Informationsaustausch mit der Universitätsbibliothek ... · Juni 2016 Dr. Angela Holzer ......

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1 Informationsaustausch mit der Universitätsbibliothek Breslau im Rahmen der Universitätspartnerschaft vom 20. bis 24. Juni 2016 Dr. Angela Holzer Schwerpunkt des Aufenthalts bildeten die Themen Versorgung mit E-Ressourcen, Zeitschriftenversorgung, elektronisches Publizieren, digitale Bibliothek und Open Access sowie insgesamt die Organisationsstruktur. Auch der Bereich Forschungsdaten war für mich von Interesse. Aula Leopoldina Die Universität wurde 1701 gegründet. Das Hauptgebäude der Universität gehört zu den schönsten in Europa, mit der prunkvollen spätbarocken Aula Leopoldina als Versammlungsraum. Neben der Universitätsbibliothek besteht das Bibliothekssystem der Universität Breslau noch aus 36 Fachbereichsbibliotheken. Die Universitätsbibliothek hat momentan vier Standorte. Zwei befinden sich in der Karola-Szajnochy-Straße - 7/9 (u.a. Wissenschaftliche Information und Benutzung) und 10 -, einer auf der Sandinsel (ehemaliges Augustinerchorherrenstift, Sondersammlungen) und daneben gibt es den Neubau in der Joliot- Curie-Straße.

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Informationsaustausch mit der Universitätsbibliothek Breslau im Rahmen der

Universitätspartnerschaft vom 20. bis 24. Juni 2016

Dr. Angela Holzer

Schwerpunkt des Aufenthalts bildeten die Themen Versorgung mit E-Ressourcen,

Zeitschriftenversorgung, elektronisches Publizieren, digitale Bibliothek und Open Access

sowie insgesamt die Organisationsstruktur. Auch der Bereich Forschungsdaten war für mich

von Interesse.

Aula Leopoldina

Die Universität wurde 1701 gegründet. Das Hauptgebäude der Universität gehört zu den

schönsten in Europa, mit der prunkvollen spätbarocken Aula Leopoldina als

Versammlungsraum. Neben der Universitätsbibliothek besteht das Bibliothekssystem der

Universität Breslau noch aus 36 Fachbereichsbibliotheken. Die Universitätsbibliothek hat

momentan vier Standorte. Zwei befinden sich in der Karola-Szajnochy-Straße - 7/9 (u.a.

Wissenschaftliche Information und Benutzung) und 10 -, einer auf der Sandinsel (ehemaliges

Augustinerchorherrenstift, Sondersammlungen) und daneben gibt es den Neubau in der Joliot-

Curie-Straße.

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Neubau der Bibliothek in der Joliot-Curie-Straße

sowie Lese- und Recherchesaal der Abteilung für

Wissenschaftliche Information

Nach über vierzehn Jahren Planung des Neubaus wurde er nun fertiggestellt und die

Abteilungen aus den alten Bibliotheksgebäuden stehen kurz vor dem Umzug (der jedoch auch

schon vor Jahren kurz bevorstand, s. Bericht von Frau Hennig 2012), daher war die

Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen hoch. Umso dankbarer bin ich, dass der

Aufenthalt realisiert werden konnte. Der Zeitschriftenlesesaal ist dort bereits in Betrieb und

voll funktionsfähig. Auch die anderen Lesesäle sind bereits großteils eingerichtet, allerdings

fehlt noch der Bestand. Die Regale für das Freihandmagazin sind bereits aufgestellt. Zudem

arbeiten die Kolleginnen in der Zeitschriftenabteilung sowie ein Teil der Abteilung für

Wissenschaftliche Information bereits dort. Während meines Aufenthalts fand eine

Planungssitzung statt und es wurde die Reihenfolge des Umzugs der einzelnen Abteilungen

festgelegt. Ein Hindernis besteht wohl noch in der Tatsache, dass sich keine geeigneten

Transportunternehmen auf die Ausschreibung beworben haben. Für ein altes Gebäude, das

Wallenberg-Pachaly-Palais (Karola-Szajnochy-Straße 10) wurde bereits ein Käufer gefunden.

Es stammte aus dem Besitz der schlesischen Adelsfamilie von Wallenberg-Pachaly und wird

von der Stiftung Wallenberg gekauft.

Palais Wallenberg-Pachaly

Karola-Szajnochy 10

Bibliotheksgebäude in der Karola-Szajnochy 7/9

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Für das ursprünglich als Bibliothek gebaute, unter Denkmalschutz stehende Hauptgebäude in

der Karola-Szajnochy-Strasse 7/9 hat sich wohl noch kein Käufer gemeldet. Der Standort

Sandinsel wird zukünftig von der Philologischen Fakultät der Universität genutzt,

insbesondere auch von der Judaistik, die sehr auf die baldige – und nötige – Renovierung

drängt.

Versorgung mit E-Ressourcen

Die Versorgung der Universitätsbibliothek mit E-Ressourcen wird vornehmlich von der

Abteilung für Wissenschaftliche Information (in Absprache mit der Zeitschriftenabteilung, die

allerdings auf Druck fokussiert ist) vorgenommen. Dabei handelt es sich um E-Periodika

(Zeitschriftenpakete), E-Bücher und Datenbanken. Die Abteilung ist mit der Implementierung

von Katalogen sowie mit der Verwaltung des Zugangs zu den Inhalten befasst. Sie hat selbst

kein Budget für E-Ressourcen. Ein Großteil der Pakete und Datenbanken wird zu 100% vom

polnischen Wissenschaftsministerium finanziert (das ich im Rahmen meiner Tätigkeit für die

DFG 2012 zum Thema Open Access beraten konnte). Bei den Zeitschriften handelt es sich

dabei um die Titel von Springer, Nature, Wiley und Elsevier, sowie um E-Books von Wiley

und Ebsco-Datenbanken, Web of Science und SCOPUS. Fachspezifische Zeitschriftenpakete

werden zu 50% von den Fächern und zu weiteren 50% vom Ministerium über ein nationales

fachliches Konsortium finanziert (IOP, RSC, ASC). JSTOR (alle Kollektionen) befindet sich

bis Ende Juli 2016 im Testzugang. Nachfragen nach Dublettenchecks und einer

Aussonderung von Druckzeitschriften bzw. einer E-Only- oder Archivierungsstrategie

konnten leider nicht beantwortet werden. E-Books werden zudem vom nationalen Verlag

(IBUK) in Paketen bezogen. Die Konsortialstelle ist die WBN (Wirtualna Biblioteka Nauki).

Zudem werden Literaturverwaltungsprogramme lizenziert. Magdalena Sołowiej, die bereits

am Austausch mit der UB Bochum teilgenommen hat, erläuterte diese Tatbestände. Die

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Abteilung Wissenschaftliche Information pflegt in diesem Kontext die Liste der Titel, die in

den Paketen enthalten sind, hat aber selbst keinen Einfluss auf deren Zusammensetzung.

Zudem wird der Zugang zu Open Access-Titeln über das DOAJ ermöglicht. Eine weitere

Aufgabe der Abteilung besteht insgesamt in der Pflege der Webseiten der Bibliothek, z.B.

auch in der Verwaltung des Adressbuches. Dazu wird die Software Drupal verwendet.

Die Abteilung übernimmt auch Aufgaben der Recherche und Auskunft für Nutzer und führt

Schulungen zur Benutzung der Bibliothek, Schulungen für Bibliothekare und für Studenten

der Bibliothekswissenschaft durch. Besonders interessant war in diesem Kontext die Moodle-

Seite der Bibliothek, die von Łukasz Jodłowski gepflegt wird. Hier werden

Schulungsmaterialien der UB, Informationen über die Nutzung sowie über Open Access

eingestellt. Die UB hat eine eigene IT-Abteilung, es gibt keine übergeordnete IT-

Zuständigkeit für die Universität. Jede Fakultät hat eigene IT-Spezialisten und kann daher

ggf. auch eigene Software einführen. Die UB nutzt Moodle wegen der Kostenfreiheit.

Merkwürdig war bei der Erläuterung der Nutzungsbedingungen, dass die UB das Kopieren

von Printbüchern nur im Umfang von max. 30 Seiten erlaubt (nicht das Ausdrucken von E-

Books!). Hier gibt es anscheinend von UB zu UB abweichende Regelungen (ohne dass die

rechtliche Grundlage bekannt ist, die eigentlich keine Einschränkung enthalten dürfte). Sehr

fortschrittlich erscheint der Bereich Educational Resources, wo 195 verschiedene Titel

(Vorlesungen, Lehrbücher usw.) als Auszug aus dem Repositorium online verfügbar gemacht

werden (http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/collectiondescription?dirids=14).

Kataloge

Als Navigationsinstrumente werden an der UB eine Vielzahl von Katalogen und Datenbanken

unterhalten, die z.T. Eigenentwicklungen sind. Der OPAC wird auf dem System VIRTUA der

amerikanischen Firma VTLN betrieben, die Konkurs angemeldet hat. Daher wird eine

Migration zukünftig unausweichlich. Neben dem OPAC wird seit längerem auch Summon als

Discovery Service eingesetzt. Zudem wird ein elektronischer Katalog der Zeitschriften in den

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Fachbereichsbibliotheken geführt, der aber nur rudimentäre Information enthält. Weiterhin

gibt es Kataloge für die Spezialsammlungen (Manuskripte, Karten, Musikalien,

Untergrundzeitschriften aus der kommunistischen Periode, Alte Drucke auf Mikrofilm,

Normen, Schlesisch-Lausitzische Sammlung). Darüber hinaus wird NUKAT als nationaler

Verbundnachweis genutzt (Wissenschaftliche Bibliotheken ohne Warschauer

Nationalbibliothek). NUKAT wird von der UB der Warschauer Universität betrieben. Letztlich

gibt es den Verbundkatalog KARO, der nicht nur die Bestände von wissenschaftlichen, sondern

auch von anderen Bibliotheken in Polen enthält (Akademien, ÖBs, Institutsbibliotheken).

Neben den elektronischen Katalogen werden auch noch Zettelkataloge gepflegt, wobei die

preussischen Kataloge eine besonders wichtige Ressource darstellen. Der alphabetische

Zettelkatalog (ab 1801) wurde bereits digitalisiert. Auch in der digitalen Version des

Zettelkatalogs werden Änderungen am Bestand nachgearbeitet. Der analoge Sachkatalog

wurde leider noch nicht digitalisiert, dazu fehlt es noch an einem Konzept für die Abbildung

der teils handschriftlichen Querverweise, die auch nicht über OCR erkannt werden. Der

preussische Bandkatalog wurde ebenfalls digitalisiert. Zudem wird noch ein zentraler

Zettelkatalog für die Zeitschriftenbestände der Fachbibliotheken geführt, in dem

Änderungsmeldungen nachgezogen werden.

Alphabetischer Zettelkatalog

Hochschulbibliographien

Eine weitere Aufgabe der Abteilung Wissenschaftliche Information ist die Erstellung und

Pflege von Bibliographien, darunter das Verzeichnis der Veröffentlichungen von

Wissenschaftlern der Uni Breslau sowie das Verzeichnis von Veröffentlichungen über die Uni

Breslau, wozu täglich Druckzeitungen händisch ausgewertet werden.

Das Verzeichnis von Veröffentlichungen der Universitätsangehörigen wird technisch über ein

monolithisches Datenbanksystem realisiert, das Publikationsdaten enthält, aber keine

Verbindung zu Volltextpublikationen des Repositoriums (s. unter digitale Publikationen).

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Dabei sind die Erfassungsdaten für die einzelnen Fakultäten uneinheitlich. Da die

Mittelverteilung von der Erfassung der Publikationen abhängt, gibt es keine Hindernisse bei

der Meldung die Publikationen, die über fakultätsinterne Koordinatoren an die UB erfolgt.

Inzwischen wurden auch einige bibliometrische Auswertungsmöglichkeiten geschaffen, die

insbesondere für das stark formalisierte Berichtswesen an das Wissenschaftsministerium

dienen. Moderne Technologien (OLD, Schnittstellen) und Datennormierung (IDs,

Normdaten) werden noch nicht eingesetzt.

Digitale Bibliothek

Die Universitätsbibliothek Breslau betreibt eine eigene dLibra-Instanz für ihre digitale

Bibliothek, deren Daten auch an die digitale Verbundbibliothek polnischer Sammlungen

(ohne Nationalbibliothek Warschau) fbc geliefert werden. In der digitalen Bibliothek befinden

sich momentan über 65.000 Objekte. Dabei wird den besonders schutzbedürftigen Materialien

bei der Digitalisierung Priorität eingeräumt:

Digital Library of Wroclaw University

Die digitale Präsentation von Beständen verschiedener Einrichtungen in Polen (ggf.

vergleichbar mit der DDB in Deutschland) verzeichnet auf der Plattform fbc über 2, 7 Mio.

Objekte und wird auf höchstem Niveau vom Supercomputerzentrum in Posen betrieben, das

auch Dienstleister und Kooperationspartner für die Europeana ist. Hier wird bereits der

Standard IIIF für Bilddigitalisate angewandt sowie open linked data verfolgt. Die Objekte

sind auch in virtuellen Ausstellungen gruppiert: fbc

Leider liefert die UB Breslau keine Daten an die Niederschlesische digitale Bibliothek:

http://www.dbc.wroc.pl/dlibra und auch nicht an die Schlesische digitale Bibliothek:

http://www.sbc.org.pl/dlibra?action=ChangeLanguageAction&language=de

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Da auch nicht alle polnischen Bibliotheken in der fbc repräsentiert sind, wird man eine

vollständige Sammlung von Digitalisaten aus polnischen Einrichtungen nur über die

Europeana erreichen.

Publikationsdienstleistungen

Als weitere Dienstleistung für die Universität betreibt die Universitätsbibliothek ein

Repositorium, das ebenfalls auf der Basis von dLibra funktioniert und den Volltextzugang zu

Artikeln und Büchern von Fakultätsmitgliedern ermöglicht. Insgesamt befinden sich erst 1312

Objekte in dem nach Fakultäten und Formaten durchsuchbaren Instrument, das leider auch

nicht mit der Hochschulbibliographie verknüpft ist. Die Bibliothek berät die

Veröffentlichenden zu Fragen des Urheberrechts, ist aber auf die Meldung von Titeln durch

die fakultätsinternen Koordinatoren angewiesen, die auch die Titel eingeben. Insbesondere

finden sich hier auch Titel des nationalen Wissenschaftsverlags (IBUK) und eigene

Publikationen der Universität, wobei diese z.T. nicht vollumfänglich zugänglich sind.

Auch einige Fakultäten geben selbst OA-Zeitschriften heraus, z.B. die Fakultät für Jura,

Wirtschaft und Verwaltung, wo ich über den Einreichungs-, Begutachtungs- und

Beratungsprozess mit der Herausgeberin sprechen konnte.

Die Abteilung Wissenschaftliche Information ist z.T. bereits in das neue Gebäude

umgezogen. Dort wird ein Lesesaal für die Recherche zur Verfügung stehen und die

umfängliche Beratung von Nutzern möglich werden. Momentan sind im alten Gebäude nur

drei Computer für die Recherche vorhanden, die aber auch selten frequentiert werden.

Insgesamt wird der wunderschöne Lesesaal des alten Gebäudes technisch nicht mehr den

Anforderungen gerecht, es fehlen z.B. Steckdosen für eigene Laptops der Nutzer.

Entsprechend gering ist auch seine Nutzung. All das wird sich sicher mit dem Umzug

grundlegend verändern, da das neue Bibliotheksgebäude auch weitreichende

Aufenthaltszonen und sogar einen Restaurantbetrieb vorsieht.

Sitzbank vor dem Neubau

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Abteilung für Periodika

Während des Besuches im neuen Gebäudes konnte ich die Arbeitsräume der Kollegen sehen

sowie das kleine Magazin der Ephemera, die dort aufwendig von einer Kollegin erschlossen

werden. Die Regale für das Freihandmagazin sind auch bereits aufgestellt.

Neben der Direktion befindet sich auch die Abteilung für die Erschließung der Periodika

bereits komplett im neuen Gebäude, wo auch einige hundert Zeitschriften in der Auslage zu

finden sind. Dort erläuterte mir die Abteilungsleiterin Ewa Grabarska die Aufgaben der neun

Personen umfassenden Abteilung. Die Universitätsbibliothek Breslau profitiert nach wie vor

vom Pflichtexemplarrecht. Daher werden polnische Periodika und Zeitungen nicht käuflich

erworben, wobei die wichtigen Tageszeitungen doch zusätzlich abonniert werden, um ihre

rechtzeitige Verfügbarkeit zu gewährleisten. Die Aufgaben der Abteilung bestehen vor allem

in der Erschließung und Inventarisierung der Printzeitschriften, sowie in der jährlichen

Ausschreibung der zusätzlich zu den Pflichtexemplaren gewünschten (ausländischen) Titel

und der Koordination der Wünsche aus den Fachbibliotheken. Für die Inventarisierung wird

ein hauseigenes Erwerbungssystem genutzt. Zudem werden die Finanzierungsanteile der

Fachbibliotheken errechnet und in jährlichen Übersichten an die Finanzverwaltung der

Universität (Kwestura) gesendet.

Sondersammlungen auf der Sandinsel

Im ehemaligen Augustinerchorherrenstift auf der Sandinsel konnte ich die bedeutende

Kartensammlung, die Restaurierungswerkstatt, die Reproduktionswerkstatt und die

Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek besuchen.

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Rück- und Vorderansicht des Augustinerchorherrenstifts, noch Sitz der Sondersammlungen

Viel Altbestand ist nicht zuletzt durch die Integration des Bestandes einiger

Klosterbibliotheken sowie der Stadtbibliothek Breslau, die auf dem Grundstock der

frühneuzeitlichen Sammlung Rehdiger, einem wichtigen Breslauer Patrizier, entstand, in die

Universitätsbibliothek gekommen. Zudem wurden nach dem Zweiten Weltkrieg viele der in

Schlesien aufgefundenen Buchbestände in die Breslauer Bibliothek gebracht. Die

Aufarbeitung der Kriegsschäden stellt einen Hauptaspekt der Arbeit der

Restaurierungswerkstatt dar, deren kompetente und engagierte Leiterin Katarzyna Łabuz mir

schwer beschädigte alte Drucke aus Auslagerungen zeigte, die jetzt erst identifiziert werden

konnten. Zudem durfte ich neben Einblicken in die Werkstatt und die Techniken auch ein

Exemplar der Thesen von Luther aus dem Entstehungsjahr 1517 sehen. Zwei Drucke des

Originaltexts sind erhalten, leider nicht in Wittenberg. Das Breslauer Exemplar wird zum

Lutherjubiläum dorthin verliehen. Ebenfalls in Bearbeitung befand sich ein Originaldruck des

Hamlet von 1605.

In der Reproduktionswerkstatt hat mich insbesondere die technische Versiertheit und

Kreativität der Mitarbeiter beeindruckt. Zwar ist die Werkstatt mit hochwertigen A2-, A1-

und A0-Scannern sowie mit einem Grazer Buchtisch ausgestattet, die über ein Projekt der

Europäischen Union finanziert worden sind, doch werden sie wenig genutzt. Das auch

deshalb, weil sich die Einsicht bei den Kolleginnen und Kollegen durchgesetzt hat, dass die

Qualität der Scans nicht die Qualität von Aufnahmen mit einer Digitalkamera erreicht. Es

wurde daher ein verschiebbarer Buchtisch mit einem Ansaugemechanismus in Eigenregie

konstruiert, mit dem man gute digitale Aufnahmen machen kann. Die Digitalisate werden mit

dLibra bearbeitet und an fbc geliefert, unter der Beachtung des IIIF (s.o.).

Aus dem reichen Handschriftenbestand durfte ich das älteste vorhandene Exemplar sehen, das

aus Fragmenten einer Chronik des Eusebius aus dem 9. Jahrhundert besteht, die aus einem

späteren Bucheinband herausgelöst werden konnten. Weitere Zimelien waren eine

französische Bibel, ein karolingisches Herbarium, ein Beuteleinband sowie eine arabische

Handschrift mit reichen Illuminationen und Dekorminiaturen.

Die bedeutenden Karten wurden schon in früheren Berichten (von Frau Ramisch und Frau

Hennig) erwähnt, auch ich war beeindruckt von der anti-päpstlichen Landkarte von 1566

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(Mappe Monde Nouvelle Papistique), die nur in vier Exemplaren weltweit existiert und

ungesichert – mit einem leichten Leintuch überdeckt – an der Wand des Büros von Dariusz

Przybytek hängt, dem Leiter der Abteilung. Allein die Restaurierung der Karte hat acht

Personen für fünf Jahre voll in Beschlag genommen (der Bericht über die Restaurierung findet

sich hier: http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/doccontent?id=22291). Auch das kleine

Kartenmagazin wirkt sehr provisorisch, es ist dringend geboten, dass die Materialien

konservatorisch besser untergebracht werden. Zahlreiche wichtige Exemplare sind auch

bereits in der digitalen Bibliothek zugänglich

(http://www.bibliotekacyfrowa.pl/dlibra/collectiondescription?dirids=24). Leider sind die

Suchmöglichkeiten jedoch nicht optimal auf Karten ausgerichtet, über fbc funktionieren die

semantischen Suchen und die Facettierungen wesentlich besser.

Alte Stadtkarte aus dem Bestand der UB, in der Reproduktion eines Antiquars

Bibliothek der Politechnika

Sehr aufschlussreich und interessant war auch der Besuch der Bibliothek der TU Breslau

(Politechnika Wroclawska). Die TU wurde 1910 gegründet und vom deutschen Kaiser

Wilhelm II. eröffnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb recht bald wieder

aufgenommen, mit einem völlig ausgetauschten Lehrkörper, von dem ein Großteil nun aus

Lemberg stammte. Inzwischen werden in 12 Fakultäten über 33.000 Studenten unterrichtet.

Die Spezialisierung liegt auf den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern.

Das Bibliothekssystem besteht aus 20 Fachbibliotheken und dem 2014 neu eröffneten

Zentrum für wissenschaftliche und technische Information, das ich besuchen durfte

(http://centrum.pwr.edu.pl/). Es ist direkt dem Prorektoren für Forschung unterstellt. Das

Gebäude beherbergt 400 mit Computern ausgestattete Arbeitsplätze, große und kleine

Konferenzräumen mit hochwertiger technologischer Ausstattung (für Videoaufnahmen usw.),

die Koordinationsstelle für Open Access, eine Anlaufstelle für Wissenschaftstransfer und

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Patentanmeldung sowie einer Auskunft. Zudem gibt es eine Digitalisierungswerkstatt, die alte

deutsche Zeitschriften aus den Beständen für die niederschlesische digitale Bibliothek

digitalisiert. Es gibt trotz der eingebauten Bücherregale keine Druckbestände im gesamten

Gebäude, das ausschließlich der Versorgung mit E-Ressourcen gewidmet ist.

Zentrum für wissenschaftliche und technologische

Information der TU Breslau

Nach einem sehr informativen Rundgang durch das vornehmlich von der EU finanzierten

Gebäude traf ich den Erwerbungsleiter Krzysztof Moskwa, der mir sowohl die

Organisationsstruktur als auch die Erwerbungspolitik erläuterte.

Die Organisation des Bibliothekssystems ist unterteilt in drei Zweige. Neben der

traditionellen Bibliothek und der elektronischen Bibliothek gibt es das Zentrum für

Wissenschaft und wirtschaftliche Kooperation. Nebenher laufen noch Forschungslaboratorien,

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die von der TU ausgehen, z.T. aber auch bibliothekarisch relevante Entwicklungen und

Anwendungen hervorbringen (z.B. Laboratory of e-learning Technologies, Digitization

Technologies, Multimedia Laboratory). Die Bibliothek ist frei zugänglich, d.h. die digitalen

Ressourcen können auch von Nicht-Universitätsangehörigen genutzt werden. Als

Recherchekatalog ist momentan EDS implementiert, allerdings wird bis Ende des Jahres auch

Alma als integriertes System getestet, womit ein Umstieg auf Primo einherginge, den man

wahrscheinlich vornehmen wird. Als Bibliothekssystem ist momentan Aleph 500

implementiert.

Insgesamt besteht der Bestand aus 500.000 Printvolumina, 260.000 Ebooks, 3.278

Zeitschriftentiteln im Druck (214.000 Volumina) und 69.000 E-Zeitschriftentiteln (inkl. OA-

Titel). Dazu werden 93 Datenbanken lizenziert. Pro Jahr werden ca. 40 Verträge für E-

Ressourcen geschlossen. Dazu kommen noch die Nationallizenzen, die vom Ministerium

finanziert werden (s.o.), sowie die fachlichen Konsortien. 90% der Mittel für Zeitschriften

werden für E-Zeitschriften verausgabt, bei den Büchern halten sich Print und E-Books die

Waage. Die Titel werden von den Lehrenden, Studierenden und den Fachspezialisten in den

Bereichsbibliotheken vorgeschlagen, aber die Erwerbung wird zentral vorgenommen. Der

Rektor der TU unterstützt explizit eine E-Only-Policy, z.T. werden aber Titel im Druck

gewünscht, die dann aus den Etats der Fächer zusätzlich angeschafft werden müssen. In den

letzten 10 Jahren hat sich der Bestand an E-Büchern verhundertfacht, die Drucktitel sind

enorm reduziert worden. Es werden sowohl die E-Book-Pakete von Elsevier, als auch von

Springer und Wiley eingekauft, mit 100%iger Finanzierung durch das

Wissenschaftsministerium. Die Finanzplanung wird jährlich direkt mit dem Forschungsrektor

vorgenommen. Das Berichtswesen für das Ministerium ist sehr detailliert, weshalb auch gute

Auswertungen, z.B. über die Nutzung und die Publikationen von Uniangehörigen vorliegen.

Es werden auch alle Open-Access-Publikationen der Fakultäten im Repositorium verzeichnet

und in einer Forschungsdatenbank erfasst, leider aber noch ohne konkrete APC-Kosten. Eine

genaue Historie der Konsortien kann bei Bedarf bei mir eingesehen bzw. kopiert werden.

Neben dem interessanten bibliothekarischen Informationsaustausch konnte ich einen sehr

guten Einblick in die Stadtgeschichte gewinnen, nicht zuletzt auch aufgrund des

gastfreundlichen Engagements und der Übersetzungen von Arkadiusz Cencora, der mir reiche

Einblicke auch in weniger zugängliche Stätten und deren Geschichte ermöglichte. Auf langen

Spaziergängen sah ich nebst anderem das Ursulinenkloster mit dem Grabmal der Piasten, die

Markthalle, die Synagoge, zahlreiche Kirchen, u.a. die Elisabethkirche, die griechisch-

orthodoxe und die Franziskanerkirche, das renovierte und gut bestückte Stadtmuseum

(ehemaliges Palais Späthgen und Residenz der preussischen Könige), das Ossolineum, die

städtische Mediathek, die Oper, das Puppentheater sowie sehr gute Cafés und Restaurants.

Insbesondere die Pracht der frühneuzeitlichen Tradition, aber auch die wunderbaren

Überbleibsel der Jugendstilarchitektur haben mich sehr beeindruckt.

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Mediathek der Stadtbibliothek Breslau

Den Kolleginnen und Kollegen in Breslau, allen voran Herrn Piotr Rossa, der das Programm

organisierte und begleitete, sowie Herrn Arkadiusz Cencora und den weiteren

Gesprächspartnern bin ich zu tiefem Dank verpflichtet.

Mein Dank geht auch an Frau Dr. Lapp und die Ruhr-Universität Bochum für die

Ermöglichung des außerordentlich wertvollen Austausches.