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Inhalt Zum Start Das Thema: Was sagen? Was tun? 7 Der Aufbau: Unterhaltsame Theorie und Praxis 7 1. Fɒnf GrundsȨtze der Kommunikation Wir sind zwar von Geburt an getrennt, aber ursprɒnglich verbunden 9 Wir verstehen andere mithilfe »kognitiver Landkarten« 10 Kommunikation wird durch Institutionen bestimmt und bestimmt diese mit 16 Wir kommunizieren auf mehr als einer Ebene 23 Gut kommunizieren genɒgt nicht; LehrkrȨfte sollen wahrhaft gɒtig sein 30 2. Eltern und Schule kommunizieren Schule befreit Kinder und entlastet Eltern 32 Die Schule bedroht die Kultur der Familie 32 Die Schule selektioniert 33 Wie Schule den Kontakt erleichtern kann 37 GesprȨchsangebote der Schule 43 Eltern beurteilen die Schule 50 NotfȨlle und Konflikte 51 3. Lehrende und Lernende kommunizieren Lernfreundliche Voraussetzungen schaffen 53 Lernen lernen 60 Lehr-LerngesprȨche in grçßeren Gruppen und Klassen 66 Kinder geben Rɒckmeldungen 73 4. Schulleitungen kommunizieren Neun Thesen zur Institution Schulleitung 75 Gemeinschaft und Kontakt 79 Projektmanagement 81 BewerbungsgesprȨche 83 Rɒckmeldung, Standort- und Zielbestimmung, Beurteilung 87 Konflikte lçsen 90 Schlechte Nachrichten ɒberbringen 93 Inhalt 5

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    Inhalt

    Zum StartDas Thema: Was sagen? Was tun? 7Der Aufbau: Unterhaltsame Theorie und Praxis 7

    1. F�nf Grunds�tze der KommunikationWir sind zwar von Geburt an getrennt, aber urspr�nglich verbunden 9Wir verstehen andere mithilfe »kognitiver Landkarten« 10Kommunikation wird durch Institutionen bestimmt und bestimmt

    diese mit 16Wir kommunizieren auf mehr als einer Ebene 23Gut kommunizieren gen�gt nicht; Lehrkr�fte sollen wahrhaft

    g�tig sein 30

    2. Eltern und Schule kommunizierenSchule befreit Kinder und entlastet Eltern 32Die Schule bedroht die Kultur der Familie 32Die Schule selektioniert 33Wie Schule den Kontakt erleichtern kann 37Gespr�chsangebote der Schule 43Eltern beurteilen die Schule 50Notf�lle und Konflikte 51

    3. Lehrende und Lernende kommunizierenLernfreundliche Voraussetzungen schaffen 53Lernen lernen 60Lehr-Lerngespr�che in grçßeren Gruppen und Klassen 66Kinder geben R�ckmeldungen 73

    4. Schulleitungen kommunizierenNeun Thesen zur Institution Schulleitung 75Gemeinschaft und Kontakt 79Projektmanagement 81Bewerbungsgespr�che 83R�ckmeldung, Standort- und Zielbestimmung, Beurteilung 87Konflikte lçsen 90Schlechte Nachrichten �berbringen 93

    Inhalt 5

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    5. Lehrende kommunizieren miteinanderVom einsamen Staatsbeamten zum Team 94Zusammenarbeit verlangt Kommunikation 95Konferenzen 98Konflikte mit Kollegen und in Teams 101

    Literatur 103

    �ber die Autoren 113

    Bedeutung der Symbole

    Achtung

    Beispiel

    Stolperstein, Vorsicht

    Zusammenfassung

    Weiterf�hrendes

    Beispiele werden in diesem Band durch Kursivsetzung hervorgehoben.

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  • {luchterh_neu}20100378_Erfolgreich_SchM/kap01.3d 23.11.10 S. 7

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    Das Thema: Was sagen? Was tun?

    Was sagen, wenn ein F�nfzehnj�hriger den »geilen Hintern« der Lehre-rin nackt sehen will? Was tun, wenn ein Kind im Wutanfall blindlingsum sich schl�gt? Wie auf dem Pausenplatz einen frechen Jugendlichenin die Schranken weisen? Und wie mit einem Vater umgehen, der sp�t-abends anruft, weil seine Tochter sexuell bel�stigt worden sei? Woraufkommt es beim Leiten der Schulkonferenz an? Oder wie sich einem Leh-rer gegen�ber verhalten, der sich immer wieder �ber Kinder und derenEltern beklagt? Bei Pestalozzi findet sich keine Auskunft. Auch bei Rous-seau nicht. Und auch nicht bei den modernen Didaktikern. Selbst w�h-rend der Ausbildung fristet der Aufbau kommunikativer Kompetenzenein Schattendasein. Rhetorik statt Kommunikation, Auftrittskompe-tenz statt Zuhçren und Zuwendung.

    Unser kleines Buch gibt Antworten auf obige Fragen. Wir erz�hlen,was wir (oder andere) tats�chlich gesagt und getan haben (auch wenndie Beispiele zum Schutz der Beteiligten verfremdet sind). So ist eineSammlung von teils am�santen, teils bewegenden Anekdoten entstan-den.

    Gleichzeitig fragen wir, warum das alles so ist (und wie es anders seinkçnnte). Wir haben es nicht nur erlebt, in Trainings mit Studierenden,Lehrpersonen und Schulleitenden ausprobiert und weiterentwickelt,sondern dar�ber nachgedacht und die einschl�gige Literatur kritisch ge-lesen. Wir zeigen jenen Leserinnen und Lesern, die ihre Kenntnisse ver-tiefen mçchten, wo sie die einschl�gigen �berlegungen finden – des-halb die umfangreichen Literaturangaben. Etwas viel, fand der Verleger.Aber wir haben darauf beharrt. Denn was wir geschrieben haben, istzwar keine empirische Untersuchung, aber ein wissenschaftlich fundier-tes kleines Buch, das die Kommunikation in der Schule auf allen Ebenendarstellt.

    Der Aufbau: Unterhaltsame Theorie und Praxis

    Die P�dagogik hat Fragen rund um Kommunikation erst sp�t und zumTeil noch gar nicht entdeckt. Damit ist sie nicht allein. Erst in der Mittedes 20. Jahrhunderts begann die Wissenschaft nach Kommunikation zu

    Der Aufbau: Unterhaltsame Theorie und Praxis 7

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    fragen. In den Vereinigten Staaten entwickelte Gregory Bateson Begriffe,mit deren Hilfe wir verstehen, worum es geht. Aus anderer Richtung be-leuchteten die Soziologen Sacks, Schegloff und Jefferson in den siebzi-ger Jahren Fragen der Gespr�chsf�hrung. In Deutschland haben Chris-tian Winkler und Hellmut K. Geißner die Begriffe B�hlers und de Saus-sures entfaltet. Dar�ber berichtet mit vielen Beispielen unser erstes Ka-pitel.

    Eltern und SchuleElterngespr�che – das gab es vor zwanzig Jahren noch gar nicht. Undnun sollen sie regelm�ßig gef�hrt werden, an manchen Orten sogarvon Gesetzes wegen. Aber wie? Modelle, Beispiele und Resultate ersterbescheidener empirischer Untersuchungen zeigt unser zweites Kapitel.

    Lehrende und LernendeEs ist bekannt: Lehrer reden zu viel, die Kinder zu wenig. Seit hundertJahren regen sich die Schulreformer dar�ber auf. Was hilft wirklich?Und wie reden wir mit den Kindern, damit sie besser lernen kçnnenund nicht d�mmer werden (was tats�chlich vorkommen kann)? Vor al-lem: Wie hçren wir den Kindern zu? Geben wir ihnen Zeit um nachzu-denken? Versuchen wir ihre Vorgehensweise zu verstehen oder haltenwir an unseren »bew�hrten Konzepten« fest?

    Schulleitungen kommunizierenSchulleitungen sind Wagenlenker, nicht Zugpferde – wenn das ganz klarist, wird auch klar, wie sie kommunizieren kçnnen und m�ssen. Kom-munikation in einem umfassenden Sinn: Von der Homepage bis zur Mit-arbeiterbeurteilung!

    Lehrende kommunizieren miteinanderWaren die Lehrer des 19. Jahrhunderts Herrscher im Reich der Schule, soarbeiten heutige Lehrkr�fte mit(gelegentlich auch gegen)einander. Wiel�sst sich das verbessern? Lehrpersonen sind in Steuergruppen, Projekt-teams oder p�dagogischen Arbeitsgruppen vertreten, besuchen einan-der gegenseitig und haben einander professionelle R�ckmeldungen zugeben.

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  • {luchterh_neu}20100378_Erfolgreich_SchM/kap01.3d 23.11.10 S. 9

    1. F�nf Grunds�tze der Kommunikation

    Liebe Leserinnen und Leser! Zwei Lehrer beschreiben, was ihnen bei derVerst�ndigung mit jungen Menschen und ihren Eltern, mit Lehrerinnenund Lehrern sowie Schulbehçrden geholfen hat und was sie beim Stu-dium der Fachliteratur gefunden haben. F�nf Grunds�tze der Kommu-nikation haben sich dabei herausgesch�lt. Sie zeigen, was wir unterKommunikation verstehen.

    Wir sind zwar von Geburt an getrennt,aber urspr�nglich verbunden

    Nachahmung und Einf�hlung gehen dem Spracherwerb voraus (Bate-son 1979; Iacoboni et al. 2005; McNeill 2005; Turella et al. 2007; Din-stein et al. 2008; Tomasello 2009): Franks Vater ist empçrt �ber die Behand-lung seines Sohnes und will sich beim Schulleiter beschweren. Der empf�ngtihn an der Schulhaust�r und bittet ihn in sein B�ro am andern Ende des Kor-ridors. Zornig schreitet der Vater voran, der Schulleiter kann kaum folgen. Dasmerkt der Vater denn doch. Er verzçgert seine Schritte, und weil der Korridor solang ist, dass er lange langsam gehen muss, wird er zunehmend ruhiger. Als siedas B�ro erreicht haben, kommen die beiden gelassen ins Gespr�ch.

    �bernehmen wir Bewegungsmuster, Atemrhythmus, Geb�rden undMimik unseres Gegen�bers, so lassen wir uns dadurch wortlos f�hren,wir kçnnen aber ebenso wortlos selber die F�hrung �bernehmen (Grin-der 1976; Wells & Petty 1980). Der siebzehnj�hrige Viktor hat sich bei seinerHausarbeit große M�he gegeben. Trotzdem ist das Ergebnis nicht befriedigend –und die Note auch nicht. Er ist w�tend, hat Tr�nen in den Augen und tritt imUnterricht demonstrativ in den Streik. Meine Gespr�chsangebote schl�gt er aus.W�hrend einer Pause stehe ich zuf�llig in seiner N�he. Er hat mich wahrgenom-men, wendet mir aber den R�cken zu. Ich gebe ihm einen Stoß in die Rippen.Heftig dreht er sich um und haut mir die Faust in den Magen. Es ist ein kr�ftigerSchlag, aber ich habe halbwegs damit gerechnet und kann ihn abfedern. »Sindwir jetzt quitt?«, frage ich. Viktor ist einen Moment fassungslos, aber dann sehrerleichtert. Wir arbeiten fortan ausgezeichnet zusammen.

    Im Kindergarten ist ein Biologe zu Gast, der die Kinder in die Geheimnissedes schuleigenen Biotops einf�hrt. Alle stehen um den Weiher herum. Plçtzlichsp�rt der Biologe, wie eine kleine Hand sich in seine große schiebt. Der Mann

    Von Geburt an getrennt, aber urspr�nglich verbunden 9

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    ist sehr bewegt. An der hçheren Schule, an der er sonst unterrichtet, hat er soetwas nie erlebt.

    Kçrperkontakt gehçrt zu den elementaren Mçglichkeiten der Kom-munikation. In der Schule ist allerdings Zur�ckhaltung geboten, f�rM�nner mehr als f�r Frauen.

    Wir verstehen andere mithilfe »kognitiver Landkarten«

    Bevor wir sprechen lernen, erwerben wir innere Repr�sentationen vondem, was wir tun und wahrnehmen. Solche »kognitiven Landkarten«(Tolman 1948; Luhmann 1984; Moser 2008) leisten zweierlei: Sie ord-nen unsere Wahrnehmungen – Traubensaft schmeckt mir, Suppe nicht! –und steuern gleichzeitig als »Verhaltensschema« unser Handeln – beiTraubensaft den Mund çffnen, bei Suppe nicht! Wir gestalten sie unserenZielen entsprechend – Traubensaft ja, Suppe nein! So erf�hrt jeder Menschdie gleiche Wirklichkeit mithilfe seiner je eigenen kognitiven Landkar-ten und handelt dementsprechend in seiner ganz besonderen Weise(Korzybski 1933; Hayakawa 1939).

    Kognitive Landkarten ordnen unsere WahrnehmungenManuela zeichnet den Grundriss der elterlichen Wohnung und schreibt dieR�ume an: K�che, Bad, Wohnzimmer, Elternzimmer und Kinderzimmer. Da-bei sind die f�nf Zimmer als eine Art Rahmen um einen sechsten, t�r- und fens-terlosen Raum herum angeordnet. Was das f�r ein Raum sei? Das wisse sienicht. Ob er keine T�ren und Fenster habe? Nein. Ob es ihn denn �berhauptgebe? Ganz sicher, ja, gewiss. – Es dauert einige Zeit, bis Manuela einenGrundriss zeichnen kann, der n�her an der Realit�t ist und kein m�rchenhaf-tes Zimmer mehr umfasst. – Ein Gespr�ch mit den Eltern ergibt: Manuela haterst sehr sp�t zu kriechen und zu gehen begonnen. R�umliche Orientierungf�llt ihr bis heute schwer.

    Durch Zufall sind wir darauf gestoßen, dass Manuela eine ganz eigene»cognitive map« der elterlichen Wohnung hat. Dass sie – wie wir alle –auch von der �brigen Welt eigene kognitive Landkarten hat, steht zuvermuten (Wygotski 1934).

    Kognitive Landkarten sind Handlungspl�ne mit ZielenWie kommen wir den kognitiven Landkarten unseres Gegen�bers aufdie Spur? In einem ersten Anlauf, indem wir nach seinen Zielen (und

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    das heißt nach seinen Bed�rfnissen) fragen. Andreas, ein Gymnasiast, istintelligent, verweigert jedoch jede Leistung. Wir kçnnen ihm nicht weiterhelfenund m�ssen ihn entlassen. Sein Vater, ein erfolgreicher Rechtsanwalt, istebenso hilflos wie wir: »Was willst du nur machen?« fragt er beim Schlussge-spr�ch im B�ro des Schulleiters. »Landschaftsg�rtner werden.« Das hçren wirzum ersten Mal. Der Vater auch. Es hat eben nie jemand danach gefragt. Allehaben sich nur den Kopf zerbrochen, wie der junge Mann seine Schulleistungenverbessern kçnnte. Aber jetzt ist alles klar. Andreas wird Landschaftsg�rtner.

    Junge Menschen haben nicht selten große Ziele – Andreas hat einenBeruf vor Augen –, w�hrend Lehrkr�fte und Eltern kleinr�umiger den-ken (Er sollte wenigstens das Gymnasium abschließen). Den Zielen aufdie Spur zu kommen bedarf einer klugen Gespr�chsf�hrung.

    F�r unsere kognitiven Landkarten geben wir bestimmtenMedien den VorzugChristoph ist im vierten Schuljahr und hat immer noch M�he mit dem Einmal-eins. Ich lasse ihn H�uflein legen (er soll vom Handeln ausgehen, denke ich):Einmal vier N�sse, zweimal vier N�sse. . . einmal sieben N�sse, zweimal sie-ben N�sse. . . Ich sage ihm die Reihen vor und lasse nachsprechen. . . alles um-sonst. Bis mir eines Nachts die Lçsung einf�llt: Christoph ist ein begabter undleidenschaftlicher Zeichner. Ich zeichne ihm also Streifen mit einer Hunderter-einteilung und male dann die Dreier, die Vierer, die F�nfer und so fort darauf.Am Morgen legt er sie nebeneinander, sieht sie kurz an und sagt: »Aha!«Vondiesem Moment an lçst er die entsprechenden Aufgaben sehr rasch und sicher.Mir kommt es vor, als habe er mit seinem enormen visuellen Ged�chtnis dieStreifen gleichsam fotografiert und lese nun die Rechnungsresultate daran ab.

    Kognitive Landkarten speichern wir offenbar in verschiedenen Me-dien des Denkens. (Bruner 1966; Gibson 1966; Grinder 1976; Aebli1980). So kçnnen zum Beispiel fast alle Schulkinder ihre Schuhe binden.Den entsprechenden Knoten zu zeichnen, gelingt aber nur wenigen.Mit Worten zu erkl�ren, wie man ihn macht, f�llt selbst Erwachsenenschwer. Offenbar speichern wir das Schuhebinden vorzugsweise als Be-wegung und nicht als Bild oder als Wortfolge. Anders ist es mit Gesich-tern, die wir schon in einem Alter erkennen, in dem wir sie noch nichtbeschreiben kçnnten. Sie haben wir offenbar als Bild gegenw�rtig. DieKinderliedchen schließlich singen unsere Kleinsten, lang bevor sie No-ten lesen kçnnen. Sie haben sie als Melodie gespeichert.

    Wir verstehen andere mithilfe »kognitiver Landkarten« 11

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    Je nach Begabung und Ausbildung geben wir dem einen oder andernMedium den Vorzug oder kombinieren unsere kognitiven Landkarten,indem wir zum Beispiel immer zuerst unser Gef�hl befragen unddann hinschauen oder zuerst hinhçren und dann die Dinge womçglichanfassen (Minogue 2006). Solche Wahrnehmungsgewohnheiten oderkognitive Stile sind mçglicherweise angeboren, werden aber auch ver-�ndert und entwickelt (Bruner 1966; Neisser 1982; Gopnik 1997).

    Man erkennt sie oft an den Redensarten der betreffenden Personen:»Sieh mal«, hçrt man von visuell orientierten Menschen. Oder »Schaudir das an!« bzw. »Das musst du doch einsehen.«Akustisch Veranlagte wie-derum sagen »Hast du das gehçrt?« und »Hçr doch!« Wer sich vor allemauf seine Kçrperwahrnehmung verl�sst, sagt eher »Da habe ich kein gutesGef�hl« oder »Das sp�rt doch jeder.«Auch Verhalten und Mimik sind auf-schlussreich: Augenmenschen blicken lange und genau hin. Wenn siescheinbar in die Ferne staunen, merkt man, dass sie einem innerenBild nachh�ngen und das Gesagte gewissermaßen davon ablesen. Oh-renmenschen scheinen gelegentlich ihren Blick dem Ohr zuzuwenden,Gef�hlsmenschen nicht selten dem Bauch.

    Kritische Umsicht ist aber geboten: Christoph wird fremde Sprachennicht nur visuell lernen kçnnen. Er muss den Umgang mit andern Me-dien �ben.

    Sprache ist Medium des Wahrnehmens und Denkens:die doppelte LandkarteEine l�ndliche Mehrklassenschule. W�hrend der junge Lehrer mit der f�nftenKlasse rechnet, d�rfen die Kinder der sechsten ein paar S�tze �ber WilhelmTell von der Tafel abschreiben und mit einer eigenen Zeichnung illustrieren,der sie auch einen Titel beif�gen. »Tells Geschoss«, schreibt Hans. Er hatdazu einen Apfel gezeichnet, von einem Pfeil durchbohrt. »Tells Armbrust«,heißt es bei Fritz, der die Waffe fachgerecht skizziert hat – sein Vater ist Arm-brustsch�tze. R�tselhaft ist Lisas Zeichnung: Ein Lebkuchenmann, als solcherdeutlich erkennbar. Dar�ber der Titel: »Teiggenosse«. Der junge Lehrer brauchteinen Moment, bis er versteht: Aus »die Eidgenossen« ist f�r Lisa das mund-artliche »d Eiggenosse« geworden. Eben: »Teiggenosse« – aus Lebkuchenteig.Darunter kann sie sich etwas Greifbares vorstellen, wohingegen ein »Eid«ihr g�nzlich fremd ist und ein »Eid-Genossse« erst recht.

    Hier geht es um kognitive Landkarten im Medium der Sprache. Redetjemand mit mir, dann hçre ich weder seine Meinung noch Wçrter und

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    S�tze, sondern nur einen Strom ungegliederter Ger�usche. Darin Lautezu erkennen und in diesen Wçrter – wie schwierig das ist, merken wirbei Lautsprecheransagen auf einem l�rmigen Flughafen in einem frem-den Land. Wir erinnern uns auch daran, dass Kinder durch schlechteAkustik noch st�rker als Erwachsene gestçrt werden. Und um das Maßder Schwierigkeiten voll zu machen: Laute und Wortfolgen, die wir zuerkennen glauben, beziehen wir nicht auf die wirkliche Welt, sondernauf innere Bilder, Gef�hle und Klangvorstellungen, und zwar die unse-ren, nicht die unseres sprechenden Gegen�bers (Luhmann 1984,S. 59 ff.; Keller 1996, S. 115f.; Baecker 2005).

    Es gibt F�lle, in denen wir ohne hilfreiche Wçrter �berhaupt nichtssehen: Ob zwei oder vier Kinder miteinander spielen, erkennt die Lehrerin,die Aufsicht h�lt. Auch ob eine Klasse auf dem Pausenplatz spielt oder obes mehrere sind, sieht sie ohne weiteres. Ob aber von den zwanzig Sch�lerin-nen ihrer Klasse eine fehlt oder ob alle da sind, kann sie nur feststellen, wennsie z�hlt, und also Wçrter braucht.

    Unterschiedliche Sprachen erschweren das Verstehen fremderkognitiver LandkartenG�ner ist in Deutsch gerade gen�gend, im schriftlichen Rechnen manchmalsehr gut, aber im m�ndlichen Rechnen ganz schwach. Seine Lehrerin schildertdas einer t�rkisch sprechenden Freundin. »Du musst wissen«, antwortet diese,»t�rkische Zahlbezeichnungen sind dem Dezimalsystem entsprechend auf-gebaut: neun, zehn, zehneins, zehnzwei, zehndrei. . .zwanzigeins, zwanzig-zwei. . .« Sogenannte ›Zahlendreher‹ wie das deutsche ›dreizehn‹ oder ›einund-zwanzig‹ gibt es nicht. – Achtundachtzig mal sechsundneunzig! Rechne mirdas auf Franzçsisch vor, laut und schnell! – Da hast du M�he? Genau sogeht es deinem Sch�ler, wenn er m�ndlich rechnen muss. Willst du seine ma-thematischen F�higkeiten pr�fen, lass’ ihn schriftlich rechnen. Alles anderew�re ungerecht.«

    Solche Schwierigkeiten beschr�nken sich nicht auf eingewanderteKinder. Eine junge Frau erz�hlt: »Meine Eltern, beide im Wallis aufgewach-sen, zogen nach Z�rich, als ich in den Kindergarten kam. Die neue Umgebungwar f�r mich ein Schock. Da wurde eine Sprache gesprochen, die ich nur schwerverstand. Meine Mutter erz�hlte mir sp�ter, die Kinderg�rtnerin sei besorgt ge-wesen, weil ich in den ersten Monaten vollkommen stumm blieb. An den Spie-len der andern nahm ich nur schweigend teil. Sp�ter begann ich, im Kindergar-ten und in der Schule Z�rcher Mundart zu reden, zu Hause Walliser Mundart.

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    Ich brachte aber nie andere Kinder mit nach Hause; ich sch�mte mich dar�ber,wie meine Eltern sprachen.«

    Solche Erfahrungen haben dazu gef�hrt, dass in den Basler Kinderg�r-ten Standarddeutsch gesprochen wird. Selbsternannte Mundartpflegerhaben dagegen Bedenken erhoben – zu Unrecht, wie Untersuchungenzeigen (Amsler & Simon 2008). Die herkçmmlichen Mundartformen ge-hen nicht wegen der Standardsprache verloren. Zerstçrerisch wirkt da-gegen die Pseudomundart, etwa in den Wetterberichten des Fernsehens.Da werden Wçrter und Satzbauformen der Standardsprache benutzt.Nur die Lautung ist halbwegs mundartlich.

    Sprache ist ein MetaphernsystemWas genau ist ein Transistor? »Ein Transistor ist ein elektronisches Halbleiter-bauelement zum Schalten und Verst�rken von elektrischen Signalen«, lese ichim Lexikon. Viel gescheiter bin ich nun nicht und frage deshalb meinen Vater.Der ist nicht nur Elektroingenieur, sondern auch ein begabter Lehrer. »EinTransistor«, sagt er, »ist eine Art Wasserhahn. Nur mit zwei Unterschieden:Statt Wasser l�sst man elektrischen Strom heraus, und statt von Hand zu dre-hen, �berl�sst man diese Arbeit einem anderen elektrischen Strom. So fließendurch den Transistor zwei Strçme: einer, der gewissermaßen auf- und zudreht,und ein zweiter, der dann heraus fließt oder nicht.« Jetzt ist mir die Sache eherklar, und ich kann mir zusammenreimen, wie man mit Transistoren rechnenkann.

    Das Wort (und damit die kognitive Landkarte) »Halbleiterbauele-ment« hat mein Vater durch ein anderes Wort ersetzt, das mir vertrautist: den Wasserhahn. Etwas steht f�r etwas, aliquid pro aliquo, der Was-serhahn f�r den Transistor, das Wasser f�r den Strom, eine kognitiveLandkarte f�r eine andere – das ist das Prinzip der Metapher. Kinder ent-decken dieses Prinzip der Metapher fr�h.

    Wir gehen aktiv zuhçrend auf fremde Landkarten einTischgespr�ch im Jugendheim: Bruno hat Ausgangssperre; er ist an zwei Wo-chenenden betrunken nach Hause gekommen. »Was kann ich daf�r?«, sagter. »Mein Alter ist jedes Wochenende voll und dem seiner auch. Es ist vererbt.«»Was heißt vererbt?«, fragt sein Kollege, »vielleicht bist du eine Mutation.Dann kannst du aufhçren zu saufen.« »Was ist eine Mutation?« »Das ist,als die Affen zu Menschen wurden.« »Stimmt das?«, wendet sich Bruno zwei-felnd an den jungen Heimgehilfen, der mit am Tisch sitzt. »Ja. Mutationen

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    sind ver�nderte Erbeigenschaften.« »Und glauben Sie, dass ich eine Mutationbin?« »Das kann schon sein«, sagt der. Bruno staunt ihn lange an. – Der Ge-hilfe hat ihn inzwischen aus den Augen verloren. Aber so lange sie beide imHeim waren, hat die »Mutation« vorgehalten.

    Das Wort »Mutation« wirkt wie ein Zauberwort. Es ist aber nichts Ma-gisches dabei. Hinter dem Wort »Vererbung« steht f�r Bruno eine kogni-tive Landkarte: Vater und Großvater haben sich jedes Wochenende be-trunken – das ist der Lebensplan, der scheinbar auch f�r ihn gilt. SeinKollege macht keinerlei Anstalten, ihm das auszureden. Er geht auf Bru-nos kognitive Landkarte ein, zeigt ihm aber, dass es da noch andereMçglichkeiten gibt.

    Wer aktiv zuhçrt, will sein Gegen�ber so verstehen, wie es sich selberin seiner Welt sieht (Rogers 1951). Brunos Kollege tut das instinktiv; wirtun es bewusst. Wir gehen mit Blick und Kçrperhaltung auf das Ge-gen�ber ein, lassen es ausreden, halten auch Pausen aus, ermutigendurch best�tigende �ußerungen oder Wiederholungen zum Fortfahren,lassen uns durch Vorw�rfe nicht aus der Ruhe bringen. Im zweitenSchritt �bersetzen wir, was wir verstanden haben, in unsere kognitiveLandkarte, fragen bei Unklarheiten nach und lassen best�tigen, obwir richtig verstanden haben. Eine wichtige Mçglichkeit des aktiven Zu-hçrens besteht darin, dass wir Formulierungen unseres Gegen�bers auf-nehmen.

    Wir gehen sprechend auf fremde Landkarten ein, indem wirR�ckmeldungen einholenMan nennt das Eingehen auf die cognitive maps der Zuhçrenden »Hç-rerbezug« oder »recipient design« (Winkler 1969; Sacks 1974). Dazu ge-hçrt die F�hlungnahme durch den Blickkontakt zwischen Redendenund Hçrenden, das Abstimmen des Sprechtempos auf die Reaktionendes Publikums, das Innehalten, wenn jemand nicht zu folgen scheint,der Rollenwechsel im Gespr�ch sowie die Ausrichtung der eigenen �u-ßerungen auf mçgliche Fragen des Publikums. Es lohnt sich, das allesbewusst zu �ben: Die F�nfzehnj�hrigen beschreiben ihre Wohnung (oderein Stockwerk im elterlichen Einfamilienhaus). Ein Zuhçrer zeichnet jeweilsam Schluss als R�ckmeldung den Grundriss an die Wandtafel. Die ersten Er-gebnisse sind kl�glich, bis eine kluge Sch�lerin merkt, dass es am besten ge-lingt, wenn sie die anderen direkt zum Zeichnen anleitet: »Ihr skizziert ein lie-gendes Rechteck und halbiert es mit einer senkrechten Geraden.« Nun zeich-

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    nen alle eifrig, unterbrechen gelegentlich und fragen zur�ck. Die Rednerin be-h�lt ihr Publikum im Auge, und wenn jemand stockt, unterbricht sie sich undfragt, ob alles verst�ndlich sei. Aus dem Monolog ist ein Dialog geworden, unddie Resultate sind nun sehr klar und realit�tsgerecht.

    Die einfache �bung tr�gt dazu bei, die Kultur der R�ckmeldung zuentwickeln:� Wer um eine R�ckmeldung bittet, sagt, was genau diese enthalten soll.� Wer die R�ckmeldung erh�lt, dankt und zeigt, dass diese angekom-

    men ist und wie sie verstanden wurde.� Wer eine R�ckmeldung erh�lt, entscheidet frei, ob sie zu einer �nde-

    rung f�hrt oder nicht.

    Aus dem »recipient design« beim Sprechen entwickelt sich die »Adressa-tenorientierung« beim Schreiben (Schindler 2004). Die jungen Leute er-kunden paarweise einen Weg im freien Gel�nde und beschreiben ihn so,dass ein anderes Paar ihn findet, wenn es ihn begeht. Das zweite Paar bedanktsich mit einem kurzen Bericht beim ersten und erz�hlt, wie es sich zurechtge-funden hat und wo es Schwierigkeiten gab. Zwei Burschen mçgen den Wegnicht selber auf sich nehmen und fassen ihre Beschreibung mithilfe einer Karteab. Sie ist veraltet, und die M�dchen, in diesem Fall sind es drei, verlaufen sichj�mmerlich. – Maßnahmen des Lehrers waren nicht nçtig. Was die Burschenvon den M�dchen zu hçren bekamen, wirkte mehr als alles, was er h�tte sagenkçnnen.

    Kommunikation wird durch Institutionen bestimmtund bestimmt diese mit

    Am 31. Juli 2001 urteilt das Deutsche Bundesverfassungsgericht �ber einenAntrag der Freifrau von B. . ., des Freiherrn von B. . ., der Frau Dr. J. . ., desHerrn Dr. J. . . und weiterer drei Elternpaare. Er fordert einen Aufschub beider Einf�hrung der Grundschule mit festen �ffnungszeiten im Lande Sachsen-Anhalt. Die Kl�ger finden, das gemeinsame Mittagessen mit den Kindern mitausf�hrlichem Tischgespr�ch und in einigen Familien mit Tischgebet sowiedie Betreuung durch die M�tter habe wesentliche Bedeutung f�r die Erziehungihrer Kinder. Dagegen zwinge die Anwesenheitspflicht in der Grundschule �berf�nfeinhalb Stunden die Antragsteller, ihre Kinder mittags gegen ihren Willenan der Gemeinschaftsverpflegung in der Schule teilnehmen zu lassen. DenAntragstellern verbleibe angesichts der weit ausgedehnten Einflussnahmedes Staates auf ihre Kinder kaum noch die Gelegenheit, im Sinne ihres eige-

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    nen Erziehungsbildes korrigierend einzugreifen. – Das Bundesverfassungs-gericht lehnt den Antrag ab (BVerfG, 1 BvQ 32/01 vom 31.7.2001, Absatz-Nr. (1–22), http://www.bverfg.de/entscheidungen/qk20010731_1bvq003201.html).

    Lehrerinnen und Lehrer neigen zu der Annahme, dass es in der Schuleum die Kinder geht, allenfalls noch um ihre Beziehung zu diesen. Daszitierte Urteil zeigt: In der Schule stehen einander nicht nur einzelneMenschen gegen�ber, sondern Institutionen oder Organisationen, inderen Rahmen und Machtverh�ltnisse wir als Einzelne eingebundensind. (Baecker 2005; Fend 2006) Die Spielregeln der Kommunikationwerden dadurch bestimmt. Das kann die Arbeit in manchen schwieri-gen F�llen erleichtern: Deborahs Eltern leben seit einiger Zeit getrennt. Siewohnt w�hrend der Woche bei der Mutter, Samstags und Sonntags beim Vater.Zu einem Gespr�ch mit der Lehrerin erscheint zuerst die Mutter, Minuten sp�-ter der Vater mit einer andern Frau, die er als seine Freundin vorstellt, welcheDeborah �bers Wochenende mitbetreue. Die Spannung zwischen beidenFrauen ist f�hlbar. Die Lehrerin h�lt fest, dass das Schulgesetz ein Elternge-spr�ch vorsehe, und ersucht dementsprechend die Freundin des Vaters, sich zu-r�ckzuziehen. Das Gespr�ch verl�uft danach entspannt. Mutter, Vater, Lehre-rin und Kind stellen am Ende fest, dass sie damit zufrieden sind.

    Im Unterschied zu manchen Organisationen ist Schule nicht freiwil-lig, sondern eine staatliche Zwangsorganisation. Das sch�tzte undsch�tzt die Kinder vor Ausbeutung durch die Familie. Eltern mit bçsenErinnerungen an die eigene Schulzeit oder Einwanderer mit ungewis-sem Schicksal (etwa einem h�ngigen Asylgesuch) stehen ihr aber miss-trauisch und angstvoll gegen�ber. Lehrkr�fte, die solche �ngste nichtkennen, untersch�tzen das sehr oft: Bruno, ein Viertkl�ssler, ist �berausstill. Seine Lehrerin bittet die Eltern zu einem Gespr�ch ins Schulzimmer.Die Aussprache verl�uft z�h. Der Vater ist ebenso schweigsam wie der Bub.Erst auf dem Weg zur T�r erkl�rt er, er habe einen Teil seiner Schulzeit in die-sem Schulzimmer verbracht – bei einem alten Schulmeister, der f�r seine H�rteber�chtigt war. – Zu einem sp�teren Gespr�ch bittet die Lehrerin ins Sitzungs-zimmer des benachbarten neuen Schulhauses. Es verl�uft wesentlich gelçster.

    Schulgesetze sind von Land zu Land verschieden, die Regeln und Ord-nungen von Schule zu Schule und von Klasse zu Klasse. Zur Dorfschulevon A. gehçren zwei Schulh�user: Im einen werden die j�ngeren Kinder unter-richtet, im anderen die �lteren. Konflikte zwischen den Kindern – j�ngere wer-den von �lteren misshandelt –, aber auch zwischen den Kollegien sind nicht

    Kommunikation wird durch Institutionen bestimmt 17

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    selten. Ein Schlichtungsverfahren bewirkt, dass die Kollegien beider Schulh�u-ser in der großen Pause miteinander fr�hst�cken. Die Schwierigkeiten ver-schwinden. Das einfache Beispiel zeigt: Institutionen wirken unabh�ngigvon den Individuen. Das gemeinsame Fr�hst�ck ver�ndert die Kommu-nikation im Kollegium.

    Die Dorfschule in N. umfasst sechs Jahrg�nge, zwischen 13 und 29 Kinderpro Jahrgang. Als besonders anspruchsvoll erweist sich eine Jahrgangsklassemit 22 Buben und vier M�dchen. Das Kollegium beschließt, Klassen mit je-weils zwei Jahrg�ngen zu f�hren. Die p�dagogischen Probleme innerhalbder Klassen lçsen sich zum Teil von selbst, die Streitigkeiten wegen der unter-schiedlichen Klassengrçße und Arbeitsbelastung der Lehrkr�fte hçren auf.

    Neben dem Schulsystem eines Landes und der Organisation der ein-zelnen Schule bestimmt auch die Schulklasse die Kommunikation. Wis-senschaft wie Alltagserfahrung lehren, dass sich auch hervorragendeund hoch motivierte Lehrkr�fte in einer schwierigen Klasse aufreibenkçnnen (Fend 2006, S. 75). In altersdurchmischten Klassen sind solchenegativen Entwicklungen seltener als in Jahrgangsklassen. Auch gele-gentliches altersdurchmischtes Lernen, etwa in Arbeitswochen, kannsehr viel verbessern.

    Institutionen organisieren sich, indem sie beraten undbeschließenDas Lehrteam im kleinen Quartierschulhaus besteht aus einer Gruppe von be-geisterten jungen Leuten. Spontan und voller Freude am Umgang mit Kindernleisten sie Hervorragendes. »Bei uns ist alles einfach. Wenn wir heute etwaswollen, setzen wir es morgen um.« Trotzdem ist es in letzter Zeit h�ufigerzu Missverst�ndnissen und Reibereien gekommen. Ein �lterer Berater glaubtzu sehen, woran das liegt: Die Fr�hst�ckspause ist zugleich Teamsitzung,�ber Kaffee und Brote hinweg werden Beschl�sse gefasst, auch wenn nichtalle Betroffenen dabei sind. Der Berater schl�gt vor, Pause und Arbeit zu tren-nen, wçchentliche Teamsitzungen mit schriftlicher Einladung und protokol-lierten Beschl�ssen abzuhalten. Das wird vom Kollegium als zu starr und b�-rokratisch abgelehnt. Misstçne und Streitereien scheinen weiterhin unvermeid-lich. – Ein Jahr sp�ter wird eine neue Schulbehçrde gew�hlt. Der Vorsitzende,ein Jurist, verlangt die Einf�hrung geregelter Teamsitzungen. Das Kollegiumf�gt sich anf�nglich widerstrebend, aber bald mit �berzeugung. Die Querelenhçren auf, die Arbeit gewinnt neuen Schwung und neue Frische.

    18 1. F�nf Grunds�tze der Kommunikation