorum tuisque mandatis

adesto nobis praesidium tuum. Per do-

minum.

Page 53: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

Glagolitica. Würdiguno neuentdeckteu Fkaomente. 53

110 B'iiG;i\A'B

OsiicTii HTiH n npoci/U'K tmi

HfEfCkCK'KHY'h TKOI\"k pa-

fl,i sanoB'kAk'i : i o^'XBph

20 fi,\ HTvIl JH,A CAARliWh. Tbft (Ipiv-

ATi CBbftT'KHfUI TKOliUl

<MOAiTBa/v\i Haiiiijui :

rmk Hami/Uk :•

Post oommunionciu.

Eiminda nos, domine, quaesumus tc,

per praecepta tua caelestia et confirma

nos, ut glorificemus te coram sanctis

tuis precibus nostris. Per dominum no-

stnim.

Fol. VII *MI,lll1iÖF.hG1iX'hH6K6GLGKT,l Missa de omnibus virtutibus eae-

XTi GtAfIX'h : ÜOMAiM'k CMk :• lestibus.2'

B'k IHfC H'kH /UOAl.TB'kH paXl

KAaH^EH'kHbft EU,Mk l npiCHO-

5 A'^KI^H /UapiMi ° l KaaHtEH'kH-

)f'K paA? aHlil/\T> TBOI^fk l

BkC'k^^'k HfBCCkCK'kHY'k ClAA-

jfk : i anocTOATi i ,\\*hi-

HlKHv ° l np'knOAOKbH'KHY'K '

10 l HICT'kHJf'K A'kß'K l K'kckjfk

CKlAT'KH)f'k TK«l)f'k /MOAl-

TBaMI ' lipiCHO H'kH B'kSBt-

cfAiA'k (ci : npociM'k TM>

n •fi,& 'kKOM^i H'kH HkCTLM'k

15 MkCTI Cil^'k Ha BkCbft J\,hHI

MHAOCTklA« TBOCM; AÄ3k.

HAMii. npHCHO HacA'kAOBari *

HEEfCkCK'kHIrfk TBOMl CHA'kH !•

TMk HaiU/Uk :

Oremus. Domine, qui nos precibus

beatae deiparae et semper virginis

Mariae et beatorum angelorum tuorum

et omnium celestium virtutum, et apo-

stolorum atque martyrum et venera-

bilium atque castarum virginum omni-

umque sanctorum tuorum precibus

continuo laetificasti: praesta nobis, quae-

sumus, domine, ut qui eos cotidiano

veneramur officio, per misericordiam

tuam continuo tuas caelestes virtutes

imitemur. Per dominum nosti-um.

20 A'^P'^ ^1^ lipHHfCtH'kH TCB'k PI

BkC'k)f'k CBIAT'kH){"k HfBECk-

CK'kHJf'k ClA'k pa^^ : l B'kC'k-

)f'k CBIAT'kHJf'k • TBOIX'K pa^l

Super oblata.

Munus hoc tibi, domine, oblatum

per omnes sacras caelestes virtutes et

omnes sanctos tuos et iustos tuos sit

Page 54: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

54 II. Abhandlung : V. Jagk!-.

Pol. VII b. i npdRk4,kH'kHX"k pdA^ : k*-

' ^^A' TIB-k RTi YBaAA; : A HAM^h

HOf CT-kdAari : VMh HJUII.Wk

6 110 B'hO/l^A'B :•

llpOCIAt'k TIrft n ' ,\A3K HAiWh.

<UC<tlTBa<UI Rkck^f^lk H(K(-

CkCKTiHlfK CHAa)fk • l Rkckjfk

CRbÄTTTHY'k TROIJf'k " l A.'^A'^h.

10 lY'tk PM' HpaRkAkH'kHJIfk : RTv-

c;i;^'K<Uk ClMh RTkSliÄThH-

,\\k OMicTi opkAki^Hv Haiuiv

CTTk rpHc^Ti HaiiiijfK : r,Mk Ha

<UOAHTfifl VI :

15 GnvTRCpi H'kM ri Eikl npHMI<ft-

CTkH-kH CRIAT-k"! KH,\ l lipH-

CHO^'ljB'k /MapHJ : l AÖCTOI-

HTkH CBIAT'kH)f'k aHliCAnv ' l

Baa/KCH'kHY'k anocTOrtTv • ma;-

20 •ICHHK'K l np'kn«i,\CKkH'kH]CTv

(l) MICTTvHJf-k A'feRT' " l RkCk-

(jfk) CRIAT'kHX"K TBOIJ^^Tv : M9-

i\HTKAM\ llfk .3aUIHITI HtLh .

tibi in laudem, nobis autem precibus

illorum salutare reddatur. '^'^ Per do-

minum nostrum.

Post coiuiuiiiii(»ne]n.

Quaesumus te, domine, tribue no-

bis precibus oranium caelestium vir-

tutum et omnium sanctorum tuorum et

operibus eorum iustis, ut hac commu-

nione sumpta corda nostra a peccatis

nostris emundentur. Per dominum no-

strum.

Oratio altera.

Fac ^^ iios, domine deus, consortcs

sanetae deiparae et semper virginis

Mariae et dignos sanctis angelis et be-

atis apostolis, martyribus, et venerabili-

bus et castis virginibus et omnibus

sanctis tuis, precibus eorum protege nos.

' Ho lautet der lateinische Text im Sacramentarium öregorianum (Muratori II, 129), deu ich auch in dem

Codex der k. Bibliothek zu Berlin (ms. theol. fol. 11, saec. XI, fol. 223 b et ss.), ferner in drei Präger Missalon

saec. XIV constatirt habe. Der Uebersetzer fasste annua nicht als Ablativ zu sollemnitato auf, sondern als Accus.

plur., seine Uebersetzung würde wörtlich ,annos circumeuntes' in der lateinischen Vorlage voi-auasotzen. Da durch

HkCTkM^ der lat. Ausdruck sollcmnitate wiedergegeben ist, so sollte auch statt natalicia im lateinischen Text sollem-

nitatem stehen ; der Uebersetzer wählte auch hier denselben Ausdruck. Endlich übersetzte er den Schluss so, als

stände im Original: virtute quoque passionis oum imitcmur. In mis. nov. lautet die Oratio folgendermassen :

Ko^Kf H«t HH OII)fOAMH'M K/\a}KtHarO K/1HMaHTa -MOYMfHHKa TROfrO H Ap\H((fk npaSAHHKO.Vt' RfCfAHUJH,

nOA<lH /«HrtOCTHK-k, XA trOiKl CaaRHa pOHCTRa MTlMk, CHilO\- OtfKO MO^KH frO HaCA'kAORa/VH KH)(^C><Vtk rTMk.

^ Muratori ib. 130, eben.so in dem Berliner Cod. 1. c, dann in dem Wiener Cod. 181.^, Präger IE. 10, saec. XIV,

Agramer Missale saec. XIII, Jfr. 314. Nach martyre tue lesen der Agramer und ein Prager Codex (univers. B. 20.

»aec. XIV) ,atque pontifice'. Das auffallende und unerklärte PoRaHHbft rührt vielleicht daher, dass in einer früheren

Vorlage Ji,A, zum Worte y^apOBaHHCI gehörig, nicht ausgeschrieben war (freigelassen wegen der nachträglich vor-

zanehmenden Omamentation), der spätere Abschreiber machte dann aus dem nicht verstandenen ,PoBaHHtil' ein

Page 55: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

GlAüüLITICA. WüHDlOUNG NEUENTDECKTER FRAGMENTE. 55

Subst. fem. gem. und .setzte es von neuem in den Aec. plur., daher — pOKaHHIift npHKiCCHnvIbA ! In mis. nov.

lautet das Gebet so: A^'P"? rCCnOAH, TtK'k npHHCCCHH CRITH H )f«'A<>''''*'«l4'0V KAdXttHCuMOy- KAHAtaHTOlf MO^-

MEHHKOy TKO((HO\' CH/HH HACh OT rp-fc^fl» HamH^K H CKEpH* OHHCTH. Im Kijewcr Text stellt die richtigere

Form des l'articips Y*A'*'''<"'*U'*) wenn das Verbum )fO/l,aTdHTH lautete, während mis. nov. und ed. 1483 in

einem fort jfCiAaTahMlIOY" sehrieben (vergl. mis. nov. 217 a: )f<>A<>TaM>l|IOY KAaJKIHOMOy AOKp'kH'nOY', 246 b: )fO-

A<«TaiOI|IO\- Ka}KfHOA\0«f HCnOK'kAHHKO»f). Mikl. lex. führt auch aus hom. mih. )fO,4,aTai«l|IHH an. Das Wort

nostrorum steht im Kijewer Text nach dem Substantiv ,maculis'. Die Uebersetzung CHMk wäre nur dann genau,

wenn im Vorhergehenden gesagt worden wäre ,,A,apOBaHH(', an welches der erste Uebersotzer gedacht haben mag.

' Eine solche Praefatio fand ich nil-gends in den von mir zu Käthe gezogenen Handschriften, darum über-

setzte ich sie selbst ins Lateinische. Für HKCTH wählte ich ,natalicia' nach dem Vorbild des früheren Gebetes;

0\'TA}K( KTvITH könnte auch durch dignatus est fieri übersetzt werden. Der Ausdruck begegnet in den Gebeten

lateinischer Missalc häutig: oyTiraH EH)^C>jUk SpaKO/U KtCfrtHTH « mis. nov. 213b., fi^A tt «yTfiVLAH» y\ )^^fL,A-

TaHCTKC/Mk Ha ropov' jfpHCTOKoy k'shth oi|'TfrrtH KH)^OiV\k ib. 231 a, fx,t HaujHMH oy"''*^''"" Mf oyTiraiAtk

fr« nO/l^Ol{JiUH Ji,A A*CTHrH(/Mk ib. 251 b. Dm-ch in praedicationc gab ich die Worte RTi HCnOBicAH wieder, es

könnte auch lauten in confessione.

^ Diese Postcommunio kommt in Sacram. Gregorianum vor (Muratori II, 130), ich constatirte sie ausserdem

in den meisten vorerwähnten Handschriften, so in den Wiener Codd. Nr. 1815 (saec. IX), Nr. 1803 (saec. XIV),

in dem präg. Miss. Univers. B. 20 u. s. w. Die slavischo Uebersetzung ist nicht genau, sie lautet so, als würde im

lateinischen Original vorgelegen haben : ut quod pias devotiones gerimus, certas redemptiones capiamus ! In der

Ausgabe 1483 lautet das Gebet so: T'kafCf cro H npiiHacTHHE KpKH HanaHHRUif et }KpTKOM>, Ma Tt, PH Ef

HUJk, ,A,a (;KE AiaCTBHMk OB^kTaHHEiUk TROpH/Uk, HCTHHHH/Uk OTKOynaCHHCMk ,A,a npHM(/V\k ' TMk HUI.

'• Ich lasse die wörtliche Uebersetzung stehen, die freilich keinen guten Sinn gibt. In allen gedruckten und

handschriftlichen Texten lautet die Oratio vielmehr so : Praesta, quaesumus, omnipotcns deus, ut beatae Felicitatis

martj-ris tuae sollcmnia recensentes meritis ipsius protegamur et precibus. B'KKOynkHaiv /MOAHTBa entspricht ent-

weder dem lateinischen completa oratio (completae preces) oder coUata deprecatio (Migno 78. 134), collata suffragia

(Migne 55. 24). Hier vielleicht so : tribue nobis . . spiritum orationis perfectae. In mis. nov. ist das Gebet nach

dem Lateinischen berichtigt : IloA-JH, iVtoaH/V\' Tf, BCf/MOPH K0;K(, ji,A KAAl^tüHt OtAHHHTaXH iMO^EHHl^C TBOH

npaSAHHKH BCnOiUHHaHHIÖ (( OyTOKaHHC/Uk A** 3aOA'b*'W C( H /MOAHTBaatH. P/Hk. Hier ist auffallend Bcno-

(MHHa(HH)w, es sieht so aus, als hätte ein Abschreiber die Silbe IJIt ausgelassen. Und so war auch im J. 1483 gedruckt!

'' Im glagolitischen Texte haben sich hier einige Buchstaben am Ende des Blattes, in Folge des starken Ge-

brauches, abgewetzt. In der neunzehnten Linie muss nach t etwa ny'k^KE (auf CBAT'kHYTi bezogen) oder bft^f

gestanden haben, Cf wäre dann ecce oder nunc und HTil als Nom. plur. aufzufassen, wozu ja gerade in unserem

Texte Parallelen vorliegen. Ha caoy^KkBkl lipHSkpH könnte auch Officia respice lauten; MHAOCTHMi wörtlich:

gratia; das lateinische ^'erbum tribuis fehlt in der Uebersetzung, eben so das suffragiis (quorum nos tribuis sol-

lemnia celebrare, fac gaudere suffragiis, so lautet der übliche lateinische Text). In mis. nov. entsprechend dem

lateinischen : Oß-kTH AK>Ji,\\ TBOH^k, rOCIlOAHj /HHaOCTHBk BaH/UH Ji,A H)fa<l Ha/Mk nOA'^tUJH npaSHHKH MHCTH,

CTROpH HH H^k nOMOltl'jUH p^fA^R'»'''" f'-

' Ich habe auch hier wörtlich übersetzt, um die Schwerfälligkeit des slavischen Textes zu veranschaulichen.

Lateinisch lautet die Postcommunio zu diesem Feste so : Supplices te rogamus, omnipotcns deus, ut intervenicntibus

sanctis tuis et tua in nobis dona multipliccs et tcmpora nostra disponas. So auch in mis. nov. llpHACHtHO Tl

(MOaH/Mk, RCE/UOrH KOJKI, Ji,A )fOAaTai«l|JH/MH CRfTHMH TBOHMH, H TBOt b' HaCk f^A^H OY"'""*^" " RpICiHtHa

HauiH O^'CTpOH. Die Phrase ,supplicationibus adesto' schliesst sich an Vorbilder bei Migne LXXVIII. 106. 109.

*• Vielleicht einfacher zu übersetzen: Missa singulis diobus per annum.

" Man vergl. damit folgende mir vor Jahren aus Prag zugeschickte Uebersetzung: Deus, qui creaturao tuae

multum misereris et quantumvis offensus pro salute hominum inoarnari dignatus es : contirma benignus corda nostra

et gratia tua nos illumina. Das Wort creatura, altslov. TBapk, begegnet sehr häufig in den Benedictionen, vergl.

Migne 78. 231. 233. Es kommt auch im Lateinischen der Ausdruck ,factura' vor (vergl. Migne 78. 233), was auf

den Menschen bezogen dem slav. TBapk näher zu sein scheint.

'» Der lateinische Text auch dieser Oratio beruht auf wörtlicher Uebersetzung. Für Adesto nobis könnte Prope

esto oder Praesto nobis esto stehen. Man vergl. bei Gerbert folgendes Gebet (I 230): Adesto nobis qu. D. et preces

nostras benignus exaudi, ut quod fiducia non habet meritorum, placatio obtineat hostiarum

Page 56: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

56 n. Abhandlung : V. Jagiö.

•• Vergl. die Phrase: ut cum frequentatione mysterii erescat uostrac salutis etfectus, Migne 74. 1125. 1186, und

für den ersten Theil : Tui nobis, Domine, communio sacramenti purificationem eonferat ib. 1198. Vergl. auch Migne

78. 245: erescat in nobis sanctarum augmentum virtutum.

1' Aehnlich ist dieses Gebet im Cod. Vindob. theol. 1815 f. 22: Haec nos communio, domine, purgct a criminc

et caelestibus remediis faciat esse consortos. Vergl. Migne 78. 63. 128.

" Vergl. Migne 78. 51 : per ea nos gratiae tuae virtate confirma.

•• Vergl. bei Migne ib. 64 : quae nos ... ad sempiterna promissa perducant.

" Vergl. Sancta tua nos vivicent. Migne 78. 208.

** Perpetuis nos tuere praesidiia ib. 136. Vergl. noch ib. 199 : continuis tuerc praesidiis; ib. 74 perpetuis

defende praesidiis. Gerbert Mon. vet. lit. Alem. I. 231 : Tua sancta nobis, o. D. quae sumsimus, et indulgentiam

praebeant et auxilium perpetuae defensionis impendant.

" Die Phrase ,excita corda' vergl. Migne 78. 191. 199. Zu ,terrenae cupiditates' vergl. ib. 107: a terrona

cupiditatc mundati, oder ib. 104 : ut terrena desideria respuentes discamus amare caelestia.

'* Vergl. Migne 78. 37: perpetuae nobis redemptionis eonferat medicinara.

'^ Ab Omnibus tueatur adversis, Migne 78. 72. lieber die Wendung ,Sacro muncrc satiati', die häufig wieder-

kehrt, vergl. S. 25, 26.

^o Vergl. bei Gerbert Mou. vet. liturg. Alemanniae 1777. I. 217 : In vigilia plurimorum Martyrum. Beatorum

Martyrum tuorum, domine, veneranda natalicia praeeuntes supplices te e.xoramus, ut quos caelesti gloria sublimasti,

ipsos etiam intercessores habeamus.

^' Vergl. im Cod. theol. vindob. 1815 Fol. 163: Missa cotidiana in Sanctorum : Deus qui nos beatae Mariae

semper virginis et beatorum apostolorum, martyrum, confessorum atque omnium simul sanctorum continua lactificas

sollemnitate, praesta, quaesumus, ut quos cotidiano veneramur officio, etiam piae conversationis semper sequamur

exemplo. Vergl. Gerbert Mon. veter. liturg. Alemanniae I, p. 264 (Ausg. vom J. 1777).

2* In dem Wiener Cod. Secreta. Munera tibi domine nostrae devotionis offerimus, quae et pro tuorum tibi

grata sint honore iustornm et nobis salutaria te miserante reddantur. Vergl, Gerbert 1. c. 265.

23 Vergl. ebendaselbst Fol. 163 b, oder Gerbort 1. c. : fac no^, quaesumus domine, sanctae Mariae semper vir-

ginis snbsidiis attolli et gloriosa beatorum spirituum, apostolorum, martyrum, confessorum, virgimim atque omnium

simul sanctorum protectione defendi : ut dum eorum pariter quotidie festa celebramus, corum pariter quotidie au-

xiliis ab omnibus protegamur adversis.

Auf der Vorderseite des ersten Blattes, also vor dem hier abgedruckten Bruchstücke

des Missais, steht folgender, von einer anderen, offenbar späteren Hand geschriebener Text

(die Schriftzüge zeigt die Tafel X) :

BpaTH-k H'KHH-k KAH;K( (HM'K CIICH) HC • AH frfi,A K-kpOUaYO/WK • HO(L||-k O^'Cn-k)Ia A'MI* IipHKAHa<H

CA • 0T'kKp'k(3'kiM'k)|0»('K0 ^HvAa TfMTkHa'k ' H OKa'kn-k(rH'k Ca)

|K'h. OpÄJKHI CKkroy ' -UkO K'h ,1,HH

B( aTrOO) Bpaan^HO )fOAH<Wk H( K03'KA0rp(a . . .) i

HHMH • H IIK-kH-KCTKUMH H aiOKO(^'kHH) <hh h cto^--

A<'A'kHHH/«H • H p'KK(H(HH/ltH)|H 3aKHCT'K<MH ' HTk OKA-ku'kTf CA (P/Mk h)[cYPiM'K ' H IMTiTH O^TOAH-k

H( TKOp(HT« Kjl'k IIO)fOTH ' H3H(/Uaraijltl|iar0 >K{ K('kp0l7l[i)j

lipHI/MaiiTf • H( BTi CA^/U'kH'kHH'k II(0/M'kH)|

uiafHHM'k OKTv KO KlvpotCfTTv 'kcT(H Kca)|a H3He<uaraAH 3faHi js,A •kcr-h • 'k(A'kH h) f •kA^M''"'«' A^ **'

9C!k}¥iJi,A M H( (i\f{KA(>-k)\n"K ' H Hf "kA'"^" 'kA^ll''"''^' A** "f 0(cä}Ka) aiT'k K'k KO H lipHAT'k " TTiH

KTkTO (ich o) c;)i^h;a<><ah (c iTOYiuAfro paca : cKO(fMi>\j')|

voy crom-k ah naAfTiv cTaH«(T'k aif)|chachhi

KO PTk nOCTaKHT'kH H.

Dieser Text, dem Römerbrief Cap. XIII, 11—^14, XIV, 1— 4 entnommen, bedarf natür-

lich keines parallelen lateinischen oder griechischen Textes. Die fehlenden in den Klammern

beigesetzten Buchstaben, die beim nachträglichen Beschneiden der Blätter zu Grunde ge-

gangen sind, war nicht schwer aus dem Zusammenhang zu ergänzen, nur in der sechsten

Zeile sollte man nach dem Apostolus Sisatovacensis (und einigen anderen) KOS'kAoraacoKaHHH/MH

erwarten, statt dessen liest man deutlich K03TkA0rp(aj . . . hh/UH. Wie soll man sich das er-

klären? Amphilochius gibt in seiner Ausgabe des Apostolus die Lesart HrpaHHiiUk. Vielleicht

Page 57: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

GlAGOLITICA. WüEDItilJNO NEUENTDECKTKR FRAGMENTE. 57

wollte man nun in unserem Texte K03rtorAdcoRaHHH/Mn und HrpaHHf/Mk vereinigen und machteK03'k/\orpaHHH/MH daraus?! Im übrigen stimmt dieser Text am nächsten zu dem Sisatovacensis

apostolus; nicht die geringste Beeinflussung seitens des lateinischen Textes ist bemerkbar,

obgleich hier, an dieser Stelle, die Lectio vmzweifelhaft nach dem lateinischen Ritus fungiren

sollte. Denn unmittelbar nach derselben folgt auf derselben Seite noch folgendes Gebet

:

GTliH MHPH : nOMl)M(GA).

3ai|JHTH f» paKTiH CKCA (MHp'k) H*KH/MH SanOK'kA'K'HH : H 0»f"('''K'*)l'M|''*A ß-k 3aCT*nAfHHI "

KA(a}Kf) H-kH MAfi»», H OT'k Kc-fe^-k c(o>fncc)|TaT-k HauiH^^-k CkTRopH H('kH Kt) c niMaAH " pä paAHHauicro.

Die fast wörtliche üebersetzung dieses Gebetes lautet: Protege, domine, famulos tuos,

subsidiis pacis et beatae Mariae patrociniis confidentes, a cunctis hostibus (nostris) rede (nos)

securos. Per dominum nostrum. Ganz so liest man das Gebet in dem Liber Sacramen-

torum Gregorii Magni, unter dem 25. März, zum Fest der Maria Verkündigung ,super populum'

(vergl. Migne patrolog. c. c. ser. lat. 78. 52). Mit Hilfe des lateinischen Textes war es nicht

schwer die Lücken in der 21. Zeile auszufüllen.

Auch diese 26 Zeilen fesseln hauptsächlich durch ihren paläographischen Charakter.

Geitler hat es richtig hervorgehoben (S. 185 seiner ,Schriften'), dass sich diese erste Seite

von dem ganzen übrigen Theile des Denkmals merklich durch ihren Ductus unterscheidet,

man traut aber kaum seinen Augen, wenn man daselbst folgenden Zusatz liest: ,wiewohl

sie gewiss zu gleicher Zeit geschrieben, derselben Schreiberschule angehört'. Man sollte

eigentlich nicht ein Wort verlieren um diese verkehrte Behauptung zu bekämpfen! Wersich die Mühe nimmt die einzelnen Buchstaben zu vergleichen, z. B. a, »e, «e, », •«, f, wird

sogleich erkennen, dass hier nicht blos vom Unterschied zweier Hände die Rede sein kann,

dass vielmehr hier zwei ganz verschiedene Schreiberschulen vertreten sind, die zwar auf

unserem Blättchen parallel nebeneinander gehen, in der Wirklichkeit aber aus ganz ver-

schiedenen Zeiten und Orten herstammen. Von der feinen Unterscheidung zwischen « (tw)

und fl (k) ist auf dieser Seite nichts mehr vorhanden: sie wendet überall das eine Zeichen

fl an (ganz wie die Wiener Blätter) ; ausserdem fehlt der Vocal in a""i Rckjfk gänzlich. Der

Schreiber dieser Zeilen scheint das Zeichen se gar nicht gebraucht zu haben (er schreibt

€ auch für ia), während umgekehrt auf allen übrigen Blättern iiur se und nicht € vor-

kommt. Den Laut "ki schreibt er immer «s (also tvh), nicht -st, ja das Zeichen "f" oder Sbegegnet überhaupt in diesen 26 Zeilen nicht ein einziges Mal. Da aber weder & statt asA,

noch "v oder uiw statt ly angewendet wird, so kann von sicheren Merkmalen des mährischen

Ursprungs dieser 26 Zeilen ebenfalls keine Rede sein. Folglich können diese Zeilen auf die

ursprünglich leer gebliebene erste Seite des ersten Blättchens auch nachträglich, entweder

irgendwo in Macedonien oder in Kroatien, eingetragen worden sein. Vor kurzer Zeit noch

hätte man sich gesträubt, wegen des Vorkommens der Nasale «, se imd «e, an Kroatien

auch nur zu denken. Gegenwärtig scheinen die Thatsachen so zu stehen, dass auch die

letztere Annahme nicht ausgeschlossen ist, ja vieles spricht sogar dafür. Vor allem der

Typus der Schrift, der unstreitig mit den Wiener Blättern manche Aehnlichkeit hat ; ferner

die ausschliessliche Anwendung von «, ganz wie in den Wiener Blättern. Auch die Be-

zeichnung des -kl durch «8 kann durch den neuesten in Vrbnik auf der Insel Veglia

Dfinkschriften der phil.-hist. Cl. XXXVIII. Bd. II. Abh. 8

Page 58: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

r)8 n. Abhandlung: V. Jaok''.

gemachten Fund gestützt werden, was ich auf Grund einer brieflichen Mittheilung Dr. Orn-

ific's constatiren kann. Was mich vor allem veranlasst bei diesem Znsatz eher an Kroatien

als an Macedonien zu denken, das ist der römisch-lateinische Charakter desselben, Avomit

ich natürlich nicht an dem uralten Zusammenhang der Lectio mit der ältesten Uebersetzung

des Apostolus rütteln will — sie war ebenso tür die neuen Bedürfnisse fertig schon lierüber-

genommeu, wie ich das bei der Lectio der Wiener Blätter nachgewiesen habe — sondern

nur wegen des darauf folgenden, offenbar aus dem Lateinischen übersetzten Grebetes möchte

ich behaupten, dass demjenigen, der diese 26 Zeilen schrieb, jedenfalls ein in römisclier

Weise eingerichtetes Sacramentarium oder Missale vorscliM'ebte.

Ist meine Combination richtig, dann stellt die erste Seite der Kijewer Blätter denDuctus der glagolitischen Schrift Kroatiens dar, wie dieser etwa zu Ende des XI. oder zu

Anfang des XII. Jahrhunderts aussah, als die kroatische Redaction in der altslovenischen

Sprache noch nicht durchgeführt war. Für zwei eigenthümlicli aussehende Buchstaben

dieser Schrift, nämlich für die eng aneinander gedrückten Bestandtlieile der Buchstaben sc

und «€, wo der mittlere Verbindungsring gänzlich fehlt, vermag ich auf eine treffende Paral-

lele zu verweisen, nämlich auf die verwischte glagohtische Schrift des später cyrillisch be-

schriebenen Bojaner Evangeliums. Auf mehreren Blättern dieses jetzt in Moskau befindlichen

Denkmals kann man ganze Zeilen des ursprünglichen glagolitischen Textes noch lesen.

Da sieht man auch einige Male ganz deutlich dasselbe »e und w, wie auf der ersten Seite

der Kijewer Blätter. Sonst ist der Typus jener Schrift runder und den übrigen mace-

donischen Schriftzügen ähnlicher, als dieser hier. Es wäre also übereilt aus der unliiug-

baren Gleichheit der erwähnten zwei Buchstaben in beiden Fällen gleicli auf die mace-

donische Heimat dieses Zusatzes zu den Kijewer BUlttern zu schliessen.

Page 59: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

GlACtOLITICA. WüRDIOlINd NEUBNTDECKTEH FrAÖMENTK. 59

Zweiter Anhang.

Aus der in der Anmerkung zu S. 3 erwälmteu Handschrift des Dalmatiners Pastrid,

die sich in Rom im Museo Borgiano de propaganda tide befindet, als Miscellanea Joannis

Pastritii, unter Lettera N. Fila VI Nr. 3 eingetragen, theile ich hier nach einer im Jahre 188.5

gemachten Copie das Capitel III mit, welches zu diesem Zwecke Dr. J. Crncic die grosse

Gefälligkeit hatte nochmals genau mit dem Original zu vergleichen.

Cap. III.

QiMenam luca u,sa fuerint utanturque missall huiusmodi et hrevlariu romano illyrico.

Ex praecedenti capite vidimus in Moravia et superioribus partibus institutam celebra-

tionem divinorum officiorum circa 880 Christi annum in slavis populis ex idololatria ad

Cüiristianam religionem conversis. Sed cum S. Methodius persecutione regis urgente coactus (?)

fuerit discedere 900 anno, sie et alii, unde in Croatiam, Istriam et Interamniam confugium

sibi quaerentes, extra oppida in villis, vicis et s(!()pidis consedere;praecipue in Modruscensi

et Segniensi episcopatu.

Hac in re affirmare ausim necpiaquam auctum sed minutum numerum, ita ut multo

plura loca glagolitis patuerint; id n(umer)o cui([ue patebit, si singulorum episcopatuum et

metropolium sedes Imius nationis pomim, tarn religiosas quam saeculares.

In Istria.

Sub archiepiscopo Parentino glagolitarum Parochiae sunt sequentes

:

1. Fontana. — 2. Villa Rovigni. — 3. Fosculin. — 4. Mongeto. — h. Sban-

daja vel Sbandati. — 6. Villa nova Parochia (S. Rocchi, S. Hieronymi). — 7. Frata.

— 8. Abriga. — 9. Tur seu Torre. — 10. Sancta Dominica. — 11. Visignan. —12. Bacqua seu Monasterium dictum delle Botte. — 13. S. Joannes de Sterne territorii

Montone. — 14. Montrel seu Montreo (S. Rocchi). — 1.5. S. Vitalins (ubi Cirion [?]

et s. Matthaei, abb: s. Valentlnus). — 16. Racobole. — 17. Caroiba-Bados lacus (?)

prope est vic. s. Maria. — 18. Novaco. — 19. Caldier.'

Hunc catalogum mihi dedenmt duo presbyteri glagolitae, exinde Romain advenientes,

antefpiam inciperet Breviarii impressio. Coepi ego 1686 mense Aprilis, per duos annos. ad-

' .Man findet alle diese Namen auf der Karte; Fontane, Villa di Kovijrno, Foscolino, Mongliebbo, Sbandati, Villanova, Fratta,

Abrepa, Torre, S. Domenica, Visignano, Bacva-Mondellebotte, S. Giovanni di Sterna, Montreo, S. Vitale, Kaccotole, Caroiba,

M" di Badosch, Novaco, Caldier. Betreffs einiger von diesen Ortschaften ist es nachweisbar, dass sie erst spät von Dalmazien

aus neu besiedelt worden sind, daher wohl auch ilir Glagolisnius. Allein im Centrnm und im Osten Istriens war dieser seit

den ältesten Zeiten weit verbreitet.

Page 60: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

60 II. Abhandlung: V. Jagiö.

moiiitus aiitea 1682 cepit (sie!). Itaque circa 1680 vel 1681 presbyteri illi duo reliquerunt

a nie rogaute.

In Croatia villae glagolitarum suh episcopatu Modrusceiisi et Segniensi.

1, Tersatum 300 domoriini, quae diciintur .Mairaa knieto, sicut familia dicitur bsuM- Hiscia.

Eundeni t'ere nmuermn habent subsequentia loca. — 2. Grobnich (ex) 8 canonicis. —3. Bacar, Bucar ital., et habet 8 vel 12 canonicos. — 4. Hi-iglien. — 5. Driuenich seu

Dreueuich. — 6. Grisane, patria Gregorii Papicli' presbyteri, ex quo hanc notulam con-

feci. — 7. Bribir ex 8 canonicis, sedes aiitem est vicarii Modrusciensis episcopi. Cnni enim

Rlodrussia ulterius in niediterraneas partes esset eversa per Turcas, episcopus Brebiriuui

transtulit sedem. Licet autem nnitiis fuerit hie episcopatus Segniensi, tarnen idem episcopus

pro Segniensi vicariuni tenet Segniae, pro Modruscensi episcopatu vicariiim tenet Brebirii.

— 8 Noui, ubi 8 canonici. — 9. Ledenizze. — 10. Segnia. CathedraHs ubi 10 canonici,

et Modrusia, sedes episcopalis destrueta, in monte inter sylvas, 600 domiis. Eeclesia ibi B.

V. assimiptae, ubi plebanus cum cappellano. — 11. Togiigin castelhim in piano (?) monte,

ubi plebamis. — 12. Hostariae, in planitie, 400 domorum, destrueta a Turcis, habet eccle-

siam parvam, antea valde magnam B. V. assumptae, habet parochiam. — 13. Hxigolino in

planitie, 200 domorum, destrueta. Eeclesia s. Bemardi, plebanmB habet. — 14. Leschie

150 domorum, in planitie, ecclesiam habet cum plebano. — 15. Lucoiidol cum cappellano.

— 16. Muravize in monte, eeclesia s. Nieolaii; parochus cum capellano. — 17. Brod.

Parochus cum capellano, torrens Cupa; s. Georgii et s. Mariae Magdalenae. — 18. Delnize,

eeclesia s. Jo. B. Parochus et presbyter. — 19. Lic-Fusina. Cappellan. s. Antonii de

Padua. — 20. Ciabar villa, eeclesia s. Antonii de Padua. — 21. Gheruo villa. Pleban.

Hermagorae et Fortunati. '^

Omnia ista loca voeabat dominus Papich eivitates, quae habent vocabulum distinetum

a villis, nam eivitas dicitur «>b+,n,i grad, et villa dicitur 83äa9 sello, forte oppidum, italice

terra murata, habet idem nomine grad; et singulas habere suum gubernatorem, die. fab.'-sA+ar

(poreulab) et magistratum ex 12 judicibus, (|ui singulis aunis a eivitate eliguntur.

Episcopus Segniensis mortuus anno 1685 erat dominieanus dalmata, Fr. Hiacynthus

Dimitrio, post euius obitum vaeat sedes in hoc anno 1688 ab varias eontroversias.

In Vegliensi insula.

Sub episeopo Vegliensi.

1. Besca, 40 sacerdotes, praeter diaconos et inferiores elericos et ope. canen. (operatione

canenda?). — 2. Verbonico ex 60 saccrdotibus, praeter inferiores. Hie quoque cantus ex-

eellit. Ne ad triremes sumantur, fiunt sacerdotes. — 3. Dobrigno, ex 20 saccrdotibus,

praeter inferiores. — 4. Castel Muschio, ex 15 circiter saccrdotibus et ultra. — 5. Du-

bascniza, ex 10 circiter saccrdotibus. — 6. S. Maria de Cao, ex 6 sacerdotibus, estque eonven-

tus canonicorum. — 7. Pogliza, alia est a provineia prope Spalatum, ex 5 vel 6 sacerdotibus.

' Dieser GreporiuK Papich war Domherr des Colle^um illyricuiri St. Hieroiiymi,

2 Die meisten dieser Namen sind klar: Trsat, Grobnik, Bakar, Hreljin, Driveuik, üri^aui, Bribir, Novi, Ledeuice, Senj,

ModniSe, To^unj oder Tounj, OStarije, Ogulin, Les(-e, Lukovdol, Brod (natiirlicli das liei Delnice), Delniee, Li(?, Fniina,

Cabar, Grerovo (so mficthte i<th ,Gherno' deuten). Allein zwischen Nr. 7—8 steht am Itande des Te.\tes selbst noch folgender

Znsatz in der Hand.schrift : Belgrad ad. occid. (sie) Dreuenich. — Cotor, plebamis in monte 1 mill. a mari. — Cer-

qneniza ad mare. Est eeclesia B. V. Assumptae cum monasterio, religiosi Panlini S. Paulif primi erem. et alicjuae domus

sub plebano Cotor. — Carompote (d. li. das heutige Krmpote).

Page 61: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

GlAGOLITICA. WüRblOtKG NEUENTDECKTER FRAGMENTE. 61

Haec* ex Francisco Georgiceo Spalatensi ex Suciixracz archipresbytero S. Hieronynii

Illyricoruiii et Abb. SS. Cosmi et Damiani Jadren. Dioec. ingenioso ac doctrina rerumqiie

scientia expedito et sane non ex scripto, sed ex memoriae thesauro, cnm ibi per multos

annos una cum episcopo Vegliensi suo avnnculo''* . . . Georgiceo mausisset.

In Äbsarensi dioecesi.

1. Loscin par^^lm (piccolo). — 2. Loscin magnum (grande). Haec duo tantum loca

anno 1688 episcopus Cattarensis Marinus Drago ehisque parochus Marcus Petrovich referre

potuit. Alia sciebat esse, sed quiquam explicare non poterat.^

Unter den Ueberschriften ,In Arbensi' und ,In Pagensi' kommen keine Namen vor.

In Jadrensi dioecesi.

Retulerunt mihi Georgius Carestus Sil)enicensis et Vincentius Parcich Sibenicensis archi-

presbyter, postea archidiaconns, nee non alii, 40 loca in insulis et villis esse glagolitas sub

Jadrensi archiepiscopo, sed numerarunt tantimi

:

1. Zara vecchia, quae antiqua fama clarebat et modo in villam transiit. — 2. Mulatinsiila. — 3. Cuplieza insula. — 4. Torrette. — 5. S. Cassiano. — 6. Säle insula abun-

dans nmiiero presbyterorum. — 7. S. Philippi et Jacobi in mediterraneo, praeter plurima

alia.* — In bis ergo cantus eximius est et processiones et quaevis aliae exequiae benedictiones

fiunt illyrice.

In Noniensi.

1. Zaton, in mediterraneis, habet sacerdotem cvmi clerico. — 2. Brevilacqua similiter.

— 3. Pontadura. — 4. Giuba (sie). — 5. Castel Venier. — 6. Razance. — 7. Po-

sedaria. — 8. Nouegradi. — 9. Pogliza, alia a supradicta, et sane noAAc, rawAs poglie,

idem est ac campus, inde Pogliza videtur esse Campania vel ager, ut olim ager latinus,

ager sabinus etc. audiebat. — 10. Draciuaz, id est spina vel sjiinosa. — 11. Obroazo.

— 12. Walcia (?).^ — Habent praeterea tres provincias dioecesis Nonensis, in quibus facile

sunt Glagoglitae (sie), sed episcopus non habet curam, cimi traditione Tvircarmn ciu-a Missio-

nario sit demandata a Sancta Congregatione de Propaganda Fide. Et nmnero sunt: 1. Lica.

— 2. Banatego" (?) provincia. — 3. Corbava provincia.

In Sibenicensi dioecesi.

1. Morter scopulus, habet 4 villas: a) Stretto, 4 presbyteros praeter inferiores, b) Ge-

zerach (sie!), 3 presbyteros praeter inferiores, c) Betirine (?), 1 presbyt. cxmi clerico.

' Klar sind hier Beska oder Baska, Vrbnik, Dobrinje, Omlsalj (Castel Muschio), Dubasnica. Unter Nr. 6 ist S« Maria de

Capo (Cao oder Cavo, venezianisch statt C'apo) gemeint, slavisch Glavotok. Nr. 7 Pogliza ist ein nahe liegender Ort dazu.

' Der hier genannte ,Avunculus' war nach freundlicher Auskunft Dr. CrnÄic's Georgius Georgiceo, und eigentlich hätte er

sollen patnms genannt werden. Als Bischof waltete er seines Amtes von 1653 bis 1660. ,Suciuracz' ist Sucurje ,Sveti Gju-

ragj' ein Dorf bei Spajato.

' Klar sind die Ortsnamen Lussin piccolo und Lussin grande.

' Klar sind Zara vecchia (Biograd), Mulat, d. h. die Insel Melada (lat. Melida), Torrette (Turanj), Cassiano, Sale auf der

Insel Lunga (slav. Luka) und S. Philippo et Giacomo (auf dem Festland bei Zara vecchia). Doch was bedeutet Cuplieza?

Soll es nicht Cuclizza (Kukljica) gelesen werden? Dann ist es auf der Insel Ugliano (Uljan).

5 Klar sind Zaton, Brevilaciua (= Prevlaka), Puntadura, Gliuba (Ljulja), Castel Venier (Vinjerac), Kazanze (Kaiauce), Posse-

daria, Poglizza, Decanato di Nona (oder Polazza?, Decanato di Zara vecchia?), Draeevac, Obrovac. Nr. 8 ist Novigrad und

Nr. 12 vielleicht Nadin?" Dieser mittlere Name ist mir unklar. Ob Hanjaluka dahinter steckt? Dr. Ömfiic vermuthet ,Banovina'.

Page 62: V. Jagić. Glagolitica. Würdigung Neuentdeckter Fragmente

82 n. Abhandlunq: V. Jagi(\ Gi^agolitica. Würdigung neuentdeckter Fragmente.

d) Morter, 3 presbyteros cmu inferior. — 2. Slosella, 1 presbyterum cum 8 der. —3. Sustinapaz, nenipe Sveti Stipan, S. Steplumi, datur(?) monasteriiim fratriim S. Francisci

tertii ordiiiis. — 4. Parvicchio, iuaulä, liabet item nionasteriuni seu conventuiii similem

S. Franc, tertii ordinis et 4 presbyteros. — 5. Crapano, villa, 1 vel 2 presbyt. — 6. Cavo-

eesto, peninsula, 1 presbyt. — 7. Azuri, scopuhis, 1 presbyt. — 8. Zlari, 1 presbyt.

— 9. Vodize/ villa in mediterr., 1 presbyter.

Retulit haec mihi diligenter superius laudatus Vincentius Parcich, dum Maio mense

1688 Romam venit ad ibi canonicatnm theologalem expetendum; erat eo tempore etiam

Marinua Drago episcopus Catarensis.

In dioecesi archiepiscopatus Spalatensis.

1. Suburbiis, 2 presbyteri. — 2. Almissa, 3 presb. — 3. Subm-bio Clissae, 3 presb.,

der. 1. — 4. Id. Sigu, 1 presb. — h. Id. Duare, 3 presb., der. 1. — 6. Grohote, villa

Seite, 1 presb. — 7. Vragniza, 2 presb. — 8. Sasso, 1 presb. — 9. Stobrez (?),

1 presb. — 10. Xarnounizza, 2 presb. — 11. Podatrana, 4 presb., 1 der. — 12. Gre-

senize, 4 presb., 2 der. — 13. Duchie, 2 presb., 1 der. — 14. Zacuzaz, 1 presb. —15. Cuzichie, 2 presb. — 16. Gorgne Poglie, 2 presb., der. 1. — 17. Dogne Poglie,

2 presb. — 18. Tugare, 2 presb. — 19. Costagne, 2 presb. — 20. Zuezagn, 2 presb.

— 21. Osterviza, 1 presb. — 22. Gata, 1 presb. — 23. Dubrava, 3 presb., 2 der. —24. Trimbusi, 2 presb., 1 der. — 25. Sricane (?), 2 presb. — 26. Srignia, 2 presb. —27. Sitno, 2 presb. — 28. Biscouo, 1 presb. — 29. Diigo Poglie, 1 presb. — 30. Gar-

dun, 1 presb. — 31. Radobiglia, 1 jjresb. — 32. Contado, 3 presb.''

Summa omnium est 58 presbiterorum, 11 dericorum.

Haec ex Matthaeo Joanicio Juauovicli, Spalatrensi Poglizano, jussu Cosmi archiepiscopi

Spalatensis, qui ad limina et ad alia negotia venit Romam, lioc. anno 1688 us(pie ad Jimii

mensis fiuera.

Anno vero Jubilaei 1700, 16 Aprili Thomas Boijdi (V), Traguriensis presbyter, cum

me inviseret, dixit Grohote villam habere presbyterorum alium in villa dicta Stomoria (Sto-

morska), qui tunc erat Antonius Pagliatovich (?) ex Wragniza de Salona, dioecesi Spalatensi,

sicut in ea Wragniza erat Nicolaus Laiich ex eodem loco curatus, alium liabens presbyterum

Antonium Mattasovich, in villa (?) Stobrecz (?), Johannes Bubidi curatus ex Wragniza.

Podstrane 4 villas habere, quibus unus et idem presbyter.

' In diesem Verzeichiüss sind klar: Morter, Stretto (Tisno), Jezera (dio Absclirift bietet üezerach, als LocalV), Zlosela, Frvic

(ital. Provicchio), Krapanj, Capocesto (slav. Primoäten), Zlarin und Vodife. Dunkel ist der Name unter 1, c Betirine,

wenn nicht Betinne oder Betinna zu lesen ist (so heisst ein Ort auf der Insel Morter), unter Nr. .S wird Sustipanac, zu lesen

«ein (d. h. S" Stefano). Nr. 8 ist die Insel Zuri (Azuromni insula).

' Die meisten Namen sind unzweifelhaft: Almissa (Omi»), Clissa (Klis), Sinj, Dvare, Grohote, Vranjica, 8a.sso (Kamen), Stobrez,

Zrnovnica, I'odstrana, Jeseniee, Du4e, Zakufiac, Ku(?i9ce (?), Gornje Polje, Donje Polje, Tugare, Kostanjo, Zvecanje, Ostrvica,

Gata, Dubrava (Pimnova), Trimbusi, Srinjine, Sitno, Bisko, Duffopolje, Grdun, Radobilja oder Radopolje (?). Ich verstehe

nicht Nr. 2.5 und Nr. .32.

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Uie unerwartete Bereicherung' der ohnehin nicht grossen Anzahl von glagolitischen Denk-

mälern durch die' zwei in Wien gefundenen Blätter, deren Bedeutung in der nachfolgenden

Abhandlung nach verschiedenen Gesichtspunkten beleuchtet wird, veranlasste mich in dem

ersten Anliang zu der Abhandlung auch die Kijewer Blätter zu berücksichtigen, wozu ich

in der Lage war die phototypische Reproduction derselben, auf den Tafeln III—X, beizulegen.

Diese Tafeln waren schon vor Jahren auf meine Kosten in St. Petersburg angefertigt und

ursprünglich zu einer anderen, selbständigen Publication bestimmt, die jedoch damals unter-

blieb. Da die Auflage nicht so gross ist, um allen Exemplaren der Denkschriften beigelegt

zu Averden, so musste man sich auf die Sonderabdrücke dieser Abhandlung beschränken : nur

diese konnten mit den Tafeln III—X ausgestattet werden, was, um Missverstftndnissen vor-

zubeugen, hiermit ausdnicklich gesagt wird.

Wien, den 6. Jidi 1890.

V. Jagic.

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