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Inhaltsübersicht REGULATOR’S PAGE David S. Gerber / Fred Bürki Kronenberg, Herausforderungen und Instrumente der Schweizer Finanzmarktpolitik 1 AUFSÄTZE David Oser / Hans-Ueli Vogt, Die Ausschüttung von Agio nach geltendem und künftigem Aktienrecht 10 Nina Reiser / Hans Caspar von der Crone, Mindestpreis nach Art. 32 Abs. 4 BEHG 29 Kern Alexander / Alexandra Schmidt, The Market in Financial Instruments Directive and Switzerland 45 Mirjam Eggen / Christian Staub, Kundensegmentierung – Panacea oder Abschied vom mündigen Anleger? 55 Katja Roth Pellanda, Vertragsverhältnisse mit Verwaltungsräten 72 Sonja Pflaum, Revision des Kursmanipulationstatbestandes 83 Christophe H. L. Raimondi, Praxis zum Finanzmarktaufsichtsrecht 90 KURZBEITRÄGE Tino Gaberthüel, Konkurrenz von Vollangeboten und Teilangeboten 105 DEAL WATCH Rudolf Tschäni, Cases make Law: Kraft und der City Takeover Code 113 ENTSCHEIDBESPRECHUNGEN Yves Rüedi, Sachliche Zuständigkeit bei Verantwortlichkeitsklagen gegen Organe von Kantonalbanken 117 Markus Vischer / Thomas Wehinger, Angemessenheit der Abfindung und Verteilung der Gerichtskosten im bundesgerichtlichen Verfahren beim Squeeze-Out-Merger 123 Simone Nadelhofer do Canto, Millionenbusse gegen Alstom-Tochter wegen ungenügender Vorkehren gegen Bestechung 129 Fabienne Frehner / Dieter Dubs, Kraftloserklärung nach Art. 33 BEHG: Massgeblicher Zeitpunkt für das Überschreiten des Schwellenwerts von 98 % 137 ENTSCHEIDÜBERSICHT 141 DISSERTATIONEN René Hirsiger I Diana Imbach Haumüller I Markus Pachlatko I Aude Peyrot I Stefanie Pfisterer 148 SIX SWISS EXCHANGE 153 EIDGENÖSSISCHE FINANZMARKTAUFSICHT (FINMA) 155 ÜBERNAHMEKOMMISSION (UEK) 158 BERICHTERSTATTUNG ZUR AKTIENRECHTSREVISION 161 RECHTSETZUNGS- UND REGULIERUNGSVORHABEN 163 LITERATURÜBERSICHT 175 GesKR 1 2012 Inhalt_März_2012.indd 1 06.03.12 14:39

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Inhaltsübersicht

REGULATOR’S PAGE David S. Gerber / Fred Bürki Kronenberg, Herausforderungen und Instrumente der Schweizer Finanzmarktpolitik 1

AUFSÄTZE David Oser / Hans-Ueli Vogt, Die Ausschüttung von Agio nach geltendem und künftigem Aktienrecht 10Nina Reiser / Hans Caspar von der Crone, Mindestpreis nach Art. 32 Abs. 4 BEHG 29Kern Alexander / Alexandra Schmidt, The Market in Financial Instruments Directive and Switzerland 45Mirjam Eggen / Christian Staub, Kundensegmentierung – Panacea oder Abschied vom mündigen Anleger? 55Katja Roth Pellanda, Vertragsverhältnisse mit Verwaltungsräten 72Sonja Pflaum, Revision des Kursmanipulationstatbestandes 83Christophe H. L. Raimondi, Praxis zum Finanzmarktaufsichtsrecht 90

KURZBEITRÄGE Tino Gaberthüel, Konkurrenz von Vollangeboten und Teilangeboten 105

DEAL WATCH Rudolf Tschäni, Cases make Law: Kraft und der City Takeover Code 113

ENTSCHEIDBESPRECHUNGEN Yves Rüedi, Sachliche Zuständigkeit bei Verantwortlichkeitsklagen gegen Organe von Kantonalbanken 117Markus Vischer / Thomas Wehinger, Angemessenheit der Abfindung und Verteilung der Gerichtskosten

im bundesgerichtlichen Verfahren beim Squeeze-Out-Merger 123Simone Nadelhofer do Canto, Millionenbusse gegen Alstom-Tochter wegen ungenügender Vorkehren gegen Bestechung 129Fabienne Frehner / Dieter Dubs, Kraftloserklärung nach Art. 33 BEHG: Massgeblicher Zeitpunkt für das Überschreiten

des Schwellenwerts von 98 % 137

ENTSCHEIDÜBERSICHT 141

DISSERTATIONEN René Hirsiger I Diana Imbach Haumüller I Markus Pachlatko I Aude Peyrot I Stefanie Pfisterer 148

SIX SWISS EXCHANGE 153

EIDGENÖSSISCHE FINANZMARKTAUFSICHT (FINMA) 155

ÜBERNAHMEKOMMISSION (UEK) 158

BERICHTERSTATTUNG ZUR AKTIENRECHTSREVISION 161

RECHTSETZUNGS- UND REGULIERUNGSVORHABEN 163

LITERATURÜBERSICHT 175

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Einleitung

Es ist unbestritten, dass dem Finanzsektor in der Schweiz eine grosse Bedeutung zukommt. Für das Funktionieren einer Volkswirtschaft ist eine ausreichende Versorgung mit Finanzdienstleistungen, die es den Haushalten und Unternehmen ermöglichen, ihre Anlage-, Kredit- und Sicherheitsbedürfnisse bestmöglich zu befriedigen, eine zentrale Voraussetzung.2 Der Finanzsektor trägt mit ei-nem BIP- respektive Beschäftigungsanteil von 10,7 % bzw. 6,2 % einen – auch im internationalen Vergleich – hohen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bei.3 In gewissen Regionen wie Zürich oder Genf ist die Bedeutung noch wesentlich grösser. Für die Region Zürich beispielsweise beträgt der Wertschöpfungsanteil rund 23 %; im internationalen Vergleich ein überdurch-schnittlich hoher Wert, obwohl sich andere bedeutende Finanzstandorte seit den 1990er Jahren ebenfalls stark entwickelt haben.4,5 Ein Anteil von 57 % der Wertschöp-fung des Finanzsektors entfällt auf den Bankensek-tor, 33 % auf Versicherungen und der Rest auf sonstige Dienstleistungen (Zahlen 2009). Innerhalb des Banken-sektors dominiert das Private Banking (44 %) vor dem Retail Banking (35 %), dem Asset Management (12 %) und dem Investmentbanking (9 %).6 Im Bereich der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung des Pri-vate Banking ist der Schweizer Finanzplatz mit einem

1 Ein umfassender Überblick zu den Tätigkeiten des EFD im Bereich der Finanz- und Steuerfragen findet sich im jährlich erscheinenden Bericht über internationale Finanz- und Steuerfragen (www.efd.admin.ch).

2 Vgl. Schweizerischer Bundesrat, Strategische Stossrichtungen für die Finanzmarktpolitik der Schweiz; Bericht in Beantwortung des Postulats Graber (09.3209) vom 16.12.2009, 32.

3 Vgl. EFD, Finanzstandort Schweiz Kennzahlen, September 2011, 2 (www.sif.admin.ch).

4 Kanton Zürich, Volkswirtschaftsdirektion, Standortförderung, Fi-nanzplatz Zürich 2010, 5. Gemäss dieser Studie hat im Vergleich zu anderen grossen Finanzplätzen in Europa nur Luxemburg mit 28 % einen höheren Anteil an der Wertschöpfung.

5 Vgl. EVD, Seco, Konjunkturtendenzen Winter 2006/2007, Spe-zialthema: Einige Merkmale der Wertschöpfung im Finanzsektor, Januar 2007.

6 Vgl. BAK Basel, 2011, Finanzplatz Schweiz – Volkswirtschaftliche Bedeutung und Wechselwirkungen mit dem Werkplatz, März 2011, 20.

InhaltsübersichtEinleitung1. Herausforderungen

1.1 GefährdeteFinanzmarktstabilitäta. Finanz-undSchuldenkriseb. AuswirkungenaufdenSchweizerFinanzplatz

1.2 InternationalerEinflussaufdienationaleFinanzmarkt-regulierunga. BedeutungvoninternationalenStandardsb. VeränderteinternationaleFinanzarchitekturc. ExtraterritorialeWirkungausländischenRechts

1.3 StandortwettbewerbzwischendenFinanzzentrena. SchutzderPrivatsphäre–Trendzu«OnshoreBanking»b. AufbauvonMarktzutrittshürdenc. WachstumsmärkteausserhalbvonEuropaund

Nordamerika2. FinanzmarktpolitikderSchweiz

2.1 ZieleundStossrichtungen2.2 SteuerwettbewerbundIntegrität

3. InstrumenteundHandlungsfelderderFinanzmarktpolitik3.1 BundesratsentscheideundparlamentarischeAufträge3.2 Regulierung

a. Grundsätzeb. EntwicklungenderletztenJahrec. Beispiel«toobigtofail»

3.3 Verhandlungen3.4 EngagementinmultilateralenGremien3.5 Früherkennung–Zusammenarbeit

4. Fazit

Die Finanzmarktpolitik gestaltet sich aufgrund der globalen Verflechtung des Schweizer Finanzplatzes äusserst dynamisch. Der nachfolgende Artikel stellt einige der wichtigsten aktuellen Herausforderungen für die Finanzmarktpolitik des Bundes dar und ver-anschaulicht die Instrumente zur Strategieumsetzung anhand einzelner Beispiele.1

* Dr. rer. pol. David S. Gerber ist Leiter Finanzmarktpolitik und Fürsprecher LL.M. Fred Bürki Kronenberg ist Stv. Leiter Finanz-marktpolitik im Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD). Wir danken für die wertvollen Kommentare von Frau Dr. oec. Friederike Poh-lenz, Herrn lic. oec. HSG Matthias Heer, Herrn lic. phil. hist. Mario Tuor und Frau lic. phil. Ursula Lüthi.

David S. Gerber / Fred Bürki Kronenberg*

Herausforderungen und Instrumente der Schweizer Finanzmarktpolitik

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3.2 GrundzügeeinesbesonderenVerfahrenszurAusschüttungvonAgioa. GeneralversammlungsbeschlussundErmächtigung

desVerwaltungsratesb. BeachtungderAusschüttungsschrankenc. KeinöffentlichbeurkundeterFeststellungsbeschluss

desVerwaltungsratesd. VerhältniszurAusrichtungeinerDividende

3.3 AusschüttungimWegederKapitalherabsetzunga. GeplanteÄnderungenbeiderKapitalherabsetzungb. BestätigungderForderungsdeckungund

Sicherstellungspflichtc. StreitüberdieSicherstellungspflichtd. PrüfungsbestätigungundSchuldenrufe. AnmeldungvonForderungen

3.4 KonvergenzderVerfahrenzurRückzahlungvonEigenkapital

IV. Zusammenfassung

I. Einleitung

Am 1. Januar 2011 ist der letzte Teil der Unternehmens-steuerreform II in Kraft getreten.1 Aufgrund dieser Re-form können Gesellschaften Einlagen, Aufgelder und Zuschüsse, die von den Inhabern von Beteiligungsrechten nach dem 31. Dezember 1996 geleistet worden sind, ein-kommens- und verrechnungssteuerfrei an die Gesellschaf-ter zurückzahlen (sog. Kapitaleinlageprinzip).2 Zu diesen Kapitaleinlagen gehört namentlich Agio, also «ein bei der Ausgabe von Aktien nach Deckung der Ausgabekosten über den Nennwert hinaus erzielter Mehrerlös»3.4

1 Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbe-Bundesgesetz über die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbe-dingungen für unternehmerische Tätigkeiten und Investitionen (Unternehmenssteuerreformgesetz II) vom 23. März 2007 (AS 2008, 2893 ff.), Ziff. III.

2 Art. 20 Abs. 3 DBG, Art. 7b StHG und Art. 5 Abs. 1bis VStG. Die Befreiung von der Verrechnungssteuer setzt voraus, dass die Ein-lagen, Aufgelder und Zuschüsse in der Bilanz der Gesellschaft auf einem gesonderten Konto ausgewiesen werden und die Gesellschaft jede Veränderung auf diesem Konto der Eidgenössischen Steuerver-waltung meldet (Art. 5 Abs. 1bis VStG).

3 Art. 671 Abs. 2 Ziff. 1 OR.4 Siehe die Botschaft und den Entwurf zur Änderung des Obligatio-Siehe die Botschaft und den Entwurf zur Änderung des Obligatio-Botschaft und den Entwurf zur Änderung des Obligatio-

nenrechts (Aktienrecht und Rechnungslegungsrecht sowie Anpas-sungen im Recht der Kollektiv- und der Kommanditgesellschaft, im GmbH-Recht, Genossenschafts-, Handelsregister- sowie Fir-

InhaltsübersichtI. EinleitungII. AusschüttungvonAgionachgeltendemAktienrecht

1. ZulässigkeitderAusschüttungvonAgionachdenRegelnüberdieallgemeinegesetzlicheReserve1.1 KeineAnwendungdesVerbotsderEinlagerückgewähr

aufdieAusschüttungvonAgioa. BedeutungdesVerbotsderEinlagerückgewähr;

ÜberblicküberdenMeinungsstandb. DerWortlautderanwendbarenGesetzes-

bestimmungenc. DersystematischeZusammenhangmitden

aktienrechtlichenBestimmungenüberdieLeistungspflichtdesAktionärsunddieReserven

d. DersystematischeZusammenhangmitdenaktienrechtlichenBestimmungenüberdieGewinnausschüttung

e. DersystematischeZusammenhangmitdemaktienrechtlichenKapitalschutz

f. DersystematischeZusammenhangmitdemrevidiertenUnternehmenssteuerrecht

g. DieGesetzesmaterialienh. DerZweckdesVerbotsderEinlagerückgewähri. Fazit

1.2 DiefürAgiogeltendenAusschüttungsregeln2. ZuweisungvonAgiozurallgemeinengesetzlichenReserve3. VerfahrenzurAusschüttungvonAgio

3.1 AusschüttungimWegederKapitalherabsetzung?3.2 AusschüttungimWegederAusrichtungeinerDividende?3.3 VergleichdesKapitalherabsetzungsverfahrensmitdem

VerfahrenzurAusrichtungeinerDividendea. AngemessenerSchutzderallgemeinengesetzlichen

ReserveimFallderAusrichtungeinerDividendeb. KeineUmgehungderVorschriftenüberdie

KapitalherabsetzungIII. AusschüttungvonAgionachkünftigemAktienrecht

1. ÜberblicküberdieGesetzesvorschläge2. ZulässigkeitderAusschüttungvonAgio3. VerfahrenzurAusschüttungvonAgio

3.1 Vorbemerkungen

David Oser / Hans-Ueli Vogt*

Die Ausschüttung von Agio nach geltendem und künftigem AktienrechtZugleich eine Auseinandersetzung mit dem Entwurf für ein revidiertes Kapitalherabsetzungsrecht

* Dr. David Oser, Partner bei Homburger, Zürich; Dr. Hans-Ueli Vogt, ao. Professor für Handels-, Wirtschafts- und Immaterial-güterrecht an der Universität Zürich, Konsulent bei Homburger, Zürich. Die Autoren danken den Herren BLaw Daniel Lütolf, lic. iur. Reto Pfeiffer und lic. iur. Markus Zollinger, alle Assistenten am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans-Ueli Vogt, für ihre tatkräftige Unter-stützung bei der Ausarbeitung dieses Beitrages.

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I. Einleitung

In der laufenden Börsenrechtsrevision steht die Abschaf-fung der Kontrollprämie nach Art. 32 Abs. 4 BEHG zur Diskussion (II.). Nach einer Analyse der geltenden Min-destpreisregelung (III.) folgen Ausführungen zu Opting Out und Opting Up (IV.) sowie zum Verhältnis von An-gebotspflicht und Fusion (V.). Abschliessend wird die Alternative einer statutarischen Festlegung des Mindest-preises geprüft (VI.).

II. Stand der laufenden Börsenrechts-revision

Die Mindestpreisregel ist in Art. 32 Abs. 4 BEHG ver-ankert und lautet wie folgt: «Der Preis des Angebots muss mindestens dem Börsenkurs entsprechen und darf höchstens 25 Prozent unter dem höchsten Preis liegen, den der Anbieter in den zwölf letzten Monaten für Be-teiligungspapiere der Zielgesellschaft bezahlt hat.» Nach geltendem Recht ist die Bezahlung einer Kontrollprämie somit zulässig. In einem an das Staatssekretariat für in-ternationale Finanzfragen (SIF) gerichteten Memoran-dum vom 21. Januar 2011 schlug die Übernahmekom-mission (UEK) die Abschaffung der Kontrollprämie bei Unternehmensübernahmen vor.1 Anstoss zu diesem Vorschlag gab die öffentliche und parlamentarische Kri-tik an der bei der Übernahme der Quadrant AG bezahl-ten Kontrollprämie.2 Den Quadrant Verwaltungsrats-mitgliedern Niggli, Schenk, Müller und Grüebler wurde für ihre Beteiligung von 7,86 % der Stimmrechte eine Kontrollprämie von 33,14 % bezahlt. Zudem hatte die Anbieterin weiteren, nicht kontrollierenden Aktionären

1 Vgl. Anhörung zur Kontrollprämie im Übernahmerecht, Medien-mitteilung des SIF vom 25. Januar 2011, abrufbar unter <http://www.efd.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/00467/index. html?lang= de&msg-id=37372>, zuletzt besucht am 9. Januar 2012; Kontrollprämie, Memorandum der UEK vom 21. Januar 2011, abruf-bar unter <http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/ attachments/21917.pdf>, zuletzt besucht am 9. Januar 2012.

2 Siehe zur Transaktion: Verfügungen der UEK 410/01 vom 29. Mai 2009 und 410/02 vom 16. Juni 2009; Verfügung der FINMA vom 8. Juli 2009; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Novem-ber 2010 (B-5272/2009).

InhaltsübersichtI. EinleitungII. StandderlaufendenBörsenrechtsrevisionIII. GeltendeMindestpreisregelung

1. Bestandesschutz2. Zweck3. Gleichbehandlungsprinzip4. WertderKontrolle

4.1 VerfügungsmachtalsMehrwert4.2 KontrolleundUnternehmenswert4.3 KontrolleundRisiko

5. Kontrollprämie5.1 Such-undandereTransaktionskosten5.2 MehrwertderKotierung5.3 EntschädigungfürkünftigenMehrwert

a. Gründerb. ProfessionellerInvestor

5.4 KeineEntschädigungvergangenerKosten6. Mitverkaufsrechtund-pflichtinPrivateEquity-

Finanzierungen6.1 ÜblicheVereinbarung6.2 Funktion6.3 VergleichzurAngebotspflichtbeiPublikums-

gesellschaften7. WettbewerbsfähigkeitdesFinanz-undBörsenplatzes

Schweiz8. Ergebnis

IV. OptingOutundOptingUp1. Spannungsverhältnis2. OptingOut3. OptingUp4. Ergebnis

V. AngebotspflichtundFusionVI. StatutarischeFestlegungdesMindestpreises

1. VergleichzuMitverkaufsrechtundMitverkaufspflichtinPrivateEquity-Finanzierungen

2. ZusammenhangzwischendemKomplexitätsgradeinerNormundderMarktreife

3. AbgrenzungderKontrollevondervollständigenBeherrschung

4. AusgestaltungimEinzelnenVII.Zusammenfassung

Nina Reiser / Hans Caspar von der Crone*

Mindestpreis nach Art. 32 Abs. 4 BEHG

* Dr. iur. Nina Reiser, Rechtsanwältin, ist SNF Habilitandin am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich, Prof. Dr. Hans Caspar von der Crone, LL.M., Rechtsanwalt, ist Ordinarius für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich. Der vorliegende Beitrag ist im Internet verfügbar unter <http://www.rwi.uzh.ch/Pdoc-reiser.html> sowie unter <http://www.rwi.uzh.ch/vdc>.

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age to a broader range of financial instruments and trad-ing facilities and addresses some of the systemic risks that threaten securities markets. Switzerland is not a member of the European Economic Area (EEA) and therefore is not obliged to implement EU legislative requirements such as MiFID. Swiss securities and investment firms, however, are subject to certain MiFID requirements in-volving their cross-border activities in European Union states. These legal and regulatory pressures are similar to the effect of US and EU banking and regulatory law and the OECD standards2 restricting bank secrecy and requiring the disclosure of tax information. Since cross-border financial services represent a significant part of the activities of Swiss financial firms, MiFID II will have an important effect on the risk management and compli-ance strategies of Swiss financial firms. This article anal-yses and compares the dynamic regulatory processes of MiFID and MiFID II to Switzerland’s «made in Switzer-land» approach to securities trading regulation. It then reviews and compares MiFID II’s proposed amendments that expand the MiFID regime to a broader array of fi-nancial instruments and trading facilities and assesses the implications for Swiss financial firms.

II. Regulation of cross-border relations

1. The EU perspective

MiFID creates a single market for securities trading within the European Union. Once an investment firm or bank domiciled in an EU/EEA state has been ap-proved by its home member state, it can provide its serv-ices through cross-border branches or by cross-border sales in all EU/EEA member states3. This so called «Eu-ropean Passport-System» does not apply to branches of Swiss financial institutions offering investment services

2 The Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) put pressure on Switzerland to loosen its bank secrecy laws and to implement article 26 of the OECD-standards on ad-ministrative assistance in tax matters. For more extensive informa-tion: Sethe, ZBB 2011, 109/110.

3 cf. Article 31 f. MiFID.

Table of contentsI. IntroductionII. Regulationofcross-borderrelations

1. TheEUperspective2. TheSwissperspective

III. ThescopeofprudentialsupervisionIV. RegulationofexchangesandalternativetradingvenuesV. Rulesgoverningtherelationshipbetweenfirmsandinvestors

1. Rulesofbusinessconduct2. Organisationalrequirements3. Clientclassification,suitabilityandappropriatenesstest4. «BestExecution»5. Inducements

VI. MiFIDII–CreationofamoretransparentandrobustEuropeansinglemarket

VII.HowdoesMiFIDIIaffectSwitzerland?VIII.Conclusions

I. Introduction

The Market in Financial Instruments Directive (MiFID) has brought sweeping changes to the regulation and op-eration of securities markets in the European Union. The European Commission has proposed amendments to MiFID – known as MiFID II1 – which expands its cover-

* Prof. Dr. Kern Alexander, Professor of Banking and Financial Market Law, University of Zurich, Member of the European Par-liament’s Expert Panel on Financial Services and Senior Research Fellow in Financial Regulation at the Centre for Financial Analysis and Policy at the University of Cambridge, and lic. iur. Alexandra Schmidt, research assistant at the Institute of Law of the University of Zurich.

1 MiFID II; European Commission proposal for a directive of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European par-liament and of the Council, Brussels, 20.10.2011 and proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on Markets in Financial Instruments and amending the draft Regula-tion on Market Infrastructure (EMIR) on OTC derivatives, central counterparties and trade repositories, Brussels, 20.10.2011; http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/isd/mifid/COM_ 2011_652_en.pdf and http://ec.europa.eu/internal_market/securi-ties/docs/isd/mifid/COM_2011_656_en.pdf (visited on: 1.12.2011). The Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) put pressure on Switzerland to loosen its bank secrecy laws and to implement article 26 of the OECD-standards on ad-ministrative assistance in tax matters. For more extensive informa-tion: Sethe, ZBB 2011, 109/110.

Kern Alexander / Alexandra Schmidt*

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I. Einleitung

Das Konzept der Kundensegmentierung ist bei der Er-bringung von Dienstleistungen im Finanzsektor weit verbreitet. Finanzdienstleister orientieren sich anlässlich der Beratung1 ihrer Kunden oder im Rahmen von Ver-mögensverwaltungsmandaten an den Anlagezielen und finanziellen Verhältnissen der Anleger. Sie betrachten deren konkrete Situation und ordnen sie gestützt darauf einer Anlegerkategorie zu. Die Kriterien für eine solche Kategorisierung werden durch den jeweiligen Finanz-dienstleister selbst gewählt.2

Zusätzlich finden die Ansätze der Kundensegmentierung zunehmend auch Eingang in regulatorische Vorschriften. So unterscheidet Art. 10 KAG3 zwischen qualifizierten und nicht qualifizierten Anlegern. Die Verhaltensregeln für Effektenhändler in Art. 11 Abs. 2 BEHG4 fordern die betroffenen Finanzdienstleister auf, «die Geschäftser-fahrenheit und fachlichen Kenntnisse» ihrer Kunden zu beachten. Eine solche aufsichtsrechtliche Gruppierung von Kunden kennt meistens nur wenige Kategorien. An-ders als die durch die Finanzdienstleister selbst initiierte Etablierung von Kundengruppen verfolgt eine regulato-rische Kundensegmentierung regelmässig nicht das Ziel, den einzelnen Anleger und seine Bedürfnisse möglichst genau zu erfassen. Die aufsichtsrechtliche Festlegung verschiedener Kundenkategorien dient vielmehr dazu, das Verhalten von Finanzdienstleistern so zu gestalten, dass es für die jeweiligen Anleger angemessen, vorher-sehbar und verständlich ist.

Das geltende Schweizer Finanzmarktrecht setzt das In-strument der Kundensegmentierung erst punktuell ein. Ausländische Rechtsordnungen tragen den unterschied-lichen Kenntnissen verschiedener Kundengruppen be-

1 Zur Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Anlagebe-Zur Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung und Anlagebe-ratung vgl. P. Christoph Gutzwiller, Rechtsfragen der Vermö-gensverwaltung, Zürich/Basel/Genf 2008, 23 ff.

2 Vgl. Gutzwiller (FN 1), 18 ff. 3 Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanla-Bundesgesetz vom 23. Juni 2006 über die kollektiven Kapitalanla-

gen (KAG, SR 951.31).4 Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effek-Bundesgesetz vom 24. März 1995 über die Börsen und den Effek-

tenhandel (BEHG, SR 954.1).

InhaltsübersichtI. EinleitungII. Grundlagen

1. ZumBegriffderSegmentierung2. AnlegerschutzundKundensegmentierung

III. GeltendesRecht1. SegmentierungaufStufeProdukt

1.1 ProdukteregulierungimKollektivanlagenrecht1.2 WeitereSegmentierungsvorschriftenfürFinanzprodukte

2. KundensegmentierungundVerhaltensvorschriften3. TätigkeitsfelderderMarktteilnehmer4. LaufendeEntwicklungen

4.1 FINMA-Vertriebsbericht4.2 KAG-Teilrevision

5. ZwischenergebnisIV. RechtsvergleichendeBetrachtungen

1. KundensegmentierungimeuropäischenRecht1.1 Grundlagen1.2 Prospektpflicht1.3 Wohlverhaltensregeln1.4 LaufendeEntwicklungen

a. ÜberarbeitungderMiFIDb. KundensegmentierungundPRIPSc. KundensegmentierungbeimVertriebvon

strukturiertenProdukten1.5 Zwischenergebnis

2. KundensegmentierungindenUSA2.1 Grundlagen2.2 ÖffentlicheundprivateAngebote

a. Privatplatzierungennach§4(2)SecuritiesActb. RegulationDc. Rule144A–QIB-Markt

2.3 Wohlverhaltensregeln2.4 Zwischenergebnis

V. RollederKundensegmentierungdelegeferenda1. Grundsatz2. SegmentierungskriterienundWahlmöglichkeit3. KundeversusGegenpartei4. KundensegmentierungundÖffentlichkeitsbegriff5. Marktzugang

VI. Ergebnis

Mirjam Eggen / Christian Staub*

Kundensegmentierung – Panacea oder Abschied vom mündigen Anleger?Eine rechtsvergleichende Analyse des Schweizer Finanzmarktrechts

* Dr. iur. Mirjam Eggen, LL.M., Rechtsanwältin, FINMA, Bern und Dr. iur. et lic. rer. pol. Christian Staub, Rechtsanwalt, Walder Wyss AG, Zürich. Der vorliegende Beitrag gibt die persönlichen Auffas-sungen der Autoren wieder und entspricht nicht notwendigerweise der Sichtweise ihrer Arbeitgeber.

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I. Einleitung

Die nachfolgend zu behandelnde Thematik der Vertrags-verhältnisse mit Verwaltungsratsmitgliedern einer Akti-engesellschaft («VR-Mitglieder» bzw. «VR-Mitglied»), insb. die Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes beruht auf einem Beispiel aus der anwaltlichen Beratungspra-xis: Nach erfolgter Wahl durch die Generalversammlung wurde den VR-Mitgliedern von der Geschäftsleitung ein als «Mandatsvertrag» bezeichnetes Dokument unter an-derem mit folgendem Inhalt zur Unterzeichnung vorge-legt:

• Aufgabenbereich, Kompetenzregelung;• Regelungen der Tätigkeiten ausserhalb der Aktienge-

sellschaft;• Arbeitszeit;• Entschädigung (Honorar, Bonus, Spesen);• Schadloshaltung;• Geheimhaltungspflicht;• Konkurrenzverbot, das zusätzlich durch eine Kon-

ventionalstrafe abgesichert ist und über das Mandats-ende hinauswirken soll; und

• D&O-Versicherung.

Ausgehend von diesem Beispiel soll nachfolgend insbe-sondere auf folgende Fragenkomplexe näher eingegan-gen werden: Wer kann mit VR-Mitgliedern einen Vertrag bzgl. ihrer Mandatstätigkeit abschliessen? Welche Ver-träge können mit VR-Mitgliedern abgeschlossen wer-den? Wie ist der Inhalt des oben genannten «Mandats-vertrages» zu beurteilen, wobei das Konkurrenzverbot mit Konventionalstrafe von besonderem Interesse ist?

II. Vertragsverhältnisse mit VR-Mitgliedern

1. Stellung des Gesamtverwaltungsrates in der Aktiengesellschaft

Bevor auf die einzelnen Arten möglicher Vertragsver-hältnisse mit VR-Mitgliedern eingegangen wird, soll vorab die Stellung des Gesamtverwaltungsrates in der

InhaltsübersichtI. EinleitungII. VertragsverhältnissemitVR-Mitgliedern

1. StellungdesGesamtverwaltungsratesinderAktiengesellschaft1.1 VerhältnisGeneralversammlung–Gesamtverwaltungsrat1.2 VerhältnisGesamtverwaltungsrat–einzelnes

VR-Mitglied1.3 VerhältnisGesamtverwaltungsrat–Geschäftsleitung

2. ArtenvonVerträgenmitVR-MitgliederninderPraxis2.1 RechtlicheQualifikationdesVertragsverhältnisses

zwischendemVR-MitgliedundderAktiengesellschaft2.2 ArtenvonVertragsverhältnissenmitVR-Mitgliedern

a. MandatsvertragzwischenVR-MitgliedundAktionärb. ArbeitsvertragzwischenVR-Mitgliedund

Aktiengesellschaftc. LetterofAppointmentd. «Mandatsvertrag»zwischenAktiengesellschaftund

VR-Mitgliedern3. KonkurrenzverbotefürVR-Mitglieder

3.1 GesetzlicheGrundlagen3.2 Modifizierungdesgesellschaftsrechtlichen

KonkurrenzverbotesmitVR-Mitgliederna. UmfangundDauerdesgesetzlichen

Konkurrenzverbotesb. Modifizierungdesgesellschaftsrechtlichen

KonkurrenzverbotesdurchStatutenund/oderOrganisationsreglement

c. GeltendmachungundDurchsetzbarkeitdesgesellschaftsrechtlichenKonkurrenzverbotes

3.3 VereinbarungeinesarbeitsrechtlichenKonkurrenz-verbotesmitVR-Mitgliederna. UmfangundDauerdesarbeitsrechtlichen

Konkurrenzverbotesb. GeltendmachungundDurchsetzbarkeitdes

arbeitsrechtlichenKonkurrenzverbotes3.4 VertraglicheVereinbarungeineszusätzlichenKonkurrenz-

verboteszwischeneinerAktiengesellschaftundihrenVR-Mitgliederna. UmfangundDauereineszusätzlichen

Konkurrenzverbotesb. GeltendmachungundDurchsetzbarkeitdes

zusätzlichenKonkurrenzverbotesIII. Ergebnis

Katja Roth Pellanda*

Vertragsverhältnisse mit VerwaltungsrätenUnter besonderer Berücksichtigung des Konkurrenzverbotes

* Dr. iur., Rechtsanwältin, LL.M., Bär & Karrer AG, Zürich. Die Au-torin dankt lic. iur. Nadina Duss, Bär & Karrer AG, Zürich, für die wertvolle Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrages.

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lit.  a E-BEHG).5 Demgegenüber soll der Transaktions-tatbestand unverändert beibehalten (Art. 40a Abs. 1 lit. b E-BEHG), also nicht auf echte Transaktionen ausge-dehnt werden.6 Kursmanipulatives Verhalten durch echte Transaktionen wie auch durch Scheintransaktionen soll neu aufsichtsrechtlich für sämtliche Marktteilnehmer verboten werden (Art. 33f Abs. 1 lit. a und b E-BEHG).7 Darüber hinaus soll der Satzteil «von in der Schweiz börslich gehandelten Effekten» durch «Effekten, die an einer Börse oder einer börsenähnlichen Einrichtung in der Schweiz zum Handel zugelassen sind» ersetzt wer-den (Art. 40a Abs. 1 E-BEHG).8 Schliesslich soll – um die Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI)9 zu erfüllen und die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarates vom 16.5.2005 über Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung sowie Ermittlung, Beschlag-nahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten zu ermöglichen – mit Art. 40a Abs. 2 E-BEHG ein als Verbrechen ausgestalteter, qualifizierter Tatbestand ge-schaffen werden, welcher als tatbestandsmässigen Erfolg einen durch kursmanipulatives Verhalten im Sinne von Art. 40a Abs. 1 E-BEHG erzielten Vermögensvorteil in der Höhe von mehr als einer Million Franken vorsieht (Art. 40a Abs. 2 E-BEHG).10

Der vorliegende Beitrag befürwortet die Streichung des Tatbestandsmerkmals der Unrechtmässigkeit bei der Vermögensvorteilsabsicht zwar grundsätzlich (vgl. unten III.), präferiert jedoch unter Berücksichtigung der geplanten Einführung des qualifizierten Kursma-nipulationstatbestandes (Art. 40a Abs. 2 E-BEHG) die gänzliche und ersatzlose Streichung der Bereicherungs-absicht im Grundtatbestand (vgl. unten IV.). Die Ergän-zung des Informationstatbestandes durch die Alterna-tive der Verbreitung falscher Informationen (Art.  40a Abs. 1 lit. a E-BEHG) wird dezidiert abgelehnt (hierzu nachfolgend II.).

5 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6886.6 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6886.7 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6888; Reinwald (FN 1), 524.8 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6886.9 Die Empfehlungen sind abrufbar unter <www.fatf-gafi.org>.10 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6886.

InhaltsübersichtI. EinleitungII. Tatbestandsmerkmal«falsch»

1. StandderDogmatikzumTatbestandsmerkmal«irreführend»2. UnerwünschteFolgendesTatbestandsmerkmals«falsch»

III. Tatbestandsmerkmal«unrechtmässig»IV. AbsichtzurErzielungeines(unrechtmässigen)VermögensvorteilsV. QualifizierterTatbestandVI. Fazit

I. Einleitung

Die Botschaft zur Änderung des Börsengesetzes vom 31.8.20111 sieht – wie sie es selbst bezeichnet – eine leich-te redaktionelle Überarbeitung2 des geltenden Kursma-nipulationstatbestandes (Art. 161bis StGB) vor,3 welcher de lege ferenda vom StGB ins BEHG überführt werden soll.4 Die leichte redaktionelle Überarbeitung besteht gemäss Botschaft zunächst einmal im Verzicht auf das Merkmal der Unrechtmässigkeit bei der Vermögensvor-teilsabsicht (Art. 40a Abs. 1 E-BEHG). Ausserdem soll künftig neben der derzeit bereits bestehenden Strafbar-keit der Verbreitung irreführender Informationen als al-ternative Begehungsmöglichkeit die Verbreitung falscher Informationen strafbar gestellt werden (Art. 40a Abs. 1

* Lic. iur. Sonja Pfl aum, gefördert durch den SNF, MHV-Beitrags-Lic. iur. Sonja Pflaum, gefördert durch den SNF, MHV-Beitrags-empfängerin (B.-Nr. PMCDP1_129115), ist wissenschaftliche As-sistentin am Lehrstuhl von Prof. Dr. iur. Wolfgang Wohlers an der Universität Zürich und promoviert im Wirtschaftsstrafrecht zum Thema «Kursmanipulation  – Art.  161bis StGB». Für Anre-gungen und Kritik danke ich herzlich Floriaan H. Went, LL.M., Doktorand und wissenschaftlicher Assistent an der Universität Zürich.

1 Botschaft zur Änderung des Börsengesetzes (Börsendelikte und Marktmissbrauch) vom 31. August 2011, BBl 2011 6873 ff. (nach-folgend zitiert: Botschaft, BEHG 2011). Für einen gesamthaften Überblick betreffend die in der Botschaft enthaltenen Änderun-gen, vgl. Urs Reinwald, Änderungen im Börsengesetz  – eine Übersicht, GesKR 2011, 518 ff.

2 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6886.3 Es wird zudem darauf hingewiesen, dass der Straftatbestand der

Kursmanipulation – Art. 40a Abs. 1 des Entwurf des Bundesrates zur Änderung des Bundesgesetzes über die Börsen und den Ef-fektenhandel, BBl 2011 6915 ff. (nachfolgend zitiert: E-BEHG) – inhaltlich dem geltenden Art. 161bis StGB entspricht, Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6907.

4 Botschaft, BEHG 2011 (FN 1), 6886 f.

Sonja Pflaum*

Revision des Kurs-manipulationstatbestandesKritische Bemerkungen zur geplanten Änderung des Börsengesetzes in Bezug auf Art. 40a E-BEHG

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I. Einleitung

Auch in dieser Berichtsperiode blieb die Eidgenössi-sche Finanzmarktaufsicht (FINMA) alles andere als untätig. Unter anderem verfolgte die FINMA zahlrei-che regulatorische Projekte, wobei die Veröffentlichung ihres «Vertriebsberichts 2010» zweifelsohne ein finanz-marktrechtliches Highlight bildet.1 Dieser Bericht ba-siert auf den Erkenntnissen der Madoff- und Lehman-Untersuchungen und erläutert im Wesentlichen, mit welchen Mitteln das erhebliche Informationsgefälle und Kräfteungleichgewicht zwischen Finanzdienstleis-tern und Privatkunden ausgeglichen werden könnte.2 Die gemachten Vorschläge enthielten teilweise so viel Zündstoff, dass es der FINMA zweifellos gelungen ist, die Diskussion für einen besseren Anlegerschutz in der Schweiz neu zu entfachen.3 Im Bereich der Eigenmittel-

1 Medienmitteilung der FINMA vom 10. November 2010, abrufbar unter http://www.finma.ch/d/aktuell/Seiten/mm-diskussionspa-pier-vertriebsbericht-20101110.aspx sowie das Diskussionspapier der FINMA vom Oktober 2010 zur Regulierung von Produkti-on und Vertrieb von Finanzprodukten an Privatkunden – Stand, Mängel und Handlungsoptionen, abrufbar unter http://www.finma.ch/d/regulierung/anhoerungen/Documents/diskussions-papier-vertriebsregeln-20101110-d.pdf.

2 Vgl. Bericht vom 2. März 2010 zum Madoff-Betrug und Vertrieb von Lehman-Produkten: Auswirkungen auf das Anlagebera-tungs- und Vermögensverwaltungsgeschäft, abrufbar unter http://www.finma.ch/d/finma/publikationen/Documents/bericht- lehman-madoff-20100302-d.pdf; FINMA-Jahresbericht 2010, 14, abrufbar unter http://www.finma.ch/d/finma/publikationen/Documents/finma_jb_2010_d.pdf.

3 Vgl. zur aktuellen Diskussion: Franca Contratto, FINMA-Vertriebsbericht 2010: Ein Hoffnungsschimmer am Horizont für die Anleger, in: Jusletter 2. Mai 2011; Susan Emmenegger, Verhaltenspflichten am Point of Sale: Anlegerschutz an der Schnittstelle zum Kunden, SZW 2011, 278 ff.; Stephan Geiger, Umsetzung der MiFID in der Schweiz?, in: Jusletter 17. Januar 2011; Moritz W. Kuhn, Entwicklungen im Versicherungs- und Haftpflichtrecht, SJZ 2011, 158  ff.; Philippe Meyer, Retrozes-sionen, Finder’s Fees und Vertriebsentschädigungen im Schwei- Finder’s Fees und Vertriebsentschädigungen im Schwei- und Vertriebsentschädigungen im Schwei-zerischen Bankgeschäft – Status aus zivilrechtlicher und auf-sichtsrechtlicher Optik 5 Jahre nach BGE 132 III 460, SZW 2011, 184 ff.; Thomas S. Müller/Christian Staub, Aktuelle Regulie-rungspraxis bei strukturierten Produkten, SJZ 2011, 73 ff.; Peter Nobel/Nina Sauerwein, Die verfahrensrechtlichen Aspekte des FINMA-Vertriebsberichts 2010, SZW 2011, 283 ff.; Martin Peyer, Entwicklungen im Finanzmarktaufsichtsrecht, Die Pra-xis der FINMA und der Gerichte (März 2010 bis März 2011), AJP 2011, 800  ff.; Jean-Marc Schaller, Die Pflicht zur Produkte-

InhaltsübersichtI. EinleitungII. Verfahren

1. ParteistellungeinesDritten1.1 GesetzlicheGrundlage1.2 SchutzwürdigesInteresse?

2. FreigabevonMitteln3. AufsichtsrechtlicheLiquidation

3.1 Standortbestimmung3.2 LiquidationdurchAbsorptionsfusion?

4. «Namingandshaming»4.1 NeuheitoderWeiterentwicklungeinerbestehenden

Massnahme?4.2 ErsteUrteile

a. UrteildesBundesgerichtsvom13.April2011b. UrteildesBundesverwaltungsgerichtsvom19.Mai

2011III. BankenundEffektenhändler

1. ÜberprüfungvonAnleihendurchdieFINMA?1.1 StellungderAnleiheimBankenrecht1.2 KeinesystematischeVorabkontrolle,abergezieltes

Eingreifen2. GruppenweisesHandeln

2.1 FestigungderRechtsprechung2.2 VorliegeneinerGruppeimaufsichtsrechtlichenSinne

a. IndizienfürdasVorliegenb. IndiziengegendasVorliegen

IV. KollektiveKapitalanlagen1. Unterstellung:Mindestanlegerzahlals«safeharbour»?2. ÖffentlicheWerbung

2.1 Bundesgerichtbestätigt–FINMAimUnrecht2.2 KumulativesoderalternativesVorliegenderKriterien?

V. DieHerausgabevonKundendatenandieUSA

Christophe H. L. Raimondi*

Praxis zum FinanzmarktaufsichtsrechtDezember 2010 bis November 2011

* MLaw Christophe H. L. Raimondi ist Rechtsanwalt bei PRAGER DREIFUSS AG in Zürich. Diese Publikation entstand im Zusam-menhang mit einem Referat des Autors an der St. Galler Tagung für Finanzmarktregulierung vom 2. Dezember 2011. Ein besonde-rer Dank gilt den Rechtsanwälten MLaw Luzern/Neuchâtel Mar-tin Karl Weber und Dr. iur. et lic. rer. publ. Martin Peyer für die kritische Durchsicht des vorliegenden Beitrags und die wertvollen Anregungen.

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I. Einleitung

Obwohl das Schweizer Übernahmerecht Konkurrenz-angebote (bzw. Auktionsverfahren) begünstigt, fällt auf, dass seit Inkrafttreten der börsengesetzlichen Regelung der öffentlichen Kaufangebote am 1. Januar 1998 nur zehn konkurrierende öffentliche Angebote lanciert wur-den.1 Es mag verschiedene Gründe für das relativ seltene Erscheinen von Konkurrenzofferten in der Schweiz ge-ben.2 Ein wesentlicher Grund liegt wohl darin, dass Un-ternehmensübernahmen oft bereits vor dem eigentlichen öffentlichen Angebot entschieden werden, indem der Anbieter im Rahmen eines Block Trades ausserhalb der Börse eine Mehrheitsbeteiligung oder eine bedeutende Minderheitsbeteiligung erwirbt. Dadurch erlangt dieser gegenüber potentiellen Konkurrenten einen entschei-denden, meist uneinholbaren Vorsprung.3

Im Sommer 2011 hätte es im Zusammenhang mit der Übernahme von Absolute Private Equity AG («Absolu-te») wieder einmal zu einem Bieterwettbewerb kommen können. Neben HarbourVest Acquisition GmbH («Har-HarbourVest Acquisition GmbH («Har-bourVest»), welche ein Übernahmeangebot für sämtliche Absolute-Aktien veröffentlicht hatte, lancierte ACP Intermediate Acquisition S.à  r.l. («ACP») ein öffentli-ches Teilangebot für rund 20 % der Absolute-Aktien.4 Die Absolute-Transaktion stellte insofern ein Novum im Schweizer Übernahmerecht dar, als der Konkurrent nicht die Kontrolle über Absolute erwerben, sondern seine bereits bestehende Beteiligung von rund 8,6 % auf

1 Nämlich die Angebote auf folgende Zielgesellschaften: Intersport PSC Holding AG (2000), Axantis Holding AG (2000), Sopafin, Société de participations financières (2002), Centerpulse AG/InCentive Capital AG (2003), Leica Geosystems Holdings AG (2005), Saia-Burgess Electronics Holdings AG (2005), SIG Hol-ding AG (2006), Bank Linth (2006) und sia Abrasives Holding AG (2008), alle abrufbar unter http://www.copa.ch/transactions/search/.

2 Die zehn konkurrierenden Angebote stehen 33 Pflichtangeboten und 99 freiwilligen Angeboten gegenüber. Alle Transaktionen sind abrufbar unter http://www.copa.ch/transactions/search/.

3 Urs Schenker, Schweizerisches Übernahmerecht, Bern 2009, 410.

4 Vgl. Ziff.  V.1 für eine detaillierte Darstellung des Sachverhalts. Lenz & Staehelin hat ACP beim Teilangebot für Absolute bera-ten.

InhaltsübersichtI. EinleitungII. ZielederbörsenrechtlichenRegelungöffentlicherKaufangebote

1. Terminologisches2. Ausgangspunkt:MarktneutraleWirkung3. Anleger-undFunktionsschutz

3.1 Transparenz(Art.1BEHG,Art.1UEV)3.2 Lauterkeit(Art.1UEV)3.3 GleichbehandlungderAnleger(Art.1BEHG,Art.1UEV)

III. GesetzlicheRegelungkonkurrierenderAngeboteimAllgemeinen1. RelevanteNormen2. ZusätzlichesRegelungsziel:Wettbewerbzwischenden

Angeboten3. DefinitiondeskonkurrierendenAngebots

3.1 Art.48Abs.1UEV3.2 AusländischeRegelungen

a. Deutschlandb. VereinigtesKönigreich(UK)

4. RechtsfolgeneineskonkurrierendenAngebots4.1 Art.48ff.UEV4.2 AusländischeRegelungen

IV. StellteinTeilangebotinnerhalbderAngebotsfristdesErst-angebotseinkonkurrierendesAngeboti.S.v.Art.30BEHGdar?1. WortlautdesGesetzes

1.1 ZulässigkeitvonTeilangeboten1.2 OffeneRegelungderKonkurrenzangebote

2. ZieledesGesetzes2.1 Marktneutralität2.2 Transparenz,LauterkeitundGleichbehandlung

3. FazitV. ÜbernahmevonAbsolutePrivateEquity

1. Sachverhalt2. WesentlicheErwägungenderUEK3. KritikamEntscheidderUEK

3.1 KonkurrenzangebotezielennichtimmeraufdieErlangungderUnternehmenskontrolleab

3.2 KonkurrierendeTeilangebotestellenkeinDilemmafürAngebotsempfängerdar

3.3 KeineWahlfreiheitundUngleichbehandlungderAngebotsempfänger

3.4 UngleichbehandlungderAnbieterVI. Fazit

Tino Gaberthüel*

Konkurrenz von Vollangeboten und Teilan gebotenQualifikation von konkurrierenden Teilangeboten im Übernahmerecht nach dem Entscheid Absolute Private Equity

* Tino Gaberthüel ist Partner bei Lenz & Staehelin, Zürich. Ich danke Phelan Brüderlin für seine Mitarbeit bei der Vorbereitung dieses Beitrags.

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Der Verwaltungsrat der Cadbury wies die Possible Of-fer noch am gleichen Tag als ungenügend zurück («the Board believes that the proposal fundamentally under-values the Group and its prospects»). Das betreffen-de Schreiben des CEO von Cadbury an den CEO von Kraft wurde am 12. September 2009 im Wortlaut veröf-fentlicht. Damit war die Possible Offer als unfreundlich markiert.

Am 30. September 2009 setzte der Takeover Panel Kraft eine bis zum 9. November 2009 laufende Frist an, um zu erklären, dass sie fest beabsichtige, Cadbury unter der Rule 2.5 des UK Takeover Code ein Angebot zu machen oder mitzuteilen, dass Kraft dies nicht beabsichtige.

Am 9. November 2009 veröffentlichte Kraft in der Tat das formelle Angebot. Dieses war im Verhältnis zur Possible Offer nicht aufgebessert worden. Nicht über-raschend wurde es vom Verwaltungsrat der Cadbury ebenfalls als ungenügend zurückgewiesen. Ganz offen-sichtlich machte sich Cadbury auf die Suche nach einem Konkurrenzanbieter («White Knight»). Während Nestlé verlautete, keine Offerte abzugeben, machten Ferrero und Hershey bekannt, dass sie ihre Optionen prüften, aber noch nicht sagen könnten, ob sie zu einem späte-ren Zeitpunkt einen Vorschlag oder ein Angebot veröf-fentlichen würden. Beide wurden später vom Takeover Panel aufgefordert zu entscheiden, ob sie ein Angebot unterbreiten, worauf sie öffentlich mitteilten, dass sie dies nicht tun würden.

Am 5. Januar 2010 veröffentlichte Kraft eine Mitteilung, wonach sie ihr amerikanisches Pizzageschäft Nestlé zum Gesamtpreis von USD 3.7 Mia. verkauft hatte. Sie kündigte gleichzeitig ihre Absicht an, mit dem Erlös die Bargeldkomponente ihres Angebots für Cadbury zu er-höhen. Bis zu diesem Tag waren Kraft erst 1,52 % des Kapitals der Cadbury angedient worden.

Am 19. Januar 2010, dem letzten Tag, an dem es ihr er-laubt war, die Bedingungen ihrer Offerte abzuändern, veröffentlichte Kraft ihr endgültiges, aufgebessertes Angebot. Dieses wurde nun von Cadbury’s Verwal-tungsrat zur Annahme empfohlen. Danach wurde Cadbury mit einem Gesamtpreis von GBP 11.9 Mia. bewertet, was einer Aufbesserung gegenüber der ur-

InhaltsübersichtI. ÜbernahmevonCadburydurchKraftII. RevisiondesUKTakeoverCode

1. VirtualBids2. BreakFees3. VerschärfteTransparenz4. WeitereÄnderungen

III. AnmerkungenausSichtdesSchweizerMarktesundSchweizerRechts

Der bekannte UK Takeover Code1, welcher auch den schweizerischen Übernahmeregeln zu Pate stand, ist – hier zu Lande relativ unbemerkt – per 19. September 2011 in verschiedenen Punkten revidiert worden. Aus-gelöst bzw. beschleunigt worden war die Reform durch die Übernahme von Cadbury Plc, einem traditionellen Süsswarenhersteller in England, durch die amerikani-sche Kraft Foods Inc.

I. Übernahme von Cadbury durch Kraft

Am 7. September 2009 orientierte Kraft die Öffentlich-keit, dass sie dem Verwaltungsrat der Cadbury einen Zusammenschlussvorschlag gemacht hatte, welcher von diesem zurückgewiesen worden war. Gleichzeitig machte Kraft bekannt, dass sie ein Angebot («Possible Offer») an die Aktionäre erwäge und zwar zu einem Gesamtpreis für Cadbury von GBP 10.2 Mia. Als Ent-gelt nannte Kraft eine Kombination von Barzahlung und eigenen Aktien. Gleichzeitig machte Kraft klar, dass es sich bei dieser Ankündigung nicht um eine for-melle Offerte handle («This announcement does not constitute an announcement of a firm intention to make an offer under Rule 2.5 of the Takeover Code»). Solche Ankündigungen werden im Jargon «virtual offers» ge-nannt.

* Dr. iur. Rudolf Tschäni, Rechtsanwalt, Lenz & Staehelin.1 Ein imposantes Regelwerk, welches durch den Takover Panel admi-

nistriert wird und unter http://www.thetakeoverpanel.org.uk/wp-content/uploads/2008/11/code.pdf als pdf-Datei abrufbar ist.

Rudolf Tschäni*

Cases make Law:Kraft und der City Takeover Code

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I. Sachverhalt

Die Glarner Kantonalbank (nachfolgend: «GLKB») er-hob am 16. Juli 2010 beim Kantonsgericht Glarus Ver-antwortlichkeitsklage gegen ehemalige Mitglieder des Bankrats und der Geschäftsführung sowie die frühere Revisionsstelle. Die ehemaligen Mitglieder des Bank-rats bestritten die sachliche Zuständigkeit des Kantons-gerichts unter Hinweis auf eine kantonale Bestimmung, wonach Verantwortlichkeitsansprüche gegen Mitglieder des Bankrats beim Verwaltungsgericht geltend zu ma-chen sind. Das Kantonsgerichtspräsidium folgte dieser Auffassung und überwies am 7. Januar 2011 die Klage gegen die ehemaligen Mitglieder des Bankrats an das Verwaltungsgericht.

Gegen diese Präsidialverfügung ging die GLKB am 9.  Februar 2011 beim Obergericht des Kantons Glarus in Berufung. Am 1. Juli 2011 hiess das Obergericht das Rechtsmittel gut und erklärte, das Kantonsgericht habe die Klagen gegen die ehemaligen Mitglieder des Bankrats gemeinsam mit den übrigen Verantwortlichkeitsklagen in einem einheitlichen Verfahren zu behandeln. Dieser Entscheid ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen.

II. Erwägungen und Entscheid

Das Kantonsgerichtspräsidium lehnte seine sachliche Zuständigkeit ab, weil das kantonale Recht bestimmt, dass Ansprüche gegen Mitglieder des Bankrats beim Ver-waltungsgericht geltend zu machen sind. Es verwies auf Art.  59 Abs.  1 ZGB, wonach für öffentlich-rechtliche Anstalten wie die GLKB das öffentliche Recht der Kan-tone vorbehalten bleibt. Insbesondere seien die Kantone befugt, die gerichtliche Zuständigkeit für Verantwort-lichkeitsklagen eigenständig zu regeln.1

Das Obergericht hielt fest, die kantonale Zuständigkeits-regel verstosse gegen Bundesrecht. Dieses sehe nämlich vor, dass der Kläger mehrere Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden einklagen und verlangen kann, dass

1 Vgl. OG.2011.00004, E. III. 2.

InhaltsübersichtI. SachverhaltII. ErwägungenundEntscheidIII. Erläuterungen

1. KantonaleHaftungsbestimmung2. BundesrechtlicheVorgaben

2.1 Bankenrechta. RevisiondesBankengesetzesvom22.April1999b. RevisiondesBankengesetzesvom3.Oktober2003

2.2 Aktienrechta. SolidaritätgemässArt.759Abs.1ORb. VerfahrengemässArt.759Abs.2OR

3. DerogatorischeKraftdesBundesrechts4. Lückenfüllung

IV. BedeutungfürdiePraxis1. UnproblematischeHaftungsbestimmungen2. ProblematischeHaftungsbestimmungen

2.1 Ausgangslagea. Zürichb. Nidwaldenc. Basel-Stadt

2.2 Problem2.3 Lösungsvorschlag

a. ZuständigkeitderZiviljustizb. Streitgenossenschaft

Kernsätze

1. Die Verantwortlichkeit der Organe von Kantonalban-ken richtet sich nach den Bestimmungen von Art. 752– 760 OR (vgl. Art. 39 Abs. 1 BankG).

2. Gemäss Art. 759 Abs. 2 OR kann der Kläger mehre-re Beteiligte gemeinsam für den Gesamtschaden ein-klagen und verlangen, dass das Gericht im gleichen Verfahren die Ersatzpflicht jedes einzelnen Beklagten festsetzt.

3. Kantonale Bestimmungen, wonach gewisse Verant-wortungsträger vor der Verwaltungsjustiz und an-dere vor der Ziviljustiz zu belangen sind, verstossen gegen Bundesrecht.

Yves Rüedi*

Sachliche Zuständigkeit bei Verantwortlichkeits-klagen gegen Organe von KantonalbankenBesprechung des Urteils OG.2011.00004 des Obergerichts des Kantons Glarus vom 1. Juli 2011

* RA Dr. iur. Yves Rüedi, Obergerichtspräsident des Kantons Glarus und nebenamtlicher Bundesrichter. Der Autor hat am besproche-nen Entscheid mitgewirkt.

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kosten werden nach dem allgemeinen Grundsatz der Kostenverteilung nach Unterliegen und Obsiegen verteilt.

I. Sachverhalt

Am 17. Mai 2005 verkauften drei Grossaktionäre der X AG-alt insgesamt 12’412 Inhaberaktien zu einem Preis von CHF 1’200 pro Aktie an die M AG, die danach über 44,3 % des Aktienkapitals der X AG-alt verfügte. Am 4. Juli 2005 unterbreitete die M AG allen Aktionären der X AG-alt ein öffentliches Kauf-/Tauschangebot, gemäss welchem eine sich im Publikum befindende Inhaberaktie der X AG-alt mit CHF 300 Nennwert zum Bezug von drei Namenaktien der M AG mit einem Nennwert von CHF 100 zuzüglich CHF 250 in bar berechtige. Nach Vollzug des Angebots hielt die M AG insgesamt 95 % des Aktienkapitals und der Stimmrechte der X AG-alt.1

Am 9. September 2005 schlossen die M AG, ihre 100-prozentige Tochtergesellschaft N AG und die X AG-alt einen Fusionsvertrag. Darin wurde vereinbart, dass die N AG die X AG-alt im Rahmen einer Absorp-tionsfusion im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. a FusG rück-wirkend auf den 1. Juli 2005 übernimmt. Die M AG ver-pflichtete sich, zur Abfindung der Minderheitsaktionäre für eine Inhaberaktie der X AG-alt drei Namenaktien der M AG und CHF 250 in bar auszugeben. Die über-nehmende Gesellschaft N AG sollte nach der vorgängi-gen Löschung der X AG-alt die Firma «X AG» tragen.2

Gleichentags erstatteten die Verwaltungsräte der betei-ligten Unternehmen ihren gemeinsamen Fusionsbericht und die O AG den Bericht des gemeinsamen Prüfers. Nachdem die Generalversammlungen der Vertragspar-teien der Fusion am 20. Oktober 2005 zugestimmt hat-ten, wurden diese sowie die Löschung der X AG-alt am

1 Urteil 4A_96/2011 des Bundesgerichts vom 20.9.2011, Sachverhalt A (in BGE 137 III 577 nicht publiziert).

2 Urteil 4A_96/2011 des Bundesgerichts vom 20.9.2011, Sachverhalt A (in BGE 137 III 577 nicht publiziert).

InhaltsübersichtI. SachverhaltII. ErwägungenundEntscheid

1. AngemessenheitderAbfindungbeimSqueeze-Out-Merger2. VerteilungderGerichtskostenimbundesgerichtlichen

VerfahrenIII. Erläuterungen

1. AngemessenheitderAbfindungbeimSqueeze-Out-Mergera. BewertungderbeteiligtenUnternehmenb. BerücksichtigungweitererrelevanterUmständec. ProzeduraleAspekte

2. VerteilungderGerichtskostenimbundesgerichtlichenVerfahren

IV. BedeutungfürdiePraxis

Kernsätze

1. Ausgeschlossene Gesellschafter bei einer Fusion haben Anspruch auf eine Abfindung, die dem wirk-lichen Wert ihrer bisherigen Anteils- und Mitglied-schaftsrechte entspricht.

2. Der wirkliche Wert der Anteils- und Mitgliedschafts-rechte ist durch eine Bewertung der beiden beteili-gten Gesellschaften zu ermitteln.

3. Die Bewertung ist in der Regel eine zukunftsbezo-gene Ertragsbewertung, verbunden mit einer aktu-ellen Substanzbewertung, wobei verschiedene Me-thoden angewendet werden können.

4. Den fusionierenden Gesellschaften kommt bei der Wahl der Bewertungsmethode und der Bewertung der relevanten Umstände ein erheblicher Ermessens-spielraum zu, in welchen der Richter nur eingreifen sollte, wenn der Ermessensspielraum überschritten wird. Das ist namentlich dann der Fall, wenn falsche oder unvollständige tatsächliche Annahmen zugrun-de gelegt oder anerkannte Bewertungsgrundsätze und -methoden nicht oder unzutreffend angewendet wurden.

5. Das Kostenprivileg von Art. 105 Abs. 3 FusG gilt im bundesgerichtlichen Verfahren nicht. Die Gerichts-

Markus Vischer / Thomas Wehinger*

Angemessenheit der Abfindung und Verteilung der Gerichtskosten im bundesgerichtlichen Verfahren beim Squeeze-Out-MergerBesprechung des Urteils 4A_96/2011 des Bundesgerichts vom 20. September 2011 (BGE 137 III 577)

* RA Dr. Markus Vischer, LLM, Partner Walder Wyss AG; RA Thomas Wehinger, Anwalt Walder Wyss AG.

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und hinreichend unabhängig ist sowie über die not-wendigen personellen und finanziellen Mittel ver-fügt, um die internen Regeln konsequent durchzuset-zen und Verstösse zu sanktionieren.

4. Bestechungshandlungen durch externe Berater oder Vermittler werden dem Unternehmen zugerechnet. Insbesondere der Einsatz von auf Erfolgsbasis tätigen Agenten in Ländern mit hoher Korruption birgt ein erhebliches Strafverfolgungsrisiko für die Unterneh-men. Dieses Risiko lässt sich nur durch adäquaten Aufwand in der Compliance und mit einer konse-quenten Durchsetzung und Kontrolle eines zweck-mässigen internen Regelwerkes reduzieren.

5. Auch ausländische Gesellschaften werden vom An-wendungsbereich von Art.  102  StGB erfasst, sofern ein örtlicher Anknüpfungspunkt für die Straftat in der Schweiz gegeben ist, z.B. weil Zahlungen über die Schweiz getätigt wurden oder der Organisations-mangel eine Schweizer Gesellschaft oder Niederlas-sung betrifft.

I. Ausgangslage

In einer Medienmitteilung vom 22. November 20111 in-formierte die Schweizerische Bundesanwaltschaft (die «BA») die Öffentlichkeit wie folgt über den Abschluss von Strafverfahren gegen zwei Gesellschaften des fran-zösischen Alstom Konzerns:

1. Mit Strafbefehl vom 22. November 2011 wurde die Alstom Network Schweiz AG (die «Alstom Net-work Schweiz») zu einer Busse von CHF 2,5 Mio. verurteilt, weil sie nicht alle erforderlichen und zu-mutbaren organisatorischen Vorkehren getroffen habe, um im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit die Bestechung fremder Amtsträger in Lettland, Tune-sien und Malaysia zu verhindern. Zudem wurde die Alstom Network Schweiz verurteilt, eine Ersatzfor-

1 Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf die am 22. November 2011 für kurze Zeit auf der Homepage der BA veröffentlichten (heute nicht mehr zugänglichen) Entscheide selben Datums (Strafbefehl und Einstellungsverfügung).

InhaltsübersichtI. AusgangslageII. Sachverhalt

1. DieAlstomGruppe2. DieFunktionderAlstomNetworkSchweizinnerhalb

desKonzerns3. DieinternenComplianceRichtlinienderAlstomGruppe4. DieProjekteinLettland,TunesienundMalaysia

III. DasStrafverfahrenderBundesanwaltschaftIV. Erläuterungen

1. ZumStrafbefehlsverfahren2. ZurAnwendbarkeitvonArt.102StGBiminternationalen

Konzernverhältnis3. ZumVorliegeneinerAnlasstat4. ZumOrganisationsmangel5. ZurEinziehung

V. BedeutungfürdiePraxis

Kernsätze

1. Unternehmen sind strafrechtlich verantwortlich (Art. 102 Abs. 2 StGB) und riskieren die Einziehung von Gewinnen, wenn sie es versäumen, alle erforder-lichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehren zu treffen, um Bestechungshandlungen im In- und Ausland zu verhindern.

2. Die Einziehung des durch die Straftat erlangten Vermögensvorteils stellt angesichts der fehlenden Obergrenze und des behördlichen Ermessenspiel-raums bei der Bestimmung des einziehbaren Betrags ein höheres finanzielles Risiko für potentiell betrof-fene Unternehmen dar als die Busse, welche gemäss Art. 102 StGB auf CHF 5 Mio. begrenzt ist.

3. Interne Anti-Korruptions-Normen und Weisungen zählen zu den Vorkehren zur Vermeidung von Straf-taten. Für sich alleine sind solche Normen aber nicht ausreichend («paper compliance»). Vielmehr muss auch dafür gesorgt werden, dass die Compliance-Funktion mit genügenden Kompetenzen ausgestattet

Simone Nadelhofer do Canto*

Millionenbusse gegen Alstom-Tochter wegen ungenügender Vorkehren gegen BestechungBesprechung des Strafbefehls der Schweizerischen Bundesanwaltschaft gegen die Alstom Network Schweiz AG vom 22. November 2011

* Dr. iur. Simone Nadelhofer do Canto, Master Economic Crime Investigation, Rechtsanwältin bei LALIVE in Zürich. Die Autorin dankt Dr. iur. Daniel Bühr für die kritische Durchsicht des Manu-skripts.

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Aktienkapitals der Winterthur bis zum Ablauf der Ange-botsfrist) verzichte. In der Beteiligung von 36,97 % wa-ren insgesamt 844’749 Winterthur-Aktien, entsprechend 14,4 % der Stimmrechte und des Aktienkapitals der Winterthur, enthalten, welche der Hauptaktionär mit-tels Andienungsvereinbarung andiente. Bis zum Ablauf der Nachfrist am 25. Februar 2011 konnten 3M und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen ihre Beteiligung – unter Einbezug der nachträglich ange-dienten Aktien – auf 85,3 % des Aktienkapitals und der Stimmrechte der Winterthur erhöhen. Von diesen 85,3 % hat 3M 29,2 % ausserhalb des Übernahmeangebots er-worben, und 56,1 % wurden 3M im Rahmen des Über-nahmeangebots angedient.

Am 25. Mai 2011, drei Monate nach Ablauf der Nach-frist, reichte 3M beim Obergericht des Kantons Zug Klage gegen Winterthur ein mit dem Begehren, es seien sämtliche sich im Publikum befindenden Namenaktien der Winterthur mit einem Nennwert von je CHF 1 für kraftlos zu erklären. 3M hat nach Ablauf der Nachfrist weitere Winterthur-Aktien gekauft, so dass sie und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen am Tag der Klageeinreichung über 97,92 % des Aktien-kapitals und der Stimmrechte der Winterthur verfügten.

In der Folge wurde das klägerische Rechtsbegehren dreimal im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) publiziert. Die restlichen Aktionäre wurden in der Pu-blikation darauf hingewiesen, dass sie innert drei Mona-ten seit der ersten Publikation im SHAB dem Verfahren beitreten können, wobei dieses Recht innert angesetzter Frist von keinem der restlichen Aktionäre wahrgenom-men wurde.

Winterthur anerkannte in ihrer Klageantwort sodann sämtliche Tatsachenbehauptungen der 3M in deren Kla-geschrift und beantragte die vollumfängliche Gutheis-sung der Klage.

Mit Eingabe vom 28. Juni 2011 teilte 3M dem Ober-gericht des Kantons Zug schliesslich mit, dass 3M und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Per-sonen den Schwellenwert von 98 % der Stimmrechte am 26. Mai 2011, einen Tag nach Einreichung der Kla-ge, überschritten haben und per 28. Juni 2011 insgesamt

InhaltsübersichtI. SachverhaltII. ErwägungenundEntscheidIII. ErläuterungenIV. BedeutungfürdiePraxis

Kernsätze

1. Nach wohl herrschender Lehre und Praxis genügt es, dass die erforderliche Beteiligungsschwelle von 98 % der Stimmrechte (erst) im Zeitpunkt der Urteils-fällung überschritten ist, da nach zivilprozessualen Grundsätzen dieser Zeitpunkt für die (erfolgreiche) Kraftloserklärung massgebend ist.

2. Der Kläger kann gestützt auf die Novenregelung nach Art. 229 Abs. 1 und 2 ZPO noch bis zur Haupt-verhandlung darlegen, dass er (oder eine mit ihm in gemeinsamer Absprache handelnde Person) weitere Beteiligungspapiere erworben hat.

I. Sachverhalt

Am 22. Dezember 2010 lancierte die 3M (Schweiz) AG, Rüschlikon (3M) ein freundliches Übernahmeangebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Winterthur Technologie AG, Zug (Winterthur), wobei zu diesem Zeitpunkt die Beteiligungspapiere der Win-terthur an der SIX Swiss Exchange kotiert waren. Der Angebotspreis betrug CHF 62 netto pro Namenaktie der Winterthur (Winterthur-Aktie), und die Angebotsfrist dauerte bis zum 7. Februar 2011. Am 11. Februar 2011 veröffentlichte 3M das definitive Zwischenergebnis des Übernahmeangebots und erklärte, dass 3M und die mit ihr in gemeinsamer Absprache handelnden Personen per 10. Februar 2011 36,97 % der Stimmrechte und des Aktienkapitals der Winterthur hielten, und dass 3M auf die Angebotsbedingung a) (Beteiligung von 66²/³ % des

Fabienne Frehner / Dieter Dubs*

Kraftloserklärung nach Art. 33 BEHG: Massgeblicher Zeitpunkt für das Überschreiten des Schwellenwerts von 98 % Besprechung des Urteils Z2 2011 38 des Obergerichts des Kantons Zug vom 9. November 2011

* Beide Autoren arbeiten bei Bär & Karrer AG, Zürich. Die Bär & Karrer AG hat 3M (Schweiz) AG, beim öffentlichen Übernahme-angebot für alle sich im Publikum befindenden Namenaktien der Winterthur Technologie AG, Zug vertreten.

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