Individuelle und kollektive Lernprozesse: Lernen (in) der ... · Ø Operante Konditionierung nach...
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Block 2a-1Lernen in und von Organisationen –
Betriebliche Bildung im Wandel
Dipl. Kff. Oda Schliebusch-Jacob
Individuelle und kollektive Lernprozesse:
Lernen (in) der Organisation: Überblick
Ø Lernbegriff, Lerntheorien
Ø Individuelles Lernen – kollektives Lernen
Ø Organisationales Lernen als Spezialfall kollektiven Lernens
Ø Was ist eine Organisation?
Ø Was ist eine lernende Organisation?
Ø Lernen als Informationsverarbeitungsprozess
Ø Ein allgemeines Lernmodell
Ø Ein organisationales Lernmodell
Ø Organisationales Lernen – Organisationales Wissen
Ø Empfehlungen zur Gestaltung organisationalen Lernens
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Lernbegriff: Forschungsdisziplinen
Ø (Lern)-Psychologie
Ø Pädagogik
Ø Didaktik
Ø Neurobiologie
Ø Philosophie
Ø …..
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Lernbegriff: Definition (1)
Ø Definition ist abhängig von dem jeweils vertretenen
lerntheoretischen Ansatz
Ø „Begriffsannäherungen“:
Ø Lernen = Verhaltensänderung
Ø Lernen = Erweiterung der Verhaltensmöglichkeiten
Ø (Verlernen = Verringerung der Verhaltensmöglichkeiten)
Ø Lernen = Aneignung von Wissen
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Lernbegriff: Definition (2)
Lernen kann definiert werden als
Ø Psychischer, innerer Vorgang
Ø Veränderung im (beobachtbaren) Verhalten oder in (nicht-
beobachtbaren) Verhaltensdispositionen
Ø Kenntnisse
Ø Fähigkeiten, Fertigkeiten
Ø Überzeugungen, Einstellungen, Werthaltungen
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Lernbegriff: Definition (3)
Verhaltensänderung
Ø ist relativ dauerhaft
Ø ist zurückzuführen auf
Ø (einmalige oder wiederholte) Interaktionen mit der Umwelt
(Beobachtung, Nachahmung)
Ø (ein- oder mehrmalig) gemachte Erfahrungen
Ø Gewinnen und Durchdenken von Informationen (Einsicht)
Ø und nicht zurückzuführen auf
Ø biologische Entwicklungsprozesse, strukturelle Veränderungen im
Gehirn, Medikamente, Müdigkeit, o.ä.
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Lerntheorien: Überblick (1)
Ø Die Lernpsychologie beschreibt in Lerntheorien
unterschiedliche psychologische Ansätze, die die
Kenntnisse über das Lernen systematisieren.
Ø Ziele einer Formulierung von Lerntheorien:
Ø Darstellung und Erklärung des Lernprozesses durch Zurück-
führung des Phänomens „Lernen“ auf möglichst wenige und
einfache Grundprozesse.
Ø Es ist bisher nicht gelungen, eine einheitliche Lerntheorie
zu formulieren.
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Lerntheorien: Überblick (2)
Ø Vielmehr entwickelten sich seit Beginn der experimentel-
len Lernforschung ( Mitte des 19. Jh.) verschiedene theo-
retische Strömungen, die sich zeitlich in drei große Rich-
tungen gliedern lassen:
Ø Behavioristische Lerntheorie
Ø Kognitive Lerntheorie
Ø Konstruktivistische Lerntheorie
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Behavioristische Lerntheorie (1)
Ø Begründung der Lernforschung (ab Mitte des 19. Jh.)
Ø Verhaltenstheorien, die das Lernen mittel des Stimulus-
Response (Reiz-Reaktions) Paradigmas erklären.
Ø Grundlage: objektiv beobachtbares (messbares) Verhalten
Ø Annahme: das Gehirn reagiert auf Reize mit erlernten
Verhaltensweisen
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Behavioristische Lerntheorie (2)
Ø Ein Lernprozess wird dann angenommen, wenn ein
Individuum auf einen gleichen oder ähnlichen Anstoß
(Stimulus) in einer von früherem Verhalten signifikant
abweichenden Weise reagiert (Response).
Ø Während sowohl Reiz als auch Verhaltensänderung
beobachtbar sind, ist der Lernprozess selbst nicht
beobachtbar („Black Box“) und wird somit ausgeblendet.
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Behavioristische Lerntheorie (3)
Ø Klassische Konditionierung nach Pawlow (1849-1936):
entwickelte in Experimenten mit Hunden die Theorie über
den bedingten Reflex
Ø untersucht wurde die Beziehung zwischen einem bestimmten
Verhalten (unbedingte und bedingte Reaktion) und diesem
Verhalten vorausgehenden Reizen (unbedingte, neutrale und
bedingte Reize)
Ø Reiz-Reaktions-Lernen: wird ein neutraler Reiz (läutende Glocke)
gemeinsam mit einem unbedingten Reiz (Darbietung von Futter)
dargeboten, findet eine Kopplung zwischen unbedingtem und
neutralen Reiz statt; der neutrale Reiz wird zu einem bedingten Reiz
und ist nun selbst in der Lage eine bedingte Reaktion auszulösen
(Speichelfluss).
Ø Tritt der bedingte Reiz öfter ohne Begleitung des unbedingten
Reizes auf, wird das gelernte Verhalten wieder gelöscht (Extinktion)
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Behavioristische Lerntheorie (4)
Ø Operante Konditionierung nach Skinner (1904-1990)
Ø Wird ein Verhalten von der Umwelt positiv bewertet wird dieses
Verhalten gelernt.
Ø Durch positive Verstärker wird die Auftrittswahrscheinlichkeit
erhöht, durch negative Verstärkung wird sie verringert
(„Bekräftigungslernen“).
Ø Auch das Erlernen komplexer Verhaltensweisen ist möglich.
Ø Folgen des Verhaltens stehen im Vordergrund: Reaktions-
Konsequenz-Verbindung
Ø Dem vorangegangen Reiz, der einer Reaktion vorausgeht wird nur
eine Hinweisfunktion zugebilligt.
Ø Verhaltensänderung wird nicht auf Vorgänge im Inneren
zurückgeführt, sondern auf die Konsequenzen, die ein
Verhalten hat.
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Behavioristische Lerntheorie (5)
Ø Nach behavioristischem Verständnis wird Verhalten grund-
sätzlich als reaktiv betrachtet; Verhaltensänderungen lassen
sich somit durch gezielte Auswahl und Gestaltung der Reize
gezielt steuern.
Ø Ziele einer an behavioristischen Denkweisen orientierten
Didaktik: Beschreibung von Instrumenten, mittels derer ein
angestrebtes Verhaltensrepertoire der Lernenden systematisch
aufgebaut werden kann
Ø Formulierung möglichst präziser Lernziele (angestrebte
Verhaltensänderung)
Ø Auswahl geeigneter Reize (Fragen, Materialien, Informationen) um
den Lernprozess anzustoßen
Ø Vergleich des „End-Verhaltens“ mit dem „Eingangsverhalten“
hinsichtlich der Erreichung der angestrebten Lernziele
(Lernzielkontrolle).
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Behavioristische Lerntheorie (6)
Ø Extremform behavioristischer Didaktik: Programmierter
Unterricht nach Skinner:
Ø Lineare Lernprogramme, in denen der zu vermittelnde Stoff in
kleinste, aufeinander aufbauende Schritte (Frames) aufgeteilt wird
Ø Die Bewältigung der Lernschritte wird dem Lernenden sofort
zurückgemeldet (Feedback) und als Erfolg wahrgenommen
Ø Das Erfolgserlebnis wirkt als Verstärker und bekräftigt einerseits
die auf den Lernprozess zurückzuführende Verhaltensänderung,
andererseits wird die Bereitschaft, den Lernprozess aufrecht zu
erhalten, gefördert (Motivation)
Ø Bleibt der Lernerfolg aus, wird der Fehler nicht beim Lernenden,
sondern beim Programm gesucht.
Ø Programme werden solange optimiert bis mindestens 90% der
Probanden 90% des Lernstoffes beherrschen.
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Kognitivistische Lerntheorie (1)
Ø Entwickelte sich in den 50/60er Jahren des 20. Jh. aus
Kritik am Behaviorismus.
Ø Der Erwerb komplexer intellektueller Fähigkeiten ist durch
behavioristische Prinzipien allein nicht zu erklären,
sondern bedarf der Berücksichtigung kognitiver Prinzipien.
Ø Die inneren kognitiven Prozesse der behavioristischen
„Black Box“ werden nicht ausgeblendet, sondern bilden
als bewusste Denk- und Verstehensprozesse die
Grundlage menschlichen Lernens.
Ø Lernen ist kein reaktiver, sondern ein bewusster Prozess.
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Kognitivistische Lerntheorie (2)
Ø Begründer: Bandura (sozial-kognitive Lerntheorie), Piaget
Ø Weiterentwicklung: Modelle der Informationsverarbeitung
Ø Weitere schulbezogene Lerntheorien, die sich auf der
Grundlage der Informationsverarbeitungsmodelle
entwickelten (z.B. hierarchische Lerntypen nach Gagné,
entdeckendes Lernen nach Bruner).
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Kognitivistische Lerntheorie: Bandura (1)
Ø Bandura (*1925) : Lernen am Modell
Ø Lernen muss nicht auf eigenen Erfahrungen basieren,
sondern ist auch am Modell möglich (Lernen durch
Beobachten).
Ø Banduras Erkenntnisse basieren nicht auf Tierversuchen
sondern stützen sich ausschließlich auf Humanstudien
(insbesondere bezogen auf den Erwerb von Verhaltens-
weisen im sozialen und sprachlichen Bereich).
Ø Die kognitiven Strukturen des Menschen werden nicht
direkt beschrieben, sondern indirekt über seine kognitiven
Fähigkeiten (die sich aus den kognitiven Strukturen
ergeben), charakterisiert:
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Kognitivistische Lerntheorie: Bandura (2)
Kognitive Fähigkeiten: Der Mensch ist fähig
Ø zum Gebrauch von Symbolen (Erfahrungen können ohne
einübendes Verhalten im Gedächtnis verankert werden)
Ø zum Lernen durch Beobachtung
Ø zu vorausschauendem Denken (Folgen einer Handlung
können abgeschätzt werden)
Ø zur Selbstregulation (Verhalten kann nach eigenen
Standards bewertet und entsprechend reguliert werden)
Ø zur Selbstreflexion (Nachdenken über sich, über
Erfahrungen und über eigene Fähigkeiten)
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Kognitivistische Lerntheorie: Bandura (3)
mögliche Konsequenzen der Fähigkeit zum Lernen durch
Beobachtung/am Modell?
Ø Aneignung neuer Verhaltensmuster
Ø Hemmung oder Enthemmung bereits bestehender
Verhaltensmuster
Ø Veränderung des emotionalen Erregungsniveaus in
bestimmten Situationen
Ø Fokussierung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Reize,
denen zuvor keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde
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Kognitivistische Lerntheorie: Bandura (4)
Verhaltensaneignung
Speicherung als potenzielle
Verhaltensweise
Verhaltensausführung
Äußere Reize
Selbstregulation
Verstärker
Wirksamkeits- und
erfolgserwartungen
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Kognitivistische Lerntheorie:
Weiterentwicklungen (1)
Ø Modelle der Informationsverarbeitung: Erklärung von
Lernvorgängen und Erforschung von Gedächtnis-
leistungen
Ø Von außen eingehende Informationen werden mit einer
vorgegebenen (veränderbaren!) Struktur des denkenden
Systems verarbeitet ( kognitive/mentale Struktur)
Ø „Denken“ wird als Prozess der Informationsverarbeitung
betrachtet.
Ø „Lernen“ wird als Erwerb/Weiterentwicklung der kognitiven
Struktur interpretiert.
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Kognitivistische Lerntheorie:
Weiterentwicklungen (2)
Ø Mittels der kognitiven Strukturen versucht das Individuum
eine Verbindung zwischen Umwelt und eigenen Hand-
lungen herzustellen.
Ø Um die von außen eintreffenden Informationen verarbeiten
zu können, müssen verschiedene Elemente, mit denen die
eingehenden Informationen verglichen werden sollen
bereits im System gespeichert sein ( Gedächtnis,
„Wissensspeicher“).
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Kognitivistische Lerntheorie: Fazit
1. Lernen ist auch möglich ohne (sichtbare)
Verhaltensänderung
Ø Kognitionen (Meinungen, Werturteile, Präferenzen etc.) können
sich ändern, ohne dass sie sich als Verhaltensänderung
dokumentieren müssen.
2. Im Gegensatz zu behavioristischen Modellen sind
Lernergebnisse nicht vorhersehbar, da von außen auf das
Individuum wirkende Reize (Informationen) je nach be-
stehender individueller kognitiver Struktur zu unterschied-
lichen Lernergebnissen führen können.
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Konstruktivistische Lerntheorie (1)
Ø Entwickelt sich seit 60er Jahren des 20. Jh. aufbauend auf
Annahmen des Kognitivismus.
Ø Vielfalt von konstruktivistischen Theorieströmungen (nicht
nur in Pädagogik und Didaktik, auch in der Psychologie,
Philosphie, Soziologie, Neurobiologie etc.)
Ø Keine einheitliche Theorie; Theoriebildung noch nicht
abgeschlossen
Ø Hier: Beschränkung auf konstruktivistische Ansätze in
Pädagogik und Didaktik.
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Konstruktivistische Lerntheorie (2)
Ø These: Es gibt keine objektive Realität, die der Lehrende
dem Lernenden vermitteln könnte (erkenntnistheoretischer
Bezug: Verhältnis von Wissen und Wirklichkeit).
Ø Das Gehirn speichert nicht nur Wissen, in kognitiven
Prozessen wird durch Interpretation aufgenommener
Reize neues Wissen (in Abhängigkeit von bestehendem
Vorwissen!) konstruiert.
Ø Bisherige Wissenskonstrukte werden ergänzt bzw.
modifiziert.
Ø Konstruktivistisch geprägte Didaktik fragt danach, wie
dieser Aufbau von Wissen („Wissenskonstruktion“)
gefördert werden kann.
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Konstruktivistische Lerntheorie (3)
Wesentliche Erkenntnisse:
Ø Neue Informationen sollten an bestehende Erfahrungen/
bestehendes Vorwissen der Schüler anknüpfen.
Ø Verschiedene Lernende können dieselben Lerninhalte
unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren.
Ø Informationen, die der Lernende nicht einordnen kann/
will, weil sie keinen Bezug zu einem von ihm als wichtig
eingestuften Kontext haben, können nicht in die bisherigen
Wissenskonstruktionen integriert werden.
Ø Entwicklung „metakognitiver“ Fähigkeiten ist die
Voraussetzung für die Entwicklung selbständigen und
selbstgesteuerten Lernens.