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Inhalt

Wachstum! Welches Wachstum? Die Vermessung des WohlstandesLange keine Spur von WirtschaftswachstumDas globale RennenEs ist nicht alles BIP, was wächstMythen ums Wachstum: Hält es, was es verspricht?Zwei Gründe für eine Alternative zum grenzenlosen WachstumDer Traum von der Effi zienz-RevolutionWas, wenn nicht Wachstum? „Buen Vivir“ und BruttonationalglückJenseits des WachstumsAuf Los geht’s losKlartextWar sonst noch was? Ja!

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2933374648

ImpressumText: Anja HumburgRedaktion: Jutta Wieding, Jochen Dallmer, Miriam Boschmann, Gert SandersGestaltung & Illustration: Annika Huskamp, [email protected]: Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz e.V.V.i.S.d.P.: Gert Sanders, Am Köllnischen Park 1a, 10179 BerlinDruck: www.lokay.de, mit Farben aus nachwachsenden Roh-stoffen auf 100% Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Umweltengel.

Anmerkungen In diesem Heft hängen wir den gegenderten Zusatz „_innen” an, um kein Geschlecht auszuschließen. Wir verwenden den Ausdruck „Globaler Süden”, weil er neutra-ler ist als „Entwicklungs- und Schwellenländer” oder „Dritte Welt”. Mit dem Ausdruck „Länder des Globalen Südens” wird diesen Ländern keine bestimmte Entwicklungsrichtung und besonders nicht die des „Globalen Nordens” aufgezwungen. Coop (sprich: Ko -op) steht für Kooperation – also sich absprechen und in einer Gruppe etwas organisieren – zum Beispiel Lebensmittel.

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Die Vermessung des Wohlstandes In den meisten Ländern dieser Erde wird das Wirt-schaftswachstum mit dem Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP, gemessen. Das BIP zeigt den Wert aller Waren und Dienstleistungen an, die in einem Land und in einem Jahr hergestellt und verkauft werden. Das BIP ist also ein Maß für die Aktivität der Wirt-schaft. Wird mehr produziert, steigt das BIP. Wenn Roh-stoff e und Arbeitskraft zu Produkten werden, entsteht ein neuer Wert. Das nennt man Wertschöpfung. Der Gewinn, der durch den neuen Wert entsteht, wird gleich wieder investiert, um weiteres Wachstum zu generieren. Dafür müssen in der Regel Kredite mit hohen Zinsen aufgenommen werden und es kommt zum sogenannten Wachstumszwang. Da mehr zurückgezahlt werden muss, als geliehen wurde, lohnt sich die Kreditaufnahme nur, wenn die Unternehmer_innen durch das geliehene Geld mehr erwirtschaften können. Es gibt aber auch noch einen Wachstumsdrang im Wirtschaftssystem: Aktienbesitzer_innen großer Unter-

Wachstum! Welches Wachstum? Wachstum ist nicht gleich Wachstum. In der Natur ist Wachstum begrenzt: Menschen wachsen, Bäume sprießen in die Höhe, aber irgendwann sind sie „aus-gewachsen“. Bei der Wirtschaft soll das anders sein, sie soll immer weiter und weiter wachsen: die Produktion, der Umsatz, die Zahl der Beschäftigten eines Unterneh-mens, die Auswahl an Produkten und unser Verbrauch. Das Wirtschaftswachstum ist zum Ziel unserer Ent-wicklung und dem Anliegen der Politik geworden. Aber ist mit einem Wachstum der Wirtschaft ein besseres Leben verbunden? Ist unendliches Wachstum in einer endlichen Welt überhaupt möglich?

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nehmen spekulieren an den Börsen, um den Wert ihrer Aktien zu steigern. Sie erwarten von den Unternehmen, noch mehr zu wachsen. Damit setzt eine unendliche Wachstumsspirale ein.Ursprünglich war das BIP nur dazu gedacht, das Wachstum der Wirtschaft zu messen, nicht aber den Wohlstand oder das Wohlbefinden der Gesellschaft. Erst mit der Zeit ging man davon aus, dass Wirtschaftswachstum für ein besseres Leben sorge.

Lange keine Spur von Wirtschaftswachstum Lange Zeit wuchs die Wirtschaft nur sehr wenig. Das lässt sich allerdings nicht genau beziff ern, weil das

BIP als Messinstrument erst in den 1930ern eingeführt wurde. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann die Wirtschaft schneller zu wachsen, weil Maschinen viele Arbeiten übernahmen und mit der Förderung von Kohle und Erdöl Energie in großem Maße verfügbar wurde. Während des Wirtschaftswunders nach dem zweiten Weltkrieg lag das Wirtschaftswachstum in Deutsch-land bei ungefähr zehn Prozent im Jahr. 1950 betrug das deutsche Wirtschaftsvolumen umgerechnet 250 Milliarden Euro. Natürlich hatte dieses sogenannte Wirtschaftswunder viel damit zu tun, dass nach dem Krieg Häuser, Straßen und Fabriken wiederaufgebaut werden mussten. In den nächsten 40 Jahren wuchs das BIP dann immer langsamer. Heute wächst unsere Wirt-schaft um etwa ein Prozent im Jahr. 2010 waren das 2,5 Billionen Euro. Das heißt, das BIP ist 2,25 Billionen Euro höher als 1950. Von den Wachstumsraten der Nachkriegszeit sind wir heute weit entfernt. Trotzdem sind die fetten Jahre nicht vorbei.

Was wird immer mehr in deinem Leben? Was immer weniger?

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BIP global – die Unterschiede sind groß.

922129

233 AustralienNeuseeland

922

15.242 Mrd.US$15.242 Mrd.US$

12.392 Mrd. US$

1.156 Mrd. US$

2.378 Mrd. US$

1.253 Mrd. US$

1.407 Mrd. US$

1.074 Mrd. US$

1.782 Mrd. US$17.589 Mrd. US$

Nordamerika

Südamerika

Afrika

Asien

Naher Osten

Südosteuropa und GUS

Ozeanien

Mittelamerika und Karibik

Europa

1.420

1.347266

278

141

384314211

94

1.285

1.1373.287

4.395

151133

889

13.816

3.3022.738

2.567

USAKanada

Mexiko

Brasilien

Deutschland Russland

Saudi-ArabienIran

Ver.Arabische Emirate

Ukraine

JapanChinaIndien

KasachstanFrankreichGroßbritannien

SüdafrikaNigeria

ÄgyptenArgentinien

Venezuela

Welt-Bruttoinlandsproduktin Mrd. US-Dollar, 2007

Quelle: United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD)(2008): Handbook of Statistics

Deutsches Wirtschaftsvolumen 20101% Wirtschaftswachstum = € 2,5 Billiarden

Deutsches Wirtschaftsvolumen 195010% Wirtschaftswachstum = € 25 Milliarden

Wenn unsere Wirtschaft heute um nur ein Prozent wächst, dann ist das in Euro immer noch mehr, als zehn Prozent im Jahr 1950 ausmachten.

Das globale Rennen In vielen Industrieländern ist der Wohlstand dem starken Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte zu verdanken. In Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien zieht die Wirtschaft seit einigen Jahren auch kräftig an. In vielen Ländern des Globalen Südens wächst die Wirtschaft zwar auch, aber von Wohlstand für breite Massen kann immer noch keine Rede sein.

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Es ist nicht alles BIP, was wächst Nehmen wir das BIP doch mal genauer unter die Lupe: Wenn ich mir ein Mountainbike kaufe, trägt das zum BIP bei. Ebenso, wenn Hassans Vater eine Solaranlage auf’s Dach bauen lässt. Das BIP misst auch Dienstleistun-gen: zum Beispiel wenn Ilka einen Kurs in der Tanzschule macht oder Emilie mit ihrer Familie in den Urlaub fährt. Aber auch ein Autounfall trägt zum BIP bei, weil die Fahrzeuge in einer Werkstatt repariert werden müssen. Sogar eine Umweltkatastrophe kann das BIP steigern, da viele Firmen mit dem Beheben der Schäden beauftragt werden. All das kostet Geld, und wo Geld fließt, wächst das Bruttoinlandsprodukt. Das heißt aber auch, dass alles, was wir „kostenlos“ machen, nicht im BIP vorkommt. Zum Beispiel, wenn Aida ihrer Nachbarin beim Umzug hilft oder Thomas bei Oma Lilo die Wohnung putzt. Es ist dem BIP auch egal, wenn Britta ihre Bohrmaschine an eine Freundin verleiht oder Yussuf seine alten Bücher in die Schul-bücherei stellt. Auch das ehrenamtliche Engagement

in einem Sportverein oder die Mitarbeit in einer Umweltgruppe wird nicht in das BIP eingerechnet. Viele Bereiche der Arbeit fließen also nicht in die Messung der Wirtschaftskraft ein. Diese Bereiche werden informelle und reproduktive Arbeit genannt, weil die Menschen, die dieser Arbeit nachgehen, keinen offiziellen Arbeitsvertrag und kein Geld für ihre Tätigkeiten bekommen. Schätzungen sagen, dass das BIP um 40 bis 50 Prozent höher wäre, wenn man diese Tätigkeiten mit einrechnen würde. Allerdings ist es sehr schwer, ihren Wert zu beziffern. Trotzdem sind diese Tätigkeiten sinnvoll und wichtig und es macht einfach Spaß, einander zu helfen oder jemandem einen Freundschaftsdienst zu erweisen. Und was würde es nützen, den Wert solcher informellen und reproduktiven Tätigkeiten in Euro auszurechnen? Vielleicht brauchen wir eine ganz andere Einheit, um diese Tätigkeiten wertzuschätzen. Das BIP kann das jedenfalls nicht.

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Mythen ums Wachstum: Hält es, was es verspricht? Ganz gleich ob Außen-, Wirtschafts-, Bildungs- oder sogar Umweltpolitik: Politiker_innen aller Ressorts sa-gen, wir bräuchten Wachstum. Trotz aller Unterschiede

Was dürfte gerne noch viel weiter wachsen - auch wenn die Wirtschaft nicht mehr wächst? Was könnte ruhig schrumpfen?

zwischen den Parteien – beim Wachstumsthema sind sie sich, bis auf wenige Ausnahmen, einig: Mehr Wachs-tum ist besser für alles. Aber gucken wir doch mal genau hin. Welche magischen Zwecke soll das Wachstum erfül-len? Erreichen wir durch das Allheilmittel Wachstum, was wir wollen?

Schaff t Wachstum Arbeitsplätze? So einfach ist das heute nicht mehr. Die Wirtschafts-expert_innen vom Deutschen Institut für Wirtschafts-forschung zeichnen ein tristes Zukunftsbild: „Für mehr Jobs benötigen wir ein jährliches Wirtschaftswachstum von mindestens zwei Prozent,“ sagen sie. Wachstumsvoraussagen für Deutschland liegen aber weit darunter. Die Realität zeigt: Obwohl unsere Wirtschaft ständig wächst, ist das Problem der Arbeits-losigkeit geblieben. Unter anderem, weil wir in immer weniger Zeit immer mehr herstellen können. Arbeitslo-sigkeit muss mit anderen Mitteln als Wachstum bekämpft werden. Zum Beispiel durch die bessere Verteilung von

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Arbeit. Manche Menschen schaffen ihre Arbeit kaum und machen Überstunden, andere würden gern arbeiten, finden aber keinen Job. Teilzeit-Arbeitsplätze haben den Vorteil, dass die Menschen mehr Zeit für andere Aktivitäten haben. Bei einer schrumpfenden Bevölkerungszahl in Deutsch-land braucht es statt immer mehr Arbeitsplätzen in rationalisierten, energie- und materialintensiven Produktionsprozessen angemessen bezahlte, sichere und menschliche Jobs.

Bekämpft Wachstum Armut? Wenn der Kuchen wächst, bekommen alle mehr davon ab. Diese Annahme beruht auf der so genannten Trickle-down-Theorie (engl. trickle = sickern). Sie geht davon aus, dass Wirtschaftswachstum und materieller Wohlstand der Reichen nach und nach in die „unteren“ Schichten der Gesellschaft durchsickern. Personen mit großem Vermögen und genügend Gewinn investieren

mehr, wodurch die „ärmeren“ Bevölkerungsschichten Aufträge und Löhne bekommen. Bestritten wird die Trickle-down-These vor allem von Globalisierungskri-tiker_innen. Die Investitionen würden immer dorthin gehen, wo der Nutzen für die sozial Schwächeren am geringsten sei. Dies sei vor allem durch die globalisierte Marktwirtschaft zu einem Problem geworden. Sie bespötteln den Trickle-down-Effekt im Rahmen des sogenannten Pferdeäpfel-Theorems: „Wenn man einem Pferd genug Hafer gibt, wird hinten auch etwas herauskommen, um die Spatzen zu füttern“. Zwar hat Wirtschaftswachstum in sogenannten Schwellenländern wie Indien und China Millionen aus der Armut befreit, jedoch zugleich die Schere zwischen Arm und Reich dramatisch weit geöffnet. Denn das BIP als Maßstab verschleiert Ungleichheiten bei der Verteilung der Ein-kommen, des materiellen Konsums und des Vermögens. Mehr als 50 Prozent des globalen Vermögens liegen in den Händen von zwei Prozent der Menschheit, die ärmsten 50 Prozent der Menschen besitzen gerade mal ein Prozent des globalen Vermögens!

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Ohne Wachstum kein Umweltschutz? Es heißt oft, ohne Wachstum könnten wir uns keinen Umweltschutz leisten, denn umweltschonende Technologien, die Umstellung auf erneuerbare Energien, Aufk lärungskampagnen und Forschung kosten Geld. Studien belegen jedoch, dass in den meisten Fällen Wachstum – und neoliberales Wirtschaftsdenken –

eher eine Ursache und nicht die Lösung der Umwelt-probleme ist. Mehr zu produzieren heißt immer auch, dass mehr natürliche Ressourcen verwendet werden müssen. Häufi g wird die Umweltverschmutzung nur verlagert, zum Beispiel dorthin, wo es weniger kostet, Müll zu verbrennen.

Stabilität durch Wachstum? Ein stabiles Wirtschaftssystem ist wichtig, damit zum Beispiel Löhne und Renten gezahlt werden können. Die Finanzkrisen zeigen jedoch, auf welch wackeligem Fundament ein Wirtschaftssystem steht, das auf einem enormen Zwang zu wachsen basiert. Ist der Wachstumszwang sogar der Grund für die instabile Lage unserer Wirtschaft? Gibt es ein Gleich-gewicht, in das wir unsere Wirtschaft bringen können, anstatt immer weiter nach Wachstum zu streben oder plötzlich und unkontrolliert zu schrumpfen?

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Wachstum macht sich auch in unseren Köpfen breit. Wachstum ist nicht bloß abstrakt und weit weg, ein Thema auf den Tagesordnungen der Politik, Unternehmen und Medien. Wachstum ist auch in unsere Köpfe eingezo-gen. Wenn die Zinsen auf dem Sparbuch wachsen, haben wir nichts dagegen. Das Spiel „Monopoly“ spiegelt unkritisch die Mentalität mächtiger Firmenbosse wider. In Sportvereinen begegnet man nicht selten harten Wettkämpfen. Eine neue Kamera, eine neue Winterjacke und der nächste Urlaub nach Teneriffa oder doch lieber nach Thailand? „Größer, weiter, schneller, mehr“ ist nicht nur das Leitmotiv von Ent-scheidungsträger_innen. Auch im Privaten hält dieses Denken Einzug. Wachstum hält nicht was es verspricht. Trotzdem sind heute viele gesellschaftliche Bereiche auf Wachstum angewiesen. Mit kleinen Schönheitskorrekturen ist es nicht getan, wenn bereits das ganze Fundament wackelt.

Für Wachstum und Wohlstand – so wie wir ihn heute verstehen – zahlen die Umwelt und der Globale Süden einen hohen Preis. Es wird Zeit für einen Plan B. Das steht spätestens seit dem Beginn der Finanzkrise, die das Wirtschaftswachstum in den großen Industrielän-dern ins Stocken gebracht hat, fest. Welche Alternativen gibt es zu dem ressourcenfressenden und ungleich verteilten Wohlstand des Nordens? Was bräuchte es, um Fortschritt, Wohlstand und das gute Leben neu zu erfinden?

Earth Overshoot Day Der Earth Overshoot Day ist symbolisch der Tag, ab dem wir mehr Ressourcen verbrauchen, als die Erde für das entsprechende Jahr erzeugt: 2011 war dieser Zeitpunkt bereits am 27. September erreicht. In den übrigen drei

Zwei Gründe für eine Alternative zum grenzenlosen Wachstum

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1961 1964 1967 1970 1973 1976 1979 1982 1985 1988 1991 1994 1997 2000 2003

1,5

1,0

0,5

0,0

Biokapazität der ErdeÖkologischer Fussabdruck Jahr

Monaten des Jahres haben wir dann sozusagen auf Kosten des Klimas, der Artenvielfalt und der anderen natürlichen Ressourcen gelebt. Von Land zu Land bestehen sehr große Unterschiede, und auch die Menschen innerhalb eines Landes nutzen unterschiedlich viel von den natürlichen Ressourcen.

Zahl der benötigten Erden

Die Medien berichten von „Peak-Oil” oder sogar „Peak-Everything”. Damit sind die Zeitpunkte gemeint, ab denen kein weiteres Öl oder andere Rohstoff e gefördert werden können, weil alle verfügbaren Quellen angezapft sind. Es ist jedoch sehr schwer zu sagen, wo genau diese Punkte liegen und wann sie erreicht werden. Obwohl viele natürliche Ressourcen wie Wasser, Luft und Wind, Boden oder Holz recyclebar sind oder nachwachsen, ist ihre Fähigkeit zu fi ltern, zu speichern oder Stoff e um-zuwandeln begrenzt. Andere Ressourcen sind nicht erneuerbar, wie fossile Brennstoff e, Metalle und seltene Erden. Viele dieser über-nutzten Ressourcen sind Allmendegüter, also Güter, die allen gehören und von allen genutzt werden können. Sie heißen auch „Commons“. Fakt ist, dass es ökologische Grenzen für das Handeln der Menschen gibt.

Wir haben nur eine.

Quelle: BUND, Brot für die Welt & EED(2008): Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt

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Gut leben statt viel haben Viele Studien zeigen, dass es noch eine andere Grenze gibt. Wer mehr als 25.000 Euro netto im Jahr verdient, kann sich zwar mehr kaufen, wird jedoch nicht automatisch zufriedener. 25.000 Euro entsprechen im Durchschnitt etwas mehr als dem Jahreseinkommen einer Person in

Deutschland. Man muss also längst kein Millionär sein, um glücklich zu sein. Warum arbeiten trotzdem viele Menschen so hart, um mehr zu verdienen? Damit sie sich leisten können, was in den Schaufenstern und Online-Shops angepriesen wird. Dinge, die – provokant gesagt – meinen Freund_innen, Nachbar_innen, Kolleg_innen/Mitschüler_innen gefallen und imponieren sollen. Der Wunsch, immer mehr zu konsumieren, hat noch einen anderen Preis: Zeit wird zu einem knappen Gut. Die Zeit, die wir haben, um die gekauften Güter wirklich zu gebrauchen, wird immer weniger. Immer mehr Menschen hierzulande fühlen sich unter Druck gesetzt, mehr leisten und mithalten zu müssen, schon in der Schule und Ausbil-dung. Bei manchen endet das im Burnout, einer Depression oder einer anderen Krankheit.

Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, mit Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen.

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In einer Gesellschaft, in der das Ansehen von Status-symbolen wie allwissenden Handys, schnellen Autos und schicken Klamotten abhängt, ist es nicht gerade einfach, sich stattdessen an Alternativen zum materiellen Konsum zu orientieren. Glück und Suffi zienz sind hier die Schlüsselwörter. Suffi zienz kommt vom lateinischen suffi cere und bedeutet „genügen“ oder „ausreichen“. Man kann es mit „genug haben” übersetzen: Was brauche ich wirklich? Suffi zienz klingt für viele nach Verzicht. Dabei könnte man auch fragen, was tatsächlich mehr Wohlstand und Freude bringt: mehr zu arbeiten und mehr Sachen zu kaufen oder Sport zu treiben, mehr Zeit mit Freund_innen zu verbringen, sich Hobbys zu widmen, Musik zu machen, im eigenen Garten Erdbeeren zu ernten oder einfach nur da zu sitzen und die Sonne zu genießen? Mit einem Recht auf Suffi zienz im Grundgesetz kämen wir der Neuerfi n-dung von Wohlstand schon näher.

160

150

140

130

120

110

100

90

80

1973 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2004

Bruttoinlandsprodukt /Kopf

Lebenszufriedenheit

Lebenszufriedenheit1973 =100

Mehr macht nicht glücklich.

Jahr

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Index

Quelle: BUND, Brot für die Welt & EED(2008): Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt

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Und was nun? Das wichtigste Messinstrument unserer Wirtschaft, das BIP, taugt off ensichtlich nicht, um das Wohlbefi nden der Menschen zu messen. Nur auf die Wirtschaftskraft zu gucken, reicht einfach nicht. Es ist an der Zeit, etwas zu verändern, denn das Immer-mehr-und-immer-schneller hält unser Planet nicht aus. Und drei oder vier Erden haben wir leider nicht.

Der Traum von der Effi zienz-Revolution Wie wär’s, wenn wir dieselben Güter einfach mit viel weniger Aufwand und Ressourcen herstellen? Hinter der Revolution der Effi zienz steht die Idee, dass das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppelt werden kann. Wenn wir Güter und Dienst-leistungen produzieren, nutzen wir dabei auch natürliche Ressourcen, z.B. fossile Brennstoff e, um Strom für einen Laptop zu generieren. Durch technische Innovationen und effi ziente Abläufe können viele dieser Ressourcen eingespart werden. Expert_innen fordern, den Ressourcen- und Energieeinsatz um den Faktor 4 zu reduzieren, also

Welche Bedürfnisse stecken eigentlich dahinter, wenn du dir etwas Neues kaufst? Welche sind es, wenn du Zeit mit deinen Freund_innen verbringst, ein Buch liest oder dich für einen sozialen Zweck engagierst?

Was entdeckst du, wenn du in deiner Biografi e kramst? Woher kommen deine Denkstrukturen und Wertvorstellungen, deine Ideale und Wünsche?

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Die Effizienz zu steigern ist ein wichtiger Ansatz. Doch er ändert nichts am Wachstumszwang. Vielleicht liegt die Lösung ganz woanders?

Was, wenn nicht Wachstum? „Buen Vivir“ und Bruttoinlandsglück Einige Regierungen, z.B. die französische, haben Kommissionen eingesetzt, um Alternativen zum Brutto- inlandsprodukt zu erarbeiten. Hier in Deutschland gibt es die Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“. Andere Länder sind da schon viel weiter. In Ecuador und Bolivien steht „Buen Vivir“, also das „gute Leben“, seit ein paar Jahren in der Verfassung. In beiden Ländern hat die Bevölkerung weniger materiellen Wohlstand als die Menschen in den Industrienationen. Trotzdem ist es den ecuadorianischen und bolivianischen Regierungen wichtig, im Einklang mit der Natur zu leben und das ganz-heitliche Wohlergehen der Menschen in den Mittelpunkt

viermal weniger zu verbrauchen. Manche sagen, dass das nicht reicht und fordern sogar den Faktor 10. Das Prinzip „Cradle-to-cradle“ – also von der Wiege zur Wiege – verlangt sogar, dass alle Ressourcen, die in die Herstellung eines Produktes eingeflossen sind, wiederbe-nutzt werden müssen. Doch ist es möglich, Produkte mit immer weniger Ressourcen herzustellen? Um z.B. ein Handy herzustellen, braucht man einfach eine bestimmte Menge an Metallen und seltenen Erden, die in einem energieaufwändigen Prozess verarbeitet werden. Und bei jedem Arbeitsschritt geht immer auch ein bisschen davon verloren – das ist ein physikalisches Gesetz. Ganz ohne natürliche Ressourcen werden wir auch in Zukunft nicht produzieren können. Und da gibt es noch ein Problem: Oft wird vergessen, dass solche effizienten Technologien zwar relativ gesehen Energie und Ressourcen sparen, aber nichts daran ändern, dass insgesamt immer mehr produziert und konsumiert wird. Das wird auch als Rebound-Effekt bezeichnet. Energiesparlampen, zum Beispiel, sind toll. Sie bringen aber nichts, wenn man das Licht dann länger anlässt.

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ihrer Gesellschaft zu stellen. Reisen wir von Südamerika weiter Richtung Asien: Schon seit 1979 rechnet man in dem buddhistischen Land Bhutan nicht mit dem Bruttoinlandsprodukt, sondern mit dem Bruttonationalglück. Das Prinzip ist dasselbe wie beim „Buen Vivir”: Das Wohlbefi nden der Menschen und der Schutz der Umwelt stehen vor der absoluten Steigerung der Wirtschaftskraft. Dennoch leben in Ecuador und Bolivien wie auch in Bhutan längst nicht alle Menschen nach dem Prinzip des „guten Lebens”. Mitbestimmungsrechte der Bevöl-kerung in Bhutan sind noch wenig etabliert. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in Bolivien und Ecuador so weit wie in den meisten anderen südamerikanischen Ländern. Doch sie beginnt, sich langsam zu schließen. Neben solchen Projekten gibt es auch schon Mess-instrumente, die versuchen, die Zufriedenheit der Men-schen einzubeziehen. Sie verstehen Wohlstand nicht mehr nur als Wirtschaftswachstum, sondern messen ihn mit anderen Maßstäben.

Happy Planet Index Um das „gute Leben“ zu messen, hat die britische New Economics Foundation zusammen mit Friends of the Earth in Großbritannien im Juli 2006 den „Happy-Planet-Index“ veröff entlicht. Der Happy-Planet-Index misst das Wohlbefi nden eines Landes z.B. anhand der Lebenszufriedenheit, der Lebenserwartung und dem ökologischen Fußabdruck.

1. Costa Rica

17. Bhutan

43. Niederlande

51. Deutschland

114. USA

143. Zimbabwe

76,1

58,5

50,6

48,1

30,7

16,6

Quelle: New Economics Foundation(2009): The (un)happy planet index 2.0

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Jenseits des Wachstums Ist der Mythos des unbegrenzten Wirtschaftswachs-tums entzaubert, stellt sich die Frage, was bei uns an dessen Stelle treten kann. Das Rezept schlechthin gibt es nicht. Auf den großen Wurf internationaler Verhandlungen brauchen wir nicht warten. Viele kleine Puzzleteile tragen statt-dessen dazu bei, Wandel anzustoßen. Im Konkreten. Im Hier und Jetzt. Die Vielfalt der Ideen und Utopien für eine Postwachstums-Ökonomie wächst. „Post“ bedeutet

Demnach ist Costa Rica das „reichste” Land der Erde. Zum Vergleich: Costa Ricas BIP landet auf Platz 88. Deutschland liegt beim Happy-Planet-Index auf Platz 51, während es beim BIP auf Platz 5 liegt. Doch allein mit einem besseren Messinstrument wird die Wirtschaft noch nicht zukunftsfähig.

Was macht dich glücklich? Was brauchst du für ein gutes Leben?

Was hindert dich an deinem Glück? Welche Produkte brauchst du, um dich selbst zu verwirklichen?

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„nach“. Wie kann Wirtschaften jenseits des Wachstums-zwangs gelingen? Von Traditionellen bis Linken, junge Leute, Aktiv-ist_innen, Wissenschaftler_innen, Journalist_innen und Unter-nehmer_innen werkeln heute an einer Postwach-stums-Ökonomie. Ihnen allen geht es darum, mit dem Wirtschaften den menschlichen Bedarf zu decken und dabei die ökologischen Grenzen einzuhalten. Manche wollen, dass die Wirtschaft und alle anderen Bereiche der Gesellschaft unabhängig vom Wirtschaftswachstum werden. Andere gehen noch weiter und fordern, dass die Wirtschaft als Ganze kontrolliert schrumpft. In der Diskussion um eine Postwachstums-Ökonomie tauchen immer wieder ähnliche Ideen auf: Es geht darum, weniger Lohnarbeit zu leisten, um mehr Zeit zu haben, sich selbst zu versorgen und mehr Dinge selber zu machen statt zu kaufen. Dazu kommen Forderungen nach einer Regionalisierung und „De-Globalisierung“. Das bedeu-tet, sich auf regionale Stoff - und Wirtschaftskreisläufe zu konzentrieren. Wenn importiert werden muss, sollte ganz besonders darauf geachtet werden, unter welchen

Bedingungen das Gut hergestellt wurde. Dass wir bio-logisch und fair hergestellte Produkte kaufen, ist in einer Postwachstumsökonomie also selbstverständlich. Sie sind möglichst ressourcenleicht hergestellt und brauchen wenig Energie. Auch die Besitzverhältnisse ändern sich in einer Postwachstums-Ökonomie: Statt Eigen-tümer anzuhäufen, nutzt man die Dinge und gibt sie weiter, wenn man sie nicht mehr braucht. Das heißt auch, mehr Dinge selber zu machen. Insgesamt geht es um einen radikalen Kulturwandel statt um technische oder politische Superstrategien. Gemeinsam Wirtschaften ist das Ziel einer Postwachstums-Ökonomie. „Commoning” nennt man das auch.

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In einer Postwachstumsökonomie spricht also gar nichts gegen die Lust, Neues zu entdecken. Sie möchte frei machen von Konsumzwängen. Sie zeigt neue Wege auf zu Freiheit, Unabhängigkeit und einem guten Leben. Postwachstum setzt der herrschenden Alternativlosigkeit des Wachstumsdenkens etwas entgegen. Postwachstums-Bewegungen gibt es in vielen Ländern. In Spanien heißt sie „decrecimiento“, in Italien „decrescita“ und in England „degrowth“. In Frankreich ist sie unter dem Namen „decroissance“ bekannt. Dort gibt es sogar eine Decroissance-Zeitung und eine -Partei.

Auf Los geht’s los Wir können sofort loslegen mit einer Postwachstums-Ökonomie. An vielen Orten wird sie schon gelebt. Einige Menschen machen vor, wie’s gehen kann. Sie sind die Pioniere einer Postwachstumsgesellschaft. Wir präsen-tieren euch ein paar Tipps und Tricks auf dem Weg zu einer Postwachstums-Ökonomie. Die meisten sind ganz

Wie möchtest du 2050 gelebt haben? Und wie sieht dein Plan B aus? Was brauchst du für ein Leben in einer Gesellschaft jenseits des Wachstums?

Welche Menschen inspirieren dich? Welche Geschichten berühren dich so, dass du sie gern weitererzählst?

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leicht umzusetzen, man braucht weder Geld noch viel Zeit. Manche erfordern ein bisschen Mut und andere ein paar gute Freund_innen, um sie umzusetzen. Und sie alle haben eines gemeinsam: Sie machen Spaß. Probiert’s aus!

Gemeinsam Selbermachen Anbieten, was man selbst gut kann, voneinander lernen, die Fähigkeiten anderer nutzen, sich gegen-seitig inspirieren.

Kleidertauschparty - Kaufst du noch oder tauschst du schon? Ein Kleidertausch funktioniert wie ein Flohmarkt, bloß ohne Geld und in sehr entspannter Atmosphäre. Ihr könnt die Klamotten direkt tauschen, Tauschmarken verteilen oder einfach alles zusammenlegen. Ihr könnt in mehreren Runden vorgehen oder euren Besucher_innen die freie Wahl lassen. Ihr könnt vorher Sammelboxen an gut zugänglichen, aber vor Wind und Wetter geschütz-ten Orten aufstellen.

Tipp für die nächste Mottoparty: Tragt selbst, was ihr loswerden wollt und kleidet euch neu ein mit dem, was die anderen tragen.

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leicht umzusetzen, man braucht weder Geld noch viel Zeit. Manche erfordern ein bisschen Mut und andere ein paar gute Freund_innen, um sie umzusetzen. Und sie alle haben eines gemeinsam: Sie machen Spaß. Probiert’s aus!

Gemeinsam Selbermachen Anbieten, was man selbst gut kann, voneinander lernen, die Fähigkeiten anderer nutzen, sich gegen-seitig inspirieren.

Kleidertauschparty - Kaufst du noch oder tauschst du schon? Ein Kleidertausch funktioniert wie ein Flohmarkt, bloß ohne Geld und in sehr entspannter Atmosphäre. Ihr könnt die Klamotten direkt tauschen, Tauschmarken verteilen oder einfach alles zusammenlegen. Ihr könnt in mehreren Runden vorgehen oder euren Besucher_innen die freie Wahl lassen. Ihr könnt vorher Sammelboxen an gut zugänglichen, aber vor Wind und Wetter geschütz-ten Orten aufstellen.

Tipp für die nächste Mottoparty: Tragt selbst, was ihr loswerden wollt und kleidet euch neu ein mit dem, was die anderen tragen.

Link: gemeinsamselbermachen.wikispot.orgTravelling school of life: tsolifede.blogsport.deTipp: Vielleicht hast du auch ein technisches Gerät, das du verleihen könntest?

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Give-away-Box/Free Box/GeschenktkisteWer keinen Umsonstladen in der Nähe hat, kann einfach eine Give-away-Box organisieren: Ein Regal zum Beispiel beim Bäcker, in das jeder seine ausgelesenen Bücher stel-len kann, damit andere auch was davon haben. Oder eine Kiste am Straßenrand oder in der Schule mit brauchbaren Inhalten für neue Nutzer.

Umsonstladen - Besitz statt EigentumViele Gegenstände stehen Zuhause rum und werden nicht benutzt, obwohl sie eigentlich noch gut aussehen und funk-tionieren. Zu schade zum Wegschmeißen. Bring solche Sachen in einen Umsonstladen in deiner Nähe. Denn an-dere Menschen suchen genau nach diesen Dingen oder können sie sich nicht leisten. Vielleicht fi ndest du dort auch das ein oder andere Nützliche, nach dem du schon länger suchst?

Links: umsonstladen.de, freecycle.org, leihnetzwerk.de,alles-und-umsonst.de, whopools.net Links: umsonstladen.de, freecycle.org, leihnetzwerk.de,alles-und-umsonst.de, whopools.net

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Food-Coops – der direkte Draht zum ErzeugerGemeinschaftlich organisieren die Mitglieder Bestel-lungen bei lokalen Biobauernhöfen, Bäckereien und Produzent_innen. So entsteht ein kleiner Laden und die Konsument_innen bestimmen selbst, was in die Regale kommt. Mittlerweile gibt es Food-Coops, bei denen ihr mitmachen könnt, in vielen Städten.

Brotaufstrich-CoopWenn’s keine Coop bei euch in der Nähe gibt, gründet doch einfach selbst eine Brotaufstrich-Coop. Bereitet eure eigenen leckeren Brotaufstriche zu und tauscht sie untereinander. Ihr erhaltet im Gegenzug regelmäßig leckere Überraschungen. Das Gleiche geht auch mit Marmelade, Pesto, Chutneys, Kuchen, ...

Tipp: Frag doch mal in der Schul-Caféteria nach einem festen Tausch-Nachmittag.

Urban Gardening - städtisches Gärtnern selbst gemachtOb auf der Fensterbank, auf dem Balkon oder im Hinterhof: Auch in der Stadt gibt es Platz, um selbst Kräuter, Obst und Gemüse anzubauen. Gemeinschaftlich und im großen Stil macht das zum Beispiel der Prinzessinnengarten in Berlin. Klimagärten gibt es aber auch anderswo.

Link: urbanacker.net, gruenewelle.org Tipp: Eine Parzelle in Kleingärtnervereinen ist schnell ergattert, kostet nicht viel und bietet die ideale Grundlage für einen Gemeinschaftsgar-ten mit Nachbarn und Freunden. Tipp: Fast Jede_r kennt einen Obstbaum auf einem öff entlichen Platz. Zusammengetragen ergibt sich eine Karte mit leckeren Orten:mundraub.org

Link: urbanacker.net, gruenewelle.org Tipp: Eine Parzelle in Kleingärtnervereinen ist schnell ergattert, kostet nicht viel und bietet die ideale Grundlage für einen Gemeinschaftsgar-ten mit Nachbarn und Freunden. Tipp: Fast Jede_r kennt einen Obstbaum auf einem öff entlichen Platz. Zusammengetragen ergibt sich eine Karte mit leckeren Orten:mundraub.org

Tipp: Frag doch mal in der Schul-Caféteria nach einem festen Tausch-Nachmittag.

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Hobbys ohne GeldKino, Shoppen und Motorradfahren sind ja nicht das Ein-zige, was man in seiner Freizeit so tun kann. Hier ein paar Freizeitaktivitäten – garantiert ressourcenleicht: zusammen Laufen gehen, einen Nähworkshop machen,

gemeinsam tischlern, mit Freunden zusammen kochen, jemandem Gitarre spielen oder trommeln beibringen, Lagerfeuer machen, Tandemfahrradtour machen, im Theater mitspielen, einen Leserbrief schreiben, eine Podiumsdiskussion an der Schule organisieren, einen Vorleseabend machen oder einen Umsonsttag machen, Singen lernen, einen Tanzkurs machen, Straßentheater spielen...

Und wer gerne mit anderen aktiv wird, dem empfehlen wir das Buch “Halbinseln gegen den Strom” von Frie-derike Habermann. Die Autorin ist durch die ganze Republik gereist und hat tolle Beispiele und Aktionen für ein anderes Leben und Wirtschaften gesammelt.

Was willst du gern mal machen / können / lernen?

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Klartext Im Klartext heißt das: Das Bruttoinlandsprodukt sagt nichts darüber, ob unsere Wirtschaft den Menschen nützt. Die begrenzten Ressourcen unseres Planeten erfordern, dass auch unser Wirtschaften diese Grenzen einhält. Mehr materieller Konsum macht keineswegs glücklicher. Auch dafür gibt es Grenzen. In vielen Ländern setzen sich Menschen für eine Wirtschaft jenseits des Wachstums ein. Soziale Bewegungen in Spanien, Frankreich und Italien fordern „Decroissance” und Forscher_innen in England, Kanada, den USA und Deutschland arbeiten an Konzepten und Plänen für eine Postwachstumsökonomie. Postwachstum, das heißt: Nicht mehr blind nach Wachstum zu streben, sondern das Wirtschaften auf den menschlichen Bedarf auszurichten. Es gibt schon jetzt eine bunte Vielfalt an Ideen und Vorschlägen von vielen verschiedenen Menschen.

Alle sind eingeladen und aufgefordert, eine Post-wachstumsgesellschaft mitzugestalten.

Es kann sich viel ändern, packen wir’s an!

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War sonst noch was? Ja!Wer tiefer einsteigen möchte, dem/der seien folgende Bücher, Blogs, Broschüren und Websites empfohlen.

• Angelika Zahrnt & Irmi Seidl (2010): Postwachstumsgesellschaft

• Annette Jensen(2011): Wir steigern das Bruttosozialglück

• BUND, Brot für die Welt & EED(2008): Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt

• Evangelischer Entwicklungsdienst(2011): Darf’s ein bißchen mehr sein?

• Friederike Habermann(2009): Halbinseln gegen den Strom

• Heinrich-Böll-Stiftung(2011): Buen Vivir – Recht auf gutes Leben• Matthias Schmelzer & Alexis Passadakis(2011): Postwachstum• Petra Pinzler(2011): Immer mehr ist nicht genug

• Tim Jackson(2009): Wohlstand ohne Wachstum

• Werner Rätz u.a.(2011): Ausgewachsen! Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben.

• Bhutan’s Bruttonationalglück: grossnationalhappiness.com

• Center for the Advancement of the Steady State Economy: steadystate.org

• Decroissance-Bewegung in Frankreich: decroissance.org

• Denkwerk Zukunft – Stiftung für kulturelle Erneuerung: denkwerkzukunft.de

• Futur Zwei – die Stiftung für Zukunftsfähigkeit: futurzwei.org

• FairBindung – Bildungsmaterialien zum Thema Wirtschaftswachstum: endlich-wachstum.de

• Happy-Planet-Index: happyplanetindex.org

• Netzwerk Wachstumswende: wachstumswende.de

• Postwachstumsgesellschaft: blog.postwachstum.de

• Postwachstumsökonomie – Ringvorlesung der Universität Oldenburg: www.postwachstumsoekonomie.org

• Solidarische Postwachstumsökonomie: postwachstum.net

• Weltbewusst – Konsumkritische Stadtführungen: weltbewusst.org

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BUND und BUNDjugendDer Bund für Umwelt und Naturschutz ist mit über 480.000 Unterstützer_innen der größte Umweltverband in Deutschland. In der BUNDjugend sind Mitglieder und Aktive unter 27 Jahren organisiert. Mit öffentlich-keitswirksamen Kampagnen, Protestaktionen und Projekten setzen wir uns für den Schutz von Natur und Umwelt ein, etwa für gentechnikfreies Essen, eine giftfreie Umwelt, für den Erhalt von Natur, für gerechte Globalisierung und für eine echte Energiewende.

BUNDjugendAm Köllnischen Park 1a10179 Berlin

Fairbindung e.V. Der Berliner Verein Fairbindung e.V. gibt mit Unterstüt-zung der BUNDjugend einen Methodenordner mit Bildungsmaterialien zu den Themen Wirtschaftswachs-tum, Grenzen, Alternativen heraus, Erscheinungstermin: Herbst 2012.

www.endlich-wachstum.de

[email protected]