INFORMATIONSKONZEPTE FÜR DIE ZUKUNFT - … · noch ein unverzichtbarer Bestandteil...

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INFORMATIONSKONZEPTE FÜR DIE ZUKUNFT

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INFORMATIONSKONZEPTE FÜR DIE ZUKUNFT

Schriften der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)Herausgegeben von Harald WeigelBand 5

INFORMATIONS-KONZEPTEFÜR DIE ZUKUNFT ODOK ‘07

12. Österreichisches Online-Informationstreffen13. Österreichischer Dokumentartag

17. – 21. September 2007, Karl-Franzens-Universität Graz

Herausgegeben von Eveline Pipp

Wolfgang Neugebauer Verlag GesmbH Graz-Feldkirch

Herausgegeben von der Arbeitsgruppe „Elektronische Medien“ in der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB)

Umschlag/Layout: Tobias NeugebauerDruck: dd-ag, BirkachPrinted in GermanyISBN 978-3-85376-285-1

© 2008 W. Neugebauer Verlag GesmbH Graz-Feldkirch

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes dar f in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Tonkopie, Mikrofilm oder ein anderes Ver fahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduzier t oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Die Tagung wurde unterstützt von:Bundesministerium für Wissenschaft und ForschungStadt GrazLand Steiermark

INHALT

VORWORT ...................................................................................................................................................................................................................... 9

EINFÜHRUNG – FESTVORTRAG

Walter Koch, Heinz Hauffe

Keine Zukunft ohne Vergangenheit - Ein Abriss der Geschichte

der Datenbanken und ihrer Nutzung .................................................................................................................... 11

INFORMATIONSSYSTEME UND IHRE ERSCHLIESSUNG

Engelbert Zass

SciFinder Scholar und Crossfire und Web of Science

und … - Luxus oder Notwendigkeit ? .................................................................................................................. 27

Tamara Pianos

Bunte Blumenwiese versus Nutzbarkeit – Virtuelle Fachbibliotheken

und andere Fachportale im Kontext von vascoda und Möglichkeiten

der Homogenisierung ................................................................................................................................................................. 39

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

ERIS - Ein thesaurusbasiertes Bildretrievalsystem

mittels Zoomable User Interface .................................................................................................................................. 47

Regine Stein

Museumsdaten in Portalen – Die Vernetzungsstandards

museumdat und museumvok ..................................................................................................................................................... 61

INFORMATIONSDIENSTLEISTUNGEN

Nicole Krüger

LOTSE - Ein ganzheitlicher Ansatz zur Online-Vermittlung

von Informationskompetenz ............................................................................................................................................... 71

Peter Mayr

Für uns sind Sie keine (Ticket-)Nummer! Erfahrungen

aus dem virtuellen Auskunftsverbund DigiAuskunft ..................................................................... 83

Christine Krätzsch

Optimierung von Dienstleistungen an Hochschulbibliotheken

auf Basis von Web 2.0 Technologien ...................................................................................................................... 93

Michaela Putz

Wikis als Wissensmanagementtool für Bibliotheken. Ein Praxisbericht ...... 103

OPEN ACCESS IM BIBLIOTHEKSWESEN

Monika Bargmann

Wein predigen und Wasser trinken? Theorie und Praxis

von Open Access im österreichischen Bibliothekswesen ...................................................... 113

Michael Katzmayr

Zwei Jahre österreichische Beteiligung an E-LIS:

Status Quo und Perspektiven ........................................................................................................................................ 127

ÖFFENTLICHE SITZUNG DES FORUMS GESIG E.V.

Adalbert Kirchgäßner

Zeitschriftenkonsortien. Angebotsausweitung

auf Kosten der Flexibilität .................................................................................................................................................. 137

ÖGDI-PREIS FÜR INFORMATION UND DOKUMENTATION

Verena Kern

Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten (1.Preis) ................................................... 147

Bernhard Wenzl

RFID in der Hauptbücherei Wien (3.Preis) ........................................................................................... 157

PRÄSENTATION UND VERWALTUNG VON E-MEDIEN

Heiko Jansen

DigiBib – Die Digitale Bibliothek: Das Komplett-Angebot

zur Informationsvermittlung .......................................................................................................................................... 167

AUS- UND WEITERBILDUNGSEINRICHTUNGEN

Jutta Bertram

10 Jahre Studienstandort Eisenstadt ................................................................................................................... 181

ABSCHLIESSENDER FESTVORTRAG

Sirje Virkus

LIS Education in Europe: Challenges and Opportunities ............................................... 193

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VORWORT

Verehrte Leserin, verehrter Leser!

Ich darf Ihnen diesen Tagungsband als Rückblick und Nachlese der ODOK’07 in

Graz vorlegen.

Es freut mich ganz besonders, dass ich zwei Keynote-Vorträge in den Tagungsband

aufnehmen konnte. Ich danke Prof. Virkus und Prof. Koch, dass sie neben Ihren

zahlreichen Verpflichtungen die Zeit fanden, ihre Vorträge schriftlich niederzulegen.

Heinz Hauffe schickt uns die Zusammenfassung seiner reichen Erfahrung aus

dem Bereich der Datenbanken aus seinem Ruhestand, für den wir ihm alles Gute,

besonders Gesundheit, wünschen.

Von den vier Hauptthemen der Tagung – Informationsdienstleistungen, Informations-

systeme, Informationsmanagement sowie Ausbildung und Forschung – sind vor

allem die ersten beiden im Tagungsband gut repräsentiert. Bei den Beiträgen handelt

es sich mehrheitlich um Berichte über von Bibliotheken entwickelte Mehrwert-

Dienste, die entweder anderen Bibliotheken zur Mitnutzung angeboten würden,

oder über die ein Erfahrungsaustausch möglich wäre. Ich freue mich auch sehr,

dass Engelbert Zass und Adalbert Kirchgäßner ihre Erfahrungen über chemische

Fachdatenbanken bzw. die Bestandespolitik bei elektronischen Zeitschriften mit

uns teilen.

Die Vorträge über „ERM-Systeme aus der Anwendersicht“ finden Sie leider nicht vor.

Die Vortragenden waren übereinstimmend der Meinung, dass die Implementationen

noch zu wenig weit gediehen und die kommerziellen Systeme auch noch zu wenig

ausgereift seien. Die In-House-Lösung des Forschungszentrums Jülich wurde bereits

an anderer Stelle publiziert.

Auf der ODOK’07 wurde erstmals der ÖGDI-Preis für Information und

Dokumentation verliehen. zwei der drei Preisarbeiten werden ebenfalls im Rahmen

dieses Tagungsbandes vorgestellt.

Verehrte Leserin, verehrter Leser, ich hoffe, dass Sie die Beiträge mit Genuss und

mit Nutzen für Ihre eigene Arbeit lesen und dass der Tagungsband Sie anregt, sich

an der nächsten ODOK, die im Herbst 2010 stattfinden wird, aktiv zu beteiligen.

Innsbruck, August 2008 Eveline Pipp

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EINFÜHRUNG – FESTVORTRAG

KEINE ZUKUNFT OHNE VERGANGENHEITEIN ABRISS DER GESCHICHTE DER DATENBANKEN UND IHRER NUTZUNG

WALTER KOCH, HEINZ HAUFFE

ABSTRACT

Die Entwicklung neuer Methoden und Techniken im Bereich der Dokumentation und

Information ist seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts durch den Einfluss der

elektronischen Datenverarbeitung (EDV) gekennzeichnet. Dabei haben sich die – immer

wieder – „neuen“ Dienstleistungen im Informations-, Dokumentations- und Bibliothekswesen

den gerade aktuellen technologischen Entwicklungen angepasst: konnten Literaturrecherchen

zu Beginn der Entwicklung nur auf Basis von Magnetbändern durchgeführt werden (z.B.

SDI-Dienste) , so brachte der Einsatz von Magnettrommeln und Magnetplatten (mit

schnellen Datenzugriffen) den Aufbau von Online-Literaturdiensten mit sich, die heute

noch ein unverzichtbarer Bestandteil bibliothekarisch-dokumentarischer Dienstleistungen

sind.

Zu Beginn der 1960er Jahre begannen die Hersteller gedruckter Referateorgane EDV-

unterstützte Methoden zu entwickeln, um Register automatisch zu erstellen, um wöchentliche

oder monatliche Ausgaben zu Vierteljahres-, Halbjahres- und Jahresbänden zu kumulieren.

Gleichzeitig beauftragte die NASA die Flugzeug- und Raketenf irma Lockheed mit der

Erstellung einer technischen Dokumentation zur Vorbereitung der Mondlandung.

Als Nebenprodukt der Aktivitäten dieser Firma und denen anderer Institutionen f ielen

Magnetbänder an, die dann sequentiell durchsucht werden konnten (SDIs). In Österreich

nahm sich das Institut für Maschinelle Dokumentation in Graz dieser Aufgabe an und

entwickelte eigene Datenbankprogramme. Gegen Ende der 1960er Jahre wurden die Inhalte

dieser Bänder invertiert und in lineare und invertierte Dateien aufgeteilt. Diese Datenbanken

konnten nun extern via Datenleitungen abgefragt werden. Dialog, eine Abteilung der Fa.

Lockheed, wurde 1972 selbständig und öffnete sich externen Kunden; weitere Hosts folgten.

1975 nutzten erste amerikanische Bibliotheken dieses Angebot, 1978 erste österreichische

Bibliotheken. Deren Informationsvermittlungsstellen blieben für zehn Jahre die einzigen

Orte an den Universitäten mit einem Online-Zugang zu den Datenbanken.

Ab 1988 kamen die ersten dieser Datenbanken auf CD-ROM auf den Markt; ab 1995

wurden sie in zunehmendem Maße im Web aufgelegt. 1997 ist das Startjahr für

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Verlagsplattformen (Springer, Elsevier, Wiley etc.), in denen Zeitschrifteninhalte nachgewiesen

und im Volltext elektronisch aufgerufen werden können. Bibliotheken und Informations-

abteilungen der Industrie wissen diese verstärkt in Anspruch zu nehmen.

GESCHICHTE DER ZUGRUNDE LIEGENDEN HARD- UND SOFTWARE

Keine Zukunft ohne Vergangenheit - „... und keine Datenbank ohne EDV

(Elektronische Datenverarbeitung)“. So könnte ein weiterer Untertitel lauten. Betrachtet

man den Aufbau einer EDV-Anlage, so erkennt man, dass sich am Konzept das

diesem Gerät zu Grunde liegt, seit einem halben Jahrhundert nicht viel geändert

hat. Schon im Jahre 1945 beschrieb der Mathematiker John von Neumann eine

Rechnerarchitektur, die aus Steuereinheit und arithmetischer Einheit sowie einer

Speichereinheit bestand (Neumann, 1945).

Untersucht man eine „moderne“ Computeranlage des 21. Jahrhunderts, so erkennt

man dasselbe Konzept wie es Abbildung 1 (links) zeigt. Geändert haben sich die

technischen Komponenten wie Ein- und Ausgabegeräte, Zentraleinheit, Speicher,

etc. Bestimmende Elemente waren und sind die elektronischen Bauteile, die man

auch bei Geräten der Unterhaltungselektronik wieder findet, wie Elektronenröhren,

Transistoren oder Integrierte Schaltungen (Abbildung 1, rechts).

Abbildung 1: Aufbau eines Computers (links) und elektronische Bauteile (rechts)

Diese immer kleiner werdenden Bauteile haben anfangs auch die „Computer-

Generationen“ bestimmt: Computer der 1. Generation (Anfänge bis etwa 1955)

arbeiteten mit Relais und Elektronenröhren (18.000); sie waren ca 30 Tonnen schwer

und benötigten eine Fläche von ca.120m2. Die 2. Generation (etwa bis 1965) benutzte

außer Elektronenröhren zunehmend Transistoren, größere Arbeitsspeicher und -

neben Lochkarten und -streifen - auch immer öfter magnetische Speichermedien.

Walter Koch, Heinz Hauffe

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Die Rechner der 3. Generation (etwa bis 1975) verwendeten integrierte Schaltkreise.

Computer der 4. Generation (etwa bis Mitte der 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts)

benutzen hoch integrierte Schaltkreise, schnelle Arbeitsspeicher und große

Massenspeicher. Ob es eine 5. und 6. Generation gibt bzw. geben wird, ist

umstritten.

Neben der Geräteausstattung eines Computers (Hardware) hat man auch bei dem

zweiten wesentlichen Merkmal eines Computers, der Software (Menge von Befehlen

die die Maschine auszuführen hat), versucht die Entwicklung der Programmier-

sprachen in Generationen darzustellen: Die 1.Generation brachte die Anfänge der

Entwicklung von Programmiersprachen (Assembler). In der 2.Generation (1950er

Jahre) entstanden erste moderne Programmiersprachen (Compiler: COBOL, Algol,

Fortran). Die 1960er und 1970er Jahre bestimmten die Entwicklung neuer Paradigmen:

3.Generations (3GL)-Sprachen wie Pascal oder C. Die 4.Generation in den 1980er

Jahren brachte eine Konsolidierung (4GL-Sprachen) und Objektorientierung. Auch

hier gibt es bei der weiteren Entwicklung keine einheitliche Zählung der Generationen

mehr. Bei den Betriebssystemen die auch zur Software zählen gibt es auch kaum

noch sensationelle Entwicklungen. „Ubuntu“ (kein Volksstamm eines fernen Landes)

ist ein aktuelles Produkt einer Serie von Betriebssystemen (UNIX, Linux, etc) deren

Ursprung am Beginn der 70-er Jahre des 20. Jahrhunderts liegt. Auch die heute noch

stark verbreitete „relationale Datenbanktechnik“ ist etwa zur selben Zeit entstanden.

Neben Verkleinerung der Geräte und der Erhöhung der Verarbeitungsgeschwindigkeiten

ist wohl nur noch die Vergrösserung des Bankkontos des Erfinders von „Windows“

bemerkenswert.

Welche Geräte haben nun den Menschen in der Vergangenheit auf seinem Weg zur

Wissensgesellschaft begleitet (Abbildung 2).

Abbildung 2: Der Mensch auf dem Weg zur Wissensgesellschaft

Schriften der VÖB 5, 11 – 26

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Waren die Produkte der 1. (Abbildung 3, links oben: ENIAC, 1945) und 2.

Computergeneration (Abbildung 3, rechts oben: IBM-701, 1952) noch kaum für

den Aufbau und die effektive Nutzung von Datenbanken geeignet, so brachte die

3.Computergeneration (ca 1965 – 1975) eine Änderung.

Abbildung 3, links unten zeigt ein Grossrechenanlage des ehemaligen Grazer

Rechenzentrums mit deren Hilfe zu Beginn der 70-er Jahre des 20. Jahrhundert eine

Reihe von Literatur-Informationsdiensten (Chemie, Mathematik, Physik,

Elektrotechnik, Medizin, Philosophie, etc) in Zusammenarbeit mit der

Universitätsbibliothek Graz aufgebaut wurden.

Die Ergebnisse der Literaturrecherchen wurden mit „Schnelldruckern“ auf

„Endlospapier“ ausgegeben und an die Literatursuchenden verteilt. Abbildung 3,

rechts unten zeigt ein derartiges nicht gerade geräuscharmes Gerät in geöffnetem

Zustand. Die Qualität des Ausdruckes des hier abgebildeten „Walzendruckers“ war

zeitweise allerdings gerade noch als leserlich zu bezeichnen.

Abbildung 3: Computer der 1. bis 3. Generation: ENIAC, 1945 (links oben); IBM-701, 1952 (rechts oben); UNIVAC-494 des Grazer Rechenzentrums,

1973 (links unten) und Walzendrucker, 1973 (rechts unten)

Ausgangspunkt für die „EDV-Recherchen“ waren Magnetbänder, die von Produzenten

verschiedener Referateorgane (Chemical Abstracts, IEEE, Excerpta Medica, etc) an

die Anbieter von Informationsdiensten verkauft wurden. Diese Bänder wurden mit

imposanten Magnetbandgeräten (Abbildung 4) verarbeitet.

Walter Koch, Heinz Hauffe

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Abbildung 4: Magnetbandlesegerät UNISERVO

In diese Zeit fällt auch eine wesentliche Entwicklung im Druckereigewerbe, nämlich

die Ablöse von Bleisatz durch Lichtsatz. Als Vorstufe zur Produktion von Biblio-

graphien (z.B. Österreichische Historische Bibliographie, Steirische Bibliographie,

EUSIDIC - Data Base Guide) erfolgte bereits am Computer die Sortierung und

Druckaufbereitung der späteren Druckwerke. Als Ergebnis „schoss“ aus der Grossre-

chenanlage (Abbildung 5, links zeigt ein „Lochstreifenstanzgerät“) ein mindestens

hundert Meter langer Lochstreifen heraus (Abbildung 5, rechts), der dann mühsam

mit einer Handkurbelmaschine wieder aufgewickelt werden musste, um der Druckerei

übergeben zu werden.

Abbildung 5: Lochstreifenstanzgerät (links) und Lochstreifen (rechts)

Der Prozess des „Lochstreifenstanzens und –aufwickelns“ musste ab und zu wiederholt

werden, wenn ein unglücklicher Operator (Bediener der Grossrechenanlage) beim

Aufwickeln auf dem Lochstreifen stand und dieser riss.

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In den frühen 70-er Jahren wurden international

die ersten „Online“-Dienste zur Abfrage

bibliographi scher Datenbanken aufgebaut

(Lockheed-Dialog, SDC-Orbit, ESA-Recon,

Medlars, etc). Die erste Online Recherche in

Österreich dürfte 1974 oder 1975 im Grazer

Rechenzentrum durchgeführt worden sein. Als

Datenendgerät wurde ein moderner Fernschreiber

der Marke Teletype (Abbildung 6) verwendet.

Abbildung 6: Fernschreiber Marke Teletype

Über ein – damals der nationalen Postgesellschaft vermutlich unbekanntes – Netzwerk

der Firma Timeshare (Tymnet) konnten einige Netzwerk-Knoten in Europa die mit

den USA verbunden waren „angewählt“ werden. Der für Österreich nächste

Knotenrechner (Abbildung 7) stand in Lausanne in der Schweiz.

Abbildung 7: TYMNET-Knotenrechner, Lausanne

Anstelle der bereits seit dem zweiten Weltkrieg bekannten „Teletypes“ (Fernschreiber)

mit einer noch nicht berauschenden Geschwindigkeit von 300 baud (Zeichen per

Sekunde) wurden später Bildschirmgeräte eingesetzt. Abbildung 8, links zeigt ein

derartiges Gerät der „ersten Online-Stunde“. Damit konnte die

Übertragungsgeschwindigkeit zwischen dem Datenendgerät und dem entfernten

Computer auf beachtliche 1200 baud gesteigert werden.

Walter Koch, Heinz Hauffe

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An das normale Telefon-Netzwerk angeschlossen war das Bildschirmgerät über einen

„Akustik-Koppler“, der eine Halterung für die damals üblichen Telefonhörer hatte

(Abbildung 8, rechts). Diese Geräte wurden bald durch „Modems“ ersetzt.

Abbildung 8: Hazeltine-2000 Bildschirmgerät (links) und Akustik-Koppler (rechts)

Damit war der Siegeszug der Online-Dienste in Österreich nicht mehr aufzuhalten.

GESCHICHTE DER DATENBANKEN UND ONLINE-DIENSTE

Periodische Publikationen, in denen die Inhalte von Fachzeitschriften nachgewiesen

und referiert werden, erschienen erstmals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als

Anzahl und Umfang dieser Zeitschriften zu unübersichtlich geworden waren, als dass

man durch deren bloßes Durchblättern auf dem Laufenden bleiben konnte. Zu den

ersten Referateorganen dieser Art gehörte das „Pharmaceutische Centralblatt“ (später

umbenannt in „Chemisch-Pharmaceutisches Centralblatt“), das ab 1830 erschien. 1878

kam der „Index Medicus“ heraus (eingestellt 2004); seit 1907 werden die „Chemical

Abstracts“ produziert. Jahrzehntelang wurden diese Organe in derselben Aufmachung

und Anordnung publiziert, meist nach sachlichen Gesichtspunkten: Der „Index Medicus“

war alphabetisch nach Haupt- und Unterschlagwörtern („Main Headings“ und

„Subheadings“) angeordnet; andere Organe bedienten sich einer Klassifikation (Reinitzer

und Gossler 1988). Diese Strukturen sind vielfach auch heute noch in ihren

Nachfolgeprodukten, den Datenbanken zu finden. Dazu gab es Autoren-, Stich- oder

Schlagwortregister; die wöchentlichen oder monatlichen Ausgaben wurden regelmäßig

zu Viertel-, Halbjahres- und Jahresausgaben zusammengemischt.

In den 1950er Jahren begannen die Hersteller gedruckter Referateorgane EDV-

unterstützte Methoden zu entwickeln, um diese per Lichtsatz zu produzieren und um

die Register und Kumulierungen automatisch zu erstellen. Als Nebenprodukt fielen

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Magnetbänder an. 1960 erprobte Hans Peter Luhn (IBM) die sequentielle Suche in

diesen „linearen Dateien“, eine Methode, die lange Zeit „Selective Dissemination of

Information“ (SDI) hieß, bevor sie in „Alerting Service“ umbenannt wurde. Im Regelfall

wurden damit die aktuellen Bänder durchsucht, sodass die neu erschienene Literatur

überwacht werden konnte. In Österreich wurde diese Methode erstmals ab 1973 am

Rechenzentrum Graz angewandt, wo 1976 das Institut für Maschinelle Dokumentation

(IMD) gegründet wurde (siehe Koch, 1978). 1973 nahm auch der Literaturdienst Medizin

(LID), eine Einrichtung des Österreichischen Bundesinstituts für Gesundheitswesen,

seine Tätigkeit als Vermittlungsstelle medizinischer Literaturinformationsdienste auf,

vorwiegend in Kooperation mit dem 1969 gegründeten Deutschen Institut für

Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln (Csepan, 1978).

Das Medium Magnetband erlaubte nur äußerst zeitaufwendige retrospektive

Recherchen. Um z.B. einen Jahrgang der wöchentlich erscheinenden Chemical

Abstracts zu durchsuchen, mussten 52 Magnetbänder eingelegt und abgearbeitet

werden. Ab 1965 begannen deshalb einschlägige Institutionen, die Dateien zu

invertieren. Beispiele hiefür sind die American Chemical Society mit den „Chemical

Abstracts“ (Schulz, 1985), oder die National Library of Medicine (NLM) mit dem

„Index Medicus“ Die NLM entwickelte zwischen 1960 und 1964 Medlars (Medical

Literature Analysis and Retrieval System). Teilweise wurden mit diesen Aufgaben

Computerabteilungen kommerzieller Firmen beauftragt.

Ziel war die Erstellung von Indices, in denen dann die Suche erfolgte. Zugleich

wurden die Inhalte der Bänder auf ein Medium mit wahlfreiem Zugriff (Trommel,

Platte) überspielt, sodass über die in der invertierten Datei gefundenen

Dokumentennummern die dazugehörigen Dokumente in der linearen Datei direkt

aufgerufen werden konnten.

Am 25. Mai 1961 verkündete der amerikanische Präsident John F. Kennedy in einer

Rede an den amerikanischen Kongress seinen ehrgeizigen Plan einer bemannten

Mondlandung. Mit der technischen Dokumentation dazu wurde die Flugzeug- und

Raketenfirma Lockheed beauftragt, die 1964 das „Information Science Laboratory“

(später Dialog) gründete (Summit 2002). Federführend war Roger Summit (Abbildung

9). 1967 wird in einem Vertrag zwischen Lockheed und der European Space Research

Organisation (ESRO), später umbenannt in European Space Agency (ESA), der

Austausch der Retrievalsoftware und der Daten vereinbart (Bjørner und Ardito,

Pt.1-2, 2003).

Der einzige ernstzunehmende Konkurrent zu Lockheed war die Firma System

Development Corporation (SDC), an deren Aufbau maßgeblich Carlos Cuadra

Walter Koch, Heinz Hauffe

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(Abbildung 9) beteiligt war. SDC entwickelte Anfang der 1960er Jahre für die

amerikanische Luftwaffe die Software ORBIT.

1968 schloss SDC einen Vertrag mit dem Educational Resources Information Center

(ERIC) ab und entwickelte ab 1969 ein Retrievalprogramm (ELHILL) für die

National Library of Medicine (NLM), das in der Folge vom British Library Automated

Information Service (BLAISE) für die Abfrage von Medline eingesetzt wurde. Parallel

dazu entwickelte IBM das Datenbanksystem STAIRS (STorage And Information

Retrieval System), das u.a. von den Bibliographic Retrieval Services (BRS) New York

(gegründet 1976) oder DataStar Bern (gegründet 1981) verwendet wurde. Siemens

erfand die „Großspeicher-orientierte listenorganisierte Ermittlungs methode“

(GOLEM), die vom Informationszentrum Raum und Bau (IRB) Stuttgart bis 1986

eingesetzt und von den Rechercheuren als extrem unpraktisch empfunden wurde.

Alle diese Retrievalsprachen waren kommando-orientiert und mussten in Kursen

erlernt werden. Eine kompakte Übersicht über die wichtigsten Retrievalbefehle der

verschiedenen Systeme findet sich bei Vom Kolke (1994, S. 147-178) oder im

„UKOLUG quick guide to online commands“ (1994).

Abbildung 9: Die Online-Pioniere Carlos Cuadra (li) und Roger Summit (re) [1]

Nach der Mondlandung 1969 kamen speziell in den Vereinigten Staaten kommerzielle

Interessen mit ins Spiel. 1972 wird Dialog selbständig und öffnet sich Nicht-

Regierungs-Kunden (Datenbanken: NASA, Nuclear Science Abstracts, ERIC, Pandex).

1968 wird SDC kommerziell (Datenbanken: ERIC, Chemical Abstracts Condensates).

1975 gehen erste amerikanische Bibliotheken online und neben dem IMD Graz

erstmals auch eine weitere österreichische Institution, nämlich das Österreichische

Forschungszentrum Seibersdorf.

1978 folgten auf Grund einer Initiative des Bundesministeriums für Wissenschaft

und Forschung eine Reihe österreichischer Bibliotheken, an denen

Informationsvermittlungsstellen etabliert wurden. Diese wurden mit den heute

legendären Hewlett Packard 2645A Terminals samt Nadeldruckern und Modems

ausgestattet, die zusammen je umgerechnet EUR 14.500,- kosteten, damals eine

astronomische Summe.

Schriften der VÖB 5, 11 – 26

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Abbildung 10: Hewlett Packard 2645A Terminal

Die mit Recherchen befassten Personen waren eine kleine – oft argwöhnisch

beobachtete – Gruppe von Spezialisten, die alsbald einen regen Meinungsaustausch

pflegten. Zunächst kommunizierten sie über die VÖB-Kommission der EDV-

Anwender, in der 1984 die Österreichische Online-Benutzergruppe (1991 umbenannt

in „Arbeitsgruppe Elektronische Medien“) gebildet wurde [2]. Mitglieder dieser

Gruppe waren nicht nur Bibliothekare, sondern auch Informationsfachleute aus der

Industrie. Eine Plattform für die Kommunikation waren die „Online-Mitteilungen“

[3], eine andere die alle zwei Jahre veranstalteten Österreichischen Online-Informations-

treffen, deren erstes 1985 von 18 Teilnehmern gestaltet wurde. Seit 1997 wird diese

Konferenz gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Dokumentation

und Information (ÖGDI) unter der Bezeichnung „ODOK“ veranstaltet [4].

Voraussetzung für den Zugriff auf die Datenbanken waren funktionierende

Telekommunikationsnetze. 1979 nahm Radio Austria, eine Tochterfirma der Post,

einen Tymnet-Knoten in Betrieb, der auch einen Zugang zum amerikanischen Telenet

ermöglichte. Allerdings war die Übertragungsgeschwindigkeit nach heutigen

Maßstäben extrem langsam (300 Baud, gemütlich zum Mitlesen!). Und nicht alle

Hosts waren eingebunden: BLAISE war lange Zeit nur per Telefon-Fernwahl (ATS

13,50 pro Minute) erreichbar.

Die für Online-Recherchen zu entrichtenden Gebühren waren zeit- und

nutzungsabhängig. Bei den Hosts kam eine Stunde Anschlusszeit auf USD 70,- bis

120,- zu stehen; Offline-Prints kosteten USD 0,15 bis 0,30 pro Datensatz (Kosten

für Online-Prints fielen in der Anfangszeit angesichts der niedrigen Übertragungsrate

nicht an). Die Hosts hatten ihrerseits an die Datenbankhersteller zeit- und

nutzungsabhängige Lizenzen („Royalties“) zu entrichten; z.T. floss damit mehr Geld

aus den Vereinigten Staaten nach Europa als europäische Kunden zu zahlen hatten.

Walter Koch, Heinz Hauffe

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Für das Netz schlugen sich die Anschlusszeit mit ATS 11,- bis 15,- pro Minute

sowie das Datenvolumen mit ATS 10,- pro Kilobyte zu Buche.

Angesichts dieser Kostenstruktur verwundert es nicht, dass die Recherchestrategien

völlig anders waren als heute, da man ohne Kostendruck in den pauschal finanzierten

Datenbanken auf CD-ROM oder im Web stöbern kann. Seinerzeit verzichtete man

oft auf eine Verfeinerung der Recherche, nahm zwecks Wahrung der Vollständigkeit

eine gewisse Ungenauigkeit in Kauf und bestellte die Literaturliste offline. Der

Postweg konnte ein bis zwei Wochen dauern (Oberhauser et al. 1984)!

An deutschen Bibliotheken begann das Online-Zeitalter (von früheren Vorreitern

abgesehen) 1979. Ein Programm der deutschen Bundesregierung zur Förderung der

Information und Dokumentation (1974–1977) hatte zum Ziel, Datenbankbetreiber

als Fachinformationszentren zu errichten (oder bereits bestehende zu fördern) und

diese durch „zentrale Dezentralisation“ planmäßig staatlich zu lenken. Zum Teil

werden diese Einrichtungen bis heute staatlich finanziert oder gefördert, teilweise

besteht heute eine vollständige Eigenfinanzierung. 1984 belief sich der

Kostendeckungsgrad durchschnittlich auf 27%. Die Geschäftsmodelle und Träger

der Institutionen sind vielfältig, ebenso die Bandbreite ihrer Leistungsangebote. Eine

Liste der heute noch aktiven Institutionen findet sich in der „Übersicht über

Fachinformationszentren und überregionale Informations einrichtungen“ (2005).

Am Datenbankmarkt herrschten alsbald hektische Aktivitäten. Lizenzverhandlungen

zwischen Datenbankherstellern und -anbietern führten oft zu Aufkündigungen von

Exklusivlizenzen, sodass zum Vorteil der Konsumenten dieselben Datenbanken bei

mehreren Hosts auflagen. So wurde z.B. 1981 Medline (bis dahin exklusiv bei BRS

und BLAISE) in das Datenbankprogramm von Dialog aufgenommen. Derwent,

der Produzent des World Patents Index, kündigte 1984 den Exklusivvertrag mit

SDC. Die Datenbankversionen des Science Citation Index und des Social Science

Citation Index vom Institute for Scientific Information (ISI) gab es bei mehreren

Hosts, nur der Arts and Humanities Citation Index lag exklusiv bei BRS auf.

1982 gab es in Deutschland 250 Online-Anschlüsse in der Industrie und 100 an

Universitäten. 1983 wird STN (Scientific Technical Network) gegründet, ein

gemeinsames Unternehmen des FIZ Karlsruhe und des Chemical Abstracts Service

(CAS) in Columbus, Ohio. Diese Unternehmensstruktur ermöglichte es STN, die

Chemical Abstracts inklusive Abstracts aufzulegen, während sich alle anderen Hosts

mit den Chemical Abstracts Condensates (also einer Version ohne Abstracts) begnügen

mussten. Ein Rechtsstreit zwischen Dialog und dem CAS auf Freigabe der Abstracts

und der Strukturinformationen dauerte von 1990 bis 1993, ohne dass dem Ansinnen

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Dialogs statt gegeben wurde. Die Strukturinformationen hatte dagegen jahrelang

exklusiv der französische Host Questel, bevor auch STN Substrukturrecherchen

ermöglichte. Diese Konkurrenz bewog Questel schließlich, sich hauptsächlich auf

Informationen zu Patenten und Handelsmarken zu konzentrieren.

Die Retrievalsysteme wurden indes zügig weiterentwickelt: Manche Systeme (wie

ORBIT, ESA/IRS, GOLEM) boten Suchen nach Zeichenketten in vorselektierten

Mengen an. 1987 kamen Dialog (das zuvor einen Gesamtindex namens DIALINDEX

bereitgestellt hatte) und ESA/IRS mit einer simultanen Suche in mehreren

Datenbanken unter gleichzeitiger Eliminierung von Duplikaten heraus. Nachdem

die Anfänge der Datenbanken in die Mitte der 1960er Jahre datieren, vermisste man

bald die Nachweise älterer Literatur: Georef ergänzte 1985 seinen Umfang um Zitate

ab 1785; die Rückerfassung bei den Chemical Abstracts betraf Zeitschriftenartikel

und Patente (1878-), Substanzen (1957-) und Reaktionen (1840-); das Institute for

Scientific Information (ISI) erfasste jüngst ältere Zitate bis 1900 zurück; Inspec geht

nunmehr zurück bis 1898. Zu den bibliografischen Datenbanken gesellten sich alsbald

Faktendatenbanken (Firmenverzeichnisse, Wirtschaftsstatistiken, Pharmakopöen

etc.).

Konkurrenz war auch die Triebfeder für Ver- und Aufkäufe einschlägiger Firmen.

1986 kauft Pergamon SDC und verkauft dieses 1988 an Maxwell weiter. 1988 kauft

der Medienkonzern Knight Ridder (in Konkurrenz zu Maxwell, AT&T und Mead

Data Central) Dialog um USD 353 Mio („quite a sum!“, hieß es damals, nachdem

sich der Kaufpreis einer Firma üblicherweise in der Größenordnung ihres

Jahresumsatzes bewegte). Dialog verzeichnete damals 91.000 eingetragene Benutzer

und Benutzerinnen aus 86 Ländern, die 1987 bei einem Umsatz von USD 98,1 Mio

für einen Gewinn von USD 9,2 Mio sorgten. 1993 kauft Knight Ridder auch Data-

Star. Seit 2000 gehören Dialog und Data-Star (wie auch ISI) zu Thomson Scientific.

1994 wurde BRS von Ovid Technologies aufgekauft, Ovid 1998 von Wolters Kluwer,

das BRS nicht mehr weiterbetrieb. Es ist bemerkenswert, dass die amerikanischen

Datenbankanbieter durch die Bank kommerziell agierten, während die europäischen

Hosts zumeist auf staatliche, halb- oder überstaatliche Finanzmittel zurückgreifen

konnten. Die Datenbankhersteller hingegen waren (und sind) oft nicht-

gewinnorientierte Institutionen, die – auch in den USA – in den Genuss staatlicher

Förderungen kamen.

1988 trat eine Zäsur am Datenbankmarkt ein. Waren bis dato die Informations-

vermittlungsstellen der Bibliotheken die einzigen Orte an der jeweiligen Universität

mit grenzüberschreitenden Datenleitungen und damit die einzigen Stellen, die auf

Datenbanken zugreifen konnten, so kamen nunmehr dieselben Datenbanken auf

Walter Koch, Heinz Hauffe

23

CD-ROM auf den Markt. Zunächst wurden diese auf Einzelplätzen installiert, die

jedoch bald der Nachfrage nicht mehr Herr werden konnten. 1992 wurden erste

CD-ROM-Netze an österreichischen Bibliotheken aufgebaut, die einen breiten

universitätsweiten Zugriff durch die Endnutzer und –nutzerinnen auf diese

Datenbanken ermöglichten (Hauffe 1993, Seidler und Oberhauser 1996), mit dem

Effekt, dass die klassischen vermittelten Online-Recherchen rapide zurückgingen

(Abbildung 11). 1990 gab es 3525 weltweit online verfügbare Datenbanken (1985

waren es vergleichsweise 2500) und „nur“ 433 Datenbanken auf CD-ROM, die

allerdings die am meisten nachgefragten Produkte enthielten und entsprechend viel

stärker genutzt wurden.

Abbildung 11: Erwähnung des Begriffs „Online“ in ausgewählten Datenbanken (NCJRS, PAIS, ERIC, SSCI) in % aller Einträge

Eine weitere Zäsur ereignete sich 1995, als erste Datenbanken im World Wide Web

(WWW) aufgelegt wurden. Dieses hatte 1989 Tim Berners-Lee erfunden; die erste

Nutzanwendung war das 1991 gegründete Los Alamos National Laboratory (LANL)

Preprint Archive. Die Software zur Anzeige der Dokumente hielt Schritt (1993

bringt Adobe Systems den nunmehr allgegenwärtigen Acrobat Reader heraus).

Abbildung 12: Tim Berners Lee

0

0.2

0.4

0.6

0.8

1

1.2

1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005

Schriften der VÖB 5, 11 – 26

24

Mittlerweile haben die im WWW verfügbaren Datenbanken jene auf CD-ROM

überflügelt; diese gelten nunmehr als Produkte einer veralteten und damit auslaufenden

Technologie. Diese Tendenz wird auch durch die Nutzungsstatistik 2007 der

Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Tirol, die vielleicht als repräsentativ für

ähnliche große Universalbibliotheken anzusehen ist, belegt (Tabelle 1):

Tabelle 1: Datenbankangebot und Nutzungsdaten 2007 der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol

Anzahl CD-ROM- und Web-Datenbanken: 110Zugriffe auf Webdatenbanken: 140.502Downloads von Volltextdokumenten aus 15 Volltextdatenbanken:

124.633

Zugriffe auf CD-ROM Datenbanken: 384Online-Recherchen für 39 BenützerInnen: 179Daueraufträge (SDIs): 7

Die meist genutzten Web-Datenbanken waren die Rechtsdatenbank (16.766 Zugriffe),

SciFinder 1907 ff. (=Chemical Abstracts; 14.977 Zugriffe), Academic Search Elite

/ Premier (14.950 Zugriffe), Web of Science (=Science Citation Index, Social Science

Citation Index und Arts & Humanities Citation Index; 14.035 Zugriffe) und Business

Source Elite / Premier (13.093 Zugriffe). Rund 1.500 weitere Datenbanken können

im Rahmen einer durch ULB-Personal durchgeführten kostenpflichtigen Online-

Recherche bei den Datenbankanbietern The Dialog Corporation, FIZ Technik und

STN International genutzt werden. Über die Hälfte der punktuellen Online-

Recherchen waren Zitationsanalysen.

Schließlich etablierten sich ab 1997 Verlagsplattformen mit Nachweisen der

Zeitschrifteninhalte und der Möglichkeit des Aufrufs der elektronischen Volltexte.

Auch hier sprechen die Nutzungszahlen 2007 der ULB Tirol für die außerordentlich

starke Akzeptanz dieses Mediums (Tabelle 2) – die Nutzungszahlen betreffen

Titelaufrufe via EZB (Elektronische Zeitschriftenbibliothek), direkte Zugriffe auf

die Homepage des Verlages oder Volltextanbieters bzw. Zugriffe über Links aus

Datenbanken sind in den angegebenen Nutzungszahlen nicht enthalten.

Tabelle 2: Angebot und Nutzung (= Zugriffe über die Elektronische Zeitschriftenbibliothek) 2007 für elektronische Zeitschriften

Anzahl der angebotenen E-Zeitschriften: 27.700Anzahl der Zugriffe via EZB: 182.573

Walter Koch, Heinz Hauffe

25

Die am meisten nachgefragten Verlage waren Elsevier, Springer, Blackwell und Wiley;

die am häufigsten aufgerufenen Titel (jeweils über 1000 Zugriffe) waren das New

England Journal of Medicine, Lancet und Nature.

Manche Verlage bezeichnen diese Produkte als die größten Datenbanken, die es je

gegeben hat, und sind dabei, die Inhalte jeweils zurück bis zu den ersten Jahrgängen

der Zeitschriften nachzuerfassen. Doch dies gehört zur Gegenwart und wird

Gegenstand der Geschichtsschreibung späterer Generationen sein.

LITERATURVERZEICHNIS(Links zuletzt geprüft am 18.07.2008)

Bjørner, Susanne and Stephanie Ardito: Online Before the Internet: Early Pioneers Tell Their

Stories. In: Searcher, Vol. 11, No.6, June 2003 (Part1) - Vol. 13 No. 4, April 2005 (Part 9)

http://www.dialog.com/about/history/ (Part 1-2)

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Csepan, Robert: Literaturdienst Medizin: Erfahrungen dreier Jahre. In: Daten, Dienste,

Dokumente, Bd.2, Wien: Bohmann, 1978, S. 243-245.

Hauffe, Heinz: Das CD-Netz der Universität Innsbruck. In: Offene Systeme in offene Bibliotheken!

wissenschaftliches Fortbildungsseminar in Lochau, 28.-30.4.1993. Hrsg.v. Elke Bonneß und

Harro Heim. München u.a., Saur 1993 (Bibliotheksstudien, Bd.6), S.60-66.

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John von: Die Rechenmaschine und das Gehirn. München: Oldenbourg. 1970).

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von computerisierten Literaturinformationsdiensten. In: Nachrichten für Dokumentation

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Reinitzer, Sigrid und Marcus Gossler: Nachschlagetechniken in der Wissenschaft: eine praktische

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Schulz, Hedda: Von CA bis CAS ONLINE. Die Datensammlungen des Chemical Abstracts

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Schriften der VÖB 5, 11 – 26

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http://www.kp.dlr.de/profi/easy/bmbf/pdf/0335.pdf

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Vom Kolke, Ernst-Gerd: Online-Datenbanken. München, Wien: Oldenbourg, 1994.

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2 http://www.univie.ac.at/voeb/php/kommissionen/agelektronischemedien/index.php

3 Online-Mitteilungen. Beigebunden an die Mitteilungen der Vereinigung Österreichischer

Bibliothekarinnen und Bibliothekare. 1.1979 - 92.2007.

http://www.univie.ac.at/voeb/php/publikationen/om/

4 Tagungsbände der Österreichischen Online-Informationstreffen (ODOK).

1.1995 - 12.2007. http://www.univie.ac.at/voeb/php/veranstaltungen/odok/

ADRESSE DER AUTORENUniv.-Prof. Dr. Walter Koch

Technische Universität Graz

Klosterwiesgasse 32/1, A-8010 Graz

E-Mail: [email protected]

HR Dr. Heinz Hauffe

Dr.-Stumpf-Straße 29, A-6020 Innsbruck

E-Mail: [email protected]

Walter Koch, Heinz Hauffe

27

INFORMATIONSSYSTEME UND IHRE ERSCHLIESSUNG

SCIFINDER SCHOLAR UND CROSSFIRE UND WEB OF SCIENCE UND … - LUXUS ODER NOTWENDIGKEIT ?

ENGELBERT ZASS

ABSTRACT

Das Informationsangebot in der Chemie ist, im Unterschied etwa zur Biologie, fast völlig

von kommerziellen Anbietern dominiert, deren elektronische Produkte vor allem einen

zahlungskräf tigen Industriemarkt bedienen. Das ist eine für Hochschulen problematische

Situation, trotz zahl reicher „academic programs“ für solche Datenbanken. Die Produzenten

haben in den letzten Jah ren u.a. durch Erweiterung der inhaltlichen Erfassung, Erwerb

weiterer Datenbanken und Opti mierung ihrer Benutzeroberflächen für Endnutzer

versucht, ihre Marktanteile zu vergrössern. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage,

ob nicht eine oder zwei dieser kostspieligen, umfangrei chen Quellen für Endnutzer die

wesentlichen Bedürfnisse im Bereich Sekundär/Tertiärliteratur abdecken kann. Aufgrund

unserer langjährigen Rechercheerfahrung und von Datenbankverglei chen müssen wir diese

Frage leider verneinen.

EINLEITUNG

Das wissenschaftlich-technische Informationsangebot, von Gratisquellen wie Wikipedia

und Google Scholar bis zu den kommerziellen, kostenpflichtigen Datenbanken hat

inzwischen einen Umfang angenommen, der selbst für Spezialisten nur noch schwer

überschaubar ist. Vielfalt und Komplexität nehmen weiter zu, vor allem in der Chemie

und verwandten Gebieten mit ihrem zahlungskräftigen und informationshungrigen

Markt in der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Dies ist ein Problem

sowohl für Benutzer dieser Datenbanken als auch für Bibliothe kare: letztere müssen

in einer Zeit eingefrorener oder gekürzter Budgets eine den Bedürfnissen ihrer Klientel

angemessene Auswahl bereitstellen (lizenzieren), und das nicht nur bei ständig neuen

Quellen, sondern auch steigenden Preisen für bereits lizenzierte Datenbanken.

Schriften der VÖB 5, 27 – 37

28

Um ein angemessenes Kosten/Nutzen-Verhältnis zu erreichen, sind Datenbanken

aber nicht nur zu finanzieren und zu lizenzieren, sondern man muss auch

entsprechende Benutzerunterstützung anbieten, d.h. Ausbildung, Schulung,

Betreuung und Beratung zur Informationsbeschaffung und Datenbanknutzung.

Die heutige Generation der Studierenden nutzt zur Informationsbeschaffung mit

Selbstverständlichkeit das World Wide Web, Suchmaschinen wie Google und überall

frei zu gängliche Quellen wie Wikipedia. Eines der wesentlichen Probleme bei

Studienanfängern ist da her die Vermittlung der Tatsache, dass dies im Studium

und in der wissenschaftlichen Tätigkeit bei weitem nicht ausreicht, und dass alle

Quellen nur mit entsprechender kritischer Bewertung zu nutzen sind. Weiter ist

zu vermitteln, dass mit traditionellen Informationsquellen gleichmässige Qualität,

dauernde Verfügbarkeit, und repräsentative (angemessene), nachvoll ziehbare Abde-

ckung von Themenbereichen eher gewährleistet sind. Mit einer solchen Erweiterung

der Infor mationsbeschaffung ist das Problem aber nicht gelöst: Benutzer neigen nach

unse rer Beobach tung in einem problematischen Ausmass dazu, für ein Problem statt

der fallweise je weils geeig netsten Informationsquelle diejenige zu nehmen, welche sie

am besten kennen, oder die am ein fachsten zugänglich bzw. zu benutzen ist. Dafür

verantwortlich sind sowohl die (ab schreckende) Vielfalt des Datenbankangebots, als

auch die Tatsache, dass in der Chemie grosse Datenbanken wie Chemical Abstracts

(CA [1]) oder Beilstein [2] tatsächlich Antworten auf sehr viele Fragen bieten - aber

eben nicht auf alle, und nicht immer die beste Antwort. Äusserun gen von Benutzern

wie z.B. «Warum DiscoveryGate testen, ich finde alles in SciFinder Scholar» er hellen

die Prob lematik der Einführung neuer Informationsressourcen, selbst wenn Bib-

liothekare sie zuvor sorg fältig getestet und die lokalen Informationsbedürfnisse

analysiert haben.

An der ETH Zürich haben wir uns immer schon bemüht, im Rahmen der Ziele

dieser Hochschule mit den verfügbaren Erwerbungsmitteln eine möglichst optimale

Informationsversorgung zu bie ten. Für die vom Informationszentrum Chemie

Biologie Pharmazie [3] abgedeckten Fachberei che sind das zur Zeit über 40

kostenpflichtige Datenbanken wie SciFinder Scholar [4] (Chemi cal Abstracts [1]),

CrossFire [5] Beilstein [2] und Gmelin [6], Web of Knowledge [7] (Web of Science

[8]), und zahlreiche Spezialdatenbanken, z.B. Bretherick›s Reactive Chemical Hazards

Database, die elektronische Fassung eines wichtigen Handbuches mit Sicherheitsinfor-

mationen über chemische Reaktionen auf CD-ROM. Dieses breite Angebot für

Endnutzer (Zu griff am Arbeitsplatz oder via WLAN in öffentlichen Räumen)

wird ergänzt durch das Angebot vermit telter Recherchen durch Spezialisten in

Datenbanken der Hosts STN International [9] und Dialog [10].

Engelbert Zass

29

DATENBANKANGEBOT UND BEWERTUNG

Im Folgenden wird skizziert, aufgrund welcher Argumente und Kriterien wir ein

solches, in der Lizenzierung kostspieliges und in der Betreuung aufwändiges Angebot

aufrechterhalten und weiterentwickeln. Unsere Diskussion beschränkt sich dabei auf

Datenbanken aus dem Bereich der Sekundärquellen, d.h. Information des Typs, der

gedruckt in Handbüchern und Referateorga nen angeboten wurde, unter Ausschluss

von elektronischen Zeitschriften und Monographien.

Sorgfältige Evaluierung führte dazu, dass wir aufgrund von Bedarfsanalysen, Kosten/

Nutzen-Ab schätzungen einschliesslich Berücksichtigung alternativer elektronischer

Quellen z.B. neben der gedruckten Ausgabe des Bretherick auch die erwähnte

Datenbank anbieten, während wir uns etwa beim Merck Index [11] oder beim

Kleemann-Engel [12], die beide auch elektronisch ver fügbar sind, auf die gedruckte

Version beschränken.

Zum Datenbankangebot gehört nicht nur die Lizenzierung, sondern auch technische

Unterstüt zung, Propagierung auf Webseiten und im WebOPAC, denn bei einem

umfangreichen Angebot ist die Information darüber an Benutzer eine zentraler

Aufgabe. Während dies bei Monographien und Periodika unabhängig vom Medium

(Papier oder elektronisch) durch Nachweis in unserem WebOPAC CLICAPS

[13] geschieht, pflegen wir für Datenbanken eine «meta-Datenbank» [14], in der

«Google-like» nach an der ETH Zürich verfügbaren Datenbanken zu Chemie,

Biologie, Pharmazie gesucht werden kann. Aufgeführt sind sowohl kostenpflichtige,

lizenzierte als auch gratis im Web verfügbare Quellen. Ausserdem kann man

sich zu wichtigen Themenbereichen wie z.B. Kataloge, Patente, Toxikologie die

jeweils ver fügbaren Datenbanken anzeigen lassen. Hier wird auch organisatorisch-

technische Information, Zugriffsberechtigungen, oder Installationsan leitungen für

ggf. benötigte spezielle Client-Software bereitgestellt; für via Web-Browser abfrag-

bare Datenbanken ist natürlich jeweils der direkte Link dazu verfügbar.

Die enorme Vielfalt der Quellen wird bei Datenbanken noch durch die Vielfalt der

Benutzerober flächen vergrössert, denn praktisch alle wichtigen Datenbanken sind

unter mehreren Benutzer oberflächen verfügbar, im Falle von Chemical Abstracts -

einem zugegebenermassen extremen Beispiel - sind es derzeit nicht weniger als neun:

SciFinder [15], SciFinder Scholar [4], CA on CD [16], CA Student Edition [17], STN

Messenger [18], STN on the Web [19], STN Easy [20] sowie die Retrievalsprachen

der Hosts Dialog [10] und DataStar [21]. Typischerweise be deuten unterschiedliche

Benutzeroberflächen auch unterschiedliche Zugriffsmöglichkeiten zur Informa-

tion, dahinter können sich aber auch bezüglich Inhalt oder zeitlicher Abdeckung

Schriften der VÖB 5, 27 – 37

30

unter schiedliche Versionen einer Datenbank verbergen, z.B. CAplus [22] bei

SciFinder Scholar, wahlweise CA [23] oder CAplus [24] bei STN International

[9]; Science Citation Index [25] oder Science Cita tion Index Expanded [26], und oft

auch unterschiedliche Preismodelle wie ein jährlicher Festpreis für Web of Science

gegenüber «pay-per-use» für den Science Citation Index bei den Hosts STN [9],

Dialog [10], DataStar [21].

Für wichtige Quellen kann es erforderlich sein, mehr als eine Benutzeroberfläche

(Datenbankver sion) vorhalten zu müssen - in der Chemie ist Chemical Abstracts [1]

zweifellos die umfas sendste und bedeutendste einzelne Informationsquelle, und

SciFinder Scholar [4] ist die Benut zeroberflä che der Wahl für Endnutzerrecherchen

im Hochschulbereich. Wir bieten aber als Al ternative trotz der zusätzlichen Kosten

auch noch vermittelte Recherchen in Chemical Abstracts via STN [9] an. Dies wegen

Systemgrenzen bei der Substrukturrecherche in SciFinder Scholar («AutoFix»), und

weil einige wichtige Typen von Fragestellungen - in der Biochemie Sequenzen

und Subsequen zen von Biopolymeren, die Zusammensetzung anorganischer

Verbindungen und Werkstoffe («alle Ti-N-Verbindungen ohne weitere Elemente»),

Suche nach «therapeutic use» von Verbin dungen, usw. - in SciFinder Scholar im

Unterschied zu den Chemical Abstracts Da tenbanken bei STN nicht suchbar sind.

Bei thematischen Recherchen in Chemical Abstracts ge nügt SciFinder Scho lar dann

nicht, wenn diese Recherchen komplex sind, oder wenn hohe Präzi sion bei mög lichst

umfassender Abdeckung gefordert ist: eine Suche nach «nuclear overhauser effect

diffe rence spectroscopy» gab 56 Literaturzitate in SciFinder Scholar gegenüber 859

in STN. Solche Recher chen gehören in die Hand von Spezialisten, und dafür wurde

das Endnutzer system SciFin der Scholar auch nicht entwickelt.

Auch wenn sie als solche angepriesen werden, sind die derzeitigen Benutzeroberflächen

nicht benutzerfreundlich, sie sind lediglich bedienungsfreundlich. Das ist

ein Unterschied, der lei der nicht nur von den Produzenten, sondern auch

in Anwenderkreisen zu wenig differenziert wird. Bedienungsfreundliche

Benutzeroberflächen wie etwa SciFinder Scholar oder Web of Knowledge erwecken

leider beim Benutzer den Eindruck, alles sei so einfach. Dieser Eindruck wird

durch das Marketing der Produzenten noch verstärkt. Dabei müssten diese am

besten wis sen, wie ge fährlich z.B. eine einfach wirkende Benutzeroberfläche über

einer so komplexen Da tenbank wie Chemical Abstracts sein kann - diese Diskrepanz

ist andererseits eine überzeugende raison d›etre für Ausbildung, Schulung und

Betreuung von Benutzern durch Bibliothekare und Informations spezialisten! Nur so

sind Chemiker in der Lage, zu entscheiden, ob sie ein Problem selber am Ar beitsplatz

lösen können, oder ob sie die Hilfe eines Spezialisten, und damit ggf. auch andere

Be nutzeroberflächen oder Datenbanken als die gewohnten benötigen.

Engelbert Zass

31

ERFASSUNG UND ERSCHLIESSUNG IN DATENBANKEN

Wichtige Kriterien für die Auswahl von Datenbanken und Benutzer oberflächen

sind also Suchbarkeit (Zugriff ), Bedienungsfreundlichkeit und Preismodelle;

Festpreise etwa lohnen sich nur für intensiv genutzte Datenbanken. Noch wichtiger

ist natürlich der Inhalt der Datenbanken - die beste Oberfläche nützt ja nichts,

wenn die Datenbank die gewünschte Information nicht, nicht mehr oder noch nicht

enthält, denn Erfassung und Erschliessung der Primärliteratur haben sich im Laufe

der Zeit bei den meisten Datenbanken wesentlich geändert. Die entsprechende

meta-Information ist viel zu wenig bekannt, und sie wird von den Produzenten allzu

oft gar nicht zur Verfügung gestellt.

Wichtige Kriterien für die Bewertung von Datenbanken sind:

• Erfassungskriterien (Auswahl der einzelnen Publikationen)

o Typen der Quellen (Primärliteratur: Zeitschriften, Patente, usw.)

o Zahl der Titel (Zeitschriften, Patentbehörden, usw.)

o Zeitrahmen der Erfassung

• Erschliessungstiefe (Indexierung)

• Aktualität

Die aufgrund dieses Bewertungsrasters erhobenen qualitativen und vor allem die

quantitativen Daten erfordern aber einen sorgfältigen Umgang. Im Vergleich von

Chemical Abstracts [1] und Beilstein [2] ist die Tatsache, dass letzterer Patente nur bis

1980 erfasst hat, während CA dies von Anfang an getan hat (allerdings mit grossen

Unterschieden in der Auswahl der Patentdoku mente der einzelnen Länder, die im

Laufe der Zeit immer wieder erweitert wurde) ein klares qualitatives Kriterium. Ein

simpler quantitativer Vergleich der erfassten Zeitschriftentitel hinge gen - CA ca. 9›500,

Beilstein z.Z. 174 - lässt nicht nur ausser Acht, dass der Beilstein vor 1980 mehr Zeit-

schriften erfasste, sondern diese Zahlen sind so gar nicht vergleichbar: betrachtet

man bei CA nur die organischen Sektionen (ohne organometallische Chemie, d.h.

den vom Beilstein erfassten Be reich der Chemie), dann findet man für das Jahr 2000

26›151 Artikel aus insgesamt nur 1›173 ver schiedenen Zeitschriften; davon wurde

aber aus nicht weniger als 387 Zeitschriften nur je ein Ar tikel für die Erfassung

ausgewählt, während die 150 wichtigsten Zeitschriften 81 % aller Artikel lieferten.

Chemical Abstracts ist die umfassendste Quelle für die Chemie, die Abde ckung des

Beilstein für den Bereich der organischen Chemie ist aber durchaus vergleichbar. Diese

Vorsicht gilt auch für einzelne vergleichende Recherchen: die detaillierte Analyse der

Re sultate einer Lite raturrecherche zur Isolierung von Steroiden aus der chinesischen

(!) Medizinal pflanze Artemisia annua gab zwei Literaturzitate im CrossFire Beilstein

[2] gegenüber 10 in Chemical Abs tracts [1]. Bei den neun exklusiv in CA gefundenen

Schriften der VÖB 5, 27 – 37

32

Artikeln handelt es sich, mit Ausnahme der in Ir land erscheinenden Zeitschrift

Plant Science, um Artikel chinesischer Zeitschriften, also in ei ner Sprache, mit der

ein durchschnittlicher Benutzer an einer Hochschule kaum etwas anfangen kann.

Je ein Artikel aus der Zeitschrift Phytochemistry wurde aber exklusiv nur in CA bzw.

Beil stein gefunden, obwohl die betreffenden beiden Artikel von beiden Datenbanken

erfasst wurden - der Unterschied im Re sultat ist hier durch die unterschiedliche

Erschliessung (Indexierung) be dingt. Alle gefundenen Artikel ausser den chinesischen

sind auch im Science Citation Index [25] er fasst, dort aber mit unserer Fragestellung

nach Verbindungsklassen (Steroide) nicht auffindbar, denn es gibt in dieser Datenbank

weder die Möglichkeit der (Sub)struktursuche (wie in Beilstein und CA), noch eine

Indexierung von Verbindungsklassen mit Stichworten.

Dieses Beispiel illustriert, dass eben nicht nur die Erfassung der Primärquellen, sondern

auch ihre Erschliessung in der Datenbank ein wichtiges Kriterium für die Auswahl

von Datenbanken ist. Diese Bewertung muss sowohl aufgrund der Erfas sungs- und

Erschliessungskriterien, als auch aufgrund von Ver gleichsrecherchen erfolgen [27].

Eine Suche nach Literatur zum Heterozyklus 6,7-Dimethoxy-1,2,3,4-tetrahydro-

isochinolin, ins besondere zu seiner Herstellung, gab in den Datenbanken von

Chemical Abstracts [1] bzw. Beil stein [2] folgende Resultate:

CAplus [22] Beilstein [2]Literatur total 189 121Literatur zur Herstellung 26 36

Von den Literaturzitaten zur Herstellung kommen 17 sowohl in Chemical Abstracts als

auch im Beilstein vor. Von den 9 Zitaten exklusiv in CAplus war eines aus dem Jahr 2004

noch zu neu - Hand bücher hatten wegen ihrer aufwändigen Erfassung traditionell

einen grösseren Zeitrückstand auf die Originalliteratur als Referateorgane wie

Chemical Abstracts, und das hat sich auf die ent spre chenden Datenbanken übertragen:

wichtige CAS-Datenbanken werden täglich aktualisiert, der Beil stein nur viermal pro

Jahr. Vier Artikel stammen aus den Zeitschriften Acta Poloniae Pharma ceutica, Journal

of Heterocyclic Chemistry und Phytochemistry, die vom Beilstein an sich erfasst werden, in

diesem Fall aber offensichtlich nicht. Die übrigen stammen aus Informati onsquellen,

die im Beilstein nicht erfasst werden: ein japanisches Patent, Journal of Chroma tography,

B: Biomedical Applications, Dokladi na Bulgarskata Akademiya na Naukite (bulga risch)

und Sze gedi Tanarkepzo Foiskola Tudomanyos Kozlemenyei (ungarisch). Die 19 Publikati-

onen zur Her stellung exklusiv nur im Beilstein stammen alle aus Zeitschriften, die

an sich für CA ausgewertet werden, und aus dem von CA abgedeckten Zeitraum.

Auch hier liegen die Unter schiede wieder in der nach unterschiedlichen Kriterien

Engelbert Zass

33

und Richtlinien erfolgenden in haltlichen Erschliessung der Primärliteratur. Aus

diesem und vielen ähnlichen von uns analysier ten Bei spielen geht klar hervor, dass

für eine einigermassen umfassende Literaturrecherche zur Herstel lung organischer

Verbindungen sowohl Beilstein als auch Chemical Abstracts erforderlich sind. Die

Unterschiede zwischen CA und Beilstein sind oft noch ausgeprägter für die Zeit

vor 1967, in der die CAS-Da tenbanken erst durch nachträgliche Erfassung und

maschinelle Informati onsverar beitung der ge druckten Chemical Abstracts erweitert

worden sind; dies gilt zwar auch für die Beilstein-Daten bank, nur war hier die

Erfassung aus dem Handbuch wegen der andersarti gen Datenstruktur ein facher,

und die Er schliessung von Verbindungen und Reaktionen war im Beilstein-Handbuch

derjenigen in CA damals oft überlegen: aus der Publikation zur ersten Total synthese

des Steroid hormons Östron (1942) wurden von den insgesamt 60 organischen und

anor ganischen Verbin dungen und 38 Re aktionen in diesem Zeitschriftenartikel

im Beilstein 35 Ver bindungen und 36 Reaktionen erfasst, in CA hingegen nur 15

Verbindungen und 2 Reaktionen.

Gravierende Unterschiede in wichtigen Datenbanken existieren auch bei der scheinbar

so einfa chen Autorensuche: Der Beilstein als Verbindungsdatenbank reflektiert

weiterhin Zielsetzung und Datenstruktur des gedruckten Handbuchs, aus dem die

Datenbank entwickelt wurde. Auto rennamen waren da nicht wichtig, und es wurden

daher bis 1979 nur maximal zwei Autoren er fasst, ab 1980 dann maximal 6, jeweils mit

et al., wenn die Originalpublikation mehr Autoren hatte. In Literaturdatenbanken wie

dem Science Citation Index oder Chemical Abstracts sind Autorennamen ein wichtiger

Teil der Datenbank; dennoch hat CA bis 1996 die Erfassung auf maximal 10 Autoren

beschränkt, erst seit 1997 werden mehr Autoren erfasst: nach unseren Tests nicht alle,

aber mindestens 150 - leider fehlt auch hier wieder einmal eine klare Angabe des Da-

tenbankproduzenten. Im Science Citation Index hingegen sind alle Autoren und alle

Adressen erfasst. Adressen fehlen im Beilstein völlig, und in CA ist immer noch nur

die Adresse des ers ten Autors angegeben; das ist aber oft nicht der Hauptautor oder

der in der Publikation als Kor res pondenzautor angegebene Ansprechpartner.

Diese Beispiele zur unterschiedlichen Erfassung und Erschliessung der Primärliteratur

in wichti gen Datenbanken zeigen auch, dass für zuverlässige Rechercheresultate

entsprechende Kennt nisse über die Datenbankinhalte (Erfassungsrahmen,

Erschliessungskriterien) unverzichtbar sind. Diese Kenntnisse können aber derzeit

weder aus den «help messages» noch aus der Dokumenta tion (Manuals, Webseiten)

der Datenbankproduzenten in hinreichendem Masse gewonnen wer den, gerade hier

ist Schulung und Betreuung durch versierte Informationsspezialisten unverzicht bar

- leider ist dies aber bei vielen Benutzern und Bibliotheken noch nicht ausreichend

ange kommen!

Schriften der VÖB 5, 27 – 37

34

EINSATZ DER DATENBANKEN

Für Recherchen in der Chemie existierte lange eine relativ klare Aufgabenteilung für

häufige Fragestellungen in den wichtigsten grossen Datenbanken, z.B. für:

• Autorenrecherchen: primär Chemical Abstracts [1] (nicht alle Autoren, aber mehr

Chemie-Zeitschriften), sekundär Science Citation Index [25]

• Verbindungsrecherchen: Beilstein [2] (organische Verbindungen) / Gmelin [6]

(anorgani sche und metallorganische Verbindungen) und Chemical Abstracts

• Eigenschaften und Daten von Verbindungen: Beilstein/Gmelin

• Zitationsrecherchen: Science Citation Index

Für spezielle Fragestellungen nach Reaktionen, Patenten, Spektren, usw. benutzte

(und benutzt) man neben diesen «zentralen» Datenbanken entsprechende

Spezialdatenbanken.

Diese relativ klare Aufgabenteilung und Rangordnung wurde durch eine ganze

Reihe neuerer Entwicklungen verwischt und kompliziert. Im Kampf um grössere

Anteile im attraktiven, zah lungskräftigen Markt der Chemieinformation begannen

die Datenbankproduzenten den von den gedruckten Quellen her überlieferten

Rahmen zu sprengen und gewissermassen in «fremden Re vieren zu wildern»: ab

1985 produzierte der Chemical Abstracts Service eine eigene Reaktions datenbank

CASREACT [28], Beilstein erfasste ab 1980 auch Abstracts und Titel der Publikatio-

nen, aus denen bis dahin nur Verbindungen und deren physika lische und chemische

Eigenschaf ten (einschliesslich Reaktionen) erfasst wurden; CA brach mit den ab

1999 (zurück bis 1997) er fassten Zitationen das quasi-Monopol des Science Citation

In dex für Zitationsrecherchen, der Science Citation Index sah sich auf der anderen

Seite genötigt, auch Literatur vor 1945 zurück bis 1900 zu erfassen (Projekt Century

of Science [29]). Chemical Abstracts stärkte seine Position im wichtigen Feld der

Eigenschaftssuche durch die umfassende Inkorporierung von berechneten (2001)

und ab 2003 auch gemessenen Eigenschaften von Ver bindungen, und bietet damit

eine direkte Konkurrenz zu Beilstein und Gmelin, welche bis dahin diesen Bereich

dominierten. Auch das bedarf einer genaueren Analyse: für die anorganische, auch

technisch bedeutende Verbin dung Siliziumtetrafluorid etwa fand man in Chemical

Abstracts (Verbindungsdatenbank CAS Re gistry [30]) 10 gemessene physikalische

Eigenschaften, in CrossFire Gmelin [6] dagegen nicht weniger als 64. Für das

Mykotoxin Deoxynivalenol z.B. bot der Beilstein 6 physikalische und 26 biologische/

pharmakologische Eigenschaften, gegenüber 7 bzw. 1 in Chemical Abstracts. Lite ratur

zur Toxikologie dieser problematischen Verunreini gung in Getreideprodukten fanden

wir wie folgt: Chemical Abstracts, 262 Zitate; CrossFire Beil stein, 27; MDL Toxicity

Database [31], 34; dabei fand man unter den 27 bzw. 34 Zitaten in Beilstein bzw.

Engelbert Zass

35

Toxicity Database ledig lich vier Zitate in beiden Datenbanken. Dies zeigt wieder den

umfassenden Charakter von CA, man cher Praktiker wird aber die beiden anderen

Quellen vorziehen, denn weniger ist of mehr bei zu lesender Literatur.

SCHLUSS: EIGENSCHAFTEN-QUELLEN-INDEX

Die Beispiele sollen veranschaulichen, warum wir an der ETH Zürich im Bereich Chemie/

Biologie/Pharmazie ein derart grosses und aufwändiges Angebot an Datenbanken

vorhalten und in ständigem Kontakt mit den Benutzern und Produzenten weiter pflegen

und optimieren. In die sem Prozess ist es auch erforderlich, Monopolisierungsansprüchen

der grossen Anbieter («bei uns fin den Sie alles was Sie brauchen») entgegenzutreten,

indem eine vernünftige Vielfalt an Quellen lizenziert und vor allem auch unterstützt wird.

Bei einem solchen grossen Datenbankangebot ge nügt es nämlich nicht, den Benutzern

eine Übersicht über die lokal verfügbaren (lizenzierten) Datenbanken zu bieten, wie wir

das mit unserer bereits erwähnten meta-Datenbank [14] tun, es ist etwa im komplexen

Bereich der chemischen Verbindungen, für die mehrere hundert physi kalische und

chemische Eigenschaften existieren können, eine entsprechende Benutzerunterstüt zung

zum gezielten Suchen nach solchen Eigenschaften zu bieten. Dabei sollten nicht nur die

bekannten Datenbanken, sondern auch für den Benutzer weniger offensichtliche Werke

berücksichtigt werden. Für diese Thematik wurde von M. Brändle (InfoZentrum) ein

dreisprachi ger Eigenschaften-Quellen-Index (EQI) geplant und unter Mitarbeit von

Jana Sonnenstuhl (HU Berlin), Arun Kumar (InfoZentrum), Francine Dreier, Cédric

Noir, Rachel Bays (alle Univ. Ge nève, französische Fassung) realisiert. Der seit April

2007 öffentlich zugängliche EQI [32] ver knüpft derzeit insgesamt 1›042 verschiedene

Eigenschaften mit den jeweiligen Quellen (821, elektronisch oder gedruckt) und

chemischen Systemen, wobei die Quellen nach gemessenen bzw. berechneten Daten,

Definition, Messmethode und Vorhersage zu den Eigenschaften differenziert sind. Ein

zunehmender Anteil der Quellen ist hinsichtlich ihrer Nützlichkeit (Qualität, Quantität

und Auffindbarkeit der Daten, Zugänglichkeit und Bedienungs freundlichkeit der

Quellen) bewertet. Zu den Eigenschaften sind nicht nur die korrekten Einheiten und

Symbole sowie Synonyme und Übersetzungen angegeben, es wird auch ein Link auf

die entsprechende Beschrei bung einer Eigenschaft im Römpp On line [33] angeboten.

Gegenwärtig führt der EQI die an der ETH Zürich verfügbaren und die frei zugänglichen

Quellen auf. Beabsichtigt ist, den EQI mit Reference Linking zu erweitern, damit weitere

Bibliotheken und Verbünde mitwirken können und deren lokaler Bestand nachgewiesen

wird. Um die Sichtbarkeit des EQI im WWW zu erhöhen, haben wir die Eigenschaften

und verknüpften Quellenangaben durch Google indizieren lassen. Der EQI wurde als

System polyhierarchischer Thesauri reali siert, die für die Sprachen Deutsch und Englisch

sowie Französisch ausge legt und auch für zusätzliche Sprachen erweiterbar sind. Mit

Schriften der VÖB 5, 27 – 37

36

dem EQI manifestieren wir un sere Politik, Datenbanken nicht nur sorgfältig vor und

nach Lizenzierung zu evaluieren, sondern im Hinblick auf die knappen Mittel mit einer

ganzen Palette von Massnahmen - von elektroni schen Hilfsmittel wie WebOPAC [13]

und EQI [33] bis hin zu Kursen und elektronischem Unterrichtsmaterial [34] - dafür

Sorge zu tragen, dass sie angemessen genutzt werden.

Der Autor dankt dem Team des Informationszentrums Chemie Biologie Pharmazie für

die Unter stützung, insbesondere Dr. M. Brändle für Ergänzungen zum Manuskript.

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 16.07.2008)

1 CAS (Chemical Abstracts Service) Chemical Abstracts (CA): http://www.cas.org/

expertise/cascontent/index.html; unter «Chemical Abstracts» verstehen wir hier der

Einfachheit halber eine oder mehrere dieser Datenbanken, wenn nichts anderes erwähnt

ist.

2 Beilstein-Datenbank: http://www.crossfirebeilstein.com/ (CrossFire);

http://www.stn-international.de/stndatabases/databases/beilstei.html (STN).

3 Informationszentrum Chemie Biologie Pharmazie (ETH Zürich):

http://www.infochembio.ethz.ch.

4 CAS (Chemical Abstracts Service) SciFinder Scholar:

http://www.cas.org/products/sfacad/index.html.

5 CrossFire: http://www.beilstein.com/; http://www.infochembio.ethz.ch/Xfire.html.

6 Gmelin-Datenbank: http://www.gdch.de/taetigkeiten/gmelin.htm;

http://info.crossfiregmelin.com/.

7 Thomson Reuters Web of Knowledge: http://www.isiwebofknowledge.com/.

8 Thomson Reuters Web of Science: http://scientific.thomsonreuters.com/products/

wos/.

9 Host STN International: http://www.stn-international.de/.

10 Host Dialog: http://www.dialog.com/.

11 Merck Index: http://www.merckbooks.com/mindex/.

12 Kleemann-Engel, Pharmaceutical Substances: http://www.thieme.com/

SID2394652840960/productsubpages/pubid-368040547.html.

13 CLICAPS (Chemistry Library Information Control and Presentation System): integrier-

tes Bibliothekssystem zur EDV-Unterstützung aller Arbeitsprozesse und der Informati-

onsvermittlung an die Benutzer; Eigenentwicklung in der ETH Chemiebibliothek (jetzt

Informations zentrum [3]) auf der Basis der kommerziellen Datenbanksoftware FileMaker

Pro;öffentlicher WebOPAC: http://www.clicaps.ethz.ch/.

14 Datenbanken zur Chemie/Biologie/Pharmazie an der ETH Zürich (“meta-Datenbank”):

http://www.infochembio.ethz.ch/db.html.

Engelbert Zass

37

15 CAS SciFinder: http://www.cas.org/products/scifindr/index.html.

16 CA on CD wurde für 2008 noch angeboten, erscheint aber nicht mehr auf den CAS-

Webseiten.

17 CA Student Edition: http://www.cas.org/support/academic/pricing.html.

18 STN Messenger (Retrievalsprache des Hosts STN International [9]):

http://www.stn-international.de/training_center/rl/retrieval_short.pdf;

http://www.stn-international.de/training_center/mat_sea_stn.html.

19 STN on the Web (Web-Oberfläche für STN Messenger [18]):

http://www.cas.org/products/stnweb/index.html.

20 STN Easy (Web-Interface für Datenbanken beim Host STN International [9]):

http://stneasy.cas.org/easy5/index.html.

21 Host DataStar: http://www.dialog.com/products/datastar/.

22 CAplus: http://www.cas.org/expertise/cascontent/caplus/index.html.

23 CA (STN): http://www.stn-international.de/stndatabases/databases/ca.html.

24 CAplus (STN): http://www.stn-international.de/stndatabases/databases/caplus.html.

25 Science Citation Index: http://scientific.thomson.com/products/sci/.

26 Science Citation Index Expanded: http://scientific.thomson.com/products/scie/.

27 Nach unserer Erfahrung ist die veröffentlichte Information der Produzenten für eine ange-

messene Beurteilung von Datenbanken völlig unzureichend, man benötigt persönliche

Kontakte zu den Produzenten, Erfahrungsaustausch mit Kollegen (im Falle der Chemie

auch aus der Industrie!), und muss Zeit in aufwändige Vergleichs recherchen oder

beta-Tests neuer Informationsprodukte investieren.

28 CASREACT: http://www.cas.org/expertise/cascontent/casreact.html.

29 Projekt Century of Science: http://webofknowledge.com/currentuser_wokhome/

backfiles/centsci/.

30 CAS Registry: http://www.cas.org/expertise/cascontent/registry/index.html.

31 MDL Toxicity Database: http://www.mdl.com/products/predictive/toxicity/index.jsp.

32 EQI: http://www.eqi.ethz.ch/.

33 Römpp Online: http://www.roempp.com/index.shtml.

34 Kurse des InfoZentrums: http://www.infochembio.ethz.ch/kurse.html.

ADRESSE DES AUTORSDr. Engelbert Zass

ETH Zürich

Informationszentrum Chemie Biologie Pharmazie

Wolfgang-Pauli-Str. 10, CH-8093 Zürich

E-Mail: [email protected]

http://www.infochembio.ethz.ch

Schriften der VÖB 5, 27 – 37

38

39

BUNTE BLUMENWIESE VERSUS NUTZBARKEIT – VIRTUELLE FACHBIBLIOTHEKEN UND ANDERE FACHPORTALE IM KONTEXT VON VASCODA UND MÖGLICHKEITEN DER HOMOGENISIERUNG

TAMARA PIANOS

ABSTRACT

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das deutsche Bundesministerium für

Bildung und Forschung fördern seit Ende der 1990er Jahre den Aufbau von fachspezifischen

Informationsportalen. Mittlerweile gibt es ca. 40 einzelne Fachportale für fast alle

Wissenschaftsfächer. Diese Fachportale orientieren sich an den spezifischen Nutzerinteressen

vor allem in der Forschung und Lehre. Dadurch haben sich Besonderheiten jedes einzelnen

Portals herausgebildet, es gibt aber auch viele Gemeinsamkeiten, wie z.B. Literatursuche,

Internetquellen etc. Alle Portale sind außerdem gemeinsam über vascoda.de durchsuchbar.

Die ZBW bearbeitet zwei Bereiche im Kontext der Fachportale: Zum einen werden im Projekt

„Wissenstransfer für Fachportale“ u.a. Workshops zu übergreifenden Themen organisiert und

Hilfestellungen für im Aufbau befindliche Fachportale gegeben. Ziel ist dabei, eine größere

Homogenisierung der Einzelportale zu erreichen. Zum anderen begleitet die ZBW eine externe

Studie, die die Relevanz der Fachportale bei ihren jeweiligen Zielgruppen untersucht.

Im Beitrag wird über den aktuellen Stand der Fachportale im Kontext der beiden ZBW-

Projekte berichtet; ferner werden die Entwicklungs optionen aufgezeigt.

EINLEITUNG: WIE ES DAZU KAM – DIE GESCHICHTE DER BLUMENWIESE

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das deutsche Bundesministerium

für Bildung und Forschung fördern seit Ende der 1990er Jahre den Aufbau von

fachspezifischen Informationsportalen. Mittlerweile gibt es ca. 40 einzelne Fachportale

für fast alle Wissen schaftsfächer.

Diese Fachportale orientieren sich an den spezifischen Nutzerinteressen vor allem

in der Forschung und Lehre. Dadurch haben sich Besonderheiten jedes einzelnen

Portals herausgebildet. Hierzu hat auch beigetragen, dass es 1998 bzw. 1999 noch

keinen Masterplan für ein ideales Fachportal geben konnte, da zu dieser Zeit viele

Internettechnologien erst in der Entstehungsphase waren. So gab es zwar Konzepte und

Empfehlungen zu den Inhalten, aber keine genauen Struktur- oder Technikvorgaben[1].

Schriften der VÖB 5, 39 – 46

40

Die ersten Portale haben zunächst über Verlinkung, zunehmend auch über Metasuchen

versucht, die für ihre Zielgruppe relevanten Inhalte einzubinden, wobei sie mit einer

Reihe von Widrigkeiten zu kämpfen hatten: Technische Lösungen waren nicht

immer ausgereift, Schnittstellen fehlten oder waren nicht kompatibel, wichtige

Datenbanken des eigenen Faches waren unerschwinglich, die Datenbankanbieter

unkooperativ oder die technischen Möglichkeiten zur Darstellung der überregionalen

Lizenzsituation fehlten noch. Einige dieser Rahmenbedingungen haben sich im Laufe

der Jahre verbessert bzw. viele Lösungen scheinen sich abzuzeichnen. So löst die

komfortablere Suchmaschinentechnologie, wo es geht, die Metasuchen ab und über

Rechteverwaltung sowie Authentifizierungs- und Autorisierungsverfahren lassen

sich Zugriffe auf lizenzierte Materialien regeln. Wenn also im Laufe der Jahre neue

Fachportale entstanden, orientierten sich diese zwar an den Erfahrungen der älteren

Fachportale, sie haben aber oft genug eigene Lösungen aufgebaut, weil sich mittlerweise

neue technische Möglichkeiten boten. Zur heterogenen Entwicklung haben außerdem

weitere Faktoren beigetragen, z.B. die föderale Struktur und die Ressourcenausstattung

einzelner Häuser und Projekte. Ist ein Fachportal an einem Haus angesiedelt, an

dem ohnehin in großem Maßstab IT-Knowhow vorhanden ist und möglicherweise

zudem Lizenzen für entsprechende Softwareprodukte verfügbar sind, ergeben sich

andere Entwicklungsmöglichkeiten als in Häusern, in denen das nicht der Fall ist.

Vielfach sind die einzelnen Einrichtungen auch bemüht, die Fachportale in Optik und

Funktionalität in die Angebotsstruktur des eigenen Hauses einzupassen. So ergibt sich

über die Fachportallandschaft hinweg zwangsläufig ein heterogenes Bild.

Es gibt dennoch aber auch viele inhaltliche und funktionale Gemeinsamkeiten bei

den Fachportalen, wie z.B. Literatursuche, Internetquellen etc. Letztlich sind auch

über Fächergrenzen hinweg viele Anforderungen der Wissenschaftlerinnen und

Wissenschaftler ähnlich, selbst wenn in einem Fach eher nach Aufsätzen, in einem

zweiten eher nach Monographien, grauer Literatur oder Preprints und in einem dritten

Fach vornehmlich nach Statistiken gesucht wird. Unterschiedliche Anforderungen kann

es dort geben, wo wie z.B. in der Chemie nach Strukturformeln, in der Kunstgeschichte

nach Bildern, oder bei Regionalportalen in Sprachen mit anderen Zeichensätzen gesucht

wird. Einige Grundfunktionalitäten bleiben aber auch in diesen Fällen ähnlich.

Die ZBW bearbeitet zwei Bereiche im Kontext der Fachportale, die eine

Homogenisierung zum Ziel haben: Zum einen werden im Projekt „Wissenstransfer

für Fachportale“ u.a. Workshops zu übergreifenden Themen organisiert und

Hilfestellungen für im Aufbau befindliche Fachportale gegeben. Ziel ist dabei, eine

größere Homogenisierung der Einzelportale zu erreichen.

Zum anderen begleitet die ZBW eine externe Studie, die die Relevanz der Fachportale

Tamara Pianos

41

bei ihren jeweiligen Zielgruppen untersucht. In dieser Studie geht es um Angebot und

Nutzung der Fachportale und um Möglichkeiten der Weiterentwicklung.

STATUS QUO – WAS GIBT ES?

Derzeit gibt es über 40 Fachportale (teilweise mehrere) in folgenden Fächern:

• Altertumswissenschaften

• Anglistik / Anglo-Amerikanischer Kulturraum

• Baltikum

• Biologie

• Buchwissenschaft

• Ethnologie

• Forstwissenschaft

• Germanistik

• Geschichte

• Geowissenschaften/ Geographie

• Holztechnologie

• Ibero-Amerika / Spanien / Portugal

• Kunst

• Mathematik

• Medizin

• Musik

• Naturwissenschaften und Technik / Informatik

• Niederländischer Kulturkreis

• Osteuropa

• Ost- und Südostasien

• Pädagogik

• Pharmazie

• Physik

• Politikwissenschaft + Friedensforschung

• Psychologie

• Rechtswissenschaft

• Romanistik

• Sozialwissenschaften

• Sportwissenschaften

• Südasienwissenschaften

• Theologie und Religionswissenschaft

• Veterinärmedizin

• Vorderer Orient + Nordafrika

• Wirtschaftswissenschaften

Schriften der VÖB 5, 39 – 46

42

Die einzelnen Fachportale haben ein sehr unterschiedliches Erscheinungsbild (siehe

Abbildung 1).

Bezeichnung von Diensten als Beispiel für die Heterogenität:

Oftmals ähneln sich die Dienste der Fachportale, aber die Bezeichnungen für diese

Dienste sind unterschiedlich. So gibt es in vielen Fachportalen ein Modul, das

hochwertige Internetquellen sammelt und erschließt. Bezeichnungen für dieses Modul

sind u.a. Fachinformationsführer, Internetquellen, Internetressourcen, Subject Guide,

SSG-FI Guide, Web-Verzeichnis etc. Ein weiteres Modul ist einmal unter dem Namen

Personen- und Institutionendatenbank zu finden, ein anderes Mal als Forscher/innen-

Verzeichnis oder Forschungsführer. Schon allein die unterschiedliche Bezeichnung der

Produkte erschwert die parallele Nutzung mehrerer Fachportale.

Abbildung 1: Startseiten von sechs unterschiedlichen Fachportalen.

Tamara Pianos

43

DIE PROJEKTE AN DER ZBW: WISSENSTRANSFER UND STUDIE ZU ANGEBOT UND NUTZUNG DER FACHPORTALE

Im Rahmen von vascoda sollen die Fachportale soweit homogenisiert werden,

dass eine parallele Nutzung nicht durch eine unterschiedliche Struktur behindert

wird. Zwei Projekte, die u.a. eine Homogenisierung bzw. eine Verbesserung der

Angebotsstruktur zum Ziel haben, sind an der ZBW angesiedelt, in einem Fall in

Kooperation mit dem GESIS IZ Sozialwissenschaften in Bonn.

Das erste Projekt: Fachportale: Übergreifende Strukturen und Aufgaben wird

gemeinsam mit dem IZ Sozialwissenschaften durchgeführt. Das IZ arbeitet

dabei an einem Referenzmodell für Fachportale[2], die ZBW betreut den

Teilbereich „Wissenstransfer für Fachportale“.[3] Im Rahmen dieses Projektes

wurde zunächst eine Bestandsaufnahme der Heterogenität durchgeführt, die

offenbarte, wie viele Unterschiede es auf den verschiedenen Ebenen gibt.

Durch Wissenstransfer, hauptsächlich in Form von Workshops zu bestimmten

Themen sowie durch einen Fachportal-Newsletter und ein Fachportal-Wiki soll

der Austausch unter den Fachportalen erleichtert werden. Lösungen einzelner

Fachportale werden vorgestellt, andere Fachportale haben so die Möglichkeit

diese Lösungen zu übernehmen. Workshop- oder Newsletter-Themen waren

u.a. kooperative Verfahren, beispielsweise zur Erschließung von Internetquellen,

oder Nutzungsevaluationen oder fachliche Repositorien. Gerade bei kooperativen

Verfahren ergibt sich meist von selbst eine Homogenisierung als Nebeneffekt der

auf Synergien ausgerichteten Zusammenarbeit. Im Fachportal-Newsletter und

im Fachportal-Wiki finden sich Hinweise z.B. zum Umgang mit bestimmten

Content-Management-Systemen oder Nationallizenzen etc. Des Weiteren wurde

im Rahmen des Projektes die Erstellung von Sammlungsbeschreibungen also einer

Collection Level Description (CLD) unterstützt. Diese CLD trägt wiederum zu

einer Homogenisierung der Bezeichnungen der Dienste bei. Die CLD beinhaltet

Informationen zu den Informationsmodulen und Datenbanken der Fachportale.

Dabei wurden beispielsweise bislang unterschiedliche Begriffe für einzelne Module

normiert [4].

Im zweiten Projekt der ZBW wird eine externe Studie zu Angebot und Nutzung der

Fachportale begleitet. Die Studie wurde von der Hamburger Firma Heinold, Spiller

& Partner durchgeführt. Teil der Studie war eine inhaltliche Analyse der Fachportale

zur Frage, ob die wichtigsten Inhalte des Faches eingebunden sind. Des Weiteren

gab es Funktionalitätstests, bei denen überprüft wurde, welche Funktionalitäten

(Suchtechnologie, Verfügbarkeit) zur Verfügung stehen. Ferner wurden

Nutzerbefragungen durchgeführt, einmal unter der wissenschaftlichen Zielgruppe

Schriften der VÖB 5, 39 – 46

44

der Fachportale und einmal im Bibliotheks- und Informationsumfeld. Die Wünsche

der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind meist wenig überraschend,

werden aber bei weitem noch nicht von allen Fachportalen erfüllt[5].

Zu den Wünschen: Eine Übersicht über die wichtigsten Publikationen wird zügig

und komfortabel gewünscht, die Suchfunktion sollte im Mittelpunkt stehen, mehrere

Suchfelder mit der Möglichkeit der Kombination sind gewünscht, Quellen sollten

vor der Suche auswählbar sein, die Suche sollte Bibliotheken, Fachzeitschriften und

Fachdatenbanken einschließen, Internetquellen sollten optional wählbar sein, sollten

aber eindeutig gekennzeichnet werden.

Die Befragung von Bibliotheken hatte das Ziel zu ermitteln, unter welchen Umständen

Fachportale zentraler in das lokale Angebot (z.B. von Universitätsbibliotheken)

eingebunden werden würden, bzw. was dem entgegensteht. Dabei kam heraus,

dass Fachportale sowohl als Ergänzung als auch als Konkurrenz gesehen werden.

Momentan werden die Fachportale wegen ihres inhomogenen Erscheinungsbildes

und der inhomogenen Dienstleistungen nicht eingebunden, aber auch deshalb nicht,

weil sich die Lizenzsituation für in Fachportale eingebundene Datenbanken vor

Ort oft nicht abbilden lässt oder weil ein Branding der eigenen Bibliothek nicht

möglich ist. Zudem wurde mehrfach auf die Notwendigkeit von Nutzerschulungen

zur Erhöhung der Informationskompetenz allgemein sowie zum Umgang mit

Fachportalen und Datenbanken verwiesen.

Die Studie mündet in Empfehlungen an die DFG zur Weiterentwicklung

der Fachportallandschaft in Deutschland. Eine Homogenisierung der

Fachportallandschaft ist wohl letztlich nur durch klare Vorgaben und Standards zu

erreichen.

Die Ergebnisse der Studie sind derzeit noch in den Gremien der DFG zu diskutieren.

Außerdem sollen sie mit den Vertreterinnen und Vertretern der Fachportale in einem

gemeinsamen Workshop erörtert werden. Infolge dieser Diskussionen können die

Fachportale dann entsprechend der Empfehlungen und im Sinne der Nutzerinnen

und Nutzer weiterentwickelt werden.

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 11.07.2008)

1 Zu Konzepten und Empfehlungen der DFG vgl.:

Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung - Memorandum, DFG, 1998,

http://www.dfg.de/aktuelles_presse/reden_stellungnahmen/download/memo.pdf

Tamara Pianos

45

Nutzungsanalyse des Systems der überregionalen Literatur- und Informationsversorgung:

infas und Universitäts- und Landesbibliothek Münster, 2003

Teil I: Informationsverhalten und Informationsbedarf der Wissenschaft

http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/

ssg_bericht_teil_1.pdf

Teil II: Zur Nutzung der SSG-Bibliotheken

http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/

ssg_bericht_teil_2.pdf

Das DFG-System der überregionalen Sammelschwerpunkte im Wandel; http://www.dfg.

de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/strategiepapier_

ueberreg_lit_versorgung.pdf

Anhang „Weiterentwicklung des SSG-Plans“, DFG, 2004

http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/

strategiepapier_ueberreg_lit_versorgung_tab.pdf

Richtlinien zur überregionalen Literaturversorgung der Sonder sammelgebiete und der

Virtuellen Fachbibliotheken, DFG 2006 http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/

wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/richtlinien_lit_versorgung_ssg_0607.pdf

Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme: Schwerpunkte der

Förderung bis 2015. DFG, 2006

http://www.dfg.de/forschungsfoerderung/wissenschaftliche_infrastruktur/lis/download/

positionspapier.pdf

2 Zu den Tätigkeiten am IZ vgl u.a.: Heinz, Sabine; Stempfhuber, Maximilian

(2007): Eine Informationsarchitektur für wissenschaftliche Fachportale in vascoda.

S. 485-508. In: Oßwald, Achim; Stempfhuber, Maximilian; Wolff, Christian

(Hrsg.): Open Innovation: Neue Perspektiven im Kontext von Information

und Wissen. Konstanz: UVK. (Schriften zur Informationswissenschaft; Bd. 46)

http://www.gesis.org/Forschung/Informationstechnologie/Dateien/IuK2007_Heinz_

Stempfhuber_Preprint.pdf (Preprint-Version)

3 Zu den Projekten an der ZBW vgl.: Beschreibungen der Projekte:

Fachportale: Übergreifende Strukturen und Aufgaben – Wissens transfer für Fachportale:

http://www.zbw.eu/ueber_uns/projekte/vascoda.htm

Virtuelle Fachbibliotheken im System der überregionalen Literatur- und Informations-

versorgung: Angebot und Nutzung (VifaSys):

http://www.zbw.eu/projekte/vifasys.html

4 Zu Details der Sammlungsbeschreibungen (CLD), vgl. Justine Haeberli, Henning

Manske und Matthias Schulze: „Mit mehr Informationen schneller zum Ziel:

Sammlungsbeschreibungen der in vascoda eingebundenen Fachangebote“, In:

Lokal - Global: Vernetzung wissenschaftlicher Infrastrukturen, 12. Kongress

der IuK-Initiative der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft in Deutschland,

Maximilian Stempfhuber (Hrsg.), Bonn: GESIS – IZ Sozialwissenschaften 2007

Schriften der VÖB 5, 39 – 46

46

http://www.gesis.org/Information/Forschungsuebersichten/Tagungsberichte/Vernetzung/

Haeberli.pdf

5 Die Ergebnisse ähneln den Erkenntnissen, die in anderen Kontexten und mit etwas anderen

Fragestellungen erhoben wurden:

Nutzung elektronischer Fachinformation, -publikation und -kommunikation in der

Hochschulausbildung, Barrieren und Potenziale in der innovativen Mediennutzung im

Lernalltag der Hochschulen, Stefi, Sozialforschungsstelle Dortmund, Kurzbericht und

Endbericht unter: http://www.stefi.de/

Zukunft der wissenschaftlichen und technischen Information (Strategiekonzept), Arthur

D. Little, BMBF, 2002. http://www.bmbf.de/pub/zukunft_der_wti_in_deutschland.pdf

Strategische Erfolgsfaktoren von wissenschaftlichen Portalen: Content-Studie, ZB MED,

Mummert, 2004

http://www.dl-forum.de/dateien/Endbericht_Content-Studie_DL-Forum.pdf

Evaluation von vascoda.de aus Benutzersicht, Ergebnisse der Nutzerbefragung 2005,

Nutzerbefragung, IwFB ULB Münster, 2005

http://www.dl-forum.de/dateien/Evaluation_vascoda_Ergebnisse_Befragung_2005.pdf

Evaluation von vascoda.de aus Benutzersicht, Ergebnisse der Fokusgruppenbefragung 2005,

IwFB+ ULB Münster, 2006. http://www.dl-forum.de/dateien/vascoda_Ergebnisse_2005_

Fokusgruppen.pdf

ADRESSE DER AUTORINDr. Tamara Pianos

Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)

Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Düsternbrooker Weg 120, 24105 Kiel

E-Mail: [email protected]

http://www.zbw-kiel.de

Tamara Pianos

47

ERIS - EIN THESAURUSBASIERTES BILDRETRIEVALSYSTEM MITTELS ZOOMABLE USER INTERFACE

FREDRIK GUNDELSWEILER, SONJA ÖTTL

ABSTRACT

Mit der zunehmenden Digitalisierung von Kulturgütern gewinnen Systeme zur

Verwaltung und Suche innerhalb großer Datenmengen immer mehr an Bedeutung.

ERIS ist ein thesaurusbasiertes System zur Bildsuche, das im Gegensatz zu herkömmlichen

Bildsuchsystemen den direkten Zugriff auf das integrierte Bildmaterial über die visuelle

Repräsentation des Thesaurus mittels semantischen Zoomings erlaubt. Der Nutzer / die

Nutzerin erhält durch den als Baum visualisierten Thesaurus einen Überblick über die

jeweilige Domäne und kann je nach Aspect-of-Interest in die einzelnen Blätter zoomen, so

dass er / sie Thumbnails der Bilder oder schließlich auch das gewünschte Bildmaterial samt

Metadaten angezeigt bekommt. Der Bruch zwischen semantischem und visuellem Zugriff

wird somit durch den Einsatz eines Zoomable User Interfaces minimiert. Angepasste

Filter- und Suchfunktionen erlauben die Einschränkung des Ergebnisraumes oder auch

den unscharfen Zugriff auf Informationen durch die Auswertung von Synonymen und

verwandten Begriffen.

Das System wurde domänenunabhängig konzipiert und wird momentan unter Nutzung

eines Thesaurus aus dem Museumsbereich weiterentwickelt.

1. EINLEITUNG

Alternative Suchsysteme haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung

gewonnen, nachdem zahlreiche Studien (z.B. Feldman, 2004; Swaak, 2005; Swaak

et al 2004) die Problematik der Informationssuche in der digitalen Welt aufgezeigt

haben. Zur Optimierung der Suchprozesse werden unterschiedliche Strategien

verfolgt. Zunehmend werden Visualisierungen zur Repräsentation des Ergebnisraumes

herangezogen, um von der herkömmlichen Listendarstellung abzuweichen und

die kognitive Belastung des Informationssuchenden zu reduzieren. Auch den

Schwierigkeiten, die bei der Formulierung von Suchanfragen auftreten, versucht man

entgegen zu wirken, in dem man unscharfe Suchanfragen über die Integration von

Ontologien, Thesauri und anderen Technologien aus dem Bereich des Semantic Web

ermöglichen will. Im Rahmen des folgenden Beitrags wird nach einer Untersuchung des

Schriften der VÖB 5, 47 – 60

48

momentanen Standes der Technik und einer Anforderungsanalyse das thesaurusbasierte

Bildretrievalsystem (ERIS) exemplarisch an einem Thesaurus für Möbel vorgestellt.

ERIS soll die BenutzerInnen adäquat mittels eines innovativen Oberflächenkonzeptes

bei der Suche und Exploration von Bildmaterial unterstützen.

Wirft man einen Blick auf den Markt der webbasierten visuellen Suchsysteme,

so findet man ein breites Spektrum an unterschiedlichen Anwendungen, wie

Websuchmaschinen mit integrierter Visualisierungs komponente (z.B. Dogpile [2],

Langreiter [7], Grokker [4], Ujiko [15], Quintura [12], Webbrain [16], mexSearch

[10], SearchCrystal [14]) oder visuelle Bildsuchsysteme (z.B. Designklicks [1],

Retrievr [13], Photomesa ([11]; siehe Bederson, 2001 sowie Bederson et al.,

2002). Zudem gibt es eine Reihe von Anwendungen, die sich durch alternative

Informationszugänge auszeichnen (Flickr [3], Liquid [8], Interact10Ways [6]) sowie

Bildverwaltungs- und Suchsysteme, die Techniken des Semantic Web einsetzen

(Living Memory [9], iFind [5]).

Fasst man die zentralen Features der von uns untersuchten Systeme zusammen, so

zeichnen sich folgende Trends ab: Zunächst wird bei einer Vielzahl der Systeme eine

Kombination aus semantischen und visuellen Zugängen bevorzugt. Semantische

Zugänge werden primär über die Integration von Technologien aus dem Semantic

Web wie Thesauri und Ontologien einerseits oder aus künstlichen Netzwerken aus

meist mittels linguistischer Verfahren ermittelten Termini andererseits dargeboten.

Auch Tagging spielt eine zunehmende Rolle bei der semantischen Repräsentation

von Bildmaterial. Visuelle Zugänge erfolgen über die Präsentation von Thumbnails.

Um eine große Anzahl an Bildern adäquat darstellen zu können, werden Cluster

Techniken und Zoomable User Interfaces eingesetzt (Combs & Bederson, 1999).

Zugänge über Bildwerte wie Farbwerte oder ähnlichkeitsbasierte Suchen werden

zwar eingesetzt, liefern aber nur bedingt zufriedenstellende Ergebnisse. Insbesondere

Konzepte wie Living Memory heben sich durch die Vielfalt an Zugangsmöglichkeiten

ab, da sie sowohl für Laien als auch Experten gezielten und explorativen Zugang zu

Bildmaterial erlauben.

Photomesa sticht durch die Kombination von Techniken, die versuchen den

Bildschirmplatz möglichst optimal ausnutzen, und Zoomable User Interfaces

zunächst besonders hervor, da der Nutzer / die Nutzerin einen Überblick über den

gesamten Informationsraum erhält, bevor er / sie auf Details zugreifen kann (vgl.

Shneidermans Mantra der Informationssuche in Shneiderman, 1996). Die Anordnung

des Bildmaterials unter Nutzung herkömmlicher Visualisierungstechniken erscheint

dem entsprechend vor allem bei grossen Bildmengen sinnvoll.

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

49

Systeme wie Designklicks, Liquid und Interact10Ways weisen zwar innovative

Zugänge zum jeweiligen Informationsmaterial auf, erweisen sich aber im Rahmen

der zu konzipierenden Bildersuche weniger geeignet, da sie keine gezielte Suche nach

Informationen unterstützen und der Nutzer / die Nutzerin nur schwer entscheiden

kann, ob er / sie alle relevanten Informationen entdeckt hat (fehlende Overview-

Funktionalitäten und Filtermethoden).

2. ANFORDERUNGSANALYSE

Da die Konzeption unseres Systems zunächst domänenunabhängig erfolgte, war es

nicht möglich, umfassende, konkrete Nutzer- und Anforderungsanalysen zu erheben.

Das entwickelte User Interface kann dennoch jederzeit in Abhängigkeit des jeweiligen

Anwendungsfalles gezielt angepasst werden. Um dennoch eine grundlegend benutzer-

freundliche Oberfläche zu gestalten, wurden generelle Richtlinien zum UI-Design und

Erfahrungswerte in die Konzeption miteinbezogen.

Folgt man Shneiderman (1996), Rose (Rose & Levinson, 2004), Bates (2002), Schaffer

(Schaffer & Straub, 2005) und Lagus (2002), so wechselt ein Nutzer / eine Nutzerin

seine / ihre Suchstrategien und interagiert mit dem System in einem Wechselspiel aus

Browsen und gezielter Suche. Zur geeigneten Unterstützung des Anwenders bei der

Informationssuche sollte eine Kombination der unterschiedlichen Zugriffsstrategien

zu Verfügung stehen, um den Suchaufwand entsprechend der Foraging-Theorie

von Pirolli und Card (1995, 1997) möglichst gering zu halten. Bezieht man

zudem die Untersuchungen aus Abschnitt 1 in die Auswertung der dargestellten

Anwendungsszenarien mit ein, so kommt man zu folgenden Anforderungen, die das

System erfüllen sollte:

• Bereitstellen einer zentralen Suchfunktion zum gezielten Informationszugriff

• Alternative Darstellungsform zur Unterstützung bei der explorativen Erkundung

• Gewährleistung des Überblicks über den Informationsraum

• Bereitstellen von angepassten Filterfunktionen zur Einschränkung der Ergebnis-

menge

• Unmittelbare Kombination visueller und semantischer Zugänge

• Personalisierbarkeit der Benutzeroberfläche

Weiterhin soll ERIS als plattformunabhängige Webanwendung umgesetzt werden.

Um die Nutzerfreundlichkeit des Systems zu gewährleisten, sollen gängige Richtlinien

wie das Mantra der Informationssuche „Overview first, zoom and filter, then Detail-

on-demand“ von Shneiderman (1996) oder Nievergelts Ortus-Modus-Weg-Prinzip

(Nievergelt, 1983) Berücksichtigung finden und insbesondere die ISO-Normen 9241-

Schriften der VÖB 5, 47 – 60

50

10 (Deutsches Institut für Normung, 1995) und 9241-12 (Deutsches Institut für

Normung, 1995a) in die Konzeption des Systems eingehen.

3. KONZEPT UND REALISIERUNG

Auf den in den vorigen Kapiteln ermittelten Anforderungen und Voraussetzungen

galt es nun, ein Konzept zu entwickeln, so dass die verschiedenen Bausteine des

Systems benutzerfreundlich umgesetzt werden konnten. In der Designphase unseres

Entwicklungsprozesses entstanden nach mehreren Iterationen die Visualisierung

des Thesaurus, eine Suchfunktion und ein an die Daten angepasstes Filterkonzept.

Als nächstes wählten wir ein Visualisierungs-Framework aus, um unser Konzept

umzusetzen. In den folgenden Abschnitten wird zunächst das Framework kurz

beschrieben, dann der Thesaurus und die Datenbasis und zuletzt die Visualisierungs-,

Filter- und Suchkomponenten des von uns entwickelten Prototyps.

3.1 Visualisierungs-Framework Prefuse

Prefuse (Heer et al., 2005) ist ein auf der Programmiersprache Java basierendes

Open-Source Framework, das entwickelt wurde, um Softwareentwicklern

die Implementierung von dynamischen Visualisierungen strukturierter und

unstrukturierter Daten ohne großen Aufwand zu ermöglichen. Zahlreiche

Visualisierungen und Interaktionselemente (z.B. Zoomen und Pannen, also das

Verschieben des sichtbaren Bereichs auf den Informationsraum) sind bereits in Prefuse

integriert und können mit relativ geringem Aufwand auf den eigenen Datenraum

aufgesetzt und an die spezifischen Bedürfnisse angepasst werden. Prefuse zeichnet

sich besonders durch eine sehr gute Struktur und durch leichte Adaptierbarkeit

aus und wir wählten dieses Framework als Basis zur Umsetzung von ERIS. Trotz

zahlreicher Vorteile führte die Wahl von Prefuse jedoch zu einigen Schwierigkeiten

bei der Umsetzung. Die Einarbeitung in das Framework dauert einige Zeit und zu

Beginn ist es oft schwierig den Überblick zu behalten und das Zusammenspiel der

Komponenten in der stark objektorientierten Architektur zu verstehen.

3.2 Datenraum

Der Thesaurus (Deutsches Institut für Normung, 1999) bildet die Struktur-

und Datenbasis des entworfenen Konzepts und soll den Anwender bei der

Informationssuche und beim explorativen Erkunden des zur Verfügung stehenden

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

51

Informationsraumes unterstützen. Zudem soll ein semantischer Zugang zum

Bildmaterial, wie er / sie sich im Rahmen der Anforderungsanalyse als notwendig

erwiesen hat, gewährleistet werden. Der Einsatz eines Thesaurus hat einerseits

den Vorteil, dass unscharfe Suchanfragen über verwandte Begriffe und Synonyme

ermöglicht werden und andererseits linguistische Zweideutigkeiten (Synonyme,

Homonyme, etc.) gezielt abgefangen werden können. Zudem kann der Thesaurus

die Mehrsprachigkeit des Systems sichern. Nachdem unterschiedliche Thesauri

wie WordNet34 (Miller et al., 1990) untersucht wurden, entschieden wir uns für

die Möbeltypologie [17] als Datenraum, die vom Westfälischen Museumsamt, der

Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, im Rahmen des Projektes

Museumsvokabular aufgebaut wurde. Museumsvokabular.de ist eine Initiative

zur „Bereitstellung, Bearbeitung und Angleichung von Museumsvokabular“ [18]

– initiiert durch die Fachgruppe Dokumentation/DMB, das Zuse-Institut Berlin,

das digicult-SH-Projekt und das Institut für Museumsforschung. Der Thesaurus

entspricht den Kriterien der ISO-Norm 2788 (Deutsches Institut für Normung,

1999) und umfasst 422 Knoten und 421 Kanten. Das jeweilige Bildmaterial wurde

zunächst aus frei zugänglichen Onlinequellen bezogen.

Berücksichtigt wurden zunächst die XML-Strukturen Concept, about (ID des

Knotens), PrefTerm (Begriff ) , altTerm (Synonyme), inScheme (Vokabular, erst bei der

Verschmelzung von Thesauri signifikant), broader (Elternknoten), narrower (Kindknoten),

definition (Beschreibung). Metadaten zum Status des Thesaurus oder zu den Erstellern

wurden zunächst nicht berücksichtigt.

3.3 Aufbau der Benutzeroberfläche und Visualisierung des Thesaurus

Die semantische Repräsentation des Thesaurus findet sich in der Baumvisualisierung

des Datenraums wieder (in Abbildung 1 mit dem sog. Radial Layout) und das

jeweilige Bildmaterial wird - im Unterschied zu den in Kapitel 2 vorgestellten

Systemen - direkt an die entsprechenden Knoten des Baumes eingehängt.

In Abbildung 1 ist zu sehen, dass die Visualisierung die zentrale Rolle der Anwendung

einnimmt. Dabei werden zunächst nur die Namen der Knoten angezeigt. Die

Knoten sind je nach Tiefe in der Hierarchie unterschiedlich farbig markiert. Falls

Bildmaterial zu einem Knoten vorhanden ist, wird ein kleines Vorschaubild, das

zufällig aus dem passenden Ordner ausgewählt wurde, als Icon im Knoten angezeigt.

Die hierarchischen Beziehungen zwischen den Knoten werden als Kanten visualisiert,

wobei die Tiefe von innen nach außen zunimmt.

Schriften der VÖB 5, 47 – 60

52

Es werden keine komplexen Filterformulare oder Konfigurationsdialoge

vorgeschaltet, stattdessen wird dem Benutzer bzw. der Benutzerin eine Hauptansicht

des Datenraums geboten, die am oberen Bildschirmrand eine Volltextsuche und

verschiedene Metadatenfilter (hier nach Bildart, Auflösung und Bild-ID) enthält,

die je nach verfügbaren Metadaten erweitert werden können. Die Navigations-,

Interaktions- und Suchmöglichkeiten unseres Prototyps machen eine Unterteilung der

Benutzeroberfläche in Teilsichten überflüssig, so dass der Benutzer bzw. die Benutzerin

stets das Gefühl von Kontrolle hat und die Daten stets im Gesamtzusammenhang

explorieren kann. Nun aber zunächst zur Visualisierung; für diese stellt Prefuse

verschiedene Layoutalgorithmen für Bäume und Graphen zur Verfügung. Wir haben

die einfache Baumstruktur, ein radiales Layout und das Fruchtermann-Reingold

Layout in ERIS integriert. Durch Tastaturbefehle kann zwischen den Layouts

umgeschaltet werden, was durch eine Animation verdeutlicht wird.

Abbildung 1: Benutzeroberfläche der prototypischen Anwendung

3.4 Navigation durch den Informationsraum und Interaktion mit der Visualisierung

Am Beispiel des Radial Layouts wird im Folgenden aufgezeigt welche Navigations-

möglichkeiten direkt auf der Visualisierung des Datenraums ausgeführt werden

können. Die BenutzerInnen können gezielt von oben nach unten entlang der

hierarchischen Struktur navigieren.

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

53

Des Weiteren gilt es zwei verschiedene Zoominteraktionstechniken zu unterscheiden,

den geometrischen Zoom und den semantischen Zoom.

BenutzerInnen können mittels geometrischem Zoom die gesamte Visualisierung

vergrößern und verkleinern. Diese Skalierung erlaubt es, interessante Knotengruppen

genauer zu betrachten und dabei irrelevante Knoten aus dem sichtbaren Bereich

zu bewegen. Diese Aktion kann vom Benutzer bzw. von der Benutzerin bei

gedrückt gehaltener rechter Maustaste erfolgen, wobei die Maus nach oben für eine

Verkleinerung und nach unten für eine Vergrößerung bewegt werden kann.

Während beim geometrischen Zoom keine zusätzlichen Informationen in den Knoten

angezeigt werden, reichert der semantische Zoom die Knoteninformationen in drei

Zoomstufen mit zusätzlichen Informationen an. Um einen semantischen Zoom

auszuführen wird das Mausrad verwendet. Ein Scrollen nach unten bewirkt eine

Informationsanreicherung, ein Scrollen nach oben eine Informationsreduktion der

Knoten um eine Stufe. Der semantische Zoom wirkt sich wie auch der geometrische

auf alle Knoten aus. Abbildung 1 (weiter vorne im Text), 2A und 2B zeigen die

semantische Vergrößerung der Knoten.

Abbildung 2A (oben) und 2B (siehe Seite 54): Erläuterung siehe Text

Schriften der VÖB 5, 47 – 60

54

In den unterschiedlichen Stufen werden folgende Knoteninformationen angezeigt:

• Stufe 1: Name und zusätzlich ein Icon, falls Bilder im Knoten enthalten sind

(=Startansicht, siehe Abbildung 1)

• Stufe 2: Name, ID und alle Bilder des Knotens als Icons (siehe Abbildung 2 A)

• Stufe 3: Name, ID, Definition und alle Bilder als vergrößerte Icons (siehe

Abbildung 2 B)

Abbildung 3A: Gesamte Visualisierung, Überblicksansicht

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

55

In den Abbildungen 3A, 3B und 3C wird ein reiner, geometrischer Zoom auf der

2. semantischen Zoomstufe illustriert. Die Abbildungen zeigen ein schrittweises,

geometrisches Zoomen auf konkrete Knoten hin. Bei Abbildung 3C wurde der

Hauptknoten Möbel so vergrössert, dass die meisten anderen Knoten aus dem

sichtbaren Bereich verschwinden.

Abbildung 3B (oben) und 3C (unten): Erklärung siehe Text

Schriften der VÖB 5, 47 – 60

56

Um den BenutzerInnen auch in den unterschiedlichen Zoomstufen eine einfache

Exploration zu ermöglichen, bietet sich die Möglichkeit, den dargestellten

Bildschirmausschnitt mittels Panning zu verschieben. Dazu wird der Hintergrund

der Visualisierung anklickt und bei gedrückter linker Maustaste verschoben. So

können interessante Bereiche auch bei vergrößerter Visualisierung exploriert werden.

Bei Überfahren mit der Maus werden dem Benutzer bzw. der Benutzerin einige

Details zum jeweiligen Knoten angezeigt, mit einem Doppelklick auf den Knoten

wird dieser, unabhängig von der momentanen Zoomstufe, in Detailansicht dargestellt

(Detail-On-Demand – siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Detailansicht eines Knotens mit Metadaten (Weitere Anreicherung möglich)

In der Detailansicht in Abbildung 4 wird nun genügend Platz geboten, um alle

Inhalte des Knotens - in unserem Fall alle Bilder und Metadaten - anzuzeigen. Über

die Volltextsuche und die anderen Filter am oberen Bildschirmrand ist es möglich,

irrelevante Knoten mit direktem Feedback auf eine minimale Größe zu verkleinern

(siehe Abbildung 5).

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

57

Abbildung 5: Filtern der Knoten mittels Dynamic Queries (Auswahl der Filterkriterien am oberen Bildschirmrand)

Abbildung 5 zeigt wie mittels Dynamic Queries irrelevante Knoten der Visualisierung

verkleinert werden können. Die Knoten werden dann als kleine Quadrate angezeigt,

während die anderen Knoten, die die Filterkriterien erfüllen in der gewählten

Zoomstufe dargestellt werden. Ein genaueres Bild von unserem System bekommt

man durch Betrachtung des Videos auf der Webseite der AG Mensch-Computer

Interaktion der Universität Konstanz [19].

4. AUSBLICK UND FAZIT

Das aufgezeigte Konzept wurde als lauffähiger Prototyp umgesetzt, mit dem Ziel, einen

gangbaren Weg bezüglich eines geeigneten Interaktionsdesigns zur thesaurusgestützten

Exploration von Bildmaterial für die Zukunft aufzuzeigen. Innovativ ist die unmittelbare,

direkte Kombination des Thesaurus mit dem entsprechenden Bildmaterial, auf das

mittels eines semantischen Zoomable User Interfaces zugegriffen wird. Da ERIS

auf keinen konkreten Anwendungsfall hin entwickelt wurde, standen relevante

Basisinformationen (Datenvolumen des Bildmaterials, Nutzerrollen, Nutzerbedarf )

nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.

Somit gibt es eine Reihe an Weiterentwicklungen und Features, die erst nach

einer anwendungsspezifischen Anforderungsanalyse verfeinert oder umgesetzt

werden können, wie beispielsweise die Anpassung der Filterfunktionen, die

Schriften der VÖB 5, 47 – 60

58

Personalisierbarkeit der Benutzeroberfläche, Workflowunterstützungen oder gezielte

Extraktionmechanismen, wie sie z.B. in Shneiderman (1996) aufgeführt werden.

Weiterhin könnte insbesondere die Integration von Web 2.0 Prinzipien und Praktiken

(z.B. O’Reilly, 2005) einen Mehrwert darstellen. In zukünftigen Arbeiten möchten

wir die Möglichkeit untersuchen, in einen Knoten wiederum eine Visualisierung

mit den gleichen Interaktionsmöglichkeiten einzubinden, die dann zum Beispiel alle

Bilder eines Knotens, verschiedene andere Metadaten oder sogar multimediale Daten

anzeigt. In Kapitel 3 wurden Anforderungen an das System spezifiziert, die eine

gute Benutzbarkeit gewährleisten sollen. Mittels Benutzertest muss geprüft werden,

ob diese Usability-Kriterien hinreichend erfüllt sind und welche Schwierigkeiten

unterschiedliche Benutzergruppen mit dem System haben. Die zudem geforderte

Individualisierbarkeit der Oberfläche, sowie die Fehlertoleranz des Systems sind in

unserem Prototyp nicht realisiert, sondern bedarf weiterer Programmierarbeiten.

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Webseite ERIS19 Webseite Universität Konstanz, AG Mensch-Computer Interaktion. http://hci.uni-

konstanz.de/bildersuche/video.wmv

ADRESSE DES AUTORS UND DER AUTORINM. Sc. Fredrik Gundelsweiler

Universität Konstanz

Universitätsstraße 10, D 78457 Konstanz

[email protected]

http://hci.uni-konstanz.de

Sonja Öttl, M.A.

HTW Chur

Ringstrasse/ Pulvermühlestrasse 56, 7000 Chur

[email protected]

http://www.informationswissenschaft.ch

Fredrik Gundelsweiler, Sonja Öttl

61

MUSEUMSDATEN IN PORTALEN – DIE VERNETZUNGSSTANDARDS MUSEUMDAT UND MUSEUMVOK

REGINE STEIN

ABSTRACT

Die Publikation von Kerndaten zu Museumsobjekten in museums übergreifenden Portalen

und Repositorien ist zur Alltagsanforderung für Museen geworden. Noch glücklicher

schätzen sich Service-Anbieter, wenn durch die Verwendung kontrollierter Vokabulare

bessere Suchergebnisse erzielt werden können. Doch in welcher Form soll die Information zu

Objekten und Vokabularen bereitgestellt werden? Mit den auf internationalen Standards

basierenden Formaten museumdat und museumvok stellt die Fachgruppe Dokumentation

im Deutschen Museumsbund zwei Instrumente vor, die die Integration von Objektdaten

in Museumsportale vereinfachen und Recherchemöglichkeiten erweitern - ein Beitrag zur

besseren Vernetzung vielleicht nicht nur deutscher Museen?

EINLEITUNG

Die Publikation von Kerndaten zu Museumsobjekten in museumsübergreifenden

Portalen und Repositorien ist zur Alltagsanforderung für Museen geworden.

Noch glücklicher schätzen sich Service-Anbieter, wenn durch die Verwendung

kontrollierter Vokabulare bessere Suchergebnisse erzielt werden können. Doch in

welcher Form soll die Information zu Objekten und Vokabularen bereitgestellt

werden?

Die Fachgruppe Dokumentation im Deutschen Museumsbund [1] hat sich in den

vergangen zwei Jahren in verschiedenen Arbeitsgruppen mit der Frage beschäftigt,

mit welchen Instrumenten einerseits den Museen als Daten-Anbietern und

andererseits Portalbetreibern als Service-Anbietern, aber etwa auch Software-

Anbietern das Leben ganz praktisch erleichtert werden kann. Ausgangspunkt waren

dabei selbstverständlich internationale Entwicklungen und verbreitete Standards. Im

Folgenden werden die bisherigen Arbeitsergebnisse vor- und zur Diskussion gestellt

– museumdat als Format zur Publikation von Kerndaten und museumvok als Format

zur Beschreibung von kontrollierten Vokabularen, die über einen WebService auf

der Online-Plattform museumsvokabular.de verfügbar sind.

Schriften der VÖB 5, 61 – 69

62

MUSEUMDAT: FORMAT ZUR PUBLIKATION VON KERNDATEN ZU MUSEUMSOBJEKTEN

Auf der Suche nach einem geeigneten Harvestingformat für Portale, das reichhaltigere

Recherchemöglichkeiten bereitstellt, als es mit dem vielfach für Portale verwendeten

DublinCore-Standard möglich ist, fand vorrangig eine aktuelle Entwicklung des J.

Paul Getty Trusts unsere Aufmerksamkeit: Das aktuell in der Version 1.1. verfügbare

Metadatenformat CDWA Lite [2] - eine Übersicht der Elemente findet sich

in Abbildung 1 - wurde mit dem Ziel entwickelt, Kerndaten bereitzustellen für

museumsübergreifende Repositorien auf Basis des Open Archives Initiative Harvesting

Protokolls OAI-PMH. Schon die Referenz im Namen CDWA – Categories for the

Description of Works of Art – verdeutlicht, dass der Fokus des Dokumentationsstandards

primär auf kunsthistorische Sammlungsbestände, insbesondere Objekte der bildenden

Kunst und Architektur, gerichtet ist. Dies schlägt sich sowohl in der Auswahl der

Kerndatenfelder als auch in der Definition der Pflichtfelder nieder: So sind z.B.

Angaben zum Künstler/Hersteller eines Objekts nicht nur die einzigen im Format

enthaltenen Personenangaben, sondern sie sind auch verpflichtend. Damit erwies

sich der Fokus von CDWA Lite schnell als zu eng im Hinblick auf deutschsprachige

Museumsportale, in denen Objekte aus unterschiedlichsten – etwa kultur-, technik-

oder naturhistorischen – Sammlungsbeständen nachgewiesen werden.

Abbildung 1: Elemente-Übersicht „CDWA Lite“

Der überzeugende Aufbau des CDWA Lite-Formats, nämlich die Trennung in

einerseits für die Präsentation optimierte und andererseits für die Recherche optimierte

Elemente, sowie die sehr gute Ausarbeitung von Dokumentation und Schema-

Regine Stein

63

Definition legten den Ansatz nahe, den vorhandenen Standard so zu verallgemeinern,

dass er auch für weitere Objektklassen anwendbar ist. In Abstimmung mit dem J.

Paul Getty Trust und mit dem erklärten Ziel, dass das verallgemeinerte Format durch

einfache XSL-Transformation auf CDWA Lite abgebildet werden kann, wurde von

der Arbeitsgruppe das Harvestingformat museumdat entwickelt.

Als Grundlage für die Rekonfiguration galt der Arbeitsgruppe dabei das vom Fachkomitee

Dokumentation CIDOC des internationalen Museumsbundes ICOM entwickelte

„Conceptual Reference Model“, das als ISO-Standard 21127 das Referenzmodell

für die Entwicklung von Metadatenformaten im Bereich des Kulturerbes bildet [3].

Das CIDOC-CRM beschreibt die in der Museumsdokumentation verwendeten

impliziten und expliziten Konzepte und Beziehungen in einem objekt-orientierten

Modell, es ist sozusagen der „semantic glue“ zur Integration und zum Datenaustausch

zwischen verschie denen Ressourcen. museumdat beschreibt nun ein XML Schema,

das die Integration von Objektdaten unterschiedlichster Herkunft erlaubt. Das

Ausgangsformat CDWA Lite wurde dazu auf Basis einer Analyse mit dem CIDOC

CRM restrukturiert und entlang der im CRM Core [4] definierten Metadaten-

Elemente in Wrappern organisiert: I. Objektklassifikation, II. Identifikation,

III. Beschreibung, IV. Ereignisse, V. Beziehungen sowie VI. Verwaltungsangaben. Eine

Übersicht des Formats bietet Abbildung 2.

Die wesentlichen Änderungen im Vergleich zu CDWA Lite ergeben sich in den

folgenden Elementen:

1. Das Element zur Angabe des Künstlers/Herstellers eines Objekts – Indexing

Creator Set – wurde verallgemeinert zu einem Element zur Angabe von

Akteuren, also Personen oder Institutionen, die über ein Ereignis vermittelt

mit dem Objekt in Beziehung stehen.

2. Im museumdat-Format gibt es ein Element indexingLocationSet zur Angabe

von (mit dem Objekt in unterschiedlichster Weise in Beziehung stehenden)

Orten sowie ein Element repositorySet zur Angabe von Identifikatoren und

Aufbewahrungsinformationen – diese beiden sind im CDWA Lite in einem

Element Location/Repository Set zusammengefasst .

3. Die Information zu Akteuren, Datierung und Ort – letztere beiden werden in

CDWA Lite durch Angabe eines Typs näher qualifiziert, alle drei Elemente

sind aber völlig unabhängig voneinander definiert – wurde in einem Ereignis-

Element zusammengefasst, welches durch einen Ereignistyp wie Herstellung,

Gebrauch, Fund, Sammelereignis, Zerstörung etc. näher qualifiziert wird.

4. Die Information zu Akteuren, Datierung und Ort – letztere beiden werden in

CDWA Lite durch Angabe eines Typs näher qualifiziert, alle drei Elemente

sind aber völlig unabhängig voneinander definiert – wurde in einem Ereignis-

Schriften der VÖB 5, 61 – 69

64

Element zusammengefasst, welches durch einen Ereignistyp wie Herstellung,

Gebrauch, Fund, Sammelereignis, Zerstörung etc. näher qualifiziert wird.

Abbildung 2: Elemente-Übersicht „museumdat“

Um den Mehrwert dieser Änderungen und Verallgemeinerungen zu illustrieren,

seien die folgenden Beispiele angeführt:

• Im Bestand des Deutschen Historischen Museums in Berlin befindet sich

der „Bücherschrank aus dem Arbeitszimmer Wilhelm Piecks in Schloss

Niederschönhausen“. Dieses Möbelstück wurde von einem unbekannten

Schreiner gefertigt, seine historische Bedeutung resultiert einzig und allein aus

der Tatsache, dass es vom ersten (und einzigen) Präsidenten der Deutschen

Demokratischen Republik gebraucht wurde. In einer Recherche nach Objekten,

die in Beziehung mit der Person Wilhelm Pieck stehen, möchte man unter

Umständen auch diesen Bücherschrank finden – dies ist nun im museumdat-

Format mit der Dokumentation eines Ereignisses vom Typ „Gebrauch“ mit

dem Akteur „Wilhelm Pieck“ möglich. Abbildung 3 zeigt den entsprechenden

museumdat-Datensatz im Ausschnitt.

• Das typische Objekt eines naturhistorischen Museums ist das Exemplar

einer Spezies, das von einer bestimmten Person an einem bestimmten Ort zu

einem bestimmten Zeitpunkt gesammelt wurde. Die Dokumentation dieses

Sammelereignisses mit beteiligten Akteuren, Ort und Zeitpunkt erlaubt etwa

die Recherche nach Objekten, die Aimé Bonpland zwischen 1799 und 1804 in

Amerika gesammelt hat.

Regine Stein

65

Abbildung 3: Beispielobjekt aus dem Deutschen Historischen Museum im museumdat-Format

Neben den beschriebenen Änderungen gegenüber dem CDWA Lite wurden zur

Vervollständigung noch Anzeigeelemente für den Herstellungsort sowie für weitere

Ereignisse eingeführt. Weiters wurden Elementen, die mit Datenwerten belegt

sind, Attribute beigefügt, die der Kontrolle bei Datentransformationen dienen. Als

Pflichtelemente wurden nur drei Elemente deklariert: Der Objekttyp, ein Objekttitel

resp. Objektname sowie das Datensatz-Element mit ID und Quelle (i.d.R. die

aufbewahrende Institution). Damit wird der Diversität der Objekte Rechnung

getragen, die im Fokus des verallgemeinerten Formats stehen.

Das Ergebnis ist ein CRM-kompatibles Harvesting-Format museumdat, das bereits

von verschiedenen Portalbetreibern in Deutschland wie dem BAM-Portal, dem

Museumsportal Schleswig-Holstein, dem Bildarchiv Foto Marburg und dem

Gemeinsamen Bibliotheksverbund für eine breite Vielfalt von Objektdaten genutzt

wird. Museen als Datenanbieter haben damit ein Exportformat zur Verfügung, mit

dem sie ihre Sammlungsdaten verschiedenen Service-Anbietern standardmäßig

weitergeben. Service-Anbieter haben umgekehrt ein Standard-Importformat zur

Verfügung – wenn sie nicht gleich museumdat als Portal-Format verwenden, wie es

z.B. vom Museumsportal Schleswig-Holstein geplant ist. Aktuelle Entwicklungen

und technische Dokumente zu museumdat sind verfügbar auf der von der Fachgruppe

Dokumentation und dem Institut für Museumsforschung geführten Plattform zur

Museumsdokumentation [5].

Schriften der VÖB 5, 61 – 69

66

MUSEUMVOK: FORMAT ZUR BESCHREIBUNG VON KONTROLLIERTEN VOKABULAREN

Die Recherchemöglichkeiten nicht nur in Portalen gewinnen nun noch erheblich an

Qualität, wenn die für die Objektdokumentation verwendeten kontrollierten Vokabulare

in die Recherche einbezogen werden können. Das eben vorgestellte Harvestingformat

museumdat bietet zwar prinzipiell die Möglichkeit, etwa auch synonyme Bezeichnungen

oder übergeordnete Begriffe in die Recherche-Elemente zusätzlich aufzunehmen, doch

gibt es hierfür bekanntermaßen weitaus elegantere Lösungen.

Um von vorne zu beginnen: Im Ergebnis zweier Konferenzen zur Vokabularkontrolle

in der Museumsdokumentation bildete sich im Jahr 2005 im Rahmen der Fachgruppe

Dokumentation die Initiative museumsvokabular.de [6] mit dem Ziel, bislang oft weit

zerstreute und, wenn nicht durch Lizenzen geschützt, häufig unkoordiniert verwendete

und weiterentwickelte Vokabulare in einem Portal zu bündeln und mit Hilfe neuerer

Technologien verfügbar zu machen. Seit 2006 sind nun frei verwendbare Vokabulare, die

von verschiedenen Institutionen der deutschen Museumslandschaft entwickelt wurden,

auf der Online-Plattform www.museums vokabular.de unter der CreativeCommons-

Lizenz für die Museen verfügbar. Hierzu gehören in erster Linie Systematiken und

Typologien zur allgemeinen Sacherschließung, aber auch spezialisierte Vokabulare

wie die „Systematik für Spitzen und Stickereien“ oder eine „Möbeltypologie“ sowie

z.B. eine Geographie-Datei. Diese Vokabulare liegen einerseits im PDF-Format zur

Lektüre und Weiterverwendung und andererseits im XML-Format zur elektronischen

Weiterverarbeitung vor.

Im XML-Format – hier stellt sich dem vorgebildeten Publikum sofort die Frage, in

welchem? Für die Bereitstellung der Vokabulare auf museumsvokabular.de wurde

mit museumvok ein Format zur Beschreibung von unterschiedlichsten kontrollierten

Vokabularen wie einfachen Wortlisten, Klassifikationen, Thesauri etc. vorgeschlagen,

das sich auf das SKOS Core Vokabular [7] stützt. Neben den in SKOS Core

definierten Bezeichnungen und semantischen Beziehungen der in einem Vokabular

zusammengefassten Begriffe lassen sich noch Angaben zu Erstellung und Status

der Begriffe machen. Insbesondere aber bietet das Format die Möglichkeit, Cross-

Referenzen zwischen Begriffen in unterschiedlichen Vokabularen herzustellen, hierfür

wird das SKOS Mapping Vokabular [8] genutzt. Wenngleich noch kein stabiler

W3C-Standard, wird mit der Anwendung des SKOS Vokabulars der Anschluss an

die vielfältigen Entwicklungen im Bereich der Wissensorganisation sichergestellt.

Das – in Abbildung 4 in einer Übersicht dargestellte – Format findet neben der

Nutzung als Importformat für die elektronisch verfügbaren Vokabulare aber auch in

Regine Stein

67

anderer Hinsicht Anwendung: Implementiert in einem webbasierten Verwaltungstool

für kontrolliertes Vokabular, welches im Rahmen des schleswig-holsteinischen Projekts

DigiCult entwickelt wurde, wird dieses bereits eingesetzt zur geographisch verteilten

Bearbeitung und Weiterentwicklung von Vokabularen – ein großer Schritt hin zur

gemeinsamen und koordinierten Arbeit an Vokabularen an Stelle von unzähligen

Mehrfach-Entwicklungen.

Abbildung 4: Elemente-Übersicht „museumvok“

Doch zurück zum Anwendungsszenario Museumsportal: Auch der bei jeder

Aktualisierung zu wiederholende Import von Vokabularen ist nur die zweitbeste

Lösung. Ziel der Aktivitäten ist es, die Vokabulare über einen Web Service [9]

verfügbar zu machen, der den Import in lokale Anwendungen überflüssig macht,

und dies nicht nur für Portalanwendungen, sondern auch für im Museum eingesetzte

Informationssysteme.

Derzeit wird in Zusammenarbeit des Instituts für Museumsforschung und des Zuse-

Instituts Berlin ein entsprechender SOAP Web Service [10] aufgebaut, über den die

auf museumsvokabular.de verfügbaren Vokabulare für verschiedenste Anwendungen

genutzt werden können. Der Fokus richtet sich dabei zunächst auf die passive

Nutzung der Vokabulare, perspektivisch ist aber auch die Unterstützung der aktiven

Bearbeitung über Web Services geplant. Die vorgeschlagene Schnittstellendefinition

sieht neben eher administrativen Funktionen wie getSchemeMetadata drei zentrale

Funktionen zur Abfrage der verfügbaren Vokabulare vor:

• searchConceptsByID: sucht für jede Id aus einer Liste die zugehörigen Konzepte

• searchConceptsByTerm: sucht für jeden Term aus einer Liste die zugehörigen

Schriften der VÖB 5, 61 – 69

68

Konzepte. Die zu durchsuchenden Felder (Vorzugsbezeichnung, alternative

Bezeichnungen, Notation, versteckte Bezeichnungen sowie Kombinationen

daraus) sind ebenso parametrisiert wie der Suchmodus (exakte Suche,

Teiltextsuche, Normalisierung von Schreibweisen).

• fetchHierarchy: gibt für eine Id den angeforderten Hierarchiezweig aus. Suchtiefe

und Suchrichtung sind parametrisiert.

Als Ergebnis liefert der Web Service, neben der Trefferanzahl und einem Fehlercode,

eine XML-Datei im museumvok-Format zurück. Die Dokumentation des Formats

sowie die Schnittstellendefinition ist zu finden auf der Plattform museumsvokabular.

de [11].

FAZIT

Mit den vorgestellten Instrumenten, die innerhalb der Fachgruppe Dokumentation

mit Vertretern von Museen, Verbünden und Software-Anbietern entwickelt wurden,

stehen den Museen als Datenanbietern einerseits und Portalbetreibern, aber auch

Software-Herstellern, als Service-Anbietern andererseits zwei wichtige Schlüssel für

eine standard-basierte und effizientere Ressourcen-Nutzung zur Verfügung:

• museumdat als CRM-kompatibles Harvesting-Format zur Publikation von

Kerndaten zu Museumsobjekten

• museumvok als SKOS-basiertes Format zur Beschreibung von kontrollierten

Vokabularen inklusive des Web Service zur automatisierten Nutzung der

Vokabulare.

Abbildung 5: museumdat und museumvok als Vernetzungsstandards für Museumsportale

Regine Stein

69

Eine beispielhafte Architektur eines Museumsportals unter Verwendung von

museumdat und museumvok als Vernetzungs standards ist in Abbildung 5 dargestellt.

Die Fachgruppe Dokumentation des Deutschen Museumsbundes leistet hiermit

einen praktischen und in der aktuellen Museumspraxis häufig nachgefragten Beitrag

zur Vernetzung der Museen.

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 9.01.2008)

1 http://www.museumsbund.de > Fachgruppen & Arbeitskreise > Fachgruppe

Dokumentation

2 http://www.getty.edu/research/conducting_research/standards/ cdwa/cdwalite.html

3 http://cidoc.ics.forth.gr

4 http://cidoc.ics.forth.gr/working_editions_cidoc.html#crm_core

5 http://www.museumsdokumentation.de

http://www.museumdat.org

6 http://www.museumsvokabular.de

7 http://www.w3.org/2004/02/skos/

http://www.w3.org/TR/2005/WD-swbp-skos-core-spec-20051102/

8 http://www.w3.org/2004/02/skos/mapping/spec/

9 http://en.wikipedia.org/wiki/Web_service

10 http://en.wikipedia.org/wiki/SOAP

http://www.w3.org/TR/soap12-part1/

11 http://www.museumsvokabular.de > „Tech-Dok“

ADRESSE DER AUTORINRegine Stein, Dipl.-Mathematikerin

Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg

Philipps-Universität Biegenstraße 11, D-35037 Marburg

[email protected]

www.fotomarburg.de, www.bildindex.de

Schriften der VÖB 5, 61 – 69

70

71

INFORMATIONSDIENSTLEISTUNGEN

LOTSE - EIN GANZHEITLICHER ANSATZ ZUR ONLINE-VERMITTLUNG VON INFORMATIONSKOMPETENZ

NICOLE KRÜGER

ABSTRACT

LOTSE steht für „Library Online Tour and Self-Paced Education“. Dabei handelt es sich

um ein Navigations- und Schulungssystem für Wissenschaftler/-innen und Studierende.

Mit dem Aufbau von LOTSE wurde von Anfang an ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt.

So vermittelt das Angebot unter einer Oberfläche

• fachübergreifende Inhalte zum Erwerb von Informationskompetenz

• Informationen über fachspezifische Ressourcen

• ortsübergreifende Inhalte

• Informationen zu ortsspezif ischen Besonderheiten der Informationsrecherche und -

beschaffung

LOTSE ist nicht auf einen Teilbereich der Informationskompetenz beschränkt, sondern

bietet Informationen zur Recherche, Beschaffung und Evaluation von Ressourcen genau

so an wie z.B. Informationen zum Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten und der Nutzung

des Internet.

In dem Beitrag wird zunächst auf das Thema Informationskompetenz und Online-

Tutorials im Allgemeinen eingegangen und dann anhand von LOTSE aufgezeigt, wie

die Anforderungen an ein Online-Tutorial zur Vermittlung von Informationskompetenz

dort umgesetzt wurden. Abschließend werden die Möglichkeiten einer Kooperation mit

LOTSE dargestellt.

1 INFORMATIONSKOMPETENZ

1.1 Warum Informationskompetenz?

Durch den zunehmend schnelleren Wandel in der Gesellschaft, der Wissenschaft, der

Technologie und den Medien, reicht es nicht mehr aus, Fertigkeiten und Wissen nur

am Anfang des Berufslebens oder des Lebens zu erlernen bzw. aufzunehmen. Sowohl

Schriften der VÖB 5, 71 – 81

72

im Beruf als auch im täglichen Leben nimmt die Notwendigkeit des lebenslangen

Lernens zu (Lux & Sühl-Strohmenger, 2004, S.32). Dabei spielt das selbständige

Lernen, das außerhalb des organisierten Bildungswesens stattfindet, eine immer

größere Rolle. Die Informationskompetenz, eine sogenannte Metakompetenz, die

dazu befähigt, sich Fertigkeiten und Wissen selbständig anzueignen, ist hierfür

eine Grundvoraussetzung. Sie versetzt den Lebenslang-Lernenden in die Lage,

sich unabhängig von Institutionen und zu dem Zeitpunkt weiterzubilden bzw. zu

informieren, an dem der spezifische Bedarf besteht. Informationskompetenz wird

von der American Library Association (ALA) folgendermaßen definiert:

„To be information literate, a person must be able to recognize when information is

needed and have the ability to locate, evaluate, and use effectively the needed informa-

tion.“ (American Library Association, 1989)

Ein weiterer Faktor, der die Informationskompetenz zu einer Schlüsselkompetenz

macht, ist der sogenannte Information Overload. Dieser macht es immer wich-

tiger, gezielt zwischen relevanter und nicht relevanter sowie zwischen qualitativ

gesicherter und nicht qualitativer Information unterscheiden zu können (Lux &

Sühl-Strohmenger, 2004, S.33).

1.2 Statistiken zur Informationskompetenz

Obwohl die Informationskompetenz für die heutige Gesellschaft als

Schlüsselkompetenz eingeschätzt wird, zeigen verschiedene Studien, dass diese z.B.

bei Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland

noch nicht ausreichend vorhanden ist. So schätzen laut der SteFi-Studie (Studieren

mit elektronischen Fachinformationen) [1] nur 23,7 % der befragten Studierenden

den eigenen Kenntnisstand, die für das Studium relevante elektronische wissen-

schaftliche Information zu erlangen, als

hoch ein (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Einschätzung des eigenen Kenntnisstandes Studierender, die für das Studium relevante elektronische wissenschaftliche Information zu erlan-gen (Aus: Klatt et al., 2001, S.133)

Nicole Krüger

73

Nur 39,2 % der Studierenden sind der Auffassung, dass ihre Informationsbedarfe mit

den Ergebnissen elektronischer Recherchen hinreichend oder vollständig gedeckt

werden (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Zufriedenheit der Studierenden mit den Ergebnissen der eigenen Recherchen (Aus: Klatt et al., 2001, S.148)

Antworten der Studierenden (%)

Informations-Bedarf wird mit Ergebnissen VOLLSTÄNDIG gedeckt

3,3%

Informations-Bedarf wird mit Ergebnissen HINREICHEND gedeckt

35,9%

Die erzielten Rechercheergebnisse REICHEN NICHT AUS

51,4%

Es wird KEINE elektronische Recherche bzw. KEINE Recherche MEHR durchgeführt

9,3%

In Österreich wurde meines Wissens keine Studie zur Informationskompetenz

durchgeführt. Im Rahmen der auch in Österreich durchgeführten PISA-Studie

wurde jedoch die sogenannte Lesekompetenz untersucht, die laut Umlauf beträcht-

liche Überschneidungen mit der Informationskompetenz aufweist:

„Wenn man die Kriterien der Lesekompetenz gemäß der PISA-Studie mit den

Standards der Informationskompetenz vergleicht, entdeckt man beträchtliche

Überschneidungen: Hier wie dort geht es um Ermittlung und Bewertung von

Informationen, in der PISA-Studie beschränkt auf vorgegebene Texte.“ (Umlauf,

2004, S.41)

Die Lesekompetenz könnte als eine Voraussetzung für die Erlangung von

Informationskompetenz betrachtet werden. In der PISA-Studie von 2003 be-

fand sich Österreich im Bereich Lesekompetenz exakt gleichauf mit Deutschland

auf Platz 18 / Platz 19, und lag damit etwa im Durchschnitt der betrachteten 29

OECD-Länder (OECD, 2004, S.323).

2 WARUM ONLINE-TUTORIALS?

Der wachsende Bedarf an Informationskompetenz und die Statistiken, die besagen,

dass der Weg zu einer informationskompetenten Gesellschaft (in Deutschland) noch

weit ist, veranlassten Bibliotheken dazu, einerseits Online-Tutorials zur Vermittlung

Schriften der VÖB 5, 71 – 81

74

von Informationskompetenz anzubieten, andererseits Konzepte für persönlich

betreute Kurse zur Einführung in die Informationskompetenz zu erarbeiten. Online-

Tutorials kommen dabei insbesondere der wachsenden Gruppe derer zugute, die

institutionen-unabhängig lernen und z.B. nicht an Einführungsveranstaltungen

in der Bibliothek teilnehmen können oder wollen. Auch können Online-Tutorials

zur Vor- oder Nachbereitung von Kursen genutzt werden, da sie über einen länge-

ren Zeitraum zur Verfügung stehen und beliebig häufig wieder abrufbar sind. Ein

wichtiger Vorteil von Online-Tutorials im Internet ist die Verfügbarkeit am „Point

of Need“ zu der Zeit und an dem Ort, an dem Fragen zur Informationsrecherche,

-beschaffung, -bewertung oder -nutzung auftreten. Das Lern-Tempo kann von den

Nutzerinnen und Nutzern selbst bestimmt werden. Auch können Tutorials modu-

lar aufgebaut werden, was das selbstbestimmte Lernen weiter unterstützt, da der

Einstiegspunkt in das Tutorial individuell gewählt werden kann und nur die Inhalte

abgerufen werden müssen, die wirklich für die Lösung einer aktuellen Fragestellung

benötigt werden. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Online-Tutorials

sowie Kurse immer zielgruppenspezifisch und fachspezifisch angeboten werden

sollten (Hütte, 2006, S.42), um den Nutzerinnen und Nutzern die Anwendbarkeit

des Erlernten zu verdeutlichen und sie so zum Lernen zu motivieren.

Die Vermittlung von Informationskompetenz in wissenschaftlichen Bibliotheken

muss der Zielgruppe der erwachsenen Lernenden gerecht werden, deren Lernen sich

u.a. durch folgende Merkmale auszeichnet (Knowles et. al., 2007, S. 58 – 62):

• Erwachsene lernen autonom und selbstgesteuert.

• Erwachsene bringen verschiedene Vorerfahrungen mit. Lerninhalte müssen

darum individuell auf die Lernenden zugeschnitten sein.

• Erwachsene lernen zielorientiert, lebensorientiert und problemorientiert.

Online-Tutorials können die Anforderungen erwachsener Lernender aufgrund der

zu Beginn dieses Abschnitts beschriebenen Eigenschaften besonders gut erfüllen.

Zusätzlich können Online-Tutorials dem Verhalten der "Generation Internet", zu

der die heutigen Studierenden gehören, gerecht werden. Hütte schreibt hierzu:

„Der amerikanische Medienpädagoge Marc PRENSKY vertritt die These, dass die

spezielle Medienerfahrung, mit der die Generation heutiger Schüler und Studenten

aufgewachsen ist, auch einen spezifischen kognitiven Stil prägt, der u.a. gekennzeich-

net ist durch nicht-lineares Vorgehen, Grafikorientierung, Ausprobieren und Zufall,

aktive Beteiligung, Ungeduld sowie die Bedeutung spielerischen Erlebens.“ (Hütte,

2006, S.153)

Hieraus lässt sich schließen, dass Online-Tutorials auch bei einem vorhandenen

Angebot von persönlich betreuten Kursen für einen Teil der Zielgruppe sinnvoll sind

Nicole Krüger

75

und auch in Zusammenhang mit diesen Kursen zur Vorbereitung, Durchführung oder

Nachbereitung eingesetzt werden können, um optimale Ergebnisse zu erzielen.

3 DAS ONLINE-TUTORIAL LOTSE (LIBRARY ONLINE TOUR AND SELF PACED EDUCATION)

Das Projekt LOTSE [2] wurde von der Universitäts- und Landesbibliothek Münster

(ULB Münster) initiiert und in der ersten Projektphase vom Herbst 2000 bis zum

Frühjahr 2003 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)

gefördert. Eine weitere Förderung erfuhr es durch das Ministerium für Innovation,

Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Abbildung 2: Struktur des LOTSE-Fachtutorials Wirtschaftswissenschaften [3]

LOTSE ist ein webbasiertes, kostenlos zugängliches Online-Tutorial, das mo-

dular aufgebaut und fachspezifisch angelegt ist. Die Nutzerinnen und Nutzer

können gezielt die Informationen abrufen, die Sie zum Zeitpunkt der LOTSE-

Nutzung benötigen und das Tutorial steht dort zur Verfügung, wo die Fragen zur

Informationskompetenz auftreten, am eigenen Arbeitsplatz bzw. im Internet, wo die

meisten Nutzerinnen und Nutzer nach Informationen recherchieren.

Ziel von LOTSE ist es, alle Schritte des wissenschaftlichen Arbeitens abzubilden und

Informationskompetenz im Zusammenhang mit der Recherche, der Beschaffung, der

Evaluation und der Nutzung von Informationen zu vermitteln (vgl. Abbildung 2).

Schriften der VÖB 5, 71 – 81

76

Verschiedene Navigations-Werkzeuge verdeutlichen an jeder Stelle des Tutorials, wo

sich die Nutzerin / der Nutzer gerade befindet und lassen es zu, von jedem Artikel

aus in beliebige andere Inhalte zu wechseln (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Seitenaufbau und Navigation eines LOTSE-Artikels aus dem Tutorial Wirtschaftswissenschaften (Farbliche Hervorhebungen im

Tutorial sind hier durch Umkreisungen deutlich gemacht.)

3.1 Fachspezifische und fachübergreifende Inhalte in LOTSE

Ziel von LOTSE ist es, zu möglichst vielen Fachgebieten fachspezifische Inhalte

anzubieten, damit die Nutzerin/der Nutzer bei ihrer/seiner Fragestellung bzw. in

ihrem/seinem fachlichen Kontext abgeholt werden kann und es ihr/ihm leichter

fällt, die bereitgestellten Informationen für sich zu übernehmen und zu adaptieren.

So umfasst LOTSE einerseits fachübergreifende Inhalte, die in jedem einzelnen

Fachtutorial angezeigt werden, andererseits aber auch fachspezifische Inhalte zu

bisher 13 Fächern. Häufig sind Artikel aus fachübergreifenden und fachspezifischen

Inhalten zusammengesetzt, so z.B. der Artikel „Fachbibliographien“ in Abbildung 3,

der zunächst allgemein erläutert, was Fachbibliographien sind und wann diese ver-

wendet werden (fachübergreifend) und dann einzelne Fachbibliographien aufzeigt

und beschreibt (fachspezifisch). Bisher sind Inhalte zu den Fächern Elektrotechnik,

Ethnologie/Volkskunde, Geographie, Geschichte, Medizin, Niederlandistik,

Pädagogik, Physik, Psychologie, Philosophie, Slawistik, Sozialwissenschaften und

Wirtschaftswissenschaften in LOTSE enthalten. Das benötigte Fach kann zu

Nicole Krüger

77

Beginn der LOTSE-Nutzung aus einem Pulldown-Menü ausgewählt werden. Ist

ein Fach (noch) nicht in LOTSE vorhanden, kann das fachübergreifende Tutorial

genutzt werden, das keine fachspezifischen Informationen enthält, die allgemeinen

Inhalte zur Informationskompetenz jedoch ebenso umfassend vermittelt.

Da alle LOTSE-Fachtutorials weitestgehend auf einer Struktur basieren (siehe

Abbildung 2) und auf einer Plattform verfügbar sind, kann das Tutorial sowohl

fachspezifisch als auch interdisziplinär genutzt werden.

3.2 Ortsspezifische und ortsübergreifende Inhalte in LOTSE

Neben den Inhalten, die für Nutzerinnen und Nutzer im gesamten deutschspra-

chigen Raum relevant sind, können Bibliotheken, die sich an LOTSE beteiligen,

zusätzlich Informationen einbringen, die ausschließlich für Nutzerinnen und Nutzer

ihrer Bibliothek vor Ort relevant sind. Momentan stehen den Nutzerinnen und

Nutzern ortsspezifische Inhalte folgender Einrichtungen zur Verfügung [4]:

• Bibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien

• Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)

• Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen)

• Universitätsbibliothek Bochum (UB Bochum)

• Universitätsbibliothek der Humboldt-Universität Berlin

• Universitätsbibliothek Dortmund (UB Dortmund)

• Universitätsbibliothek Leipzig (UB Leipzig)

• Universitäts- und Landesbibliothek Münster (ULB Münster)

• Universitäts- und Stadtbibliothek Köln (USB Köln).

LOTSE-Nutzerinnen und -Nutzer einer Teilnehmer-Bibliothek haben den Vorteil

auch die Instrumente kennen lernen zu können, die vor Ort für sie relevant sind bzw.

auf die sie vor Ort in ihrer Bibliothek kostenlos zugreifen können. Sie bekommen

einen Überblick über die Informationsangebote ihrer Stadt bzw. ihrer Bibliothek.

3.3 Inhalte für Anfänger und Fortgeschrittene

Mittels eines Pulldown-Menüs kann in LOTSE zwischen Inhalten für Anfänger

und Experten unterschieden werden. So gibt es Artikel, die für Anfänger zusätz-

liche Informationen enthalten oder anders herum speziellere Informationen für

Experten beinhalten, die für Anfänger noch nicht unbedingt relevant sind. Diese

Unterscheidung ist vor allem für die Nutzerinnen und Nutzer von LOTSE gedacht,

die das Tutorial häufiger verwenden und es über einen längeren Zeitraum hinweg als

Schriften der VÖB 5, 71 – 81

78

Nachschlagewerk gebrauchen. Diese können Informationen ausblenden, die bei einer

häufigeren Nutzung bereits bekannt sind und zusätzlich speziellere Informationen

vermittelt bekommen.

3.4 Kooperation mit LOTSE

Die Inhalte von LOTSE werden unter Federführung der ULB Münster von den

teilnehmenden Bibliotheken kooperativ erstellt. Die ULB Münster übernimmt dabei

die Erstellung und Pflege der fach- und ortsübergreifenden Inhalte und hat verschie-

dene Fächer in LOTSE eingepflegt. Andere Teilnehmer-Bibliotheken pflegen ein

Fach und / oder tragen ortsspezifische Informationen zu ihrer eigenen Einrichtung

in LOTSE ein.

Der kooperative Aufbau von LOTSE ist für ein Online-Tutorial meiner Meinung

nach einzigartig im deutschsprachigen Raum. Dieser Aspekt gewinnt jedoch im

Zusammenhang mit knappen Personal-Ressourcen und einer sich ständig wan-

delnden Technologie und Informationslandschaft immer mehr an Bedeutung. Eine

Kooperation mit LOTSE ist in drei Abstufungen möglich.

a. „Kooperation“ als LOTSE-externe Einrichtung

LOTSE steht weltweit kostenlos online zur Verfügung und es wurde so angelegt,

dass es im gesamten deutschsprachigen Raum gleichermaßen genutzt werden kann.

Die teilnehmenden Bibliotheken legen großen Wert darauf, dass möglichst viele

Nutzerinnen und Nutzer sowie Bibliotheken von der Arbeit an LOTSE profitieren

und dass LOTSE noch bekannter wird. Sie können LOTSE unterstützen, indem Sie

das Tutorial auf Ihrer Website verlinken, Flyer in Ihrer Einrichtung auslegen oder

Ihre Nutzerinnen und Nutzer in Schulungen auf LOTSE hinweisen.

b. Eingabe von ortsspezifischen Inhalten bzw. Informationen zu Ihrer Einrichtung in

LOTSE

Wenn Sie Ihren Nutzerinnen und Nutzern in LOTSE zusätzlich zu den be-

reits vorhandenen Informationen auch Inhalte anbieten möchten, die speziell

auf Ihre Einrichtung zugeschnitten sind, können Sie in LOTSE die Aufgaben

einer Ortsredaktion übernehmen. Sie können so z.B. die Nutzung Ihres eigenen

Bibliothekskatalogs in LOTSE erläutern, auf Dienstleistungen Ihrer Bibliothek

hinweisen oder aufzeigen, welche Datenbanken in Ihrer Bibliothek lizensiert sind.

LOTSE-Inhalte werden über ein webbasiertes Content Management System

(CMS) gepflegt, für das Sie als Ortsredaktion einmalig eine Lizenz erwerben müs-

sen. Von Ihrer Seite aus sind keine technischen Vorarbeiten zu leisten. Für neue

Nicole Krüger

79

LOTSE-Partner werden Schulungen für das CMS angeboten. Für den Eintrag

ortsspezifischer Informationen in LOTSE werden inklusive der Einarbeitungszeit

ca. fünf Arbeitstage benötigt.

Für die Sicherung der nachhaltigen Pflege und Weiterentwicklung von LOTSE

wird in Kürze ein tragfähiges Geschäftsmodell erarbeitet.

c. Übernahme einer LOTSE-Fachredaktion

Wenn Sie LOTSE z.B. in fachspezifischen Schulungen einsetzen möchten oder

Ihren Nutzerinnen und Nutzern auf Ihrer Website ein Online-Tutorial für ein Fach

anbieten möchten, das noch nicht in LOTSE vertreten ist, können Sie in LOTSE die

Aufgaben einer Fachredaktion übernehmen. Genau wie für die Ortsredaktionen gilt,

dass Sie einmalig eine Lizenz für das webbasierte LOTSE-Content Management

System (CMS) erwerben müssen. Für die Einarbeitung eines Faches in LOTSE

muss mit einem Arbeitsaufwand von ca. sieben Wochen gerechnet werden, da nahezu

alle LOTSE-Artikel auch fachspezifische Inhalte umfassen.

Kontaktperson für die Kooperation mit LOTSE oder den Versand von Flyern ist

Herr Przibytzin aus der ULB Münster (LOTSE Geschäftsstelle). Seine aktuellen

Kontaktdaten finden Sie im Impressum von LOTSE [5].

4 FAZIT

Die Informationskompetenz wird - besonders für die Zielgruppen wissenschaftlicher

Bibliotheken - immer wichtiger. Konzepte zur Vermittlung der Informationskompetenz

in der Gesellschaft schließen immer auch Bibliotheken mit ein, so dass diese hier vor ei-

ner wichtigen Aufgabe stehen. Online-Tutorials sind ein Weg, dieser Herausforderung

zu begegnen und es wird deutlich, dass diese auch bei einem bestehenden Kursangebot

in der Bibliothek hilfreich sind. Sie stehen Nutzerinnen und Nutzern jederzeit als

Nachschlagewerk zur Verfügung und können auch von den Personen genutzt werden,

die nicht an Kursen teilnehmen können und z.B. nicht in studienbegleitende Kurse

eingebunden sind. Mit LOTSE wurde ein Tutorial geschaffen, das den Anforderungen

Lebenslang-Lernender gerecht wird und einen ganzheitlichen Ansatz zur Vermittlung

von Informationskompetenz verfolgt. Der kooperative Aufbau von LOTSE ist im

deutschsprachigen Raum einmalig und sichert eine nachhaltige Pflege und die

Weiterentwicklung des Tutorials. Die angestrebte Vollständigkeit ist nur mit einer

größeren Anzahl von Partnern zu leisten. Das Hinzukommen von fünf neuen Fächern

und vier neuen Partner-Einrichtungen in den letzten zwei Jahren zeigt jedoch, dass

LOTSE auch nach Ende der Drittmittel-Förderung nicht stagniert, sondern ständig

ausgebaut und verbessert wird.

Schriften der VÖB 5, 71 – 81

80

LITERATURVERZEICHNIS(Links zuletzt geprüft am 10. 10.2007)

American Library Association / Presidential Committee on Information Literacy, 1989: Final

Report. - Washington D.C., 1989.

http://www.ala.org/ala/acrl/acrlpubs/whitepapers/presidential.htm

Hütte, 2006: Zur Vermittlung von Informationskompetenz an Hochschulbibliotheken -

Entwicklung, Status quo, und Perspektiven / vorgelegt von Mario Hütte. - Köln, 2006.

- V, 176 Bl. - Köln, Fachhochsch., Masterarbeit, 2006

http://eprints.rclis.org/archive/00008476/01/MT-_Mario-_Huette.pdf

Klatt et al., 2001: Nutzung elektronischer wissenschaftlicher Information in der

Hochschulausbildung : Barrieren und Potenziale der innovativen Mediennutzung

im Lernalltag der Hochschulen ; eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums

für Bildung und Forschung, Projektträger Fachinformation / Rüdiger Klatt ...

Teil: [1]: Endbericht. - Dortmund : Sozialforschungsstelle Dortmund [u.a.], 248 S.,

http://www.stefi.de/download/bericht2.pdf

Knowles et al., 2007: Lebenslanges Lernen : Andragogik und Erwachsenenlernen / Malcolm

S. Knowles; Elwood F. Holton III; Richard A. Swanson. - 6. Aufl. - Heidelberg [u.a.] :

Elsevier Spektrum Akademischer Verlag, XII, 341 S., ISBN: 3-8274-1699-X

Lux & Sühl-Strohmenger, 2004: Teaching library in Deutschland: Vermittlung von

Informations- und Medienkompetenz als Kernaufgabe für Öffentliche und

Wissenschaftliche Bibliotheken / von Claudia Lux und Wilfried Sühl-Strohmenger.

- Wiesbaden : Dinges & Frick, 248 S. (B.I.T. online : Innovativ ; 9),

ISBN: 3-934997-11-2

OECD, 2004: Lernen für die Welt von morgen : erste Ergebnisse von PISA 2003 ; in-

ternationale Schulleistungsstudie PISA / OECD, Organisation für Wirtschaftliche

Zusammenarbeit und Entwicklung / Organisation for Economic Co-operation and

Development. - Paris : OECD, 527 S., ISBN: 3-8274-1637-X

http://www.oecd.org/dataoecd/18/10/34022484.pdf

Umlauf, 2004: Lernen in und mit Bibliotheken / Konrad Umlauf. In: Auskunft : Zeitschrift

für Bibliothek, Archiv und Information in Norddeutschland 24(2004)1, S. [25] – 58

http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h117/Lernen%20mit%20und%2

0in%20Bibliotheken%20Rendsburg.pdf

Nicole Krüger

81

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 10.10.2007)

1 SteFi : Studieren mit elektronischen Fachinformationen / Ein Forschungsprojekt

der Sozialforschungsstelle Dortmund im Auftrag des bmb+f / Projektträger

Fachinformation (GMD). - © 2001. http://www.stefi.de

2 http://lotse.uni-muenster.de

3 Dies ist die Grundstruktur aller Fach-Tutorials in LOTSE.

4 Liste der zurzeit an LOTSE beteiligten Bibliotheken

(Stand Oktober 2007).

5 http://lotse.uni-muenster.de/impressum/

ADRESSE DER AUTORINNicole Krüger

Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW)

Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft

Düsternbrooker Weg 120 ; 24105 Kiel

E-Mail: [email protected]

http://www.zbw.eu

Schriften der VÖB 5, 71 – 81

82

83

FÜR UNS SIND SIE KEINE (TICKET-)NUMMER! ERFAHRUNGEN AUS DEM VIRTUELLEN AUSKUNFTSVERBUND DIGIAUSKUNFT

PETER MAYR

ABSTRACT

Die individuellen Stärken nutzen. Das war eine der Motivationen der Projektteilnehmer,

die Dienstleistung Auskunft im Verbund anzu bieten. 11 Stadt- und Hochschulbibliotheken

haben sich zusammen geschlossen und Fragen zum spanischen Theater genauso wie Fragen

zu brasilianischen Fußballstars bearbeitet.

Doch lohnt sich ein Auskunftsverbund überhaupt? Die Bibliothek als Informationsdienstleister

ist noch nicht im Bewusstsein unserer Benutzer-/innen angekommen. Weitaus zahlreicher

sind Anfragen zu Service und Benutzung.

In diesem Bereich kommt der Punkt Anfragemanagement ins Spiel. Mit der DigiAuskunft

können auch diese „alltäglichen“ Benutzer anfragen eff izienter als mit Mailverteilern

bearbeitet werden.

Schwierige Informationsanfragen können in den Verbund oder direkt an Partnerbibliotheken

weitergeleitet werden. Auch die Bildung von lokalen Verbünden (z.B. auf Stadtebene) ist

möglich.

Der Beitrag beschreibt die Entwicklung des Systems mit Open-Source Komponenten und

die bisherigen Erfahrungen aus den 20 Praxismonaten.

EINLEITUNG

Informationsvermittlung ist eine klassisch-bibliothekarische Dienstleistung. Im

Laufe der Zeit hat sich lediglich das Medium der Fragestellung verändert.

Wenn früher ein Großteil der Fragen persönlich oder per Telefon und Brief gestellt

wurde, so wird heute durch die vermehrte Präsenz der Bibliotheken im Internet die

Kontaktaufnahme über Email immer wichtiger.

Aber nicht nur Auskunftsanfragen erreichen die Bibliotheken. In der Praxis sind

der Großteil der eingehenden BenutzerInnen-Fragen keine Informationsfragen,

sondern betreffen Benutzungsmodalitäten, den Umgang mit dem OPAC etc. Auch

diese Anfragen müssen effizient bearbeitet werden. Daher wird in diesem Artikel

Schriften der VÖB 5, 83 – 91

84

auch der Begriff Anfragemanagement verwendet um einem umfassenderen Ansatz

gerecht zu werden.

Die leichte Erreichbarkeit der BibliothekarInnen bringt zwei Probleme mit sich:

• Masse

eine steigende Zahl von Anfragen steht immer geringeren Personalressourcen

gegenüber

• Wir wissen nicht alles ..

Anfrage decken ein weites Spektrum von Sachgebieten ab die unter Umständen

nicht mit den Informationsressourcen der Bibliothek beantwortet werden

können.

Wie ist historisch im Bibliothekswesen mit solchen Heraus forderungen umgegangen

worden?

Mit Blick auf die Geschichte der Katalogisierung könnte man folgende Ausrufe

tätigen: Ein System! Ein Verbund!

In der Katalogisierung sind interne Arbeitsprozesse beim Übergang von der

Schreibmaschine zu EDV-gestützten Systemen wesentlich vereinfacht worden und

ermöglichten so ein effizienteres Erstellen der Katalogisate.

Des weiteren konnte durch die Gründung von Katalogisierungs verbünden die

Doppelaufnahme von Titeln vermieden werden was zu einer wesentlichen

Arbeitsersparnis für die einzelnen Bibliotheken führte.

Diese lessons learned kann man nun auch für den Bereich des Auskunftsdienstes/des

Anfragemanagements übernehmen.

HISTORIE DES PROJEKTS

Das hbz ist eine Dienstleistungs- und Entwicklungseinrichtung für Bibliotheken

innerhalb und außerhalb von Nordrhein-Westfalen und übernimmt als solche zentrale

Dienstleistungen für Hochschul- und öffentliche Bibliotheken. Aus diesem Grund

lag nahe, daß auch ein Projekt für die Errichtung eines virtuellen Auskunftsverbunds

vom hbz zentral begleitet und unterstützt wird.

Bereits 2005 traf sich eine erste Ad-Hoc AG mit Teilnehmern verschiedener

Bibliotheken mit dem Ziel im Bereich der Auskunft zu kooperieren. In einem

ersten Schritt wurde im April des Jahres ein umfangreiches Pflichtenheft erarbeitet.

Peter Mayr

85

Mit Hilfe dieses Dokuments wurden in einem nächsten Schritt verschiedene

Systeme evaluiert. Im Test waren dabei nicht nur klassische Auskunftssysteme

sondern auch sogenannte Ticketing-Systeme. Dies „ist eine Art von Software, um den

Empfang, Bestätigung, Klassifizierung und Bearbeitung von Kundenanfragen (Trouble-

Tickets) zu handhaben“ [1] und wird beispielsweise in großen Firmen eingesetzt um

Kundenanfragen zu bearbeiten. Die Arbeitsabläufe ähneln dem Auskunftsprozess:

Anfragen kommen in das System werden gegebenenfalls auf verschiedene Mitarbeiter

oder Abteilungen aufgeteilt und gemeinsam bearbeitet.

Ein solches System - das schließlich als Favorit aus der Testphase hervorging - war

OTRS. OTRS oder „Open Ticket Request System“ ist ein open-source Projekt dass

2001 in Deutschland gestartet wurde und 2007 laut Wikipedia Angaben bereits

49.000 mal installiert wurde [2]. Referenzkunden sind z.B.: NASA, Daimler oder

Siemens oder auch die Wikimedia Foundation selbst.

Wichtig für die Teilnehmer war neben den Funktionalitäten auch eine deutsche

Oberfläche. Dadurch, dass OTRS „open source“ ist, konnte das System im hbz

optimal an die Bedürfnisse der teilnehmenden Bibliotheken angepasst werden und

Erweiterungen (z.B.: flexible Textbausteine) konnten hinzugefügt werden

Nach einer eingehenden Test- und Schulungsphase, in der auch ein Handbuch [3]

erstellt wurde, startete der Praxisbetrieb planmäßig im Jänner 2006. Pilotbibliothek

war die StLB Dortmund, kurze Zeit später folgten die USB Köln, die UB Dortmund

und die StB Köln.

DIE TEILNEHMER

Die DigiAuskunft ist eine Kooperation zwischen öffentlichen und

Hochschulbibliotheken. Dadurch kann ein grosses Spektrum an Fragen abgedeckt

werden (von „Haben Sie Bücher über Ronaldinho bis zur Literaturanfragen zum

spanischen Theater der Barockzeit). Sollten Fragen in der eigenen Institution nicht

beantwortet werden können, so besteht die Möglichkeit diese in einen allgemein

zugänglichen Ordner oder direkt zu einer bestimmten Institution zu verschieben.

Mit dem Stand Dezember 2007 nehmen 15 Bibliotheken am Auskunftsverbund teil,

neben den oben genannten auch beispielsweise die UB Potsdam, FHB Köln, FHB

Dortmund, ZIB Unna, FHB Aachen – um nur einige zu nennen. Eine Übersicht

über Teilnehmer und Frageaufkommen gibt auch Abbildung 1.

Schriften der VÖB 5, 83 – 91

86

Abbildung 1: Fragenaufkommen

EIN SZENARIO

Folgendes Szenario zeigt, wie typischerweise eine Auskunftsanfrage abläuft (siehe

hierzu auch Abbildung 2):

Abbildung 2: Schematische Darstellung der DigiAuskunft

Lisa Literatin ist Studentin an der UB Dortmund. Für ein Referat in einem

Seminar über österreichische Literatur möchte sie das Werk der Nobelpreisträgerin

Elfriede Jelinek vorstellen.

Peter Mayr

87

Sie weiß, dass einer ihrer Romane verfilmt wurde und möchte gerne ihren Vortrag mit

einem kurzen Filmbeispiel daraus auflockern, nur leider fallen ihr weder Regisseur

noch Titel des Filmes ein. Da sie unlängst auf der Homepage ihrer Bibliothek einen

Hinweis auf die DigiAuskunft gesehen hat, beschließt sie, diesen Dienst gleich zu

testen. Sie füllt das entsprechende Formular aus und schickt ihre Anfrage ab [4].

Im System werden die Anfragen in verschiedene Ordner einsortiert, es gibt

standortspezifische [5] (StB Köln, UB Dortmund…) und mit dem Auskunftsverbund

einen allgemeinen, für alle sichtbaren Ordner. In diesen können Anfragen verschoben

werden, welche lokal nicht beantwortet werden können.

Zunächst aber landet Lisas Anfrage automatisch im Ordner UB Dortmund.

Sebastian Sucher ist ein altgedienter Informationsbibliothekar an der UB Dortmund.

Da er ohnehin oft mit der DigiAuskunft arbeitet, hat er die E-Mail-Benachrichtigung

über neue Anfragen abgeschaltet. Normalerweise meldet er sich in der Früh mit

seiner persönlichen Kennung am System an und bleibt angemeldet. Nach einer Weile

bemerkt er die neue Anfrage im Ordner und sperrt diese damit nicht versehentlich

noch eine weitere Kollegin/ein weiterer Kollege zu recherchieren beginnt. Durch

die Sperre landet die Anfrage in seiner persönlichen To-Do Liste und wird anderen

BearbeiterInnen nicht mehr angezeigt.

Sollte eine gesperrte Frage nicht in einer festgelegten Zeit beantwortet werden, so

erfolgt eine Warnung an alle BearbeiterInnen eines Standorts, später - falls notwendig

- auch an den gesamten Verbund.

Sebastian Sucher beginnt mit seinen Recherchen und hat schon nach kurzer Zeit

herausgefunden, dass es sich bei dem gesuchten Film um „Die Klavierspielerin“ unter der

Regie von Michael Haneke handelt. Der Bibliothekar sucht noch einige Rezensionen

und findet auch heraus, dass der Film als DVD in der Stadtbibliothek am Ort verfügbar

ist. Mit diesen Angaben - nebst automatisch eingefügter Begrüßungs- und Grußformel

- formuliert er seine Antwort. Diese wird per Mail an Lisa Literatin verschickt,

eine Kopie wird im Archiv gespeichert und ist anonymisiert für spätere Suchen nach

ähnlichen Anfragen verfügbar. Die Studentin ist über die rasche, kompetente Antwort

begeistert, leiht die DVD aus und hält einen ausgezeichneten Vortrag.

VORTEILE GEGENÜBER DEM VERFAHREN MAIL-VERTEILER

Standardverfahren zur Bearbeitung eingehender (Auskunfts-)Anfragen in Bibliotheken

sind häufig Mail-Verteiler. „Als Mail-Verteiler bezeichnet man im Computerumfeld

Schriften der VÖB 5, 83 – 91

88

eine einfache Mailingliste, die auf der Weiterleitung einer E-Mail-Adresse an mehrere

Empfänger beruht.“ [6]. Im oben geschilderten Szenario treten schon einige Vorteile

dezidierter Anfragemanagement-Systeme gegenüber Verteilern hervor: Anfragen

können gesperrt werden, was unnötige Doppelarbeit verhindert. Durch verschiedene

Eskalationsstufen (Entsperren, Warnmeldungen) wird verhindert, dass E-Mails

vergessen werden.

Weitere Erleichterung ist die Möglichkeit Textbausteine zu verwenden und erhöhte

Transparenz durch die Möglichkeit Nachrichten immer im Kontext einer Anfrage

zu sehen (Nachfragen werden automatisch mit der Ursprungsmail verknüpft, auch

die Antworten und eventuelle Notizen werden in einer Baumstruktur übersichtlich

dargestellt) oder durch Historieneinträge.

Des Weiteren kann einmal im Auskunftsprozess erworbenes Wissen anderen

zugänglich gemacht werden, entweder durch das Fragenarchiv oder aber durch die

Möglichkeit FAQs für Mitarbeiter oder Benutzer anzulegen.

Ein Vorteil des reinen Mailverfahrens ist, dass die MitarbeiterInnen in den

Bibliotheken mit bereits vertrauten Programmen arbeiten können und nicht

gezwungen sind die Bedienung eines neuen Systems zu erlernen.

WAS HABEN WIR GELERNT?

Hemmschwellen und Einstieg

Diese Hemmschwelle vor einem neuen System zeigt sich auch bei ersten Tests in

der Pilotgruppe. Speziell das ungewohnte Vokabular der Ticketing-Systeme (Ticket,

Agent, Queue,..) führte zu Verständnisproblemen und wurde durch vertrautere

Begriffe (Anfrage, Bibliothekar, Ordner...) ersetzt.

Die Oberfläche wurde vereinfacht und in den Schulungen lag der Fokus auf den

Grundfunktionalitäten für die tägliche Arbeit um den Auskunftsprozess möglichst

einfach für die MitarbeiterInnen zu gestalten. Alle „Feinheiten“ sind aber nochmals

im Wiki dokumentiert.

Ein Drittel Informationsanfragen

Periodisch durchgeführte Stichproben haben ergeben dass nur etwa ein Drittel der

Anfragen reine Informationsanfragen sind. der weitaus größere Teil betrifft Fragen

zu Benutzung (vgl. Abbildung 3).

Peter Mayr

89

Abbildung 3: Typologie der Anfragen (Juni 06, Okt. 06, Feb. 07)

Diese Fragen können überwiegend nur lokal beantwortet werden.

Lohnt sich trotzdem die Einrichtung eines Auskunftsverbundes?

Darauf ein klares Ja. Anfragen gleich welcher Art erreichen die Bibliothek und müssen

ohnehin bearbeitet werden. Durch das Zurückgreifen auf Anfragemanagement-

Systeme kann diese Arbeit aber wesentlich einfacher und effizienter (siehe den

vorherigen Abschnitt) erledigt werden.

Durch die Hosting-Lösung eines Verbundes liegt der technische Aufwand der

Installation, Wartung und des Supports der Software nicht an der einzelnen Bibliothek

sondern kann ausgelagert werden. Auch Schulungen und Dokumentationen können

einfacher durchgeführt werden.

Und selbst wenn nicht jeden Tag Anfragen an andere Bibliotheken weitergeleitet

werden, so ist es doch ein beruhigendes Gefühl die KollegInnen „in der Hinterhand

zu haben“[7].

Virtuelle Auskunft als neue Dienstleistung

Der Anteil der Informationsanfragen hängt sicherlich auch davon ab, wie die

Dienstleistung Auskunft im Bibliotheksangebot platziert wird. Vielfach müssen

die BenutzerInnen auch dafür sensibilisiert werden, dass Auskunftsfragen gestellt

werden können.

Geschicktes zielgruppenorientiertes Marketing ist notwendig um die Auskunft im

Bewusstsein zu verankern. Beispielsweise ließ die StLB Dortmund zur Einführung

Schriften der VÖB 5, 83 – 91

90

der DigiAuskunft Postkarten drucken und bemühte sich speziell um SchülerInnen

die im Zuge ihrer Facharbeiten mit Recherchefragen in Berührung kamen.

Eine andere Möglichkeit ist ausgewählte Beispielfragen auf der Homepage zu

präsentieren um das Serviceangebot zu präzisieren.

Einheitliches Auftreten im Verbund

Gerade weil bei einem Auskunftsverbund unterschiedliche Bibliotheken und

MitarbeiterInnen mitwirken ist ein einheitliches Auftreten nach außen wichtig.

Für die NutzerInnen muss eine gleichbleibend hohe Qualität gesichert werden.

Aus diesem Grund ist es zweckmäßig Richtlinien [8] aufzustellen, die definieren

welche Art von Anfragen beantwortet werden, wie lange die Reaktionszeit

üblicherweise dauern sollte, welchen Umfang die Antwort hat, etc..

Diese Informationen sollten auch auf den Frageformularen zumindest verlinkt sein

um die notwendige Transparenz zu schaffen.

In internen Richtlinien werden darüber hinaus beispielsweise noch Standards

zu Anreden und Schlussformeln definiert oder eine Abgrenzung gegenüber

kostenpflichtigen Angeboten vorgenommen.

EINEN SCHRITT WEITER – CHATINTEGRATION

Nach erfolgreichem Start der DigiAuskunft war der nächste logische Schritt die

Integration einer Chatfunktion um Bibliotheksnutzerinnen noch besseren Service

zu bieten.

Nach Evaluierung verschiedener Systeme wurde auf Rakim zurückgegriffen. Rakim

ist ein rekursives Akronym und wird mit „RAKIM: A Knowledge Instant Messenger“

aufgelöst. Diese Software ist ebenfalls „open source“ und wird in Deutschland in

10 Biblio theken eingesetzt[9].

Im DigiAuskunft Verbund setzt die UB Dortmund Rakim ein. Die Benutzer-

verwaltung ist dabei mit der DigiAuskunft synchronisiert so dass nur eine Kennung

verwendet werden muss. Eine tiefergehende Integration besteht im Bereich der

Chatprotokolle: wenn eine Anfrage im Chat nicht sofort beantwortet werden kann

so wird das Protokoll als neue Anfrage in die DigiAuskunft verschoben und kann

dort weiterbearbeitet werden.

Peter Mayr

91

WEITERFÜHRENDE LITERATURDaniel Frank, Maier, Christine, Mayr Peter, Wirtz Hans-Christian (2006): Die Kunden dort

bedienen wo sie sind. In: BuB – Forum für Bibliothek und Information 58 (7/8): 558 – 562.

http://www.hbz-nrw.de/dokumentencenter/presse/anw/bub_7_8_2006_digiauskunft.pdf

Link zuletzt geprüft am 23.07.08

ANMERKUNGEN1 Artikel „Trouble-Ticket-System“. In: Wikipedia, Die f reie Enzyklopädie.

Bearbeitungsstand: 27. November 2007, 15:34 UTC. http://de.wikipedia.org/w/index.

php?title=Trouble-Ticket-System&oldid=39436238 Link zuletzt geprüft am 12.12.2007

2 Artikel “Open Ticket Request System”. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie.

Bearbeitungsstand: 1. November 2007, 23:20 UTC. http://de.wikipedia.org/w/index.

php?title=Open_Ticket_RequestSystem&oldid=38508214

Link zuletzt geprüft am 12.12.2007

3 Später in ein Wiki umgewandelt

4 Alternativ könnte Sie auch ein E-Mail an die Auskunftsadresse der Bibliothek schicken,

da diese ebenfalls in den Dienst eingebunden ist

5 Am Standort selber lassen sich noch Unterordner einfügen, wenn mehrere Abteilungen

mit dem System arbeiten, im Beispiel die StB Köln

6 Artikel „Mail-Verteiler“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 6.

Dezember 2007, 21:04 UTC.

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mail-Verteiler&oldid=39771826

Link zuletzt geprüft am 12.12.2007

7 Und diese Zusammenarbeit funktioniert, wie die Praxis zeigt

8 Empfehlungen für die Beantwortung von Anfragen an die DigiAuskunft.

http://digiauskunft.digibib.net/docs/richtlinien.pdf Link zuletzt geprüft am 13.12.2007

9 Eine Auflistung findet sich unter http://onlineauskunft.netbib.de/doku.php/rakim:

bibliotheken; Link zuletzt geprüft am: 28.03.2008

ADRESSE DES AUTORSMag. (FH) Peter Mayr

hbz - Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen

Jülicher Straße 6, 50674 Köln

E-Mail: [email protected]

http://www.hbz-nrw.de

Schriften der VÖB 5, 83 – 91

92

93

OPTIMIERUNG VON DIENSTLEISTUNGEN AN HOCHSCHULBIBLIOTHEKEN AUF BASIS VON WEB 2.0 TECHNOLOGIEN

CHRISTINE KRÄTZSCH

ABSTRACT

Ziel des an der Universitätsbibliothek Mannheim durchgeführten DFG-Projekts „Weblogs

als Steuerungsinstrument in Hochschulbibliotheken“ (kurz „Weblogs“) ist die Entwicklung

eines Steuerungsinstruments zur Optimierung der Kundenzufriedenheit und eine stärkere

Ausrichtung der Organisation auf die konkreten Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden.

Vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Partizipations- und Kommunikationskultur

im Internet wurden zunächst neuere Kommunikationsstrategien im Online-Marketing

privatwirtschaftlicher Unternehmen analysiert und hinsichtlich einer Adaption für den

Non-Profit-Bereich von Hochschulbibliotheken geprüft. Zentrales Element dieser Online-

Marketing-Ansätze ist eine beziehungsorientierte Kommunikation, die den Kunden

mit seinen Wünschen und seiner Kritik ernst nimmt und in den Mittelpunkt stellt. Der

vorliegende Beitrag möchte darlegen, wie im Rahmen des Projekts an der UB Mannheim

versucht wurde, Informationsdienstleistungen durch interaktive und partizipative Services

kundenorientierter zu gestalten und die von den Kundinnen und Kunden bereitgestellten

Informationen (user generated content) als steuerndes Instrument einzusetzen.

NEUE STRATEGIEN IM MARKETING

Die Analyse aktueller Entwicklungen im Marketing privatwirtschaftlicher

Unternehmen zeigt, dass sich Unternehmen verstärkt mit einer wandelnden

Medienrezeption (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2007) und neuen Partizipations-

und Kommunikations kulturen im Internet auseinandersetzen (müssen). Gründe

dafür liegen in der sinkenden Rezeption und abnehmenden Wirkung klassischer

Werbung in den konventionellen Medien (vgl. Röthlingshöfer 2006). Die immensen

Werbe- und Informationsfluten überfordern mittlerweile viele Konsumentinnen und

Konsumenten, die sich über Produkte informieren wollen. Diese orientieren sich heute

stärker an den Empfehlungen von Bekannten oder anderen Kundinnen und Kunden

im Internet, als den blumigen Versprechen der Werbeindustrie zu vertrauen. In diesem

Zusammenhang wächst das Interesse an der Wirksamkeit von Mundpropaganda -

im Marketing auch mit Word of Mouth bezeichnet. Der Austausch über Produkte

Schriften der VÖB 5, 93 – 102

94

im Internet war für Unternehmen bisher durchaus problematisch, da sie einen

nicht unwesentlichen Teil der Kommunikation über die eigenen Produkte gar nicht

kannten, geschweige denn beeinflussen konnten. Unternehmen haben jedoch ein

großes Interesse, die Kommunikation über die eigenen Produkte zu kontrollieren.

Im Zuge eines sich stärker partizipativ und interaktiv organisierenden Internets

mit neuen, einfach zu nutzenden Webtechnologien eröffnen sich für Unternehmen

eine Reihe von Möglichkeiten, die digitale Mundpropaganda im Internet zu steuern

oder zumindest zu beobachten (vgl. Oetting 2007). Gelingt es Unternehmen eine

authentische dialogorientierte Kommunikation mit den Kundinnen und Kunden

zu initiieren, können sie nicht nur diese Gruppe stärker an das Unternehmen

und die eigenen Produkte binden, sondern unabhängige Fürsprecherinnen und

Fürsprecher gewinnen, denen i. d. R. mehr Vertrauen entgegengebracht wird als

reinen Unternehmensäußerungen. Vor allem Unternehmen, die mit ihren Produkten

jüngere Zielgruppen ansprechen wollen, sind heute mehr oder weniger gezwungen,

die neuen Kommunikationsmöglichkeiten im Internet zu nutzen - einerseits um sich

jenseits der Massenmedien ins Gespräch zu bringen und andererseits um zusätzliche

Distributionskanäle zu etablieren.

Auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung wird in den letzten Jahren ein

Paradigmenwechsel im Marketing konstatiert (vgl. Huber 2006). Das lange Zeit mehr

oder minder erfolgreiche auf Produkt und Leistung fokussierte Transaktionsmarketing

mit dem Primärziel der Kundenakquise sehen die Forscher zunehmend abgelöst

durch ein stärker auf die spezifische Klientel orientiertes Beziehungsmarketing

dessen Hauptziel in der langfristigen Bindung von Kundinnen und Kunden liegt.

Eine wichtige Voraussetzung für Kundenbindung ist eine möglichst kontinuierliche

Kundenzufriedenheit. Nur zufriedene Kundinnen und Kunden entwickeln Vertrauen

in Produkte und Unternehmen und tätigen Wiederkäufe. Eine hohe Akzeptanz

wiederum lässt sich nur dann sicherstellen, wenn die Bedürfnisse und Ansprüche der

Kundinnen und Kunden bekannt sind und ihre Kritiken ernst genommen werden.

Firmen wie Amazon profitieren schon seit einiger Zeit von der „Kritik“ ihrer

Kundschaft, die sogenannten user generated content in Form selbst verfasster

Rezensionen von Produkten direkt auf der Plattform des Onlinehändlers einstellt.

Diese i. d. R. unentgeltlich bereitgestellten Inhalte dienen anderen Interessentinnen

und Interessenten als Orientierung, ob ein Produkt ihren Wünschen gerecht wird.

Auf diese Weise erhalten sowohl Amazon als auch die Herstellerfirmen von

Produkten eine Menge an Information – zum einen über die eigenen Kundinnen

und Kunden – zum anderen über ihre Zufriedenheit mit den gekauften Waren. Diese

Informationen sind sehr wertvoll, erlauben sie doch die Anpassung von Services

und von Produkten an die Wünsche derjenigen, die dafür Geld ausgeben (sollen).

Christine Krätzsch

95

Darüber hinaus sichern die zusätzlich angebotenen Informationen Vorteile im

Wettbewerb mit anderen Warenanbietern im Internet und unterstützen auf diese

Weise die Kundenbindung. Bei den Kundenrezensionen auf Amazon handelt es sich

um digitale Mundpropaganda. Im Unterschied zu herkömmlichen Gesprächen unter

einander bekannten Personen bleibt sie dauerhaft im Internet zugänglich und kann

auf diese Weise einen potentiell wesentlich größeren Interessentenkreis erreichen.

Diese Öffentlichkeit von Mundpropaganda stellt Unternehmen aber auch andere

Organisationen vor neue Herausforderung im Marketing.

Web 2.0 Anwendungen bieten Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, die

Kundinnen und Kunden einzubeziehen und am Gespräch über Produkte zu beteiligen.

Die Nutzung von user generated content für die Anpassung von Geschäftsprozessen

ist in zahlreichen Szenarien denkbar und nicht auf den Onlinehandel beschränkt. Die

Bedeutung von Weblogs als dialogorientierte News- und Diskussionsportale wächst.

Sie eignen sich für verschiedene Organisationstypen, seien es Unternehmen, freie

Initiativen oder auch öffentliche Einrichtungen wie Bibliotheken (vgl. Wolf 2006).

Mit Hilfe eines Weblogs kann Interessentinnen und Interessenten ein alternativer

Zugang zu Informationen eröffnet und zugleich ein kommunikativer Austausch

ermöglicht werden. Weblogs werden von einer wachsenden Zahl von Unternehmen

u. a. zu Promotionszwecken, zur Trendforschung, zum Kundenkontakt oder auch zur

Krisenbewältigung eingesetzt.

HERAUSFORDERUNGEN FÜR BIBLIOTHEKEN

Auch Bibliotheken haben gute Gründe, sich verstärkt Gedanken darüber zu machen,

wie sie ihre Angebote gegenwärtigen und zukünftigen Kundinnen und Kunden

besser vermitteln können. Insbesondere Hochschulbibliotheken müssen seit einiger

Zeit beobachten, dass ihre Angebote gegenüber anderen Informationsanbietern im

Internet an Attraktivität verlieren (vgl. OCLC 2005). Der damit einhergehenden

Trivialisierung des Informationszugriffes sind sich die Nutzerinnen und Nutzer

meist nicht bewusst. Bibliotheken sind daher gut beraten, ihre als qualitativ

hochwertig eingeschätzten Angebote (vgl. ebd.) durch stärker auf ihre Zielgruppen

orientierte Dienstleistungen besser zu vermarkten und ihre Sichtbarkeit auf dem

Informationsmarkt zu erhöhen.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Bibliotheken stärker als bisher dazu übergehen,

zu agieren, statt lediglich auf externe Entwicklungen zu reagieren (vgl. Halle 2005).

Bibliotheken könnten neue Entwicklungen und Trends aufgreifen und hinsichtlich

einer sinnvollen Adaption und Integration in die eigenen Angebote prüfen und

Schriften der VÖB 5, 93 – 102

96

testen. Das erfordert ein bisschen Mut und das Antizipieren von Erwartungen

zukünftiger Generationen von Kundinnen und Kunden. Eine sicherlich nicht

leichte Aufgabe, die zu lösen voraussetzt, schon die heutigen Nutzinnen und Nutzer

mit ihren Bedürfnissen möglichst genau zu kennen und Veränderungen in ihrem

Verhalten sensibel wahrzunehmen. Die Mühe lohnt sich jedoch insofern, als nur ein

passgenaues und serviceorientiertes Angebot von Informations dienstleistungen auf

dem zukünftig sich weiter ausdifferenzierenden Informationsmarkt konkurrenzfähig

sein wird.

Auf der Basis der vorangehenden Überlegungen ergeben sich eine Reihe relativ

neuer Aufgaben für Bibliotheken und das Bibliotheksmarketing. Zunächst ist es

erforderlich, die Kundenzufriedenheit möglichst detailliert zu evaluieren. Ohne

einen Dialog auf gleicher Augenhöhe wird dies nicht möglich sein. Kundinnen

und Kunden wollen sich ernst genommen fühlen und selbst entscheiden, welche

Angebote sie wahrnehmen. Die Bibliothek könnte sich in Zukunft stärker als

Ansprechpartnerin (in allen die Informationsbedürfnisse betreffenden Themen)

und weniger als Auskunftsgeberin (über ein festes Informations-Portfolio) verstehen.

Ein Schlüsselwort ist Zuhören. Nur wer weiß, was die eigenen Kundinnen und

Kunden wirklich wollen und diese Äußerungen ernst nimmt, kann sein Angebot

auf die konkreten Bedürfnisse ausrichten oder auch argumentieren, warum etwas

nicht möglich ist. Dies erfordert von Bibliotheken ein nicht immer schmerzfreies

Umdenken: Die Kundin, der Kunde als steuerndes Element?

DFG-PROJEKT „WEBLOGS ALS STEUERUNGSINSTRUMENT IN HOCHSCHULBIBLIOTHEKEN“

Das seit Dezember 2006 an der Universitätsbibliothek Mannheim laufende

Projekt „Weblogs“ umfasst zwei Teilbereiche: Zum einen wurde im Online-

Katalog eine Rezensionsfunktion integriert, über die die Nutzinnen und Nutzer

das Medienangebot bewerten und kommentieren und sich an der inhaltlichen

Erschließung beteiligen können. In einem zweiten Schritt wurde innerhalb des

Webauftritts der UB Mannheim ein Weblog installiert, in dem die aktuellen

Meldungen der Bibliothek veröffentlicht werden. Das Weblog fungiert als eine

Art Fenster, durch das die Leserinnen und Leser quasi weltweit mit der Bibliothek

kommunizieren können - auch ohne die Bibliothek zu betreten. Neu ist, dass diese

Kommunikation – anders als an der Auskunftstheke – für alle transparent ist und

über Kommentare mitgestaltet werden kann.

Christine Krätzsch

97

Die Rezensionsfunktion im Online-Katalog

Im Verlauf des Projekts wurde im Online-Katalog ein Rezensionstool integriert, in das

die Angehörigen der Universität Mannheim ihre Kommentare zu den angebotenen

Medien eintragen können [1]. Die Kundinnen und Kunden können jeden Titel

direkt im Online-Katalog mit einer kurzen (freien) Rezension und durch die Vergabe

von Sternchen (von 5 für sehr empfehlenswert bis 1 für nicht empfehlenswert)

bewerten. Auf die Rezension und Bewertung können alle Nutzinnen und Nutzer des

Online-Katalogs weltweit zugreifen. Die Angehörigen der Universität Mannheim

haben die Möglichkeit, die einzelnen Rezensionen als hilfreich oder nicht hilfreich

zu kennzeichnen. Als unzulässig empfundene Rezensionen können von allen

Leserinnen und Lesern gemeldet werden. Entsprechen die Rezensionen den

Rezensionsrichtlinien bleiben sie dauerhaft im Online-Katalog abrufbar.

Bis Anfang August 2007 wurden insgesamt 402 Rezensionen eingetragen. Dabei

zeigt sich, dass hauptsächlich positive Bewertungen abgegeben werden. Sehr kritische

Kommentare bilden die Ausnahme. Die überwiegend positive Resonanz auf das

Angebot spiegelt sich noch nicht in der Menge an eingetragenen Rezensionen

wieder. Als Hemmnis wurde neben dem zeitlichen und intellektuellen Aufwand

vor allem die Angst, als nicht ausreichend kompetent von Lehrenden oder

Studierenden wahrgenommen zu werden, benannt. In Reaktion darauf wurde das

Rezensionsformular im Online-Katalog um den Hinweis ergänzt, dass weder Namen

noch Authentifizierungskennung veröffentlicht werden.

Auf der Basis der ersten Ergebnisse wird jedoch sichtbar, dass für eine längere

Startphase eine dauerhafte Werbung und die Schaffung von Anreizen für eine

Beteiligung notwendig sind. Als einen kleinen materiellen Anreiz verlost die

UB Mannheim jeden Monat einen Büchergutschein unter allen eingetragenen

Rezensionen. Darüber hinaus werden in Kooperation mit den Lehrstühlen der

verschiedenen Fakultäten an der Universität Mannheim, zukünftig für die im jeweils

aktuellen Semester in den Lehrveranstaltungen empfohlenen Titel Hinweise im

Online-Katalog eingetragen. Auf diese Weise soll vor allem die Sichtbarkeit des

Angebots im Online-Katalog erhöht werden.

Eine erste Auswertung der eingetragenen Rezensionen zeigt, dass sich die

Fachbereiche in unterschiedlichem Umfang beteiligen. Mit einem Anteil von

49 % an allen eingetragenen Rezensionen haben die Angehörigen der Fakultät

für Betriebswirtschaftslehre bisher am meisten zum Rezensionspool beigetragen.

Das ist insofern nicht überraschend, als es sich bei dieser Gruppe um die größte

Fakultät an der Universität Mannheim handelt. Die Philosophische Fakultät trägt

Schriften der VÖB 5, 93 – 102

98

einen Anteil von 16 % bei, die Informatiker und Mathematiker liegen bei 10 %.

Verhältnismäßig wenige Einträge kamen dagegen von Angehörigen der Fakultät

für Sozialwissenschaften (4 %) und der Fakultät für Rechtswissenschaften und

Volkswirtschaftslehre (3 %). Der mit 18 % hohe Anteil von Rezensionen von

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universitätsbibliothek ist bedingt durch

die gute Bekanntheit des Projekts im Kollegium.

Von besonderem Interesse ist eine Auswertung der eingetragenen Rezensionen

hinsichtlich ihrer Einordnung in eine systematische Klassifikation. Auf diese Weise

kann ermittelt werden, in welchen Teilen einzelner Fachgebiete Beteiligung und

Nachfrage besonders hoch sind. Dies ermöglicht Rückschlüsse, welche Themen

in Forschung oder Lehre aktuell von besonderer Bedeutung sind. Da die Bestände

der UB Mannheim zu ca. 80 % mit der Regensburger Verbundklassifikation (RVK)

erschlossen sind, bietet die Aufschlüsselung der vergebenen RVK-Notationen eine

sinnvolle Möglichkeit, Interessenschwerpunkte in der Nutzerschaft zu erkennen.

Auf der Basis der Punkteverteilung von fünf bis eins lässt sich zudem prüfen, ob die

Bewertung von Medien durch die Nutzerinnen und Nutzer in einzelnen Bereichen

unterdurchschnittlich ist, was eine Überprüfung der Erwerbungstätigkeiten in

diesem Bereich veranlassen könnte.

Die Verteilung der Rezensionen nach Fakultäten spiegelt sich in etwa auch in

der Aufteilung nach Fachsystematiken wieder. 37 % der Rezensionen haben eine

RVK-Notation aus dem Bereich Wirtschaftswissenschaften, gefolgt von Informatik

(14 %), Geschichte (9 %), Germanistik/Niederlandistik/Skandinavistik (7 %),

Anglistik/Amerikanistik und Psychologie (je 6 %). Für jedes Fach können durch

eine Feingliederung der RVK-Systemstellen die relevanten Teilbereiche ermittelt

werden.

Gliedert man beispielsweise die RVK-Notationen der rezensierten Titel für

den Bereich Wirtschaftswissenschaft (RVK-Notation Q) in die Unterbereiche

der Systematik auf, wird ersichtlich, dass die meisten Rezensionen im Bereich

Allgemeine Betriebswirtschaftslehre (RVK-Notation QP) abgegeben wurden. Die

weitere Aufgliederung zeigt ein erhöhtes Interesse im Bereich Aufbauelemente des

Unternehmens (RVK-Notation QP 410-890) mit dem Unterbereich Investition

und Finanzierung (RVK-Notation QP 700-780), insbesondere Allgemeines

(RVK-Notation QP 720). Eine Analyse der Rezensionen nach Klassifikation für

alle Fachsystematiken identifiziert die Teilbereiche der an der UB Mannheim

angebotenen Medien und ermöglicht die Identifikation von im Zeitverlauf sich

ändernden Priorisierungen in der Nutzung. Aufgabe der Fachreferentinnen und

-referenten ist es, diese Ergebnisse im Hinblick auf Anschaffungsüberlegungen

zu überprüfen und ggf. einzubeziehen. Wirklich sinnvolle Empfehlungen können

Christine Krätzsch

99

jedoch erst dann abgeleitet werden, wenn die Basis der ausgewerteten Rezensionen

größer ist. Derzeit erlauben es die Ergebnisse lediglich, Trends auszumachen.

Ein Weblog für die aktuellen Meldungen

Im zweiten Teil des Projekts wurde ein Weblog konzipiert, das eine interaktive

Online-Kommunikation mit den Nutzinnen und Nutzern ermöglichen soll. Konkret

sollen über das Weblog alle aktuellen Meldungen, Nachrichten und Serviceangebote

der Bibliothek kommuniziert werden. In einem Weblog werden alle Beiträge mit

einer festen Internetadresse veröffentlicht. Alle Einträge werden automatisch

nach Veröffentlichungsmonat und auf Basis der ihnen zugeordneten inhaltlichen

Kategorien archiviert und bleiben auf diese Weise jederzeit abrufbar. Über eine

Kommentarfunktion ermöglichen Weblogs eine Kommunikation der Leserschaft

eines Blogs mit den Autorinnen und Autoren und untereinander. Dieses Feature

unterscheidet Weblogs von anderen Kommunikationsformaten, wie z.B. Newslettern,

deren Kommunikation nur in eine Richtung fließt.

Im Hinblick auf die Implementierung einer Kommentarfunktion gab es im Vorfeld

einige Bedenken und Diskussionen. Es war jedoch ein gewünschtes Ziel, eine

interaktive Kommunikation mit den Nutzerinnen und Nutzern zu initiieren. Im

Weblog der UB Mannheim können alle Beiträge kommentiert werden, es ist lediglich

die Angabe eines Namens und einer E-Mail-Adresse notwendig. Die Kommentare

werden moderiert, d.h. sie werden erst nach einer Prüfung von Seiten der Bibliothek

freigeschaltet. Alle Kommentare werden veröffentlicht. Ausnahmen bilden lediglich

Äußerungen, denen jeder Bezug zum Beitrag oder dem Themenbereich der

Bibliothek fehlt, die persönlich beleidigende Aussagen enthalten oder aggressiv

eine Diskussion um ihrer selbst willen befördern wollen.

Das Weblog wurde im Webangebot der Bibliothek unter der Rubrik Aktuelles

platziert, in die vorher die aktuellen Meldungen in ein Content Management System

eingetragen wurden. Zusätzlich werden die Überschriften der Top News auf der

Startseite der Bibliothek platziert und direkt ins Weblog verlinkt. Ein weiterer

Link auf der Startseite verweist auf weitere aktuelle Meldungen im Weblog. Das

Informationsangebot wird von den Studierenden sehr gut angenommen, was zum

einen durch die Zugriffszahlen auf die einzelnen Beiträge, aber auch durch die hohe

Anzahl an Kommentaren belegt wird. Im Durchschnitt wird ein Beitrag neun Mal

kommentiert.

Es ist für Bibliotheken eine wichtige Aufgabe, herauszufinden, welche Themen und

Informationen für die eigenen Kundinnen und Kunden von besonderer Relevanz

Schriften der VÖB 5, 93 – 102

100

sind. Die Auswertung der Zugriffszahlen auf einzelne Beiträge im Weblog verweist

auf ein hohes Interesse an Informationen, die die direkte Nutzung der Bibliothek

betreffen. Weniger interessant erscheinen zusätzliche Angebote und die Werbung für

neue Datenbanken. Im Zuge einer umfassenden Systemmigration auf ein integriertes

Lokalsystem und der Implementierung eines neuen Online-Katalogs gab es im

Sommer 2007 eine Reihe von befristeten Einschränkungen und einige Neuerungen

in der Benutzung. Die damit im Zusammenhang stehenden Informationen wurden

vergleichsweise stark nachgefragt [2].

Auch die Kommentare weisen auf einen erhöhten Kommunikationsbedarf bei

Themen der (Einschränkung der) Nutzung hin, wobei gerade bei diesen Themen

ein hoher Anteil der Kommentare sehr kritisch ausfällt. Im Zusammenhang mit der

Einführung des neuen Online-Katalogs wurden schon in der ersten Stunde nach

dem Release eine ganze Reihe an kritischen Kommentaren und Anmerkungen

abgegeben [3]. Auf diese Weise war es möglich, kleine Fehler sehr zügig zu beheben.

Als sich schon nach kurzer Zeit abzeichnete, dass eine große Gruppe an Nutzern die

Schrift im neuen Online-Katalog als zu klein empfand, konnte bereits vor Ablauf

von 48 Stunden nachgesteuert und die Schrift vergrößert werden.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Dialogangebot sehr gut von den Nutzinnen

und Nutzern angenommen wird. Dies bedeutet jedoch auch, dass eine ganze

Menge an Kritik an die Bibliothek herangetragen wird, die im Weblog dauerhaft

abgebildet bleibt. Dennoch überwiegen die positiven Aspekte dieser offenen

Kommunikation deutlich, denn nur auf der Basis von Kritik, die die Bibliothek

erreicht, können Services kurzfristig nachgebessert werden. Zudem wird sichtbar,

welche Punkte besonders wichtig sind. Im Falle der Katalogumstellung wurden die

Literaturverwaltung und die Zeitschriftensuche besonders ungeduldig eingefordert.

Mit diesem Wissen konnte eine Priorisierung der Arbeiten in der Migrations-

Arbeitsgruppe vorgenommen werden.

Ein weiterer Vorteil dieser öffentlichen Kommunikation ist die große Reichweite

von (teils persönlichen) Fragen der Kundinnen und Kunden, die von den

Weblogverantwortlichen auch für andere lesbar beantwortet werden können.

Darüber hinaus kommunizieren die Nutzinnen und Nutzer auch miteinander.

Sie beantworten Fragen, weisen heftige Kritik anderer gelegentlich zurück und

diskutieren untereinander. Dabei zeigt sich jedoch auch, dass sich nicht alle

Themen eignen, auf der Plattform der Universitätsbibliothek diskutiert zu werden.

Diskussionen, die in eine allgemeine, gesellschaftspolitische Debatte münden oder die

zu persönlichen Streitgesprächen werden, überschreiten den Zuständigkeitsbereich

der Universitätsbibliothek. Dennoch kam es bei einer Anzahl von bisher 271

Christine Krätzsch

101

Kommentaren nur zwei Mal vor, dass ein Kommentar nicht freigeschaltet werden

konnte. Das Schreiben eines Weblogs und die Moderation von Kommentaren

erfordert allerdings neben einer engagierten Pflege und einem ausgeprägten

Feingefühl ein großes Maß an Toleranz und Kritikfähigkeit sowie Erfahrung in der

Kunden- und Onlinekommunikation.

FAZIT

Die Erfahrungen im Projekt „Weblogs“ zeigen, dass eine stärkere Kundenorientierung

auf der Basis interaktiver Kommunikation auch an Hochschulbibliotheken

möglich ist. Web 2.0 Anwendungen bieten eine Reihe von Möglichkeiten, diese

Kommunikation zu gestalten. Vor dem Hintergrund der wachsenden Internet-

Erfahrungen der jüngeren und zukünftigen Studierendengenerationen empfiehlt es

sich auch für Bibliotheken, den Einsatz von Social Software frühzeitig hinsichtlich

sinnvoller Einsatzmöglichkeiten zu prüfen. Die ersten Ergebnisse des Projekts

zeigen, dass die angebotenen Services jedoch nicht automatisch Selbstläufer sind.

Social Software muss mit Leben gefüllt werden. Im Falle der Rezensionen bedeutet

dies eine kontinuierliche Werbung für das neue Angebot. Erst wenn eine kritische

Masse an Rezensionen im Online-Katalog eingetragen ist, wird sich das Angebot

selbst tragen. Ob die Zahl potentieller Rezensentinnen und Rezensenten an einer

Universität groß genug ist, wird sich noch zeigen müssen. Generell sollte im Punkt

Kataloganreicherung auch im Bereich von Web 2.0 Technologien über Kooperationen

mit ähnlichen Einrichtungen nachgedacht werden.

Das Weblog hat sich in kurzer Zeit als interaktives Kommunikationsmedium an der

UB Mannheim etabliert. Grundlage dieses Erfolgs sind engagierte Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter, eine offene Diskussionskultur und Rückhalt in der Organisation.

Vor dem Umstieg auf das Dialogmedium Weblog empfiehlt sich eine sorgfältige

Konzeption, die auch Überlegungen zu Verantwortlichkeiten, Themenspektrum und

Umgang mit Kritik einbeziehen. Eine interne Testphase kann helfen, Bedenken in

der eigenen Organisation auszuräumen.

LITERATURVERZEICHNISARD/ZDF-Medienkommission (Hrsg.) (2007): Internet zwischen Hype, Ernüchterung

und Aufbruch. 10 Jahre ARD/ZDF-Onlinestudie. Baden-Baden.

http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fileadmin/Fachtagung/ARD_ZDF_Onlinebrosch_

re_040507.pdf Link zuletzt geprüft am 21.07.08

Schriften der VÖB 5, 93 – 102

102

Halle, Axel (2005): Chancen und Risiken der Bibliotheken im Informationszeitalter: vom

Knowbody zum Nobody? In: Kolding-Nielsen, Erland et al. (Hrsg.): Die innovative

Bibliothek. München: Saur, S. 29-39.

Huber, Andreas (2006): Marketing. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl., München: Vahlen.

OCLC (2005): Perceptions of libraries and information resources: a report to the OCLC

membership. Dublin, Ohio: OCLC Online Computer Library Center;

http://www.oclc.org/reports/pdfs/Percept_all.pdf. Link zuletzt geprüft am 15.03.2008.

Oetting, Martin (2007): Web 2.0 wirkt – offline! In: Connected Marketing [Weblog]:

http://www.connectedmarketing.de/cm/2007/09/web-20-wirkt-of.html.

Link zuletzt geprüft am 12.09.2007.

Röthlingshöfer, Bernd (2006): Marketeasing. Werbung total anders. Berlin: Erich Schmidt

Verlag.

Wolf, Peter (2006): Die Macht der Blogs. Chancen und Risiken von Corporate Blogs und

Podcasting. Frechen: Datakontext.

ANMERKUNGEN1 Um eine Rezension einzutragen ist eine Authentifikation als Universitätsangehöriger

erforderlich. Nach dem Eintragen ist die Rezension ohne weitere Moderation sofort

online. Die Authentifizierung dient in erster Linie Sicherheitsaspekten. Die Rezensenten

bleiben anonym, es wird lediglich veröffentlicht, ob sie Student oder Mitarbeiter sind und

welcher Fakultät sie angehören.

2 Der Vergleich beruht auf den gezählten Aufrufen der einzelnen Beiträge im Weblog.

Etwas verzerrt wird der Vergleich durch die prominente Verlinkung von Schlagzeilen

auf der Homepage mit Weblogbeiträgen, bei Informationen, die von der Bibliothek als

besonders wichtig eingeschätzt werden. Diese „Top News“ werden öfter aufgerufen, da

der Link auf der Homepage direkt zum (gezählten Aufruf des) Weblogartikel leitet.

3 Die gesamte Diskussion kann im Weblog der UB Mannheim nachgelesen werden:

http://www.bib.uni-mannheim.de:8080/blog/?p=173.

Link zuletzt geprüft am 15.03.2008.

ADRESSE DER AUTORINChristine Krätzsch

Universitätsbibliothek Mannheim

Schloss Ostflügel, 68131 Mannheim

E-Mail: [email protected]

http://www.bib.uni-mannheim.de

Christine Krätzsch

103

WIKIS ALS WISSENSMANAGEMENTTOOL FÜR BIBLIOTHEKEN. EIN PRAXISBERICHT

MICHAELA PUTZ

ABSTRACT

Das InfoCenter ist die zentrale Anlaufstelle für Fragen zu Literaturrecherchen und für die

Suche nach Fachinformationen in der Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität

Wien. Infodienste werden von MitarbeiterInnen aus allen Abteilungen der Bibliothek

geleistet - durch die große Anzahl der Beteiligten ist es oft schwierig, alle auf dem aktuellen

Wissensstand zu halten. Weiters gibt es keinen schnellen und einheitlichen Zugriff auf alle

Informationen, da diese teils in Printform, teils in elektronischer Form oder überhaupt nur

in den Köpfen der MitarbeiterInnen vorliegen. Auch die Aktualität der Information ist

oft unklar. Aus diesem Grund haben wir, ausgehend von einer Analyse der vorhandenen

Informationsmaterialien und -bedürfnisse, verschiedene Technologien für das Informati-

onsmanagement und zur Verbesserung der Kooperation verglichen und uns dann für ein

Wiki entschieden. Es soll hier der Weg von der Erhebung der Ausgangssituation über die

Definition von Kriterien, die Auswahl geeigneter Tools sowie Erfahrungen bei Installation

und Anpassung des Systems bis hin zu ersten Eindrücken von der Benutzung des Wikis

beschrieben werden.

AUSGANGSLAGE

Das InfoCenter ist die zentrale Anlaufstelle der Universitätsbibliothek der Wirt-

schaftsuniversität Wien (im Folgenden: WU-Bibliothek) für Fragen zur Biblio-

theksbenutzung, zu Literaturrecherchen und für die Suche nach Fachinformationen.

Hier werden Fragen zu allen Medienarten (Büchern, Zeitschriften und elektro-

nischen Fachinformationen) an einem Punkt beantwortet. Infodienste werden von

25 Mitarbei terInnen aus allen Abteilungen der Bibliothek geleistet. Durch die große

Anzahl der Beteiligten, die durchschnittlich 1-2 Mal/Woche jeweils für einige Stun-

den im InfoCenter ihren Dienst versehen, ist es oft schwierig, alle auf dem aktuellen

Wissensstand zu halten.

Folgende Probleme wurden identifiziert:

• Viel Kommunikation im InfoCenter verläuft als so genannte "Stille Post" (z.B.

bei vergessenen Kopierkarten, Anfragewellen): Wenn jemand auf etwas stößt,

das auch für nachfolgende Dienste interessant sein könnte, wird meistens ein

Schriften der VÖB 5, 103 – 112

104

Zettel/Post-it hinterlegt, der/die Nachfolgende ist sich aber nie sicher, ob die

Information noch aktuell ist. Es ist auch nicht geklärt, wer für das Entfernen des

Zettels/ Post-it zuständig ist.

• Viele Informationen sind redundant vorhanden, oft in verschiedenen Versionen:

InfoCenter-Mappe, Website, Folder, InfoCenter-Ordner am Server usw. (siehe

Abbildung 1)

• Zur Information aller InfoCenter-MitarbeiterInnen über Neuerungen, Ände-

rungen etc. findet monatlich eine Besprechung statt, deren Protokoll am Server

für alle bereitgestellt wird. Falls es dazwischen wichtige Informationen für alle

gibt, werden diese über einen Email-Verteiler an alle InfoCenter-Mitarbeite-

rInnen geschickt. Im InfoCenter hat man aber keinen Zugriff auf seine (alten)

Emails.

Die Arbeitsgruppe „InfoCenter-Kommunikation“ hatte die Aufgabe, für die WU-

Bibliothek ein System zur Unterstützung der Kommunikation und der Zusam-

menarbeit im InfoCenter zu finden. Dieses System soll als Kommunikations- und

Kollaborationsplattform für alle MitarbeiterInnen des Infodienstes dienen. In einer

ersten Phase sollte mit dem Tool primär die Informationsversorgung im InfoCenter

verbessert werden, in einer zweiten Phase ist die Erweiterung in Richtung Informa-

tions- und Kommunikationsplattform für die gesamte Bibliothek geplant.

Bereits zu Beginn des Projekts wurde begonnen, ein Pflichtenheft zu erstellen, das

im Zuge diverser Besprechungen und Gespräche mit MitarbeiterInnen ständig

gewachsen ist. Darin wurden die bereits vorhandenen Informationsquellen und

die Probleme bei deren Nutzung, die gewünschten Funktionalitäten sowie die zur

Lösung möglichen Technologien beschrieben. Als Kriterien für das neue System

wurden definiert:

• Dezentrale Wartung (jede/r soll selbst etwas eingeben können)

• Es sollen keine HTML-Kenntnisse notwendig sein, um etwas im System er-

fassen zu können (Verfügbarkeit eines WYSIWYG-Editors [1])

• Möglichkeit zur Einbindung von Links zu Webseiten sowie von Dateien

• Browsing und Volltextsuche

• Ausdrucken

• Änderungen sollen nachvollziehbar sein

• Arten der zu speichernden Informationen:

o Speicherung von Informationen, die längerfristig interessant sind, aber

geändert werden können

o Veröffentlichung von kurzfristig interessanten Informationen, die

nicht gespeichert werden müssen

Michaela Putz

105

Abbildung 1: Übersicht über die im InfoCenter verwendeten Informationsquellen

Weiters haben wir begonnen, offene Fragen von InfodienstmitarbeiterInnen in einer

Excel-Datei zu dokumentieren. Jede/r konnte dort beim Infodienst auftauchende

Fragen, die nicht gleich beantwortet werden können und/oder die auch für andere

InfodienstmitarbeiterInnen interessant sein könnten, eintragen. Bei der monatlichen

Infodienstbesprechung wurden sie dann besprochen und die Antworten in der Datei

ergänzt. Diese Fragen und Antworten dienten bei der Wiki-Einführung als Basis

für die FAQs (Frequently Asked Questions) sowie für Wiki-Seiten und werden als

Wiki-Seite „offene Fragen“ weitergeführt.

TECHNOLOGIEVERGLEICH UND -AUSWAHL

In einem nächsten Schritt haben wir verschiedene Technologien verglichen und

geprüft, ob sie die genannten Kriterien erfüllen.

Intranet/GroupwareGroupware bietet viele Möglichkeiten zur Unterstützung der Zusammenarbeit:

Diskussionsforen, gemeinsame Dokumentbearbeitung mit Versionskontrolle, Grup-

penkalender, Zur-Verfügung-Stellen von Dateien/Dokumenten für ausgewählte

BenutzerInnen, Email, Präsenzstatus von Teammitgliedern (wer ist im System an-

gemeldet). Der Nachteil dieser Lösungen ist, dass sie bei der Einrichtung sehr

kostenintensiv sind und man im Vorhinein nicht weiß, ob die BenutzerInnen sie

auch annehmen.

Schriften der VÖB 5, 103 – 112

106

WeblogEin Weblog ist eine regelmäßig aktualisierte Webseite mit chronologisch angeord-

neten Beiträgen eines oder mehrerer AutorInnen. Weblogs sind autorInnenzentriert

und die Einträge können außer vom Verfasser selbst nicht verändert, sondern nur

kommentiert werden, daher eignen sie sich eher für die Verbreitung von Neuig-

keiten.

WikiDer Name kommt aus der hawaiischen Sprache und wird mit „schnell“ übersetzt.

Ein Wiki ist eine Sammlung von Intranet- oder Internetseiten, die von berechtigten

BenutzerInnen nicht nur gelesen, sondern auch in Echtzeit online geändert werden

können [2]. Wikis ähneln damit Content-Management-Systemen, unterstützen aber

keine streng geregelten Arbeitsabläufe. Technische Grundlage ist die Wiki-Software,

die zentral am Server installiert und meistens mit einer Datenbank verknüpft ist.

Die bekannteste Anwendung ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, die als zu-

grundeliegende Software das MediaWiki verwendet.

Wikis und Weblogs werden oft in einem Atemzug als Kollaborationstools genannt,

dabei wird aber zu wenig auf die grundlegenden Unterschiede (zentralisiert vs.

dezentral; One-to-Many-Kommunikation vs. Many-to-Many-Kommunikation;

Schwerpunkt auf Veröffentlichen neuer Inhalte, um die LeserInnen „bei der Stange

zu halten“ vs. Schwerpunkt auf Verbesserung und Ausbau bereits bestehender In-

halte) eingegangen, sodass der Eindruck entstehen kann, dass diese Technologien

ähnlich bzw. austauschbar sind [3].

Wir entschieden uns für ein Wiki, weil diese Technologie die meisten der im Pflich-

tenheft definierten Kriterien erfüllt:

• Es sind weder spezielle Software (HTML-Editor, FTP-Programm) noch ein

Webmaster notwendig, um Seiten zu aktualisieren

• Mittels Versionskontrolle und Änderungshistorie können Änderungen zurück-

verfolgt und notfalls wieder rückgängig gemacht werden

• Einbinden von externen Links und Mediendateien (Bild- und Tondateien, Präsen-

tation, PDF-Dateien u.v.m.)

• Rechtemanagement: Beschränkung des Zugriffs auf bestimmte Teams oder Ab-

teilungen

• Volltextsuche und Browsingmöglichkeit in den Kategorien

• Strukturierung der Information durch Zuordnung von Wiki-Seiten zu Katego-

rien und Vergabe von Schlagwörtern

• Überblick über zuletzt geänderte Seiten (Wiki-Seite „recent changes“, Email-

Benachrichtigung, RSS-Feeds)

Michaela Putz

107

Mittlerweile gibt es über 100 Wiki-Softwarepakete mit einem vielfältigen Spektrum

an Funktionalitäten. Einen Überblick bietet die Webseite wikimatrix [4], auf der der

Vergleich von Wiki-Software nach verschiedenen Kriterien möglich ist, sowie die

Wikipedia-Seite „Comparison of Wiki Software“ [5].

Bei der Softwareauswahl muss als erstes entschieden werden, ob das Wiki bei einem

Anbieter gehostet oder auf einem eigenen Server installiert werden soll. Die Ent-

scheidung ist abhängig von lokalen Ressourcen und Kenntnissen: Steht kein Server

zur Verfügung, kommt nur eine gehostete Lösung in Frage. Gibt es Serverplatz,

aber keine IT-Betreuung, sollte man eine einfachere Wiki-Software (eventuell ohne

Datenbank) wählen.

INSTALLATION UND ANPASSUNG DES WIKIS

Anhand der im Pflichtenheft definierten Kriterien wurden fünf Softwarepakete

ausgewählt und Testinstallationen durchgeführt (mithilfe von XAMPP, einem Pa-

ket freier Software, das das einfache Installieren und Konfigurieren des Webservers

Apache mit der Datenbank MySQL und den Skriptsprachen Perl und PHP am

lokalen Rechner erlaubt bzw. über die Webseite opensourcecms [6], die das Testen

von Web 2.0-Anwendungen wie Wikis, Blogs, Foren usw. erlaubt, ohne die Software

installieren zu müssen).

Die Entscheidung fiel auf TikiWiki, vor allem, weil es zusätzliche Groupware-

Funktionalitäten (Kalender, Diskussionsforen, Abstimmungen usw.) aufweist. Die

Installation am Server konnte rasch durchgeführt werden, leider war es aber nicht

möglich, eine Anbindung an das WU-Authentifizierungssystem herzustellen. Diese

Anforderung war für uns wichtig, da wir einerseits die Administration der Benut-

zerInnenkennungen nicht selbst übernehmen und andererseits den BenutzerInnen

nicht durch die Notwendigkeit, sich ein zusätzliches Login und Passwort merken zu

müssen, die Nutzung des Wikis erschweren wollten. Als wir vor der Entscheidung

standen, dieses Pflichtkriterium fallen zu lassen oder doch eine andere Wiki-Soft-

ware zu wählen, erfuhren wir per Zufall, dass learn@WU, die eLearning-Plattform

der WU, auch ein Wiki anbietet (XoWiki [7]). Ein Test zeigte, dass es die von uns

definierten Kriterien erfüllt und zusätzliche Funktionalitäten wie Kalender, Ankün-

digungen und FAQs implementiert sind, daher erfolgte rasch der Einstieg.

Auf der Plattform können verschiedene Gruppen (z.B. für Abteilungen, Projekte)

angelegt und für jede Gruppe AdministratorInnen und TeilnehmerInnen hinzuge-

fügt werden. Zuerst wurden die Gruppen InfoCenter sowie die „Sandkiste“ angelegt;

Schriften der VÖB 5, 103 – 112

108

letzteres ist eine Gruppe, in der alle MitarbeiterInnen volles Zugriffsrecht haben und

in der sie das Erstellen und Ändern von Wiki-Seiten üben können und die auch für

die Schulungen verwendet wird.

Zugriff auf das Wiki haben alle MitarbeiterInnen der WU-Bibliothek, indem sie

sich auf der learn@wu-Plattform mit ihrer WU-Kennung einloggen. Bei der Rechte-

vergabe gingen wir vom ursprünglichen Plan ab und erteilten allen MitarbeiterInnen

der Bibliothek volle Lese- und Schreibrechte für die Gruppe InfoCenter, weil durch

die Änderungshistorie irrtümliche Änderungen jederzeit rückgängig gemacht wer-

den können und das Löschen von Seiten nur für AdministratorInnen möglich ist.

Es besteht zwar die Möglichkeit, einzelne Seiten für die Bearbeitung zu sperren bzw.

für BenutzerInnen nicht anzuzeigen; das sollte allerdings nur gemacht werden, wenn

sie gerade grundlegend überarbeitet werden, da Zugriffsbeschränkungen dem Wiki-

Prinzip widersprechen. Informationen, die nicht geändert und/oder ausgedruckt

werden dürfen wurden als geschützte PDF-Dateien ins Wiki eingebunden.

Als nächster Schritt wurde die inhaltliche Struktur in Form eines (nachträglich

erweiter- und veränderbaren) Kategorienbaums erarbeitet und implementiert (siehe

Abbildung 2, linke Seite). Die Struktur des Wikis sollte anfangs eher nur ein Skelett

der zukünftig geplanten Themen darstellen, das auch offen für neue Ideen ist [8]. Al-

lerdings ist es sinnvoll, bereits zu Beginn genug Inhalte einzubringen, sodass es sich

für die BenutzerInnen von Anfang an lohnt, das Wiki zu nutzen. Das Einbringen der

Inhalte erfolgte anfangs von nur wenigen Personen, es ist jedoch geplant, in Zukunft

in jeder Abteilung AnsprechpartnerInnen zu finden, die Inhalte aus der Abteilung

einbringen und betreuen. Begonnen wurde mit der Erfassung bereits in schriftlicher

Form vorhandener Informationen, wie diverser Informationsblätter, Handbücher

und Protokolle sowie der in der Excel-Datei gesammelten „offenen Fragen“. Sobald

diese im Wiki erfasst waren, wurden die ursprünglichen Quellen vom Server bzw.

aus dem InfoCenter entfernt, sodass die aktuelle Information nur mehr im Wiki zu

finden ist. Dadurch entfallen Doppelerfassungen und die MitarbeiterInnen werden

sanft gezwungen, das Wiki zumindest passiv zu nutzen [9].

Parallel zu den eigentlichen Inhalten wurde eine Dokumentation, das so genannte

Wiki-Handbuch, erstellt, in dem die Erstellung und Änderung von Wiki-Seiten,

das Einbinden von Dateien, Bildern und Links sowie die Beschlagwortungs- und

Suchmöglichkeiten beschrieben werden. Weiters wurde die Einstiegsseite mit ei-

ner Kurzbeschreibung, was im Wiki zu finden ist und wie man es benutzen kann,

versehen.

Michaela Putz

109

Abbildung 2: Wiki-Einstiegsseite

Bei der Erstellung des Schulungskonzepts haben wir uns überlegt, dass wahrschein-

lich nicht alle MitarbeiterInnen das Wiki gleich nutzen werden und uns für ein

mehrstufiges Konzept entschieden:

• Einführung für alle MitarbeiterInnen (für die passive Nutzung) sowie detaillierte

Vorstellung des Wikis in den Abteilungen

• Schulungen in Kleingruppen am PC (für die aktive Nutzung), hierzu konnten

sich die MitarbeiterInnen freiwillig anmelden

• Einzelschulungen bei Bedarf

ERSTE ERFAHRUNGEN

Bei der Vorstellung des Wikis in den Abteilungen bestand eher die Bereitschaft,

Fragen und Wünsche zu äußern. Die freiwilligen Schulungen in Kleingruppen haben

sich bewährt, nach jeder Schulung stieg die Nutzung des Wikis. Eine der meistgele-

senen Seiten zu Beginn waren die Anekdoten aus dem Infodienst-Alltag. Sehr viele

Zugriffe erhielten auch Seiten mit Informationen, die bisher noch nicht schriftlich

existiert hatten, z.B. die Zuständigkeiten (an wen wende ich mich, wenn es keine

Folder, Handouts etc. mehr im InfoCenter gibt, wohin kommen Fundgegenstände,

woher bekommt man Papier und Toner für den Drucker u.v.m.). Darin liegt auch die

besondere Stärke des Wikis, dass das implizite bzw. nicht kodifizierte Wissen relativ

einfach verschriftlicht und damit anderen zugänglich gemacht werden kann.

Schriften der VÖB 5, 103 – 112

110

Kleinere technische Probleme konnten in Zusammenarbeit mit dem learn@WU-

Entwicklungsteam schnell gelöst werden, es wurden aber auch zusätzliche Funktio-

nalitäten auf unseren Vorschlag hin implementiert, z.B. die Suche nach den von den

BenutzerInnen vergebenen Schlagwörtern (tags). An der Möglichkeit, Formulare

einzubinden, wird gerade gearbeitet. Ziel ist es, auch den Dienstkalender und das

PC-Logbuch, in dem Fehlermeldungen bei den Recherche-PCs eingetragen werden,

im Wiki abzubilden.

Derzeit wird das Wiki von den meisten passiv genutzt, es gibt noch wenig aktive

Beteiligung, und wenn, dann werden eher Seiten bearbeitet als erstellt. Ein Grund

dafür könnte sein, dass sich MitarbeiterInnen nicht vor anderen „bloßstellen“ wollen,

da ja auch noch nicht ausformulierte Ideen für alle sichtbar sind [10]. Ein Wiki-

Eintrag erzielt mehr Aufmerksamkeit als z.B. ein Email an einen eingeschränkten

Personenkreis, außerdem würden viele auch sonst nicht an gemeinsamen Doku-

menten arbeiten. Dazu kommen Bedenken, wem der Inhalt einer Wiki-Seite ge-

hört. Wir haben versucht, diese Bedenken zu zerstreuen, indem wir, sobald jemand

einen Ergänzungs-/Änderungswunsch an uns herangetragen hat, diese Änderung

mit ihm/ihr gemeinsam durchgeführt haben. Walker [3] weist darauf hin, dass die

technische Barriere beim Wiki zwar wegfällt und man per Mausklick etwas bei-

tragen kann, „but conceptually, this mouse-click represents a huge barrier for many

who espouse traditional notions of learning and knowledge creation“. Ein weiterer

Hinderungsgrund, sein Wissen zu dokumentieren und damit anderen zugänglich zu

machen, liegt in der Organisationskultur: Da Wissen auch Macht bedeutet, wollen

MitarbeiterInnen, aber auch Führungskräfte ihr Wissen oft nicht oder nur innerhalb

der eigenen Abteilung weitergeben.

WEITERE ANWENDUNGSBEREICHE FÜR WIKIS IM BIBLIOTHEKSBEREICH

Ein Wiki kann auf vielfältige Weise eingesetzt werden [11], verbreitet ist es vor

allem als Wissensspeicher und Plattform zur Zusammenarbeit innerhalb einer Or-

ganisation (z.B. als Bibliotheksintranet wie die University of Minnesota Libraries

Staff Website [12]), zwischen verschiedenen Organisationen (z.B. das Verbund-

Wiki GBV [13]) oder für ein Thema (z.B. das Library Success Wiki [14], ein „Best

Practices“ Wiki für BibliothekarInnen).

Ein weiterer Einsatzbereich liegt in der Kommunikation mit den BenutzerInnen,

ein Wiki kann z.B. auch als Subject/Resource Guide auf der Bibliothekswebsite

(wie z.B. das Ohio University Libraries Biz Wiki [15]) oder zur Unterstützung von

Michaela Putz

111

Schulungen (wie z.B. das E-Rhetoric Wiki [16]) als Plattform, auf der Lehrende

und TeilnehmerInnen während und nach dem Kurs Inhalte einbringen, verwendet

werden.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Gerade im Auskunftsdienst einer Bibliothek bietet sich ein weites Feld an Ein-

satzmöglichkeiten für Wikis an. Neben der Dokumentation von administrativen

Abläufen sowie diverser Anleitungen kann ein Wiki als Wissensspeicher für häufig

gestellte Fragen dienen und damit auch das Wissen, das bisher nur implizit vorhan-

den war, zu kodifizieren und für andere nutzbar machen. Der erfolgreiche Einsatz

eines Wikis setzt allerdings eine Organisationskultur voraus, in der das Teilen von

Wissen gefördert wird und in der sich jedes Individuum in einer Organisation als

Teil des organisationalen Wissensbildungsprozesses sieht [17].

Der hier beschriebene Ablauf bei der Einführung eines Wikis sollte exemplarisch

den Lösungsansatz der WU-Bibliothek zur Verbesserung des Informationsma-

nagements und der Zusammenarbeit im InfoCenter aufzeigen. Das Wiki wird

vorerst nur intern eingesetzt, für die Zukunft könnte aber auch eine Öffnung von

Teilen des Wikis für BenutzerInnen angedacht werden, um auch ihnen Zugang zu

Antworten auf oft gestellte Fragen zu geben und sie in den Wissensbildungsprozess

einzubinden [8].

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 14.12.2007)

1 d.h. bei der Erstellung eines Textes wird dieser genauso angezeigt, wie er dann später am

Bildschirm oder am Ausdruck aussieht

2 Artikel Wiki. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 11. Dezember

2007, 15:45 UTC. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Wiki&oldid=39952127

3 Mehr zu den Unterschieden zwischen Wikis und Weblogs findet man bei Walker, John

(2006): Identifying and Overcoming Barriers to the Successful Adoption and Use of Wikis in

Collaborative Knowledge Management. Master Thesis, School of Information and Library

Science, University of North Carolina at Chapel Hill http://hdl.handle.net/1901/267

4 http://www.wikimatrix.org

5 Comparison of wiki software. (2007, December 12). In Wikipedia, The Free Encyclopedia.

http://en.wikipedia.org/w/index.php?title=Comparison_of_wiki_

software&oldid=177437025

6 http://www.opensourcecms.com

Schriften der VÖB 5, 103 – 112

112

7 http://alice.wu-wien.ac.at:8000/xowiki-doc/

8 Blake, Peter (2007): Using a wiki for information services: principles and practicalities,

http://www.information-online.com.au/docs/Presentations/using_a_wiki_for_informa-

tion_services_(io2007_paper).pdf

9 Malo, Markus (2006): Wiki als Werkzeug für das Wissensmanagement in Bibliotheken.

A.B.I. Technik, 26 (4) 230-236

10 Tebbutt, David (2006): Genie in a bottle. Information World Review, 224 (May 2006)

19-21

11 siehe dazu auch Farkas, Meredith (2007): Wikis: Basics Tools and Strate-

gies, http://www.slideshare.net/librarianmer/wikis-basics-tools-and-strategies

sowie Farkas, Meredith (2007): Social software in libraries: building collaboration, com-

munication, and community online. Medford, NJ: Information Today

12 https://wiki.lib.umn.edu/

13 Das Verbund-Wiki (http://www.gbv.de/wikis/cls/Startseite) ist eine “Arbeitsplattform, die

die Kommunikation und Kooperation der Bibliotheken im Verbund verbessern möchte“.

Dort werden Informationen zu Projekten, Protokolle, Anleitungen u.v.m. bereitgestellt,

die Verbundmitglieder können auch selbst Inhalte einbringen.

14 http://www.libsuccess.org

15 Beim Ohio University Libraries Biz Wiki können Studierende und Mitglieder des Lehr-

körpers am Subject Guide der Bibliothek mitarbeiten: http://www.library.ohiou.edu/sub-

jects/bizwiki

16 http://biro.bemidjistate.edu/~morgan/e-rhetoric/wiki.php

17 Stover, Mark (2004): Making tacit knowledge explicit: The ready reference database as

codified knowledge. Reference Services Review, 32(2), 164-173

ADRESSE DER AUTORINMag. (FH) Michaela Putz

Universität Wien, Bibliotheks- und Archivwesen

Dr. Karl Lueger-Ring 1, 1010 Wien

[email protected]

http://www.ub.univie.ac.at

Michaela Putz

113

OPEN ACCESS IM BIBLIOTHEKSWESEN

WEIN PREDIGEN UND WASSER TRINKEN? THEORIE UND PRAXIS VON OPEN ACCESS IM ÖSTERREICHISCHEN BIBLIOTHEKSWESEN [1]

MONIKA BARGMANN

ABSTRACT

Zunehmend erwarten Bibliotheken von Zeitschriftenverlagen, ihren AutorInnen

Selbstarchivierung zu ermöglichen, und zugleich von den WissenschaftlerInnen, ihre

Publikationen auch tatsächlich auf ihren persönlichen Websites, in institutionellen oder

thematischen Repositorien zur Verfügung zu stellen. Wie sieht es aber mit der Praxis im

eigenen Berufsfeld aus? Im Beitrag wird untersucht, wie es in Österreich um den freien

Zugang zu bibliothekarischer Fachliteratur bestellt ist. Außerdem werden mögliche Gründe

für die Zurückhaltung der bibliothekarischen Fachwelt, ihre eigenen Publikationen frei ins

Netz zu stellen, identif iziert. Diese lassen sich den Bereichen Klima, Wissen, Usability,

Zeit und Recht zuordnen. Als Abschluss werden mögliche Lösungen für dieses Dilemma

angeboten.

EINLEITUNG: OPEN ACCESS UND SELBSTARCHIVIERUNG

Unter Open Access (OA) versteht man generell den freien, ungehinderten Zugang zu

wissenschaftlicher Information. John Willinsky unterscheidet in seinem Buch „The

access principle“ (Willinsky, 2006) folgende zehn Spielarten von Open Access (die

Autorin bemühte sich, Willinskys Beispiele wenn möglich durch bibliotheksrelevante

Pendants zu ersetzen):

• Home page: Autorinnen und Autoren stellen ihre Publikationen auf ihrer privaten

oder institutionellen Website frei zur Verfügung.

• E-Print archive („green road“): Publikationen einer bestimmten Institution oder

zu einem bestimmten Fachgebiet werden mit den entsprechenden Metadaten

in ein Online-Repositorium eingestellt (Beispiel: E-LIS; DoIS; E-Theses der

Universität Wien, [2]).

• Author fee („gold road“ oder „golden road“): Autorinnen und Autoren bzw. ihre

Institutionen bezahlen einen bestimmten Beitrag an den Verlag, um den freien

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

114

Zugang zur Zeitschrift bzw. zum jeweiligen Artikel zu ermöglichen (Beispiel:

BioMed Central; Public Library of Science).

• Subsidized: Durch Subventionen wird der freie Zugang gewährleistet (Beispiele:

First Monday; Electronic Journal of Academic and Special Librarianship; D-Lib

Magazine).

• Dual-mode: Durch kostenpflichtige Abonnements der gedruckten Zeitschrift

werden die gedruckte und die online frei zugängliche Ausgabe finanziert (Beispiel:

Journal of Postgraduate Medicine).

• Delayed: Der Zugang zu einer elektronischen Zeitschrift ist erst nach Ablauf

eines bestimmten Zeitraums frei; wer vorher Zugang zur elektronischen Version

oder die gedruckte Version erhalten möchte, muss bezahlen (Beispiel: Learned

Publishing; Bibliothek. Forschung und Praxis).

• Partial: Nur eine Auswahl an Artikeln ist frei zugänglich. Diese teilweise Freigabe

hat meistens die Anwerbung von AbonnentInnen zum Ziel und ist weniger im

OA-Gedanken begründet (Beispiel: Law Library Journal).

• Per capita: Für Studierende und ForscherInnen in Entwicklungsländern ist der

Zugriff frei (Beispiel: HINARI-Programm der World Health Organization).

• Indexing: Bibliographische Angaben und Abstracts sind frei zugänglich

(Beispiele: LISTA [3]; ScienceDirect; Zeitschrift für Bibliothekswesen und

Bibliographie). Anmerkung dazu: Dieser eingeschränkte Zugang wird von den

wesentlichen OA-Initiativen nicht als „Open Access“ bezeichnet – beispielsweise

sind gemäß der „Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the

Sciences and Humanities“ [4] „free, irrevocable, worldwide, right of access to,

and a license to copy, use, distribute, transmit and display the work publicly and

to make and distribute derivative works” und „a complete version of the work“

Grundvoraussetzungen dafür, dass man von OA sprechen kann.

• Cooperative: Mitgliedsinstitutionen tragen zur Unterstützung von Open Access-

Publikationen bei und stellen die Infrastruktur zur Verfügung (Beispiel: German

Academic Publishers; German Medical Science)

Der folgende Beitrag konzentriert sich auf die Selbstarchivierung, also das Einstellen

von Fachliteratur in einem Open Access-Repositorium (in Folge auch OA-Archiv

genannt) durch den Autor oder die Autorin. Für den Bereich „BibliothekarInnen

und ‚golden road’“ siehePeterson (2006).

AUSGANGSLAGE IN ÖSTERREICH

Bibliothekarische ZeitschriftenAufgrund der gemeinsamen Sprache, Bibliothekstradition und Gremialarbeit

Monika Bargmann

115

erscheinen Beiträge aus Österreich häufig in deutschen bibliothekarischen

Zeitschriften. Der folgende Abschnitt konzentriert sich aber auf die spezifisch

österreichische Situation.

Die „Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und

Bibliothekare“ (VÖB-Mitteilungen) sind ab 1977 bei Austrian Literature Online

und ab der Ausgabe 3+4 (2002) auf der VÖB-Website frei zugänglich. Allerdings

sind die Artikel nicht einzeln abzurufen; es gibt keine Abstracts oder eine andere

weitergehende Inhaltserschließung [5].

Die Zeitschrift „Büchereiperspektiven“, die vom Büchereiverband Österreichs

(BVÖ) herausgegeben wird, ist seit der Ausgabe 1 (2005) online auf der BVÖ-

Website abzurufen. Auch hier gibt es keine Abstracts und eine Gesamtdatei pro

Ausgabe [6].

Bei der Zeitschrift „Biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift“, die von der

Österreichischen Nationalbibliothek publiziert wird, sind zwar die Titel der einzelnen

Beiträge ab 1994, aber weder Abstracts noch der Volltext online abrufbar [7].

„Bibliotheck“, eine Fachzeitschrift für öffentliche Bibliotheken, wird von der

Bibliotheksfachstelle der Diözese Linz herausgegeben und erscheint drei Mal

pro Jahr. Seit der ersten Ausgabe im März 2003 können die einzelnen Artikel im

HTML-Format auf der Website abgerufen werden [8].

Die Zeitschrift „bn.bibliotheksnachrichten. Impulse - Informationen -

Rezensionen“ [9] des Österreichischen Bibliothekswerks erscheint vier Mal

jährlich. Inhaltsverzeichnisse oder Abstracts sind nicht auf der Website abrufbar, die

enthaltenen Rezensionen fließen aber in die frei zugängliche Rezensionsdatenbank

[10] ein.

Abschlussarbeiten bibliothekarischer Ausbildungsgänge

Die Master-Thesen, die an den Universitätslehrgängen „Library and Information

Studies“ [11] verfasst wurden, sind zum Teil im Gesamtkatalog des Österreichischen

Bibliothekenverbundes nachgewiesen, Abstracts oder Volltexte sind derzeit

aber nicht zentral online abrufbar. Ähnliches gilt für die Master-Arbeiten der

Studiengänge „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ und „Strategisches

Informationsmanagement“ [12] an der Donau-Universität Krems, diese sind im

Bibliothekskatalog nachgewiesen, aber ebenfalls ohne Abstracts bzw. Volltexte.

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

116

Derzeit sind vier einschlägige Kremser Arbeiten in E-LIS eingestellt (Stand Mitte

Dezember 2007).

Die Diplomarbeiten der Fachhochschulstudiengänge „Informations berufe“ und

„Angewandtes Wissensmanagement“ [13] in Eisenstadt werden seit 2006 – die

schriftliche Einwilligung der AutorInnen vorausgesetzt – auf den Bibliotheks-

Server gestellt und vom Online-Katalog aus verlinkt. In das Wahlmodul „Online

Publishing“ wurden zwei Gastvorträge – über Open Access generell und über

Creative Commons – integriert, die auch für HörerInnen anderer Module bzw.

anderer Studiengänge zugänglich waren. Thematisch passende Diplomarbeiten

werden vom Bibliothekspersonal auch in E-LIS eingestellt – im Dezember 2007

waren das insgesamt 41. Dazu muss offen gesagt werden, dass es eine viel kleinere

Zahl wäre, wenn die Bibliothek nicht die Rolle eines Intermediärs übernehmen,

sondern ausschließlich das Prinzip der Selbstarchivierung durch die AutorInnen

verfolgen würde. Ob in Zukunft grundsätzlich auch Bachelorarbeiten eingestellt

werden sollen, ist noch offen – wahrscheinlich wird man sich hier aber, wenn

überhaupt, auf besonders herausragende Exemplare beschränken.

Die Projektarbeiten, die im Rahmen der Ausbildungslehrgänge für BibliothekarInnen

Öffentlicher Bibliotheken verfasst wurden, sind mit Kurzbeschreibungen und

teilweise auch Volltexten in einer Datenbank des Büchereiverbandes (BVÖ) erfasst,

die über die Website abgefragt werden kann [14].

Die Abschlussarbeiten am Lehrgang für Information und Dokumentation der

Österreichischen Gesellschaft für Dokumentation und Information (ÖGDI) sind

ebenfalls in einer Datenbank und teilweise online im Volltext abzurufen [15].

WARUM SELBSTARCHIVIERUNG?

„We can’t reasonably go out and evangelize self-archiving to faculty when we aren’t

doing it ourselves. We can’t evangelize open-access journals when we don’t publish

in them. We can’t evangelize open-access search engines and materials if we don’t

use them” – so brachte es Dorothea Salo in ihrem Weblog-Eintrag „Open access to

the library literature“ (Salo, 2006) auf den Punkt – BibliothekarInnen sollten nicht

Wein predigen und Wasser trinken. Die Veröffentlichung in Datenbanken (also im

„Deep Web“) oder auf den Websites der jeweiligen Institutionen ist löblich, zugleich

aber ist die Auffindbarkeit verbesserungswürdig. Dokumente in OA-Archiven mit

entsprechender Aufbereitung sind mit Metadaten wie Abstracts, Klassifikation und

freien Schlagwörtern angereichert und können leicht über Suchdienste von Google

Monika Bargmann

117

Scholar über Scirus bis OAIster gefunden werden. Es ist somit nicht notwendig, eine

bestimmte Zeitschrift bereits zu kennen und deren Website gezielt aufzusuchen, um

darin enthaltene Veröffentlichungen zu finden [16].

HINDERNISSE BEI DER SELBSTARCHIVIERUNG

Wir haben in der Fachliteratur und durch eigene Überlegungen und Erfahrungen

mögliche Gründe für die Zurückhaltung der bibliothekarischen Fachwelt bei der

Selbstarchivierung identifiziert, und zwar in den Bereichen Klima, Interface, Wissen,

Zeit und Recht. Ein Hinweis: Die Auflistung bestimmter Einwände bedeutet nicht,

dass die Autorin diese teilt oder dass diese tatsächlich zutreffen, aber auch nicht

automatisch das Gegenteil.

Klima

• „Allgemeines Phlegma“ (Graf, 2003) / „Inertia“ (Pinf ield, 2004) / „Indifference“

(Ware, 2004)

Wohl zu den wichtigsten Gründen zählen mangelndes Interesse und/oder mangelndes

Engagement – die LeserInnen kennen sicher „Killerphrasen“ unterschiedlichen

Niveaus wie „kenn ich nicht, interessiert mich nicht, haben wir noch nie so gemacht,

überlegen wir lieber noch; wer soll denn das machen; das kann ich nicht entscheiden;

ich hab eh die Literatur, die ich brauche, in der Bibliothek“ (vgl. Harnad, 2006).

Teilweise durchaus verständlich – die Zeitbudgets von BibliothekarInnen und

die Möglichkeit, neue Entwicklungen mitzuverfolgen, haben eben ihre Grenzen.

Aber „auch wenn man prinzipiell gegenüber der ‚Open-Access‘-Bewegung positiv

eingestellt ist, scheut man angesichts des knappen Zeitbudgets den Aufwand einer

E-Publikation“, stellte Graf (2003) fest. Und Swan (2006) bemerkt: „Researchers

whose institution has a repository and who fully identify with the aims and objectives

of Open Access still grin ruefully if challenged informally as to why they have not

deposited their articles, or have done so in a less than systematic fashion — depositing

some but not others, perhaps, or omitting the most recent ones — and say they will

‘get round to it’”.

• Mangelnde institutionelle Unterstützung von EditorInnen

EditorInnen von thematischen, nicht-institutionellen OA-Archiven arbeiten im

Regelfall ehrenamtlich und nicht immer mit Unterstützung oder zumindest Duldung

ihres Arbeitgebers.

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

118

• Mangelnde institutionelle Unterstützung von AutorInnen

Publizieren zählt bei den meisten BibliothekarInnen nicht zur Tätigkeitsbeschreibung,

wird auch nicht als wesentlicher Teil des Berufs gesehen und bringt nichts für die

Karriere. Das gilt dann natürlich auch für Selbstarchivierung.

• Eigene Publikationen werden von den AutorInnen nicht für wichtig genug gehalten

• Open Access-Beiträge gelten nicht als „richtige“ Wissenschaft

„Teilweise gelten Online-Veröffentlichungen immer noch als ‘junk science’“

(Mruck, 2003). Dieser mögliche Einwand wird mitunter von wissenschaftlichen

MitarbeiterInnen geäußert, deren Karriere nicht unwesentlich vom

Publikationsaufkommen und der Akzeptanz in Fachkreisen abhängt, ist auf

BibliothekarInnen im Regelfall aber nicht anwendbar.

• BibliothekarInnen lesen nur selten bibliothekswissenschaftliche Literatur…

…also messen sie dem Zugang dazu auch nur geringe Bedeutung bei. Um diese

auf persönlichen Eindrücken basierende Annahme zu überprüfen, müsste zunächst

untersucht werden, ob BibliothekarInnen aus der Praxis ihr Wissen aus einschlägiger

Literatur beziehen bzw. wie viele BibliothekarInnen die Möglichkeit oder das Interesse

haben, die neueste, auch internationale Fachliteratur zu lesen. „We certainly have a large

disenfranchised constituency of librarians too resource-starved to read our subscription

journals or attend our conferences (…) the disenfranchised are disproportionately

public librarians, such that there is a disconnect between available open access resources

(which are mostly geared toward academic libraries) and those who most need their

resources to be open access“ (Salo, 2006). Dieser Punkt hängt auch eng mit der

Bewertung der Bibliothekswissenschaft als Wissenschaft und ihrer institutionellen

Verankerung zusammen, aber auch mit der Zeit, die BibliothekarInnen von ihren

Vorgesetzten für die fachliche Lektüre zugestanden wird.

Interface

• Mit dem Interface nicht zurechtkommen

BibliothekarInnen haben zwar im Regelfall mit der Erfassung von Metadaten

bestimmter Dokumente Erfahrung; die jeweilige graphische Gestaltung oder die

Anzahl der auszufüllenden Felder könnten aber auf den ersten Blick wenig ermunternd

wirken. Hier sind die AnbieterInnen der entsprechenden Softwareprodukte gefragt.

• Interface ist nicht in vertrauter Sprache

Such- und Erfassungsmasken könnten in mehreren Sprachen angeboten werden.

Monika Bargmann

119

• Verwendete Begriffe nicht kennen

Ein Beispiel: Der Unterschied zwischen den Dokumententypen „departmental

technical report“ und „technical report“ bei E-LIS [3] erschließt sich nicht auf den

ersten Blick.

• Mangelnde Ausstattung

Von einem „lack of infrastructural facilities like hardware and connectivity of high

bandwidth”, wie ihn Hirwade und Rajyalakshmi (2006) für Indien als OA-Hindernis

beschreiben, ist zumindest im wissenschaftlichen Bibliothekswesen Österreichs nicht

auszugehen.

• Langzeitarchivierung ungesichert

AutorInnen könnten zurückhaltend sein, weil sie nicht wissen, ob eingestellte

Dateien langfristig verfügbar sein werden. In einer aktuellen Studie von Hess et

al. (2007) gaben 53 Prozent der Befragten an: „Open Access publications lack a

guarantee of long-term availability”. In der Untersuchung von Swan und Brown

(2004) stimmten 29 % der OA- und 43 % der NOA-AutorInnen [AutorInnen, die

noch nicht in einer OA-Zeitschrift publiziert haben, Anm.] der Aussage „I am not

confident of the permanence of my published work” zu.

Wissen

• Nicht wissen, was OA bzw. Selbstarchivierung ist

Hahn (2005) stellt in ihrer Studie über britische WissenschaftlerInnen fest: „Of

those who had not used self-archiving, 71% reported being unaware of the option”.

Vergleichbare Zahlen erhielten auch Swan und Brown (2004): „NOA authors

[AutorInnen, die noch nicht in einer OA-Zeitschrift publiziert haben, Anm.] were

presented with a list of reasons why they have not chosen to publish in an OA

journal (…). The reason that scored highest (70%) was that authors were not familiar

enough with OA journals in their field” [25]. Entsprechende Untersuchungen unter

Österreichs BibliothekarInnen sind der Autorin nicht bekannt. Durch die vielfältigen

Diskussionen über die „Zeitschriftenkrise“ und die Behandlung des Themas in den

verschiedenen Ausbildungsgängen sieht das Bild aber vielleicht anders aus.

• Nicht wissen, welche OA-Repositories für BID es gibt

Mit den Grundbegriffen des OA vertraut zu sein bedeutet noch lange nicht, auch

die Repositorien im Bereich Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen

zu kennen.

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

120

• „Konkurrenz“ fachlicher mit institutionellen Repositories

Bietet die jeweilige Institution – zum Beispiel eine Universität – ein institutionelles OA-

Archiv an, müssen AutorInnen überlegen, ob sie ihre Beiträge besser in diesem oder in

einem thematischen Repositorium einstellen sollen. Ist dann die Entscheidung für ein

thematisches Archiv gefallen, stehen AutorInnen von Publikationen im BID-Bereich

immer noch vor der Frage, in welchem sie archivieren sollen: E-LIS? DoIS? dLIST?

Oder doch Portal Informationswissenschaft? Für das Auffinden der Publikationen

in Wissenschaftssuchmaschinen wie Google Scholar oder mit OAIster macht das

eigentlich keinen Unterschied, sofern das jeweilige Archiv die Metadaten entsprechend

aufbereitet – hier spielen auch sprachliche und persönliche Präferenzen mit.

• Generell nicht f irm im Umgang mit dem Internet sein

Zeit

• Vertrautmachen mit dem Repository / Einstellen dauert subjektiv zu lange

Eine ungeklärte Frage ist, wie man den Einstellprozess ohne Verlust an

Metadaten(qualität) verkürzen kann. Fest steht, dass man bereits nach kurzer Zeit

eine gewisse Routine entwickelt.

• Abstractschreiben dauert subjektiv zu lange

In den größeren bibliothekarischen Fachzeitschriften Österreichs, wie den VÖB-

Mitteilungen [5] und den Büchereiperspektiven [6], ist kein Abstract erforderlich.

Für eine Einstellung beispielsweise in E-LIS sind aber ein Abstract in der

Dokumentensprache und ein Abstract in englischer Sprache erforderlich.

• Ältere Publikationen müssen erst eingescannt werden

• Texte stehen ohnedies auf privater oder institutioneller Website

Vgl. dazu den Abschnitt „Warum Selbstarchivierung?“

Recht

• Nicht wissen, ob Verlag zustimmt / Unkenntnis rechtlicher Regelungen

Tipp von Dorothea Salo (2006): „Read all copyright transfer agreements. It’s flat-

out irresponsible not to. (…) For those agreements that do not appear to allow

self-archiving or do not address self-archiving, ask the editor ‘May I self-archive

this paper?’ Editors and publishers need to hear that their authors want to do this;

Monika Bargmann

121

we mustn’t let publishers hide behind ‘but our authors don’t care!’. Gerade bei

österreichischen bibliothekarischen Zeitschriften, die ohnedies ohne Gewinnabsicht

produziert werden bzw. ohnedies auch frei zugänglich sind, ist der Widerstand der

Verlage im Regelfall sehr gering; bei Hochschulschriften gibt es dieses Problem im

Normalfall gar nicht. Die Autorin hat aber auch durchaus positive Erfahrungen mit

kommerziellen Verlagen gemacht – so war die Rückmeldung des Verlages Edward

Elgar auf die Anfrage, ob ein Buchbeitrag in E-LIS eingestellt werden dürfte:

„We would have no objection to this providing an acknowledgement is made to

the book as the original source of publication. As you point out, this could actually

generate some further interest” [17]. Fazit: einfach fragen!

• Furcht vor Plagiaten

Die Gefahr besteht natürlich grundsätzlich, aber abgesehen davon, dass man in

Folge auch mit einer einfachen Suchmaschinenanfrage herausfinden kann, ob ein

Plagiat vorliegt, erscheint die Annahme, dass ein österreichischer Bibliothekar einen

Artikel aus den VÖB-Mitteilungen plagiiert, den er im Infodata-eDepot gefunden

hat, um damit dann ungerechtfertigterweise in den Büchereiperspektiven Furore

zu machen, eher absurd. Außerdem, wie Harnad (2006) feststellt: „The only way to

make plagiarism impossible is to neither publish nor make it accessible to anyone”.

Siehe dazu auch Graf(2003).

• Restriktive Verlagsverträge

WAS TUN?

Empfehlungen für AutorInnen

• Verlagsvereinbarungen lesen (Salo, 2006)

• Den Verlag nach Selbstarchivierung fragen

• Text bei Verlagen einreichen, die Selbstarchivierung erlauben

In der sogenannten ROMEO-Liste [18] werden die entsprechenden Regelungen von

Verlagen aufgelistet. Je nach ihrer OA-Politik werden die Verlage in vier Kategorien

eingeteilt.

• Open Access-Ressourcen im eigenen Bereich kennen

Es gibt eine Fülle an aktuellem, qualitativ hochwertigem Material aus dem BID-

Bereich, auf das man frei zugreifen kann. Gerade wenn die finanziellen Mittel

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

122

für den Ankauf bibliothekswissenschaftlicher Medien eingeschränkt sind, sind die

verschiedenen OA-Archive interessant [siehe auch 19].

• Einfach einmal ausprobieren

Alleine die Möglichkeiten, sich per eMail oder RSS-Feed die neuesten Einträge zu

bestimmten Themen oder Stichwörtern zusenden zu lassen, lohnt es auszuprobieren.

Beim Einstellen eigener Publikationen helfen Ihnen die EditorInnen der

verschiedenen Repositorien gerne über Anfangsschwierigkeiten hinweg.

• andere BibliothekarInnen auf die Möglichkeiten hinweisen

Empfehlungen für EditorInnen und Repositories

• Selbstarchivierung erleichtern / übernehmen?

Joint (2006) und Pinfield (2004) sprechen sich dafür aus, dass Bibliotheken

oder andere Dienstleistungseinrichtungen die Einstellung in OA-Archive

zumindest zum Teil übernehmen. Und tatsächlich: Spricht man AutorInnen,

die beispielsweise Artikel auf ihrer persönlichen Website veröffentlichen, direkt

auf Selbstarchivierung an, bekommt man nicht selten zur Antwort: „Gute Idee.

Hier ist meine Publikationsliste, machen Sie“ (Harnad, 1999). Die Übernahme

der Archivierung durch die EditorInnen würde auch sicher die Zahl der Beiträge

entscheidend erhöhen: „All that‘s needed is enough of a budget so that web-savvy

students or document specialists from the Library can do the self-archiving for the

first generation of authors/papers (dead-easy, as anyone who has tried it can confirm).

Once that‘s done, the rest will take care of itself, for the literature will be up there

in the sky, and not having a paper up there will become more and more of a liability

(and necessity will be the mother of invention then)“ (Ware, 2004). Abgesehen von

der Schwierigkeit, die rechtliche Situation bei Beiträgen anderer Personen zu klären

und ggf. dafür auch Abstracts zu verfassen, ist dafür allerdings die Unterstützung der

jeweiligen Organisation bzw. ein offizieller Auftrag erforderlich, denn diese Aufgabe

kann nur mehr schwer in der Freizeit bewältigt werden.

• Open Access-AutorInnen gezielt ansprechen

„Dass man von Seiten des E-Print-Archivs dem Autor so weit wie möglich

entgegenkommt und aktiv Texte einwirbt“ (Graf, 2007), hat sich als durchaus

praktikabel erwiesen. Personen, die ihre Publikationen bereits auf ihrer Website

anbieten, sind leichter von den Vorteilen eines Open Access-Archivs zu überzeugen.

• Widerstände erforschen (Graf, 2007)

Monika Bargmann

123

Empfehlungen für EntscheidungsträgerInnen

• Open Access-Thematik (weiterhin) in Ausbildungspläne einbauen

Hier gibt es bereits ermunternde Erfahrungen aus verschiedenen bibliothekarischen

Lehrgängen.

• Tagungsbände zumindest nach Embargo frei zugänglich machen

Es ist begrüßenswert, wenn beispielsweise Beiträge aus einem Tagungsband nach

einer bestimmten zeitlichen Verzögerung frei zugänglich gemacht werden dürfen.

Das ist beim vorliegenden Band erfreulicherweise der Fall.

• Bezahlte Stelle?

Eine bezahlte Stelle, beispielsweise bei einem Bibliotheks- oder Berufsverband

angesiedelt, deren InhaberIn die Selbstarchivierung bewerben oder gar übernehmen,

fehlende Abstracts ergänzen und die rechtlichen Bedingungen klären könnte, wäre

durchaus eine reizvolle Option (vgl. den Abschnitt „Selbstarchivierung erleichtern /

übernehmen?“). Von der baldigen Realisierung ist allerdings wohl nicht auszugehen.

Sollten innerhalb einzelner Organisationen, zum Beispiel an Universitäten,

Personen dafür abgestellt werden, dann wohl eher für institutionelle Repositories.

Für die Autorin vorstellbar und am ehesten realisierbar wäre wohl ein befristetes

Projekt, bei dem bibliotheks- und informationswissenschaftliche Literatur, deren

urheberrechtlicher Schutz bereits abgelaufen ist, eingescannt, mit Metadaten

versehen und in ein OA-Archiv eingestellt wird.

• Verpflichtung zur Selbstarchivierung?

„Where self-archiving is a voluntary issue, researchers succumb to the aforementioned

inertia, unfounded anxieties, or just lack of awareness” (Swan, 2006). Eine Verpflichtung

scheint allerdings für BibliothekarInnen nur schwer vorstellbar – wenn Publizieren

kein Teil der Job Description ist, wie kann es Selbstarchivierung sein? Hier empfiehlt

sich eher, innerhalb der jeweiligen Organisation ein entsprechendes Klima gegenüber

Open Access-Resourcen zu schaffen und die MitarbeiterInnen bei Publikationen

und bei der – auch retrospektiven – Selbstarchivierung zu unterstützen.

FAZIT

Auch auf die Gefahr hin, allzu missionarisch zu wirken, lautet das Fazit dieses

Beitrags: Gehet hin und archivieret selbst!

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

124

LITERATURVERZEICHNIS(Links zuletzt geprüft am 21.12.2007)

Graf, Klaus: Wie füllt man die Open-Access-Dokumentenserver?. In: Archivalia,

31. Jänner 2007, http://archiv.twoday.net/stories/3264283/

Graf, Klaus: Wissenschaftliches E-Publizieren mit ‚Open Access‘ - Initiativen und Widerstände.

In: Zeitenblicke 2 (2003) 2, http://www.zeitenblicke.de/2003/02/graf.htm

Hahn, Karla: Seeking a global perspective on scholarly communication: contributions from

the UK. In: ARL Bimonthly Report (241) 2005,

http://www.arl.org/newsltr/241/scholcom.html

Harnad, Stevan: Free at Last: The Future of Peer-Reviewed Journals. In: D-Lib Magazine 5

(1999) 12, http://www.dlib.org/dlib/december99/12harnad.html

Harnad, Stevan: Opening Access by Overcoming Zeno‘s Paralysis. In: Jacobs, Neil (Hrsg.):

Open Access: Key Strategic, Technical and Economic Aspects. Oxford: Chandos 2006,

Kapitel 8, http://eprints.ecs.soton.ac.uk/12094/

Hess, Thomas / Wigand, Rolf T. / Mann, Florian / Walter, Benedikt von: Open Access &

Science Publishing. Results of a Study on Researchers’ Acceptance and Use of Open

Access Publishing. München: Ludwig-Maximilians-Universität 2007,

http://openaccess-study.com/Hess_Wigand_Mann_Walter_2007_Open_Access_

Management_Report.pdf

Hirwade, Mangala / Rajyalakshmi, D.: Open Access: India is moving towards Third world

Superpower. In: Murthy, TAV (Hrsg.): Proceedings CALIBER 2006, Gulberga 2006,

http://eprints.rclis.org/archive/00006798/

Joint, Nicholas: Institutional repositories, self-archiving and the role of the library. In: Library

Review 55 (2006) 2, S. 81 - 84, http://dx.doi.org/10.1108/00242530610649576

Mruck, Katja: Crossing Borders: Vier Jahre ‘Forum Qualitative Sozialforschung / Forum:

Qualitative Research’ (FQS). In: Zeitenblicke 2 (2003) 2,

http://www.zeitenblicke.historicum.net/2003/02/mruck.html

Peterson, Elaine: Librarian publishing preferences and open-access electronic journals. In:

Electronic Journal of Academic and Special Librarianship 7 (2006) 2,

http://southernlibrarianship.icaap.org/content/v07n02/peterson_e01.htm

Pinfield, Stephen: Self-archiving publications. In: Gorman, G.E. / Rowland, Fytton (Hrsg.):

Scholarly publishing in an electronic era. London: Facet, 2004, S. 118 - 145.

http://eprints.nottingham.ac.uk/142/

Salo, Dorothea: Open Access to the library literature. In: Caveat Lector, 16. Oktober 2006,

http://cavlec.yarinareth.net/archives/2006/10/17/open-access-to-the-library-literature/

Swan, Alma / Brown, Sheridan: Authors and open access publishing. In: Learned Publishing

17 (2004) 3, S. 219 – 224, http://dx.doi.org/10.1087/095315104323159649

Swan, Alma: The culture of Open Access: researchers’ views and responses. In: Jacobs, Neil

(Hrsg.): Open Access: Key Strategic, Technical and Economic Aspects. Oxford: Chandos

2006, Kapitel 7, http://eprints.ecs.soton.ac.uk/12428/

Monika Bargmann

125

Ware, Mark: Institutional repositories and scholarly publishing. In: Learned Publishing 17

(2004) 2, S. 115 - 124, http://dx.doi.org/10.1087/095315104322958490

Willinsky, John: The access principle. The case for open access to research and scholarship.

Cambridge: MIT Press 2006, S. 212 - 213

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 21.12.2007)

1 Wertvolle Anregungen kamen von Michaela Putz, mit der gemeinsam der

zugrundeliegende Vortrag im Rahmen der ODOK erarbeitet wurde, von Michael

Katzmayr und Klaus Graf.

2 E-LIS, e-prints in library and information science: http://eprints.rclis.org/

DoIS, documents in information science: http://wotan.liu.edu/dois/

E-Theses der Universität Wien: http://othes.univie.ac.at/

3 Die bibliographische Online-Datenbank Library, Information Science & Technology

Abstracts (LISTA) wird von Ebsco kostenlos und frei zugänglich angeboten.

http://www.libraryresearch.com/

4 Berlin Declaration on Open Access to Knowledge in the Sciences and Humanities,

http://oa.mpg.de/openaccess-berlin/berlindeclaration.html

5 http://www.univie.ac.at/voeb/php/publikationen/vm/index.html

6 http://www.bvoe.at/Serviceangebote/Buechereiperspektiven/

7 http://www.onb.ac.at/biblos/

8 http://www.dioezese-linz.or.at/pastoralamt/dib/inhalte/bibliotheck/Bibliotheck.htm

9 http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html

10 http://www.biblio.at/literatur/rezensionen/suche.html

11 http://ub.uni-graz.at/ausbildung/lis/index.php, http://www.uibk.ac.at/ub/lis/,

http://www.onb.ac.at/about/aus/grau/grau_start.htm

12 http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/bibliotheksmanagementundinformation/,

http://www.donau-uni.ac.at/de/studium/strategischesinformationsmanagement/

13 http://www.fh-burgenland.at/Eisenstadt/KKB_I/kkb.asp

14 http://www.bvoe.at/Aus-_und_Fortbildung/Projektarbeiten/

15 Datenbank http://csc000.cscaustria.at/oegdi/ zum Zeitpunkt der Einreichung nicht

verfügbar. Website der ÖGDI: http://www.oegdi.at/

16 vgl. den Beitrag „Zwei Jahre österreichische Beteiligung an E-LIS: Status Quo und

Perspektiven“ von Michael Katzmayr in diesem Band.

17 eMail vom 28. Juni 2007.

18 SHERPA: „Publisher copyright policies & self-archiving“,

http://www.sherpa.ac.uk/romeo.php

19 Morrisson, Heather: OA librarian. Open access resources by and for librarians,

http://oalibrarian.blogspot.com/

Schriften der VÖB 5, 113 – 126

126

ADRESSE DER AUTORINMag. (FH) Monika Bargmann

Wienbibliothek im Rathaus, Druckschriftensammlung

Rathaus, A-1082 Wien

E-Mail: [email protected]

Monika Bargmann

127

ZWEI JAHRE ÖSTERREICHISCHE BETEILIGUNG AN E-LIS: STATUS QUO UND PERSPEKTIVEN [1]

MICHAEL KATZMAYR

ABSTRACT

E-LIS: E-prints in Library and Information Science ist ein 2003 gegründetes

internationales Open-Access-Archiv zu den Bibliotheks- und Informationswissenschaften

mit mittlerweile über 7.000 Voll texten. Seit 2005 werden auch österreichische Beiträge

darin nachgewiesen – derzeit etwa 200 (Stand der Zahlen: Dezember 2007). Zwar

ist dies im internationalen Vergleich eine durchaus gute Leistung, aber gemessen an der

Anzahl der hierzulande erscheinenden einschlägigen Publikationen scheint eine bedeutende

Steigerung möglich. Im folgenden Beitrag soll dargestellt werden, was E-LIS ist und wie

es organisiert ist, wie es sich in das Angebot bestehender einschlägiger Open Access-Archive

eingliedert, was es den AutorInnen bietet und welche Herausforderungen überwunden

werden müssen. Schließlich werden Kooperationen und Konzepte zur Erhöhung der

Anzahl österreichischer Beiträge in E-LIS vorgestellt.

EINLEITUNG

Um Open Access (OA), den freien Zugang zu wissenschaftlicher Information

via Internet, auf breiter Basis zu verwirklichen, stehen zwei sich ergänzende

Strategien zur Verfügung [2]. Die erste ist die Herausgabe wissenschaftlicher OA-

Fachzeitschriften (so genannter goldener Weg zu OA), die zweite Möglichkeit liegt

im Archivieren wissenschaftlicher Volltexte in OA-Archiven (grüner Weg). Je nach

Archiv können die Volltexte (in diesem Zusammenhang E-Prints genannt) entweder

in der endgültigen Fassung nach einer allfälligen Begutachtung bzw. redaktionellen

Bearbeitung durch den Verlag archiviert werden (so genannte Post-Prints) oder in

der Form, in der sie zur Publikation eingereicht werden (Pre-Prints). Dabei spielt

es keine Rolle, ob der Aufsatz in einer herkömmlichen oder einer OA-Zeitschrift

publiziert werden soll oder wurde; Voraussetzung ist lediglich, dass die AutorInnen

die Werknutzungsrechte besitzen, die ein Archivieren in OA-Archiven erlauben.

Diese OA-Archive stellen Datenlieferanten (so genannte Data-Provider)

dar – die Metadaten der darin enthaltenen Dokumente werden von Service-

Schriften der VÖB 5, 127 – 135

128

Providern gemäß OAI-PMH (Open Archives Initiative Protocol for Metadata

Harvesting) eingesammelt. Diese Service-Provider stellen ein Suchinterface im

Web zur Verfügung und ermöglichen die Metasuche über den Bestand mehrerer,

oft thematisch verwandter Archive.

Institutionelle OA-Archive werden von Universitäten, Universitätsinstituten,

Forschungseinrichtungen etc. betrieben und archivieren nur in der Institution

erschienene Publikationen. Im Gegensatz dazu sind rein themenbezogene Archive

nicht auf Volltexte einer Institution oder Organisationseinheit beschränkt, sondern

stehen der gesamten Fachöffentlichkeit zur Archivierung offen. Häufig finden sich

auch Mischformen. OA-Archive folgen häufig dem Prinzip der Selbstarchivierung,

d.h., AutorInnen stellen ihre Dokumente selbst ein und übernehmen auch die

formale und inhaltliche Erschließung.

WAS UND WER IST E-LIS?

E-LIS [3] wurde 2003 gegründet und ist das weltweit größte OA-Archiv für das

Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen (BID-Wesen). Es verfolgt

keinerlei kommerzielle Interessen und wird von ehrenamtlicher Mitarbeit getragen.

Es ist rein themenbezogen und steht somit der gesamten Fachöffentlichkeit

zur Archivierung zur Verfügung. Es kann eine Vielzahl an facheinschlägigen

wissenschaftlichen und praxisorientierten Dokumenten archiviert werden, seien es

nun Aufsätze vor oder nach einer allfälligen Begutachtung (Pre-Prints oder Post-

Prints), Tagungsbeiträge, Rezensionen, Arbeitspapiere, Bücher, Präsentationen,

Universitätsschriften und vieles mehr. Dokumente werden grundsätzlich durch die

AutorInnen selbst archiviert und in allen Sprachen akzeptiert.

In E-LIS kann direkt recherchiert werden, es ist aber auch Datenlieferant für

mehrere Service-Provider, unter anderem für Metalis (Metaresearch in Library and

Information Science) [4]. Für die inhaltliche Erschließung steht eine Klassifikation

zur Verfügung (siehe Abbildung 1 für die Hauptgruppen), zusätzlich können die

AutorInnen Stichworte frei vergeben.

Die Organisationsstruktur von E-LIS besteht aus den drei Bereichen Administration,

Redaktion und technischer Service [5]. Die Administration besteht aus acht

Personen und ist für die strategische Ausrichtung von E-LIS verantwortlich, etwa

die Formulierung des Leitbildes, die Entwicklung der Archivierungsrichtlinien sowie

allgemein für übergeordnete organisatorische Belange.

Michael Katzmayr

129

Abbildung 1: Inhaltliches Spektrum von E-LIS – Hauptgruppen der verwendeten Klassifikation

Das Redaktionsteam umfasst rund 60 Personen, die für einzelne Länder zuständig

sind – derzeit nehmen 40 Länder an E-LIS teil. Zusätzlich gibt es noch regionale

RedakteurInnen, die koordinierende Aufgaben für Kontinente oder Ländergruppen

durchführen. Die Redaktionsmitglieder sind nationale AnsprechpartnerInnen zu

allen Belangen rund um E-LIS und erfüllen folgende Aufgaben:

• formelle Kontrolle und Freischaltung der von den AutorInnen selbst angelegten

Datensätze,

• Vernetzung mit AutorInnen, PraktikerInnen, WissenschafterInnen und

VertreterInnen der Berufsvereinigungen des BID-Wesens,

• Kontakt zu Verlagen, um die Möglichkeit für ein Archivieren der Volltexte in

E-LIS zu schaffen,

• Öffentlichkeitsarbeit, etwa Teilnahme an Konferenzen, Aussendungen über

Mailinglisten, Publikationen in Fachzeitschriften etc.

Das TechnikerInnenteam besteht aus 4 Personen, die sich hauptsächlich mit Fragen

der Software befassen (Open Source Software Eprints), insbesondere mit der

Entwicklung neuer Funktionalitäten und Schnittstellen zu anderen Systemen. Der

E-LIS-Server wird vom Consorzio Interuniversitario Lombardo per l'Elaborazione

Automatica (CILEA), einem Zusammenschluss von 10 Universitäten der Region

Lombardei in Italien, betrieben.

[Theoretical and General:]

A. Theoretical and general aspects of libraries and informationB. Information use and sociology of information

[User oriented, directional, and management functionalities:]

C. Users, literacy and readingD. Libraries as physical collectionsE. Publishing and legal issuesF. ManagementG. Industry, profession and education

[Objects, Pragmatics and Technicalities:]

H. Information sources, supports, channelsI. Information treatment for information services J. Technical Services in Libraries, Archives and MuseumsK. Housing TechnologiesL. Information Technology and Library Technology

Schriften der VÖB 5, 127 – 135

130

WAS BIETET E-LIS DEN AUTORINNEN UND AUTOREN?

Seit 2005 gibt es eine österreichische Beteiligung an E-LIS [6], mit Dezember 2007

sind über 200 Dokumente österreichischer AutorInnen in E-LIS verzeichnet. Zwar

ist dies, verglichen mit anderen Ländern, nicht gerade wenig – es ist aber auch nicht

gerade viel. Warum aber sollten AutorInnen ihre Publikationen überhaupt in OA-

Archive bzw. in E-LIS einstellen?

Es ist evident, dass Literatur in OA-Zeitschriften bzw. -Archiven eine ungleich

stärkere Wahrnehmung erfährt, als wenn sie ausschließlich konventionell

veröffentlicht wird [7]. Während bei herkömmlichen Arten der Veröffentlichung

viel an potentieller Wirkung in der Fachgemeinde ungenutzt bleibt, da

aufgrund finanzieller Restriktionen wissenschaftliche bzw. Fachliteratur für viele

unerschwinglich ist, können OA-Publikationen prinzipiell von allen frei genutzt

werden, was sich nicht zuletzt in einer größeren Zitierhäufigkeit niederschlägt.

Weiters werden die Metadaten in OA-Archiven von Service-Providern eingesammelt

und von Wissenschaftssuchmaschinen [8] indexiert, wodurch sie bei fachspezifischen

Webrecherchen sehr leicht aufzufinden sind, selbst wenn den Recherchierenden die

jeweiligen OA-Archive unbekannt sein sollten. Das heißt: OA, und hier insbesondere

das Archivieren in OA-Archiven, ist ideal für all jene AutorInnen, die nicht nur gerne

schreiben, sondern auch gelesen werden wollen. OA bedeutet „veröffentlichen“ im

eigentlichen Sinn des Wortes.

Wenn nun archivieren – warum ausgerechnet in E-LIS? Die Alternativen zu E-

LIS sind ziemlich dünn gesät. Das bekannte, 2003 gegründete frei zugängliche

Volltextarchiv INFODATA-eDepot entspricht z.B. nicht den Anforderungen des

OAI-PMH, die Datensätze können somit von Service-Providern nicht eingesammelt

werden und sind darüber hinaus auch (Wissenschafts-)Suchmaschinen nicht

zugänglich [9].

Das 2002 gegründete OA-Archiv dLIST (Digital Library of Information Science

and Technology) mit derzeit knapp 1.200 Dokumenten vorwiegend aus dem

US-amerikanischen Raum entspricht zwar den Anforderungen des OAI-PMH,

allerdings werden Dokumente ausschließlich in englischer Sprache akzeptiert und

kommt daher für z.B. deutschsprachig publizierende AutorInnen nicht in Frage [10].

Andere themenbezogene Archive haben sprachliche Restriktionen oder umfassen

nur einen Teilbereich des BID-Wesens und können deshalb bestenfalls partiell eine

Alternative darstellen [11]. E-LIS ist schlicht und einfach das größte und am meisten

etablierte OA-Archiv zum gesamten BID-Wesen und aus der Fachöffentlichkeit

nicht mehr wegzudenken.

Michael Katzmayr

131

Diese gewichtige Rolle von E-LIS kann an den beeindruckenden Nutzungszahlen

ersehen werden. So wurden etwa allein im November 2007 rund 430.000 Visits

bei E-LIS gezählt, ein Visit entspricht dabei in etwa einer Recherchesitzung (siehe

Abbildung 2):

Abbildung 2: Entwicklung der Nutzung von E-LIS

Abbildung 3: Nutzungsstatistiken in E-LIS für ein einzelnes Dokument

Schriften der VÖB 5, 127 – 135

132

E-LIS bietet den AutorInnen allerdings nicht nur die nachweislich höhere

Sichtbarkeit ihrer Arbeiten, sondern hält auch Nutzungsstatistiken für jedes einzelne

Dokument im Zeitverlauf bereit: Sowohl die Aufrufe der Metadatenblätter als auch

der Volltexte werden monatlich, jährlich oder kumulativ für den gesamten Zeitraum

der Archivierung erfasst, wobei auch eine Differenzierung nach dem Herkunftsort

der Anfrage stattfindet (siehe Abbildung 3).

Schließlich bietet E-LIS den AutorInnen – insbesondere den BibliothekarInnen unter

ihnen – die Möglichkeit, die OA-Bewegung direkt und unmittelbar zu unterstützen.

Dies ist angesichts der Vorwürfe, BibliothekarInnen würden in Bezug auf OA „Wein

predigen und Wasser trinken“ [12], eine gute Gelegenheit, um sich reinzuwaschen.

HERAUSFORDERUNGEN

Die Erfolgsgeschichte von E-LIS wird allerdings auch durch so manche

Herausforderung begleitet. Eine größere Schwierigkeit, die noch zu meistern sein

wird, ist die Sicherstellung einer hohen und einheitlichen Qualität der Metadaten.

Neben der wenig ausgefeilten Erschließungsrichtlinie liegt das Problem hauptsächlich

im fehlenden Problembewusstsein vieler RedakteurInnen: nicht von allen wird die

Notwendigkeit einer einheitlichen und regelkonformen Erschließung geteilt. Derzeit

wird nach Lösungsmöglichkeiten hierzu gesucht, so wird z.B. die Verwendung von

Normdateien für die einheitliche Ansetzung von AutorInnen, Zeitschriften- und

Konferenztitel erwogen.

Eine weitere Schwierigkeit liegt in den nur mangelhaften Instrumenten zur

inhaltlichen Erschließung: Ein kontrolliertes Vokabular zur Beschlagwortung,

geschweige denn Regeln zur Verwendung freier Schlagwörter (z.B. Singular oder

Plural, Umgang mit Komposita), fehlt leider. Weiters: die verwendete Klassifikation

hat sich als nicht ausreichend differenziert erwiesen und wesentliche Teilbereiche

des BID-Wesens sind nur unzureichend abgedeckt. Als erster Schritt wird deshalb

die Klassifikation überarbeitet werden.

Die wichtigste Herausforderung ist allerdings: wie kann der Zulauf neuer Dokumente

in E-LIS signifikant erhöht werden? Anders gefragt: wie kann ein Archivieren in E-

LIS zu einer Selbstverständlichkeit für AutorInnen aus dem BID-Bereich werden?

Michael Katzmayr

133

KOOPERATIONEN UND KONZEPTE ZUR ERHÖHUNG DER ÖSTERREICHISCHEN BETEILIGUNG

Derzeit werden neben einer allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit AutorInnen zum

Teil direkt darauf angesprochen, ob sie ihre Schriften in E-LIS archivieren wollen

– mit unterschiedlichem Erfolg. Ergänzend dazu sollen nun Kooperationen mit

den österreichischen Berufsvereinigungen sowie mit einschlägigen Ausbildungs-

einrichtungen ins Leben gerufen werden.

Die VÖB (Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare)

und der BVÖ (Büchereiverband Österreich) fungieren als Verleger der wichtigsten

einschlägigen Literatur in Österreich, etwa der „Mitteilungen der Vereinigung

österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare“, der „Büchereiperspektiven“

und der Tagungsbände zu den jährlich stattfindenden Fachkonferenzen.

Kooperationen könnten hierbei vielfältige Formen annehmen – Ziel ist es letztlich,

möglichst alle Aufsätze in Fachzeitschriften oder Tagungsbänden (bei diesen

eventuell nach einer gewissen Verzögerungszeit, um den kommerziellen Vertrieb

nicht zu unterlaufen) der Fachöffentlichkeit über OA-Archive zur freien Verfügung

zu stellen. Was die erwähnten Zeitschriften anbelangt, so steht den AutorInnen

die Selbstarchivierung in E-LIS oder anderen Archiven ohnehin frei. Es soll nun

erreicht werden, dass die Redaktionen der Zeitschriften bzw. Tagungsbände die

AutorInnen bei der Einreichung von Aufsätzen explizit auf E-LIS aufmerksam

machen und zum Selbstarchivieren ermutigen.

Noch ambitionierter wäre freilich, die AutorInnen bei der Einreichung eines Artikels

oder Aufsatzes gleich um die Einverständniserklärung zur Archivierung in E-LIS

zu bitten, vom Prinzip der Selbstarchivierung abzugehen und die Dokumente

zentral in E-LIS zu archivieren. Hier stellt sich jedoch die praktische Schwierigkeit,

dass bei Aufsätzen in den genannten Zeitschriften wichtige Voraussetzungen zur

Inhaltserschließung wie Kurzreferate und Autorenschlagwörter fehlen, die dann erst

von den E-LIS-RedakteurInnen erstellt werden müssten.

Ein zweiter Schwerpunkt wird in Kooperationsansuchen mit Ausbildungseinrichtungen

des österreichischen BID-Wesens liegen. Derzeit bestehen schon Vereinbarungen mit

den Fachhochschulstudiengängen Burgenland und der Donau-Universität Krems,

wo AbsolventInnen einschlägiger Studiengänge ausdrücklich auf E-LIS aufmerksam

gemacht und zur Selbstarchivierung ihrer Abschlussarbeiten ermutigt werden. Diese

Kooperation soll nach Möglichkeit auf alle einschlägigen Ausbildungseinrichtungen

ausgedehnt werden – etwa auf die Universität Wien, Universität Innsbruck und Karl-

Franzens-Universität Graz für die dort angebotenen Universitätslehrgänge „Master

Schriften der VÖB 5, 127 – 135

134

of Science (MSc) Library and Information Studies“. Ebenso soll erreicht werden,

dass die projektbezogenen Abschlussarbeiten des „Lehrgangs für Information und

Dokumentation“ der ÖGDI (Österreichische Gesellschaft für Dokumentation und

Information) bzw. der Aus- und Fortbildung für öffentliche BibliothekarInnen des

BVÖ verstärkt Eingang in E-LIS finden.

ZUSAMMENFASSUNG

Für das BID-Wesen ist E-LIS das größte und am stärksten genutzte OA-Archiv.

Solche Archive bieten eine hervorragende Möglichkeit, die darin befindlichen

Dokumente rasch, dauerhaft, leicht auffindbar und frei nutzbar zugänglich zu

machen. Um ein Archivieren der einschlägigen Literatur in diesem Bereich auf

breiter Basis durchzusetzen, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von Archiven,

AutorInnen, Berufsvereinigungen und Ausbildungs einrichtungen. Der Nutzen für

die AutorInnen liegt dabei primär bei der erhöhten Sichtbarkeit ihrer Publikationen.

Die Berufsvereinigungen und Ausbildungseinrichtungen profitieren insofern, da sie

ihre Leistungen und Erfolge (stattgefundene Konferenzen, Abschlussarbeiten etc.)

gleichsam in das Schaufenster der Fachöffentlichkeit stellen und dabei am Aufbau und

an der Pflege eines zeitgemäßen und dynamischen Berufsbildes mitwirken können.

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 17.03.2008)

1 Basierend auf Katzmayr, Michael und Bargmann, Monika (2007): 2 Jahre österreichische

Beteiligung an E-LIS: Status Quo und Perspektiven, Vortrag gehalten am 20. September

2007 auf der ODOK‘07 an der Karl-Franzens-Universität Graz. Ich danke Monika

Bargmann und Michaela Putz für wertvolle Hinweise bei der schriftlichen Ausarbeitung

dieses Beitrages.

2 Vgl. zu diesem Abschnitt die Einleitung bei Bailey, Charles W. (2005): Open Access

Bibliography: Liberating Scholarly Literature with E-Prints and Open Access Journals,

Washington D.C.: Association for Research Libraries,

http://eprints.rclis.org/archive/00004972/

3 Siehe http://eprints.rclis.org; aktuelle Informationen zu E-LIS in Morrison, Heather;

Subirats Coll, Imma; Medeiros, Norm; De Robbio, Antonella (2007): „E-LIS: The Open

Archive for Library and Information Science“, in: The Charleston Advisor 9(1): 23, 26,

56-59, http://eprints.rclis.org/archive/00011032/

4 Metalis (http://metalis.cilea.it/) ist ein fachspezifischer Service-Provider für 9 OA-

Archive; siehe dazu auch Tajoli, Zeno (2005): „METALIS, an OAI Service Provider“, in

Proceedings 9th DELOS Network of Excellence thematic workshop: Digital Repositories –

Michael Katzmayr

135

Interoperability and Common Services, Heraklion, http://eprints.rclis.org/archive/00003612.

Weitere Service-Provider, die Metadaten von E-LIS einsammeln, sind der fachübergreifende

Suchdienst OAIster (http://www.oaister.org) und der fachspezifische Service-Provider DL-

Harvest (http://dlharvest.sir.arizona.edu/).

5 Vgl. dazu De Robbio, Antonella und Subirats Coll, Imma (2005): „E-LIS: an International

Open Archive towards Building Open Digital Libraries“, in: High Energy Physics Libraries

Webzine (11), http://eprints.rclis.org/archive/00004476/

6 Die österreichische Redaktion: Monika Bargmann, Fachhochschulstudiengänge Burgenland

([email protected]), Michaela Putz, Universität Wien, Bibliotheks- und

Archivwesen ([email protected]) und der Autor dieses Beitrags.

7 Vgl. dazu Harnad, Stevan; Brody, Tim; Vallières, François; Carr, Les; Hitchcock, Steve;

Gingras, Yves; Oppenheim, Charles; Stammerjohanns, Heinrich und Hilf, Eberhard R.

(2004): „The Access/Impact Problem and the Green and Gold Roads to Open Access“, in:

Serials Review 30(4): 310-314, http://eprints.ecs.soton.ac.uk/10209/

8 Z.B. Google Scholar (http://scholar.google.com/), Scirus (http://www.scirus.com),

Scientific Commons (http://www.scientificcommons.org/) etc.

9 Siehe http://www.infodata-edepot.de/ sowie Bassenge, Annette und Falke, Karen

(2005): “INFODATA-eDepot: Die neue Datenbank des Informationszentrums für

Informationswissen schaft und -praxis”, in: LIBREAS: Library Ideas (2/2005),

http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/ausgabe2/007inf.htm

10 Siehe http://dlist.sir.arizona.edu/ sowie Jacso, Péter (2007): “dLIST”, in Péter’s Digital

Reference Shelf, http://gale.cengage.com/reference/peter/200706/Dlist.htm

11 So z.B. arXiv.org (http://arxiv.org), ein Archiv zu Naturwissen schaft und Technik, wo auch

der Themenbereich “Computer Sciences” vertreten ist. Nur aus Teilen dieses Bereiches

werden Metadaten von Metalis eingesammelt (zu Metalis siehe Anm. 4)

12 Vgl. Bargmann, Monika (2008): “Wein predigen und Wasser trinken? Theorie und Praxis

von Open Access im österreichischen Bibliothekswesen”, in diesem Band.

ADRESSE DES AUTORSDr. Michael Katzmayr

Universitätsbibliothek der Wirtschaftsuniversität Wien

Augasse 2-6, A-1090 Wien

http://www.wu-wien.ac.at/bib

E-Mail: [email protected]

Schriften der VÖB 5, 127 – 135

136

137

ÖFFENTLICHE SITZUNG DES FORUMS GESIG E.V.

ZEITSCHRIFTENKONSORTIEN ANGEBOTSAUSWEITUNG AUF KOSTEN DER FLEXIBILITÄT

ADALBERT KIRCHGÄSSNER

ABSTRACT

Seit mehr als zehn Jahren gibt es elektronische Zeitschriften. Die Verlage haben in den ersten

Jahren diese vielfach kostenlos zur Druckausgabe angeboten. Als die Bibliotheksbenutzer/-

innen an diesen neuen Service gewöhnt waren, wurden die kostenfreien Zugaben in

kostenpflichtige Parallelausgaben umgewandelt. Die damit verbundenen Preissteigerungen

konnten niedrig gehalten werden, wenn mehrere Bibliotheken sich zu Konsortien

zusammenschlossen und sich verpflichteten, die bestehenden Abonnements nicht oder nur in

sehr geringem Umfang zu kündigen. Dies nutzten die Verlage, um die Abonnementspreise

überdurchschnittlich anzuheben. Gleichzeitig wurden die Etats der Bibliotheken durch

die Unterhaltsträger weitgehend eingefroren. In der Folge beanspruchten die Kosten aus

den Zeitschriftenverträgen immer höhere Anteile der Bibliotheksetats. Die Bibliothek der

Universität Konstanz hat sich in den letzten Jahren diesen „Sachzwängen“ weitgehend

entzogen, indem sie auf die Beteiligung an Konsortialverträgen verzichtete. Die

Bereitstellung von zentralen Mitteln des Ministeriums für Zeitschriftenverträge, die

Bemühungen der DFG um landesweite Konsortialverträge über große Zeitschriftenpakete

und die Veränderung der Nachfrage durch die Wissenschaftler zwingt nunmehr

auch die Bibliothek der Universität Konstanz, in größerem Umfang Verträge über

Zeitschriftenpakete abzuschließen. Deshalb ist die Struktur der Erwerbung der Bibliothek

der Universität Konstanz grundsätzlich zu überprüfen, um sicherzustellen, dass auch

künftig die Wissenschaftler/-innen vor Ort die Materialien bereitgestellt bekommen, die

sie für ihre Arbeit brauchen, unabhängig davon, ob diese in großen Zeitschriftenpaketen

oder in kleinen Einzelabonnements beschafft werden.

Schriften der VÖB 5, 137 – 146

138

AUSGANGSLAGE FÜR DIE BIBLIOTHEK DER UNIVERSITÄT KONSTANZ

Die Bibliothek verfügte 2006 über etwa den gleichen Literaturetat wie im Jahre 1986

und 1996. Die Etatzuwächse der Jahre 1987 bis 1989 und ab 1997 wurden durch

Sparmaßnahmen Mitte der neunziger Jahre und in den letzten Jahren wieder zunichte

gemacht. In dieser Zeit stiegen die Zeitschriftenpreise mit fünf bis acht Prozent

im Jahr. Dies hatte zur Folge, dass sowohl Zeitschriftenabonnements abgebaut

als auch weniger Monographien beschafft wurden. Bei den Zeitschriften traf dies

in erster Linie die Naturwissenschaften, für die heute nicht einmal halb so viel

Zeitschriftenabonnements bezahlt werden wie zu Beginn der neunziger Jahre. Und

in den Monographienbeständen stellen unsere Benutzer in den Erscheinungsjahren

seit Mitte der neunziger Jahre deutliche Lücken fest.

Tabelle 1: Langfristige Etatentwicklung, Ausgaben und Zugangsmengen

JahrLiteratur-

etatZeitschriften

Fort-setzungen

EinzelkäufeAnteil

Einzelkäufe1986 2,4 Mio € 1,0 Mio € 0,4 Mio € 1,0 Mio € 42 %1996 2,4 Mio € 1,3 Mio € 0,45 Mio € 0,6 Mio € 25 % 2006 2,6 Mio € 1,5 Mio € 0,5 Mio € 0,6 Mio € 23 %

Gesamt-zugang Bände

ZeitschriftenBände Abos

Fort-setzungen

Bände

Einzelkäufe Bände

Anteil Einzelkäufe

1986 49.000 9.900 6.200 6.600 32.500 66 %1996 34.000 7.900 5.700 4.700 21.400 63 %2006 25.000 4.600 4.400 3.300 17.100 68 %

In Zahlen sieht die Etatentwicklung der Ausgaben und Zugangsmengen wie in Tabelle

1 dargestellt aus. Die Bibliothek hat durch eine sehr restriktive Beschaffungspolitik

bei den laufenden Zeitschriften und Fortsetzungen erreicht, dass trotz schrumpfender

Gesamtmittel und überproportional steigender Preise bei den Zeitschriften, der

Anteil der einzeln beschaffbaren Bände bei etwa zwei Drittel des Gesamtzuganges

stabil gehalten werden konnte. Allerdings verschob sich – durch die unterschiedliche

Preisent wicklung bei Einzelkäufen, vor allem Monographien, einerseits und

den Käufen von Zeitschriften andererseits - der Anteil, der für Monographien

ausgegeben werden konnte. Der Zugang aus Fortsetzungen und Zeitschriften ist

nach wie vor nur ein Drittel des Gesamtzuganges. Mussten dafür 1986 58 % der

Literaturmittel aufgewandt werden, so erforderte dieser Anteil 2006 bereits 77 %

der Literaturmittel. Der insgesamt erworbene Bestand verringerte sich in diesen

zwanzig Jahren von knapp 50.000 Bänder im Jahr auf etwa 25.000 Bände im Jahr.

Adalbert Kirchgäßner

139

Die Stabilisierung des Einzelkaufes bei zwei Drittel des Bandzuganges war dringend

erforderlich, um die Geistes- und Sozialwissenschaften mit den notwendigen

Büchern zu versorgen.

MASSNAHMEN ZUR AUSGABENSTEUERUNG

Der Anteil der Einzel- bzw. Monographienkäufe konnte mit folgenden Maßnahmen

stabilisiert werden:

• Globalkontingent:

Seit Anfang der achtziger Jahre gibt es in Konstanz das sogenannte

Globalkontingent. Dies bedeutet, dass jedes Fach einen Etat hat, aus dem

die Monographien und Zeitschriften des Faches zu bezahlen sind. Dies hat

verhindert, dass die überproportional steigenden Zeitschriftenpreise der

naturwissenschaftlichen Zeitschriften zu Lasten der geisteswissenschaftlichen

Monographien finanziert wurden. Über die Berücksichtigung der

unterschiedlichen Durchschnittspreisentwicklungen der verschiedenen Fächer

in der Mittelverteilung wurde erreicht, dass die Monographien und Zeitschriften

annähernd in gleichem Umfang reduziert werden mussten.

• Bindungsobergrenze und Abbestellzwang

Um sicherzustellen, dass jedes Fach seine Literatur aus den ihm zugewiesenen

Mitteln bezahlen kann, ist seit Jahren festgelegt, dass die Kosten für Zeitschriften

und laufende Fortsetzungen auf 85 Prozent in den Naturwissenschaften und 70

Prozent in den Geisteswissenschaften beschränkt werden. Wenn diese Grenze

überschritten ist, müssen die Fachbereiche ihre Zeitschriften und Fortsetzungen

so reduzieren, dass die Grenze wieder unterschritten wird.

• Abbestellfrequenz:

Die Obergrenze stellt auch sicher, dass bei normalem Verlauf in einem einzelnen

Fach höchstens alle drei Jahre Zeitschriften abbestellt werden müssen.

• Kompensation:

Werden neue Zeitschriftentitel gebraucht und ist die Obergrenze bereits

erreicht, können diese nur beschafft werden, wenn andere Zeitschriften abbestellt

werden.

• Mitwirkung der Fachbereiche

Die Zeitschriften werden bei Neubestellungen wie bei Abbestellungen von den

Fachbereichen ausgewählt. Auch bei der Auswahl der anderen Materialien wirken

die Fachbereiche durch allgemeine Vorgaben oder durch Einzelentscheidungen

mit. Damit ist sichergestellt, dass mit den knappen Mitteln möglichst genau das

beschafft wird, was am dringendsten benötigt wird.

Schriften der VÖB 5, 137 – 146

140

VERÄNDERUNGEN IM MARKT FÜR WISSENSCHAFTLICHE INFORMATION

Die beschriebenen Steuerungsmechanismen stellten sicher, dass trotz stagnierendem

Literaturetat und stark steigenden Kosten für die laufenden Zeitschriften die

Versorgung der unterschiedlichen Bereiche der Universität mit wissenschaftlicher

Information im Gleichgewicht gehalten werden konnte. Dies gelang auch, obwohl in

den letzten Jahren die großen Verlage mit verschiedenen Preisgestaltungsmaßnahmen

die Preise vor allem der naturwissenschaftliche Zeitschriften massiv in die Höhe

getrieben haben:

• In den neunziger Jahren wurden die Preise bis zu 15 Prozent je Jahr angehoben.

Dies wurde mit den hohen Investitionen in die elektronischen Parallelausgaben

begründet. Erstaunlicherweise stiegen in diesen Jahren die Gewinnmargen, und

einige Verlage erreichten Umsatzrenditen von über 30 Prozent.

• Die in den ersten Jahren kostenfrei bereitgestellten elektro nischen Parallelausgaben

wurden nach einer Eingewöhnphase kostenpflichtig. Die Preissteigerungen für

die Abonnements der gedruckten Ausgaben verliefen wieder moderat – mit fünf

bis sieben Prozent auf einer gegenüber den achtziger Jahren stark erhöhten Basis

– aber dafür waren die elektronischen Parallelausgaben zusätzlich zu bezahlen.

• Um die überproportional gestiegenen Preise in den Griff zu bekommen,

gründeten die Bibliotheken Einkaufsgemein schaften, Konsortien genannt.

Die Verlage gingen darauf ein, mit Gruppen von Bibliotheken Verträge

über die gemeinsame Nutzung elektronischer Zeitschriften abzuschließen.

Für die Zusage, keine weiteren Zeitschriften abzubestellen, d.h. alle bei

Vertragsabschluss laufenden Zeitschriften auf Dauer weiterzuführen,

räumten die Verlage den Bibliotheken den Cross-Access ein, das Recht, alle

in der Bibliotheksgruppe gehaltenen Abonnements in allen Bibliotheken

elektronisch zu nutzen. Dies brachte in den meisten Bibliotheken eine

Angebotsausweitung. Die zusätzlichen Zeitschriften waren aber nicht nach

dem jeweiligen Bedarf ausgewählt, sondern es wurden die Titel zusätzlich

bereitgestellt, die zufällig in den Partnerbibliotheken bezogen wurden.

Und die Verlage garantierten eine Obergrenze der Preisstei gerung. Wenn also die

Summe der Preise der einzelnen Abonnements gegenüber der Gesamtsumme

des Vorjahres um mehr als den vereinbarten Prozentsatz gestiegen war, wurde

der über der garantierten Obergrenze liegende Betrag in irgendeiner Form nicht

erhoben oder rückvergütet.

Für die Bibliotheken reduzierte diese Entwicklung erst einmal den Preissteigerungsdruck.

Andererseits waren die Bibliotheken in der Titelauswahl nicht mehr frei. Sie

konnten Zeitschriften, die in diesen Konsortialverträgen enthalten waren, nicht

mehr oder nur noch in sehr engen Grenzen abbestellen. Wenn also Zeitschriften

Adalbert Kirchgäßner

141

gegen Zeitschriften anderer Verlage ausgetauscht werden sollten, ging das nur noch,

wenn diese Zeitschriften nicht in einem Konsortialvertrag eingebunden waren. Da

andererseits die Preissteigerungen für diese Verträge meist über den Zuwächsen der

Literaturetats lagen, schrumpfte der Anteil, der für die Literaturversorgung außerhalb

dieser Verträge eingesetzt werden konnte. Dies führte meist zur Reduzierung von

Monographienkäufen und zur Abbestellung von Zeitschriften der kleineren Verlage.

Die Fortsetzung dieser Entwicklung sind nun die Nationallizenzen für laufende

Zeitschriften. Bisher hatte die DFG nur abgeschlossene Sammlungen finanziert. Ab

2008 wird von der DFG erstmals der flächendeckenden Zugriff auf neue, laufende

elektronische Zeitschriften finanzieren. Sie ermöglicht im ersten Schritt eine

Angebotsausweitung, die die Bibliotheken selbst nicht hätten finanzieren können. Im

Gegenzug müssen sich die Bibliotheken aber dazu verpflichten, ihre Bezugsstruktur

zu zementieren, da sie aus diesen Angeboten nicht aussteigen können, ohne jeweils

das gesamte Verlagsangebot zu verlieren. Wie die Bibliotheken in den nächsten

Jahren damit zu Recht kommen und wie sie unter diesen Voraussetzungen auf

Dauer eine breite Informationsversorgung sicherstellen können, muss sich erst noch

zeigen.

KOSTENMODELL

Um die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Informations beschaffung

unserer Universität darzustellen, wird im folgenden ein vereinfachtes Modell

der Literaturkostenstruktur vorgestellt und errechnet, wie sich die absehbaren

Entwicklungen auf diese Struktur auswirken können.

Tabelle 2: Beschaffungsstruktur 2006

Ausgangsjahr 2006 Betrag € AnzahlDurch-

schnitts-preis €

Monographien 700.000 19.975 Bände 35Datenbanken 100.000 25 Titel 4.000

Zeitschriftenpakete 700.000 500 Titel 1.400

Zeitschriften Einzeltitel 700.000 4.500 Titel 156 2.200.000 25.000

In dieser Struktur sind folgende, in Tabelle 3 aufgelisteten Zeit schriftenpakete und

eine Datenbank enthalten, die durch Konsortial verträge oder Nationallizenzen für

laufende Zeitschriften künftig festgeschrieben sind und nur noch in engen Grenzen

modifiziert werden können.

Schriften der VÖB 5, 137 – 146

142

Tabelle3: Struktur der Zeitschriftenbeschaffung

Verlag Betrag € Zeitschriften-TitelZusätzliche

TitelACS 40.000 14 2Elsevier 233.000 90SciFinder 40.000 1Springer 83.000 60 336Wiley 87.000 30 317Nationallizenzen 134.000 150 725Lokale Pakete 83.000 155Einzeltitel ZS 700.000 4.500Gesamt 1.400.000 5.000 1.370

Um die mögliche Entwicklung abschätzen zu können, wird folgende Entwicklung

angenommen:

• Die Preise steigen in allen Segmenten gleichmäßig um 5 % je Jahr. Dies ist in

zehn Jahren eine Steigerung um 63 %.

• Der Etat wird als konstant angenommen.

• Der Anteil von Monographien und Zeitschriften an der Gesamtbeschaffung soll

stabil bleiben.

• Durch die Konsortialabschlüsse und Nationallizenzen kommen neue

Zeitschriftentitel hinzu, die die Bibliothek aber nicht ausgesucht hat. Sie dürften

deshalb nicht im unmittelbaren Zentrum des Interesses stehen.

Eine Steigerung des Etats um 2 Prozent bei einer Preissteigerung von sieben statt

fünf Prozent führt zum annähernd gleichen Ergebnis. Wenn die Differenz zwischen

Etatsteigerung und Preissteigerung kleiner ist, verläuft die Entwicklung langsamer,

wenn sie größer ist, verläuft sie schneller als in dieser Modellrechnung. Die Struktur

der Entwicklung aber bleibt gleich.

Geht man davon aus, dass die Datenbanken und die in den Paketverträgen enthaltenen

Zeitschriften unverändert weitergeführt werden, muss die Preissteigerung, die

die Etatsteigerung übersteigt, durch Reduzierung der Monographien und der

Zeitschrifteneinzeltitel, die nicht in Paketen gebunden sind, aufgefangen werden.

Nach zehn Jahren ergibt sich dann die in Tabelle 4 dargestellte Beschaffungs- und

Etatstruktur.

Adalbert Kirchgäßner

143

Tabelle 4: Beschaffungsstruktur nach 10 Jahren

Kostenmodell 10. Jahr Betrag € AnzahlDurch-

schnitts-preis €

Monographien 637.000 11.150 Bände 57Datenbanken 163.000 25 Titel 6.205

Zeitschriftenpakete 1.140.000 500 Titel 2.280

Zeitschriften Einzeltitel 260.000 1.025 Titel 253 2.200.000 12.700

In der Ausgangsperiode hatten die 525 Datenbanken und Zeitschriften, die in den

Paketen der Konsortial- und Nationallizenzen festgeschrieben wurden, 800.000

€ und damit 36 % des Literaturetats gekostet. Für die weiteren 64 % konnten

24.475 Bücher und Zeitschriften eingekauft werden. Im 10 Jahr werden für die

525 festgeschriebenen Titel bereits 1.303.000 €, also fast 60 % des Literaturetats

gebraucht. Um dies bezahlen zu können, müssen die Käufe von Monographien und

nicht in Paketen festgeschriebenen Zeitschriften auf 12.175 Titel reduziert werden.

Dies ist ein Verlust von 12.300 Titeln, die nicht mehr zielgenau für den Bedarf gekauft

werden können. Dafür bekommt die Bibliothek einen sogenannten Mehrwert von

1.370 zusätzlichen Titeln aus den Konsortial- und Nationallizenzen, die aber nicht

nach dem Bedarf der Universität Konstanz ausgesucht werden konnten.

Diese Entwicklung hat Folgen:

• Der Verlust von fast der halben Zugangsmenge ist ein herber Verlust an Information

und bedeutet eine drastische Einschränkung der Informationsvielfalt.

• Die Abbestellungen der Zeitschriften gehen – unabhängig von der Qualität

der Zeitschriften und dem Bedarf der Universität - einseitig zu Lasten der

kleineren Verlage, die nicht die Marktmacht haben, Knebelverträge am Markt

durchzusetzen. Im Zweifel verdrängen Publikationen zweiter Wahl der

Großverlage die besseren Publikationen der kleineren Verlage, die ihren Absatz

nicht mittels langfristiger Verträge sichern können.

• Die Bindung der naturwissenschaftlichen Zeitschriften in Konsortial- und

Nationallizenzen, deren Anteil am Etat kontinuierlich wächst, verdrängt die

Literatur der Sozial- und Geisteswissenschaften, die eher nicht in Paketlizenzen

bezogen wird.

• Zeitschriften und Datenbanken verdrängen die Monographien, die auf

absehbare Zeit weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Literaturversorgung

der Geisteswissenschaften darstellen werden. Es entstehen zwangsläufig

Versorgungslücken.

Schriften der VÖB 5, 137 – 146

144

• Der Anteil, der durch längerfristige Verträge gebundenen Mittel am Gesamtetat

steigt von 36 auf 64 %. Bei weiterer Entwicklung in dieser Richtung ist absehbar,

dass nach weiteren 10 Jahren die langfristigen Verträge den gesamten Etat

aufbrauchen. Der Etat ist immer weniger steuerbar und auf Bedarfsveränderungen

in der Universität kann immer weniger reagiert werden.

HANDLUNGSMÖGLICHKEITEN

Was kann die Bibliothek tun, um diesen absehbaren Folgen zu begegnen? Die

Bibliothek der Universität Konstanz ist derzeit an 15 Verträgen über Konsortial-

oder Nationallizenzen beteiligt. Und die Handlungsmöglichkeiten sind

beschränkt:

• Um den Anstieg der Dauerverpflichtungen zu bremsen und auf Veränderungen

in der Benutzernachfrage zu reagieren, kann man jedes Jahr ein oder zwei

Verträge kündigen und mit oder ohne zeitliche Lücke mit verändertem oder

verringertem Titelspektrum neu einsteigen. Die Verlage werden das nach

Möglichkeit mit kundenunfreundlicher Gestaltung der Vertragsbedingungen

beim Wiedereinstieg behindern, können aber Kündigungen nicht verhindern.

Schwieriger wird es bei diesem Verfahren sein, den Benutzern und Benutzerinnen

verständlich zu machen, dass die Bezugsunterbrechung erforderlich ist, um die

Gesamtversorgung der Universität mit Information sicherzustellen.

• Die Bibliotheken versuchen bereits heute, in die Verträge substantielle

Abbestell-möglichkeiten einzubauen, um wenig stens in engen Grenzen flexibel

zu bleiben. Dies mildert das Problem, behebt es aber nicht.

• Für die Zeitschriften, die in Konsortial- oder Nationallizenzen enthalten sind,

bekommt die Bibliothek Nutzungsstatistiken. An Hand dieser Statistiken

können die Zeitschriften ermittelt werden, bei denen die Nutzung so gering

ist, dass Einzelartikelbezug aus diesen Zeitschriften auch dann lohnender ist,

wenn die Bibliothek dafür zusätzlichen Aufwand erbringen muss. Für diese

Zeitschriften werden die Bibliotheken Zugriffsformen organisieren, die es

ermöglichen, dass die Benutzer/-innen die Titel kostenfrei beziehen können

und die Bibliothek diese mit Sammelrechnungen bezahlt. Dann kann in diesem

Bereich wieder bedarfsorientiert beschafft werden.

• Eine weitere Möglichkeit ist, künftig Verträge verbrauchs orientiert statt

bestands-orientiert zu gestalten. Eine Möglich keit wäre, mit einem Verlag einen

Vertrag über ein Paket von Zeitschriften abzuschließen, und die Bezahlung an

der Anzahl der abgerufenen Dokumente zu orientieren. Die Wissen schaftler/-

innen könnten auf alles, was sie aus diesem Angebot brauchen, zugreifen, aber

es würde nur bezahlt, was tatsächlich genutzt wird. Dann ist es nicht mehr

Adalbert Kirchgäßner

145

erforderlich, zu ent scheiden, ob bei drei oder vier Artikel im Jahr eine Lizenzie-

rung der Zeitschrift oder der aufwendigere Einzelartikelbezug den Benutzern

und Benutzerinnen anzubieten ist.

ZIELVORSTELLUNGEN

Wie können Verträge künftig aussehen, damit die Bibliotheken ihre Benutzer/-innen

bedarfsgerecht versorgen können und die Verlage an der Nutzung statt an historisch

gewachsenen Titelgesamtheiten orientiert bezahlt werden können?

• Flexible Verträge

Konsortialverträge müssen nicht fixe Titel- und Umsatz vereinbarungen

festschreiben. Sie können flexibel gestaltet werden. Auch die Verlage hätten einen

Vorteil davon, wenn die Verträge flexibler werden. Heute sind die Bibliotheken

vorsichtig, wenn sie den Bedarf nicht zutreffend einschätzen können, da sie sich

meist für mehrere Jahre binden müssen. Veränderungen in der Zusammensetzung

des Paketes und auch die Möglichkeit, substantiell abzubestellen, d.h. den

Vertragsumfang deutlich zu reduzieren, gibt die Möglichkeit, auch Verträge

abzuschließen, deren Nutzung nicht sicher zu erwarten ist und diese bei schlechter

Nutzung oder bei Etateinbrüchen auch wieder beenden zu können.

• Rahmenverträge

Rahmenverträge, denen die Bibliotheken beitreten, aus denen sie aber auch

wieder austreten können, ohne den Gesamtvertrag zu gefährden, geben die

Möglichkeit, verlässliche Bedingungen für eine Bibliotheksgruppe auszuhandeln,

aber trotzdem den Bibliotheken die Möglichkeit zu geben, beizutreten, ihren

Anteil aufzustocken oder zu vermindern und bei Notwendigkeit auch wieder

auszusteigen, ohne dass die anderen Vertragsteilnehmer in Mitleidenschaft

gezogen werden.

• Artikeldatenbanken statt Zeitschriftentitel

Einige Anbieter bieten ihre Zeitschriftentitel nicht mehr als Einzeltitel sondern

nur noch als Paket an. Diese Angebote sind dann Artikeldatenbanken, in die

die Artikel eingestellt werden und unabhängig davon genutzt werden können,

in welcher Zeitschrift sie erschienen sind. Die Zeitschriften dienen weiterhin

als Qualifizierungsinstrument für die wissenschaftlichen Beiträge, ohne dass

die einzelne Zeitschrift weiterhin als Marketinginstrument gebraucht wird. Die

Vergütung könnte nach Nutzung oder als Pauschalpreis in Anlehnung an die

Nutzung des oder der Vorjahre gestaltet werden.

• Artikelbeschaffung als Dienstleistung

Die Bibliothek kann den Nutzern und Nutzerinnen Einzelbezug von Artikeln

aus beliebigen Datenbanken anbieten, für die sie die Kosten übernimmt. Dies

Schriften der VÖB 5, 137 – 146

146

erfordert entsprechende Portale, die den unmittelbaren Zugriff der Nutzer/-innen

erlauben und die gesammelte Rechnungs stellung an ihre Institution ermöglichen.

Diese Portale werden in den nächsten Jahren sicherlich entwickelt. Vorstellbar

ist, dass Subito zu einem solchen Portal ausgebaut wird oder die zentralen

Fachbibliotheken solche Portale anbieten werden. Eine solche Dienstleistung

erfordert einen einfachen Zugang für die Benutzer und eine kostengünstige

Abwicklung für die Bibliothek, damit sie flächendeckend etabliert werden

kann.

Ziel dieser Bemühungen ist:

• die Benutzer/-innen der Bibliotheken bedarfsgerecht mit Literatur und

Informationen zu versorgen,

• die Flexibilität zu wahren, auf Bedarfsveränderungen und andere Veränderungen

im Umfeld reagieren zu können und

• für die Bibliotheken wie für die Verlage verlässliche Rahmendaten zu schaffen,

damit tragfähige und bedarfs gerechte Lösungen gefunden werden können.

Erforderlich dafür ist vor allem, die Verlage davon zu überzeugen, dass weder eine

überzogene Festlegung von Inhalten noch ein Festschreiben von Umsätzen auf

Dauer für die Verlage von Vorteil ist. Dies sichert zwar kurzfristig die Umsätze,

sorgt aber dafür, das die Nutzer/-innen der Bibliotheken Alternativen organisieren

werden, um zu verhindern, dass ihre Literaturmittel durch Dienste und Leistungen

verbraucht werden, die sie für ihre wissenschaftlich Arbeit zum großen Teil nicht

brauchen.

Bibliotheken und Verlage werden noch viel Mühe aufwenden müssen, die derzeitigen

Vertragsformen, die nur historische Verhältnisse festschreiben, so umzugestalten, dass

die künftige Literatur- und Informationsversorgung optimal gestaltet werden kann.

ADRESSE DES AUTORSDr. Adalbert Kirchgäßner

Universität Konstanz

Universitätsstraße 10, 78457 Konstanz

E-Mail: [email protected]

www.uni-konstanz.de

Adalbert Kirchgäßner

147

ÖGDI-PREIS FÜR INFORMATION UND DOKUMENTATION

BIBLIOTHEKEN IN ÖSTERREICHISCHEN JUSTIZANSTALTEN [1]

VERENA KERN

ABSTRACT

Der folgende Beitrag beschreibt die Situation von Gefängnis bibliotheken in Österreich,

basierend auf den Ergebnissen der Diplomarbeit „Bibliotheken in österreichischen

Justizanstalten“. Einleitend wird die geschichtliche Entwicklung bis hin zum Status

Quo, über den bis jetzt kaum etwas publiziert wurde, geschildert. In Zusammenhang mit

diesem Bibliothekstyp steht auch immer die Frage nach der freien Literaturversorgung in

Justizanstalten, im Sinne des Grundrechts auf Informationsfreiheit. Rechtliche Grundlagen

sowie die länderübergreifenden IFLA Empfehlungen für Gefangenen büchereien sind

als rechtliches Rahmenwerk eine wichtige Referenz, die ausführlich erwähnt werden.

Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört der Vergleich zwischen öffentlichen Bibliotheken

und Gefängnisbibliotheken, da letztere angewiesen sind, sich am Standard öffentlicher

Bibliotheken zu orientieren. Die IFLA Richtlinien f inden in Österreich teilweise

Anwendung.

EINLEITUNG

Über Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten ist wenig bekannt. Auch in

der österreichischen Medienlandschaft fristeten sie bislang ein Schattendasein.

Zumindest solange, bis im Februar 2006 bekannt wurde, dass sich Werke des

umstrittenen britischen Historikers und Holocaust-Leugners David Irving in den

Bibliotheken der Justizanstalten Graz Jakomini, St. Pölten und Klagenfurt befanden.

Daraufhin wurde das Thema von den Medien und der Politik erstmalig aufgegriffen

und es folgte eine kritische Auseinandersetzung. Die Medienberichterstattung warf

jedoch mehr Fragen auf, als sie beantworten konnte. Wer leitet diese Bibliotheken?

Welche Bücher können dort entlehnt werden? Auf welchem Stand befinden sich diese

Bibliotheken, die laut § 59 StVG in jeder österreichischen Justizanstalt einzurichten

sind? Viele offene Fragen, die sich auch durch das Internet, eine sonst so reichhaltige

Schriften der VÖB 5, 147 – 155

148

Informationsquelle, nicht beantworten lassen. Die Diplomarbeit „Bibliotheken in

österreichischen Justizanstalten“ (Kern, 2007), die im Rahmen der Preisverleihung

für den ÖGDI Förderpreis 2007 auf der ODOK’07 vorgestellt wurde, greift diesen

Informationsbedarf auf und beschäftigt sich mit dem Stand von Bibliotheken

österreichischer Justizanstalten vor dem Hintergrund bibliothekarischer Arbeit im

Strafvollzug im Allgemeinen. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die

wichtigsten Ergebnisse der Diplomarbeit gegeben, um einen aktuellen Einblick in

die Situation österreichischer Gefängnisbibliotheken zu ermöglichen.

GESCHICHTE DER GEFÄNGNISBIBLIOTHEKEN

Gefängnisbibliotheken in Österreich, Deutschland und den USA haben eine sehr

ähnliche Entstehungsgeschichte, die in den USA bis Ende des 19. Jahrhunderts, und

in Deutschland und Österreich bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Die

bedeutendsten Abschnitte dieser Entwicklung werden nun geschildert.

Gefängnisbibliotheken dienten dem Zweck, Inhaftierte durch religiöse Literatur

auf den rechten Weg zurückzuführen, sie durch so genannte „Gebets- und

Erbauungsbücher“ (Peschers, 2001) zu erziehen, keinesfalls jedoch durch Literatur

zu unterhalten. Außerdem wurde die Bibliothek nach Glaubensrichtungen unterteilt.

Die Literatur wurde vom Gefängnisseelsorger individuell ausgewählt und empfohlen,

dem Büchertausch unter den Inhaftierten versuchte man entgegenzuwirken. Die

Bestände waren bescheiden, wenn sich auch die Anzahl zugelassener Genres bis

zum Ende des 19. Jahrhunderts in allen Ländern bereits etwas erhöht hatte. In den

USA wurden die strengen Auswahlgrundsätze der Literatur bereits früher gelockert

als in Europa. Neben religiösen Schriften galten fortan auch Erzählungen, Reise-

und Naturbeschreibungen sowie technische Bücher als taugliche Literatur für die

Gefängnisinsassen.

Die Bibliothek bewährte sich auf zweierlei Gebiet: einerseits hatte sie erzieherischen

Einfluss auf den Inhaftierten, andererseits trug sie zur Sicherheit innerhalb der

Justizanstalt bei: „Zu mancher Explosion des Gefangenen kommt es nicht, weil er liest.“

(Peschers, 2001). Die Anforderungen an den Bibliothekar, meist ein Lehrer, stiegen

kontinuierlich. Er wurde angewiesen, sich intensiver um den Aufbau seines Bestandes

zu kümmern, Bücherwünsche anzunehmen und sich mit anderen Bibliothekaren

auszutauschen.

Mit dem Nationalsozialismus kehrte eine strenge Zensur in die Bibliotheken ein.

„Undeutsche“ Schriften wurden ausnahmslos aus den Beständen entfernt. Auch

Verena Kern

149

Teile der Bibel fielen der Zensur zum Opfer, nach 1942 war nur noch das neue

Testament erlaubt. Der Strafvollzug erlebte eine starke Ausrichtung auf Erziehung

mit nationalsozialistischem Hintergrund. Die Möglichkeit zur Ausleihe wurde

von der Abstammung abhängig gemacht. Zwischen 1933 und 1938 wurden

mehr Bücher ausgesondert als angeschafft, bis schließlich alle unerwünschten

Bücher entfernt waren. Zu dieser Zeit war juristische Literatur generell verboten.

Die Eingriffe der Nationalsozialisten waren tief und reichten von der strengen

Zensur bis zu Anordnungen zum Bestandsaufbau (Peschers, 2001). Das Ende des

nationalsozialistischen Regimes brachte auch ein Ende der strengen Zensur und

eine neue Ausrichtung auf die Werte, die im Strafvollzug vor 1933 zum Tragen

gekommen waren. Nationalsozialistische Lektüre wurde ausgesondert und man

war darauf bedacht, ein möglichst breites Spektrum an unterschiedlichen Genres

anzubieten.

Ein Meilenstein in der Geschichte der Gefängnisbibliotheken waren die sechziger

Jahre, in denen die Bibliotheken in Deutschland und Österreich in den jeweiligen

Strafgesetzen rechtlich verankert wurden. In den Siebzigern war der Standard der

meisten Bibliotheken jedoch sehr niedrig, der Bestand dürftig und die Einstellung

der Justiz gegenüber den Bibliotheken kritisch. Ein Handlungsbedarf in der

Verbesserung der Bibliotheken wurde lange nicht erkannt, „[…] es herrschte die

Meinung, die Gefangenen sollen Dostojewski lesen – die Haft sollte schließlich kein

Vergnügen sein.“ (Freundsberger & Mann, 1993). Man argumentierte, dass Bücher von

den Inhaftierten nicht zu schätzen gewusst und missbräuchlich verwendet würden.

Ein Umdenken fand langsam statt, ein wichtiger Schritt war die Eingliederung der

Bibliotheken als außerordentliche Mitglieder des Büchereiverbandes Österreich.

INFORMATIONSFREIHEIT FÜR INHAFTIERTE

Wie aus der Entstehungsgeschichte hervorgeht, spielten die Grundsätze

der Literaturauswahl in diesen Bibliotheken seit je her eine große Rolle.

Gefängnisbibliotheken stehen symbolisch für das Grundrecht auf Informationsfreiheit,

wie in Artikel 10 der europäischen Menschenrechtskonvention beschrieben. Denn

dieses Grundrecht auf freien Informationszugang bleibt auch in Haft bestehen.

Ein Mensch in Haft leistet keinen Verzicht auf das Recht auf Lesen oder auf

Informationsfreiheit. Dieses Recht darf jedoch verhältnismäßig eingeschränkt werden

– konkret bedeutet dies, sobald die Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt

gefährdet werden könnte, zum Beispiel durch Literatur über Kampfsportarten,

Tätowierkunst oder Waffentechnik. In den österreichischen Justizanstalten ergab

eine Fragebogenerhebung [1], dass in 60 Prozent der Bibliotheken eine Liste von

Schriften der VÖB 5, 147 – 155

150

Autoren bekannt ist, deren Werke nicht in den Bibliotheken vorhanden sein dürfen.

Zu diesen Autoren zählen u.a. David Irving, Norbert Burger, Andreas Mölzer,

Gerd Honsik, Herbert Schweiger sowie der Scientology Gründer L. Ron Hubbard.

Dies geht auf einen parlamentarischen Erlass des Bundesministeriums für Justiz

zurück. In deutschen Justizvollzugsanstalten größtenteils verboten ist Literatur

zur RAF sowie „Der Ratgeber für Gefangene und Patienten mit medizinischen und

juristischen Hinweisen“ (Hrsg. Knastratgeber Redaktion), zuletzt erschienen 1989 im

Verlag Schwarze Seele. Der Ratgeber entstand in Zusammenarbeit mit Inhaftierten,

Juristen und Gefängnisseelsorgern und enthält Informationen über die Rechte der

Inhaftierten sowie nützliche Verhaltensregeln. Begründet wird dieses Verbot dadurch,

dass der Ratgeber die Sicherheit und Ordnung bzw. das Vollzugsziel gefährde, da die

Autoren das Gefängnissystem in Frage stellen und bei den Gefangenen „aggressives

Verhalten erzeugen oder verstärken“ (Feest, 1991).

RECHTLICHE GRUNDLAGEN VON GEFÄNGNISBIBLIOTHEKEN

Die rechtlichen Grundlagen österreichischer Gefängnisbibliotheken basieren auf

dem österreichischen Strafvollzugsgesetz (fortan StVG), den European Prison Rules

und den 40 Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen der United

Nations. Im Gegensatz zu öffentlichen Bibliotheken in Österreich, denen nach wie

vor die rechtliche Grundlage fehlt, sind Gefängnisbibliotheken durch § 59 StVG

verankert. Das StVG sieht weiters vor, dass Inhaftierten die Anschaffung eigener

Bücher und Zeitschriften erlaubt ist. Diese Möglichkeit zählt zu den wichtigsten

Grundrechten der Inhaftierten (Gratz & Timm, 2006). Dies setzt jedoch voraus,

dass die jeweiligen literarischen Anschaffungen die Sicherheit und Ordnung in der

Justizanstalt nicht beeinträchtigen. Deshalb können Zeitungen und Zeitschriften

für den persönlichen Gebrauch auch nur über die Anstalt bezogen werden. Von

derzeit (Stand 1. Januar 2007) rund 8.600 Inhaftierten in Österreich sind laut

Justizministerium circa 3600 keine österreichischen Staatsbürger (Bundesministerium

für Justiz, 2007). Dies entspricht einem prozentuellen Anteil von knapp 42

Prozent. Diese sollen laut StVG durch die Anschaffung fremdsprachiger Literatur

berücksichtigt werden. Ähnliche Empfehlungen gibt es auf europäischer Ebene

durch die European Prison Rules des europäischen Ministerrates. Demnach sollen

in jeder Strafvollzugsanstalt Bibliotheken vorhanden, und allen Inhaftierten frei

zugänglich sein. Weiters empfohlen wird eine große Auswahl an unterschiedlichen

Medien. Außerdem soll eine enge Zusammenarbeit mit öffentlichen Bibliotheken

erfolgen. Zur Religionsausübung sollte es jedem Inhaftierten gestattet sein, religiöse

Literatur zu besitzen. Da es sich bei den European Prison Rules lediglich um

Empfehlungen handelt, sind die EU Mitgliedsländer gesetzlich nicht zur Umsetzung

Verena Kern

151

verpflichtet. Werden die Empfehlungen missachtet, so besteht aber zumindest eine

faktische Begründungspflicht (Feest, 2004). Bereits 1955 fand sich in den „40

Mindestgrundsätzen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen“

die Einrichtung einer Bibliothek für Inhaftierte. So heißt es im 40. Grundsatz, „jede

Anstalt hat eine Bücherei einzurichten, die allen Gefangenen zur Verfügung steht und

über eine genügende Auswahl an Unterhaltungsliteratur und Sachbüchern verfügt; die

Gefangenen sind zu ermutigen, davon ausgiebig Gebrauch zu machen.“ (United Nations,

1955). Diese Mindestgrundsätze dienen als Anregung für die Strafvollzugssysteme

der Mitgliedsländer, sind jedoch ähnlich den Empfehlungen des europäischen

Ministerrates nicht umsetzungspflichtig. Von der UNESCO wurde 1994 eine Lese-

Charta veröffentlicht, die festhält, dass Lesen ein universales Recht sei (Lehmann &

Locke, 2006). Dies lässt die Feststellung zu, dass der Zugang zum Lesen niemandem

verwehrt bleiben darf.

IFLA RICHTLINIEN FÜR GEFÄNGNISBIBLIOTHEKEN

Die IFLA Richtlinien für Gefangenenbüchereien wurden im Jahre 1995 erstmalig

von der IFLA Sektion „Bibliotheken für benachteiligte Personen“ publiziert, und

erschienen 2006 in der 3. Auflage. Die Richtlinien wurden basierend auf einer

Fragebogenerhebung unter Gefängnisbibliothekaren in 25 Ländern entwickelt. Sie

setzen sich aus einer Reihe von Empfehlungen zusammen, die unter anderem die

Verwaltung, die Ausstattung oder den Medienbestand von Gefängnisbibliotheken

behandeln. Die IFLA Richtlinien dienen als praktisches Instrument, um das

Bibliotheksangebot von Gefängnisbibliotheken zu entwickeln bzw. ein vorhandenes

Angebot zu evaluieren. Die zahlreichen Empfehlungen sind sehr allgemein formuliert,

und können dadurch leicht auf örtliche Verhältnisse abgestimmt werden. Generell

gilt in Österreich, wie auch in Deutschland oder den USA, dass der Standard

von Gefängnisbibliotheken dem von öffentlichen Bibliotheken entsprechen soll.

Sämtliche Empfehlungen zur Ausstattung orientieren sich daher an den Richtlinien

öffentlicher Bibliotheken, sofern solche vorhanden sind. Ist dies, wie in Österreich,

rechtlich gesehen nicht der Fall, lassen sich andere Empfehlungen heranziehen. Zu

den wichtigsten Empfehlungen gehören jene der IFLA.

Die Umsetzung der IFLA Richtlinien in Österreich erfolgt teilweise. Wie in den

IFLA Richtlinien vorgesehen, werden die Lesebedürfnisse fremdsprachiger Insassen

berücksichtigt, wenn auch nicht prozentuell entsprechend dem Anteil fremdsprachiger

Inhaftierter, der in Österreich um die 41,9 Prozent liegt (Bundesministerium für

Justiz, 2007). Der Anteil fremdsprachiger Literatur am Gesamtbestand liegt im

Mittelwert bei 17,3 Prozent. Auch werden die laut IFLA formulierten Ziele von

Schriften der VÖB 5, 147 – 155

152

Gefängnisbibliotheken – die Entwicklung von Lesefertigkeiten sowie die Chance

persönlichen und kulturellen Interessen nachzugehen - durch die vielen verschiedenen

Genres in allen Bibliotheken erreicht. Die Auflage, einen Mindestbestand von zehn

Titel pro Insasse zu führen, wird von den meisten Justizanstalten erfüllt. Keine der

Bibliotheken hat einen kleineren Bestand als 1000 Bücher. Mehr als die Hälfte

(56%) der Bibliotheken verfügen über einen Bestand zwischen 5.001 und 10.000

Büchern. In zwei Justizanstalten liegt der Bestand sogar über 10.000 Büchern.

Die Vorgabe, 20 Zeitschriftenabonnements zu führen wird in den Bibliotheken

nicht erfüllt, dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass Zeitschriften und

Zeitungen von den Inhaftierten wöchentlich angekauft werden können. Was

andere Materialien betrifft, so haben alle bis auf vier Bibliotheken einen Bestand

an anderen Medien. Eine Vorgabe der IFLA, wie viele andere Medien vorhanden

sein sollten, gibt es nicht. Die Empfehlung, den Inhaftierten Computerzugänge

zu Informations-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken bereitzustellen, ist in

österreichischen Justizanstalten nicht Aufgabe der Bibliotheken und wird teilweise

durch eigene PC-Schulungsräume erfüllt, wo der Schwerpunkt auf Bildung und

Information, nicht auf Unterhaltung liegt. Internetzugang haben die Inhaftierten in

keiner der Justizanstalten. Die IFLA Richtlinien sehen vor, dass jede Bibliothek von

mindestens einem qualifizierten Beamten geleitet werden soll. Dies ist in Österreich

nicht zutreffend. Drei Bibliotheken werden ausschließlich von Inhaftierten verwaltet.

Andererseits wird die Bibliothek der JA Jakomini sogar von fünf Beamten betreut.

Auch ist in einigen Justizanstalten, die weniger als 500 Haftplätze haben, mehr als

ein Beamter in der Bibliothek zuständig, während die IFLA Richtlinien erst ab 500

Insassen zwei Vollzeitbibliothekare vorsehen. Eine zulässige Aussage über die von der

IFLA empfohlenen wöchentlichen Arbeitsstunden (24 Stunden bei 0-300 Insassen

bzw. 30 Wochenstunden bei 301 bis 499 Insassen) und die tatsächliche Arbeitszeit

kann nicht gemacht werden, da die Bibliotheken von Freizeitkoordinatoren geleitet

werden, die teilweise ihr Büro in der Bibliothek haben, und von dort aus auch

anderen Aufgaben nachgehen. Die zuständigen Justizwachebeamten kennen sich

größtenteils untereinander und tauschen sich auch über die Bibliotheksarbeit aus.

Dazu gehören unterschiedliche Themen wie Medienverwaltung, Bücherankauf,

oder auch Veranstaltungen. In den meisten Bibliotheken nutzen 25 bis 50%

der Inhaftierten die Bibliothek. Ihre bibliothekarischen Kenntnisse konnten

sich die Beamten überwiegend in Kursen oder Seminaren des österreichischen

Bibliotheksverbandes erarbeiten.

Verena Kern

153

ZUSAMMENFASSUNG UND ERGEBNISSE

Bibliotheksarbeit im Strafvollzug wird der sozialen Bibliotheksarbeit zugeordnet. Im

Unterschied zu anderen Bibliotheken wird die Bibliotheksarbeit in Justizanstalten

durch einige Faktoren erschwert. Sicherheit spielt eine größere Rolle als

Informationsfreiheit. Es gibt eine große Anzahl schwieriger Benutzer mit einer hohen

Analphabetenrate und einem generell eher niedrigen Bildungsniveau. Suchtprobleme

und psychische Probleme unter den Inhaftierten sind verbreitet. In vielen

Haftanstalten ist der Anteil sprachlicher Minderheiten groß. Der Bestandsaufbau

wird durch budgetäre Engpässe und breit gestreute Buchspenden, die keine gezielte

Sammlungspolitik ermöglichen, erschwert. Die Anforderungen an das Personal sind

hoch, Isolation und schnelles Burnout im schwierigen Arbeitsumfeld verbreitet.

Dennoch haben auch die Benutzer einer Gefängnisbibliothek Lesebedürfnisse, die

nach Möglichkeit berücksichtigt werden sollen.

Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten orientieren sich durchaus am

Standard öffentlicher Bibliotheken, ein zuverlässiger Vergleich ist aber insofern

problematisch, als ein solcher Standard für öffentliche Bibliotheken in Österreich

rechtlich nicht definiert ist. Denn während die Bibliotheken in österreichischen

Justizanstalten rechtlich durch § 59 StVG verankert sind, gibt es kein Gesetz für

die Einrichtung öffentlicher Bibliotheken. Einerseits zeigt sich die Tendenz, dass

das Lesen durch das Fernsehen zurückgedrängt wird, gerade in den Justizanstalten

sehr stark. Von anderen technologischen Entwicklungen wie dem Internet sind die

Inhaftierten aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen. Ob sie nach ihrer Haftzeit den

Anschluss an diese Entwicklungen finden können, bleibt fraglich. Der Standard

öffentlicher Bibliotheken, wird zum Beispiel durch die Vielfalt an angebotenen Genres

in allen Justizanstalten erreicht. So wie die Benutzer jeder anderen Bibliothek, haben

Inhaftierte sehr breit gestreute Leseinteressen. Der Erfolg einer Gefängnisbibliothek

ist immer wesentlich vom Engagement der zuständigen Beamten, aber auch stark

davon abhängig, welchen Stellenwert die Bibliothek für die Anstaltsleitung einnimmt.

Eine aktive Bewerbung der Bibliothek ist unerlässlich, da viele der Inhaftierten vor

ihrer Haftzeit keine Bibliotheksbenutzer waren und erst während der Haftzeit zu

Lesern werden. Dass den Inhaftierten ein völlig freier Informationszugang verwehrt

bleibt und das Grundrecht auf Informationsfreiheit zugunsten der Sicherheit und

Ordnung in den Justizanstalten eingeschränkt wird, ist nachzuvollziehen, solange

es sich dabei um eine verhältnismäßige Einschränkung handelt. Materialien, die

aufgrund ihres Inhalts im Bestand einer öffentlichen Bibliothek nicht vorhanden

sind, sollten auch nicht in Gefängnisbibliotheken vorhanden sein. Fünfzehn der

befragten Bibliotheken berufen sich auf eine Liste vom Bundesministerium für

Justiz, die Autoren anführt, deren Werke nicht im Bestand enthalten sein dürfen.

Schriften der VÖB 5, 147 – 155

154

Die Ergebnisse zeigen, dass Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten seit

Jahren ein fester Bestandteil der Freizeitgestaltung von Inhaftierten sind und die

ihnen zugedachte Aufgabe, Inhaftierten einen Informationszugang zu bieten,

der sich positiv auf ihren Haftverlauf ausüben kann, erfüllen. Doch auch für die

Justizanstalt selbst ergibt sich durch die JA-Bibliotheken ein nicht unwesentlicher

Nutzen. In „totalen Institutionen“, wie Justizanstalten es sind, ist Sicherheit ein

Zustand, der 24 Stunden lang erzeugt werden muss (Gratz, 2006). Bibliotheken

können einen Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit liefern, indem sie den

Inhaftierten eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung bieten, die eine Alternative zu

sicherheitsgefährdendem Verhalten darstellt. Die Benutzung der Bibliothek durch

die Inhaftierten kann zu einem positiven Haftverlauf beitragen, und den Inhaftierten

ein Gefühl von Entscheidungsfreiheit in einem stark fremdbestimmten Umfeld

vermitteln.

LITERATURVERZEICHNISBundesministerium für Justiz (2007). Strafvollzug in Österreich – Justizanstalten.

Statistische Daten. http://www.justiz.gv.at/justiz/content.php?nav=50. Link zuletzt

geprüft am 16.04.2007

Feest, J. (1991). Über den Umgang der Justiz mit Kritik. Am Beispiel von juristischen

Ratgebern für Gefangene. KritJustiz Band: 253-264.

Feest, J. (2004, April 12). Europäische Gefängnisregeln. http://www.strafvollzugsarchiv.

de/index.php?action=archiv_beitrag&thema_id=6&beitrag_id=12&gelesen=12&PHPS

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Freundsberger, A. & Mann, P (1993). Lesen hinter Gittern. Zeitschrift für Büchereien:

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Gratz, Wolfgang (2006). Vorlesungsskriptum Strafvollzug. http://www.fbz-strafvollzug.

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Gratz, W. & Timm, C. (2006). Strafvollzug in Österreich. Fortbildungszentrum

Strafvollzug. http://www.fbz-strafvollzug.at/aktuell/wolfgang_gratz_fr.html. Link

zuletzt geprüft am 28.02.2008

Kern, V. (2007). Bibliotheken in österreichischen Justizanstalten. Diplomarbeit Fachhoch-

schule Burgenland, Fachhochschul-Bachelorstudiengang Informationsberufe

http://eprints.rclis.org/archive/00007302/. Link zuletzt geprüft am 17.07.2008

Lehmann, V. & Locke, J. (2006). Richtlinien für Gefangenenbüchereien. 3. Aufl. The

Hague: IFLA. http://www.ifla.org/VII/s9/nd1/iflapr-95.pdf. Link zuletzt geprüft am

11.11.2006

Peschers, G. (2001). Gefangenenbüchereien als Zeitzeugen. Streifzug durch die Geschichte

der Gefangenenbüchereien seit 1850. Zeit schrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe

2001 (1): 30 – 36.

Verena Kern

155

United Nations (1955). Mindestgrundsätze für die Behandlung von Gefangenen.

http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/gefangene.pdf. Link zuletzt geprüft

am 16.04 2007

ANMERKUNGEN1 Die hier dargestellten Ergebnisse wurden im Rahmen der Diplomarbeit „Bibliotheken

in österreichischen Justizanstalten“ (Kern, 2007) erarbeitet. http://eprints.rclis.org/

archive/00007302/ Link zuletzt geprüft am 17.07.2008

ADRESSE DER AUTORINMag.a (FH) Verena Kern

Universitätsbibliothek TU Graz

Technikerstraße 4, 8010 Graz.

E-Mail: [email protected]

Schriften der VÖB 5, 147 – 155

156

157

RFID IN DER HAUPTBÜCHEREI WIEN BERNHARD WENZL

ABSTRACT

2003 bezog die Hauptbücherei Wien ihr neues Gebäude am Urban-Loritz-Platz. Seither

bildet Radio Frequency Identif ication (RFID) die Grundlage für die Einarbeitung,

Verbuchung und Sicherung der Medien. Ihr RFID-System umfasst 300.000

Funketiketten, mehr als zwei Dutzend Lesegeräte und die softwaremäßige Anbindung an

weiterverarbeitende Systeme. Das Personal arbeitet die mit einem Funketikett versehenen

Neuerwerbungen ins Bibliothekssystem ein. Die Benutzer führen die Ausleihe der Medien

an Selbstverbuchungsgeräten durch. Durchgangsschleusen an den Ein- und Ausgängen

verhindern den Diebstahl unverbuchter Medien. Damit hat der Einsatz der RFID-Technik

zur Kosteneinsparung und Effizienzsteigerung an der Hauptbücherei Wien beigetragen.

RADIO FREQUENCY IDENTIFICATION

RFID bezeichnet ein technisches Verfahren zur berührungslosen Datenübertragung

mittels Funkwellen. Sie dient zur verlässlichen Kennzeichnung und Ortung von

Objekten und wird daher den Auto-ID-Systemen zugerechnet. RFID wurde in den

1970er Jahren zur Diebstahlsicherung von Waren [1] und zur Kennzeichnung von

Tieren eingesetzt. Heute kommt diese Technik in vielen Bereichen zur Anwendung:

die Wegfahrsperre im Fahrzeugschlüssel, die Zutrittskontrolle zu Gebäuden

und Skiliften, die Gebührenberechnung auf Mautstraßen, die Zeiterfassung bei

Sportveranstaltungen, die Patientenidentifikation in Kliniken, die Lokalisation von

Gepäckstücken auf Flughäfen.

RFID-Systeme bestehen grundsätzlich aus drei Teilen (siehe Abbildung 1):

Funketikett (Transponder, [2]), Lesegerät (Reader, [3]) und Rechner (Computer).

Während das Funketikett unmittelbar am zu identifizierenden Objekt angebracht ist,

befindet sich das Lesegerät an der Stelle, an der die Identifikation erfolgen soll. Das

Funketikett besteht aus einer Antenne, einem Mikrochip mit integriertem Speicher

und einer Schutzhülle, das Lesegerät besitzt eine Antenne, eine Übertragungseinheit,

eine Kontrolleinheit und eine externe Schnittstelle. Das Funketikett wird von einer

Batterie oder einem mit Induktionsstrom versorgten Kondensator betrieben, das

Lesegerät ist direkt an das Stromnetz angeschlossen. Über eine externe Schnittstelle

ist das Lesegerät mit einem Rechner verbunden, dessen Software-Applikation die

Kommunikation steuert und die Auswertung der Daten übernimmt. Die Grundlage

Schriften der VÖB 5, 157 – 165

158

für die berührungslose Datenübertragung zwischen dem Funketikett und dem

Lesegerät bilden elektromagnetische Wellen.

Abbildung 1: Schematischer Aufbau eines RFID-Systems

Die Betriebsfrequenz zählt zu den wichtigsten Leistungsmerkmalen eines RFID-

Systems. Es gilt die allgemeine Regel, dass Reichweite und Lesegeschwindigkeit

bei höherer Frequenz zunehmen. Gegenwärtig stehen drei Frequenzbänder mit

unterschiedlicher Reichweite [4] zur Verfügung:

• Langwellenbereich (Low Frequency, LF):

120-135 kHz mit bis zu 1,5 cm

• Kurzwellenbereich (High Frequency, HF):

13,56 MHz mit bis zu 1 m

• Ultrakurzwellenbereich (Ultra-High Frequency, UHF):

850-950 MHz, 2,4-2,5 GHz und 5,8 GHz bis zu 15 m

Bezüglich der Energieversorgung werden drei Typen von Funketiketten unterschieden.

Aktive Funketiketten besitzen eine eigene Batterie zur Stromversorgung.

Passive Funketiketten beziehen Energie durch Induktion, d.h. sie entziehen dem

elektromagnetischen Feld Energie und speisen damit einen kleinen Kondensator.

Daneben gibt es hybride Funketiketten mit einer eigenen Batterie, die bei Aktivierung

durch das Lesegerät mittels Induktion immer wieder von neuem aufgeladen wird.

Funketiketten liegen in einer Vielzahl von Bauformen vor. In Bibliotheken kommen

Klebeetiketten zum Einsatz. Da sie sich mit Hilfe eines RFID-Druckers beliebig

– üblicherweise mit Eigentumsvermerk, Firmenlogo oder Strichcode – bedrucken

lassen, bieten sie sich als ideales Trägermedium beim allmählichen Wechsel von

der Strichcode- zur RFID-Technik an. Die Inlays bilden das Basismaterial für die

Klebeetiketten und bestehen aus drei Komponenten: Mikrochip, Aluminiumantenne

und Kondensator. Die Frequenz der Inlays ist so vorverstimmt, dass sie erst in

Kombination mit dem Etikettenmaterial und dem Untergrund, auf den es später

geklebt wird, die optimale Leistung entfaltet. Die bedruckten Klebeetiketten können

nur auf nicht-metallische Flächen aufgebracht werden. Für Metallflächen gibt es

eigene Etiketten.

Bernhard Wenzl

159

Auch wenn alle Lesegeräte technisch gleich aufgebaut sind, haben sich ein paar

Grundmodelle herausgebildet. Grundsätzlich werden stationäre und mobile

Bauformen unterschieden. Zu den häufigsten stationären Lesegeräten zählen

Einzelantennen, Durchgangsleser für Menschen oder Waren an Ein- und

Ausgängen und Tunnelleser mit einem angeschlossenen Förderband auf Flughäfen

und in Verteilerzentren. Handlesegeräte werden zu den mobilen Systemen gerechnet.

Sie sind für die unterschiedlichsten Anwendungen gebaut, wobei die geringe

Lesereichweite von maximal 20 cm eine wesentliche Einschränkung darstellt.

RFID-Anwendungen lassen sich in geschlossene und offene Systeme trennen.

Bei geschlossenen Systemen können die Funketiketten wiederverwendet werden.

In Folge der Wiederverwendbarkeit lohnt es sich, auch teure Funketiketten in

kleinen Mengen einzusetzen. Vorrangige Aufgabe dieser nicht standardisierten

Funketiketten ist die innerbetriebliche Steuerung von Arbeitsprozessen. Indessen

werden die Funketiketten in offenen Systemen nur einmal genutzt. Der Kostendruck

ist weit höher, weil die Funketiketten in größeren Mengen benötigt werden. Sie sind

standardisiert, um nicht von einem einzelnen Lieferanten abhängig zu sein und allen

beteiligten Parteien das Lesen der Funketiketten zu erleichtern. Die Funketiketten

werden hauptsächlich zu überbetrieblichen Kontrollzwecken eingesetzt.

In Bibliotheken stehen RFID-Systeme seit zehn Jahren zur Verbuchung, Sicherung

und Inventarisierung des Medienbestandes in Verwendung. Bibliotheken stellen

in sich geschlossene Systeme dar, in denen größere Mengen von Funketiketten

wiederverwendet werden. Nach der Anlieferung werden die Medien mit einem

Funketikett versehen und ins Bibliotheksverwaltungssystem eingegeben. Die Medien

werden in die Regale eingereiht und gelangen so in den Kreislauf der Ausleihe. Hat

der Benutzer Medien entnommen, begibt er sich zu einem Selbstverbuchungsgerät.

Dort identifiziert er sich mittels Besucherkarte und legt die Medien im Stapel

auf die Arbeitsfläche des Lesegeräts. Die Medien werden auf das persönliche

Konto des Benutzers verbucht und für die Mitnahme nach Hause entsichert. Nun

lösen die Medien keinen Alarm mehr beim Durchgangsleser am Ausgang aus.

Nach erfolgter Rückgabe – entweder am Rückgabegerät durch den Benutzer oder

am Rücknahmeschalter durch das Bibliothekspersonal – werden die Medien ins

Bibliotheksverwaltungssystem zurückgebucht, wieder mit dem Diebstahlschutz

versehen, durch eine Sortieranlage geschleust und schließlich in die Regale geräumt.

Zudem kann das Bibliothekspersonal in regelmäßigen Abständen mit einem

Handlesegerät eine Inventur der Medien durchführen.

Schriften der VÖB 5, 157 – 165

160

HAUPTBÜCHEREI WIEN

2001 fiel die Entscheidung für den Einsatz der RFID-Technik an der Hauptbücherei

Wien. Anlass für diesen Entschluss war der bevorstehende Neubau am Urban-

Loritz-Platz, die Gründe dafür waren indes andere. Schon damals war die finanzielle

Situation der Büchereien Wien von steigenden Kosten für Personal und AV-Medien

gekennzeichnet. Gleichzeitig wurde seitens der zuständigen Magistratsabteilung

signalisiert, dass das Budget in den kommenden Jahren nicht mehr nennenswert

erhöht werden könne. Damit standen die zu erwartenden Gelder in krassem

Gegensatz zum internen Vorhaben, durch eine organisatorisch-inhaltliche

Verbesserung und die Aufstockung des Bestands mit neuen Medien mehr Besucher

zu gewinnen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen sah sich die Leitung der

Hauptbücherei Wien zu einer logistisch-technischen Neuerung veranlasst. Zunächst

weckten Fachartikel in bibliothekswissenschaftlichen Zeitschriften das Interesse an

der RFID-Technik. Später wurden Referenzbüchereien im Ausland besichtigt und

zusätzliche Informationen bei einschlägigen Unternehmen eingeholt. Schließlich

stand fest, dass nur die Automatisierung der Arbeitsabläufe auf Basis von RFID die

gewünschte Kostenreduktion und die angestrebte Effizienzsteigerung gewährleisten

konnte [5].

Die Hauptbücherei Wien knüpfte große Erwartungen an den Einsatz der

RFID-Technik. Der Bibliothek versprach RFID die Möglichkeit zur schnelleren

Titelaufnahme [6], zügigeren Verbuchung, einfacheren Bestandskontrolle,

verlässlicheren Diebstahlsicherung und automatisierten Vorsortierung der

Medien. Dies wiederum sollte sich in beschleunigten Medienflüssen, verbesserten

Serviceangeboten und einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit niederschlagen.

Christian Jahl erklärt dazu rückblickend: „Die neue Technologie erschien uns

als Chance, Abläufe bei der Einarbeitung der Medien, die Verbuchung und

Diebstahlsicherung zu vereinfachen. Sie verspricht uns die Möglichkeit, in absehbarer

Zeit Personal aus der Verbuchung für die Beratung frei spielen zu können“ ( Jahl,

20039. Den Benutzern sollte RFID kürzere Wartezeiten durch die Pulkverbuchung,

die bequeme Ausleihe in der Selbstverbuchung und die stressfreie Rückgabe

außerhalb der regulären Öffnungszeiten bringen. Auch mehr Betreuung durch das

fachkundige Bibliothekspersonal, ein besser geordneter Medienbestand, die raschere

Verfügbarkeit der Medien und eine Ausweitung der Öffnungszeiten wurden in

Aussicht gestellt.

Der Entscheidung der Hauptbücherei Wien für den Einsatz der RFID-Technik folgte

eine Ausschreibung. Das Auswahlverfahren gewann ein Kooperationsprojekt aus drei

führenden Unternehmen der RFID-Branche. Der österreichische Halbleiterhersteller

Bernhard Wenzl

161

Infineon Technologies AG fertigte die kreditkartengroßen Funketiketten. Ihr

Herzstück bildet der „my-d“-Chip, der bis zu 10 Kilobit Daten speichert, den ISO

15693 Standard erfüllt und mit einer Frequenz von 13,56 MHz betrieben wird. Die

ekz-Bibliotheksservice GmbH ist ein namhafter Bibliotheksausstatter aus Reutlingen,

der in Zusammenarbeit mit Infineon das RFID-System EasyCheck entwickelte und

als Vertriebspartner [7] der Bibliotheca RFID Library Systems AG auftrat. Das in

Zug ansässige Unternehmen ist ein auf Bibliotheken spezialisierter Systemintegrator,

der bereits zuvor Büchereien in der Schweiz, Belgien und Deutschland mit RFID-

Systemen ausgerüstet hatte. Im Falle der Hauptbücherei Wien sorgte die ekz-

Bibliotheksservice GmbH für Kundeninformation, Marktsichtung und Beratung,

und die Bibliotheca RFID Library Systems AG übernahm Lieferung, Aufbau und

Inbetriebnahme von EasyCheck. Auch die Einschulung des Personals und die

Wartung des Systems wurden von der Schweizer Firma durchgeführt.

Die Funketiketten an der Hauptbücherei Wien sind typische HF-Transponder mit

einer durchschnittlichen Reichweite von 50 cm. Als passive Funketiketten besitzen

sie keine eigene Batterie, sondern werden im Erfassungsbereich des Lesegeräts

durch induktive Koppelung mit Energie versorgt. Die Funketiketten bestehen aus

dem „my-d“-Chip und einer auf Plastikfolie geätzten Aluminiumantenne. Dieses

Inlay wird zwischen zwei Klebefolien aus Papier gepresst und von einem RFID-

Drucker mit Eigentumsvermerk, Bestandsnummer und Strichcode [8] versehen.

Solche Klebeetiketten gibt es in zwei Ausformungen: einerseits die rechteckigen 8 x 5

cm großen Standardetiketten für Bücher, Zeitschriften, Musikkassetten und Videos,

andererseits die ringförmigen Etiketten im Durchmesser von 3 cm für metallhältige

Medien wie CD, CD-ROM und DVD. Der Speicher des Mikrochips enthält

Angaben wie Verbuchungsnummer, Bibliothekskennung, Sicherungsmerkmal,

Signatur, ISBN, Verfasser, Titel und Verleihdatum. Der integrierte Speicher ist

durchschnittlich bis zu 100.000 Mal wiederbeschreibbar.

Das RFID-System der Hauptbücherei Wien vereint mehrere Arten von

Lesegeräten. Derzeit gibt es sechs Einarbeitungsplätze, sechs Personalarbeitsplätze,

acht Selbstverbuchungsplätze [9] und 12 Durchgangsleser. An den internen

Einarbeitungsplätzen – sie bestehen jeweils aus einem PC mit Monitor, einem

Lesegerät mit Antenne, einem Etikettenspender und einem Strichcode-Leser

– versehen die Büchereimitarbeiter alle neuen Medien mit Funketiketten und

beschreiben sie mit den Daten aus der Bibliothekssoftware. Die Personalarbeitsplätze

an den Informationstheken dienen zur Ausleihe und Rücknahme, wobei die Medien

im Stapel verbucht und automatisch ge- und entsichert werden. Dazu benötigen die

Bibliothekare kein besonderes Handlesegerät, sondern nur eine Arbeitsplatte mit

integriertem Lesegerät, die alle Verbuchungsschritte selbstständig durchführt und

Schriften der VÖB 5, 157 – 165

162

auf dem angeschlossenen PC-Monitor anzeigt. An den Selbstverbuchungsplätzen

– sie umfassen je einen PC, einen berührungssensitiven Monitor (Touch Screen),

eine Ablagefläche, ein Lesegerät mit Antenne, einen Drucker und einen Kartenleser

– können die Besucher die gewählten Medien selbst ausleihen. Die Benutzerführung

ist derzeit lediglich in Deutsch und Englisch möglich. Die Durchgangsleser sind an

den Ein- und Ausgängen der Bibliothek aufgestellt. Sie weisen eine Durchgangsbreite

von 90 cm auf und ermöglichen die wirksame Diebstahlsicherung. Sobald ein Benutzer

mit unverbuchten Medien die Sicherheitsschranken zu passieren versucht, wird

ein Alarm ausgelöst. Auch lassen sich die Durchgangsleser unter Einhaltung der

datenschutzrechtlichen Bestimmungen zur Ermittlung von Daten für statistische

Erhebungen heranziehen.

Das realisierte System schöpft die Möglichkeiten der RFID-Technik nicht in vollem

Umfang aus. Bis auf den heutigen Tag wird auf den Einsatz von Selbstverbuchungsgeräten

in der Rückgabe [10], die automatische Vorsortierung der retournierten Medien

und die vereinfachte Bestandspflege mit mobilen Handlesegeräten verzichtet. Dem

Vorwurf, die Hauptbücherei Wien habe nur eine halbherzige Einführung der RFID-

Technik betrieben, wird entgegengehalten, dass sich ein neuartiges System vorerst

durch einfache Benutzerführung und Fehlerfreiheit bewähren müsse, um von der

Kundschaft akzeptiert zu werden. „Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, die

Selbstverbuchung vorerst nur in der Entlehnung einzusetzen, da sich hier technisch

und organisatorisch weniger Probleme stellen als beim Einsatz in der Rückgabe“

( Jahl, 2003, 36). Auch Probleme rund um die Bereitstellung vorbestellter Medien

und die Bezahlung ausstehender Gebühren haben den Wechsel von der Personal- zur

Selbstverbuchung in der Rückgabe verhindert. Das Fehlen einer voll automatisierten

Vorsortieranlage erläutert der Leiter der Hauptbücherei Wien mit dem Hinweis auf

die Baugeschichte: „Als wir auf die Lösung mit den RFID-Tags stießen, war der

Neubau schon zu weit fortgeschritten. Das automatische Sortieren braucht mehr

Platz für den Auslauf der Bänder, als in der Planung vorgesehen war“ (Ostler, 2005,

S.2). Obwohl sich daran in absehbarer Zeit nichts mehr wird ändern lassen, sind

die Implementierung von Selbstverbuchungsgeräten in der Rückgabe sowie die

Anschaffung tragbarer Handlesegeräte zur Arbeit zwischen den Regalen mittelfristig

angedacht.

Die Einführung eines RFID-Systems in der Hauptbücherei Wien hat sich als enormer

Erfolgsfaktor erwiesen. Seit der Eröffnung des Neubaus am Wiener Gürtel sind die

Benutzer und Entlehnungen sprunghaft angestiegen [11], so dass heute durchschnittlich

3500 Besucher täglich in die Bibliothek strömen. Ein wesentlicher Anteil an diesem

Aufschwung darf dem Einsatz von RFID zugeschrieben werden. Denn diese Technik

hat nicht nur für eine positive Medienberichterstattung und eine große Werbewirkung

Bernhard Wenzl

163

gesorgt, sie hat deutlich zur angestrebten Effizienzsteigerung geführt. Seit 2003 gibt

es kürzere Wartezeiten bei der Medienverbuchung [12], längere Öffnungszeiten für

die Besucher und mehr Beratung durch das Büchereipersonal. Hauptgrund ist, dass

die Kunden die Ausleihe an den Selbstverbuchungsgeräten bereitwillig angenommen

haben. Mittlerweile werden die Hälfte aller Entlehnungen von den Leserinnen und

Lesern selbst durchgeführt. Zur gewünschten Kostenreduktion hat RFID jedoch nur

bedingt beigetragen. Die Stückkosten für die Klebeetiketten [13] sind relativ hoch

gewesen und sind es bis heute geblieben. Die erhoffte Preissenkung im Zuge einer

umfassenden Standardisierung ist ebenso wenig eingetreten wie die Verbilligung durch

den vorhergesagten Einsatz im Massenmarkt [14]. Bei einem gegenwärtigen Stückpreis

von ca. einem Euro [15] belastet jedes neue Funketikett das Budget. Auch wenn die

Erstausstattung der Hauptbücherei Wien mit Klebeetiketten und Lesegeräten 562.400

Euro netto betragen hat, gibt es konkrete Pläne zum Umstieg von EasyCheck auf

BiblioChip, das Nachfolgesystem von Bibliotheca RFID Library Systems AG. Fernziel

ist die allmähliche Ausstattung aller Zweigstellen mit RFID.

FAZIT

Die Hauptbücherei Wien hat mit der Einführung der RFID-Technik eine

Vorreiterrolle im österreichischen Büchereiwesen übernommen. Seit ihrer Eröffnung

im April 2003 sind Bibliotheken in Graz, Wiener Neustadt und Krems ihrem

Beispiel gefolgt und haben ihre Arbeitsabläufe in der Einarbeitung, Verbuchung

und Bestandspflege auf RFID umgestellt. Bis zum heutigen Tag hat der Einsatz

dieser Technik alle Erwartungen erfüllt. Die positiven Erfahrungen reichen von

den schnelleren Ausleih- und Rückgabevorgängen und der einfachen Handhabung

der Selbstverbuchungsgeräte über die ausgeweiteten Öffnungszeiten und die

verbesserte Diebstahlsicherung bis hin zu einer Befreiung des Personals von lästigen

Routinearbeiten und mehr Zeit für die fachkundige Betreuung der Kunden.

Der Einsatz der RFID-Technik hat sich in der Hauptbücherei Wien längst bewährt.

Obwohl die Umstellung des gesamten Verbuchungs- und Verwaltungssystems

von Strichcode zu RFID einen erheblichen Kosten-, Zeit- und Personalaufwand

verursachte, haben sich die damaligen Anstrengungen aus heutigen Sicht gelohnt.

Die Fortschritte in den vergangenen vier Jahren bestätigen die Wirksamkeit der

logistisch-technischen Reorganisation der neuen Bibliothek am Urban-Loritz-

Platz. Seither wird nicht nur ein deutlicher Anstieg der Entlehnungen, sondern eine

kontinuierlich wachsende Zahl von Benutzern verzeichnet. Ohne den erfolgreichen

Einsatz von RFID wäre die organisatorisch-inhaltliche Neuausrichtung der

Hauptbücherei Wien nicht möglich gewesen.

Schriften der VÖB 5, 157 – 165

164

LITERATURVERZEICHNISLiteraturzitateJahl Christian (2003): Transponder und Selbstverbuchung – Eine neue Technologie für ein

neues Haus. In: Perspektiven 1/2003, 36.

Ostler Ulrike (2005): In Wien funken die Bücherwürmer

http://www.zdnet.de/itmanager/tech/0,39023442,2137259,00.htm

Link zuletzt geprüft am 23.07.2008

Weiterführende LiteraturKern Christian (2006): Anwendung von RFID-Systemen. Berlin, Springer Verlag, 242 S.

Lindl Birgit (2004): RFID-Technologie für die Bibliothek der Zukunft. In: B.I.T. online

7/2, 108-112.

Mayer Angelika (2004): Die neue Hauptbücherei in Wien. Dipl.Arb., Wien, 103 S.

Randecker Matthias (2005): RFID – Mediensicherung in Bibliotheken.

In: Büchereiperspektiven 02/2005, S. 12-13.

Schoblick Robert (2005): RFID Radio Frequency Identification. Poing, Franzis Verlag, 240 S.

ANMERKUNGEN1 Dabei handelte es sich um Warensicherungssysteme mit Electronic Article Surveillance

(EAS).

2 Merke: „Transponder ist ein Kunstwort, das sich aus ‚transmit’ (übertragen) und ‚respond’

(reagieren) zusammensetzt“ ( Jahl, 2003, S.36).

3 Das Lesegerät wird auch als Leseschreibeinheit bezeichnet, weil es die Daten nicht nur

vom Funketikett ausliest, sondern sie auch darauf einschreibt.

4 RFID-Systeme werden nach Reichweite in Proximity-, Vicinity- und Long-Range-

Systeme unterschieden.

5 Vergleiche: „Effizienzsteigerung und Kostenreduzierung sind heutzutage für Bibliotheken

zentrale Schlagwörter. Automatisierung und Selbstverbuchung tragen zunehmend zu

diesen Zielen bei“ (Lindl, 2004, S.108).

6 Siehe: „Anstatt zweier Informationsträger, nämlich dem Barcode für die Verbuchung und

dem elektromagnetischen Sicherungsstreifen für die Diebstahlsicherung, wird nur der

Funkchip mit den Daten beschrieben. Je Arbeitsgang halbiert sich so der Zeitaufwand“

(Infineon-Pressemittteilung „Komplettlösung mit 300.000 Funkschips schafft neues

Bibliothekserlebnis in der Hauptbücherei Wien“ vom 10.12.2005).

7 Inzwischen gehen die einstigen Vertriebspartner getrennte Wege. Während Bibliotheca

das eigene BiblioChip-System vermarktet, haben ekz und BOND ein Unternehmen zur

gemeinsamen Entwicklung des EasyCheck-Systems gegründet.

8 Der Strichcode ist nach wie vor notwendig, weil die Medien der Hauptbücherei auch in

allen Zweigstellen entlehnbar bleiben müssen.

Bernhard Wenzl

165

9 2003 wurde vier Selbstverbuchungsgeräte des Modells Vienna in Betrieb genommen,

2006 kamen vier Selbstverbuchungsgeräte des Typs Geneva hinzu.

10 Die 2004 mit RFID-Technik ausgestattete Zweigstelle Philadelphiabrücke bietet auch

die Möglichkeit zur Selbstverbuchung der Medien in der Rückgabe.

11 Im Jahr 2003 konnte die Hauptbücherei Wien 30.000 neue Leserinnen und Leser sowie

1,200.000 Entlehnungen verzeichnen. An Führungen nahmen mehr als 6.000 Personen

teil.

12 Geschwindigkeitstests an der Hauptbücherei Wien haben ergeben, dass die Entlehnung

von Medien mit einem RFID-System mehr als doppelt so schnell erfolgt als mit einem

Strichcode-System.

13 Die Materialkosten für die Umrüstung auf Klebeetiketten beliefen sich auf 367.910 Euro,

das waren immerhin 65,42% der Gesamtkosten.

14 Die Stückkosten für passive Funketiketten richten sich nach der Größe der Auflage: bei

1 bis 10 Milliarden Stück zwischen 5 und 10 Cent, bei ca. 10.000 Stück zwischen 0,50

und 1 Euro und bei 50 bis 1.000 Stück zwischen 4 und 10 Euro.

15 Ostler berichtet, dass der ursprüngliche Anschaffungspreis der Klebeetiketten 1,30 Euro

pro Stück betrug.

ADRESSE DES AUTORSMag. Bernhard Wenzl

[email protected]

Schriften der VÖB 5, 157 – 165

166

167

PRÄSENTATION UND VERWALTUNG VON E-MEDIEN

DIGIBIB – DIE DIGITALE BIBLIOTHEK : DAS KOMPLETT-ANGEBOT ZUR INFORMATIONSVERMITTLUNG

HEIKO JANSEN

ABSTRACT

Die DigiBib ist das älteste und am weitesten verbreitete Portalsystem in der deutschen

Bibliothekslandschaft mit fast 200 teilnehmenden Institutionen. Als Hosting-Lösung

des hbz konzipiert, entlastet es die Bibliothek von praktisch allen Administrations- und

Wartungs arbeiten.

Trotzdem ermöglichen die anpassbare Oberfläche und die umfangreichen Konfigurations-

optionen eine nahtlose Integration in das Angebot der jeweiligen Bibliothek. Das hbz

agiert dabei als Dienstleister im Hintergrund, der von der Akquise der Inhalte über die

Vermittlung bis hin zur Nutzungsauswertung Hilfestellung leistet.

Über die übliche (Meta-) Suche vergleichbarer Angebote hinaus führt die DigiBib eine Reihe

weiterer Produkte und Dienste (Verwaltung von Links & Datenbanken, EZB, Fernleihe,

OpenURL-Resolver, DigiAuskunft) unter einer homogenen Oberfläche zusammen.

Die nächste Version 6 wird neben einer modernisierten, barriere freien Oberfläche mit der

Integration von Suchmaschinen-Techno logie neue Recherchemöglichkeiten eröffnen. Der

Beitrag präsentiert sowohl das bestehende System wie auch die laufenden Entwicklungen

und Neuerungen.

1. DAS AKTUELLE ANGEBOT: DigiBib 5

1.1 Hintergrund

Die Digitale Bibliothek – oder kurz: DigiBib – entstand Ende der 90´er Jahre. In

Reaktion auf studentische Streiks wurden damals öffentliche Gelder aufgebracht, die

zur Verbesserung der Informationsversorgung an den Hochschulen in Nordrhein-

Westfalen verwendet werden sollten. Ein Teil des Geldes sollte dabei in ein innovatives

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

168

Projekt zur langfristigen Sicherung und Modernisierung der Literaturrecherche und

-nutzung investiert werden. Mit diesen Mitteln wurde die erste Version des DigiBib-

Portals [1] geschaffen, das sich seitdem mit heute fast 200 Partner-Bibliotheken zum

größten Portal seiner Art in Deutschland entwickelt hat.

Gestartet waren zunächst die Hochschulen des Landes NRW. Später kamen weitere

Hochschulbibliotheken aus anderen Bundesländern sowie – teilweise im Zuge

separater öffentlicher Projekte – Öffentliche Bibliotheken aus ganz Deutschland

hinzu. Auch einige Spezial-Bibliotheken von Forschungseinrichtungen oder

Behörden gehören inzwischen zum Anwenderkreis.

Mit der Donau-Universität Krems konnte das hbz kürzlich zudem den ersten

Anwender aus Österreich willkommen heißen – für uns der Anlass, die DigiBib auf

der ODOK-Tagung einem neuen Publikum näher zubringen.

1.2 Das hbz als Dienstleister

Die DigiBib wird für alle Anwender zentral vom hbz in Köln gehostet. Lokaler

Installationsaufwand fällt damit nicht an. Dies ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für

das Portal, denn viele Anwender haben weder die technische Infrastruktur noch die

Kapazitäten, um selbst ein Portal zu betreiben.

Gerade wegen dieser Rahmenbedingungen legt das hbz großen Wert darauf, sich

nicht in den Vordergrund zu drängen, sondern agiert als für den Endkunden fast

unsichtbarer Partner und Dienstleister der Bibliotheken im Hintergrund.

Die Dienstleistungen beschränken sich dabei nicht auf die reine Software-Betreuung

des Portals, sondern gehen deutlich darüber hinaus – wieweit, dass sollen die

folgenden Ausführung kurz beleuchten.

1.2.1 Integration mit anderen lokalen Angeboten

Ein Endkunde kann i.d.R. nicht beurteilen, wie ein Online-Angebot technisch

funktioniert oder wer es betreibt. Für ihn zählt im Wesentlichen die Optik, um die

Dienstleistung zuzuordnen. Bei der Einrichtung eines neuen Kunden im Portal

(einer „Sicht“ im Sprachgebrauch der DigiBib) achtet das hbz daher sehr darauf,

die Oberfläche optisch so weit wie möglich an das Corporate Design des jeweiligen

Anwenders anzupassen. Durch die Anzeige des Logos, den Austausch von Icons

Heiko Jansen

169

und Hintergrund-Grafiken sowie die Modifikation von Cascading Style-Sheets (CSS)

lässt sich ein erstaunlich hoher Grad an optischer Angleichung erreichen, der i.d.R.

deutlich darüber hinausgeht, was die lokal betriebenen Web-OPACs bieten. Für den

Nutzer ist die DigiBib daher ein originäres Angebot seiner Einrichtung.

Dieser Eindruck kann auf verschiedene Weise noch verstärkt werden.

Zum Beispiel kann die DigiBib-Sicht an die lokale Benutzerdatenbank gekoppelt

werden. Dafür muss das Lokalsystem lediglich eine entsprechende Schnittstelle (SLNP,

LDAP usw.; notfalls etwas proprietäres) für einen lesenden Zugriff bereitstellen. Dann

kann sich ein Nutzer persönlich mit seiner Bibliothekskennung und seinem üblichen

Kennwort anmelden. Er profitiert so nicht nur von Personalisierungsfunktionen wie

einer persistenten Merkliste oder Suchhistorie, sondern erhält auch orts-unabhängig

Zugriff auf die in die Metasuche eingebundenen, von seiner Institution entsprechend

lizenzierten Angebote!

Für die Metasuche stehen im Übrigen derzeit fast 450 verschiedene Datenbanken

zur Verfügung, aus denen sich jede Institution die für sie relevanten heraussuchen

kann. Diese Auswahl wird dann in individuell sortierten Listen dem Endkunden

angeboten – und natürlich gehört dazu auch der eigene Katalog der jeweiligen

Bibliothek.

Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass auch hier das Lokalsystem eine

entsprechende Schnittstelle bieten muss. Da die DigiBib aber mit fast allem, was es

hier gibt, zurechtkommt (Z39.50, SRU, SLNP, XML oder Text via HTTP/CGI,

GRIPS, SQL usw.; notfalls kommt sog. Screen Scraping zum Einsatz), stellt dies

kaum ein Problem dar.

Ist der Katalog erstmal in der DigiBib-Metasuche enthalten, ist ein Nutzer nur noch

sehr selten gezwungen, seine Suchen doppelt – erst im Katalog, dann in der DigiBib

– durchzuführen. Aus der Trefferanzeige der DigiBib springt man per Link direkt in

die richtige Vollanzeige im Web-OPAC um dort z.B. Vormerkungen durchführen.

1.2.2 Verfügbarkeitsrecherche / OpenURL-Resolver

Die Integration des lokalen Bestands in die Suche ist nicht nur wichtig, um doppelte

Recherchen zu vermeiden, sondern stellt auch eine wesentliche Grundlage für eine

weitere Kern-Funktionalität der DigiBib dar: Die Verfügbarkeitsrecherche.

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

170

Aufgabe der Verfügbarkeitsrecherche ist es, einem Nutzer zu zeigen, wie er an

ein beliebiges zuvor gefundenes Dokument gelangen kann. Ausgehend von einem

gefundenen Artikel beispielsweise wird unter anderem geprüft, ob dieser Artikel in einer

lizenzierten Volltextdatenbank abrufbar ist oder die entsprechende Zeitschrift sich im

Bestand der eigenen Bibliothek (oder einer anderen Bibliothek am Ort) befindet.

Alle Prüfungen erfolgen automatisch – der Benutzer muss nicht verschiedene

angebotene Optionen manuell „durchklicken“.

Mancher Leser wird sicher jetzt sagen: Das ist doch nichts Neues – genau das macht

doch ein OpenURL-Resolver. Beides stimmt. Genau das macht ein OpenURL-

Resolver und neu ist es wirklich nicht: Die DigiBib bot diese Funktionalität lange

bevor es OpenURLs gab.

Das eigentlich Neue am OpenURL-Standard [2] ist auch nicht die Funktionalität des

Resolvers, sondern die Standardisierung der Übergabe der notwendigen Parameter.

Es lag daher nahe, die DigiBib mit einer Schnittstelle zu versehen, die externe

Aufrufe in OpenURL-Syntax (0.1 und 1.0 KEV) versteht und mit den übergebenen

Daten die Verfügbarkeitsrecherche anspricht. Seit der Einführung dieses Features

erhalten alle DigiBib-Anwender somit einen vollwertigen OpenURL-Resolver ohne

Zusatzkosten gleich mit im Paket, der in beliebigen Fremdanwendungen z.B. über

ein vom hbz bereitgestelltes kleines Icon referenziert werden kann.

Für DigiBib-Anwender (Öffentliche und Wissenschaftliche Bibliotheken) in NRW

ist die Ergebnisanzeige der Verfügbarkeitsrecherche zugleich die Stelle, an der die

jeweiligen Nutzer in die Endnutzer-Fernleihe übergeleitet werden. Auch lokal nicht

direkt verfügbare Bestände gelangen so in Reichweite der Endkunden.

Das hbz ist landesweit für die Organisation der Fernleihe zuständig und hat – unter

Nutzung des etablierten Portals – somit eine benutzerfreundliche Umgebung für

Fernleihbestellungen geschaffen, die durch eine entsprechende Konto-Funktionalität

zur Bestell-Verfolgung ergänzt wird.

Übergänge zu anderen Liefersystemen wie subito [3] sind natürlich ebenfalls möglich

und implementiert.

Heiko Jansen

171

1.2.3 Inhalte

Bibliotheksbestände sind das eine - im Zeitalter von Google, Scirus und Co. sind

die Benutzer aber inzwischen verwöhnt, weil sie sehr viel Literatur direkt online

finden und vor allem auch bekommen können. Fachdatenbanken, vor allem solche

mit Volltexten, sind daher ein wichtiger Wettbewerbsfaktor für Bibliotheken. Die

integrierte Präsentation dieser Ressourcen in der DigiBib steigert die Sichtbarkeit

und Nutzung dieser Angebote. Umgekehrt steigt natürlich mit der Qualität der

Suchergebnisse die Attraktivität der DigiBib.

Damit DigiBib-Anwender möglichst einfach und kostengünstig solche Inhalte anbieten

können, hilft das hbz bereits bei der Akquise. Als Konsortialführer verhandelt das hbz

stellvertretend für Bibliotheken mit Inhalts-Anbietern und kann i.d.R. so deutlich

günstigere Preise erzielen, als ein einzelner Interessent. Auch die Abrechnungen

laufen gebündelt über das hbz, so dass der Verwaltungsaufwand bei der einzelnen

Institution sinkt. Natürlich stellt das hbz auch entsprechende Nutzungsstatistiken (z.B.

hinsichtlich der Anzahl der Anfragen über die Metasuche) bereit.

Potentielle DigiBib-Anwender in Österreich könnten ebenfalls von dieser

Dienstleistung profitieren, wenn der jeweilige Inhalts-Anbieter bzw. dessen

Vertriebsstruktur dies zulässt.

1.2.4 Ergänzende Tools

Nicht alle konsortial oder individuell erworbenen Datenbanken lassen sich in die

Metasuche integrieren – sei es, weil es sich um CD-ROM Datenbanken ohne

Schnittstelle handelt, oder weil die enthaltenen Daten (z.B. Chemische Strukturen)

nicht sinnvoll in eine Literaturrecherche einzubeziehen sind.

Das hbz sieht die DigiBib aber explizit als Portal zu möglichst allen lokalen

Informationsangeboten und nicht nur als „simple“ Metasuchmaschine. Deswegen

wurde mit DigiLink [4] im hbz ein Produkt entwickelt, das Links zu elektronischen

Angeboten effizient verwalten kann und sich dabei nahtlos in die DigiBib als

übergeordnete Anwendung einfügt.

DigiLink ist angelegt als ein kooperatives System mit web-basierter Administrations-

Oberfläche. Einmal erfasste Ressourcen können von anderen Institutionen

nachgenutzt werden. Dabei kann man sich einfach „anhängen“ (was bedeutet, dass

man automatisch von Korrekturen in der Beschreibung oder im Link profitiert),

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

172

oder eine Kopie erstellen. Egal welchen Weg man geht, ist es immer möglich, die

Ressourcen in einer beliebigen eigenen Hierarchie und Struktur zu verwalten und

zu präsentieren.

Damit und mit der obligatorischen Anpassbarkeit des Layouts fügt sich DigiLink

optimal in die lokale Angebotspalette ein.

Normalerweise nicht in der Linksammlung enthalten sind lizenzierte und

freie Elektronische Zeitschriften. Hierfür gibt es mit der Elektronischen

Zeitschriftenbibliothek EZB der UB Regensburg bereits ein ausgereiftes und

etabliertes Tool. Um aber die dort erfassten Daten ohne optischen Bruch für den

Benutzer in der DigiBib anzeigen zu können, hat das hbz auf Basis der XML-

Schnittstelle der EZB eine eigene Präsentationsschicht eingezogen, die das Browsing

und Suchen im vertrauten „Look&Feel“ der DigiBib (und damit der jeweiligen

Institution) ermöglicht.

DigiLink und das EZB-Frontend stehen allen DigiBib-Kunden automatisch

kostenfrei mit zur Verfügung. DigiLink ist im Übrigen auch als separates Tool

einsetzbar und wurde z.B. von der Bibliothek der Kunstuniversität Linz [5]

lizenziert.

Neben DigiLink existieren noch weitere Produkte wie etwa DigiAuskunft [6] (ein

kooperatives Online-Auskunftssystem auf Basis einer Open Source Lösung), deren

Beschreibung aber an dieser Stelle zu weit gehen würde.

2. DigiBib 6 – DER NÄCHSTE SCHRITT

Schon mehrfach wurde die DigiBib optisch und funktional verändert bzw.

modernisiert – ein Muss, wenn man ein Angebot über acht Jahre hinweg erfolgreich

in einem sich so rasant entwickelnden Markt und Umfeld wie dem Internet

positionieren will.

Während bei Release 5 – allen Verbesserungen der Oberfläche zum Trotz – die größten

Änderungen im Inneren, d.h. in der zugrunde liegenden Software, stattfanden, wird

bei der für Mitte 2008 geplanten Version 6 eine vollständige Neugestaltung des

Benutzer-Interfaces im Vordergrund stehen.

Seit Release 5 basiert die Portal-Software auf offenen Standards und modernen

Konzepten: Verteilte und per CORBA-Protokoll kommunizierende Dienste, interne

Heiko Jansen

173

Datenhaltung und Konfiguration in XML, verschiedene Frontend-Server (HTML,

SOAP), hoch-flexibles Templating-System, einfache Erweiterbarkeit.

Mit diesem Rüstzeug kann das hbz jetzt den Entwicklungen der letzten Zeit

begegnen. Die Modernisierung des Portals wird sich dabei auf drei wesentliche

Bereiche konzentrieren:

• Neugestaltung des Layouts und der Benutzerführung,

• Verbesserung der Suche durch den Einsatz von Suchmaschinen-Technologie,

• Flexibilisierung der Zugriffskontrolle durch den Einsatz von Shibboleth.

2.1 Neugestaltung des Layouts und der Benutzerführung

Wesentliche Strukturen des DigiBib-Layouts haben sich seit vielen Jahren nicht

geändert. So gab es beispielsweise von Anfang an eine Einteilung des Anzeigebereichs

in einen oberen Navigations- und einen unteren Inhaltsframe. Letzterer wird für

bestimmte Funktionsbereiche sogar nochmals in sich in zwei Frames aufgeteilt.

Dies stellt letztlich eine überholte Technik dar und verursacht sogar unmittelbare

Probleme. So ist der Platz im Navigations-Frame beschränkt – die zeilenweise

Aufteilung in eine Haupt- und eine davon abhängige Subnavigation stößt schnell an

ihre Grenzen. Auch der HTML-technische Aufbau der Seiten über Layout-Tabellen

ist überholt. Und schließlich spiegelt das Erscheinungsbild auch einen gewissen Stil

wieder, der schlicht nicht mehr modern ist.

Dies alles sind Gründe, das Erscheinungsbild grundlegend zu modernisieren. Jedoch

wäre es kurzsichtig, nur am Layout zu arbeiten. Seit der letzten Überarbeitung haben

sich auch neue Anforderungen (z.B. gesetzliche Vorgabe der Barrierefreiheit) und

neue Techniken (z.B. AJAX) etabliert, die ebenfalls zu berücksichtigen sind.

Release 6 wird daher auf der Basis des modernen HTML/CSS-Frameworks YAML

[7] basieren, und durch den starken Rückgriff auf CSS-Optionen noch einmal

deutlich anpassungsfähiger an kundenspezifische Gestaltungswünsche werden. Ein

3-Schichten-Modell bringt hier die notwendige Flexibilität: Zuunterst liegen die

unveränderlichen Vorgaben von YAML. Darüber wird eine Schicht DigiBib-weiter

Anweisungen gelegt, die eine grundlegende Homogenität aller Sichten erzeugt. Und

abschließend folgen die kundenspezifischen Einstellungen.

Das YAML-Framework legt allerdings abseits eines grundlegenden Rasters nicht

fest, wie die einzelnen Seiten HTML-technisch aufzubauen sind. Die wesentliche

Herausforderung hier ergibt sich aus der gesetzlichen Vorgabe in Deutschland bzw.

Nordrhein-Westfalen, öffentliche Web-Angebote barrierefrei zu gestalten.

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

174

Abbildung 1: Geplante Seitenstruktur

Tatsächlich ist es aus Sicht des hbz so komplex, hier ans obere Ende der Bewertungsskala

vorzustoßen, dass wir uns entschieden haben, einen externen Experten mit einer

kontinuierlichen Begleitung und Kontrolle des Entwicklungsprozesses zu beauftragen.

Dieser Experte kann zudem – als bibliothekarischer Laie – auch die allgemeine

Bedienbarkeit des Angebots in jedem Entwicklungs stadium gut hinterfragen. Neben

einem Experten-Gremium aus dem Anwenderkreis, das während der Entwicklung

beratend tätig ist, bringt dies eine wertvolle zusätzliche Meinung ins Spiel.

Insgesamt ergab sich aus den Diskussionen die in Abbildung 1 dargestellte zukünftige

Seiteneinteilung.

Neben der reinen Gestaltung der Seiten hat das hbz auch den Workflow im Portal auf

den Prüfstand gestellt. Insbesondere der Boom von JavaScript und dessen Anwendung

im Kontext von AJAX [8] eröffnen hier neue Optionen, die einem Portal mit derart

komplexer Funktionalität besonders zu Gute kommen können.

Stellvertretend für viele Einsatzszenarien sei hier folgendes Beispiel angeführt: Bislang

erfolgt die ausführliche Anzeige der bibliographischen Daten eines Treffers immer

auf einer separaten Seite, die entweder die Trefferliste im Fenster ersetzt, oder die in

einem neuen Browserfenster geöffnet wird. Im neuen Release wird die Langanzeige

dagegen per AJAX direkt in die Trefferliste eingeblendet (vgl. Abbildung 2 und 3).

Dieses Vorgehen reißt den Benutzer nicht länger aus dem Kontext seiner Trefferliste

und erleichtert ihm allgemein das Zurechtfinden im Angebot.

Heiko Jansen

175

Abbildung 2: Trefferliste

Abbildung 3: Trefferliste mit eingeblendeter Vollanzeige

Dieses Vorgehen gilt natürlich nicht nur für die Trefferliste der Metasuche, sondern

wird genauso in den neugestalteten Oberflächen für EZB und DigiLink zum Einsatz

kommen.

Selbstverständlich müssen auch solche Funktionalitäten immer unter dem Aspekt der

Barrierefreiheit kritisch beleuchtet werden. Für jede per JavaScript implementierte

Funktion, die nicht nur rein der Bequemlichkeit dient, muss eine alternative Lösung

ohne JavaScript vorhanden sein. Da dies den Implementierungsaufwand deutlich

steigert, kommen JavaScript/AJAX-Lösungen nur dort zum Einsatz, wo sie die

Bedienungseffizienz des Portals signifikant verbessern.

Der AJAX-Einsatz ist letztlich wiederum nur ein Ansatzpunkt von mehreren, um

das DigiBib-Portal in Richtung „Web 2.0“ zu führen. Dieses Schlagwort ist ja nicht

nur technik-zentriert zu verstehen. Andere in Entwicklung befindliche Maßnahmen

sind z.B. die Bereitstellung von CoINS-Objekten [9] in den Trefferanzeigen, um

browser-basierte Tools wie Zotero [10] zu unterstützen. Die Integration „sozialer

Techniken“ wie das Tagging von Dokumenten zur anwender-gesteuerten besseren

inhaltlichen Erschließung ist dagegen derzeit noch Gegenstand von Evaluationen.

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

176

2.2 Einsatz von Suchmaschinen-Technologie

Eine andere Option zur Steigerung der Effizienz der Recherche stellt ein Wechsel der

Suchtechnologie dar. Die bislang verwendete Metasuche stößt in vielen Bereichen

schnell an ihre Grenzen. Je mehr Datenbanken dem Nutzer zur parallelen Abfrage

zur Verfügung gestellt werden, desto größer wird die Last auf dem Server und

desto länger kann es dauern, bis die letzte Datenbank geantwortet hat. Je mehr

Datenbanken auf eine Anfrage Treffer liefern, desto unübersichtlicher wird zudem

das Ergebnis für den Benutzer, dem es schwer fällt, aus der langen Trefferliste die

für ihn relevanten Titel herauszufiltern.

Eine Lösung für dieses Dilemma bieten die Anbieter von Suchmaschinen-Software.

Diese ist darauf ausgelegt, in sehr großen Datenmengen sehr schnell Treffer zu

finden und diese zudem in einer nach Relevanz gewichteten Liste anzuzeigen. Das

hbz hat diesen Trend früh erkannt und sich mit der Software der Firma FAST

[11] für eine der weltweit führenden Suchmaschinen entschieden. Praktische

Erfahrungen im Zusammenspiel von Portal und Suchmaschine kann das hbz bereits

im vascoda Portal sammeln. Mit dieser Technik erhalten Features wie dynamische

Treffermengen-Einschränkung („Drill Down“), Relevance-Ranking, Suchtipps usw.

Einzug in das kommende Release.

Allerdings ist während der Erprobungsphase der Technik im hbz auch deutlich

geworden, dass für eine Indexierung vieler Quellen immenser Aufwand (für

Datenanalyse, Homogenisierung, Qualitätssicherung etc.) zu leisten ist. Auch

zeichnet sich ab, dass ein Teil der Datenbank-Anbieter seine Daten nicht für eine

Indexierung im hbz bereitstellen wird.

Das hbz sieht hier zwei Ausweichstrategien. Der innovativere und nutzerfreundlichere

– weil für diese letztlich „unsichtbare“ – Weg ist die Implementierung einer

sogenannten Föderierten Suche. Dabei werden mehrere Suchmaschinen parallel

durchsucht, die Trefferlisten jedoch nicht wie bei der Metasuche separat angezeigt,

sondern in eine gemeinsame Liste zusammengefasst. Eine Zusammenführung erfolgt

ebenfalls für Drill Down Elemente. Im Kontext des vascoda Projektes [12] arbeitet

eine solche Föderation über verschiedene Software-Lösungen (FAST und Lucene/

Solr) auf Basis eines standardisierten Protokolls bereits erfolgreich im produktiven

Einsatz.

Da es bis zu einem flächendeckenden Einsatz von Suchmaschinen-Software

allerdings noch ein weiter Weg ist und die bestehende Abdeckung von fast 400

Quellen im aktuellen Release bestenfalls langfristig erreicht werden kann, wird die

Heiko Jansen

177

DigiBib auch künftig die Metasuche anbieten. Das hbz legt allerdings Wert darauf,

dass es – durch die Auswahl und Zusammenstellung der zu durchsuchenden Quellen

– im Ermessen des DigiBib-Anwenders liegt, welche Suchtechnik in seiner Sicht

genutzt wird. Zum anderen soll der Endnutzer nie vor die Auswahl einer Suchtechnik

gestellt werden. Er soll stets inhaltlich auswählen, welche der angebotenen Quellen

er durchsuchen möchte. Diese Auswahl entscheidet dann in Abhängigkeit von den

unterstützten Schnittstellen der Quellen, ob es zu einer Metasuche oder zu einer

Suchmaschinensuche kommt.

2.3 Authentifi zierung mit Shibboleth

Traditionell wird im Bibliotheksumfeld der Zugriff auf Ressourcen meist über

eine Filterung von IP-Adressen geregelt. Dies bedeutet, dass ein Nutzer aus dem

Netzwerk seiner Institution auf ein Angebot problemlos zugreifen kann, weil die

IP-Adressen seiner Institution beim Anbieter bekannt sind. Versucht der gleiche

Nutzer jedoch, über seinen privaten Internet-Provider auf das gleiche Angebot

zuzugreifen, wird er abgewiesen, weil er – aus dem Netz des Providers kommend

– keiner Kunden-Institution des Anbieters zugeordnet werden kann. Dies stellt

sicher keine erfreuliche Situation dar. Zudem ist das Nachhalten der IP-Adresslisten

eine mühsame Angelegenheit. In Ermangelung besserer Techniken führte um diese

Lösung jedoch lange Zeit kein Weg herum und auch die DigiBib unterstützt natürlich

eine IP-basierte Authentifizierung. Im Unterschied zu den kommerziellen Providern

gibt es bei der DigiBib zudem noch die Möglichkeit, direkt auf Schnittstellen im

lokalen Bibliothekssystem zurückzugreifen, um so Nutzern den Login mit Kennung

und Passwort zu ermöglichen.

Seit Kurzem etabliert sich jedoch auch in Europa immer mehr das Shibboleth

Authentifizierungsverfahren [13], das einen für den Nutzer simplen Single-Sign-

On Mechanismus definiert und dabei noch großen Wert auf Datenschutz legt.

Eine ausführliche Vorstellung von Shibboleth führt an dieser Stelle zu weit. Kurz

gesagt gibt es dort zwei Rollen, die eine beteiligte Institution einnehmen kann:

Service-Provider (also jemand, der ein Service-Angebot über eine Zugriffskontrolle

gesteuert zugänglich machen möchte) und Identity-Provider (jemand, der gegenüber

einem Service-Provider bestätigt, dass ein bestimmter Nutzer von ihm authentifiziert

werden kann). Service-Provider und Identity-Provider stehen dabei in einer

Vertrauensbeziehung zueinander.

Mit Hilfe der Universitätsbibliothek Freiburg, die ebenfalls die DigiBib Portal-

Software einsetzt [14], wurde letztere bereits insofern Shibboleth-fähig gemacht,

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

178

dass sie als Service-Provider fungieren kann. Beispielhaft ist dies am Portal der UB

Freiburg sowie beim vom hbz gehosteten vascoda Portal sichtbar.

Mit Release 6 wird auch die DigiBib zum Shibboleth Service-Provider

werden. Zudem ist für ein späteres Release 6.x geplant, die bestehende interne

Authentifizierungs-Anbindung der DigiBib an die Lokalsysteme zu nutzen, um

den DigiBib-Anwendern die Dienste eines Shibboleth Identity-Providers anbieten

zu können. Voraussichtlich wird dies kostenfrei als zusätzliches Feature in das

Gesamtpaket „DigiBib“ integriert.

3. FAZIT

Das hbz bietet mit der DigiBib ein zwar zentral installiertes und betreutes, aber

stets nach Kunden-Wunsch angepasstes Portal - im Corporate Design des Kunden

und mit den Inhalten/Datenbanken des Kunden. Rund um das Portal gruppieren

sich ergänzende Werkzeuge wie DigiLink oder DigiAuskunft und Dienstleistungen

wie die konsortiale Erwerbung, Hotline-Support, In-House-Schulungen oder die

Bereitstellung von professionellem Werbematerial. Eine faire, nach Bibliotheksgrößen

gestaffelte Kostenstruktur hat es bislang fast 200 Institutionen – von der kleinen

Gemeinde- bis hin zur großen Universitätsbibliothek – ermöglicht, von diesem

Angebot zu profitieren. Und mit dem für Mitte 2008 geplanten Release 6 wird das

Portal auch weiterhin seinen Anspruch als eines der führenden Bibliotheksportale

aufrecht erhalten können.

Heiko Jansen

179

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 13.03.2008)

1 http://www.digibib.net/ bzw. http://www.hbz-nrw.de/angebote/digitale_bibliothek/

2 http://www.niso.org/standards/standard_detail.cfm?std_id=783

3 http://www.subito-doc.de/

4 http://www.hbz-nrw.de/angebote/digilink/

5 http://www.ufg.ac.at/online-dienste.207.0.html

6 http://www.hbz-nrw.de/angebote/digiauskunft/

7 http://www.yaml.de/

8 http://de.wikipedia.org/wiki/Ajax_(Programmierung)

9 http://ocoins.info/

10 http://www.zotero.org/

11 http://fast.no/

12 http://www.vascoda.de/

13 http://shibboleth.internet2.edu/

14 http://www3.ub.uni-freiburg.de/index.php?id=ips

ADRESSE DES AUTORSHeiko Jansen

hbz NRW

Jülicher Straße 6, D-50674 Köln

E-Mail: [email protected]

http://www.hbz-nrw.de

Schriften der VÖB 5, 167 – 179

180

181

AUS- UND WEITERBILDUNGS-EINRICHTUNGEN

10 JAHRE STUDIENSTANDORT EISENSTADTJUTTA BERTRAM

ABSTRACT

Seit nunmehr zehn Jahren werden an den Fachhochschul-Studiengängen Burgenland am

Standort Eisenstadt Spezialisten für den Bibliotheks-, Informations- und Dokumenta-

tionsbereich ausgebildet. Zunächst wird der auslaufende Diplomstudiengang ‚Informati-

onsberufe’ bilanziert. Es werden exemplarische Karriereverläufe von Absolventen und die

Absolventenarbeit des Studiengangs vorgestellt. Anschließend werden die Veränderungen

im Curriculum des gleichnamigen Bachelorstudiengangs aufgezeigt, der im Wintersemester

2005/06 begonnen hat. Als neues Studienangebot wurde zum gleichen Zeitpunkt der Ma-

ster-Studiengang ‚Angewandtes Wissensmanagement’ eingerichtet, der im Sommer 2007

die ersten Absolventen hervorgebracht hat und ebenfalls präsentiert wird. Abschließend

wird ein Ausblick auf künftige Entwicklungsvorhaben der Studiengänge gegeben.

DER STUDIENSTANDORT EISENSTADT

Die in Eisenstadt angesiedelten Studiengänge sind in zwei sog. Kernkompetenz-

bereiche zusammengefaßt. Der Bachelorstudiengang Informationsberufe (IB) [1]

und der dazugehörige Masterstudiengang Angewandtes Wissensmanagement (AW)

[2] gehören zum Bereich Informationstechnologie und Informationsmanagement.

Der Standort Eisenstadt hat insgesamt etwa 880 Studierende, davon sind ca. 200

Personen Studierende von AW bzw. IB. Das Burgenland erhebt keine Studienge-

bühren, daher sind beide Studiengänge gebührenfrei. Der Studiengang IB stellt seit

seiner Initiierung im Jahre 1997 österreichweit den einzigen Ausbildungsgang auf

Fachhochschul-Ebene für Information Professionals dar.

Das Personal der beiden Studiengänge ist interdisziplinär zusammengesetzt. Es

besteht aus acht Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern (unter ihnen der

Studiengangsleiter), zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und drei Mitarbeite-

rinnen in der Administration des Studiengangs. Bibliothek, IT, Marketing, Personal-

und Rechnungswesen, das Facility Management und das Studentenwohnheim sind

Schriften der VÖB 5, 181 – 190

182

studiengangsübergreifend organisiert. Das interne Lehrpersonal wird unterstützt

durch über hundert externe Lektorinnen und Lektoren, die eine große Bandbreite

von Berufsfeldern repräsentieren. Einige kommen auch von anderen (vornehmlich

österreichischen oder deutschen) Hochschulen.

Die beiden Studiengänge sind international vernetzt und unterhalten aktive Ko-

operationen zu verwandten Ausbildungseinrichtungen z.B. in Deutschland, Finn-

land, Kroatien, Litauen, Schweden und Tschechien. Das betrifft den Austausch von

Studierenden ebenso wie den Lektorenaustausch im Rahmen von Erasmus oder

anderen Förderprogrammen.

DER AUSLAUFENDE DIPLOMSTUDIENGANG INFORMATIONSBERUFE

Begonnen hat alles im Jahr 1997, damals noch im Gebäude der pädagogischen Aka-

demie Eisenstadt, wo der Studiengang bis zum Jahre 2002 untergebracht war. Die 29

Studierenden des Pionierjahrgangs hatten die vier folgenden Schwerpunkte zur Aus-

wahl: das wissenschaftliche Bibliothekswesen, das öffentliche Bibliothekswesen, IuD

und das betriebliche Informationsmanagement. Das öffentliche Bibliothekswesen

wurde damals allerdings nur von einer Person gewählt und kam daher nicht zustande.

In den darauffolgenden beiden Jahrgängen stand dann nur mehr das Bibliothekswe-

sen insgesamt zur Wahl (als Kombination aus wissenschaftlichem und öffentlichem

Bereich), die Schwerpunkte IuD und das betriebliche Informationsmanagement

blieben gleich. Ab dem vierten Jahrgang wurde schließlich jene Struktur etabliert,

die bis zum achten und letzten Diplomjahrgang in etwa die gleiche blieb: Nach zwei

eingleisigen Studienjahren wählten die Studierenden im dritten Studienjahr entwe-

der Bibliothek-Information-Dokumentation (kurz: BID), Know ledge Management

oder Web and Mobile Communication Solutions als sog. Vertiefungsrichtung. Der

Studiengang gewann also im Laufe seines Bestehens an thematischer Vielfalt. Die

Anzahl derjenigen, die sich im BID-Bereich vertieften, blieb indes in den letzten

Jahren immer relativ konstant bei etwa zehn Personen pro Jahrgang. Nach einem

Zwischenaufenthalt im Technologiezentrum Einsenstadt bezog der Studiengang im

Sommer 2003 das räumlich benachbarte neuerbaute Studienzentrum, in dem auch

alle anderen Eisenstädter Studiengänge angesiedelt sind.

In Zahlen ausgedrückt, sieht die Bilanz der acht Diplomjahrgänge folgendermaßen

aus: Die Zahl der Studienanfänger schwankte zwischen ca. dreißig und achtzig

Personen pro Jahrgang. Der überwiegende Teil der Studienanfänger kam aus dem

Burgenland oder aus benachbarten Bundesländern. Das im vierten Studienjahr ange-

Jutta Bertram

183

siedelte 18wöchige Berufspraktikum absolvierten etwa drei Viertel der Studierenden

im Inland, knapp 18% suchten sich dafür Einrichtungen in Deutschland. Die ersten

sieben Jahrgänge brachten bislang 358 Absolventinnen und Absolventen hervor,

weitere werden im Herbst folgen. Von diesen sind 221 Frauen und 137 Männer.

DER NEUE BACHELORSTUDIENGANG INFORMATIONSBERUFE

Mit Beginn des Wintersemesters 2005/06 wurde der Diplomstudiengang Informa-

tionsberufe von einem gleichnamigen Bachelorstudiengang abgelöst. Die nötigen

strukturellen Anpassungen betrafen dabei in erster Linie den modularen Aufbau

und die Verkürzung der Studienzeit um ein Jahr auf sechs Semester. Entsprechend

beginnt die individuelle Schwerpunktsetzung durch die Modulwahl nun schon im

zweiten und nicht erst im dritten Studienjahr. Inhaltlich bleiben die drei alten Ver-

tiefungsrichtungen in der Konzeption der Module weiterhin erkennbar, es wurden

aber auch neue Impulse gesetzt, beispielsweise, was den Erwerb von Fremdsprachen-

kompetenz betrifft (dazu weiter unten mehr). Die ersten vier Semester werden mit

einer Kontaktzeit von 22 Semesterwochenstunden als Vollzeitstudium absolviert,

das fünfte und sechste sind so konzipiert, daß sie auch berufsbegleitend durchlaufen

werden können. Im Interesse einer Offenheit für nicht-deutschsprechende Gaststu-

dierende wird das vierte Semester weitgehend auf Englisch unterrichtet. Der Bache-

lorstudiengang hat zur Zeit ca. siebzig Studierende (verteilt auf zwei Jahrgänge) und

schließt ab mit dem Bachelor of Arts in Social Sciences. Die Tätigkeitsfelder, für die

ausgebildet wird, zielen zum einen auf den Bereich des Bibliotheks-, Informations-

und Dokumentationswesens, betreffen zum anderen Content Management und die

Gestaltung von Informationsangeboten z.B. im Kontext der Online-Redaktion oder

sind auf das Business Information Management ausgerichtet. Der Studiengang hat

eine Kapazität von fünfzig Studienplätzen und zur Zeit jährlich ca. vierzig Studien-

anfänger, Tendenz steigend. Etwa zwei Drittel von ihnen sind Frauen.

Voraussetzung für die Zulassung zum IB-Studium ist zunächst natürlich die All-

gemeine Hochschulreife. Es gibt aber auch alternative Zugangsmöglichkeiten, etwa

eine abgeschlossene einschlägige Berufsausbildung (u.a. als Archiv-, Bibliotheks- und

Informationsassistent/in bzw. Fachgestellte/r für Medien- und Informationsdienste,

Buchhändler/in, Buchbinder/in, EDV-Systemtechniker/in…). In diesem Fall muß

im Laufe des ersten Studienjahrs eine Zusatzqualifikationsprüfung in Deutsch und

Englisch abgelegt werden.

Abbildung 1 illustriert die Struktur des Studiengangs. Als kontinuierliche Inhalte

ziehen sich durch die drei Studienjahre:

Schriften der VÖB 5, 181 – 190

184

Themen aus dem Bereich Gesellschaft-Kommunikation-Recht, wozu im Kern etwa

informationsethische und informationsrechtliche Fragestellungen gehören, Medien-

theorie sowie eine Grundausbildung in den Methoden der empirischen Sozialfor-

schung, aber auch Präsentationstechniken und eine Schreibwerkstatt.

Die Vertiefung bestehender Englischkenntnisse sowie das Erlernen der Grund-

lagen einer osteuropäischen Sprache für all diejenigen, die bereits über sehr gute

Englischkenntnisse verfügen. Die Studierenden haben dabei die Auswahl zwischen

Kroatisch (u.a bedingt durch die kroatische Minderheit im Burgenland, siehe oben)

und Russisch. Davon unabhängig vertiefen alle Studierenden über das gesamte

Studium hinweg ihre Englischkenntnisse.

Abbildung 1: Struktur und Ablauf des Bachelor-studiengangs Informationsberufe

Projektmanagement in Theorie und Praxis: Die Studierenden durchlaufen ein halb-

jähriges und ein einjähriges Ausbildungsprojekt mit realen Auftraggebern, einem

externen oder internen Lehrbeauftragten als Projektbetreuer und einem studenti-

schen Projektleiter. Die Projekte zielen auf die praktische Umsetzung komplexer,

fachspezifischer Aufgabenstellungen und ermöglichen zugleich die Anwendung von

Methoden und Instrumenten des Projektmanagements. Sie führen zu konkreten

Projektergebnissen und werden von den Studierenden eigenverantwortlich abge-

wickelt. Beispiele für den Gegenstand solcher Projekte sind etwa: die Entwicklung

einer Kommunikationsplattform für die Teilnehmer und Besucher der ,World Sai-

ling Games 2006’ am Neusiedler See, oder: die Evaluierung von 41 Städtewebsites

anhand eines selbst erstellten Evaluierungsleitfadens, oder: die Erstellung eines

Themen portals ‚Sprachen’ für den Wissensturm Linz.

Jutta Bertram

185

Im ersten Jahr erwerben die Studierenden zudem grundlegende Kenntnisse in

Informations- und Kommunikationstechnologien, im Management (auch im

Projektmanagement), in der Wissensorganisation und in der Informationsvermitt-

lung. Im zweiten Jahr wählen sie pro Semester drei von fünf Wahlpflichtmodulen,

die frei miteinander kombinierbar sind und in Tabelle 1 aufgelistet werden.

Tabelle 1: Die Wahlpflichtmodule im zweiten Studienjahr

3. Semester (3 von 5 Modulen) 4. Semester (3 von 5 Modulen)

Indexierung 1

(Katalogisieren und Beschlagworten für Bibliotheken)

Bibliotheksmanagement

(Geschäftsprozesse von Informations-stellen, Bibliotheksmanagement)

Indexierung 2

(Thesauruserstellung, Erschließung von Text-, Bild- und Tondokumenten, maschinelle Indexierung)

Digitalisierung

(Bestandserhaltung klassischer und Neuer Medien)

Content Management

(CM Systeme, Redaktionssysteme, Digital Asset Management)

Online Publishing

(Konzeption von Informationsangeboten, Redaktion von Inter- bzw. Intranet-Auftritten)

Business Information Systems

(Betriebliche Informationssysteme, vor allem ERP-Systeme)

Software-Implementierung

(Planung von Informationssystemen, Auswahl bzw. Entwicklung von Software)

Programmierung 1

(Einführung ins Programmieren, Web-Design, Computersicherheit)

Programmierung 2

(Weiterführendes Programmieren, Bild- und Videobearbeitung)

Im dritten und letzten Studienjahr sind in höchstens zwei Einrichtungen insgesamt

500 Praxisstunden an qualifizierter und im Idealfall projektorientierter Arbeit ab-

zuleisten – der formale Beschäftigtenstatus spielt dabei keine Rolle. In jedem dieser

Semester stehen weitere zwei Wahlpflichtmodule zur Auswahl, von denen eines

gewählt werden muß (siehe Tabelle 2).

Zudem sind im fünften und sechsten Semester – und das ist eine österreichische Be-

sonderheit – statt einer ‚großen’ zwei ‚kleine’ Bache lorarbeiten anzufertigen. In Um-

fang und Anspruch entsprechen sie in etwa einer Seminararbeit. Ihre Erstellung

findet in Lehrveranstaltungen zu wechselnden Themen statt. Pro Semester werden

vier unterschiedliche Themengruppen angeboten, zwischen denen die Studierenden

wählen können. Im kommenden Wintersemester haben die Studierenden beispiels-

Schriften der VÖB 5, 181 – 190

186

weise die Auswahl zwischen folgenden Angeboten: 1. English/Academic Writing,

2. Social Software (Web 2.0, Library 2.0); 3. IT Security, Digital Rights Management

4. Neue Wissenskulturen. Mit der Wahl der Themen für die Bachelorarbeiten, der Zu-

ordnung zu Ausbildungsprojekten, der Modulwahl und den Praktika bietet das Studium

viel Raum für die Anpassung der Inhalte an individuelle Interessen und Talente.

Tabelle 2: Die Wahlpflichtmodule im dritten Studienjahr

5. Semester (1 von 2 Modulen) 6. Semester (1von 2 Modulen)

Management von Information Services

(Elektronische Dienste von Informations-einrichtungen, z.B. Digitale Bibliothek, Fachportal)

Managementinformation

(Controlling, Berichtswesen, Management-Informationssysteme)

Management Accounting

(Grundlagen der Finanzbuchhaltung und der Kostenrechnung)

Informationsorganisation

(Informationsvisualisierung und Usability)

Die Absolventenarbeit des Studiengangs Informationsberufe

Mit dem Ziel, die IB-Absolventen stärker an den Studiengang zu binden und unter-

einander besser zu vernetzen, startete im September 2006 ein einjähriges studenti-

sches Ausbildungsprojekt. Nach einer ersten Projektphase, die der Aktualisierung und

Verifizierung des vorhandenen Adreßmaterials gewidmet war, wurden im Projekt drei

Arbeitspakete geschnürt und zu einem erfolgreichen Ende gebracht:

Erstens wurden auf der Grundlage von Leitfadeninterviews berufliche Profile von

Absolventinnen und Absolventen erstellt, die typische Berufsfelder repräsentieren.

Der zu diesem Zweck entwickelte Interviewleitfaden deckte Fragen zur Berufsein-

mündung und zum Berufsverlauf, zur aktuellen Berufstätigkeit und zur retrospek-

tiven Beurteilung des Studiums ab.[3] Diese Profile können nun unterstützend

in der Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Studiengangs eingesetzt werden

– Abbildung 2 zeigt ein Beispiel.

Zweitens wurde eine Kommunikationsplattform erstellt. Dazu wurde unsere beste-

hende Lehr- und Lernform Campus IB [4] um einen Bereich für die Zielgruppe

der Absolventen erweitert, wo sie fortan ihre Daten selbst verwalten und aktuali-

sieren sowie mit anderen Absolventen in Kontakt treten können. Wie Abbildung 3

illustriert, finden sie dort neben Neuigkeiten vom Studiengang und exemplarischen

Karriereverläufen z.B. auch Jobangebote.

Jutta Bertram

187

Abbildung 2: Beispiel eines Absolventenprofils

Und schließlich wurde zum Ausklang des Studienjahrs ein Absolvententreffen or-

ganisiert, bei dem sich Studierenden und Absolventen die Gelegenheit zu einem

Wiedersehen und zum Erfahrungsaustausch bot. [5]

GEORG DUNKL

hat sein Studium im Jahr 2004 abgeschlossen

Georg Dunkl ist seit vier Jahren bei Wienerberger, dem größten Ziegelproduzenten weltweit, beschäftigt. Nach seiner Ausbildung zum Keramiker kam Georg Dunkl an die FH, da er als Eisenstäd-ter das lokale Ausbildungsangebot nutzen wollte und ein praxis-orientiertes Studium anstrebte. Über ein zweisemestriges Aus-bildungsprojekt gelangte er dann zu seinem jetzigen Arbeitgeber.

„Ich habe noch während des Studiums bei Wienerberger begonnen, das heißt, ich war zuerst Projektleiter eines einjährigen Projekts, in dem es um Konzeptarbeit für die Einführung von Wissensmanagement ging, und habe dann dort mein Prakti-kum absolviert, was aber bereits eine Vollbeschäftigung bedeutete.“ Georg Dunkl ist Teamleiter der Abteilung ,Information Services’, die auf seine Initiative hin ge-gründet wurde. Zu seinem Aufgabenbereich als interner Informationsdienstleister zählen dasDesign und die Administration von Informationssystemen auf IT-Basis. „Konkret bin ich verantwortlich für das ,Technische Controlling’, dessen Anwen-dungsbausteine ich maßgeblich mitge stalte. Es handelt sich dabei in erster Linie um ein Produktionscontrollingsystem. Darüber hinaus betreue ich unterstützend die ‚Wienerberger Knowledgebase’, ein Wissensmanagement-Werkzeug, in dem Mitarbeiter-, Projekt- und Fachinformationen zu einem so genannten ,Wissensnetz’ verknüpft werden.“ Georg Dunkls Berufsalltag ist mit viel Entwicklungs- und Kon-zeptarbeit verbunden. „Man nimmt über eine solche Position auch eine gewisse Koordinatorrolle ein, in der man Anforderungen, die intern oder extern an das Unternehmen herangetragen werden, mit seinen Informationssystemen bereichs-übergreifend unterstützt.“ Mit seinem Studium verbindet er „aus heutiger Sicht betrachtet eine komplett unproblematische, einfache, lockere Zeit, in der ich viel lernen durfte.“ Die Qualitäten des Studiengangs sieht er in der guten Vernetzung und einem Repertoire häufig sehr guter Lehrbeauftragter. Sein Tipp an angehende Studentinnen und Studenten: Ein klares Ziel vor Augen haben, um sich besser aus jeder Lehrveranstaltung das herausnehmen zu können, was man selber später einmal brauchen kann. Denn gerade bei einer generalistischen Ausbildung, wie sie der Studiengang IB bietet, ist es wichtig, selbst Schwerpunkte zu setzen.

Schriften der VÖB 5, 181 – 190

188

Abbildung 3: Eine Seite der neu geschaffenen Absolventen-Plattform

DER NEUE MASTERSTUDIENGANG ANGEWANDTES WISSENSMANAGEMENT

Der Studiengang Angewandtes Wissensmanagement nahm zeitgleich mit dem

Bachelorstudiengang seinen Betrieb auf, also im Wintersemester 2005/2006. Im

Rahmen des Masterstudiums finden zwei Schwerpunkte besondere Berücksichti-

gung: Zum einen die Organisation und Verwaltung von explizitem Wissen mit Hilfe

von Dokumenten- bzw. Content-Management-Systemen, zum anderen die Online-

Moderation von Communities of Practice mit Hilfe von Kommunikationsplattfor-

men. Der Studiengang dauert vier Semester. Er ist berufsbegleitend angelegt und

gründet sich auf das Konzept des Blended Learning: Bei einer Kontaktzeit von 18

Semesterwochenstunden werden 50% der Lehreinheiten in Fernlehre absolviert, die

größtenteils mittels eLearning über eine zentrale Lehr- und Lernplattform abgewik-

kelt wird. Der Präsenzunterricht findet alle 14 Tage jeweils freitag nachmittag und

samstags ganztägig statt. Der Studiengang ist prinzipiell mit der gleichen Anzahl

von ECTS pro Studienjahr wie der Bachelorstudiengang konzipiert (nämlich 60),

aber eben mit einem entsprechend größeren Anteil an Fernstudienelementen. Die

Zulassungsvoraussetzung ist der Abschluß eines mindestens dreijährigen Studiums

Jutta Bertram

189

an einer Fachhochschule, Universität, Pädagogischen Akademie oder Sozialakade-

mie. Der Abschluß lautet Master of Arts in Business

Der Studiengang war ursprünglich auf zwanzig Studienanfänger ausgelegt. Nachdem

die Anzahl der Bewerbungen diese Kapazität jedoch bereits im Gründungsjahr um

ein Vielfaches überstieg, wurde er kurzerhand auf 35 Studienplätze aufgestockt. Der

erste Jahrgang befindet sich derzeit in der Studienabschlußphase. 15 Teilnehmer

haben ihr Studium im Juni dieses Jahres erfolgreich beendet, weitere 14 werden

voraussichtlich im Herbst folgen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer am Masterstudi-

engang weist eine pädagogische Erstqualifikation auf – viele von ihnen arbeiten als

Volks- oder Hauptschullehrer.

Wie aus Abbildung 4 hervorgeht, läßt auch das Masterstudium Raum zur Schwerpunkt-

setzung gemäß individueller Bedürfnisse. Zudem ist es durch einen hohen Praxisanteil

gekennzeichnet. Im ersten Semester durchlaufen die Studierenden eine Grundausbil-

dung, im zweiten Semester folgen praktische Projektarbeit, Management, Wissensma-

nagement-Konzepte und eLearning, das im Studium zugleich als Methode und Inhalt

fungiert. Im dritten Semester stehen Instrumente für das Wissensmanagement, Medien-

didaktik und konzeptionelle Überlegungen für die Diplomarbeit auf dem Programm.

Flankiert von Modulen zu fortgeschrittenen Instrumenten der Wissensorganisation und

Community Management wird die Diplomarbeit im vierten Semester fertiggestellt.

Abbildung 4: Struktur und Ablauf des Masterstudiengangs Angewandtes Wissensmanagement

AUSBLICK

Bilanziert man die Umstellung des Diplomstudiengangs auf das Bachelor-/Master-

System, so kann festgehalten werden, daß sich die neuen Studiengänge gut angelas-

Schriften der VÖB 5, 181 – 190

190

sen haben und allmählich in ihre Konsolidierungsphase treten. Der Bachelorstudien-

gang hat steigende Bewerberzahlen zu vermelden und im Masterstudiengang fällt die

erstaunlich niedrige Abbrecherquote bei zugleich immens hoher Arbeitsbelastung

auf, die für eine hohe Motivation der Studierenden spricht. Von 40 Studienanfänge-

rinnen und -anfängern des zweiten Jahrgangs haben nach Ablauf der ersten beiden

Semester lediglich vier das Studium vorzeitig beendet. Einige Teilnehmer des Pio-

nierjahrgangs haben noch während des Studiums eine neue berufliche Perspektive

entwickelt und umgesetzt, andere haben eine neue Weichenstellung innerhalb der

eingeschlagenen beruflichen Pfade vorgenommen.

Was die Zukunft angeht, so gibt es Überlegungen, den Bachelorstudiengang um

eine berufsbegleitende Variante zu ergänzen und damit zugleich neue Zielgruppen

zu erschließen: Z.B. ist an eine Öffnung für Personen gedacht, die bereits im BID-

Bereich (vor allem in öffentlichen Bibliotheken) arbeiten und auf dem Wege eines

Studiums eine formale Qualifikation für ihre Tätigkeit nachholen wollen. Zudem ist

an eine Ausweitung der Studieninhalte des Bachelorstudiums in Richtung auf Online-

Journalismus und Online-Redaktion gedacht, da es für diese Inhalte an Österreichs

Fachhochschulen bislang keine berufsbegleitenden Ausbildungsangebote gibt.

ANMERKUNGEN(Links zuletzt geprüft am 16.07.2008)

1 http://www.ib.fh-burgenland.at

2 http://www.aw.fh-burgenland.at

3 Den Interviewleitfaden stellen wir bei Bedarf gerne zur Nachnutzung zur Verfügung.

4 http://campusib.fh-burgenland.at

5 Ein herzlicher Dank geht an dieser Stelle noch einmal an das 10köpfige Projektteam,

bestehend aus Christian Dorn, Angelika Halbauer, Nicole Jursitzky, Julia Kantner (Pro-

jektleitung), Barbara Meyerhofer, Michael Pfalz, Jeannine Rybin, Christin Scharaditsch,

Gerda Wegleitner und Andrea Weiß.

ADRESSE DER AUTORINDipl. Soz. Jutta Bertram

Fachhochschulstudiengänge Burgenland

Campus 1, 7000 Eisenstadt

E-Mail: [email protected]

http://www.fh-burgenland.at/

Jutta Bertram

191

ABSCHLIESSENDER FESTVORTRAG

LIS EDUCATION IN EUROPE: CHALLENGES AND OPPORTUNITIES

SIRJE VIRKUS

ABSTRACT

In the last two decades an increasing interest in internationalization has been evident

in library and information science (LIS) education in Europe. However, quite recently

expansion and intensif ication of collaborative initiatives can be identif ied; European

LIS schools have started to participate more actively in joint activities to respond to the

challenges of globalization, to improve, innovate and strengthen the LIS curricula and

courses to serve the changing needs of students and the global employment market, and to

meet the international standards of quality in teaching, research and services. This paper

examines current trends and developments in higher education and the responses of library

and information science education to these changes. The overview is based on literature

reviews and personal observations and involvement.

INTRODUCTION

European library and information science (LIS) higher education (HE) is a part of the

European Higher Education Area (EHEA) and changes and challenges in European

HE influence also LIS education and its community. In the last two decades an

increasing interest towards academic collaboration has been evident in LIS education

in Europe. However, quite recently expansion and intensification of collaborative

initiatives can be identified; European LIS schools have started to participate more

actively in joint activities to respond to the challenges of globalization, to improve,

innovate and strengthen the LIS curricula and courses to serve the changing needs of

students and the global employment market, and to meet the international standards

of quality in teaching, research and services.

This paper describes the collaboration in LIS education in Europe. The paper is

structured into four parts. The first section provides the context for the European

LIS education and examines current trends and developments in European HE in

the context of the Bologna Process. The second describes the profile of LIS education

Schriften der VÖB 5, 191 – 204

192

in Europe. The third reviews the collaboration in LIS education in Europe and the

fourth highlights the challenges, opportunities, and barriers. The overview is based

on literature reviews and personal observations and involvement and presents a

selective review.

CONTEXT FOR EUROPEAN LIS EDUCATION

Changes and challenges in European HE refer to what is commonly known as

the Bologna Process. The Bologna Process is the product of a series of meetings of

ministers responsible for HE at which policy decisions have been taken in order to

establish an EHEA by 2010. In June 1999 twenty nine European ministers signed

the Bologna Declaration and committed their governments and their countries to

create the EHEA by 2010. This declaration became the primary document used by

the signatory countries to establish the general framework for the modernisation

and reform of European HE; the process of reforms came to be called the Bologna

Process (Eurydice, 2007).

The action programme set out in the Declaration is based on a clearly defined common

goal, a deadline and a set of specified objectives. The goal is the creation, by the year

2010, of the EHEA in order to enhance the employability and mobility of citizens

and to increase the international competitiveness of European HE. A set of specified

objectives in the Bologna Declaration includes: a) adoption of a system of easily

readable and comparable degrees; b) implementation of a system based on two main

cycles, undergraduate and graduate; c) establishment of a system of credits (such as

European Credit Transfer System (ECTS); d) promotion of the mobility of students,

teachers and researchers; e) promotion of European cooperation in quality assurance,

and f ) promotion of European dimension in HE. Thus, the Declaration is a key

document which marks a turning point in the development of European HE.

The goals of the Bologna Declaration, through a set of policy measures were

later reinforced and expanded[1]; for example, The Prague Communiqué (2001)

emphasised three elements of the Bologna Process: a) promotion of lifelong learning,

b) involvement of HEIs and students as active partners, and c) enhancement of

the attractiveness of the EHEA. The Berlin Communiqué (2003) emphasised

certain priorities for the next two years: a) development of quality assurance at

institutional, national and European levels, b) the implementation of the two-cycle

system, c) recognition of degrees and periods of studies, including the provision of

the Diploma Supplement automatically and free of charge for all graduates as of

2005, d) elaboration of an overarching framework of qualifications for the EHEA,

Sirje Virkus

193

e) inclusion of the doctoral level as the third cycle in the Bologna Process, and f )

promotion of closer links between the EHEA and the European Research Area

(ERA). In the Bergen Communiqué (2005) the priorities for 2007 included: a)

reinforcing the social dimension and removing obstacles to mobility, b) implementing

the standards and guidelines for quality assurance, c) implementing national

frameworks of qualifications, d) awarding and recognising joint degrees, and e)

creating opportunities for flexible learning paths in HE, including procedures for

recognition of prior learning. The Bergen Conference also marked the adoption

of the Standards and Guidelines for Quality Assurance in the EHEA (Eurydice,

2007).

Over the next two years the focus will be in particular on the following action

lines: mobility of students and staff, social dimension, data collection, employability,

stocktaking and EHEA in a global context (London Communiqué, 2007). However,

Winckler (2007: 5) points out that the cultural impact of the Bologna Process has

often been underestimated and that there remains much work to be done throughout

society, and that the EHEA will continue to be “work in progress” well beyond 2010.

As the 2010 deadline set for the realisation of the EHEA approaches, there has been

enormous change in European HE. Trends V report contains significant findings on

the implementation of Bologna reforms and also on the attitudinal shift that has

taken place across the HE sector (Croisier et al, 2007: 16).

The Bologna Process has influenced as well as supported significantly international

collaboration and cooperation at all levels. Clark (2007) notes that there has been

also a shift towards collaboration and cooperation in the language used in official

Bologna communications and documents; for example, buzz words from early

declarations such as ‘competitiveness’ and ‘attraction’ have been replaced in more

recent communiqués with terminology such as ‘cooperation,’ ‘partnership’ and

‘exchange’.

However, EU authorities have supported academic collaboration with the help

of the EU action programmes long before the Bologna Process started. For the

period 2007-2013 many different programmes are all being brought within the

common framework of the new Lifelong Learning Programme (LLP) (ETUI-

REHS, 2007).

The Bologna Process has grown from 29 countries in 1999 to 46 countries today

and has extended beyond the geographic borders of Europe. Cooperation with other

continents is now very much part of the Bologna agenda and is supported through

a series of bilateral programmes (Virkus, 2007).

Schriften der VÖB 5, 191 – 204

194

PROFILE OF LIS EDUCATION IN EUROPE

According to Borup Larsen (2005: 232), there are approximately two hundred institutions

of LIS education in Europe. The LIS field is characterized by a great diversity and

complexity. The diversity is found in traditions, approaches, models, program structures,

levels, placements, the duration of courses, thematic profiles of curricula, the content of

courses, ways of teaching and assessment, and other factors (Borup Larsen, 2005).

Most typically LIS schools function as a department within a specific faculty or as a

programme within a specific department; few institutions function as an independent

faculty/department or as an independent academic institution. LIS educational units

most often belong to Arts and Humanities, Social Sciences, Communication and

Media, Business Management, and Computer Science, followed by other disciplinary

affiliations. The most typical number of students enrolled is between 51-600 students

per school; the larger academic institutions have approximately one thousand students

and many LIS schools have less than 200 students enrolled. The number of full time

staff members is most typically between 11-20 employees (Borup Larsen, 2005).

European LIS education has gradually moved from vocational education to academic

HE. Audunson (2005) distinguishes between the discipline-oriented and profession-

oriented approach taken by European LIS schools. However, the institutional

affiliation, approach as well as conceptual, theoretical, and methodological perspectives

influence the way how teaching and learning is organized. There is also great diversity

in the curricula content (Virkus, 2007).

There have been several discussions at European level what is the core of LIS and

what the LIS curriculum should include. Wilson (2001) suggests that “information

studies” may be seen as resulting from the interactions among four fields: (1)

information content; (2) information systems; (3) people; and (4) organizations.

Audunson (2005) summarises the conclusions of the Nordic working group who

agreed upon four elements which should be a part of any LIS-education:

• A thorough understanding of knowledge organization and retrieval, and the principles

and theories lying behind systems for knowledge organization and retrieval.

• Knowledge of the content to be acquired, organized and mediated (cultural and

literary knowledge).

• Epistemology and theory of knowledge in order to be able to critically analyze

the epistemological pre-suppositions of different systems.

• Students’ capabilities to understand and analyse LIS-institutions and LIS-practice

in a broader social context should be developed.

Sirje Virkus

195

The project LIS Education in Europe: Joint Curriculum Development and Bologna

Perspectives [2], supported by the EU Socrates Erasmus programme, was analysing

ten curricular themes within LIS curricula in Europe. The Table 1 represents the

results of 47 responding LIS schools.

Table1. LIS themes ranked as core subject areas in LIS school curricula (Borup Larsen, 2005: 235)

Curricula Theme

Number of responding

schools%

Information seeking and information retrieval 47 100%Library management and promotion 38 81%Knowledge organization 31 66%Knowledge management 23 49%Information literacy and learning 21 45%The information society: Barriers to the free access to information

21 45%

Library and society in a historical perspective 18 38%Cultural heritage and digitalization of the cultural heritage

9 19%

The library in the multi-cultural information society: International and intercultural communication

6 13%

Mediation of culture in a special European context 3 6%Total 47

Differences in the European LIS field arise from historical, cultural, social, economic

and political factors as well as from educational traditions, practices and regulatory

systems in a country (Kajberg, 2003). This diversity has both positive and negative

aspects. Audunson (2005) believes that the pluralism is a strength that future scientific

and professional developments should be built upon. Kajberg (2006) also agrees that

cultural diversity and the variety of educational traditions in LIS represent a valuable

resource in international cooperation.

However, Clyde (1998) and Kajberg (2003) are concerned that the diversity hampers

transparency and student mobility, and presents obvious difficulties to intentions of

working together and organizing joint programs. The findings of the study of Borup

Larsen (2005: 236), however, provide evidence that LIS programmes in Europe are

fundamentally on the same academic level and LIS schools fulfil a basic requirement

for participation in collaborative activities.

Schriften der VÖB 5, 191 – 204

196

COLLABORATION IN LIS EDUCATION IN EUROPE

Although collaboration has been a quite desirable goal in LIS education for many

years, very little is known about the way how European LIS schools are actually

collaborating, which attributes contribute to collaborative activities and how it is

influencing LIS schools and their activities (Kajberg, 2003).

However, increased attention to collaborative activities in the LIS literature can be

noticed during the last five years, mainly in the context of internationalization of

HE. Several seminars and workshops on internationalization have been arranged by

European LIS educators or with their involvement; for example, in North Carolina at

Chapel Hill (2002), Parma (2002), Tallinn (2006) and New Orleans (2006) (Kajberg,

2003; Abdullahi et al, 2007).

Discussions on collaborative activities in European LIS education have focussed

on the role of associations and networks, EU projects and support schemes, joint

international programmes or courses, including ICT-based courses, and joint doctoral

programmes. There are also many institutional case studies and several overviews

which cover two or more of these aspects or focus on collaborative activities in the

specific region.

In the European LIS literature two arrangements are more frequently mentioned:

the European Association for Library and Information Education and Research

(EUCLID) and BOBCATSSS, a yearly international symposium arranged under

the auspices of EUCLID.

EUCLID, established in 1991, is an independent European non-governmental

and non-profit organisation whose purpose is to promote European cooperation

within LIS education and research and to provide a body through which it can be

represented in matters of European interest. According to its webpage, EUCLID

aims to facilitate exchange of students and staff among the members, encourage

mutual recognition of curricula or parts of curricula, develop cooperation on research

projects and with other international organizations, exchange mutual information

about development in curricula and research, arrange meetings about the topics

of organization, encourage support from stronger to weaker members, represent

the membership in relation to European and international bodies, undertake other

activities of interest of the Association, maintain an archive of the Association’s

documentation, and publish a newsletter. The EUCLID’s directory lists seventy

one member institutions [3] and it seems that the association is extending beyond

European boarders; for example, institutions from Australia, Bangladesh and Brazil

Sirje Virkus

197

are also members. During the last five years, the EUCLID has developed a number

of successful initiatives that encourage collaboration.

BOBCATSSS is a symposium organized every year by LIS students of two European

universities, one from CEE and one from Western Europe. The initial aim of the

BOBCATSSS was to enhance collaboration between students and professionals in

CEE and Western Europe. Teams of students plan and realize both the content and

the management of the symposium as a part of their studies. The name BOBCATSSS

is an acronym, which is composed of the initials of the cities of HEIs that initiated the

BOBCATSSS symposium in 1993: Budapest, Oslo, Barcelona, Copenhagen, Amsterdam,

Tampere, Stuttgart, Szombately, and Sheffield. Other European LIS schools have joined

the network later. Since 1993, the symposium has been held in different locations in

Eastern Europe. BOBCATSSS is regarded as a successful, innovative and very visible

collaborative effort in European LIS education (Abdullahi & Kajberg, 2004).

European LIS educators participate also in other collaborative initiatives and

networks in Europe as well as internationally; the International Federation of Library

Associations and Institutions (IFLA), European Network for Information Literacy

(ENIL) and European Association of Distance Teaching Universities (EADTU)

are just few examples. These organisations and networks provide an opportunity for

LIS educators for discussions and professional activities as well as for presentations

in their seminars, workshops, conferences and meetings.

The EU Socrates Erasmus programme is frequently mentioned in the LIS literature

and it seems that many European LIS schools have benefited from the Erasmus

grants. Other highlighted programmes are Tempus and NORDPLUS, a scheme for

HE institutions in the Nordic countries.

Project LIS Education in Europe: Joint Curriculum Development and Bologna Perspectives

mentioned earlier [2], is regarded as very successful by many LIS educators in Europe.

The idea behind the project goes back to the EUCLID conference Restructuring

and Adapting LIS Education to European Standards in Thessaloniki in 2002. In

Thessaloniki the need to implement the intentions of the Bologna Declaration

in the field of LIS education was highlighted. The follow-up conference Coping

with Continual Change - Change Management in Schools of Library and Information

Science was organized in Potsdam in 2003. As a result, a joint project proposal was

formulated and applied for funding within the EU Socrates programme. The overall

focus of the project was on reflections on LIS curricula in order to stimulate the

European debate and collaboration between the LIS schools on the implementation

of the objectives of the Bologna Declaration (Kajberg, 2006).

Schriften der VÖB 5, 191 – 204

198

The project application was successful and in June 2004 twelve virtual discussion

groups were formed focusing on a specific LIS curricular theme. The project steering

group invited twelve LIS curricular experts as group leaders. Each group leader

nominated four core experts within their curricular theme taking into account

geographical representation. Additional experts were invited to the virtual discussion

groups. It was envisaged that each virtual discussion groups would have at least 8-10

members. However, in reality some discussion groups had a quite limited number of

participants while some groups consisted of twenty members. Each group explored

a specific LIS curricular theme from January to August 2005 and submitted a brief

report on its work. In August 2005, the core experts of each group, altogether fifty

LIS professionals, met in Copenhagen and discussed the possibilities of European

LIS curriculum development in a workshop. As a result of the virtual discussions and

workshop in Copenhagen the material was generated for the final e-book[4].

In the framework of this project a questionnaire-based survey was carried out by

Jeannie Borup Larsen (2005) to gather information on European LIS schools. The

survey results provide an overview of organisational affiliations, curriculum contents,

a number of staff and student enrolments of fifty European LIS schools. A more

detailed overview of the project is provided by Kajberg (2006) and Lørring (2006).

Kajberg (2003) believes that joint curriculum, course or module development is a

more ambitious and resource demanding way of collaboration. However, there are

several examples of good practice. One of the earliest initiatives seems to be the MSc

course on Information Management offered jointly by the University of Sheffield

(UK) and the Laboratório Nacional de Engenharia e Tecnologia Industrial (LNETI)

in Lisbon (Portugal) (Kajberg, 2003). Kajberg & Pors (1995) report the initiative

of the Royal School of Library and Information Science to deliver a three-month

course on Access to Information during the autumn term 1994 together with the

Technological Educational Institution of Thessaloniki in Greece and Loughborough

University, University of Sheffield, and the Robert Gordon University in UK.

Other examples include collaboration between Oulu University (Finland) and the

University of North Carolina at Chapel Hill (USA), the Tallinn University (Estonia)

and Gjøvik College (Norway), Parma University (Italy) and Northumbria University

(UK) (Iivonen et al, 2001, Virkus & Sponberg, 1999, Dixon & Tammaro, 2003).

More recently a joint master programme on Digital Library Learning (DILL)

between Oslo University College (Norway), Parma University (Italy) and Tallinn

University (Estonia) has got support in the framework of the EU Erasmus Mundus

programme. The first semester is offered in Oslo, the second semester in Tallinn

Sirje Virkus

199

and the third semester in Parma. Students can choose to write their Master Thesis

at either of the three partner institutions. The students will acquire a joint Master

Degree (120 ECTS), recognised by the Consortium partners. The DILL will start

this August with a summer school in Oslo.

Joint research is also an important way of collaboration. The results of the survey

carried out by Kajberg (2003) showed that joint research is fairly common in

European LIS schools.

One more field in the LIS literature where collaboration and cooperation is

highlighted is quality assurance. Promotion of European cooperation in quality

assurance is also an important objective of the Bologna Declaration. Audunson

(2005) believes that the Bologna-process opens up for real and substantial quality

improvements in LIS. There are no institutionalized and recognized European level

accreditation and quality assurance procedures in LIS education; the process normally

relies on national level accreditation bodies and mechanisms (Kajberg, 2006).

Kajberg (2003) concludes that in general European LIS schools have been very

slow in arranging cross-country partnerships and there are no convincing results

of collaboration. There are few initiatives that go beyond the small-scale student

mobility and examples of European LIS schools’ projects concerned with the

development of joint degree programmes, joint modules, intensive courses and e-

learning activities are scarce. It should be said, however, that the Bologna Process

as well as EC collaborative support schemes create a very favourable framework for

collaboration. LIS institutions respond to the particular challenges and opportunities

presented by the changing context in a range of ways; for example, some have

put more emphasis on mobility or research, others on curriculum or joint course

development, and others on ICT-based learning or arrangement of workshops,

seminars and conferences (Virkus, 2007).

CHALLENGES, OPPORTUNITIES AND BARRIERS

Globalization presents many challenges and opportunities for HE institutions

around the world. Collaboration itself is a challenge and also an opportunity.

Beerkens (2004: 73) indicates that universities operate in a specific regulatory,

social and cultural context which is influenced by many factors: at the national

level, by public and regulatory pressures and sector-wide norms; at the university

level, by organisational culture, climate and politics; and at the individual level by

norms, values and professional and academic standards and routines. In successful

Schriften der VÖB 5, 191 – 204

200

collaboration, partners need to be complementary in their resource bases, but they

also need compatible backgrounds.

Existing literature points to many benefits of collaboration. Beerkens, (2004: 94)

believes that international collaboration and cooperation affects the quality of

teaching, research, organisation and management, the socio-economic development

of the region, the competencies of the graduates, the reputation of the university, the

enrolment of students, and the university’s access to funding. Thus, it is a growing

imperative to collaborate in order to meet international standards of quality in

teaching, research and services. European HE institutions are facing common

challenges related to the growth and diversification of HE, the growing demand

for education and training in a lifelong learning perspective, the shortage of skills in

many key areas, the employability of graduates as well as the expansion of private and

transnational education. However, these challenges might also be the opportunities

and sometimes also barriers.

In the European LIS literature the diversity, complexity and incompatibility of

institutional structures and regulatory systems are often highlighted as obstacles as

well as challenges to collaboration. Several authors point to the administrative and

legal problems in collaborative activities ( Johnson, 2000; Berger, 2002; Dixon &

Tammaro, 2003). Declining public funding and scarcity of funds is an issue that is

frequently mentioned. Kajberg (2002) notes that lack of financial resources makes LIS

institutions moderate their international aspirations and may stop many initiatives.

Linguistic and didactic problems are presenting also obstacles to collaboration

(Berger, 2002). Berger (2002), Dixon & Tammaro (2003) also draw attention to

cultural issues, different traditions, mentalities and interests.

An important challenge for European LIS education is to prepare students to the

global employment market. Employers need employees with deep professional as

well as international competencies and experiences. Audunson (2005) suggests that

profound ICT-competency and a profound understanding of the librarians’ role in a

multicultural context is the sine qua non of every educational program in LIS today.

Thus, globalization has implications for the content of curricula, teaching, learning

and delivery methods, staff competences and quality.

The use of ICT for collaboration as well as for enhancement of educational processes

presents challenge to LIS educators as well. Kajberg (2003: 40) notes that a few

schools use the possibilities of modern ICT for collaboration, and LIS-specific e-

learning across geographical boundaries is more than difficult to spot in Europe. In

order to survive in our post-modern society these possibilities can not just be ignored

Sirje Virkus

201

by LIS educators. There are many tools for collaboration, course delivery or just for

making teaching and learning more exciting; Skype, Citeulike or Second Life are

just few examples.

Terminology is also an obstacle to collaboration. Many authors have expressed a

concern about the way the LIS educators in Europe use the terms. The same terms do

not always relate to the same things or curricular content (Borup Larsen, 2005) and

“such a loose use of scientific terms is not healthy from a scientific and educational

point of view” (Broughton et al, 2005: 141). Widén Wulff et al (2005: 126) find it

extremely important to use as coherent terminology as possible in our field, because it

is suffering from too many vague definitions and connections to adjacent areas. Borup

Larsen (2005: 240) propose the way to cope with this dilemma in encouraging further

work on the profile and contents of European LIS programmes and developing a

disciplinary framework that seeks to identify the common understanding of terms.

Several authors have noted (Kajberg, 2003; Borup Larsen, 2005) that the manner in

which LIS schools are visible on the Web presents another problem for collaboration.

Some schools have quite impressive homepages with all information needed for

students’ exchange or collaboration. However, other institutions’ Websites present

curricular information in a very confusing way; it makes it extremely difficult to

advise students about the planning of study periods in other countries. Borup Larsen

(2005: 233) notes: “… many [homepages] were not translated into English, updated

or containing correct contact information. Of the 154 homepages, where the national

language was not English, only 75 were in some degree translated into English”.

New partnerships outside the LIS field, outside the university and Europe present

challenges as well. There are many opportunities for joint working, learning, teaching

and research (Virkus, 2007)

CONCLUSIONS

In our modern society, hardly any field can make progress without international

collaboration. Collaborative activities in Europe have increased enormously over the

last decades. This increase has been stimulated by the Bologna Process as well as by

EC collaborative support schemes that have created a very favourable framework

for collaboration. The legal, political, social and cultural differences, however,

between countries and organisations raise significant obstacles in collaboration and

cooperation. Some observers believe that LIS schools in Europe have been very

slow to form cross-country partnerships. However, LIS schools have responded to

Schriften der VÖB 5, 191 – 204

202

the particular challenges in a range of ways; for example, some schools put more

emphasis on mobility or research, others on curriculum or joint course development,

and others on ICT-based learning or arrangement of workshops, seminars and

conferences.

European LIS schools are facing common challenges related to the growth and

diversification of HE, the growing importance of lifelong learning, the shortage

of skills in many areas, the employability of graduates and the expansion of private

and transnational education. Other challenges include the innovative use of ICT

in education, coherent use of terminology, visibility on the Web, and forming

new partnerships. To collaborate successfully we need a favourable collaborative

framework and a highly collaborative culture.

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shaping the European HE Area.

REMARKS1 Every second year the Ministers meet to measure progress and set priorities for action.

After Bologna (1999) they met in Prague (2001), Berlin (2003), Bergen (2005) and

London (17-18 May 2007). They will meet again in Leuven/Louvain-La-Neuve (May

2009).

2 Project homepage: http://www.db.dk/LIS-EU/index.asp

3 http://euclid.hio.no

4 The e-book “European Curriculum Reflections on Library and Information Science

Education” is accessible at http://biblis.db.dk/Archimages/423.12.05.pdf

AUTHOR’S ADDRESSProf. Sirje Virkus

Head of the Department of Information Studies, Tallinn University

Narva Road 25, 10120 Tallinn

Estonia

E-Mail: [email protected]

Homepage: http://www.tlu.ee/~sirvir/kodu.htm

Sirje Virkus

BEREITS ERSCHIENEN SIND:

ZUGANG ZUM FACHWISSEN – ODOK ‘05 Schriften der VÖB – Band 1 220 Seiten, 2007, Broschur

ISBN 978-3-85376-281-3

WA(H)RE INFORMATION - BIBLIOTHEKARSTAG ‘06 Schriften der VÖB – Band 2 317 Seiten, 2007, Broschur

ISBN 978-3-85376-282-0

TERSCH Harald, SCHREIBKALENDER UND SCHREIBKULTUR Schriften der VÖB – Band 3 120 Seiten, 2008, Broschur

ISBN 978-3-85376-283-7

KAUFER Marion, ERWERBUNGSPROFILE IN WISSENSCHAFTLICHEN BIBLIOTHEKEN Schriften der VÖB – Band 4 91 Seiten, 2008, Broschur ISBN 978-3-85376-284-4