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Design in seven days/FSG 29. Mai 2001 Innovative Ro/Ro-Schiffe durch intelligente Design-Prozesse Stefan Kr¨ uger, Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Flensburg 1 Ausgangssituation 1.1 Kennzeichen schiffbaulicher Projektierung Flugzeug Auto Kraftwerk Flugzeug Schiff Kraftwerk Auto Schiff Komplexität (Produkt) (Eigenschaft) Marktsituation Schiffbau: Chancen und Risiken Diskrepanz zwischen Komplexität des Produktes und Projektierungszeit ! Projektierungszeit Abbildung 1: Designmerkmale Schiffbau: Chancen und Risiken Wenn eine Werft im immer h¨ arteren globalen Wettbewerb langfristig ¨ uberleben will, dann muß sie al- le M¨ oglichkeiten aussch¨ opfen, um ihre Prozesse und Produkte langfristig zu optimieren. Wesentlicher Ausgangspunkt hierf¨ ur l¨ aßt sich unmittelbar aus den schiffbauspezifischen Designmerkmalen ableiten: Abb. 1 zeigt den (qualitativen) Vergleich des Schiffbaus mit anderen, vielleicht artverwandten Bran- chen in Bezug auf die Komplexit¨ at des Produktes (wie immer man diese messen mag, daher ist der Vergleich nur relativ) und Produktdurchlaufzeit. Dabei ist zun¨ achst bemerkenswert, daß Schiffbauer Prototypenbauer sind, die am ehesten mit dem Kraftwerks/Anlagenbau vergleichbar sind. Die anderen beiden (Automobil- und Flugzeugbauer) stellen große Serien her. ur die schiffbauliche Projektierung steht nun eine extrem kurzer Zeitraum zur Verf¨ ugung: Typi- scherweise wird das Schiff ca. 16-18 Monate nach Aufttragseingang bereits abgeliefert. Der Funktions- nachweis des Prototypen erfolgt auf der ca. 3 Tage dauernden Probefahrt, wobei man davon ausgeht, daß alle Komponenten im Systemverbund dann auch funktionieren, denn im allgemeinen wird das Schiff ca. eine Woche nach der Probefahrt abgeliefert. Dieser Zeitraum erscheint zun¨ achst noch relativ lang, aber in Wahrheit werden ca. 70%-80% der Kosten eines Schiffes in der fr¨ uhen Projektphase festgelegt. Stefan Krueger (TKB) [email protected] 1/10

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Design in seven days/FSG 29. Mai 2001

Innovative Ro/Ro-Schiffe durch intelligente Design-Prozesse

Stefan Kruger, Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, Flensburg

1 Ausgangssituation

1.1 Kennzeichen schiffbaulicher Projektierung

Flugzeug

Auto

KraftwerkFlugzeug

Schiff

Kraftwerk

Auto

Schiff

Komplexität

(Produkt)

(Eig

ensc

haft)

Marktsituation Schiffbau: Chancen und Risiken

Diskrepanz zwischen

Komplexität des Produktesund

Projektierungszeit !

Projektierungszeit

Abbildung 1: Designmerkmale Schiffbau: Chancen und Risiken

Wenn eine Werft im immer harteren globalen Wettbewerb langfristig uberleben will, dann muß sie al-le Moglichkeiten ausschopfen, um ihre Prozesse und Produkte langfristig zu optimieren. WesentlicherAusgangspunkt hierfur laßt sich unmittelbar aus den schiffbauspezifischen Designmerkmalen ableiten:Abb. 1 zeigt den (qualitativen) Vergleich des Schiffbaus mit anderen, vielleicht artverwandten Bran-chen in Bezug auf die Komplexitat des Produktes (wie immer man diese messen mag, daher ist derVergleich nur relativ) und Produktdurchlaufzeit. Dabei ist zunachst bemerkenswert, daß SchiffbauerPrototypenbauer sind, die am ehesten mit dem Kraftwerks/Anlagenbau vergleichbar sind. Die anderenbeiden (Automobil- und Flugzeugbauer) stellen große Serien her.

Fur die schiffbauliche Projektierung steht nun eine extrem kurzer Zeitraum zur Verfugung: Typi-scherweise wird das Schiff ca. 16-18 Monate nach Aufttragseingang bereits abgeliefert. Der Funktions-nachweis des Prototypen erfolgt auf der ca. 3 Tage dauernden Probefahrt, wobei man davon ausgeht,daß alle Komponenten im Systemverbund dann auch funktionieren, denn im allgemeinen wird das Schiffca. eine Woche nach der Probefahrt abgeliefert. Dieser Zeitraum erscheint zunachst noch relativ lang,aber in Wahrheit werden ca. 70%-80% der Kosten eines Schiffes in der fruhen Projektphase festgelegt.

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Nachfolgebauten !

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gefestgelegte Kosten

aufgelaufene Kosten(Einzelbau)

aufgelaufene Kosten (Serienlänge 6)

Kosten in % Die Bedeutung von D7D am Beispiel UND-Ro/Ro

in den ersten 4 Wochen bereitsfestgelegt, auch für die 5

ca. 70% der Gesamtkosten werden

Abbildung 2: Vergleich zwischen aufgelaufenen und durch den Entwurf beeinflußten Kosten einer Serievon Ro/Ro-Schiffen

Dieser Zusammenhang ist in Abb. 2 anhand unserer UND-Ro/Ro-Schiffe dargestellt: Von der erstenKundenanfrage bis zum Vertragsabschluß vergingen vier Wochen, in dieser Zeit wurden bereits durchden Entwurf etwa 70% der Gesamtkosten festgelegt, ohnen daß in dieser Phase selbst signifikante Ko-sten entstehen. Der Gradient festgelegte Kosten/Zeit ist also extrem steil, wohingegen der Gradientaufgelaufene Kosten/Zeit extrem flach ist. Diese Zusammenhange wurden fur das erste Schiff der Seriedargestellt. Da es in der Folge zu funf Nachbauten kam, ist der Anfangsgradient noch um den Faktor 6steiler. Weil in Zukunft langere Serien nur noch selten vermarktet werden konnen und gleichzeitig dieProduktivitat weiter zunimmt, muß man damit rechnen, daß die fruhe Produktentwicklungsphase nochweiter zusammenschrumpft. Daher gilt im Schiffbau:

Es fressen nicht die Großen die Kleinen, sondern die Schnellen fressen die Langsamen.

1.2 Paradoxon Schiffbau

Eigentlich muß man erwarten, daß in einer Branche, die durch die Beherrschung komplexer Produkte beiextrem kurzen Durchlaufzeiten gekennzeichnet ist, besonderes Gewicht auf Ingenieurleistungen gelegtwird. Gerade hier bietet nun Europa aufgrund des hohen Ausbildungsniveaus und der hervorragendenInfrastruktur von Forschungseinrichtungen aller Art eindeutig einen Standortvorteil. Daher stellt geradeder Schiffbau in Europa eine besonders zukunftsfahige Branche dar. In der Praxis stellt man aber fest,daß gerade Volkswirschaften, die nicht uber die genannten Eingangsvoraussetzungen verfugen, einenerheblichen Anteil am Weltmarkt haben.

Dieses Paradoxon liegt nun in einer speziellen Vorgehensweise der schiffbaulichen Projektierung,die sich im Laufe der Zeit aus dem permanenten Zwang ergab, Schiffe schnell mit nur unzureichenderKenntnis der physikalischen Zusammenhange projektieren zu konnen. So sind extrem leistungsfahige,empirische Regelwerke fur die Projektierung von Schiffen entstanden, die den Schiffsentwurf kochbuchar-tig so aufbereiten, daß man mit vergleichsweise geringen Systemkenntnissen immer ein (weitgehend)funktionsfahiges Schiff erhalt. So sind z.B die internationalen Sicherheitsvorschriften oder die Klasse-bauvorschriften derartige Regelwerke, die auch nicht kompetente Anbieter bei der Abarbeitung ihrerProjekte unterstutzen.

Der Wandel zur Informationsgesellschaft sorgt nun dafur, daß diese Regelwerke weltweit verteilt

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werden. Es entsteht ein permanenter Know-how Abfluß uber diese Regelwerke, vor allem dadurch,daß Ergebnisse von umfangreichen F&E-Vorhaben auch in solche einfachen Regeln gegossen werden,die dann wiederum weltweit verteilt werden. Solange das System insgesamt so bleibt, sorgen geradedie Volkswirtschaften, die sich besonders um Fortschritt bemuhen, automatisch dafur, daß auch diezuruckbleibenden Wettbewerber standig auf dem aktuellen Stand gehalten werden.

1.3 Design in seven Days - ein neuer Ansatz

Der Ausweg aus dem oben beschriebenen Dilemma ergibt sich ganz einfach aus der Uberlegung, daßdie schiffbauliche Projektierung in ihrer Leistungsfahigkeit extrem gesteigert werden kann, wenn manzwar den Projektierungsrahmen (also das Kochbuch) beibehalt, aber die Regelbasis durch direkte phy-sikalische Berechnungsverfahren ersetzt. Dies bedingt, daß Berechnungswerkzeuge extrem beschleunigtwerden mussen, um in der kurzen Projektlaufzeit noch verwertbare Ergebnisse liefern zu konnen. Setztman die Existenz derartiger Werkzeuge einmal voraus, dann ergibt sich zwangslaufig, daß Prozesse, dievorher mangels Daten sequentiell abgearbeitet werden mußten, nun nach vorne in die fruhe Projetpha-se gebracht werden konnen (simultaneous engineering). Kurz gesagt, bedeutet Design in seven Days:Wenn es gelingt, innerhalb der sprichwortlichen sieben Tage ein Schiff

• komplett im Rechner zu entwerfen,

• komplett im Rechner zu konstruieren,

• auf der virtuellen Werft zusammenzubauen,

• im Rechner auf Probefahrt zu schicken,

• auf seinem life-cycle zu begleiten ,

dann lassen sich alle technischen und wirschaftlichen Risiken vor Vertragsabschluß bewerten und manwird in einem von Prototypen dominierten Markt immer wettbewerbsfahig sein. Bei der FSG wirdan Design in Seven Days seit Jahren intensiv gearbeitet, und es konnten auf einigen Gebieten bereitssubstantielle Erfolge erzielt werden. So lautet ein Unternehmensfokus Designkompentenz, den dieFSG derzeit erfolgreich auf dem Weltmarkt vertritt. Insbesondere bei komplexen Schiffen wie Ro/Ro-Fahren halt die Werft derzeit einen erheblichen Marktanteil.

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2 Bessere Ro/Ro-Schiffe durch simultaneuous engineering

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Hydrodynamik: Antriebsleistung

ZuliefererintegrationProduktentwicklung

Strukturanalyse: Gewicht

Abbildung 3: Ro/Ro-Design durch vernetzte, mit physikalischen Methoden abgearbeitete Designpozesse

Am Beispiel einer Ro/Ro-Serie der FSG soll exemplarisch gezeigt werden, welche Verbesserungspoten-tiale gerade komplexe Schiffe haben, wenn man das Design konsequent mit wissenschaftlichen Methodenoptimiert. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, daß ein erheblicher Wettbewerbsvorteil gerade darin besteht,Prozesse fruhzeitig miteinander zu vernetzen und mehrere Ingenieursdisziplinen parallel auf ein Problemanzusetzten.

Abb. 3 zeigt als Beispiel die Vorgehensweise der FSG bei der Entwicklung der Rumpfform. Hierzusetzen wir verschiedene CFD-Solver zur Berechnung des Wellenwiderstandes ein. Durch intelligenteIntegration dieser Verfahren in die IT-Landschaft ist es nun leicht moglich, teilautomatisiert ca. 150Varianten der Rumpfform in etwa zwei Wochen zu untersuchen.

Als Ergebnis einer Berechnung erhalt man typischerweise eine Indikation, wo noch Verbesserungenmoglich sind. Bei unserem Ro/Ro-Entwurf zeigt sich ein Unterdruckgebiet im Bodenbereich, dort wurdeman die Schiffsform gerne etwas schlanker gestalten. Gleichzeitig zeigt das Beispiel, daß sich gerade andieser Stelle die Motoren- und Getriebefundamente befinden. Dieser Bereich ist von der Festigkeit her(Verformungen) typischerweise kritisch. Bevor man nun das Schiff dort schlanker macht, liefert dieparallel abgearbeitete FEM-Rechnung die Information, ob das uberhaupt noch vertretbar ist oder obdie Grenze des technisch machbaren bereits erreicht ist.

Gleichzeitig kann weiteres Verbesserungspotential erschlossen werden, wenn es gelingt, den unterder Maschine befindlichen Schmierolumlauftank so umzukonstruieren, daß ein einwandfreier Betrieb derMaschine gewahrleistet ist (dies muß mit dem Zulieferer geklart werden) und gleichzeitig Potential fureine Formanderung erschlossen wird. Das durch die Optimierung der Stahlstruktur erschlossene Ge-wichtspotential kann naturlich ebenfalls durch geringere Verdrangung in einen Geschwindigkeitsvorteilumgesetzt werden, der andersherum durch das nun geringere Gewicht der Maschinenanlage (bei gleicherGeschwindigkeit) zu weiteren Einsparungen fuhrt. Daraus folgt:

• Der eigentlich zu erzielende Vorteil (geringere Antriebsleistung) wird erst dann voll erschlossen,wenn Entwurf, Hydrodynamik, Stahlentwurf und Zulieferer gemeinsam agieren.

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• Der Wettbwerber kann erst dann den vollen Vorteil erzielen, wenn er auf allen Gebieten gleich-zeitig uber die notige Kompetenz verfugt, anderenfalls werden seine Ressourcen zersplittert under muß ein hohes technisches Risiko in Kauf nehmen.

• Dies zeigt sich zahlenmaßig im Vergleich des FSG-Schiffes mit seinem direkten Wettbewerber: DasFSG-Schiff erzielt eine Dienstgeschwindigkeit von 21.6 kn mit einer installierten Leistung von16800 kW, der Wettbewerber erreicht 21.1 kn mit einer Leistung von 21600 kW. Gleichzeitigist das Light Ship Weight des FSG-Schiffes um ca. 1800 t geringer.

3 Bessere Ro/Ro-Schiffe durch intelligentere Prozesse

Maschinenbau

Methodenplanung

HydrodynamikStahlstruktur

Montage

Entwurf

Simulationsmodell des Maschinenbaukonstrukteurs

Abbildung 4: Beispiel fur Prozeßredesign durch Einsatz von Simulationswerkzeugen

Am Beispiel der Schwingungsberechnung fur die Wellenleitung (vgl. Prozeßmodell in Abb. 4) sollgezeigt werden, daß sich wesentliche Vorteile auch durch Neuordnen der Prozeßlandschaft ergeben,wenn zur Produktoptimierung wissenschaftliche Verfahren eingesetzt werden. Fast immer bedeutetdas, Prozesse, die fruher mangels Daten sequentiell abgearbeitet werden mußten, nun durch geschickteProzeßmodellierung nach vorne in die fruhe Projektphase zu holen.

Im vorliegenden Fall scheint das Ausgangsproblem zunachst einfach zu sein: Der Maschinenbaumochte die Wellenleitung auf Biegeeigenfrequenzen uberprufen und setzt dazu ein direktes Berech-nungsverfahren ein. Die seitens des Maschinenbaus notwendigen Daten (Massen, Steifigkeiten etc.)liegen dort typischerweise recht schnell vor. Da die Wellenleitung uber die Brackets am Schiff angebun-den ist, benotigt der Maschinenbau die Anschlußsteifigkeiten aus dem Stahlschiffbau. Dazu wird dasdort erstellte FE-Modell benotigt. Gleichzeitig benotigt der Maschinenbau die Propellerbelastungen,die der Hydrodynamiker liefern muß. Naturlich sollen diese auch moglichst gering und gleichmaßig sein.Da man die Wellenleitung moglichst wenig kuppeln will und keinen zweiten Wellenbock haben mochte,um die Propellerzustromung moglicht gunstig zu gestalten (dies bewirkt nun wieder geringe Propeller-lasten), muß man sich auch Gedanken daruber machen, wie man die evtl. sehr lange Wellenleitung nochmontieren kann, ohne zu viel Platz auf dem Helgen zu verschenken. Unter Umstanden muß man dasSchiff namlich hoher auf den Helgen legen und lauft dann Gefahr, einen Vormontageplatz zu verlieren.Daraus ergibt sich:

• Die Beschleunigung des maschinenbaulichen Prozesses erzwingt die gleichzeitige Beschleunigung

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von Stahlschiffbau, Hydrodynamik und Methodenplanung, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

• Die miteinander ausgetauschte Informtation ist auf einem deutlich hoheren Niveau, weil bereitsein hoherwertigeres Verfahren (in diesem Fall die Eigenfrequenzberechnung) an anderen Stellenebenfalls hoherwertigere Verfahren erzwingt, die alle gemeinsam in der kurzen, zur Verfugungstehenden Zeit zu einem (optimalen) Ergebnis kommen mussen.

• Als Ergebnis der Optimierung ergab sich eine Wellenleitung, die sicher ist gegen Biegeeigenreso-nanz, keinen zweiten Wellenbock benotigt, nur 5% Zusatzwiderstand produziert und propellerer-regte Druckschwankungen von nur 1.5 kPa zur Folge hat. Diese Werte werden bei Ro/Ro-Schiffenderzeit von keinem Wettbewerber erreicht. Zusatzlich muß man bedenken, daß geringe Erregun-gen (Druckimpulse und Schwingungen) Einsparungen bei der Isolierung bedeuten, was zusatzlicherheblich Gewicht spart.

4 Bessere Ro/Ro-Schiffe durch Einbindung von Zulieferen

4.1 Die Bedeutung der Zulieferer im Schiffbau

Abbildung 5: Kostenstruktur des ersten links und sechsten (unten) Schiffes einer Ro/Ro-Serie aus sechsSchiffen

Zunachst ist es wichtig, die Bedeutung der Zulieferer bei komplexen Schiffstypen herauszustellen. Da dieWerft sich im wesentlichen auf zwei Kernkompetenzen fokussiert, namlich Design und Stahlschiffbau, istnaturgemaß der Zuliefereranteil recht bedeutsam. Abb. 5 gibt fur unsere Ro/Ro-Schiffe beispielhaft eineKostenaufstellung eimal fur das erste Schiff der Serie (das entspricht etwa einem Individualbau) und furdas sechste Schiff (wenn alle fixen Kosten auf sechs Schiffe umgelegt werden). Dabei ist auffallig, daß dergroßte Kostenblock eindeutig das Materialpaket (=Zuliefereranteil) ist. Beim ersten Schiff betragt derMaterialanteil immerhin 62%, er steigt nach dem sechsten Schiff bis auf 70% an. Typischerweise werdendie Gesamtkosten des Materialpaketes von einigen wesentlichen Hauptkomponenten (etwa 20), densogenannten A-Teilen, zu einem sehr großen Teil festgelegt, so daß die Anzahl der relevanten Zuliefereruberschaubar ist.

Damit wird klar, daß der Rolle der Zulieferer eine wesentliche strategische Bedeutung zukommt.Es ist notwendig, das Zusammenspiel Werft-Zulieferer ein wenig zu beleuchten, da die Werft immerfur das gesamte Schiff haftet, der Zulieferer aber nur fur seine Komponente. Die Werft tragt also alsGeneralunternehmer ein erhebliches Risiko.

4.2 Probleme in der Zusammenarbeit

Am besten laßt sich die derzeitige Situation Werft-Zulieferer verdeutlichen, wenn man sich typischeGarantieclaims, wie sie bei der Werft nach Inbetriebnahme oder Erprobung des Schiffes gemeldet wer-den, auswertet. Dabei wird eutlich, daß bei der FSG fast alle der schwerwiegenderen Claims aufgrund

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von nicht ordnungsgemaß funktionierenden Zulieferteilen, die obendrein noch Serienbauteile sind, ent-stehen. Dabei ist das Schadensmuster praktisch immer gleich: Eine (moglicherweise) funktionierendeSerienkomponente funktioniert nicht in der Umgebung, in der sie funktionieren soll. Dies deutet dar-aufhin, daß man erheblich Arger und Kosten sparen wurde, wenn man den Zulieferer rechtzeitig in dieProduktentwicklung mit einbindet und wenn das Qualitatsverstandnis des Zulieferers das gleiche warewie bei der FSG.

Dem steht aber entgegen, daß es fast alle Zuliefer ablehnen, verbindliche Konstruktionsunterlagenzu liefern, nach denen man den Einbau der Komponenten planen kann, da sie sich immer konstruktiveAnderungen bis zur endgultigen Lieferung vorbehalten.

Daß das so ist, liegt einfach daran, daß die Zulieferer gegenuber den Werften eine sehr starke Positionhaben: Typischerweise kampfen etwa 10-20 Werften gleichzeitig um einen Auftrag, bei dem die Zulieferervon vorne herein schon weitgehend feststehen, eben weil der Kunde auf bestimmten Herstellern besteht.Gleichzeitig gibt es fur fast alle Hauptkomponenten deutlich weniger Zulieferer, als es Werften gibt.

Fur die Werft besteht nur die Moglichkeit, diesen Zustand zu akzeptieren oder zu versuchen, dieszu andern, wobei der angestrebte Zustand eine wirkliche Einbeziehung des Zulieferer in die Produkt-entwicklungsphase sein muß. Das Problem besteht aber darin, dem Zuliefer dies deutlich vor Augen zufuhren. Wie das mit Hilfe von D7D funktionieren kann, zeigt das folgende Beispiel.

4.3 Beispiel fur Zuliefererintegration: Propellerentwurf

4.3.1 Das FSG-Propellernetzwerk

(Versuche)

HSVA

(Analyse)

DNV

Daten (Pr.)

TechnoTrans

WPM

FSG

(Fertigung)

(Design)

(Evaluierung)

SVA

(Fertigung)

Propulsornetzwerk, Beispiel RoPax 1500

HardwareDaten (Des)

Abbildung 6: Propellernetzwerk FSG

Gerade bei Ro/Ro oder RoPax-Schiffen wird erheblicher Wert auf das Vibrations- und das Manovrier-verhalten gelegt. Fur ein gutes Design ist ein intelligenter Propellerentwurf eine wichtige Voraussetzung:Der Propeller dient nicht nur als Vortriebs-, sondern auch als Steuerorgan und bewirkt uber seine erre-genden Krafte Strukturschwingungen und Schalleinleitung. Auf der Schiffbauszene teilen sich etwa zweigroße Hersteller den Markt, daneben gibt es allerdings noch einige kleinere mit geringem Marktanteil.

Im Rahmen eines offentlich geforderten Vorhabens hat sich die FSG Know-How und Methodenerarbeitet, um Propellerentwurfe nachrechnen und bewerten zu konnen. Damit war es nun erstmaligmoglich, Propeller zwar nicht entwerfen, aber doch nachrechnen zu konnen. Im Nachgang zu diesem

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Vorhaben ist ein Propellernetzwerk entstanden, daß einen Hersteller, der nicht zu den beiden großengehort, an die Werft anbindet.

Abb. 6 zeigt die komplexen Verbindungen innerhalb dieses Netzwerkes: Der Propellervorentwurf wirdbei der FSG gemacht, die ersten Modellversuche erfolgen in der HSVA mit einem Modellpropeller ausdem Vorbau, der ebenfalls durch dieses Netzwerk entwickelt wurde. Der endgultige Propellerentwurfwird durch ein Ingenieurburo, das auf diese Fragen spezialisiert ist (TechnoTrans) durchgefuhrt unddurch die FSG kontrolliert. Die Modellpropeller werden dann durch die SVA Potsdam gefertigt undzur HSVA verbracht, wo dann die abschließenden Modellversuche laufen. Die Ergebnisse gehen dannzur Klasse (DNV), die die Lasten bewertet. Dann wird der Propeller von WPM gefertigt, auf die Werftverbracht, dort montiert und das Schiff geht auf Probefahrt.

Das Beispiel gibt weiterhin einen guten Einblick in die Komplexitat von parallel an verschiedenenOrten durchgefuhrten Designprozessen. Es hat sich gezeigt, daß die so entstandenen Propeller sichdurch sehr hohe Wirkungsgrade bei extrem geringen Druckamplituden auszeichnen.

Eine Bestatigung der Leistungsfahigkeit des oben geschilderten Netzwerkes ergab sich bei unseremRoPax 1500, als die Festlegung des endgltigen Propellerlieferanten aufgrund eines Wettrennens erfolgensollte, der technisch bessere sollte dann den Zuschlag erhalten. Nachdem jeweils beide Entwurfe vorlagen,zeigte sich folgendes:

Propeller Nr. 8087/8088, Design: WPM/Technotrans

Propeller Nr. 8087/8088, Design: ???

Vergleich Auslegungspunkt (stationär):

J=0.961

J=0.963

Eta0= 0.733, berechnet 0.737

Eta0= 0.710, berechnet 0.716

17181kW

16593kW

Abbildung 7: Performance-Vergleich zweier Propellerentwurfe bezuglich der Antriebsleistung. Unten:Propellerentwurf durch Netzwerk.

Der Propeller, der im Netzwerkverbund entworfen wurde, zeigte einen deutlich besseren Wirkungs-grad. Abb. 7 zeigt die beide Propeller mit dem System der freien Wirbel des Aufpunktflugels. Deutlicherkennt man beim oberen, daß die freien Wirbel stark deformiert sind, was auf die schlechte Zirklua-tionsverteilung auf dem Blatt zuruckzufuhren ist. Der Unterschied in der Leistungsaufnahme liegt bei600 kW, was fur zwei unterschiedliche Propeller sehr viel ist. Entscheidend war, daß mit dem besseren

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Propeller der Bauvertrag erfullt werden konnte, mit dem schlechteren jedoch nicht.

Genau so wesentlich wie die Antriebsleistung ist das Niveau der Druckamplituden, denn darauskonnen sich immense Mehrkosten durch zusatzliche Isolierungsmaßnahmen ergeben. Daher wurdenfur beide Propeller ebenfalls die Druckamplituden unter Kavitionsbedingungen (numerischer Kavita-tionsversuch) mit direkten Berechnungen ermittelt. Abb. 8 zeigt den Vergleich der beiden Propellermiteinander sowie den Vergleich mit den Versuchsergebnissen der HSVA. Man erkennt, daß der Pro-peller mit der hoheren Antriebsleistung geringere Kavitationsausdehnungen hat, aber die auf das Schiffwirkenden Druckamplituden dieses Propellers sind deulich großer (2.2 kPa gegen 1.3 kPa), weil schonder nicht kavitierende Propeller ein deutlich hoheres Druckniveau hat, eben aufgrund der schlechtenZirkulationsverteilung. Mit Hilfe des Propellernetzwerkes unter enger Anbindung von Zulieferern ist esalso gelungen, einen etablierten Hersteller in beiden Hauptkriterien des Entwurfes deutlich zu schlagen.

Rechnung VLMRechnung VLM

Rechnung VLM Rechnung VLM

Propeller 8075/8076Propeller 8073/8074

160 Gradσ=0.2648400 kW

180 Gradσ=0.2648400 kW

200 Gradσ=0.2648400 kW

115 U/min

115 U/min

115 U/minHYKAT HSVA

HYKAT HSVA

HYKAT HSVA

HYKAT HSVA

HYKAT HSVA HYKAT HSVA

Rechnung VLM Rechnung VLM

Abbildung 8: Performance-Vergleich zweier Propellerentwurfe bezuglich der Druckschwankungen

5 Infrastrukturelle Voraussetzungen fur eine intelligente Pro-duktentwicklung

Aus den bisherigen Ausfuhrungen ergibt sich, daß zwei Elemente von strategischer Bedeutung sind, umim Schiffbau langfristig die Nase vorn zu haben:

• Kompetenzaufbau innerhalb des Unternehmens statt Outsourcing

• Vernetzung der Kompetenz zu leistungsfahigen Prozessen

Dabei ist implizit gesagt, daß Kompetenzaufbau nur durch konsequentes Engegement in Forschungund Entwicklung vonstatten gehen kann. Die FSG setzt daher konsequent ca. 10% des eigenenWertschopfungsanteils fur Forschung und Entwicklung ein und wird dabei wesentlich vom BMBF aufnationaler Ebene sowie von der EU unterstutzt.

Wenn es darum geht, schnelle und zuverlassige Entwurfsmethoden zu entwickeln, die eben nichtmehr auf der Erfahrung bisherigen Wissens, sondern auf dem direkten Losen physikalischer Problemeberuhen, dann muß man folgende Randbedingungen dabei berucksichtigen:

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• Forschung und Entwicklung wirkt sich nur dann positiv im Wettbewerb aus, wenn es gelingt, dieErgebnisse von F&E auch praktisch umzusetzen. Dies kann nur durch die Anwender (also dieWerften) geschehen, denn sie allein haben die notige Detailkenntnis uber die Kundenwunsche,Prozesse und Produktionsmoglichkeiten. Dies bedingt gleichzeitig, daß die Werften sich in F&E-Fragen die Dialogfahigkeit erhalten mussen, was bei der FSG einen permanten Know-How-Aufbauin dieser Richtung bedeutet.

• Die heutigen Aufgaben im Projektalltag sind sehr komplex und miteinander venetzt. Dies findetsich in den Anforderungen an die Forscher wieder: Da sich unsere Probleme heute nur noch imForschungsverbund losen lassen, ergibt sich immer folgende Struktur von Vorhaben:

– Vorhaben sind typischerweise Verbundvorhaben, d.h. es arbeiten mehrere, hochspeziali-sierte Forscher an einem Themenkomplex in einem Netzwerk zusammen. Information wirddabei mehr und mehr uber das Internet erarbeitet und verteilt.

– Als Ergebnis dieser Vorhaben entstehen hochspezialisierte, heterogene Softwarebausteine zurLosung spezieller Probleme. Die Werften haben nun die Aufgabe, diese komplexen Software-bausteine an die Losung ihrer Designprobleme anzupassen, die Anwendung zu automatisierenund sie gewinnbringend einzusetzen.

Daraus ergibt sich fur die FSG folgender strategischer Ansatz: Einmal ein leistungsfahiges, interna-tional arbeitendes Forschungsnetzwerk aufrecht zu erhalten, das der Werft standig Softwarebausteine aufdem neusten wissenschaftlichen Stand sowie das notige Grundlagenwissen zufuhrt. Und zum anderendie Aufgabe, ein leistungsfahiges IT-Konzept zu unterhalten, das es im Gegensatz zu den kommerziellerhaltlichen Losungen gestattet, auf einfache Weise diese heterogenen und hochspezialisierten Codes sozu integrieren, daß sie schnell und gewinnbringend in der Produktentwicklung eingesetzt werden konnen.Insbesondere bei technisch anspruchsvollen Schiffen - wie RoRo- und RoPax-Schiffe - kann hierdurchein erhebliches Marktpotential erschlossen werden.

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