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Leseprobe Teresa von Avila, »Was lieben heißt« Gedanken für ein gutes Leben © Insel Verlag insel taschenbuch 4357 978-3-458-36057-5 Insel Verlag

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Leseprobe

Teresa von Avila,

»Was lieben heißt«

Gedanken für ein gutes Leben

© Insel Verlag

insel taschenbuch 4357

978-3-458-36057-5

Insel Verlag

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Teresa von Ávilas Schriften sind überraschend modern. Nicht nur,was siesagt, sondern auch, wie sie es sagt. Sie schrieb spontan, ungekünstelt undnur über Dinge, die sie aus eigener Erfahrung kannte: über Alltagssorgen,zwischenmenschliche Probleme und über die Bewältigung geschäftlicherUnternehmungen. Ihre Schriften sprühen vor geistreichen Ausdrücken,Scherzen, humorvollen Anspielungen, kleinen boshaften Bemerkungen,eindringlichen Sprachbildern und sehr menschlichen Beobachtungenund Ratschlägen. Ihre wichtigste Botschaft aber – vor allem an Frauen –ist, sich selbst kennenzulernen, ein selbstbestimmtes und aktives Leben zuführen und die Spiritualität im Alltag zu leben – und so bedeutet Liebeauch, achtsam mit sich selbst zu sein.

Alois Prinz hat aus dem umfangreichen Werk Teresa von Ávilas all dieGedanken ausgewählt, die uns auch heute noch als Wegweiser für ein er-fülltes und zufriedenes Leben dienen können.

Teresa von Ávila, geboren am 28. März 1515 in Ávila, wird in der katho-lischen Kirche als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. In der anglika-nischen und evangelischen Kirche erinnern Gedenktage an sie. Sie giltals größte Mystikerin des Christentums und begründete den bekanntes-ten Nonnenorden der Karmeliten, die Unbeschuhten Karmelitinnen. Siestarb am 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes.

Alois Prinz, 1958 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Philoso-phie in München und lebt heute mit seiner Familie in Kirchheim beiMünchen. Er veröffentlichte mehrere erfolgreiche Biographien,u. a. überGeorg Forster, Hermann Hesse,Ulrike Marie Meinhof, Franz Kafka undJesus. Seine Hannah-Arendt-Biographie war monatelang auf den deut-schen Bestsellerlisten. Er wurde für seine Bücher u. a. mit dem DeutschenJugendliteraturpreis und dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet.Zuletzt erschien im Insel Verlag seine Biographie der Teresa von Ávila(2014).

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insel taschenbuch 4357Teresa von ÁvilaWas lieben heißt

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TERESA VON ÁVILA

»Was lieben heißt«Gedanken für ein gutes LebenHerausgegeben von Alois Prinz

Insel Verlag

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insel taschenbuch 4357Originalausgabe© Insel Verlag Berlin 2015Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichenVortrags sowie der Übertragung durch Rundfunkund Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluss des BandesVertrieb durch den Suhrkamp Taschenbuch VerlagUmschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, MünchenUmschlagabbildung: Ajuga/GettyImagesSatz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, WaldbüttelbrunnDruck: CPI – Ebner & Spiegel, UlmPrinted in GermanyISBN 978-3-458-36057-5

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Inhalt

Einführung9

Die Frau in Familie, Kirche und Gesellschaft15

Über das Verlangen nach Prestige, Ehre, Besitz etc.22

Tugenden des Alltags29

Über wahre und falsche Demut47

Was lieben heißt54

Kontemplation, inneres Beten,mystische Erfahrungen

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Teresa in ihren Briefen83

Editorische Anmerkung107

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Einführung

»Eine große, eine einmalige und doch so menschlicheund anziehende Persönlichkeit« nannte Papst Paul VI.sie, als er ihr 1970 als erster Frau den Titel »Lehrerinder Kirche« verlieh: Teresa von Ávila. Eine Auswahl ihrerSchriften, die heute zur Weltliteratur zählen, ist in die-sem Band zusammengestellt. Diese Texte sind Zeugnissedes Lebens einer Frau, die nicht nur als größte Mystike-rin des Christentums gilt, sondern bis heute mit ihrer Bo-denständigkeit, ihrer Menschlichkeit und ihrer großenTatkraft beeindruckt.Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada, wie Teresa vonÁvila mit vollem bürgerlichem Namen hieß, entstammteiner Familie, deren Vorfahren im Spanien des 15. Jahr-hunderts vom jüdischen zum christlichen Glauben kon-vertieren mussten. Mit dem Makel, eine »Conversa« zusein, war Teresa ihr Leben lang den Vorurteilen unddem Argwohn einer Gesellschaft ausgesetzt, für die »Eh-re« und Ansehen untrennbar verbunden waren mit ei-ner christlich-katholischen Herkunft. Teresa, die am18. März 1515 geboren wurde und früh ihre Mutter ver-lor, war ein sehr hübsches und lebenslustiges Mädchen,das sich dagegen sträubte, verheiratet zu werden. Für un-verheiratete Frauen blieb zur damaligen Zeit nur der Wegins Kloster. Das Kloster der Menschwerdung in Ávila, indas Teresa mit zwanzig Jahren eintrat, glich mehr einemMädchenpensionat, in dem zweitweise bis zu zweihun-

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dert Schwestern untergebracht waren. Teresa musste sichzu diesem Schritt zwingen. Zu einem geistlichen Lebenfühlte sie sich nicht berufen, die Frömmigkeit ihrer Mit-schwestern blieb ihr fremd. Was sie selber wollte, dasswusste sie allerdings auch nicht zu sagen. Es war wohlauch diese innere Zerrissenheit, die Teresa krank werdenließ, so krank, dass man schon mit ihrem Ende rech-nete.Von einer todähnlichen Lähmung erholte sie sich nurlangsam, und es dauerte Jahre, bis sie erkannte, wohinsie ein innerer »Lockruf« zog. Angeregt durch Bücher spi-ritueller Autoren, entdeckte Teresa das »innere Beten«.Diese Form der Einkehr bedeutete für sie zunächst, sichihrer Eigenheit bewusst zu werden. Was von ihr verlangtwurde, war nicht weniger, als sich nicht mehr »zu verhal-ten wie die vielen«. Vorgeschriebene Gebetstexte nach-zuplappern, erschien ihr sinnlos. Und Gott erlebte sienicht mehr als einen fernen Herrscher, den wir, wie sieeinmal sagt, im Himmel suchen müssen, sondern alseinen Freund, der »in unserem eigenen Haus« wohntund mit dem sie völlig unbefangen reden konnte.Dieser persönliche Umgang mit Gott war im Spanien des16. Jahrhunderts eine gefährliche Angelegenheit. DieHeilige Inquisition wachte über die Einhaltung des rech-ten Glaubens. Wer behauptete, Gott im eigenen Innernzu erfahren, der entzog sich der Kontrolle, der kam viel-leicht sogar auf den Gedanken, dass man keine Dogmen,keine Kirche brauche. Obwohl Teresa gegenüber ihren Er-fahrungen und Visionen höchst skeptisch war und ihre

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Berater glaubten, dass sie vom Teufel besessen sei, hieltsie am inneren Beten fest. Sie, die im Grunde ein sehrängstlicher Mensch war, wurde von einem unerschütter-lichen Vertrauen erfüllt und gewann eine Stärke, die sieauch große Widerstände überwinden half. Ein Skandalwar es, als sie beschloss, in Ávila ein eigenes Kloster zugründen und den Karmelorden, dem sie angehörte, aufseine ursprünglichen Ideen zurückzuführen. Von den Be-wohnern Ávilas wurden sie und ihre Mitschwestern mitSteinen beworfen.Teresa ließ sich nicht beirren und gründete weitere Klös-ter in ganz Spanien. Diese Klöster waren nicht nur Orteder inneren Einkehr, sondern Schutzräume, in denenFrauen in einer von Männern dominierten Gesellschaftnach ihren Vorstellungen leben sollten. Teresa forderte ih-re Mitschwestern dazu auf, sich keine Angst einjagen zulassen, sich nicht einschüchtern zu lassen von den Vorstel-lungen, was Frauen zu tun und zu lassen haben. Sie soll-ten zeigen »was in ihnen steckt«, damit sie die »Männer inErstaunen versetzen«.Teresa ging mit gutem Beispiel voran. Obwohl geistlicheSchriften in der Volkssprache verboten waren und siemehrfach ins Visier der Inquisition geriet, verfasste sie ih-re eigene Lebensgeschichte und beschrieb in mehrerenBüchern ihre inneren Erfahrungen und ihre teilweiseabenteuerlichen Reisen. Teresa hatte nie eine gründlicheSchulbildung erfahren. Alles was sie wusste, hatte sie sichselbst angeeignet und in Gesprächen mit Gelehrten ver-festigt. Nie redete sie über Dinge, die sie nicht durch ei-

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gene Erfahrungen verbürgen konnte. Ihre Sprache ist ein-fach, verständlich und mitreißend. Immer kreisen ihreGedanken um ein Menschenbild, das nur vollständigist, wenn es zwei Seiten zusammenbringt: Denn jederMensch ist für Teresa ein Wohnsitz des Göttlichen. An-dererseits sind wir keine »Engel«, sind in Irrtümernund Eitelkeiten verfangen und von Krankheit und Todbedroht. Wir sind von der Sehnsucht erfüllt, über unsereGrenzen hinauszugehen, und gleichzeitig warnt Teresavor einer zu starken Sehnsucht, die uns vom Leben ent-fernt und uns von den Aufgaben in der Welt abhält. Dem-entsprechend war für Teresa der Glaube an Gott wertlos,wenn er nicht zu Taten führte. Im aktiven Leben solltesich die innere Begegnung mit einem liebenden Gott ent-falten. Sie selbst war eine große Mystikerin, eine leiden-schaftlich Liebende und eine tatkräftige und lebensklugeFrau, die stolz war auf ihren Geschäftssinn und ihr Ver-handlungsgeschick. Vor allem in ihren Briefen, die indie Tausende gehen,wird deutlich, mit welcher Klugheit,welchem Humor und mit wie viel diplomatischem Ge-schick sie ihre vielen Aufgaben bewältigte und wie esihr gelang, mit der richtigen Mischung aus Liebe und Au-torität ihre vielen Kontakte und Freundschaften zu pfle-gen. Diese Briefe haben ihren eigenen Hintergrund undihren eigenen »Ton«. Ich habe deshalb eine Auswahl die-ser Korrespondenz in einem gesonderten Kapitel zusam-mengestellt.Noch in den letzten Tagen ihres Lebens schrieb TeresaBriefe. Da war sie immer noch auf Reisen, aber schon

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von Krankheit und Erschöpfung gezeichnet. Sich zur Ru-he zu setzen kam für sie nicht infrage. Ihre Pläne gingenweit in die Zukunft. Wir sollten uns, so meinte sie einmal,»nicht danach sehnen, unsere Ruhe zu haben«. Und im-mer noch konnte sie sich aufregen über Menschen, deren»Tage so ruhig dahinplätschern mit gutem Essen, Schla-fen und der Suche nach Erholung und allen möglichenAbwechslungen«. Als sie am 4. Oktober 1582 starb, ende-te ein Leben, das bestimmt war von Mediation und un-ermüdlicher Wirksamkeit.Teresa von Ávila, die es sich zu Lebzeiten verbat, heiliggenannt zu werden, wurde 1622 heiliggesprochen. Nachihrem Tod wurden viele ihrer Reformen wieder rückgän-gig gemacht und ihr Bild wurde verzerrt, weil vieles, wassie gemacht, gesagt und geschrieben hat, nicht zu denVorstellungen passte, die man von einer Heiligen hatte.Erst eine moderne Geschichtsforschung und Textkritikmachten es möglich, diese Verfälschungen zu korrigierenund die ursprüngliche Form ihrer Werke und Briefe wie-derherzustellen. In diesen Texten werden auch heute diePersönlichkeit Teresas und ihr Geist wieder lebendig. Da-zu soll auch diese Auswahl beitragen.

Anm.: Die nach dem Reformideal Teresa von Ávilas lebenden Frauen

und Männer nannten sich auch Unbeschuhte Karmelitinnen oder Kar-

meliten, weil sie als Ausdruck ihrer Armut entweder barfuß gingen oder

einfache Hanfsandalen trugen.

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»Ich werde nichts sagen, was ich nicht vielfach selbererfahren hätte.« (BmL, 18,8; S. 267)

»Wenn ihr finden solltet, dass dies nicht wahr ist, dannglaubt mir überhaupt nichts mehr von all dem, was ich

euch sage.« (WdV, 40,6; S. 218)

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Die Frau in Familie, Kirche und Gesellschaft

»Entweder sie haben diesen Lebensstand [ein Leben imKloster, A.P.] nicht allein seinetwegen gewählt oder abersie erkennen, nachdem sie ihn gewählt haben, die großeGunst nicht, die der Herr ihnen erwiesen hat, indem ersie für sich auserwählt und davon befreit hat, einemMann unterworfen zu sein, der ihnen oftmals ihr Lebenruiniert und, gebe Gott, nicht auch ihre Seele.« (BdG,31,46; S. 457)

»O mein Gott! Wie ganz anders werden wir diese Unwis-senheit an dem Tag einordnen, an dem man die Wahrheitaller Dinge erkennen wird, und wie viele Väter werdensich in die Hölle hinabfahren sehen, weil sie Söhne hat-ten, und wie viele Mütter werden sich dank ihrer Töchterim Himmel einfinden!« (BdG, 20,3; S. 279f.)

Teresa über ein junges Mädchen, das in eines ihrer Klösteraufgenommen werden wollte:»Die hatte keine Neigung zu heiraten, da es ihr ernied-rigend vorkam, jemandem unterstellt zu sein, verstandaber nicht, wo dieser Hochmut herrührte. Aber der Herrverstand, auf welchem Weg er ihr weiterhelfen müsste.«(BdG, 22,5; S. 298f.)

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Zum selben Fall:»Immer wieder ging sie in einen Hof, machte sich das Ge-sicht nass und setzte sich der Sonne aus, damit man siewegen ihres hässlichen Aussehens mit Heiratsanträgenin Ruhe ließe, mit denen man sie immer noch belästigte.«(BdG, 22,10; S. 302)

Teresa über sich in der dritten Person:»Auf der anderen Seite würde sie sich am liebsten mittenin die Welt hineinstürzen, um zu sehen, ob sie mithelfenkönnte, damit auch nur eine Seele Gott mehr lobte. Undwenn es eine Frau ist, reibt sie sich wund an der Fessel, dieihr ihre Natur auferlegt, da sie das nicht tun kann, und istneidisch auf diejenigen, die die Freiheit haben […].«(WiB, VI, 6,3; S. 270)

»Du, Herr meiner Seele, dir hat vor den Frauen nicht ge-graut, als du durch diese Welt zogst, im Gegenteil, duhast sie immer mit großem Mitgefühl bevorzugt und hastbei ihnen genauso viel Liebe und mehr Glauben gefun-den als bei den Männern, […]. Reicht es denn nicht,Herr, dass die Welt uns einpfercht und für unfähig hält,in der Öffentlichkeit auch nur irgendetwas für dich zutun, was etwas wert wäre, oder es nur zu wagen, ein paarWahrheiten auszusprechen, über die wir im Verborgenenweinen, als dass du eine so gerechte Bitte von uns nichterhörtest? Das glaube ich nicht, Herr, bei deiner Güte

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und Gerechtigkeit, denn du bist ein gerechter Richter,und nicht wie die Richter dieser Welt, für die, da sie Söh-ne Adams und schließlich lauter Männer sind, es keineTugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig hal-ten.« (WdV, 4,1; S. 90)

»Man kann diesen Söhnen Adams nicht trauen.« (B3,Nr. 311; S. 63)

»Die Diener Gottes [ihre Beichtväter und Berater, A. P.],die sich nicht zufriedengaben, sprachen häufig mit mir.Da ich unbedacht einige Dinge sagte, die sie ganz andersauffassten […], kam ihnen das, was ich ohne achtzuge-ben sagte, als wenig Demut vor. Sobald sie nur einen Feh-ler an mir wahrnahmen – und sie sahen viele –, wurdegleich alles verurteilt. Sie stellten mir immer wieder Fra-gen, auf die ich arglos und unbedacht antwortete. Gleichglaubten sie, ich wolle sie belehren und würde mich fürgescheit halten.« (BmL, 28,17; S. 413f.)

»Denkt auch an viele verheiratete Frauen (ich weiß, dasses sie gibt) und vornehme Personen, die trotz großer Be-schwerden und schwerer Nöte sich nicht zu jammerntrauen, um ihre Männer nicht zu verärgern. Oh, ich Sün-derin! Wirklich, wir sind doch nicht hierhergekommen,um mehr verwöhnt zu werden als sie? Ihr, die ihr von den

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großen Nöten der Welt verschont bleibt, lernt, aus Liebezu Gott wenigstens ein bisschen zu leiden, ohne es gleichan die große Glocke zu hängen. Da ist eine Frau unglück-lich verheiratet, und weil ihr Mann nicht erfahren darf,was sie darüber sagt und klagt, steht sie schweres Un-glück und große Nöte durch, ohne bei jemandem ihrHerz auszuschütten.« (WdV, 16,3; S. 137)

Teresa forderte Frauen auf, sich von den Vorurteilen derZeit nicht einschüchtern zu lassen und am »inneren Be-ten« festzuhalten, also einen eigenen persönlichen Glau-bensweg zu gehen:»[…] dass viel, ja alles an einer großen und ganz ent-schlossenen Entschlossenheit gelegen ist, um nicht auf-zuhören, bis man zur Quelle vorstößt, komme, was dakommen mag, passiere, was passieren mag, sei die Müheso groß, wie sie sein mag, lästere, wer da lästern mag, magich dort ankommen, mag ich unterwegs sterben odernicht beherzt genug sein für die Mühen, die es aufdem Weg gibt, ja mag die Welt untergehen; wie so oft,wenn es heißt: ›Da drohen Gefahren‹, ›Lieschen Müllerist auf diesem Weg ins Verderben gestürzt‹, ›Hinz ist einerTäuschung verfallen‹, […] ›Das ist nichts für Frauen,denn da kommen ihnen Illusionen‹, ›die soll lieber spin-nen‹ […].« (WdV, 35,2; S. 199)

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Teresa ging in ihren Briefen oft zum Schein auf die frau-enfeindlichen Vorurteile von Männern ein, um ihnen ineinem Nachsatz doch zu widersprechen, wie in einem Briefan ihren Ordensoberen:»[…] und auch wenn Frauen zum Ratgebern nicht tau-gen, treffen wir ab und zu doch das Richtige.« (B1,Nr. 102, S. 380)

»Ich habe schmunzeln müssen, als Euer Ehrwürden sag-ten, Sie würden sie [die Frauen, A.P.] auf den ersten Blickdurchschauen. So leicht sind wir Frauen nicht zu durch-schauen!« (B1, Nr. 135, S. 525)

Teresa über den Grafen von Uceda, dessen Frau verstorbenwar:»Vielleicht besteht sein Heil darin, nicht verheiratet zusein.« (B2, Nr. 236, S. 333)

»Mein Herr, wieso trägst Du mir Sachen auf, die un-durchführbar zu sein scheinen? Denn ich mag zwar eineFrau sein, aber wenn ich wenigstens Freiheit hätte …!«(BmL, 33,11; S. 494)

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»Im Übrigen reicht es schon, Frau zu sein, dass mir dieFlügel herunterfallen, um wie viel mehr noch Frau underbärmlich.« (BmL, 10,8; S. 179)

»Was für eine Souveränität besitzt eine Seele, die der Herrhierher geleitet, denn sie schaut sich alles an, ohne darinverstrickt zu sein! Wie beschämt ist sie über die Zeit, wosie es war! Wie entsetzt über die Blindheit! Wie bedrücktwegen denen, die noch darin stecken […]! Sie würde amliebsten laut aufschreien, um ihnen zu verstehen zu ge-ben, in welcher Täuschung sie stecken, und das tut siesogar manchmal, doch dann hagelt es tausend Angriffeauf ihren Kopf herab. Man hält sie für wenig demütig,für eine, die die belehren möchte, von denen sie noch et-was lernen könnte, vor allem, wenn es eine Frau ist.«(BmL, 20,25; S. 305)

»O Größe Gottes! Wie zeigt sich deine Macht darin,einer Ameise Kühnheit einzuflößen!« (BdG, 2,7; S. 107)

»Denn da wir Frauen nicht studiert sind und keinen sosubtilen Geist haben [Teresa greift hier ironisch die Vor-urteile ihrer männlichen Umwelt auf, A.P.], ist das allesvonnöten, damit wir in Wahrheit einsehen, dass es in unsnoch etwas unvergleichlich Kostbareres gibt als das, waswir von außen sehen. Stellen wir uns doch nicht vor, wirseien innen hohl […]. (WdV, 48,2; S. 241)

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