Institut für Werkstofftechnik Metallische Werkstoffe · den deshalb wichtige Forschungsarbeiten...

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Institut für Werkstofftechnik Metallische Werkstoffe Forschungsberichte aus dem der Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes Analyse oberflächennaher Eigenspannungszustände mittels komplementärer Beugungsverfahren Band 11 Thorsten Manns

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Forschungsberichteaus dem

der

Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes

Analyse oberflächennaher Eigenspannungszustände mittels komplementärer Beugungsverfahren

Band 11 Thorsten Manns

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ISBN 978-3-86219-042-3

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Forschungsberichte aus dem

Institut für Werkstofftechnik Metallische Werkstoffe

der

Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes

Band 11

Thorsten Manns

Analyse oberflächennaher Eigenspannungszustände mittels komplementärer Beugungsverfahren

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Forschungsberichte aus dem Institut für Werkstofftechnik - Metallische Werkstoffe der Universität Kassel Band 11

Herausgeber:

Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes Institut für Werkstofftechnik Metallische Werkstoffe Universität Kassel Mönchebergstr. 3 34109 Kassel Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Maschinenbau der Universität Kassel als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) angenommen. Erster Gutachter: Prof. Dr.-Ing. habil. Berthold Scholtes, Universität Kassel Zweiter Gutachter: Prof. Dr. rer. nat. Christoph Genzel, TU Berlin Tag der mündlichen Prüfung: 29. Oktober 2010 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar Zugl.: Kassel, Univ., Diss. 2010 ISBN print: 978-3-86219-042-3 ISBN online: 978-3-86219-043-0 URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0002-30431 © 2011, kassel university press GmbH, Kassel www.upress.uni-kassel.de Printed in Germany

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Vorwort des Herausgebers

Bei einer zunehmenden Verbreitung elektronischer Medien kommt dem gedruckten Fachbericht auch weiterhin eine große Bedeutung zu. In der vorliegenden Reihe wer-den deshalb wichtige Forschungsarbeiten präsentiert, die am Institut für Werkstoff-technik – Metallische Werkstoffe der Universität Kassel gewonnen wurden. Das Insti-tut kommt damit auch – neben der Publikationstätigkeit in Fachzeitschriften – seiner Verpflichtung nach, über seine Forschungsaktivitäten Rechenschaft abzulegen und die Resultate der interessierten Öffentlichkeit kenntlich und nutzbar zu machen.

Allen Institutionen, die durch Sach- und Personalmittel die durchgeführten For-schungsarbeiten unterstützen, sei an dieser Stelle verbindlich gedankt.

Kassel, im November 2010

Prof. Dr.-Ing. habil. B. Scholtes

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Inhaltsverzeichnis

V

Inhaltsverzeichnis

Symbole und Abkürzungen ............................................................................VIII

1 Einleitung........................................................................................................ 1

2 Kenntnisstand ................................................................................................ 3

2.1 Definition von Eigenspannungen................................................................ 3

2.2 Verfahren zur Analyse von Eigenspannungszuständen.............................. 5

2.2.1 Grundlagen der Spannungsanalyse mit Röntgenstrahlen ............................. 6 2.2.2 Einfluss der Röntgenabsorption in Beugungsexperimenten....................... 10

2.3 Zur tiefenaufgelösten Eigenspannungsanalyse......................................... 13

2.3.1 LAPLACE-Spannungsprofile und ihre Rückführung in den Ortsraum ........ 14 2.3.2 Abtragverfahren.......................................................................................... 20 2.3.3 Ortsraumverfahren mit ortsfesten Blendensystemen.................................. 20 2.3.4 Ortsraumverfahren mit probenfesten Masken ............................................ 26

3 Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände ....................................... 32

3.1 Stahl 100Cr6 ............................................................................................. 32

3.1.1 Chemische Analyse und mechanische Eigenschaften................................ 34 3.1.2 Gefüge- und Oberflächencharakterisierung................................................ 35

3.2 Oxidkeramik Al2O3 ................................................................................... 41

3.2.1 Chemische Analyse und mechanische Eigenschaften................................ 42 3.2.2 Gefüge- und Oberflächencharakterisierung................................................ 43

3.3 Multilagenschichtsystem .......................................................................... 48

4 Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten..................................... 50

4.1 Entwicklung des Computer-Programms DECcalc ................................... 51

4.2 DEK-Berechnung mittels DECcalc .......................................................... 54

4.3 Experimentelle DEK Bestimmung ........................................................... 57

4.4 Verwendete DEK ...................................................................................... 63

5 Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren................ 64

5.1 Eigenspannungszustände des Stahls 100Cr6 ............................................ 64

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Inhaltsverzeichnis VI

5.2 Eigenspannungszustände der einphasigen Oxidkeramik Al2O3 ............... 72

5.3 Eigenspannungszustand des Multilagenschichtsystems ........................... 76

5.4 Schlussfolgerungen zur Probencharakterisierung..................................... 78

6 Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum ...................................................................................................... 80

6.1 Idee, Anforderungen und Randbedingungen............................................ 80

6.2 Konstruktive Auslegung der Masken ....................................................... 82

6.3 Herstellung der Masken ............................................................................ 93

6.4 Charakterisierung der Masken .................................................................. 94

6.4.1 Mikroskopische Aufnahmen....................................................................... 95 6.4.2 Schichtdickenbestimmung.......................................................................... 99 6.4.3 Texturanalyse............................................................................................ 100

7 Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens ............................ 103

7.1 Beugungsexperimente unter Anwendung verschiedener Masken und Punktdetektoren ...................................................................................... 103

7.2 Experimente mit der ortsempfindlichen Röntgenkamera MAXIM........ 107

7.2.1 Das MAXIM-Setup .................................................................................. 107 7.2.2 Beugungsinformationen aus LAPLACE- und Ortsraum unter Verwendung

strahlabsorbierender Masken und MAXIM ...................................... 108 7.2.3 Vorgehensweise bei der Aufnahme und Auswertung der MAXIM-

Bildserien .......................................................................................... 110

7.3 Anwendung verschiedener, aufliegender Masken zur tiefenaufgelösten Eigenspannungsanalyse .......................................................................... 113

7.3.1 Beugungsexperimente im Ortsraum mit MAXIM ................................... 113 7.3.2 Rechnergestützte Simulation der Diffraktionsexperimente...................... 117 7.3.3 Zwischenbilanz zur Identifikation von Fehlern und Störgrößen.............. 120

7.4 Verbesserte Beugungsexperimente durch Verwendung einer Positioniervorrichtung für Absorptionsmasken...................................... 121

7.4.1 Entwicklung einer Positioniervorrichtung................................................ 121 7.4.2 Experimentelle Untersuchung einer einphasigen Al2O3-Bulk-Probe....... 123 7.4.3 Simulation der Experimente mit Positioniervorrichtung.......................... 135 7.4.4 Experimentelle Untersuchung des Multilagenschichtsystems ................. 140

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Inhaltsverzeichnis

VII

7.5 Ausblick − Logische nächste Schritte..................................................... 144

7.5.1 Abmessungen und Ausrichtung der Messvolumina ................................. 144 7.5.2 Simulationsrechnungen für verbesserte Absorptionseigenschaften ......... 147 7.5.3 Alternative Materialien und Probenzustände ........................................... 148

8 Zusammenfassung ..................................................................................... 151

Literaturverzeichnis ...........................................................................................XI

Anhang.............................................................................................................. XXI

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Symbole und Abkürzungen VIII

Symbole und Abkürzungen

Symbol Beschreibung

a, b, c, l Geometrieparameter der Maske

beff effektive Schlitzbreite

cijkl , sijkl Tensorkomponenten der Einkristallmoduln und -steifigkeiten

d Gitterebenenabstand

d0 unverspannter Gitterebenenabstand

dexp experimenteller Abstand zweier Volumenelemente

dref Referenzabstand zweier Volumenelemente (Auslegung)

dAu Goldschichtdicke

dPI Polyimid-Schichtdicke

h Volumenelementhöhe

heff effektive Volumenelementhöhe

kω , kψ Geometriefaktor bezüglich des Messmodus

rMCP nominelle Auflösung der Microchannel Plate (MCP)

s Tiefe der sekundären Volumenelemente im Material

t Tiefe der primären Volumenelemente im Material

A'(z) inkrementeller Flächenzuwachs eines Volumenelements

An , B Koeffizienten der ILT-Anpassungsfunktionen

E, ν E-Modul, Querkontraktionszahl

I, I0 , Isimu reflektierte, eingestrahlte und simulierte Intensität

R2 PEARSON’scher Korrelationskoeffizient

Ra Mittenrauwert

Rm Zugfestigkeit

Rp0,2 0,2 % Dehngrenze

Rt maximale Rautiefe

½s2 , s1 Diffraktionselastische Konstanten

x, y, z kartesische Koordinaten

z gemittelte Eindringtiefe

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Symbole und Abkürzungen

IX

Symbol Beschreibung

α, β Kippwinkel quer und längs der Schlitzstruktur

γ Winkel zwischen MAXIM-Kamera und Probennormalen

εij Komponenten des Dehnungstensors

εG Gitterdehnung

θ BRAGG-Winkel

θ0 BRAGG-Winkel des unverspannten Gitters

λ Wellenlänge

μ linearer Absorptionskoeffizient

μ/ρ Massenabsorptionskoeffizient

ρ Dichte

ρ, η Azimut- und Polarwinkel im Kristallsystem

σ Spannung

σij Komponenten des Spannungstensors

σB Biegebruchfestigkeit

σ I, σ II, σ III Eigenspannungen I., II. und III. Art

σ(z) Spannung im Ortsraum

σ(τ) Spannung im LAPLACE-Raum

ασ mittlere Spannung der Phase α

τ Eindringtiefe der Strahlung

φ, ψ Azimut- und Polarwinkel der Messrichtung

ω Einstrahlwinkel

Abkürzung Beschreibung

Abtrag Abtragtiefe

Fit Fitfunktion

ILT inverse LAPLACE-Transformation

MLSS Multilagenschichtsystem

UVP Universalplot

VE Volumenelement

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Einleitung

1

1 Einleitung

Die Herstellung technischer Bauteile ist stets mit der Entstehung von Eigenspannun-gen verbunden. Häufig sind die eingebrachten Eigenspannungen charakteristisch für den jeweiligen Herstellungs- oder Bearbeitungsprozess. Eigenspannungen können sowohl positive als auch negative Folgen für eine Komponente haben, da sie sich mit den Lastspannungen, welche aus den Beanspruchungen während des Betriebs resultie-ren, überlagern. Es ist beispielsweise bekannt, dass sich Druckeigenspannungen in der Randschicht eines schwingend beanspruchten Bauteils positiv auf dessen Lebensdauer auswirken. Aus diesem Grund wird teilweise schon während der Auslegung versucht Eigenspannungen gezielt einzustellen. Da die höchsten Belastungen in Bauteilen meist in der Randschicht auftreten, können die eingebrachten Eigenspannungen hier bewirken, dass die versagenskritischen Werkstoffparameter (Streckgrenze, Dauerfes-tigkeit, etc.) erst bei erhöhten Lasten erreicht werden. Auf diese Weise lassen sich enorme Einsparungen des verwendeten Werkstoffs realisieren, da bei gleicher oder höherer Lebensdauer weniger massive Bauteile benötigt werden. Dies macht die Pro-dukte kostengünstiger und leichter, was insbesondere bei mobilen Einsatzzwecken wie Auto, Flugzeug oder Bahn zu weiteren Kostenersparnissen durch Reduzierung des Energiebedarfs im Betrieb führt. Dies ist gerade vor dem Hintergrund endlicher Res-sourcen eine große Chance, um sparsam mit diesen umzugehen.

Zur effektiven Berücksichtigung von Eigenspannungen in der Entwicklung techni-scher Bauteile bedarf es einer genauen Kenntnis ihrer Höhe und Tiefenwirkung durch die Herstellungs- bzw. Bearbeitungsprozesse. Zu diesem Zweck wurde eine Vielzahl von Methoden entwickelt, die die vorliegenden Eigenspannungen quantitativ auf un-terschiedlichen Längenskalen erfassen. Die bedeutendste Gruppe bilden hierbei die Diffraktionsverfahren mit Neutronen- oder Röntgenstrahlung. Dabei ist Neutronen-beugung eine geeignete Methoden, um die in der Regel dreiachsigen Spannungszu-stände im inneren massiver Bauteile zu ermitteln, wohingegen die Analyse randnaher Eigenspannungen bis in einige zehntel Millimeter Tiefe mittels röntgenografischer Verfahren möglich ist. Je nach eingesetzter Strahlungsenergie können sich auch Über-lappungsbereiche ergeben, in denen sowohl Neutronen als auch röntgenografische Methoden verwendet werden.

Der zu untersuchende Randschichtbereich in dieser Arbeit reicht von der Oberfläche bis in einige hundertstel Millimeter Tiefe und kann beispielsweise durch die so ge-nannten “Strain-Scanning-” und “Stress-Scanning-Verfahen” unter Verwendung von Synchrotronstrahlung erfasst werden. Bei diesen Verfahren befinden sich meist Blen-den im primären und sekundären Strahlengang, mittels derer ein kleines Messvolumen von minimal ca. 15 µm Höhe definiert werden kann. Damit lassen sich relativ steile

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Einleitung 2

Eigenspannungsverteilungen σ(z) im Ortsraum z.B. bei kugelgestrahlten Zuständen [1,2] bestimmen. Feinere Eigenspannungsgradienten, wie sie in hartbearbeiteten Ke-ramiken oder dünnen Schichtsystemen auftreten, können jedoch mit diesen Verfahren nicht aufgelöst werden. Für solche Fragestellungen kommen im Allgemeinen LAPLA-

CE-Verfahren [z.B. 3-5] zum Einsatz, welche ihre Tiefeninformation aus der exponen-tiellen Strahlschwächung beziehen. Dies hat den Nachteil, dass aufwändige und feh-leranfällige mathematische Verfahren angewendet werden müssen, um die gemessen LAPLACE-Eigenspannungsverteilungen σ(τ) in den Ortsraum σ(z) zu überführen.

Kernziel dieser Arbeit ist daher die Entwicklung eines neuen Mess- und Auswertever-fahrens zur Bestimmung von Eigenspannungstiefenprofilen σ(z) im Ortsraum mit einer Tiefenauflösung von etwa 5 µm. Gemäß einer von PREDECKI et al. [6] formulierten Idee werden hierfür an die Probenoberfläche gekoppelte absorbierende Schlitzmasken ein-gesetzt, welche Messvolumina im Werkstoff definieren. Während alle übrigen Bereiche ausgeblendet werden, liefern die aus den Volumenelementen stammenden Intensitäten die Beugungsinformationen auf deren Grundlage die Ortsraumeigenspannungen be-rechnet werden. Details dieses theoretischen Ansatzes werden neben einer Übersicht der Grundlagen und diverser Verfahren zur Spannungsanalyse in Kapitel 2 dargelegt.

Für die praktische Umsetzung des Verfahrens werden Keramik- und Stahlproben mit unterschiedlich steilen Eigenspannungsgradienten verwendet, deren Herstellung mittels der mechanischen Oberflächenbehandlungen Kugelstrahlen und Tiefschleifen erfolgte (Kapitel 3). Zur Probencharakterisierung werden komplementäre LAPLACE- und Orts-raummethoden eingesetzt und die aufgenommenen Eigenspannungsgradienten in Kapi-tel 5 gegenübergestellt und diskutiert. Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Bewertung der inversen LAPLACE-Transformation für die Spannungsanalyse im Ortsraum. Die so ermittelten Eigenspannungsprofile dienen als Referenz für die Ergebnisse aus den Orts-raumverfahren mit Schlitzmasken. Wichtig für die genaue Bestimmung der Eigenspan-nungswerte sind die Diffraktionselastischen Konstanten, welche auf Basis verschiede-ner Kopplungsmodelle aus Einkristallkoeffizienten berechnet werden können. Hierfür wurde im Rahmen dieser Arbeit das Computerprogramm DECcalc entwickelt.

Die Grundlagen und Annahmen für die Auslegung und Herstellung der absorbierenden Schlitzmasken werden in Kapitel 6 beschrieben. Des Weiteren sind hier die Ergebnisse der Maskencharakterisierung bezüglich ihrer Geometrie zu finden. In Kapitel 7 wird die Anwendung der Masken für die Spannungsanalyse im Ortsraum erläutert. Anhand von Messergebnissen, welche mit Hilfe stetig verbesserter Versuchsaufbauten an Al2O3-Massivproben und einem Schichtsystem gewonnen wurden, erfolgt die Darlegung der Möglichkeiten und Grenzen der Methode. Abschließend werden Empfehlungen bezüg-lich Maskenauslegung, Ausrichtegenauigkeit oder Probenmaterialien für zukünftige Experimente mit absorbierenden Schlitzmasken gegeben.

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Kenntnisstand

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2 Kenntnisstand

In diesem Kapitel soll zunächst auf die Eigenspannungsdefinition, ihre unterschiedli-chen Arten und Charakteristika eingegangen werden. Für die quantitative Bestimmung von Spannungszuständen in technischen Komponenten existiert eine Reihe von Verfah-ren, die auf unterschiedlichen Längeskalen arbeiten und sich somit sinnvoll ergänzen. Die Grundlagen der röntgenografischen Verfahren werden in Kapitel 2.2 beschrieben. Hauptaugenmerk wird im Anschluss auf die tiefenaufgelöste Eigenspannungsanalyse gelegt, wobei die in dieser Arbeit eingesetzten Methoden in Kapitel 2.3 im Detail vor-gestellt werden.

2.1 Definition von Eigenspannungen

Die in einem Werkstoff/Bauteil auftretenden mechanischen Spannungen setzen sich aus einer Überlagerung von Last- und Eigenspannungen zusammen. Lastspannungen wer-den durch äußere Kräfte und Momente hervorgerufen, die sich aus den jeweiligen Einsatzbedingungen des Bauteils ergeben. Eigenspannungen hingegen bezeichnen die inneren Spannungen eines Werkstoffs, die ohne Einwirkung äußerer Kräfte und Mo-mente vorliegen und über das gesamte Bauteilvolumen im Gleichgewicht stehen. Sie werden stets durch inhomogene elastische oder elasto-plastische Verformung bzw. Pha-senumwandlungen hervorgerufen und sind in jedem realen Werkstoff vorhanden [7].

In der Literatur sind unterschiedliche Herangehensweisen zur Klassifizierung von Ei-genspannungen zu finden, die in [7] zusammengefasst und erörtert werden. Weder eine Einteilung bezüglich der verwendeten Analyseverfahren, noch eine Klassifizierung auf Grundlage herstellungstechnischer Gesichtspunkte führt zu einer universellen Definiti-on des Eigenspannungsbegriffs. Daher hat es sich als sinnvoll erwiesen, die Klassifizie-rung von Eigenspannungen auf ihre jeweilige Reichweite im vielkristallinen Werkstoff zu beziehen. Eine entsprechende Definition von Eigenspannungen I., II. und III. Art wurde u.a. durch [8] formuliert:

Eigenspannungen I. Art werden als Makrospannungen bezeichnet und sind über große Werkstoffbereiche homogen. Sie stellen den Mittelwert der Spannungen über hinrei-chend viele Kristallite dar. Abweichungen vom makroskopischen Spannungszustand sind als Mikrospannungen definiert und werden durch Eigenspannungen II. und III. Art beschrieben. Die Differenz zwischen den Eigenspannungen I. Art und den mittleren Spannungen in einem Korn oder größeren Kornbereich liefert die Eigenspannungen II. Art. Spannungssprünge an den Korngrenzen resultieren dabei aus Dehnungsinkom-patibilitäten zwischen den einzelnen Körnern. Überlagert werden Eigenspannungen II. Art durch Eigenspannungen III. Art, welche in kleinsten Kornbereichen inhomogen sind. Ursache für Eigenspannungen III. Art sind atomare Gitterdefekte wie Substituti-

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Kenntnisstand 4

onsatome, Fehlstellen, Versetzungen etc., weshalb Eingriffe in ihr Kräftegleichgewicht keine makroskopischen Gestaltänderungen bewirken. Anders verhält es sich bei Eigen-spannungen I. Art, bei denen Eingriffe stets zu makroskopischen Formänderungen füh-ren, während dies bei Eigenspannungen II. Art zwar möglich aber nicht zwingend ist. Die beschriebenen Beziehungen lassen sich durch folgende Gleichungen ausdrücken [9]:

∫=makroV

makromakro

I dVxV

)(1 σσ (2.1)

( )( )∫ −=KornV

KornI

Korn

II dVxV

σσσ 1 (2.2)

( ) ( ) IIIIII xx σσσσ −−= (2.3)

Abbildung 2.1: Eigenspannungsdefinition für einen zweiphasigen Werkstoff [10].

Wird nun ausgehend von der allgemeinen Eigenspannungsdefinition die Mehrphasig-keit eines Werkstoffs berücksichtigt, wie er in Abbildung 2.1 skizziert ist, berechnet sich die mittlere Phasenspannung aus der Makrospannung und den phasenspezifischen mittleren Mikroeigenspannungen II. Art zu [9]:

αα σσσ III += (2.4)

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Kenntnisstand

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Da sich die phasenspezifischen Mikrospannungen der verschiedenen Phasen gegensei-tig kompensieren, lassen sie sich, neben den vorliegenden Eigenspannungen I. Art, an-hand der folgenden Gleichungen berechen, wenn ihre Volumenanteile bekannt sind.

01

=∑=

nIIf

α

αα σ (2.5)

∑=

=n

I f1α

αα σσ (2.6)

Eine umfangreiche Zusammenstellung weiterer Definitionen, Bezeichnungen und Ein-teilungen von (Eigen)Spannungen in kristallinen Werkstoffen wird ebenfalls in [9] an-gegeben.

2.2 Verfahren zur Analyse von Eigenspannungszuständen

Für die Ermittlung von Last- und Eigenspannungen existiert eine Vielzahl von Ver-fahren, die ihre Dehnungsinformationen aus unterschiedlichen Messgrößen beziehen. Die Wahl des geeigneten Messverfahrens hängt im Wesentlichen von Werkstoff, Messtiefebereich und den zu analysierenden Makro- und/oder Mikrospannungen ab. Eine Übersicht verschiedener Verfahren mit ihren jeweiligen Messgrößen und Rand-bedingungen wird in [11] gegeben. Hierzu zählen mechanische und diffraktometrische Methoden, aber auch Ultraschall- und mikromagnetische Verfahren. In der Praxis spielen letztere eine untergeordnete Rolle und werden daher nicht näher beschrieben. Die mechanischen Verfahren sind vor allem wegen ihrer einfachen apparativen An-forderungen und der flexiblen Anwendbarkeit auf unterschiedlichste Werkstofffamili-en, Bauteilgrößen und -geometrien interessant. Aufgrund des oftmals nur teilzerstö-renden Charakters besitzt das Bohrlochverfahren die größte Bedeutung der mechani-schen Methoden, was sich auch in der großen Anzahl aktueller Publikationen widerspiegelt; siehe z.B. [12,13,14,15]. Andere mechanische Verfahren wie Ring-Kern- oder Zerlegeverfahren erfordern meist deutlich größere Eingriffe in das Bauteil und führen daher in vielen Fällen zu seiner Zerstörung. Den mechanischen Verfahren ist gemein, dass lediglich makroskopische Spannungszustände, also Eigenspannungen I. Art und von außen aufgebrachte Lastspannungen σ L bzw. Überlagerungen dieser beiden, ermittelt werden können.

Anders verhält es sich bei den Beugungsverfahren, die phasenselektiv arbeiten und somit auch die mittleren Makro- und Mikro-Phasenspannungen (II. Art) separieren können, wenn die Phasenanteile bekannt sind. Sind bei hinreichend grobkörnigen Werkstoffen Messungen innerhalb eines Kristallits möglich, können auch die lokalen Eigenspannungen II. Art bestimmt werden. Bezüglich der erreichbaren Informations-tiefe wird bei den Beugungsverfahren zwischen Neutronen-, Synchrotron- und her-

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Kenntnisstand 6

kömmlicher Röntgenstrahlung differenziert. Wegen der hohen Eindringtiefe von Neu-tronenstrahlung in metallische oder keramische Werkstoffe wird sie meist zur Analyse massiver Bauteile bis zu einer Dicke von einigen Zentimetern eingesetzt [16,2]. Dün-ne Randschichten können wegen der minimalen Größe der ausgeblendeten Messvo-lumina von etwa 1 mm3 [16] nicht erfasst werden. Die realisierbaren Eindringtiefen von Synchrotronröntgenstrahlung sind abhängig von den am Experiment vorliegenden Strahlungsenergien. Je nach Synchrotronquelle können Energien bis 150 keV [17,18] erreicht werden, was zu maximalen Eindringtiefen von einigen zehntel Millimetern in Stahl führt. In einigen Fällen wird die von Wigglern erzeugte weiße Synchrotronstrah-lung (gesamtes Wellenlängenspektrum) genutzt, um mit Hilfe der unterschiedlichen Eindringtiefe der Strahlung tiefenaufgelöste Untersuchungen durchzuführen [19,20,21]. Meist kommt jedoch monochromatisierte Strahlung zum Einsatz, deren Wellenlängen häufig im Bereich der Laborröntgenquellen liegen. Dementsprechend ähnlich sind dann auch die Informationstiefen die sich erzielen lassen. Jedoch besitzen Synchrotronquellen den Vorteil des um einige Größenordungen höheren Photonen-flusses und der geringen Strahldivergenz gegenüber herkömmlichen Röntgenröhren. Eine Gegenüberstellung der drei genannten Diffraktionsverfahren bezüglich ihrer er-zielbaren Informationstiefen ist in [2] zufinden. Der Autor unterscheidet außerdem zwischen verschieden Betriebsarten der Synchrotronquellen, um die Unterschiede von Winkel- (WD) und Energiedispersiver (ED) Beugung deutlich zu machen.

Beugungsverfahren haben gegenüber mechanischen Verfahren den Vorteil, dass sie prinzipiell zerstörungsfrei arbeiten, sodass untersuchte Bauteile im Anschluss ihren Einsatzzweck erfüllen können. Das Prinzip der Röntgenbeugung und ihre Anwendung zur Spannungsermittlung in kristallinen Werkstoffen soll daher in den folgenden Ab-schnitten erläutert werden.

2.2.1 Grundlagen der Spannungsanalyse mit Röntgenstrahlen

Die röntgenografische Spannungsanalyse wird in zahlreichen Büchern [9,11,22, etc.] und Artikeln [23-29, etc.] detailliert beschrieben. Das physikalische Prinzip der Rönt-genbeugung basiert auf der Wechselwirkung zwischen den einfallenden Photonen und der Elektronenhülle der Atome des Probenmaterials. Da kristalline Werkstoffe eine pe-riodische Struktur aufweisen (Kristallgitter), überlagern sich die an zwei benachbarten Gitterebenen mit dem Abstand d gebeugten Röntgenstrahlen unter einem bestimmten Winkel θ, sodass eine Verstärkung (Interferenz) der Intensität auftritt. Einstrahl- und Reflexionswinkel sind dabei identisch, sodass die Winkelhalbierende senkrecht auf der Beugungsebene steht und die Messrichtung N{hkℓ} markiert (Abbildung 2.2).

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Kenntnisstand

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ψ

ϕ

ddHsinθ

θθ

I0

I

N{hkl}

λϕ,ψ

Abbildung 2.2: Grafische Darstellung des BRAGG’schen Reflexionsgesetzes für eine um den Winkel ψ bezüglich der Probenoberfläche gekippte Gitterebenenschar.

Dieser Zusammenhang wird durch die BRAGG’sche Gleichung beschrieben, worin λ die monochromatische Wellenlänge der Strahlung ist und n die Beugungsordnung der Inter-ferenz angibt:

θλ sin2 ⋅= dn (2.7)

Nach Differenziation von Gleichung 2.7 erhält man eine Beziehung zwischen dem Beugungswinkel θ und der Gitterdehnung εG in Messrichtung, welche durch die Azi-mut- und Distanzwinkel φ und ψ markiert wird:

( ) 00,G

,0

0, tanθθθε ψϕψϕψϕ −−==−

ddd

(2.8)

Um aus den Dehnungen in Messrichtung die im Probenmaterial vorliegenden Kompo-nenten des Spannungstensors σij zu berechnen, muss zunächst der Bezug zwischen dem Laborkoordinatensystem L und dem der Probe P hergestellt werden (Abbildung 2.3). Dies erfolgt durch Transformation des Dehnungstensors aus dem Proben- ins Laborsys-tem. Die Dehnung in Messrichtung εG

φ,ψ ist dabei identisch mit εL33 in Richtung L3,

welche wiederum mit den sechs unabhängigen Dehnungskomponenten εij der Probe in funktionalem Zusammenhang steht.

Unter Anwendung des HOOKE’schen Gesetzes können nun die Dehnungen εij durch die gesuchten Spannungen σij im Material ersetzt werden. Der resultierende Zusammen-hang wird als Grundgleichung der röntgenografischen Spannungsanalyse (RSA) be-zeichnet und gilt für makroskopisch isotrope Werkstoffe.

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( )

( )( ) ( )[ ][ ]ψϕσψϕσψϕσ

ψϕσσψϕσσ

σσσσ

θθθε ψϕψϕψϕ

2sinsin2sincossin2sins

sinsinsincoss

ss

tan

23132

12}{

221

223322

223311

}{22

1

33}{

221

332211}{

1

0

0,00,

G,

+++

−+−+

+++=

=−

=−−=

l

l

ll

hk

hk

hkhk

ddd

(2.9)

Hierin sind s1{hkℓ} und ½s2

{hkℓ} die Diffraktionselastischen Konstanten (DEK) des Werkstoffs, welche die elastische Anisotropie der Kristallite in verschiedene Raumrich-tungen berücksichtigen. Da die röntgenografischen Verfahren ebenenselektiv arbeiten, sollten anstelle der makroskopischen Elastizitätskonstanten E und ν stets die der jewei-ligen Gitterebene {hkℓ} verwendet werden (vgl. Gleichung 2.10). Andernfalls können je nach Ausprägung des anisotropen Verhaltens deutliche Fehler in den berechneten Spannungswerten resultieren.

}{

}{}{

1sl

ll

hk

hkhk

−= , }{

}{}{

221 1s

l

ll

hk

hkhk

Eν+

= (2.10)

Die DEK können entweder experimentell in Lastspannungsversuchen ermittelt oder aus Einkristallkoeffizienten unter Verwendung verschiedener Kopplungsmodelle berechnet werden, was in Kapitel 4 detailliert beschrieben wird. Die bekanntesten Modelle, die das Verhalten der Einzelkristallite im Kristallverbund beschreiben, wurden durch VOIGT [30], REUSS [31] und ESHELBY/KRÖNER [32,33] entwickelt.

P1

P2

P3

L2

L1

L3 ,

ϕ

ψ

{hkl}Nϕ,ψ

Abbildung 2.3: Zusammenhang zwischen dem Laborkoordinatensystem L, dem Proben-system P und der Messrichtung N{hkℓ}.

Die Berechnung des vollständigen Spannungstensors aus Gleichung 2.9 kann durch Minimierung der Fehlerquadratsumme erfolgen, wofür zunächst Gitterdehnungen aus mindestens sechs unabhängigen Richtungen zu bestimmen sind. Außerdem ist die

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Kenntnisstand

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Kenntnis der spannungsfreien Gitterkonstante a0 mit einer Genauigkeit von mindes-tens ± 3·10-5 nm erforderlich [27], da der Gitterebenenabstand d0 bei der Berechnung von σ33 in der Differenz auftaucht und so kleinste Abweichungen zu großen Fehlern im Spannungswert führen. In der Folge werden auch die Differenzen der Hauptspan-nungskomponenten (σ11−σ33) und (σ22−σ33) beeinflusst.

Neben der numerischen Anpassung der gesamten Gleichung 2.9 an die Messdaten ist eine Zerlegung in kleinere Unterfunktionen möglich. Hierfür werden zunächst die Kombinationen

( ) ( )2

,, ψϕψϕ −++=+ ddd und ( ) ( )

2,, ψϕψϕ −−+

=− ddd (2.11)

aus den aufgenommenen Messdaten einer Gitterebene gebildet, was in 2.9 zur Sepa-rierung der von sin2ψ und sin(2ψ) abhängenden Komponenten führt. Durch Festle-gung der jeweiligen Messrichtung ergibt sich für jede Spannungskomponente eine eigene Bestimmungsgleichung, welche linear von sin2ψ oder sin(2ψ) abhängt [9]:

( )ψψϕσσ 2

02213311 sin

,01s1

∂°=∂

=−+d

d

( )ψ

ψϕσσ 2022

13322 sin,901

s1

∂°=∂

=−+d

d

( ) ( ) ( )⎥⎦

⎤⎢⎣

⎡−−−−

−°=+

=+

33221331110

0

221

133

0,s3

1 σσσσψϕ

σ ssd

dds

( ) ( ) ( )2sin

,451s1 33223311

2022

112σσσσ

ψψϕσ

−+−−

∂°=∂

=+d

d

( )ψψϕσ

2sin,01

s1

022113 ∂

°=∂=

−dd

( )ψ

ψϕσ2sin

,901s1

022123 ∂

°=∂=

−dd

(2.12)

Auf diese Weise lassen sich die Steigungen der Dehnungsverteilungen durch lineare Regression sowie die Achsenabschnitte berechnen und hieraus die Werte der jeweili-gen Spannungskomponente. Dies hat bei grafischer Auftragung den Vorteil, dass sich die Güte der Anpassungen optisch sehr gut beurteilen lässt, da eventuelle Streuungen oder Abweichungen von der Linearität sofort ersichtlich werden. Nichtlineare Deh-nungsverteilungen können neben vorliegenden Schubspannungen durch Spannungs-gradienten, Textur- oder Grobkorneffekte hervorgerufen werden. Bei kompletter drei-

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Kenntnisstand 10

achsiger Auswertung wird dieses Vorgehen als ψ-Differential- bzw. DÖLLE-HAUK-Verfahren [34] bezeichnet, während bei Verwendung der lediglich von sin2ψ abhängi-gen Gleichungen das sin2ψ-Verfahren [35] resultiert. Im Gegensatz zur dreiachsigen Auswertung wird beim sin2ψ-Verfahren kein exakter Wert der Gitterkonstante benö-tigt, da sich Fehler nur geringfügig auf die Steigung der Regressionsgeraden auswir-ken. Diese Robustheit ist ein Grund, weshalb das sin2ψ-Verfahren das mit Abstand gebräuchlichste Verfahren in der praktischen Anwendung der röntgenografischen Spannungsanalyse ist. Meist wird dabei im ψ-Modus gemessen, bei dem die ψ-Kippung quer zur Beugungsebene erfolgt und Probenkippungen von nahezu ψ = 90° möglich sind. Der maximale ψ-Winkel beim ω-Modus ist aufgrund der Kip-pung in Beugungsebene abhängig von der Linienlage der vermessenen Interferenz im 2θ-Spektrum und wird durch ψ = ω−θ berechnet.

Die Anwendbarkeit der zuvor beschriebenen Verfahren ist an die Linearität der Deh-nungsverteilung über sin2ψ bzw. sin(2ψ) gekoppelt, wobei geringe Oszillationen auf-grund leichter Textur- oder Grobkorneinflüsse tolerabel sind. Wie bereits erwähnt, können Spannungsgradienten ebenfalls Nichtlinearitäten hervorrufen, die aus der Tie-fenabhängigkeit der Messgrößen und der Röntgenabsorption im Material resultieren.

2.2.2 Einfluss der Röntgenabsorption in Beugungsexperimenten

Die mit Röntgenbeugung aufgenommenen Messgrößen stellen immer gewichtete Mit-telwerte über die Eindringtiefe der Strahlung dar. Dabei tragen aufgrund der exponen-tiellen Strahlschwächung die oberflächennahen Bereiche stärker zum Beugungssignal bei als das Werkstoffinnere. In vielkristallinen Materialien mit regellos orientierten Kristalliten kann die Absorption durch das LAMBERT-BEER’sche Gesetz beschrieben werden:

( )sII μ−⋅= exp0 (2.13)

Hierin ist I0 die eingestrahlte und I die nach Materialdurchgang bei einer Wegstrecke s verbleibende Intensität. Der Parameter µ beschreibt den linearen Absorptionskoeffi-zienten eines Materials, welcher wellenlängen- und dichteabhängig ist und der bei-spielsweise mit Hilfe der Web-basierten Software XCOM [36] berechnet werden kann. Er setzt sich aus einer Kombination von Fotoabsorption, Comptonstreuung und Paarbildungseffekt zusammen, welche sich durch die Wechselwirkung der Röntgen-strahlung mit den Atomen des Materials ergeben. Bei Leichtmetallen ist die Fotoab-sorption in einem Energiebereich bis etwa 40 keV der dominante Mechanismus, des-sen Grenze sich mit zunehmender Ordnungszahl zu höheren Strahlungsenergien ver-schiebt und bei Schwermetallen bis 600 keV reichen kann. Erst ab etwa 2 MeV bestimmt der Paarbildungseffekt das Absorptionsvermögen [9]. Typische Strahlungs-

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Kenntnisstand

11

energien von Laborröntgenquellen liegen zwischen ca. 5 und 17 keV, wohingegen Synchrotronstrahlung bis zu 150 keV [18] in Beugungsexperimenten eingesetzt wird.

sα sβ

βα

zdz

Abbildung 2.4: Gesamtstrahlweg s von Primär- und Sekundärstrahlung in Abhängigkeit der Messtiefe z und der Beugungswinkel α und β.

Um nun die Intensität aus einer bestimmten Subschicht dz in einer Messtiefe z unter der Probenoberfläche zu erhalten, werden der von der Beugungsgeometrie abhängige Ge-samtstrahlweg s und die Messtiefe z zueinander ins Verhältnis gesetzt. In Abbildung 2.4 beschreibt α den Einfallswinkel der Primärstrahlung und β den der reflektierten Strah-lung. Aus der Grafik lässt sich dann die Gleichung

zkzsss βα =+

=+=βαβα

sinsinsinsin (2.14)

ableiten, worin k der Geometriefaktor in Abhängigkeit der Beugungswinkel ist. Für den ψ- und ω-Messmodus resultieren daraus die folgenden Beziehungen:

ψθψ cossin2

=k (2.15)

ψθψθ

ω 22 sinsincossin2

−=k (2.16)

Welcher Informationstiefe das aufgenommene integrale Beugungssignal zugeschrieben wird, kann durch die gewichtete Mittelung aller zum Beugungssignal beitragenden Sub-schichten berechnet werden. Die mittlere Eindringtiefe ⟩⟨z ergibt sich dabei aus der Integration der Messtiefe z über die vermessene Proben-/Schichtdicke D unter Berück-sichtigung der exponentiellen Strahlschwächung im Material:

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Kenntnisstand 12

( )

( )

( )( )kD

kDDk

dzzk

dzzkzz D

D

μμ

μμ

μ

−−−

−=

=⟩⟨

∫exp1exp1

exp

exp

0

0 (2.17)

Für Proben-/Schichtdicken D, die wesentlich größer als kμ1 sind, wird der hintere Term der Gleichung Null und 2.17 geht in kz μ1=⟩⟨ über. Dieser Quotient entspricht in massiven Proben der Informationstiefe τ und ist gleich der Messtiefe z, bis zu der etwa 63 % der detektierten Intensität stammen, was durch Einsetzen der Gleichung 2.14 in 2.13 und Umstellen nach z ersichtlich wird:

( ) ( )( ) ττμ

=−−=−=≈ 1explnln1%370II

kIz (2.18)

Ebenso wie die Messtiefe eine Gewichtung über die Eindringtiefe der Strahlung erfährt (2.17), gilt dies für die vorliegenden Eigenspannungen ( )zijσ und die daraus resultie-renden Dehnungen ( )zhk }{

,l

ψϕε im bestrahlten Messvolumen:

( )( ) ( )

( )∫

∫∞

=

0

0ij

ij

exp

exp

dz

dzz

z

z

τ

τστσ , ( )

( ) ( )

( )∫

∫∞

=

0

0

}{,

}{,

exp

exp

dz

dzz

z

zhk

hk

τ

τψϕ

ψϕ

ετε

l

l (2.19)

Die obere Integrationsgrenze kann bei großen Probendicken durch Unendlich ersetzt werden, sodass Gleichung 2.19 in mathematischer Hinsicht die LAPLACE-Transforma-tion der Spannungen und Dehnungen vom Orts- in den Bildraum beschreibt. Die Trans-formationsvariable ist darin durch die inverse Informationstiefe 1/τ gegeben. Diesen Zusammenhang geben folgende Gleichungen in komprimierter Form wieder:

( ) ( )⎭⎬⎫

⎩⎨⎧⋅=

τσ

ττσ 1,;1

ij zzL ij , ( ) ( )⎭⎬⎫

⎩⎨⎧⋅=

τε

ττε ψϕψϕ

1,;1 }{,

}{, zzL hkhk ll (2.20)

Da sich insbesondere bei steilen Eigenspannungsgradienten große Unterschiede zwi-schen den gemessen Tiefenprofilen im LAPACE-Raum und den real vorliegenden Span-nungsverteilungen im Ortsraum ergeben, ist in diesen Fällen eine Rücktransformation der LAPLACE-Profile notwendig. Details zur Ermittlung der Eigenspannungstiefenver-teilungen σij(τ) und ihre Überführung in den Ortsraum finden sich im folgenden Ab-schnitt.

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Kenntnisstand

13

2.3 Zur tiefenaufgelösten Eigenspannungsanalyse

Neben dem ψ-Differential und dem sin2ψ-Verfahren existieren eine Vielzahl weiterer Auswerte- und Messmethoden, die teils sehr unterschiedliche (gerätetechnische) An-forderungen mit sich bringen. Als treibende Kraft für ihre Entwicklung kann in erster Linie die Ermittlung von Eigenspannungstiefenprofilen in oberflächennahen Werk-stoffbereichen und die Spannungsanalyse in dünnen, teils stark texturierten Schichten und Schichtverbunden angeführt werden. In den Gleichungen 2.9 und 2.12 wurde zu-nächst von einem konstanten Spannungszustand senkrecht zur Bauteiloberfläche aus-gegangen (σij(z) = konst.). Ändert sich dieser jedoch im Bereich der Eindringtiefe der Strahlung, muss die Grundgleichung der RSA unter Verwendung von 2.20 dement-sprechend angepasst werden. Mit der Voraussetzung eines zweiachsigen oberflächen-parallelen Spannungszustands innerhalb der Eindringtiefe (σi3(τ) = 0, i= 1,2,3), kann die Grundgleichung in folgender Weise modifiziert werden:

( ) ( ) ( ) ( )[ ]( ) ( )[ ]τστσ

ψϕτσϕτσϕτστε ψϕ

2211{1

222212

211

}{22

1,

s

sinsin2sincoss

++

++=}hk

hkhk

l

ll

(2.21)

Wird zudem in der Azimutebene φ = 0° gemessen, kann für den zweiachsigen Span-nungszustand die dehnungsfreie Richtung ψ* aus

( )( ) ⎟

⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛+−=

τστσψ

11

22}{

221

}{1*2 1sin

l

l

hk

hk

ss (2.22)

und damit der dehnungsfreie Gitterebenenabstand d0 berechnet werden. In vielen Fäl-len ist die Vernachlässigung der σ33-Komponente zulässig, insbesondere in sehr dün-nen Beschichtungen und in jedem Fall an der unmittelbaren Bauteiloberfläche. Beim Verlassen der Randschicht in Richtung des so genannten intermediären Werkstoffbe-reichs, findet der Übergang zum in der Regel dreiachsigen Spannungszustand des Grundwerkstoffs statt, was bei seiner Bestimmung berücksichtigt werden sollte.

Eine umfassende Übersicht von Verfahren zur Analyse komplexer Eigenspannungszu-stände, ist in [23] gegeben, worin einerseits die klassischen Methoden behandelt wer-den, aber vor allem auf Messverfahren unter streifendem Einfall (GIXD = Grazing Incidence X-ray Diffraction) und gezielter Kontrolle der Eindringtiefe eingegangen wird. Hierzu zählen u.a. die kombinierten ω-χ-Methoden [37,38,5], das LIBAD-/Mehr-Ebenen- [4,39], das Mehr-Wellenlängen-GIXD- [3] oder das Streuvektor-Verfahren [40,41]. Diese werden der Gruppe der LAPLACE-Methoden zugeordnet, da sie ihre Tiefeninformation aus der exponentiellen Strahlschwächung im Werkstoff beziehen. Neben der Aufnahme tiefenabhängiger Dehnungsverteilungen in massiven Proben bis zu einer strahlungs- und materialabhängigen Informationstiefe von einigen

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Kenntnisstand 14

hundertstel Millimetern, eignen sich die genannten Verfahren auch für die Span-nungsanalyse in dünnen Schichten.

Eine Klassifizierung und kurze Beschreibung u.a. der genannten Mess- und Auswer-teverfahren bezogen auf die Dünnschichtanalyse wird auch in [42] gegeben. Darin werden diese außerdem in Methoden zur Spannungsermittlung in diskreten Informati-onstiefen und solche, die kontinuierliche Tiefenverteilungen liefern, eingeteilt. Zur letzteren Gruppe zählt das Streuvektor-Verfahren, welches auch bei stark texturierten Oberflächen und zur Bestimmung des dehnungsfreien Gitterebenenabstands d0 einge-setzt werden kann [40,41]. Das Universalplotverfahren [43] gehört ebenfalls zu dieser Gruppe und ist eine Auswertemethode, dessen Datenbasis meist in symmetrischer Beugungsgeometrie analog zum sin2ψ-Verfahren aufgenommen wird. Eine detaillierte Beschreibung erfolgt in Abschnitt 2.3.1. Die meisten anderen Verfahren führen hin-gegen zu LAPLACE-Spannungen in diskreten Informationstiefen, welche beispielswei-se durch Variation des Einstrahlwinkels kontrolliert werden können.

Weitere Möglichkeiten zur Analyse senkrechter Eigenspannungsgradienten bieten die Ortsraummethoden. Zu diesen gehören in vielen praktischen Fällen die Abtragverfah-ren unter Anwendung der herkömmlichen sin2ψ-Methode (Kapitel 2.3.2) und zudem die so genannten “Strain-Scanning-” [z.B. 44,45] und “Stress-Scanning-Verfahren” [2], wo mittels spezieller Blenden im Strahlengang Messvolumina im Werkstoff aus-geblendet und durch die Probe bewegt werden (Kapitel 2.3.3). Hiervon abgeleitet ist ein Verfahren zu nennen, welches die Grundlage für die in dieser Arbeit entwickelte Ortsraummethode bildet (Kapitel 2.3.4). Es sieht die Verwendung probenfester Mas-kensysteme vor, wodurch ebenfalls Messvolumina im Werkstoff definiert werden. Dabei wird im Allgemeinen vorausgesetzt, dass innerhalb der Messvolumina keine signifikanten Änderungen des Spannungszustands σij(z) auftreten.

2.3.1 LAPLACE-Spannungsprofile und ihre Rückführung in den Ortsraum

Die LAPLACE-Methoden beziehen ihre Tiefeninformation aus der Variation der Beu-gungswinkel (ψ,ω,θ) relativ zur Probenoberfläche und der Energie der eingesetzten Strahlung. Dabei spielt es keine Rolle, welches der zuvor genannten Verfahren zur Messung der Dehnung in unterschiedlichen Informationstiefen verwendet wird. Zur Ermittlung kontinuierlicher Spannungstiefenverteilungen im LAPLACE-Raum eignet sich besonders das Universalplotverfahren (UVP) [43], bei dem Dehnungsmessungen in den vier azimutalen Richtungen φ = 0°, 90°, 180° und 270° durchgeführt werden müssen. Die Variation der Informationstiefe τ resultiert aus der schrittweisen Kippung der Probe um die ψ-Achse. Um dabei einen möglichst großen Eindringtiefebereich abzudecken, empfehlen sich sin2ψ-Messungen in symmetrischer Beugungsgeometrie, da hier ψ-Winkel zwischen 0° und 90°eingestellet werden können. Durch Kombinati-

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15

on der Messwerte in unterschiedliche Richtungen können die Spannungskomponenten σ11 und σ22 berechnet werden:

( ) ( ) ( )[ ]τττσ −+ += ff21

11

( ) ( ) ( )[ ]τττσ −+ −= ff21

22 (2.23)

mit

( ) ( ) ( )( ) ( ) ( )( )[ ]ψ

τετετετετ ψψψψ

2}{22

1}{1

}{,270

}{,90

}{,180

}{,04

1

sinss2 ll

llll

hkhk

hkhkhkhk

f+

+++=+

( ) ( ) ( )( ) ( ) ( )( )[ ]ψ

τετετετετ ψψψψ

2}{22

1

}{,270

}{,90

}{,180

}{,04

1

sins l

llll

hk

hkhkhkhk

f+−+

=− (2.24)

Ist das Hauptspannungssystem bezüglich der Probenoberfläche verkippt, treten die Schubspannungsanteile σ13(τ) und σ23(τ) auf, welche sich ebenfalls mit Hilfe des Uni-versalplotverfahrens berechnen lassen.

( ) ( ) ( )[ ]ψτετε

τσ ψψ

2sins }{22

1

}{,180

}{,02

1

13 l

ll

hk

hkhk −=

( ) ( ) ( )[ ]ψτετε

τσ ψψ

2sins }{22

1

}{,270

}{,902

1

23 l

ll

hk

hkhk −= (2.25)

Der wesentliche Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass Spannungsmessungen un-ter verschiedenen experimentellen Randbedingungen in einer Auftragung kombiniert werden können. Das kann beispielsweise die Verwendung unterschiedlicher Wellen-längen sein, um die oberflächennahen und intermediären Werkstoffbereiche zu unter-suchen und miteinander zu verknüpfen. Für mehrere {hkℓ}-Gitterebenen ist das Vor-gehen analog. Besonders geeignet ist das Verfahren für den Einsatz energiedispersiver Beugungsverfahren, bei denen aufgrund des weißen Röntgenspektrums mehrere Ebe-nen gleichzeitig vermessen und in einem Universalplot über der Eindringtiefe darge-stellt werden können [18]. Für ψ = 0° ist zu beachten, dass die Nenner in den Glei-chungen zur Schubspannungsberechnung (2.25) und ƒ−(τ) gleich Null und die Funkti-onen daher singulär werden. Dasselbe gilt für ƒ+(τ) wenn der vermessene ψ-Winkel exakt ψ* entspricht. Liegen sie lediglich sehr nahe beieinander, treten stets große Streuungen in den Spannungswerten auf, weshalb Messungen um diesen Kippwinkel-bereich vermieden werden sollten.

Eine andere Art der Auftragung von Spannungsgradienten im LAPLACE-Raum bietet das Mehrwellenlängenverfahren [46], bei dem die Spannungen für jede Wellenlänge

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Kenntnisstand 16

und Gitterebene in herkömmlicher Weise mittels sin2ψ-Methode berechnet werden. Die jeweilige Informationstiefe ist dabei der Mittelwert τm aus der maximalen und mi-nimalen Eindringtiefe in Abhängigkeit des ψ-Winkels. Das Verfahren besitzt im Ver-gleich zum Universalplotverfahren den Nachteil, dass gradientenbedingte Krümmun-gen in den sin2ψ-Plots unberücksichtigt bleiben und sich je nach erfasstem ψ-Winkelbereich die mittlere Informationstiefe τm zu kleineren oder größeren Werten verschieben lässt.

Die Unterschiede können anhand von Abbildung 2.5 verdeutlicht werden. Auf der linken Seite sind Messungen aus insgesamt acht Gitterebenen als Universalplot aufge-tragen, die so den steilen Eigenspannungsgradienten in einer kaltgewalzten Nickel-platte sichtbar machen [43]. Die Messbereiche der {hkℓ}-Ebenen über τ sind mittels durchgezogener Linien markiert und durch runde Klammern benannt, gefolgt von ih-rer jeweiligen maximalen Eindringtiefe τ0. Die rechte Seite zeigt den Spannungsgra-dienten in der Al2O3-Phase einer geschliffenen Al2O3/TiC-Keramik, welcher mit der Mehrwellenlängenmethode bestimmt wurde [46]. Pro Ebene erzeugt das Verfahren einen Spannungswert, welcher in Abhängigkeit der mittleren Eindringtiefe aufgetra-gen wird und somit nur eine komprimierte Tiefenauflösung liefern kann.

Abbildung 2.5: Links: Universalplot eines Spannungsgradienten σ(τ) in einer gewalzten Nickelprobe, zusammengestzt aus Messungen an acht {hkℓ}-Ebenen [43]. Rechts: Eigenspannungstiefenverlauf σ(τm) einer geschliffenen Probe aus Al2O3/TiC aufgenom-men mittels Mehrwellenlängenverfahren in der Al2O3-Phase [46].

Für die Auslegung von technischen Bauteilen sind jedoch weniger die Spannungszu-stände im LAPLACE-Raum von Interesse als die real vorliegenden Ortsraumeigen-spannungen σ(z). Aus diesem Grund existieren viele Arbeiten, die sich mit der Über-führung der experimentell ermittelten Messgrößen in den Ortsraum beschäftigen. Da-bei gilt: Je flacher der Spannungsgradient verläuft, umso geringer ist die Krümmung der sin2ψ-Plots und umso kleiner sind die Unterschiede zwischen LAPLACE- und Orts-

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raumeigenspannungen. Diese Charakteristik wird in [47] aufgegriffen und anhand verschiedener Methoden zur Analyse von Eigenspannungsgradienten diskutiert. Dem-nach können bei nichtlinearen Spannungsgradienten σ(z) für geringe Krümmungen der sin2ψ-Verläufe die real vorliegenden Spannungswerte gut mit Hilfe des Polynomver-fahrens [48] berechnet werden, indem Polynome mit sukzessiv steigender Ordnung an die Messdaten angepasst werden. Tritt trotz mehrfacher Erhöhung des Polynomgrades keine signifikante Änderung der berechneten Ortsraumverläufe σ(z) mehr ein, wird das Ergebnis als numerisch stabil angesehen. Eine Erhöhung des Polynomgrades führt aber nicht zwangsläufig zu besseren Ergebnissen, sondern häufig zu schlecht konditi-onierten Gleichungssystemen aufgrund der zunehmenden Anzahl von Unbekannten und der unvermeidbaren experimentellen Streuungen der Messwerte. Eine diesbezüg-liche Verbesserung stellt das Abschnitt-Polynom-Verfahren [49] dar. Hier werden Polynome, bevorzugt zweiter Ordnung, stückweise an die Messdaten im sin2ψ-Plot, unter Berücksichtigung der Stetigkeitsbedingung an den Übergängen, angepasst. Da-her ist die Methode deutlich flexibler als das herkömmliche Polynomverfahren und ermöglicht auch die Analyse sehr steiler Spannungsgradienten σ(z) [50].

Eine andere Möglichkeit zur Berechnung der Eigenspannungsprofile im Ortsraum bie-tet die inverse LAPLACE-Transformation (vgl. Gleichung 2.20). Die Rücktransforma-tion erfolgt auf Basis diskreter Spannungswerte σ(τk), welche beispielsweise aus Mes-sungen unter streifendem Einfall oder mittels UVP-Verfahren bestimmt werden kön-nen. In der Literatur wird dabei zwischen analytischen und numerischen Ansätzen unterschieden. Die Anzahl der Beiträge zur inversen numerischen LAPLACE-Trans-formation (INLT) in der Spannungsanalyse ist relativ klein, was auf die Schwierigkeit der Transformation einzelner, experimentell bedingt streuender Datenpunkte σ(τk) zu-rückzuführen ist. In [51] wird der Ansatz verfolgt, abschnittweise lineare Dreieck-Funktionen zu verwenden, um diskrete Datenpunkte in den Ortsraum zu überführen. Während für vorgegebene glatte Verläufe fehlerfreie Rücktransformationen möglich sind, führt ihre Überlagerung mit einem geringen Rauschanteil oder einer falsch ange-nommenen Schichtdicke zu großen Oszillationen der Spannungsverläufe σ(z). Die Weiterentwicklung des Verfahrens durch Einführung eines Dämpfungsfaktors [52] toleriert hingegen die Verwendung streuender Messdaten und fehlerhafter Schichtdi-cken, was u.a. anhand experimenteller Daten gezeigt wird. Nachteilig ist jedoch, dass der Dämpfungsfaktor manuell angepasst werden muss und sich somit der Einfluss und die Erfahrung des Anwenders in den Ergebnissen widerspiegeln.

Bei der analytischen inversen LAPLACE-Transformation (ILT) werden Funktionen ein-gesetzt, welche zunächst mittels Minimierung der Fehlerquadratsumme an die Span-nungswerte σ(τk) angepasst und dann in den Ortsraum transformiert werden. Die An-satzfunktionen müssen als Grundvoraussetzung (i) gültige LAPLACE-Transformierte

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Kenntnisstand 18

besitzen, (ii) die Messdaten gut approximieren und außerdem (iii) zu physikalisch sinnvollen Ergebnissen im Ortsraum σ(z) führen [3]. Da sehr viele Funktionen existie-ren, die die genannten Kriterien erfüllen, kommt dem Anwender auch hier eine ent-scheidende Rolle bei ihrer Auswahl und der Beurteilung der Ergebnisse zu. Verschie-denartige Ansatzfunktionen werden beispielsweise in [3,53-56] für die Anpassungen an simulierte bzw. experimentelle Daten verwendet. Sie besitzen teilweise polynomi-schen Charakter und sind oft mit einer Exponentialfunktion als dämpfendes Element verknüpft. In manchen Fällen finden auch Bessel-, Sprung- [3,55] oder Winkelfunkti-onen Anwendung. Für die Klasse der einfachen und der exponentiell gedämpften Po-lynome sind in der folgenden Tabelle typische Schreibweisen in Laplace- und Orts-raum aufgeführt.

( )zσ ( )τσ Beschreibung

∑n

nn zA

0

( ) ∑∑ =+

nn

n

n

nn An

An

001 !

1!1 τ

ττ

Einfache Polynome n-ten Grades: Pn

( )zBzAn

nn −⎥

⎤⎢⎣

⎡∑ exp0

( )∑ ++

n

nn

B

An

011

!1

ττ

Gedämpfte Polynome n-ten Grades: ePn

Tabelle 2.1: Häufig eingesetzte Funktionen zur Überführung der gemessenen Eigen-spannungsverteilungen vom LAPLACE- in den Ortsraum z.B. [56,57].

Ebenso umfangreich wie die Möglichkeiten bei der Funktionsauswahl können die Un-terschiede der resultierenden Spannungsprofile im Ortsraum ausfallen. Gleichzeitig zeigt sich in vielen Fällen, dass die angepassten Funktionen den Verlauf der Daten-punkte im τ-Raum hinreichend gut beschreiben, sodass es stark vom Anwender ab-hängt, welches der erhaltenen Profile als physikalisch sinnvoll betrachtet wird. Abbil-dung 2.6 [57] zeigt die Ergebnisse einer energiedispersiven sin2ψ-Messung an einer kugelgestrahlten Stahlprobe, die mit dem UVP-Verfahren ausgewertet wurde. Für die Rücktransformation werden unterschiedliche gedämpfte Polynome verwendet, die alle den Spannungsverlauf im Laplace-Raum (oben) in guter Näherung beschreiben. Vor allem im Bereich kleiner Eindringtiefe zeigen die Funktionen kaum Unterschiede, während bei großen Tiefen kleinere Differenzen auftreten. Nach der Rücktransforma-tion ergeben sich deutlich voneinander abweichende Spannungsprofile, in denen mit zunehmendem Polynomgrad und steigender Analysetiefe die Oszillationen stark zu-nehmen. Während die Polynome 1. und 3. Grades vertrauenswürdige Ergebnisse lie-fern, können die Tiefenverläufe von P5 und P7 als unrealistisch für eine kugelgestrahl-te Probe angesehen werden [57]. Als Gründe für die Oszillationen werden vor allem

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Kenntnisstand

19

die streuenden Messdaten sowie die relativ geringe Messwertdichte mit steigender Eindringtiefe genannt.

Abbildung 2.6: Oben: Mit energiedispersiver Beugung an mehreren {hkℓ}-Ebenen ge-messene LAPLACE-Eigenspannungsverteilung σ(τ) einer kugelgestrahlten Stahlprobe, dargestellt im Universalplot [57]. Unten: Überführung der an die Messdaten gefitteten Spannungsverläufe σ(τ) in den Ortsraum σ(z) unter Anwendung verschiedener gedämpfter Polynome.

Eine Gegenüberstellung von Ergebnissen nach Anwendung der ILT und INLT auf simulierte Spannungsprofile [53] zeigt, dass beide Verfahren in der Lage sind, die vorgegeben Verläufe σ(z) zu ermitteln, wenn ideale Randbedingungen vorliegen. Wird jedoch das Verhältnis der maximalen Eindringtiefe τmax zur vermessenen Schichtdicke D erhöht, führt die INLT zu wesentlich geringeren Fehlern. Ein ähnliches Verhalten kann bei Reduktion der verwendeten Datenpunkte σ(τk) beobachtet werden, was die Notwendigkeit verdeutlicht, gerade in Bereichen steiler Gradienten eine ausreichende

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Kenntnisstand 20

Anzahl von Stützstellen zu ermitteln. In [54] werden beide Verfahren zudem auf die experimentellen Laplace-Spannungsprofile einer geschliffenen und einer polierten Al2O3/SiC Keramik angewendet. In beiden Fällen ergeben sich physikalisch sinnvolle Verläufe. Die Ergebnisse der numerischen Transformation werden jedoch bevorzugt, da sie eine bessere Anpassung an die Messdaten zeigen. Als weiterer Vorteil auf Sei-ten der INLT kann ihre Einsetzbarkeit bei endlichen Schichtdicken angesehen werden. Für die ILT spricht neben der relativ einfachen Anwendbarkeit, dass aufgrund des Least-Squares-Fits einer analytischen Funktion an die Messdaten eine Glättung er-folgt, was die Streuungen im τ-Raum reduziert.

2.3.2 Abtragverfahren

Die tiefenaufgelöste röntgenografische Spannungsanalyse an elektrisch leitfähigen Werkstoffen durch sukzessiven elektrolytischen Materialabtrag gehört zu den am häu-figsten eingesetzten Anwendungen. Dabei wird an der jeweiligen (neuen) Oberfläche in der Regel das sin2ψ-Verfahren eingesetzt, um den ebenen Eigenspannungszustand (σ33 = 0) und eventuelle Schubspannungsanteile normal zur Oberfläche (σ13, σ23) zu bestimmen. Da die Eindringtiefe τ0 der Strahlung in den meisten Fällen sehr klein ge-genüber der Änderung des Spannungszustands in Tiefenrichtung ist – bei Vermessung der {211}-Ebenen ferritischer Stähle mit CrKα-Strahlung beträgt sie etwa 5-6 µm –kann quasi von einer Spannungsanalyse im Ortsraum gesprochen werden. Ist diese Annahme nicht erfüllt und es treten registrierbar gekrümmte Dehnungsverteilungen über sin2ψ auf, können die aufgenommenen Spannungsverteilungen, analog zum vor-herigen Kapitel, durch LAPLACE-Methoden ausgewertet werden, was den Aufwand deutlich erhöht.

Ein wesentlicher Nachteil dieses Verfahrens ist die teilweise oder vollständige Zerstö-rung der untersuchten Proben. Es kommt dabei durch den schichtweisen Materialab-trag zu Spannungsrelaxationen und -umlagerungen, was vor allem bei dünnen Proben zu sichtbaren Verzügen führen kann. Die daraus resultierenden Fehler können jedoch mittels entsprechender Probenpräparation reduziert werden. Daneben wurden Verfah-ren entwickelt, welche den Einfluss des Abtrags mathematische erfassen und kompen-sieren [z.B. 58,59]. Die Randbedingungen für die angeführten Korrekturfunktionen sind in vielen Fällen nicht ohne Einschränkung erfüllt, weshalb nicht immer physika-lisch sinnvolle Ergebnisse erzielt werden.

2.3.3 Ortsraumverfahren mit ortsfesten Blendensystemen

Die charakteristische Eigenschaft der Orstraum-Verfahren ist die räumliche Begren-zung des zum Beugungssignal beitragenden Werkstoffvolumens. Diese Limitierung wird mit Hilfe definierter Blenden und/oder fokussierenden Bauelementen vorge-

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nommen, sodass Messvolumina in den Überlappungsbereichen des primären und se-kundären Strahlengangs aufgespannt werden. Die geometrischen Abmessungen der Volumenelemente (VE) und die damit erreichbare Ortsauflösung werden durch die Größe der verwendeten Blendensysteme bestimmt. Durch Translation der Probe rela-tiv zum ortsfesten Blendensystem in X-, Y- und Z-Richtung lassen sich Messwerte an verschiedenen Probenpositionen erfassen. Ist der dehnungsfreie Gitterebenenabstand d0 bekannt, können hieraus beispielsweise ortsaufgelöste Dehnungs- bzw. Spannungs-karten bestimmt werden [45]. Es ist jedoch anzumerken, dass innerhalb der aufge-spannten Messvolumina keine signifikanten Änderungen der Messgrößen vorliegen sollten, da andernfalls eine Mittelung über diese Bereiche erfolgt, was Korrekturen bei der Datenverarbeitung erfordert. Eine mathematische Methode zur Entfaltung solcher Messdaten wird beispielsweise in [60] vorgestellt.

Da in vielen Fällen keine Spannungsberechnung aus den Dehnungen erfolgt, werden diese Verfahren als “Strain Scanning” bezeichnet. Gründe für die Beibehaltung der Dehnungsverteilungen werden z.B. in [16] genannt: Sie reichen von der besseren Ver-gleichbarkeit mit Finite Element Berechnungen über einen zu großen Zeitaufwand bei der Ermittlung von mindestens sechs unabhängigen Dehnungsrichtungen bis hin zu experimentellen Schwierigkeiten aufgrund der Probengeometrie.

Die Ermittlung ortsaufgelöster Messgrößen ist sowohl mittels hochenergetischer Syn-chronstrahlung als auch mit Neutronen möglich. Beide Strahlungsarten besitzen cha-rakteristische Eigenschaften, weshalb sie sich für jeweils unterschiedliche Anwen-dungsgebiete besonders eignen. So dringen Neutronen aufgrund ihrer schwachen Wechselwirkung mit Materie wesentlich tiefer in das untersuchte Material ein als Synchrotronstrahlung. In [16] sind für einige wichtige Metalle die Eindringtiefen von Neutronen und verschiedenen Synchrotronquellen für Messungen in Transmissions- und Reflexionsanordnung gegenübergestellt. Während für Eisenwerkstoffe in Refle-xionsgeometrie Dehnungskomponenten bis in eine Tiefe von etwa 20 mm mittels Neutronen bestimmt werden können, erreichen Synchrotronquellen etwa ein hunderts-tel dieser Messtiefe. Demgegenüber steht ein deutlich höherer Strahlungsfluss der Synchrotronquellen, weshalb für Neutronenexperimente große Volumenelemente von etwa 1-480 mm3 [16] verwendet werden müssen, um praktikable Messzeiten zu ge-währleisten. Die Neutronenbeugung eignet sich aus diesem Grund besonders für die Analyse dreiachsiger Spannungszustände im Volumen großer und schwerer Bauteile bis zu einigen hundert Kilogramm. Da der Fokus dieser Arbeit auf randnahen Span-nungsgradienten liegt, wird im Folgenden auf eine nähere Betrachtung der Neutro-nenbeugung verzichtet.

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Prinzipiell existieren drei bewährte Varianten der Strain-Scanning-Verfahren mit Syn-chrotronstrahlung, welche in [16] kurz erläutert und anhand von Skizzen dargestellt werden (siehe Abbildung 2.7):

Abbildung 2.7: Varianten der Strain-Scanning-Verfahren mit Synchrotronstrahlung: (i) 2θ-Scans mit Punktdetektor (und Analysatorkristall); (ii) Kleinwinkelstreuung bei sehr hohen monochromatischen Energien und Verwendung eines Flächendetektors; (iii) Polychromatische Röntgenbeugung unter Aufnahme von Energiespektren. [16]

(i) Bei Messungen mit monochromatischer Röntgenstrahlung werden 2θ-Scans durch-geführt und liefern als Messgröße Interferenzlinienverschiebungen Δ2θ. Dabei ist zu beachten, dass sich während des Scans die Geometrie des VE leicht ändert. Die Expe-rimente können sowohl in Reflexions- als auch in Transmissionsgeometrie z.B. an der Beamline BM16 der ESRF erfolgen [1].

(ii) Untersuchungen bei hohen Röntgenenergien führen zu sehr kleinen Diffraktions-winkeln um 2θ ≈ 4° (bei ≈ 80 keV). Im Transmissionsmodus werden die Querschnitte der Beugungskegel mittels CCD-Flächendetektor aufgenommen, wobei für die Limi-tierung der Ortsauflösung beispielsweise konische Blenden zum Einsatz kommen. Ein solches Setup wurde am Experiment ID11 der ESRF für die ortsaufgelöste Ermittlung von Korngrenzen und Kornorientierungen eingesetzt [61]. Eine Adaption des Verfah-rens konnte zudem erfolgreich für die Bestimmung von Eigenspannungstiefenvertei-lungen in einer Laserschweißnaht an der GKSS Beamline HARWI II angewendet werden [62].

(iii) Für Diffraktionsexperimente mit polychromatischer Synchrotronstrahlung werden energieempfindliche Detektoren eingesetzt, sodass bei einem konstanten 2θ-Winkel das gesamte Beugungsspektrum zeitgleich aufgenommen werden kann. Dies ermög-licht die simultane Erfassung mehrerer Werkstoffphasen und ihrer Spannungszustän-

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de, was in [63] an einer keramischen Wärmedämmschicht auf einem Eisensubstrat gezeigt wird. Die Messungen erfolgten an der ESRF Beamline ID15.

In vielen Fällen erlaubt die Methode sehr kurze Belichtungszeiten < 10 s pro Spekt-rum und eignet sich daher besonders für in situ Experimente, bei denen hohe Zeit- und/oder Ortsauflösungen gefragt sind [18]. Messungen sind prinzipiell in Transmis-sions- und Reflexionsgeometrie möglich.

Die Messvolumina in Synchrotronexperimenten sind sehr viel kleiner als für Neutro-nen, da aufgrund des hohen Strahlungsflusses und der Wechselwirkung der Photonen mit der Elektronenhülle des Probenmaterials ausreichend Intensität in vergleichsweise kurzer Messzeit in den Detektor gelangt. Um große Eindringtiefen zu erzielen werden hohe Röntgenenergien bis etwa 150 keV [18] verwendet, welche typischerweise zu relativ kleinen Beugungswinkelbereichen 2θ ≈ 2-20° führen. Aus diesem Grund erge-ben sich für die Volumenelemente rautenförmige Querschnitte deren Breite etwa 3-60 Mal größer ist als ihre Höhe [2,16]. Für Experimente im Ortsraum ist daher die Orien-tierung der VE von entscheidender Bedeutung für die Ortsauflösung.

Wie stark sich die VE-Orientierung auf die Spannungsermittlung auswirkt wurde in [1] an einer kugelgestrahlten Aluminiumlegierung untersucht. Hierfür kam an der ESRF Beamline BM16 ein rautenförmiges Volumenelement mit einem Aspektver-hältnis von 7,6 zum Einsatz. Dieses wurde einerseits mit seiner Höhenrichtung (100 µm) parallel zur Probenoberfläche orientiert und durch die Randschicht ges-cannt. Die spitze Seite des “In-plane” VE (○) taucht zuerst in die Probenoberfläche ein, sodass Beugungssignale aufgenommen werden, während sich der geometrische Schwerpunkt des VE noch über der Probe befindet. Die aufgenommenen Linienlagen sind in Abbildung 2.8 a) über der Position der Translationsachse aufgetragen. Eine zweite Messung erfolgte mit dem “Normal” VE (●), welches orthogonal zur Proben-oberfläche ausgerichtet ist. Da das VE über die Höhenachse in das Material eintaucht ermöglicht dies eine 7,6-fach bessere Ortsauflösung. Der 2θ-Verlauf besitzt ein Mi-nimum in 80-90 µm Tiefe und ist deutlich detaillierter als bei der geringen Auflösung.

Dass dies eindeutig auf die unterschiedliche Ortsauflösung zurückzuführen ist, zeigen die Autoren in Abbildung 2.8 b) durch die Gegenüberstellung der berechneten Eigen-spannungsverläufe aus den Synchrotronuntersuchungen mit Ergebnissen aus Neutro-nen- und sin2ψ-Messungen. Hier beziehen sich die Tiefenpositionen sämtlicher Span-nungswerte auf den jeweiligen Schwerpunkt des Beugungsvolumens in der Probe. Der Vergleich der niedrig aufgelösten Synchrotronergebnisse (○) mit Neutronenexperi-menten (□) zeigt eine sehr hohe Übereinstimmung, was auf die Verwendung nahezu identischer VE-Höhen zurückgeführt wird. Die Ergebnisse mit 100 µm Ortsauflösung (●) stimmen hingegeben an der Oberfläche exakt mit dem sin2ψ-Wert (Δ) überein und

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zeigen zudem das charakteristische Spannungsminimum kugelgestrahlter Proben. Sie werden daher als realistischer eingestuft.

Abbildung 2.8: Mittels “In-plane gauge” (○) und “Normal gauge” (●) gemessene Li-nienlagen 2θ (a) und daraus berechnete Eigenspannungen σ(z) (b). Zum Vergleich wurden Ergebnisse aus Neutronen- (□) und sin2ψ-Messungen (Δ) aufgetragen. [1]

Neben den verschieden Ortsauflösungen durch die Orientierung des VE, werden in der Literatur weitere Effekte genannt [z.B. 64,65], die zu Fehlern in den berechneten Eigenspannungsverteilungen führen können. Ist das Volumenelement beim so genann-ten “through surface strain scanning” noch nicht vollständig eingetaucht, treten Li-nienlageverschiebungen auf. Sie lassen sich auf eine inhomogene Wellenlängenvertei-lung über dem Querschnitt des Primärstrahls, die Eigenschaften der optischen Ele-mente im Strahlengang und geometrische Effekte zurückführen. Letzteres tritt auf, da der geometrische Schwerpunkt des VE und der des Beugungsvolumen voneinander abweichen, solange sich ein Teil des Volumenelements über der Oberfläche befindet. Zudem können je nach Position der Blendensysteme zum VE asymmetrisch beschnit-tene Beugungsprofile auftreten. Details zur Quantifizierung dieser Effekte sind u.a. in [64] zu finden.

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Auf Grundlage des in Punkt (iii) beschriebenen energiedispersiven Strain-Scanning-Verfahrens wurde eine Messmethode entwickelt [66,2], die die Ermittlung von Eigen-spannungstiefenverteilungen im Ortsraum unter Anwendung der sin2ψ-Methode er-möglicht. Das so genannte “Stress-Scanning-Verfahren” basiert auf der Idee, Beu-gungsinformationen für unterschiedliche Orientierungen des Streuvektors aus einem bezüglich seiner Ortsauflösung und Messtiefe konstanten Werkstoffvolumen aufzu-nehmen. Mit einer Tiefenauflösung von etwa 15 µm und einer Eindringtiefe in Stahl von bis zu 100 µm können mit diesem Verfahren relativ steile Eigenspannungsgra-dienten zerstörungsfrei ermittelt werden.

Abbildung 2.9: (a) Messprinzip des Stress-Scanning-Verfahrens. (b) Vergleich der Ei-genspannungsverläufe aus Abtrag- und Stress-Scanning-Untersuchungen. [2]

Der experimentelle Aufbau ist in Abbildung 2.9 a) skizziert. Für die Detektorposition ψ = 0° ist das Diffraktometer-Setup vergleichbar mit dem zuvor beschriebenen Strain-Scanning-Verfahren, bei dem ein rautenförmiges Volumenelement durch Blenden im primären (T2) und sekundären (T3) Strahlengang in der Probe definiert wird. Um die

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Informationstiefe und Ortsauflösung des Beugungsvolumens für alle Messrichtungen ψ > 0° konstant zu halten, wird der Detektor horizontal verfahren, hier dargestellt durch die Positionen ψ1 und ψ2. Diese Verschiebung bewirkt neben der Verkippung des Streuvektors ψ eine Vergrößerung des Beugungswinkels 2θ, sowie eine Verdre-hung der Messrichtung φ. Zur Quantifizierung der benötigen Beugungswinkel erfolgt ihre mathematische Beschreibung mittels sphärischer Trigonometrie.

Das Stress-Scanning-Verfahren wurde u.a. auf eine kugelgestrahlte Stahlprobe ange-wendet und die aufgenommenen Eigenspannungsprofile σ22(z) im Anschluss mittels sin2ψ-Metode und sukzessivem elektrolytischen Materialabtrag überprüft. Die Ver-suchsergebnisse sind in Abbildung 2.9 b) über der Mess- bzw. Abtragtiefe dargestellt und zeigen im Rahmen der Messfehler einen nahezu identischen Spannungsverlauf. Auch für die Ermittlung von Eigenspannungsprofilen in einem Multilagenschichtsys-tem konnte das Verfahren erfolgreich angewendet werden.

Anhand der existierenden Verfahren zur Spannungsanalyse im Ortsraum wird deut-lich, dass sie einander sinnvoll ergänzen. So liefern Experimente mit Neutronen ge-mittelte Messgrößen über Volumenbereiche von 0,5 bis mehrere hundert Kubikmilli-meter Größe und Eindringtiefen bis zu einigen Zentimetern in Stahl. Für die Analyse steiler, randnaher Eigenspannungsgradienten eignen sich Neutron hingegen weniger, da die Mittelung über einen zu großen Werkstoffbereich erfolgt. Hierfür ist die Nut-zung von Synchrotronstrahlung – insbesondere in Reflexionsgeometrie – sinnvoll, bei der die eingesetzten Volumenelemente Ortsauflösungen von wenigen hundertstel Mil-limetern erlauben. In vielen praktischen Anwendungen treten jedoch Gradienten in der unmittelbaren Randschicht auf, bei denen eine nochmals feinere Ortsauflösung von wenigen Mikrometern in Tiefenrichtung erwünscht ist. Im Folgenden wird daher auf eine Methode eingegangen, mit der im Rahmen dieser Arbeit versucht werden soll, diese Lücke zu schließen.

2.3.4 Ortsraumverfahren mit probenfesten Masken

Ein Verfahren, welches eine Sonderstellung unter den Ortsraummethoden einnimmt, wurde von PREDECKI, BALLARD und ZHU [6] im Jahr 1993 vorgeschlagen. In der Ar-beit werden theoretische Überlegungen und Berechnungen zum Einsatz röntgenabsor-bierender Masken für die Analyse von Eigenspannungen von der unmittelbaren Rand-schicht bis in eine Tiefe von etwa 30 µm diskutiert. Anders als bei den bereits be-schriebenen Ortsraumverfahren werden hier keine ortsfesten Blenden bezüglich des Strahlengangs im Diffraktometer verwendet, sondern probenfeste Maskensysteme. Tiefen- bzw. laterale Scans mit Hilfe der Goniometerachsen X, Y und Z sind somit nicht möglich. Da der Ansatz von PREDECKI die Grundlage für die praktische Umset-zung des Verfahrens in dieser Arbeit bildet, wird er im Folgenden detailliert erläutert.

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Das vorgeschlagene Verfahren basiert auf der Anwendung hochgradig absorbierender Schlitzmasken, welche definierte Werkstoffbereiche in der Probe ausblenden und so das Beugungsvolumen limitieren. Die Masken sind u.a. angelehnt an Blendensysteme, welche in [67] für ortsaufgelöste Spannungsmessungen mit Neutronen verwendet wurden. Der Ansatz verspricht einerseits die Ermittlung von Eigenspannungen in der unmittelbaren Oberfläche durch eine geometrische Begrenzung der Eindringtiefe un-ter Anwendung des so genannten Maskentyps I. Andererseits sollen mit Hilfe des Maskentyps II Eigenspannungstiefenverteilungen σ(z) durch Definition kleiner Volu-menelemente im Probenmaterial zerstörungsfrei ermittelt werden.

Die Limitierung der Eindringtiefe beim Maskentyp I erfolgt über eine direkt auf die Probeoberfläche aufgebrachte, stark absorbierende Schicht, in die in definierten Ab-ständen längliche Schlitze eingebracht sind. Ziel der partiellen Abschattung ist, In-formationen aus tieferliegenden Bereichen zu absorbieren und auf diese Weise ober-flächennahe Gitterdehnungen innerhalb eines großen ψ-Winkelbereichs zu erfassen. Durch Anwendung der sin2ψ-Methode können daraus die Randspannungen berechnet werden. Dieser Ansatz wird von PREDECKI als Alternative zu Messungen unter strei-fendem Einfall (GIXD) vorgeschlagen, bei denen verfahrensbedingt keine ψ-Winkel nahe 0° eingestellt werden können.

Abbildung 2.10: Mittels Maskentyp I limitierte Messvolumina in einer Dünnschichtpro-be (Layer 1) und im Substrat (Layer 2) für den Fall ψ = 0°. [6]

In Abbildung 2.10 ist eine Maske des Typs I – aufgebracht auf eine Dünnschichtprobe – im Querschnitt für ψ = 0° darstellt. Als Maskenwerkstoff wird Gold oder Uran vor-

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geschlagen, um eine möglichst dünne Absorberschicht sowie eine Schwächung der Primärintensität von mindestens 99 % zu realisieren. Das zu untersuchende Werk-stoffvolumen (Layer1) beginnt an der unmittelbaren Oberfläche und reicht bis in eine Tiefe zm, die sich aus Schlitzbreite und Diffraktionswinkeln berechnen lässt. Die Vo-lumenelemente in Layer 2 resultieren aus dem Abstand zweier Schlitze c und befinden sich für den beschriebenen Fall im Substrat. Für Massivproben oder dicke Schichten muss c so gewählt werden, dass die gebeugte Intensität aus Layer 2 vernachlässigbar klein gegenüber der aus Layer 1 ist, da sich andernfalls die Signale beider VE überla-gern. Die geometrische Limitierung der Eindringtiefe erfolgt beim Maskentyp I unab-hängig von Probenmaterial und Wellenlänge, vorausgesetzt, die Absorberschicht ge-währleistet die Anforderungen an die Strahlschwächung bei höheren Energien.

Für die Eigenspannungsanalyse nach der sin2ψ-Methode werden Gitterdehnungen un-ter verschiedenen Kippwinkeln ψ benötigt. Im ω-Modus für ψ ≠ 0° führt dies zu einer Asymmetrie zwischen primärem und sekundärem Strahlengang, was in Abbildung 2.11 a) durch die Detailansicht eines VE in Layer 1 skizziert ist. Durch entsprechende Anpassung der Schlitzbreite sollen gemäß [6] Ortsauflösungen < 2 µm möglich sein. Im Zusammenspiel mit sukzessivem Materialabtrag lassen sich somit Eigenspan-nungstiefenverläufe σ(z) im Ortsraum aufnehmen, wenn Spannungsänderungen inner-halb der Messvolumina vernachlässigt werden können.

Abbildung 2.11: a) Detailzeichnung eines Messvolumens (Layer 1) des Maskentyps I für den Fall ψ ≠ 0° im ω-Modus. b) Anteil der gebeugten Intensität G(z) aus Layer 1 in Ab-hängigkeit der Schlitzbreite und des Oberflächenabstands. [6]

Durch Variation der Schlitzbreite können mit dem Maskentyp I Beugungsinformatio-nen bis zur maximalen Eindringtiefe τ0(µ,θ) aufgenommen werden. Dabei ist zu be-achten, dass die Messsignale mit zunehmender Breite über einen anwachsenden Tie-febereich gemittelt werden und somit LAPLACE-Verteilungen anstelle von Messgrößen im Ortsraum ermittelt werden. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 2.11 b) darge-

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stellt, wo der Anteil der gebeugten Intensität G(z) aus Layer 1 als Funktion der Tiefe z und der Schlitzbreite w aufgetragen ist. Eine Schlitzbreite von 10000 µm ist gleichbe-deutend mit Messungen ohne Maske. Der ideale (nicht realisierbare) Fall wäre dem-nach, wenn das Beugungsvolumen G(z) aus exakt einer Tiefe kommen würde. Dies ist theoretisch für w → 0 gegeben, wobei gleichzeitig aber das Beugungsvolumen gegen Null geht.

Abbildung 2.12: Mittels Maskentyp II begrenzte Messvolumina in einer Dünnschicht-probe für den Fall ψ = 0°. Die gewünschten Ortsrauminformationen kommen aus Layer 2 während Layer 1 und 3 keine Beiträge zur Gesamtintensität liefern sollen. [6]

Der Maskentyp II, welcher als Basis für das in dieser Arbeit entwickelte Ortsraumver-fahren herangezogen wurde, ist ähnlich aufgebaut wie der Typ I. Wesentlicher Unter-schied ist eine dünne Trägerschicht aus schwach absorbierendem Material (z.B. Kap-ton oder Beryllium) auf der die Absorberschicht abgeschieden wird. Neben der Funk-tion als Maskensubstrat dient sie als Abstandhalter, um Informationen aus Layer 1 zu unterdrücken. Zur Verdeutlichung der Diffraktionsbedingungen ist in Abbildung 2.12 ein Querschnitt des Maskentyps II für ψ = 0° zu sehen. Die Volumenelemente zur Aufnahme der Beugungssignale aus der Probenschicht werden hier durch den Layer 2 definiert, der durch Variation des Abstands zweier Schlitze c und deren Breite die In-formationstiefe za2 bestimmt. Die Position za3 für den Layer 3 ergibt sich dann aus

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dem zweifachen dieses Abstands. Um Signale aus diesen VE zu vermeiden müssen sie im Substrat liegen, wie es in der Grafik skizziert ist. Handelt es sich um eine massive Probe oder ist die untersuchte Schicht sehr dick muss sich Layer 3 ausreichend tief im Werkstoff befinden, sodass die Beeinflussung des Messsignals aus Layer 2 vernach-lässigbar klein ist. Dies kann, wie beim Maskentyp I, über die Distanz zwischen zwei Schlitzen eingestellt werden.

Die Ortsauflösung wird durch die Höhe der VE und somit durch die Breite der Schlit-ze bestimmt. Für die VE-Grenzen zmin und zmax besteht ein linearer Zusammenhang bezüglich c bzw. c + w wie in Abbildung 2.13 a) für einen konstanten 2θ- und ψ-Winkel gezeigt wird. Ändert sich der 2θ-Winkel weil beispielsweise eine andere {hkℓ}-Ebene vermessen werden soll, verändern sich auch die Grenzen der VE. Für kleine Beugungswinkel nähern sich zmin und zmax einander an und wandern Richtung Probenoberfläche, während bei hohen 2θ-Winkeln ein umgekehrtes Verhalten auftritt.

Abbildung 2.13: a) Lineare Abhängigkeit der Ober- und Untergrenzen der Messvolu-mina vom Schlitzabstand bei konstanten Beugungswinkeln. b) Tiefenabhängigkeit der VE als Funktion des ψ-Winkels im ω-Modus bei konstanter Maskengeometrie. [6]

In Analogie zum Maskentyp I sollen für die Anwendung der sin2ψ-Methode Messun-gen im ω-Modus vorgenommen werden, was aufgrund der sich ändernden Beugungs-geometrie zu einer Verringerung der Messtiefe z führt. Wie in Abbildung 2.13 b) skiz-ziert ist, bewegt sich die VE-Position in Abhängigkeit des ψ-Winkels auf einer Kreis-bahn Richtung Probenoberfläche. Um dies zu kompensieren wird eine Anpassung der Röntgenwellenlänge λ und damit des Beugungswinkels 2θ vorgeschlagen. Die Ver-wendung einer Synchrotronstrahlungsquelle ist somit unerlässlich. Ist nun der Span-nungsgradient innerhalb der VE-Grenzen zmin und zmax hinreichend klein, ist gemäß PREDECKI die Ermittlung tiefenaufgelöster Spannungsverteilungen σ(z) möglich, ohne die Notwendigkeit elektrolytischen Materialabtrags.

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Mit einer angestrebten Ortsauflösung < 2 µm und einer Informationstiefe, die von der Oberfläche bis in etwa 30 µm Tiefe reichen kann, hat das beschriebene Verfahren das Potenzial, die Lücke zwischen der bereits beschriebenen Stress-Scannig-Methode mit weißer Synchronstrahlung und den auf die Oberfläche fokussierten GIXD- bzw. her-kömmlichen sin2ψ-Verfahren zu schließen. Zudem bietet das Verfahren die Möglich-keit, LAPLACE-Spannungsprofile und deren Überführung in den Ortsraum mittels ILT zu überprüfen und zu bewerten.

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3 Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände

Zur Entwicklung der im vorangegangenen Kapitel vorgestellten Messmethode werden Probenzustände benötigt, die innerhalb der Eindringtiefe der verwendeten Röntgen-strahlung einen hinreichend steilen Eigenspannungsgradienten aufweisen. Ein weite-res Auswahlkriterium lautet, Werkstoffe mit einer hohen technischen Relevanz einzu-setzen, die sich in der Charakteristik ihrer Eigenspannungstiefenverteilungen und ih-res Absorptionsverhaltens klar unterscheiden. Aus diesen Gründen kommen in den Untersuchungen der Stahl 100Cr6 (Werkstoffnummer 1.3505), die einphasige, homo-gene Ingenieurkeramik Aluminiumoxid (α-Al2O3), sowie Multilagenschichtsysteme aus Titancarbonitrid (TiCN) und α-Al2O3 zum Einsatz.

Die Einstellung definierter Eigenspannungszustände in den Randschichten der Proben erfolgte mittels unterschiedlicher Verfahren zur Oberflächenbearbeitung. Die Auswir-kungen diverser Randschichtbearbeitungsprozesse auf die Eigenspannungsentwick-lung in Stählen und Ingenieurkeramiken ist in zahlreichen Arbeiten untersucht worden [z.B. 7,68-73]. Die Mechanismen der Eigenspannungsentstehung sind im Allgemei-nen verstanden, sodass sich mit Hilfe ausgewählter Verfahren maßgeschneiderte Ei-genspannungsgradienten in die Bauteilrandschicht einbringen lassen. Für den Stahl und die Keramik wurden daher Tiefschleif- und Kugelstrahlbehandlungen mit unter-schiedlichen Parametern eingesetzt. Die Anpassung erfolgte derart, dass stets Prozess-parameter Verwendung fanden, die typisch für die hier verwendeten Werkstoffe sind und somit eine entsprechende technologische Relevanz besitzen. Durch die Para-metervariation konnten unterschiedliche Ausprägungen der Spannungsgradienten er-zeugt werden, die sich im Wesentlichen im Eigenspannungsbetrag und ihrer Tiefen-wirkung widerspiegeln.

Neben den massiven Proben erlauben Multilagensysteme scharf voneinander getren-nte Subschichten bezüglich ihrer Eigenspannungen zu analysieren. Freundlicherweise wurden die Schichtsysteme durch das Institut für Angewandte Materialforschung des Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie zur Verfügung gestellt, wo auch die detaillierte Probencharakterisierung erfolgte. Einige der Ergebnisse werden in dieser Arbeit verwendet und die entsprechenden Stellen durch Zitate kenntlich ge-macht.

3.1 Stahl 100Cr6

Der für die Untersuchungen verwendete Stahl 100Cr6 wurde durch die Firma SKF in Schweinfurt kostenfrei zur Verfügung gestellt, wofür ich herzlich danken möchte. Es wurden 40 scheibenförmige Proben mit einem Durchmesser von 25,4 mm und 4 mm Dicke, sowie Proben für Zugversuch, chemische Analyse und die Bestimmung

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände

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Diffraktionselastischer Konstanten (DEK) gefertigt. Lichtmikroskopische Untersu-chungen zeigen, dass das Gefüge des Stahls im Anlieferungszustand aus Ferrit mit globular eingeformtem Zementit besteht. Zur Herstellung eines definierten, feinkörni-gen Vergütungsgefüges wurde eine Wärmebehandlung mit den folgenden Prozesspa-rametern durchgeführt:

• Austenitisierung im Salzbad bei ca. 850°C

• Haltezeit von 15 Minuten zur vollständigen Umwandlung

• Abschrecken in Öl (Synquench) bei ca. 90°C

• Abkühlung auf Raumtemperatur

• Anlassen bei ca. 165°C für 2 Stunden

Um die Vergleichbarkeit der Gefügezustände sicherzustellen, wurden jeweils zehn Proben im selben Durchlauf wärmebehandelt, wobei die resultierenden Härtewerte zwischen 61 und 62 HRC liegen. Die abschließende Oberflächenbehandlung erfolgte mit vier verschiedenen Bearbeitungsparametern an je einer Wärmebehandlungschar-ge. Tabelle 3.1 gibt eine kurze Übersicht der gewählten Parameter.

Schleifparameter 100Cr6

Probe Schnittgeschw. Schleifscheibe Bemerkung

1.X, 2.X 18,85 m/s CBN: 1A1–250–32–2–76-B126-C50

keine Pendelbewegung, kein Ausfunken

Probe Tiefenschritte Vorschub Zustellung letzter Schliff

1.X 40 0,8 m/min 2 µm Gegenlauf 2.X 20 8,0 m/min 5 µm Gleichlauf

Kugelstrahlparameter 100Cr6

Probe Strahlmittel Intensität Deckungsgrad

3.X Stahl S 110H 0,15 – 0,17 mmA 200 % 4.X Stahl S 230H 0,35 – 0,38 mmA 200 %

Tabelle 3.1: Schleif- und Kugelstrahlparameter für den Stahl 100Cr6.

Zur Herstellung unterschiedlicher Eigenspannungszustände in der Randschicht wur-den jeweils 20 Proben tiefgeschliffen bzw. kugelgestrahlt und dabei je zwei verschie-dene Prozessparameter verwendet. Aufbauend auf den Erfahrungen aus Vorarbeiten über die Eigenspannungsausbildung beim Schleifen von vergüteten Stählen [68] wur-de die Schleifbearbeitung in den mechanischen Werkstätten der Universität Kassel

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände 34

durchgeführt. Das gezielte Einbringen hoher Druckeigenspannungen in die Oberfläche erfordert eine hohe Kühlleistung und die Verwendung einer Schleifscheibe, die den Wärmeeintrag ins Material gering hält. Aus diesem Grund kam eine CBN-Schleif-scheibe (Kubisches Bornitrid) zum Einsatz. Die Proben 1.X wurden bei geringem Spanvolumen mit der doppelten Anzahl von Zustellschritten bearbeitet wie die Proben 2.X mit großem Spanvolumen. Dies sollte zu unterschiedlichen Eigenspannungstie-fenprofilen führen, welche in Kapitel 5 ausführlich diskutiert werden.

Die Kugelstrahlbehandlung erfolgte bei der Firma Metal Improvement Company (MIC) in Unna, wofür ich an dieser Stelle danken möchte. Die Unterschiede in den Spannungsprofilen resultieren hier aus den verwendeten Strahlmitteln und der Strahl-intensität. Für die Proben 3.X wurde ein Stahlgussgranulat mit kleinerem Durchmes-ser (0,30-0,50 mm) eingesetzt als bei den Proben 4.X (0,60-0,85 mm). Zudem lag eine geringere Strahlintensität an (vgl. Tablle 3.1).

3.1.1 Chemische Analyse und mechanische Eigenschaften

Die chemische Analyse des Stahls mittels Funkenspektralanalyse zeigt keine Abwei-chungen vom erwarteten Zustand, wobei die genaue Zusammensetzung in Tabelle 3.2 angegeben ist. Neben den Hauptlegierungselementen Kohlenstoff (0,97 Ma-%) und Chrom (1,43 Ma-%) konnten geringe Anteile weiterer Elemente ermittelt werden, welche sich gemäß Stahlschlüssel [74] im herstellungstechnischen Toleranzbereich befinden.

C Cr Mn Si Cu Ni Fe

0,967 1,430 0,281 0,225 0,148 0,130 Gleichgew.

Tabelle 3.2: Chemische Analyse des Stahls 100Cr6 mittels Funkenspektralanalyse. Die Messwerte sind in Ma-% angegeben.

Zur Ermittlung elastischer und mechanischer Kennwerte kamen zwei Verfahren zum Einsatz. Der Zugversuch lieferte neben Zugfestigkeit, Dehngrenze und Bruchdehnung den E-Modul des gehärteten Stahls. Die makroskopischen elastischen Konstanten wurden zudem mittels Ultraschallmessungen am Institut für Werkstoffkunde I der Uni-versität Karlsruhe bestimmt. In Tabelle 3.3 sind die Ergebnisse aufgeführt. Für die Experimente zur DEK-Bestimmung wird der E-Modul benötigt und dieser ist somit der wichtigste der aufgeführten Materialparameter. Da in den Ultraschalluntersuchun-gen eine deutlich größere Probenanzahl zur Verfügung stand als beim Zugversuch, wird der Mittelwert des E-Modul von sieben Einzelproben zum Einstellen der Last-spannungen verwendet.

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände

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Neben den Messungen der Rockwellhärte unmittelbar nach der Wärmebehandlung wurden Kleinlast- und Mikrohärte-Untersuchungen durchgeführt. Die Ergebnisse der Vickershärteprüfung an einer Probe je Wärmebehandlungscharge zeigen keine signi-fikanten Härteunterschiede zwischen den einzelnen Proben und Messpunkten, sodass ein gemittelter Härtewert von 722 ± 7 HV 1/20 resultiert. Die randschichtbearbeiteten Proben wurden mit Hilfe eines Universalhärteprüfers hinsichtlich Härtegradienten untersucht. Bei keinem der vier betrachten Zustände konnten charakteristische Ände-rungen der Härte mit zunehmendem Abstand zur behandelten Oberfläche festgestellt werden. Der gemittelte Härtewert aus ca. 140 Einzelmessungen beträgt 6280 ± 150 HM 0,15/20 und bestätigt Versuche mit vergütetem 100Cr6 in [75]. Für Stähle wird darin eine empirische Gleichung zur Umrechnung zwischen Universal- und Vickers-härte formuliert, wonach die Proben 794 ± 20 HV 0,015/20 besitzen.

Zugversuch Ultraschall Härtewert

Rm / MPa 1933 Rp0,2 / MPa 1557

A / % 1,475 E / GPa 206 210 ± 6 ν / 1 0,274 ± 0,01

G / GPa 82 ± 3 K / GPa 154 ± 4 ρ / g/cm3 7,72 ± 0,04

61-62 HRC

722 ± 7 HV 1/20

6280 ± 150 HM 0,15/20

HM in HV [75]:

794 ± 20 HV 0,015/20

Tabelle 3.3: Mechanische und elastische Kennwerte des Stahls 100Cr6 aus Zugver-such, Ultraschalluntersuchungen und Härtemessungen nach der Wärmebehandlung.

3.1.2 Gefüge- und Oberflächencharakterisierung

Da sämtliche Stahlproben aus einer Materialcharge stammen und derselben Wärme-behandlung unterzogen wurden, ist die Vergleichbarkeit untereinander gewährleistet. Dies belegen auch Gefügeaufnahmen, die von den unterschiedlich behandelten Proben aufgenommen wurden, sowie röntgenografische Beugungsspektren zur Phasenanaly-se. Die polierten Oberflächen der Proben wurden mittels 2-prozentiger Salpetersäure (Nital) angeätzt und sind über die Probenquerschnitte homogen. Aus diesem Grund können die in Abbildung 3.1 dargestellten Gefügeaufnahmen als allgemein gültig für alle randschichtbearbeiteten Proben angesehen werden. Die beiden Bilder A) und B) zeigen den 100Cr6 im vergüteten Zustand, wobei das Gefüge aus feinen Martensitna-deln und gleichmäßig verteilten, kugelförmigen Mischkarbiden (weiß) sowie Restaustenit besteht. Während des Abschreckens aus dem Austenitgebiet bildet sich zunächst tetragonaler Martensit der in den Bildern weiß erscheint. Durch zweistündi-

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände 36

ges Anlassen bei 165°C wandelt der größte Teil des an Kohlenstoff übersättigten, tetragonalen Martensits in kubischen Martensit um und sieht in den Abbildungen, aufgrund der feinen Ausscheidungen von kohlenstoffarmen ε-Karbid (Fe2C), gräulich bis schwarz aus [76]. Zudem bleibt bei einem Kohlenstoffgehalt von ca. 1 Ma-% auch Restaustenit zurück, der im Bild ebenfalls weiß erscheint und sich an den ehemaligen Austenitkorngrenzen anlagert. Typischerweise kann für derart vergütete Zustände le-diglich die Größe der ehemaligen Austenitkörner angegeben werden. Über die tatsäch-liche Korngröße des vorliegenden Gefüges lässt sich keine verlässliche Aussage tref-fen. Erfahrungsgemäß liegt diese jedoch im Sub-Mikrometerbereich.

Abbildung 3.1: Mikrostruktur des vergüteten 100Cr6. Nach Nital-Ätzung zeigen die Bilder A) und B) das martensitische Grundgefüge mit Restaustenit und Mischkarbiden. Der Volumenanteil der Karbide vom Typ (Fe,Cr)3C wurde mittels Murakami-Ätzung auf 9-10 % bestimmt; Bilder C) und D).

Nach Murakamiätzung kann aus den Bildern C) und D) der Karbidanteil im Gefüge auf 9-10 % bestimmt werden. Die Eisen-Chrom-Mischkarbide vom Typ (Fe,Cr)3C können 15-18 % Chrom enthalten [77,76] was ein Grund für die hohe Verschleißfes-tigkeit des Stahls ist.

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände

37

Da auf Grundlage der mikrostrukturellen Aufnahmen keine Angabe über den Restaus-tenitgehalt getroffen werden kann, wurde dieser mit Hilfe der röntgenografischen Phasenanalyse untersucht. Das verwendete Diffraktometer war mit einer Co-Röhre als Strahlungsquelle, einer Polykapillare als Primäroptik sowie einem Sekundärmono-chromator mit vorgeschaltetem Parallelplattenkollimator und Szintillationszähler aus-gestattet. Des Weiteren wurden Versuche von der Firma Bruker AXS in Karlsruhe durchgeführt und ausgewertet, wofür ich herzlich danken möchte. Dort kam ebenfalls CoKα-Strahlung zum Einsatz, deren primärseitige Divergenz auf 1° limitiert wurde. Ein hochauflösender Liniendetektor sorgte für die notwendige Winkelauflösung.

In Abbildung 3.2 ist exemplarisch für den Werkstoffzustand der 2θ-Scan einer vergü-teten 100Cr6-Probe dargestellt. Neben den Interferenzen des Martensits (M) konnten fünf Gitterebenen des Restaustenits (A) und einige weitere des orthorhombischen Ei-sen-Chrom-Karbids M3C (K) identifiziert werden. Für die aufgenommenen Beu-gungsdiagramme wurden Rietveld-Verfeinerungen durchgeführt, wonach sich ein Restaustenitgehalt von 8-11 % ergibt. Dieser Wert ist jedoch nur für das unbeeinfluss-te Grundgefüge gültig, da die randschichtbearbeiteten Proben aufgrund der einge-brachten plastischen Verformungen während des Schleif- bzw. Kugelstrahlprozesses eine Umwandlung des Austenits in ε-Martensit in den unmittelbaren Oberflächenbe-reichen erfahren. In Kapitel 5.1 sind Tiefenverläufe des Restaustenitgehalts der ge-schliffenen Proben 1 und 2 sowie der kugelgestrahlten Probe 3 dargestellt, die u.a. die Wirktiefe der Bearbeitung widerspiegeln.

2θ / °

Inte

nsitä

t / c

ps

0

5

10

15

20

25

30

35

30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140

K {3

01}

K {3

03}

K {4

01}

K {2

30}

K {1

22}

K {2

21}

K {0

02}

K {1

21}

K {1

23}

K {1

33}

K {2

10}

M {2

00}

M {2

20}

M {1

10}

M {2

11}

A {2

22}

A {2

00}

A {3

11}

A {2

20}

A {1

11}

100Cr6, vergütet

Abbildung 3.2: Das Beugungsspektrum des vergüteten 100Cr6 liefert die genauen Pha-senanteile von Martensit (M), Restaustenit (A) und Mischkarbiden (Fe,Cr)3C (K).

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Neben der Bestimmung des Restaustenitgehalts liefert die Phasenanalyse Informatio-nen über den Volumenanteil der Eisen-Chrom-Karbide (Fe,Cr)3C in den Proben. Da-bei bestätigten die röntgenografischen Untersuchungen mit ca. 10 % die Ergebnisse der Bildanalyse nach Murakamiätzung.

Ergänzend zu den lichtmikroskopischen Aufnahmen fanden Untersuchungen im Ras-terelektronenmikroskop statt, wonach in Abbildung 3.3 A) besonders die feinen Mar-tensitstrukturen deutlich werden. Unterschiede im Grundgefüge der dargestellten Pro-be 2.10 zu den Aufnahmen der drei anderen Zustände konnten erwartungsgemäß nicht gefunden werden. Auch die homogene Verteilung der kugelförmigen M3C-Karbide im Kernbereich ist in den Aufnahmen A) und B) gut zu erkennen. Am oberen Bildrand von B) ist eine weiße, etwa 15 µm dicke Nickelschicht zu sehen, welche zum Schutz der Probenoberfläche aufgebracht wurde, um einer möglichen Kantenverrundung während des Polierens vorzubeugen. Unter der Nickelschicht befindet sich die CBN-geschliffene Oberfläche der Probe 1.5, wobei die Bildebene orthogonal zur Schleif-richtung verläuft und so die Topografie der Oberfläche im Querschnitt zeigt. In der Randschicht tritt ein schwacher Gefügegradient auf, der sich durch eine leicht zeilige Struktur und partielle Karbidvergröberungen äußert. Dies ist vermutlich auf den Wärmeeintrag während der Schleifbehandlung zurückzuführen, da bei den gestrahlten Proben dieser Effekt nicht zu auftritt.

Abbildung 3.3: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen des Vergütungsgefüges in Kern- und Randbereich der Proben 2.10 (A) und 1.5 (B). Beide Bilder zeigen eine sehr homogene Verteilung des Martensits und der Karbide, wobei die Martensitplatten besonders in Bild A) zur Geltung kommen.

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände

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Eine wichtige Einflussgröße auf die Anwendbarkeit der in Kapitel 2.3.4 vorgestellten Schlitzmasken in Beugungsexperimenten ist die Oberflächenbeschaffenheit der Pro-ben. Da die entwickelten Goldmasken (vgl. Kapitel 6) direkt auf der Probenoberfläche aufliegen, kann ihre Topografie erhebliche Fehler in den Messergebnissen hervorru-fen. Auf diesen Aspekt wird bei der Diskussion der Experimente mit Schlitzmasken in Kapitel 7.3.2 näher eingegangen.

Die REM-Aufnahmen in Abbildung 3.4 zeigen deutliche Unterschiede der Oberflä-chenstrukturen der Proben 2.4 (A) und 3.10 (B) nach CBN-Schleif- bzw. Kugelstahl-behandlung. Während die Schleifscheibe relativ scharfe Grate hinterlässt A), sind bei der gestrahlten Probe B) die Spuren der vorangegangenen Schleifbearbeitung stark reduziert. Zwar sind auch hier die Riefen noch zu erkennen, aber die plastischen De-formationen durch den Kugelstrahlprozess haben die Ausprägung der Rauheitsspitzen und -Täler verringert. Vergleichbare Bilder ergaben die Untersuchungen der Proben 1.4 und 4.10, wobei letztere teils deutliche Krater durch Kugeleinschläge aufweist.

Abbildung 3.4: Oberflächenaufnahmen mittels REM der geschliffenen 100Cr6-Probe 2.4 (A) und der kugelgestrahlten Probe 3.10 (B).

Zur Quantifizierung der Oberflächengüte sind in Abbildung 3.5 Falschfarbenplots von vier Stahlproben dargestellt, welche mittels Weißlichtinterferometer aufgenommen wurden. Dabei beträgt die analysierte Fläche jeweils 1,20 x 0,88 mm2. Die obere linke Grafik zeigt die Topografie der geschliffenen Stahlprobe 1.4, bei der die Orientierung der Schleifbearbeitung deutlich zu erkennen ist. Eine optisch etwas geringere Rautiefe weist die ebenfalls geschliffene Probe 2.4 (oben rechts) auf, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass der letzte Schliff im Gleichlauf durchgeführt wurde. Die ku-gelgestrahlte Probe 3.10 (unten links) besitzt die flachste Topografie der vier Zustän-de, da die Rauheitsspitzen durch die Kugeln stark reduziert wurden (vgl. Abbildung 3.4 B). Dieser Effekt zeigt sich zwar auch bei Probe 4.10 (unten rechts), jedoch lag

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hier eine höhere Strahlintensität an, was zu deutlich sichtbaren Kratern auf der Ober-fläche und somit zu einer Erhöhung der Rauheitswerte führt.

Abbildung 3.5: Interferogramme der Oberflächentopografie der Proben 1 bis 4.

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

L

Mitt

enra

uwer

t Ra

/ µm

0

4

8

12

16

Rau

tiefe

Rt /

µm

1.4 2.4 3.10 4.10Q L Q L Q L Q

Mittenrauwert Ra

Rautiefe Rt

Abbildung 3.6: Aus Interferogrammen ermittelte Rauheitsparameter Ra und Rt der Proben 1 bis 4 in Längs- und Querrichtung der (initialen) Schleifbearbeitung.

Für jede der untersuchten Proben wurden u.a. die Mittenrauwerte Ra und die maxima-len Rautiefen Rt aus den Interferogrammen bestimmt. Die in den Balkendiagrammen in Abbildung 3.6 aufgetragenen Mittelwerte resultieren aus mindestens zehn Einzel-messungen in Längs- bzw. Querrichtung der (ursprünglichen) Schleifbearbeitungen. Da sich die maximalen Rautiefen Rt überwiegend proportional zu Ra verhalten, wird im Folgenden nur auf die Mittenrauwerte im Detail eingegangen.

Die Messungen bestätigen die optischen Eindrücke der Interferogramme, wonach die geringsten Rauwerte bei den Proben 2.4 und 3.10 auftreten. In Längsrichtung ergibt sich für beide ein Ra-Wert von etwa 270 nm, wobei die gestrahlte Probe eine geringe-

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re Streubreite besitzt. Quer zur Bearbeitungsrichtung wurden Mittenrauwerte von ca. 600 nm bei der geschliffenen und ca. 500 nm bei der gestrahlten Probe gemessen. Mit etwa 800 nm besitzt Probe 1.4 in Querrichtung 200-300 nm größere Ra-Werte als 2.4 bzw. 3.10. Längs der Schleifriefen hingegen unterscheiden sich ihre Rauwerte kaum von den Zuständen 2 und 3. Die größten Messwerte und Streubreiten treten bei hoher Kugelstrahlintensität auf. Hier beträgt Ra 400 nm in Längsrichtung und etwa 750 nm quer dazu. Die hohen Standardabweichungen der beiden Richtungen sind auf die Wahl der Analysestrecken zurückzuführen, die je nach Position Regionen mit und ohne mehrfachen Kugeleinschlag erfassen können. Somit resultieren Analysestrecken mit geringen und sehr großen Variationen des Rauheitsprofils.

Abschließend wurden Texturuntersuchungen vorgenommen, um mögliche Vorzugs-orientierungen der Kristallite zu identifizieren. Das hierfür verwendete Diffraktometer war mit einer Chrom-Anode, 1 mm Kollimator, quadratischer Blende mit 1° Winkel-akzeptanz und Szintillationszähler ausgestattet. Für keine der drei untersuchten Git-terebenen {110}, {200} und {211} des Martensits, konnte eine kristallografische Vor-zugsorientierung festgestellt werden.

3.2 Oxidkeramik Al2O3

Die keramischen α-Al2O3-Proben wurden freundlicherweise durch das Institut für Ke-ramik im Maschinenbau (IKM) der Universität Karlsruhe gefertigt und kostenfrei zur Verfügung gestellt. Die Herstellung im HIP-Sinterprozess umfasste zunächst 41 Pro-ben mit den Abmessungen 25 x 25 x 4 mm3. Zur Ermittlung Diffraktionselastischer Konstanten wurden in einem zweiten Durchlauf Biegeproben aus demselben Material hergestellt (45 x 11 x 4 mm3). Das Al2O3-Pulver hatte im Ausgangszustand eine mitt-lere Korngröße von etwa 0,5 µm. Zum Einstellen definierter Spannungsgradienten wurden die Proben ebenfalls am IKM mit zwei unterschiedlichen Parametersätzen ge-schliffen, welche sich im Wesentlichen durch den Durchmesser der Diamantkörnung des Schleifmittels unterscheiden. Die Bezeichnungen der gewählten Schleifparameter lauten D25 und D151, wobei Details der Tabelle 3.4 entnommen werden können.

Insgesamt acht der mit der Körnung D25 geschliffenen Proben wurden zudem einer Kugelstrahlbehandlung unterzogen. Hierdurch sollten vier unterschiedliche Eigen-spannungszustände/-gradienten eingestellt werden, die sich vor allem hinsichtlich ih-rer Reichweite bzw. Wirktiefe von den geschliffenen Varianten unterscheiden. Die verwendeten Strahlparameter sind ebenfalls in Tabelle 3.4 aufgeführt. Für die Zustän-de K1 bis K4 wurden Strahlzeit, Strahldruck, Strahlmittel und die Düsenparameter variiert, wobei jeweils zwei Proben unter identischen Bedingungen kugelgestrahlt wurden. Der Parameter HM 0,65 bezeichnet ein Strahlmittel aus Hartmetallkugeln mit 650 µm Durchmesser. Die Abkürzung HMG steht für Hartmetallgranulat, welches

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annähernd Kugelform und einen mittleren Durchmesser von 75 ± 10 µm besitzt. An dieser Stelle sei dem Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik (IWM) in Freiburg gedankt, das die Kugelstrahlbehandlung durchführte. Somit stehen für die Eigenspan-nungsuntersuchungen an der Keramik sechs verschiedene Randschichtbearbeitungszu-stände zur Verfügung, die in Kapitel 5.2 im Detail diskutiert werden.

Schleifparameter Al2O3

Probe Schnittgeschw. Vorschub Zustellung Kühlung Schleifscheibe

D25 D25/C75/Kunstharzbind. D151

30 m/s 23 m/min 4 –6 µm Öl-Wasser-Emulsion D151/C75/Kunstharzbind.

Kugelstrahlparameter Al2O3

Probe Strahlzeit Druck Abstand Strahlmittel Düse

K1 280 s K2 560 s

2 bar 24 mm HMG PE-Flasche

K3 280 s 1,5 bar K4 560 s 2 bar

20 mm HM 0,65 3,0 mm

Tabelle 3.4: Schleif- und Kugelstrahlparameter für die Al2O3-Keramik.

3.2.1 Chemische Analyse und mechanische Eigenschaften

Die chemische Analyse der Keramikproben wurde zunächst mittels energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) vorgenommen. Abgesehen von Aluminium und Sauer-stoff konnten dabei keine weiteren Elemente gefunden wurden. Darüber hinaus kam die röntgenografische Phasenanalyse zum Einsatz, bei der neben der α-Al2O3-Phase keine Interferenzen im Beugungsspektrum auftraten (vgl. Abbildung 3.8), was einer-seits die EDX-Ergebnisse bestätigt und andererseits die sehr hohe Reinheit der Kera-mik verdeutlicht.

Anhand von Mikrohärtemessungen wurden an den verschiedenen Al2O3-Proben Här-teverläufe von der Randschicht bis ins Probeninnere ermittelt, wobei sich ein sehr homogenes Bild ergibt und die Messungen daher zusammengefasst werden können. Der mittlere Härtewert sämtlicher Proben liegt bei 13900 ± 225 HM 2/20 was nach [75] etwa 2150 ± 35 HV 0,2/20 entspricht. Separate Vickershärteuntersuchungen an einer Keramikprobe ergaben vergleichbare Werte von 2330 ± 105 HV 0,2/20.

Mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen wurden die makroskopischen elastischen Kennwerte der Keramikproben am IWK I in Karlsruhe ermittelt. Die Messungen er-folgten an einer gradierten Probe aus dem ersten Herstellungsprozess und einer Bie-geprobe aus dem zweiten Durchlauf. Den experimentellen Daten sind Literaturanga-

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ben aus [78] gegenübergestellt. Die Werte beziehen sich auf α–Al2O3 mit einer Rein-heit größer 99 %, wobei die die Minimalwerte für einen Werkstoff mit hoher Porosität gelten. Aufgrund der experimentell bestimmten Dichtewerte und des hohen E-Modul lässt sich vermuten, dass die Porendichte bei den verwendeten Proben sehr gering ist.

Literatur [78] Ultraschall Härtewert

σB / MPa 300 - 580 HV 10 1700 - 2300 ρ / g/cm3 3,75 - 3,98 3,93 ± 0,02 E / GPa 300 - 380 404 ± 7 ν / 1 0,191 ± 0,01

G / GPa 169 ± 2 K / GPa 218 ± 7

2330 ± 105 HV 0,2/20

13900 ± 225 HM 2/15

HM in HV [75]:

≈ 2150 HV 0,2/15

Tabelle 3.5: Mechanische und elastische Kennwerte der Al2O3-Keramik aus Ultra-schalluntersuchungen, Härtemessungen und Literatur [78].

3.2.2 Gefüge- und Oberflächencharakterisierung

Die Sichtbarmachung der Korngrenzen zur Analyse des Gefüges und der Korngrö-ßenverteilung der Al2O3-Keramik wurde mittels thermischen Ätzens bei 1400°C für 20 Minuten [79] realisiert. Abbildung 3.7 A) zeigt die Mikrostruktur einer kerami-schen Biegeprobe und macht die hohe Homogenität des Gefüges mit Korngrößen zwi-schen etwa 0,3 und 1 µm Durchmesser deutlich. Die Aufnahme steht exemplarisch für einen nahezu einschluss- und porenfreien Werkstoff, was sich gut mit den Ergebnis-sen der Ultraschalluntersuchungen deckt, wonach die maximale theoretische Dichte von 3,98 cm3/g [78] fast erreicht wird. Dies lässt nur ein geringes Porenvolumen zu. Der Vergleich von Gefüge und Korndurchmesser der Biegeproben mit den im ersten Durchlauf hergestellten randschichtbearbeiteten Proben zeigt ein fast identisches Er-scheinungsbild. In den Detailaufnahmen B) und C) ist die Mikrostruktur bzw. eine Bruchfläche der geschliffenen Probe D151 zu sehen. Es handelt sich dabei um einen interkristallinen Spaltbruch, der während der Probenpräparation auftrat. Die freigeleg-ten Körner vermitteln, ergänzend zu B), einen dreidimensionalen Überblick der Korn-verteilung und -größe. In Analogie zur Biegeprobe ergibt die Bestimmung des mittle-ren Korndurchmessers aus B) nach dem Flächenauszählverfahren ca. 0,6 µm. Unter Berücksichtigung der ebenfalls konformen mechanischen Kennwerte und der chemi-schen Zusammensetzung kann dasselbe Werkstoffverhalten vorausgesetzt werden. Diese Aussage ist wichtig für die Übertragbarkeit der aus Lastspannungsuntersuchun-gen ermittelten Diffraktionselastischen Konstanten (DEK). Da ihre Aufbringung mit Hilfe des gemessenen E-Moduls kontrolliert wird, würden unterschiedliche elastische

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Eigenschaften zwischen den gradierten und den Biegeproben zu Fehlern in den mittels DEK berechneten Eigenspannungen führen.

Abbildung 3.7: Mikrostrukturanalyse der α-Al2O3-Keramik mittels REM nach thermi-schem Ätzen. Bild A) zeigt das homogene, porenfreie Gefüge einer Biegeprobe für die DEK-Untersuchungen, welches identisch ist zu dem der kugelgestrahlten und geschlif-fenen Proben B). In Aufnahme C) ist eine interkristalline Bruchfläche dargestellt.

Röntgenografische Phasenanalysen wurden sowohl für die Biege- als auch für die gradierten Proben vorgenommen und zeigen erwartungsgemäß deckungsgleiche Dif-fraktogramme. Exemplarisch für den Werkstoff α–Al2O3 ist in Abbildung 3.8 ein 2θ-Scan dargestellt, aufgenommen am HASYLAB des DESY in Hamburg. Die verwen-dete monochromatische Synchrotronstrahlung hatte eine Wellenlänge äquivalent zu CoKα1 und wurde detektorseitig durch einen 0,15° Parallelplattenkollimator limitiert. Neben der trigonal kristallisierenden Oxidkeramik treten keine weiteren Phasen auf, da sämtliche Interferenzen eindeutig α–Al2O3 zugeordnet werden können. Die stärks-ten Peaks sind im Diagramm mit ihren jeweiligen MILLER’schen Indizes angegeben.

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45

0

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 / °

Inte

nsitä

t / c

ount

s {104

}

{10.

10}

{300

}

{110

}{2

11}

{116

}

{024

}

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}

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}

{226

}

{134

}{0

2.10

}

{312

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23}

{220

}

{119

}

{214

}

{21.

10}

{042

}

α-Al2O3

Abbildung 3.8: Beugungsspektrum einer geschliffenen α–Al2O3-Probe (D151) bei Ver-wendung monochromatischer Synchrotronstrahlung (äquivalent zu CoKα1).

Wie bereits bei den Stahlproben beschrieben hat die Oberflächenbeschaffenheit einen großen Einfluss auf die erzielbaren Ergebnisse in den Ortsraumexperimenten mit Schlitzmasken. Zu ihrer Charakterisierung wurden REM-Aufnahmen der Probenober-flächen angefertigt die einen Eindruck der unterschiedlichen Randschichtbearbeitungen vermitteln. In Abbildung 3.9 sind die Aufsichten einer geschliffenen Keramikprobe D151 A) und einer kugelgestrahlten Probe K3 B) dargestellt. Darin zeigt die mit grober Diamantkörnung (D151) bearbeitete Probe tiefe Schleifriefen und großflächige Materi-alausbrüche, was ihre Verwendbarkeit für die Ortsraummetoden stark einschränkt. Die kugelgestrahlte Probe K3 besitzt hingegen eine wesentlich flachere Topografie. Wie bei allen gestrahlten Zuständen ging diesem Prozess eine Schleifbearbeitung mit feinem Diamantkorn (D25) voraus, weshalb die Schleifriefen in B) zwar geglättet aber noch deutlich zu erkennen sind. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen den gestrahlten Zu-ständen wird auf die Darstellung weiterer REM-Aufnahmen verzichtet. Lediglich die Probe K4 zeigt bereits erste Oberflächenschädigungen in Form von kleinen Ausbrü-chen, die sich auf die hohe Strahlintensität zurückführen lassen. Dies ist auch in den Falschfarbenplots der Abbildung 3.10 zu erkennen, die mittels Weißlichtinterferometer ermittelt wurden.

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Abbildung 3.9: Oberflächenaufnahmen mittels REM der geschliffenen Al2O3-Probe D151 (A) und der kugelgestrahlten Probe K3 (B).

Abbildung 3.10: Oberflächentopografie der kugelgetrahlten Al2O3-Proben K3 und K4, sowie der geschliffenen Zustände D25 und D151, aufgenommen mittels Weißlichtinter-ferometer.

Wie bereits aus den REM-Aufnahmen hervorgeht unterscheiden sich die kugelgestrahl-ten Zustände deutlich von der grob geschliffenen Probe D151, deren Interferogramm rechts unten zu sehen ist. Ihre Oberfläche wurde aufgrund des groben Diamantkorns erheblich geschädigt, was durch die entstandenen Krater (blaue Bereiche) deutlich wird. Hieraus resultieren große Streuungen bei den ermittelten Rauheitswerten die nahezu im Bereich der Messwerte selbst liegen. Sehr homogen ist hingegen die Topo-grafie der fein geschliffen Probe D25 (links unten), sowie beim kugelgestrahlten Zu-stand K3 (links oben). Messtechnisch treten quasi keine Unterschiede zwischen diesen beiden Zuständen auf (vgl. Abbildung 3.11), obwohl die Oberflächen bei den gestrahl-

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ten Proben aufgrund Glättung der Schleifriefen in den REM-Aufnahmen etwas homo-gener und glatter erscheinen. Weiterhin zeigt das Interferogramm der Probe K4 (rechts oben) den direkten Einfluss der stärkeren Strahlintensität auf die Oberflächenstruktur der Keramikproben. Hier ist bereits eine Schädigung der Oberfläche in Form kleiner Grübchen erkennbar, die im Diagramm blau erscheinen.

L Q L Q L Q L Q L Q L Q0,0

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0

2

4

6

8

10

Mitt

enra

uwer

t Ra

/ µm

Rau

tiefe

Rt /

µm

D25 D151 K1 K2 K3 K4

Mittenrauwert Ra

Rautiefe Rt

Abbildung 3.11: Aus Interferogrammen ermittelte Rauheitsparameter Ra und Rt der Proben K1, K2, K3, K4, D25 und D151 in Längs- und Querrichtung der (initialen) Schleifbearbeitung.

Zur quantitativen Analyse der Oberflächengüte wurden die Ra und Rt-Werte für die sechs randschichtbearbeiteten Proben ermittelt, indem für jeden Oberflächenplot min-destens zehn Messstrecken in Längs- und Querrichtung der (ursprünglichen) Schleif-bearbeitung definiert wurden. Die Ergebnisse sind als Balkendiagramme in Abbildung 3.11 aufgetragen, wobei analog zu den Stahlproben meist eine proportionale Abhän-gigkeit zwischen den Mittenrauwerten Ra und der maximalen Rautiefe Rt auftritt.

Für jeden der sechs Zustände liegt Ra in Querrichtung etwa 30-60 nm über den Werten in Schleifrichtung, bei der jedoch stets die größeren Streubreiten ermittelt wurden. Dabei weisen sowohl die Proben D25 und K3 als auch die mit kleinen Oberflächen-schädigungen übersäte Probe K4 Ra-Werte von etwa 150 nm quer und ca. 100 nm längs der Schleifriefen auf. Da sich auch die maximalen Rautiefen der drei Proben kaum unterscheiden bedeutet dies, dass die Grübchen des Zustands K4 zu klein sind um ihre Rauwerte signifikant zu beeinflussen. Geringfügig höhere Rauheiten besitzen die Proben K1 und K2 mit ca. 150 nm in Schleifrichtung und 230 bzw. 175 nm quer dazu, was vermutlich an der Art des verwendeten Strahlmittels liegt. Während bei K1 und K2 ein Hartmetallgranulat (HMG) mit kugelähnlicher Form und einer Durchmes-serverteilung von 75 ± 10 µm zum Einsatz kam, wurden K3 und K4 mit Hartmetall-kugeln gestrahlt die einen Durchmesser von 650 µm besitzen (vgl. Tabelle 3.4). Die

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kleine Partikelgröße des Granulats scheint somit eher zu einer Aufrauung der Oberflä-che zu führen, als die großvolumigen Kugeln mit relativ geringem Krümmungsradius.

Die grob geschliffene Probe D151 zeigt in guter Übereinstimmung mit Interferogramm und REM-Aufnahmen die mit Abstand größten Rauheiten. Die Mittenrauwerte liegen um 500 nm, wobei die Streubreite in Längsrichtung bereits ± 350 nm beträgt. Da eine inhomogene, zerklüftete Oberflächentopografie zu deutlichen Fehlern in der Analyse-tiefe bei den Experimenten mit Schlitzmasken führen kann, eignen sich die gestrahlten und fein geschliffenen Proben deutlich besser als die Proben D151.

Um für die Keramikproben eine kristallografische Vorzugsorientierung ausschließen zu können, wurden Texturmessungen an den Gitterebenen {104}, {113}, {116}, {300} und {220} mit CrKα-Strahlung durchgeführt. Dabei kamen ein 1 mm Kollima-tor und eine 1°-Blende mit quadratischer Öffnung zum Einsatz. Die Auswertung er-gibt für jeden der sechs vermessenen Probenzustände eine nahezu regellose Vertei-lung der Kristallitorientierungen.

3.3 Multilagenschichtsystem

Das untersuchte Multilagenschichtsystem (MLSS) besteht aus einem Woframkarbid-Substrat (WC) und verschieden Hartstoffschichten, wie sie typischerweise bei moder-nen Wendeschneidplatten eingesetzt werden. Die Probe besitzt Außenabmessungen von 16 x 16 x 5 mm3, wobei das Schichtsystem auf dem Substrat eine Gesamtdicke von 23 µm aufweist. Die einzelnen Subschichten wurden durch chemische Abschei-dung aus der Gasphase (CVD) aufgebracht. Das Schichtpaket besteht im Wesentli-chen aus drei Lagen α-Al2O3 mit jeweils etwa 5 µm Dicke, die durch dünne Zwi-schenschichten voneinander getrennt sind. Weitere Hartstoffschichten aus TiCN (ca. 4,5 µm) und TiN dienen zur idealen Anbindung an das WC-Substrat. In Abbildung 3.12 B) ist die lichtmikroskopische Aufnahme eines Kalottenschliffs dargestellt, mit dessen Hilfe die genaue Bestimmung der Einzelschichtdicken durch den Hersteller erfolgte.

Für die experimentellen Untersuchungen der Spannungszustände mit LAPLACE- und Ortsraummethoden sind vor allem die Al2O3-Subschichten interessant, da sie während des Schneideinsatzes die höchsten mechanischen und thermischen Beanspruchungen erfahren. Ihre Eigenschaften wie Verschleißfestigkeit oder Härte lassen sich durch mechanische Oberflächenbehandlung positiv beeinflussen, weshalb die Probenober-fläche, mit dem Ziel Druckeigenspannungen in die oberste Al2O3-Schicht einzubrin-gen, kugelgestrahlt wurde. Dieser Prozessschritt bewirkt zudem die komplette Entfer-nung des obersten TiN-Layers, und führt zu einer grobmaschigen Rissstruktur im Al2O3, wie sie in Bild A) der Abbildung 3.12 zu sehen ist.

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Untersuchungswerkstoffe und Probenzustände

49

Abbildung 3.12: Lichtmikroskopische Aufnahmen der Oberfläche des MLSS (A), sowie eines Kalottenschliffs zur Schichtdickenbestimmung beim Hersteller (B).

Untersuchungen bezüglich Oberflächentopografie, Mikrostruktur, Korngrößenvertei-lung oder Textur wurden an dieser Probe nicht durchgeführt, jedoch lässt sich auf-grund von Ergebnissen ähnlich hergestellter Proben [42] eine schwache Fasertextur mehrerer Gitterebenen vermuten. Da zudem die Oberfläche des MLSS augenschein-lich deutlich glatter ist als die der fein geschliffenen Proben D25, kann eine uneinge-schränkte Verwendbarkeit für die Ortsraummethoden mit Masken angenommen wer-den.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 50

4 Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

Zur Berechnung exakter Eigenspannungswerte ist die Kenntnis der ebenenabhängigen Diffraktionselastischen Konstanten (DEK) s1

{hkℓ} und ½s2{hkℓ} von entscheidender Be-

deutung. Im Gegensatz zu den makroskopischen elastischen Konstanten berück-sichtigen die ebenenabhängigen DEK das anisotrope elastische Verhalten der Kristal-lite im Werkstoff in unterschiedliche Raumrichtungen. Da bei der röntgenografischen Spannungsanalyse ebenen- und phasenselektiv gemessen wird, sind die gemessenen Gitterdehnungen vor diesem Hintergrund zu bewerten. Die DEK können entweder unter Aufbringung definierter Lastspannungen in Beugungsexperimenten ermittelt oder mit Hilfe von Kopplungsmodellen aus Einkristallkoeffizienten berechnet werden.

Für die Gruppe der Stähle existiert eine große Anzahl von Untersuchungen, die sich mit der experimentellen Ermittlung von DEK-Werten beschäftigen. Gegenüberstel-lungen dieser Ergebnisse mit berechneten DEK zeigen dabei meist gut Übereinstim-mungen von Experiment und Berechnung [11]. Da es sich bei vergütetem 100Cr6 um einen Werkstoff aus Ferrit bzw. Martensit, Restaustenit und Karbiden handelt, soll der Einfluss der Mehrphasigkeit auf die DEK experimentell unter Aufprägung positiver und negativer Lastspannungen untersucht werden.

Im Fall der Keramik α-Al2O3 ist die Durchführung experimenteller Untersuchungen deutlich anspruchsvoller. Aufgrund des sehr spröden Materialverhaltens können Last-spannungen nur mittels 4-Punkt-Biegung aufgebracht werden, wobei eine große An-zahl von Proben verwendet werden sollte, um die experimentell bedingt streuenden Messdaten statistisch ausreichend erfassen zu können. Aus zeitlichen Gründen konn-ten jedoch nur zwei Proben bei verschiedenen Laststufen vermessen werden, was sich in großen Fehlerbalken der experimentellen Ergebnisse widerspiegelt. Es ist aus die-sem Grund vor allem für die Keramik interessant die DEK auch rechnerisch zu bestimmen.

Hierfür wurde im Rahmen dieser Arbeit das Computer-Programm DECcalc entwi-ckelt [80]. Es dient im Wesentlichen zur Berechnung Diffraktionselastischer Kon-stanten aus Einkristallkoeffizienten für einphasige untexturierte Materialien beliebiger Gittersymmetrie. Die Umsetzung der Software erfolgte in der Programmierumgebung von Matlab. Neben der Lösung mathematischer Probleme und den umfangreichen Möglichkeiten der grafischen Ergebnisdarstellung erlaubt diese das Erstellen und Auf-rufen von Funktionen und Skripten (m-Files) sowie das Einbinden bereits vorhande-ner Funktionen aus den Matlab-Bibliotheken. Ferner gibt es Schnittstellen um C-Code einzubinden, sowie einen Compiler, um von Matlab unabhängig lauffähige Program-me zu erstellen.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

51

4.1 Entwicklung des Computer-Programms DECcalc

Das entwickelte Programm ist in der Lage für verschiedene Gitterebenen die elasti-schen Konstanten s1

{hkℓ}, ½s2{hkℓ}, E{hkℓ} und ν{hkℓ} zu berechnen. Zudem werden die

makroskopischen elastischen Konstanten E-Modul, Schubmodul und Kompressions-modul, sowie die Querkontraktionszahl und die VOIGT’schen Konstanten s1 und ½s2 angegeben. Zur Berechnung von DEK und anderen elastischen Konstanten aus Ein-kristallkoeffizienten cij müssen Annahmen über die Kopplung der Einzelkristallite im Verbund getroffen werden. Die wohl bekanntesten Modelle sind die Annahmen nach VOIGT [30], REUSS [31] und ESHELBY/KRÖNER [32,33], wobei VOIGT von einer ho-mogenen Dehnung aller Kristallite unabhängig von ihrer Orientierung ausgeht, was nicht zulässige Spannungssprünge an den Korngrenzen zur Folge hat. REUSS setzt hingegen eine homogene Spannung in allen Körnern voraus, wonach für unterschied-liche Orientierungen eine Richtungsabhängigkeit der Dehnungen in den Einzelkristal-liten resultiert. Dies führt jedoch zu Dehnungsinkompatibilitäten die sich in Form von Poren oder Überlappungsbereichen an den Korngrenzen äußern. Nach HILL [81] be-schreiben die beiden Modelle die Extrema der Einkristallkopplung, wobei das reale Materialverhalten zwischen diesen Grenzen angesiedelt ist. Aus diesem Grund schlug HILL vor, das arithmetische Mittel von VOIGT und REUSS zu verwenden, was oftmals eine hohe Übereinstimmung zum realen Werkstoffverhalten zeigt. Obwohl das Ver-fahren auf keinem physikalisch begründeten Modell basiert, besitzt es durch seine ein-fache Anwendbarkeit einen großen praktischen Nutzen. Sehr ähnliche Werte liefert meist das Kopplungsmodell nach KRÖNER [33], welches auf Vorarbeiten von ESHEL-

BY [32] aufbauend formuliert wurde und einen kugelförmigen oder elliptischen ani-sotropen Einschluss in einer elastisch isotropen Umgebung zu Grunde legt. Bei die-sem Modell sind Spannungen und Dehnungen an der Grenzfläche von Einschluss und Matrix miteinander kompatibel. Die Anpassung des Einschlusses an die Matrix liefert die makroskopischen elastischen Konstanten G (Schubmodul) und K (Kompressions-modul) des Vielkristalls und wurde von KRÖNER für kubische Werkstoffe berechnet. Zur Berechnung von G und K für texturierte Materialien mit geringerer Kristallsym-metrie erweiterte KNEER [82] das Verfahren durch eine rechnergestützte Iterationsrou-tine. BEHNKEN [83] nutzte dieses Prinzip später zur Berechnung Diffraktions-elastischer Konstanten für beliebige Kristallsymmetrien. Diese beiden Publikationen bilden die Grundlage für die Entwicklung des Rechnerprogramms.

Zur Verdeutlichung der Funktionsweise der entwickelten Software sind in Abbildung 4.1 die wesentlichen Programmteile (m-Files) und Berechnungsabschnitte dargestellt. Die Schnittstelle zwischen Benutzer und Software bildet die grafische Eingabemaske (GUI.m) in der alle für die Berechnung der DEK notwendigen Informationen eingege-ben bzw. ausgewählt werden müssen. Hierzu zählen die Materialauswahl, die Eingabe

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 52

der MILLER’schen Indizes und die Wahl der Grafikausgabe. Die Eingabeparameter werden an das Hauptprogramm (DECmain.m) übergeben, das nun das Unterprogramm SCDreadout.m aufruft, um die Einkristallkoeffizienten cij, das Kristallsystem und die Gitterparameter des gewählten Materials aus der Datenbank einzulesen. Bei der Ab-folge der anschließenden Berechnungsschritte wurde das von BEHNKEN [83] publi-zierte Iterationsverfahren verwendet, welches zunächst die Berechnung erster Nähe-rungswerte für Schub- und Kompressionsmodul nach den Modellen von VOIGT und REUSS vorsieht. G und K werden nun schrittweise an die KRÖNER’sche Lösung ange-passt, wobei ihre Werte nach etwa 30–200 Durchläufen konvergieren [80].

Graphical User Interface: GUI.m

Eingabe

Plot-Auswahl

{hkl}-Eingabe

Materialauswahl Materialdatenbank

2D- und 3D-Plots

DEK-Tabelle

Materialname

Ausgabe

Daten Export:ACSII-Datei mit allen

elastischen Konstanten

Berechnen

inv_isoTensor_9x9.m

DECcalc.m

Subroutinen

SCD_readout.m

matrix_6to9.m

isoTensor_9x9.m

inv_matrix_6to9.m

Main: DECmain.m

Berechnung der Inversen s = c-1

Näherungswerte für G und K mitHilfe der Invarianten von c und sIterative Bestimmung von G und Kgemäß der Kröner'schen Lösung

DEK-Berechnung mit Hilfe derModelle von Voigt, Reuss und Kröner

Aufbau der Ergebnismatrizes für diegrafische und tabellarische Ausgabe

Abbildung 4.1: Schematischer Programmaufbau von DECcalc. Ausgehend von der Benutzeroberfläche werden nach der Definition der Eingabegrößen die Haupt- und Unterprogramme aufgerufen, die die berechneten elastischen Konstanten für die Ausgabefelder liefern.

Die Berechnung der orientierungsabhängigen Diffraktionselastischen Konstanten s1 und ½s2 isotroper Werkstoffe erfolgt im Unterprogramm DECcalc.m nach den Model-len von VOIGT, REUSS und KRÖNER. Dabei gelten unabhängig vom Kopplungsmodell die folgenden Beziehungen [83]:

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

53

( )lkkljiijkl21

1 γγδγγ −= as (4.1)

( )kllkjiijkl21

221 3 δγγγγ −= as (4.2)

Hierin sind die Tensorkomponenten aijkl die Steifigkeitskoordinaten im Kristallsystem und δkl das Kroneckersymbol. Die Messrichtungen im Kristallsystem werden durch γi beschrieben und hängen vom Azimutwinkel ρ und Polarwinkel η ab:

( ) ργ cosH1212

1 −=

( ) ργ sinH1212

2 −= ηγ cosH3 == (4.3)

Die Raumwinkel durchlaufen dabei die Bereiche 0 ≤ ρ ≤ 2π, was einer Drehung um den Äquator entspricht, sowie 0 ≤ η ≤ π, welcher die Winkel zwischen Nord- und Südpol markiert. Zur vereinfachenden Darstellung der DEK werden meist symmetrie-spezifische Orientierungsparameter verwendet, die mit den Raumwinkeln und den MILLER’schen Indizes in Beziehung stehen. Für beliebige Kristallsysteme werden die-se Zusammenhänge in [11] angegeben. Bei kubischer Symmetrie hängen die DEK nur vom Parameter 3Γ (Gamma) ab und bei trigonaler Struktur (z.B. Al2O3) lauten sie H (Eta) und P (Rho). Somit lassen sich die DEK mit zweifacher Parameterabhängigkeit als Kurvenschar im Orientierungsraum darstellen (vgl. Abbildung 4.3).

Für die Berechnung der DEK nach den Modellen von VOIGT, REUSS oder KRÖNER wird der Tensor a in den Gln. (4.1) und (4.2) durch die folgenden Ausdrücke ersetzt:

( )ijkl1

ijkl−= ca (VOIGT) (4.4)

ijklijkl sa = (REUSS) (4.5)

( )ijklijklijkl tSa += (KRÖNER) (4.6)

Die Berechnung des isotropen Tensors c in Gl. (4.4) erfolgt über die zwei Tensor-invarianten der Einkristallmoduln cijkl, wohingegen in Gl. (4.5) sofort die Einkristall-steifigkeiten sijkl eingesetzt werden können. Die Berechung nach KRÖNER erfordert zunächst die Kenntnis der elastischen Polarisierbarkeit t des kugelförmigen Einschlus-ses, dessen Spannungszustand sich aufgrund seiner abweichenden elastischen Kon-stanten bezüglich der umgebenden Matrix von dieser unterscheidet. Es wird also je nach Orientierung des Einschlusses die Steifigkeit des Einschluss-Matrix-Systems erhöht oder herabgesetzt, wobei sich die gemittelte Polarisierung über alle Raumrich-tungen kompensieren muss ( 0ijkl =t ). Dieser Zusammenhang wird von KRÖNER [33] eingehend beschrieben und in der Iterationsroutine von DECcalc zur Berechnung von t angewandt, sodass nun für alle drei Kopplungsmodelle die DEK und weitere elasti-sche Konstanten berechnet werden können.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 54

Die resultierenden Matrizes werden einerseits in einer Ergebnistabelle konzentriert und auf der Benutzeroberfläche (GUI.m) ausgegeben. Diese kann über eine Export-funktion als Tab-separierte Textdatei (*.DEC) gespeichert werden. Andererseits be-steht die Möglichkeit der grafischen Ausgabe als 2D- und / oder 3D-Plots in separaten Fenstern, wobei sich die Diagramme in vielen gängigen Formaten ablegen lassen.

4.2 DEK-Berechnung mittels DECcalc

Zur Darstellung der elastischen Anisotropie der Versuchswerkstoffe sind in Abbil-dung 4.2 die E-Moduln in unterschiedliche Raumrichtungen der Elementarzellen des kubischen Ferrits und der trigonalen Keramik α-Al2O3 über den Raumwinkeln η und ρ in Polarkoordinaten aufgetragen. Ferrit besitzt die drei unabhängigen Einkristallmo-duln c11, c12 und c44 [84] deren Zahlenwerte in Tabelle A.1 (Anhang) zu finden sind. Die 3D-Grafik für α-Eisen (links) zeigt die höchste Steifigkeit für die {hhh}-Ebenen, also entlang der Raumdiagonalen und die geringste in Richtung der Achsen für die Ebenen {h00}. Die mit Hilfe der Einkristallkoeffizienten berechneten Elastizitätsmo-duln liegen zwischen 132 und 282 GPa und stimmen gut mit experimentellen Ergeb-nissen [85] und berechneten Daten [84,26] überein.

Abbildung 4.2: Aus Einkristallkoeffizienten cij berechnete elastische Anisotropie der Elementarzellen (E-Modul) der Untersuchungswerkstoffe 100Cr6 (Ferrit) [84] und α-Al2O3 [86].

In der rechten Grafik sind die E-Moduln der trigonalen Elementarzelle der Al2O3-Keramik dargestellt, deren Berechnung unter Verwendung der sechs unabhängigen Einkristallmoduln c11, c33, c44, c12, c13 und c14 [86] erfolgte und welche ebenfalls in Tabelle A.1 aufgeführt sind. Die berechneten Elastizitäten variieren zwischen 339 und

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

55

460 GPa, wobei die maximalen Werte bei den {00ℓ}-Ebenen auftreten. Die Ergebnis-se in der Grafik zeigen eine sehr hohe Übereinstimmung mit berechneten E-Moduln in [87], jedoch werden darin nur Polwinkel bis η = 45° betrachtet, weshalb die Mini-malwerte von 339 GPa nicht ganz erreicht werden. Diese treten erst bei η = 53° bzw. 127° auf und sind aufgrund der Kristallsymmetrie wechselweise und in äquidistanten Azimutwinkelschritten ∆ρ = 60° ober- bzw. unterhalb des Äquators angesiedelt.

3,5

Reuss vs. Voigt

024

2,5

3,0

4,0

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1-0,8

-0,6

-0,4

H

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1

H

Kröner vs. Voigt

0,250,1; 0,40,0; 0,5; 1,00,6; 0,90,75

Voigt{hkl}

P:

4

5

6

7

8

9

10

111/2s2 Voigt, Reuss, Kröner

1/2s

2 / 10

−6 M

Pa−

1

VoigtReussHillKröner{hkl}

0 0,2 0,4 0,6 0,8 1−3

−2

−1

s 1 / 10

−6 M

Pa−

1

1/2s

2 / 10

−6 M

Pa−

1s 1 /

10−

6 MPa

−1

416

104

116113

300 416104

116113

300

024

416104

116113300

024

416 104

116113300

024

222

211

310

200

222211

310200

Abbildung 4.3: Berechnete DEK s1

{hkℓ} und ½s2{hkℓ} der Werkstoffe Ferrit [84] und

α-Al2O3 [86] als Funktion ihrer Orientierungsparameter 3Γ bzw. Η und Ρ.

In Abbildung 4.3 sind die DEK s1{hkℓ} und ½s2

{hkℓ} der beiden Versuchswerkstoffe in Abhängigkeit ihrer Orientierungsparameter, welche wiederum von der betrachteten {hkℓ}-Ebene abhängen, dargestellt. Für das kubische Kristallsystem sind die DEK eine Funktion des Parameters 3Γ, wobei 3Γ = 0 den {h00}-Ebenen entspricht und der Wert 1 den Ebenen {hhh}. Zwischen diesen Extrema ist das Verhalten der DEK line-ar. Als Grenzannahmen gelten die Modelle nach REUSS und VOIGT, wobei letzteres keine Orientierungsabhängigkeit berücksichtigt. Das arithmetische Mittel dieser bei-den liefert die DEK nach HILL, welches, zusammen mit dem Modell nach KRÖNER, am besten das reale Werkstoffverhalten beschreibt. Die in der Praxis wichtigste Git-terebene für die Spannungsanalyse am Ferrit ist die {211}-Ebene, die sich im Dia-gramm nahe des Schnittpunkts der Kopplungsmodelle befindet. Sie besitzt die glei-chen DEK-Werte wie die {110}- und die {220}-Ebene deren Orientierungsparameter

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 56

mit dem der {211}-Ebene identisch sind. Von hier ausgehend fächern die DEK der verschiedenen Modelle auf und zeigen für die {h00}-Ebenen die größten Unterschie-de. Der Vergleich der berechneten Konstanten mittels DECcalc mit solchen aus [83] zeigt erwartungsgemäß eine nahezu exakte Übereinstimmung, da sich die dort zugrunde gelegten Einkristallkoeffizienten [88] kaum von den aktuellen Datensätzen [84] dieser Arbeit unterscheiden.

Die DEK trigonaler Materialien werden über den Orientierungsparametern H und P aufgetragen. Aufgrund ihrer Kristallsymmetrie entsteht eine Periodizität von P in 120° Schritten wobei P = 0 für ρ = 0° steht und P = 1 für ρ = 120°. Für Al2O3 wird dies im mittleren (REUSS) bzw. rechten Diagramm (KRÖNER) von Abbildung 4.3 deutlich, in dem die unterschiedlichen Werte von Ρ mit Hilfe von Kurvenscharen beschrieben werden. Auch hier bilden REUSS und VOIGT wieder die Grenzannahmen, während HILL (nicht dargestellt) und KRÖNER kaum Unterschiede in den berechneten Werten zeigen. Die verwendeten Gitterparameter a und c, welche zur Berechnung der Positio-nen der {hkℓ}-Ebenen im Orientierungsraum dienen, wurden [72] entnommen. Grundlage für die Berechung der DEK sind neben den Gitterkonstanten die schon für Abbildung 4.2 verwendeten Einkristallkoeffizienten von GLADDEN et. al., die in ihrer Publikation [86] einen langjährigen Vorzeichenfehler der Konstanten c14 von –22 GPa auf +22 GPa korrigieren. Obwohl ihr Absolutwert, verglichen mit den anderen Kon-stanten, sehr klein ist, treten beispielsweise Differenzen von etwa 14 % nach dem KRÖNER’schen und sogar über 30 % nach dem REUSS’schen Modell für ½s2 der {024}-Ebene bezogen auf DEK-Werte auf, die mit negativem c14 [89] berechnet wur-den. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Ergebnisse einer Spannungsanalyse an den betreffenden Gitterebenen aus, was beispielsweise in [90] diskutiert wird. Folglich sind im Vergleich zu [91] deutliche Unterschiede der DEK für die Al2O3-Keramik zu erwarten, die sich in der Vertauschung der Iso-Kurven des Parameters P äußern: Wäh-rend bei negativem c14 die maximale Hüllkurve für ½s2 durch P = 0,25 beschrieben wird, bildet sie bei positivem Wert die untere Grenze. Für P = 0,75 verhält es sich ge-nau umgekehrt. Dementsprechend verändern sich die DEK-Werte der Ebenen die auf diesen Kurven liegen, sodass für bspw. {024} oder {104} die größten Unterschiede resultieren. Lediglich die Ebenen, die durch P = 0; 0,5 oder 1 beschrieben werden, z.B. {hk0} oder {hhℓ}, erfahren keine Änderung. Eine analoge Vertauschung der Iso-Kurven kann für s1 beobachtet werden.

Eine Übersicht der berechneten Konstanten s1{hkℓ} und ½s2

{hkℓ} für Ferrit und α-Al2O3 ist im Anhang in Abbildung A.2 gegeben, wobei die Gitterebenen unter Berücksichti-gung ihrer Relevanz für die Spannungsanalyse ausgewählt wurden und nach anstei-gendem Beugungswinkel sortiert sind.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

57

4.3 Experimentelle DEK Bestimmung

Anhand von Lastspannungsuntersuchungen wurden ebenenspezifische DEK s1{hkℓ}

und ½s2{hkℓ} sowohl für den Stahl als auch für die Keramik ermittelt. Beim 100Cr6

kamen hierfür eine Zug- und eine Druckprobe zum Einsatz, welche mittels spezieller Lastvorrichtungen bei unterschiedlichen Referenzspannungen insitu im Diffraktome-ter vermessen wurden. Die Lastspannungen der Zug- und der Druckprobe wurden in 60-MPa-Schritten beginnend bei ± 480 MPa in Richtung 0 MPa herab bzw. herauf gesetzt, um den Einfluss plastischer Dehnung auszuschließen. Zur Einstellung defi-nierter Lastspannungen wurden Dehnungsmessstreifen (DMS) verwendet, deren Deh-nung mit dem gemittelten E-Modul aus Ultraschallmessungen (vgl. Kapitel 3.1.1) multipliziert wurde. Abbildung 4.4 zeigt links die ermittelten DEK für vier unter-schiedliche Gitterebenen des Stahls (ferritische/martensitische Phase), welche mit CoKα-Strahlung, Polykapillare und Sekundärmonochromator-Setup untersucht wur-den. Aus dem Balkendiagramm wird deutlich, dass die Unterschiede zwischen Litera-turangaben [26] und den gemessenen DEK sehr klein sind und sich Abweichungen stets im Rahmen der Messfehler bewegen. Dabei wird in der genannten Literatur nicht zwischen reinem α-Eisen, ferritisch-perlitischen oder martensitischen Stählen unter-schieden.

A {200}

1/2s2 Messung 1/2s2 Kröner, [92]s1 Messung s1 Kröner, [92]

-4

-2

0

2

4

6

8

10

F/M {110}

DEK

-Wer

te /

10-6

MPa

-1

1/2s2 Messung 1/2s2 Lit. [26]s1 Messung s1 Lit. [26]

F/M {110}F/M {110}F/M {110} A {200} A {200}

Abbildung 4.4: Experimentell ermittelte DEK s1 und ½s2 des Werkstoffs 100Cr6 für vier verschiedene {hkℓ}-Ebenen des Ferrits, sowie drei Ebenen des Restaustenits. Die Abweichungen zu Literatur- [26] bzw. Berechnungswerten [92] sind sehr gering und liegen meist innerhalb der Messfehler, ausgenommen der Ebene {220} des Austenits, bei der sich die vorliegende Textur am deutlichsten zeigt.

Die Bestimmung der DEK an drei Ebenen des Restaustenits wurde ebenfalls vorge-nommen, jedoch sind hier deutlich größere Messfehler zu beobachten, was im We-

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 58

sentlichen auf der schwachen zurückgestreuten Intensität aufgrund des geringen Pha-senanteils basiert. Dieser beträgt etwa 10 % und wurde röntgenografisch ermittelt. Zudem konnte ein Textureinfluss, welcher vermutlich aus dem Herstellungsprozess des Halbzeugs (Stabstahl) herrührt, beobachtet werden, der bei der {220}-Ebene seine stärkste Ausprägung zeigt. Der Vergleich der Dehnungsverläufe mit solchen plastisch verformter austenitischer Proben [93], weist qualitativ eine hohe Übereinstimmung für die {220}- sowie die {311}-Ebene auf und stützt diese Annahme. Die Gitterebene {220} besitzt die größten Linearitätsabweichungen der Dehnungen über sin2ψ und ist die Ebene mit den deutlichsten Unterschieden zwischen experimentellen und berech-neten DEK. Der gemessene Wert für ½s2 liegt dabei mehr als 50 % niedriger als der nach dem KRÖNER’schen Modell berechnet wurde. Obwohl für {311} ebenfalls nicht-lineare Dehnungsverläufe auftraten, sind die Unterschiede zu den berechneten Ergeb-nissen klein und im Bereich der Messfehler. Ähnlich verhält es sich bei der {200}-Ebene, bei der trotz Textur relativ lineare ε-sin2ψ-Verteilungen gemessen wurden, was gut mit Ergebnissen aus [94] übereinstimmt. Darin werden für die {h00}- und {hhh}-Ebenen kubischer Materialien stets lineare Verläufe erwartet, unabhängig möglicher Vorzugsorientierungen der Kristallite. Generell ist bei texturierten Materialien die Berechnung und Verwendung von DEK nicht zu empfehlen, sondern erfordert die Ermittlung so genannter Spannungsfaktoren Fij (φ,ψ,hkℓ) [11].

Abbildung 4.5: a) Abhängikeit berechneter und experimenteller (verschiedene Quellen) DEK ½s2 vom Kohlenstoffgehalt [95]. b) Experimentelle und berechnete DEK der martensitischen Stähle C15, C35 und C125 [96].

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

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Zur Einordnung der vorgestellten experimentellen und berechneten Ergebnisse wer-den diese im Folgenden unter Berücksichtigung älterer Publikationen diskutiert. Eine umfassende Zusammenstellung der DEK von Stählen, Keramiken und anderen Mate-rialien, sowie Vorgehensweisen zu ihrer Ermittlung bzw. ihrer Auswahl aus vorhan-denen Quellen gibt [11]. Unter anderem werden darin Arbeiten [95,96] zitiert, die sich mit den Auswirkungen des Kohlenstoffgehalts auf die DEK ferritischer, ferritisch-perlitischer, gehärteter und austenitischer Stähle sowie deren Mischgefüge befassen. Sowohl Berechnungen als auch Experimente zeigen, dass sich ein höherer Kohlen-stoffgehalt für gehärtete und ferritisch-perlitische Stähle durch größere DEK-Werte äußert (siehe Abbildung 4.5), da der steigende Zementitgehalt eine Spannungsüber-höhung im Ferrit hervorruft, die aus dem etwas niedrigeren E-Modul des Zementits gegenüber dem des Ferrits resultiert [97]. Aktuelle Berechnungen der elastischen Konstanten des Zementits [98] bestätigen dies und verdeutlichen zudem seine ausge-prägte elastische Anisotropie der Elementarzelle.

4

5

6

7

8

9

10

11

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,03Γ

1/2

s 2 /

10-6

MPa

-1

VoigtReussHillKrönerMessungLit. [26]Lit. [99]

2

4

6

8

10

12

14

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

1/2

s 2 /

10-6

MPa

-1

Ferrit Austenit

{200

}

{222

}

{220

}

{222

}{220

}

{200

}

{311

}

{110

} {

211}

Abbildung 4.6: Berechnete und experimentelle ermittelte DEK s1

{hkℓ} und ½s2{hkℓ} für

reinen Ferrit bzw. Martensit und Austenit in Abhängigkeit des Orientierungspara-meters 3Γ.

Der Einfluss des Restaustenitgehalts auf die DEK wird u.a. durch [99] beschrieben und stützt sich auf experimentell ermittelte Funktionen, bei denen sowohl der Kohlen-stoff- als auch der Restaustenitgehalt gehärteter Stähle berücksichtigt werden. Die Gleichungen für die {211}-Ebene des Martensits und die {220}-Ebene des Austenits sind zwischen 0,04 und 1,27 % Kohlenstoff und bis 75 % Restaustenit gültig. Die mit Hilfe dieser Gleichungen berechneten DEK von Austenit und Ferrit/Martensit sind in Abbildung 4.6 zusammen mit den Ergebnissen dieser Arbeit wiedergegeben.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 60

Analog zu den Balkendiagrammen in Abbildung 4.4 ist die sehr gute Übereinstim-mung der DEK der ferritischen/martensitischen Phase mit [26] zu erkennen, deren Abhängigkeit hier am besten durch die HILL’sche Mittelung beschrieben wird. Da die Ebenen {110}, {211} und {220} in den Lastspannungsexperimenten nahezu identi-sche Werte liefern und zudem nahe des Schnittpunkts der verschieden Kopplungsmo-delle liegen, konzentrieren sich alle Daten um einen Punkt. Auch der unter Anwen-dung der Gleichungen aus [99] berechnete ½s2-Wert ist hier angesiedelt, wenn ein Kohlenstoffanteil von 1 % sowie 9 % Restaustenit eingesetzt werden. Abgesehen von der {220}-Ebene konnten sogar für den Austenit belastbare Ergebnisse erzielt werden, wobei die Messwerte am besten mit dem KRÖNER’schen Modell korrelieren. Auf-grund der vorliegenden Textur sollten aber in jedem Fall die berechneten DEK ver-wendet werden, zumal auch das Ergebnis für die {220}-Ebene gemäß der Gleichun-gen in [99] auf der KRÖNER’schen Gerade liegt. Eine Übersicht aller experimentellen DEK der ferritischen und austenitischen Phase ist im Anhang in Tabelle A.3 gegeben.

-1

0

1

2

3

4

{104}

DEK

-Wer

te /

10-6 M

Pa-1

1/2s2 Messung 1/2s2 Kröner [86]s1 Messung s1 Kröner [86]

{226}{113} {300}{116}{024}

Abbildung 4.7: Experimentell ermittelte DEK s1 und ½s2 des Werkstoffs α-Al2O3 für sechs verschiedene {hkℓ}-Ebenen. Es treten zum Teil große Messfehler auf, jedoch zeigen die Mittelwerte meist gute Übereinstimmung mit den berechneten DEK aus Einkristalldaten [86].

Die Lastspannungsaufbringung für die Al2O3-Proben erfolgte mittels einer speziellen 4-Punkt-Biegevorrichtung, die bezüglich ihrer Bauhöhe klein genug war, um im Diffraktometer aufgenommen zu werden. Wie schon bei den Versuchen am 100Cr6 dienten DMS zur Kontrolle der elastischen Dehnungen an der Bauteiloberfläche mit deren Hilfe die gewünschten Lastspannungen eingestellt wurden. Den benötigten E-Modul liefern wiederum Ultraschalluntersuchungen. Im Gegensatz zur üblichen Vor-gehensweise wurden die Untersuchungen beim lastspannungsfreien Zustand begonnen und sukzessive in 30-MPa-Schritten gesteigert. Grund hierfür ist, dass eine plastische

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

61

Deformation der Keramik kaum stattfindet, sondern der spröde Bruch erfolgt, sobald eine kritische Biegespannung überschritten ist. Da die maximale Biegespannung nicht bekannt war, wurden steigende Laststufen bis zum Probenbruch gewählt.

Die experimentell ermittelten DEK sind in Abbildung 4.7 den berechneten Werten (KRÖNER) aus aktuellen Einkristalldaten [86] gegenübergestellt. Meist zeigen Berech-nung und Experiment eine gute Übereinstimmung, jedoch fallen auch die relativ gro-ßen Fehlerbalken auf. Diese lassen sich einerseits durch experimentell bedingte Streu-ungen erklären, welche auf den geringen Gitterdehnungen und deren Analyse im Vor-derstrahlbereich basieren, wodurch nur minimale Interferenzlinienverschiebungen auftreten. Andererseits hat auch die Konstruktion der Biegevorrichtung einen ent-scheidenden Einfluss. Diese konnte aufgrund der notwendigen kleinen Bauhöhe nicht DIN-konform – d.h. mit um die Probenlängsachse kippbaren Auflagern – gestaltet werden, sodass eine geringe Torsion der Probe resultieren kann. Dies würde auch er-klären, weshalb die Proben bereits bei etwa 270 MPa Biegespannung brachen. Aus zeitlichen Gründen wurden lediglich zwei Al2O3-Proben von 0 bis 240 MPa unter-sucht, wobei weitere Experimente zu einer besseren statistischen Absicherung hin-sichtlich der Diffraktionsbedingungen sinnvoll wären. Da jedoch die durchgeführten Untersuchungen die berechneten Werte weitestgehend bestätigen, wurde auf weitere Experimente verzichtet. Dies wird auch durch die Auftragung der Berechnungs- und Messwerte über den Parametern H und P in Abbildung 4.8 deutlich, worin die Orien-tierungsabhängigkeit der DEK sichtbar wird.

Das linke Diagramm zeigt die s1-Werte der verschiedenen Gitterebenen. Für {113} liegen der experimentelle und der theoretische Wert exakt übereinander, bei allen an-deren Ebenen sind die Versuchsergebnisse 0,02–0,09·10–6 MPa–1 über den DEK nach KRÖNER angesiedelt. Um eine übersichtlichere Darstellung zu erhalten, sind die Un-sicherheiten bei der Berechnung von s1 durch den gemittelten Fehlerbalken aller Ebe-nen angegeben, welcher ± 0,17·10–6 MPa–1 beträgt. Auch für die DEK ½s2 im rechten Diagramm von Abbildung 4.8 wurde dieses Vorgehen gewählt, wobei der Fehler hier eine Höhe von ± 0,38·10–6 MPa–1 besitzt. Die größte Differenz zum theoretischen Wert kann bei der {300}-Ebene beobachtet werden, deren Steifigkeit im Experiment um ca. 0,16·10–6 MPa–1 überschätzt wird. Die anderen Ebenen liegen innerhalb der Grenzen von KRÖNER, wobei {113} und {104} exakt die theoretischen DEK bestäti-gen und {116} und {024} ca. 0,12 bzw. 0,10·10–6 MPa–1 darunter angesiedelt sind. Der {226}-Ebene weisen die Experimente sogar eine um 0,21·10–6 MPa–1 höhere Stei-figkeit aus.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten 62

2,4

2,6

2,8

3,0

3,2

3,4

3,6

3,8

4,0

1/2

s 2 /

10-6 M

Pa-1

H0,0 0,80,60,40,2 1,0

0,250,1; 0,40,0; 0,5; 1,00,6; 0,90,75DEK {hkl}; +c14Messdaten

gem

itte

lter

Mes

sfeh

ler

{300

}

{104

}{1

16}

{024

}{2

26} {

113}

0,0-0,9

-0,8

-0,7

-0,6

-0,5

-0,4

-0,3

-0,2

-0,1

s 1 / 1

0-6 M

Pa-1

H0,80,60,40,2 1,0

0,250,1; 0,40,0; 0,5; 1,00,6; 0,90,75DEK {hkl}; +c14Messdaten

gem

itte

lter

Mes

sfeh

ler

{300

}

{104

}{1

16}

{024

}{1

13} {

226}

Abbildung 4.8: Gegenüberstellung der experimentell ermittelten, ebenenabhängigen DEK und ihren nach KRÖNER berechneten Konstanten. Die Messwerte stimmen rela-tiv gut mit den theoretischen Ergebnissen überein, wobei für ½s2 der {300}-Ebene die größen Differenzen auftreten.

Wie bereits in früheren Veröffentlichungen zur experimentellen DEK-Ermittlung an Keramiken beschrieben, treten unter anderem bei Al2O3 stark streuende Messdaten auf, die nur selten mit berechneten Werten zusammenfallen [72,11]. Grund hierfür ist einerseits der hohe E-Modul, durch den selbst bei großen Lastspannungen nur sehr kleine Interferenzlinienverschiebungen auftreten. Hinzu kommen die bereits beschrie-benen Einflüsse der Biegevorrichtung und der Diffraktionsbedingungen im Vorder-strahlbereich. Dennoch liegen die im Rahmen dieser Arbeit ermittelten Konstanten s1 und ½s2 teilweise nah an bzw. deckungsgleich mit den theoretischen Werten und be-finden sich meist innerhalb der KRÖNER’schen Grenzen. Im Vergleich zu Ergebnissen in [11], ist somit eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der Konsistenz von Theorie und Experiment erzielt worden. Eine Übersicht der Versuchsergebnisse ist in Tabelle A.3 im Anhang gegeben. Die relativ großen Messunsicherheiten der Einzelwerte und das Vorliegen einer hochreinen, einphasigen und nahezu porenfreien Keramik emp-fehlen dennoch die Verwendung der berechneten DEK nach KRÖNER.

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Bestimmung Diffraktionselastischer Konstanten

63

4.4 Verwendete DEK

Für die Eigenspannungsanalysen an den Proben mit steilem Spannungsgradienten fin-den in dieser Arbeit die in Tabelle 4.1 zusammengestellten DEK Verwendung. Bei den 100Cr6-Proben werden die Ergebnisse der Lastspannungsuntersuchungen heran-gezogen, da sie einerseits sehr gut mit Literaturangaben in Einklang stehen und ander-seits sehr geringe Messunsicherheiten aufweisen. Lediglich für die Doppelebene {510/431} werden die DEK nach KRÖNER berechnet und diese mit den jeweiligen Intensitäten Irel der Ebenen gewichtet. Bei der Keramik treten teils deutliche Unter-schiede zu den berechneten Werten auf, sodass auch hier die KRÖNER’schen DEK als Quelle dienen.

100Cr6 {hkℓ}-Ebene s1 ½s2 Bemerkung

110 –1,071 5,800 200 –1,976 8,219 211 –1,204 5,828

Lastspannungsuntersuchungen

510/431 –1,414 6,249 Berechnung aus EKD [84] und Ge-wichtung anhand Irel (hkℓ)

α-Al2O3 {hkℓ}-Ebene s1 ½s2 Bemerkung

113 –0,610 3,135 024 –0,685 3,364 116 –0,612 3,167 300 –0,557 2,959 226 –0,610 3,135

Berechnung aus EKD [86] nach KRÖNER

Tabelle 4.1: Für die Eigenspannungsuntersuchungen an den Keramik- und Stahl-proben verwendete DEK in 10–6 MPa–1.

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 64

5 Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

Die Eigenspannungszustände der 100Cr6-Proben wurden mittels dreier komplemen-tärer Beugungsmethoden untersucht: energie- und winkeldispersiv mit Synchrotron-strahlung (LAPLACE-Methoden), sowie mit herkömmlichen Laborröntgenquellen und sukzessivem elektrolytischen Materialabtrag. Letzteres liefert aufgrund der geringen Eindringtiefe der verwendeten CrKα-Strahlung in Stahl nahezu exakte Spannungstie-fenverteilungen im Ortsraum. Diese Ergebnisse können als Referenz für die LAPLACE- und Ortsraummethoden dienen. Es ist hierbei zu beachten, dass Eigenspannungsrela-xationen bedingt durch den Materialabtrag auftreten können. Wegen der insgesamt geringen Abtragtiefe wurde jedoch für die folgenden Tiefenverläufe, keine Korrektur angewandt. Ein weiterer Grund ist, dass die Randbedingungen für die Korrektur nach z.B. Moore und Evans [58] nicht komplett erfüllt sind.

Die Al2O3-Massivproben und das Multilagenschichtsystem wurden nur mit winkel-dispersiven LAPLACE-Methoden charakterisiert. Hierfür kam CoKα-Strahlung von Labor und Synchrotronstrahlungsquellen zum Einsatz. Um möglichst auch die rand-nahen Eigenspannungen zu erfassen wurden Kippwinkel bis ψ = 89° gewählt. Die Auftragung der Ergebnisse erfolgte mittels Universalplotverfahren und anschließender Rücktransformation in den Ortsraum. Da ein Materialabtrag hier nicht möglich war, werden die zurücktransformierten Spannungsprofile als Referenz für das Orstraum-verfahren mit Masken herangezogen.

5.1 Eigenspannungszustände des Stahls 100Cr6

Die Eigenspannungsanalysen mit Abtragmethoden wurden für die vier Probenzustän-de – zwei tiefgeschliffen und zwei kugelgestrahlt – an jeweils zwei {hkℓ}-Ebenen durchgeführt. Als Standard kann die Messung an den {211}-Ebenen bei 2θ = 156,10° angesehen werden. Zusätzlich wurde die {110}-Interferenz untersucht, welche im Vorderstrahlbereich bei 2θ = 68,78° liegt und mit τ0 = 3,2 µm nur eine etwa halb so große Eindringtiefe der Röntgenstrahlung besitzt wie {211}. Zwar ist hier mit einer geringeren Linienlageverschiebung bei gleicher vorliegender Spannung zu rechnen als bei den {211}-Ebenen, jedoch zeigen die Messergebnisse stets eine sehr gute Aus-wertbarkeit der Beugungsprofile sowie Spannungsverläufe, die die {211}-Messungen sinnvoll ergänzen. Der Kippwinkelbreich der Proben lag bei −60° ≤ ψ ≤ 60° und es kamen ein 1 mm Pinhole Kollimator primärseitig und eine ⅓° Schlitzblende vor dem Detektor zum Einsatz. Besonders hervorzuheben ist die verwendete Schrittweite des Materialabtrags von etwa 1 µm und die daraus resultierende Auflösung der Span-nungsgradienten der geschliffenen Proben. Die Wahl der Schrittweite beim Abtrag erfolgte anhand des erwarteten Spannungstiefenverlaufs, sodass sie bei den kugelge-

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

65

strahlten Proben nicht ganz so fein sein musste und Schritte von 5-50 µm verwendet wurden.

0 10 20 30 40 501,1

1,2

1,3

1,4

1,5

1,6

1,7

Abtragtiefe z / µm

Inte

gral

brei

ten

IB11

(z),

IB22

(z) /

MPa

IB11

(z)

IB22

(z)

0 10 20 30 40 50−1200

−1000

−800

−600

−400

−200

0

200

Abtragtiefe z / µm

Span

nung

en σ

11(z

), σ 22

(z) /

MPa

σ11

(z)

σ22

(z)

0 10 20 30 40 50−1200

−1000

−800

−600

−400

−200

0

200

Abtragtiefe z / µm

Span

nung

en σ

11(z

), σ 22

(z) /

MPa

σ11

(z)

σ22

(z)

0 10 20 30 40 50−100

−50

0

50

Abtragtiefe z / µm

Span

nung

en σ

13(z

), σ 23

(z) /

MPa

σ13

(z)

σ23

(z)

a)

c) d)

b)

{211}

{110}

{211}

{110}

Abbildung 5.1: Tiefenverteilungen der Normal- und Schubspannungen gemessen an den {211}-Ebenen der Probe 1.7 in Längs- und Querrichtung der CBN Schleifbear-beitung (a). Der Vergleich mit den Normalspannungsgradienten der {110}-Ebenen (c) zeigt eine hohe Konformität. Abweichungen resultieren aus den unterschiedlichen Eindringtiefen der Strahlung. Die Integralbreite als Maß für die Gitterstörungsdichte liefert Informationen über die Wirktiefe der Randschichtbearbeitung (d).

Die Messergebnisse der geschliffenen Probe 1.7 sind in Abbildung 5.1 über der Ab-tragtiefe aufgetragen. Die beiden linken Diagramme a) und c) stellen die Normalspan-nungen längs und quer zur Schleifrichtung dar, wobei die {211}-Ebenen deutliche Minima etwa 3 µm unter der Oberfläche zeigen. Da die Eindringtiefe der Strahlung bei den {110}-Ebenen geringer ist und somit über einen kleineren Bereich gemittelt wird, unterscheiden sich die ermittelten Spannungswerte geringfügig. Die Randspan-nungen sind hier 100-150 MPa höher und die erwarteten Minima treten erst bei etwa 5 µm auf. Bereits 15 µm unter der Oberfläche ist keine Beeinflussung des Schleifpro-zesses mehr erkennbar. Typisch für geschliffene Oberflächen metallischer Werkstoffe

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 66

ist der Spannungsunterschied parallel und orthogonal zur Bearbeitungsrichtung, wobei in Längsrichtung die betraglich kleineren Spannungen auftreten. So bleiben diese in den ersten 3-5 µm bis zum Minimum stets 300-400 MPa über den Eigenspannungen in Querrichtung und nähern sich dann langsam an. Die Einwirktiefe der Bearbeitung ist außerdem im Diagramm b) der Schubspannungsverteilung zu erkennen. Hier treten ausgeprägte Spannungen σ13 von fast −80 MPa längs der Bearbeitungsrichtung auf und deuteten auf ein gekipptes Hauptspannungssystem hin. Nach Erreichen des Mi-nimums bei etwa 3 µm nähert sich σ13 bis etwa 15 µm Tiefe linear einem Wert um 0 MPa an. Orthogonal hierzu sind keine Schubspannungen σ23 zu beobachten.

Die Integralbreite gilt als qualitatives Maß für die Gitterstörungsdichte, ist also ein Indikator für Eigenspannungen III. Art, welche zu einer Verbreiterung der Interferen-zen führen. Im Diagramm d) ist zwischen 15 und 50 µm die Integralbreite des vergü-teten Grundmaterials zu sehen. Lediglich die ersten 15 µm wurden vom Schleifpro-zess beeinflusst und lassen durch die herabgesetzte Integralbreite vermuten, dass es aufgrund des Schleifens und des damit einhergehenden Wärmeeintrags zu Anlassef-fekten gekommen ist und sich Versetzungen gegenseitig aufgehoben haben. Mögli-cherweise ist auch eine Vergröberung von Karbiden eingetreten was die Mikrospan-nungen ebenfalls verringert. Dies wurde jedoch nicht näher untersucht.

0 100 200 300 400 500

−1000

−500

0

500

Abtragtiefe z / µm

Span

nung

en σ

11(z

), σ 22

(z) /

MPa

σ11

(z)

σ22

(z)

0 100 200 300 400 5004,5

5,0

5,5

6,0

6,5

7,0

Abtragtiefe z / µm

Inte

gral

brei

ten

IB11

(z),

IB22

(z) /

MPa

IB11

(z)

IB22

(z)

{211}

a)

{211}

b)

Abbildung 5.2: Gradienten der Normalspannungen (a) und der Integralbreite (b) ge-messen an den {211}-Ebenen der kugelgestrahlten Probe 3.9 in Längs- und Quer-richtung der ursprünglichen Schleifbearbeitung.

In Abbildung 5.2 sind die an der {211}-Interferenz ermittelten Ergebnisse der kugel-gestrahlten Probe 3.9 dargestellt. Die Normalspannungen an der unmittelbaren Ober-fläche liegen um −700 MPa und sinken mit jedem Abtragschritt deutlich ab. Mit ei-nem ausgeprägten Minimum von −1150 MPa ca. 30 µm unter der Bauteiloberfläche zeigt Diagramm a) einen typischen Eigenspannungsgradienten einer kugelgestrahlten Randschicht, wobei die hohen Druckeigenspannungen durch langreichweitige Zug-

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

67

spannungen kompensiert werden. Die Normalspannungen σ11 und σ22 verhalten sich bis zu einer Tiefe von 80 µm (Ende Druckbereich) rotationssymmetrisch und spalten dann um maximal 200 MPa bei 120 µm auf. Dabei besitzt σ22 mit 450 MPa die höchs-ten Zugspannungen. Mit weiter zunehmender Messtiefe gleichen sich die Normal-spannungen wieder an und laufen gemeinsam gegen 0 MPa. Anders als bei der zuvor diskutierten geschliffenen Probe 1.7 konnte kein nennenswerter Unterschied zwischen den {211}- und {110}-Ebenen festgestellt werden, da der Spannungsgradient im Be-reich der Eindringtiefe wesentlich flacher ausfällt. Die Wirktiefe des Bearbeitungs-prozesses liegt bei etwa 500 µm, was zum einen aus den Eigenspannungsverläufen und zum anderen aus dem Gradienten der Integralbreite in Diagramm 5.2 b) ersicht-lich wird. Denn die IB nimmt erst bei dieser Tiefe die Werte des vergüteten Grundma-terials an. Das ausgeprägte Minimum bei etwa 25 µm deutet auf eine Abnahme der Mikroeigenspannungen durch das Kugelstrahlen hin. Möglicherweise unterstützt die eingebrachte Verformungsenergie des Prozesses die Annihilation bzw. Umordnung von Versetzungen durch Versetzungsbewegung.

Über die bisher dargestellten Untersuchungen hinaus wurden auch die Proben 2 und 4 charakterisiert. Dabei zeigt sich, dass die Unterschiede zwischen den beiden geschlif-fenen Probentypen 1 und 2 eher gering ausfallen, weshalb sie hier nicht separat darge-stellt und diskutiert werden. Für die mit hoher Intensität kugelgestrahlten Proben 4 ist der Gradient nochmals deutlich flacher als bei den Proben 3, wodurch sie sich für den Vergleich zwischen LAPLACE- und Ortsraumverfahren schlechter eignen und nicht weiter berücksichtigt werden.

0 100 200 300 400 5000,11704

0,11706

0,11708

0,11710

0,11712

Abtragtiefe z / µm

Gitt

ereb

enen

abst

and

d* /

nm

0 10 20 30 40 500,20286

0,20289

0,20292

0,20295

0,20298

0,20301

Abtragtiefe z / µm

Gitt

ereb

enen

abst

and

d* /

nm

{110}

a)

{211}

b)

Abbildung 5.3: Dehnungsfreier Gitterebenenabstand d*(z) der geschliffenen Probe 1.7 (a) und der kugelgestrahlten Probe 3.9 (b).

Aus insgesamt 20 Tiefenverläufen von zehn Proben mit vier unterschiedlichen Ober-flächenbearbeitungen wurden, unter Annahme ebener Spannungszustände, die deh-nungsfreien Gitterebenenabstände d* bestimmt. Die beiden in Abbildung 5.3 gezeigten

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 68

Diagramme der CBN geschliffenen Probe 1.7 a) und der gestrahlten Probe 3.9 b) zei-gen eine deutliche Tiefenabhängigkeit von d*. Mit zunehmender Messtiefe nähern sich diese Abstände jedoch konstanten Werten an. Als Mittelwerte der zehn Proben erhält man für die {110}-Ebenen des vergüteten Grundmaterials 0,20293 ± 0,000017 nm, sowie 0,11710 ± 0,000004 nm für {211}. Die Umrechnung auf den Gitterparameter a* für kubische Materialien liefert 0,28692 ± 0,0001 nm und liegt damit relativ nah an den Ergebnissen aus den DEK-Versuchen. Hier wurde ein Gitterparameter a* von 0,28697 ± 0,0010 nm aus den Schnittpunkten der sin2ψ-Verläufe bei unterschiedlichen Lastspannungen berechnet. Da die DEK-Ermittlung an Zug- und Druckproben des vergüteten Grundmaterials durchgeführt wurde, erscheinen die Ergebnisse plausibel.

Damit stellt sich die Frage nach dem Ursprung der Schwankungen des Gitterebenen-abstands. Möglich ist die Präsenz eines σ33-Gradienten in der Randschicht, beispiels-weise hervorgerufen durch die HERTZ’sche Pressung beim Kugelstrahlen. Auch eine Gefügeänderung aufgrund eines chemischen Gradienten ist denkbar, wurde aber nicht untersucht. Randentkohlungseffekte oder eine Reduzierung des Chromgehaltes kön-nen aufgrund der Austenitierungsdauer von 15 Minuten im Salzbad bei 850°C ausge-schlossen werden. Sollte dennoch eine leichte Diffusion stattgefunden haben, ist die beeinflusste Schicht zu klein, um als alleinige Erklärung für den d*-Gradienten zu ge-nügen, insbesondere im Fall der gestrahlten Proben. Zudem wurden eventuell betrof-fene Werkstoffschichten durch das Planschleifen der Proben entfernt.

0 100 200 300 400 500

2

4

6

8

10

Abtragtiefe z / µm

Rest

aust

enitg

ehal

t / V

ol%

Probe 3Fit

0 10 20 30 40 50

2

4

6

8

10

Abtragtiefe z / µm

Rest

aust

enitg

ehal

t / V

ol%

Probe 1Probe 2Fit

kugelgestrahltgeschliffen

Abbildung 5.4: Restaustenitgehalt der geschliffenen Proben 1 und 2 (a) sowie der ku-gelgestrahlten Probe 3 (b).

Parallel zur Spannungsanalyse wurden bei einigen Proben Restaustenit-Tiefenverläufe (RA) ermittelt, welche in Abbildung 5.4 über der Abtragtiefe aufgetragen sind. Im Ver-gleich zu den Messwerten von Bruker, welche mittels Rietveld-Analyse ausgewertet wurden und in Kapitel 3.1.2. angegeben sind, liegen die Messwerte aus unserem Labor

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

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etwa 2 %-Punkte niedriger. Für die Untersuchungen wurde MoKα-Strahlung verwendet und der RA-Gehalt jedes Tiefenschritts unter Anwendung des 4-Linienverfahrens aus-gewertet. Anhand der Restaustenitprofile in 5.4 a) kann gezeigt werden, dass ein leichter Gefügegradient bei den geschliffenen Proben vorliegt, der allerdings nicht mit dem Verlauf des dehnungsfreien Gitterebenenabstands in 5.3 a) korreliert. Ähnlich verhält es sich für die kugelgestrahlte Probe in 5.4 b), jedoch ist der durch die Ober-flächenbehandlung beeinflusste Bereich mit 200 µm etwa zehnmal größer. Aus dem RA-Gehalt, der bis 50 µm etwa 0 % beträgt, lässt sich ableiten, dass die großen plasti-schen Deformationen durch den Strahlprozess hier vermutlich zu einer Umwandlung von Restaustenit in ε-Martensit geführt haben. Es ist daher auch wahrscheinlich, dass eine σ33-Komponente ungleich Null vorliegt, die sich innerhalb der Einflusszone des Schleif- und besonders des Kugelstrahlprozesses ändert. Die Auswertung aller 20 Tie-fenverläufe zeigt, dass die Änderungen von d*(z) für die zwei Bearbeitungsarten cha-rakteristisch sind und bei den gestrahlten Proben aufgrund der HERTZ’schen Pressung deutlich größer ausfallen als bei den geschliffenen. Weiterführende Untersuchungen zur Identifikation von σ33(z) wurden nicht unternommen, sodass die bisherigen und folgenden Normalspannungswerte σ11 und σ22 als σ11−σ33 und σ22−σ33 anzusehen sind.

Um die Eigenspannungszustände der Stahlproben tiefenaufgelöst aber zerstörungsfrei ermitteln zu können, wurden zu Projektbeginn energie- und winkeldispersive LAPLA-

CE-Methoden eingesetzt. Zur besseren Vergleichbarkeit der Ergebnisse untereinander wurden teilweise dieselben Proben verwendet wie bei den Abtragverfahren. Die win-keldispersiven (WD) Messungen wurden zunächst an der HASYLAB Beamline G3 am DESY mit einer Röntgenenergie von 17,479 keV (MoKα1) an der {510/431}-Doppel-interferenz (2θ0 = 78,23°) durchgeführt. Somit konnte eine maximale Eindringtiefe von mehr als 10 µm erreicht werden. Angestrebt waren zwar höhere Eindringtiefen, aber aufgrund der großen Halbwertsbreiten durch das Härten der Proben war es nicht möglich, Interferenzen im Rückstrahlbereich zu identifizieren, da sie sich nicht vom Untergrund abhoben. Zur Aufnahme der randnahen Eigenspannungen wurde die Pro-be bis auf ψ = 88° gekippt und die Beugungsprofile in den φ-Richtungen 0°, 90°, 180° und 270° aufgenommen. Dabei kam ein Punktdetektor mit vorgeschaltetem Paral-lelplattenkollimator und einer Winkelakzeptanz von 0,15° zum Einsatz. Die Berech-nung der Spannungsprofile σij(τ) aus den Gitterdehnungen erfolgte mittels Universal-plotverfahren. Die hierfür benötigten DEK der {510/431}-Doppelebene wurden für jede Einzelebene mittels DECcalc berechnet und entsprechend ihrer theoretischen Einzelintensitäten gewichtet. In Tabelle 4.1 sind die verwendeten Werte aufgelistet.

Ergänzend wurde die unmittelbare Randschicht bis etwa 1 µm Tiefe an den {110}-Ebenen (2θ0 = 44,67°) mittels CuKα1-Strahlung (8,048 keV) am selben Messplatz und mit identischem Setup analysiert. Die Ergebnisse beider Versuchsreihen sind in Ab-

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 70

bildung 5.5 als offene Quadrate (MoKα1) bzw. Dreiecke (CuKα1) dargestellt. Die vol-len Kreissymbole beschreiben zudem die Spannungswerte, die an der EDDI Beamline am BESSY in Berlin mit energiedispersiver (ED) Röntgenbeugung gemessen wurden. Durch die polychromatische Strahlung ist es möglich, ein komplettes Spektrum aller Interferenzlinien in kurzer Zeit aufzunehmen und somit tiefenaufgelöste Spannungs-werte bis in eine Tiefe von etwa 150 µm in Stahl zu bestimmen. Aus den Diagrammen der geschliffenen und kugelgestrahlten Proben 1.7 und 3.9 wird deutlich, dass die ge-messenen Eigenspannungsverläufe im LAPLACE-Raum in den Überlappungsbereichen sehr gut übereinstimmten. Dies ist nicht nur bei den hier dargestellten Proben der Fall, sondern gilt für sämtliche untersuchte Zustände.

0 20 40 60 80 100−1500

−1000

−500

0

500

1000

mittlerer Fehler

Eindringtiefe τ, z / µm

Nor

mal

span

nung

σ 11

(τ) /

MPa

EDWD, MoKαWD, CuKα

0 20 40 60 80 100−1500

−1000

−500

0

500

1000

mittlerer Fehler

Eindringtiefe τ, z / µm

Nor

mal

span

nung

en

σ 22(τ

) / M

Pa

EDWD, MoKαWD, CuKα

kugelgestrahltgeschliffen

Abbildung 5.5: Überlappende Universalplotprofile σ11(τ) der geschliffenen Probe 1.7 und der kugelgestrahlten Probe 3.9, aufgenommen in energie- (ED) und winkeldisper-siven (WD) Beugungsexperimenten.

Die durch die verschiedenen Oberflächenbehandlungen induzierten Eigenspannungs-gradienten zeigen qualitativ eine ähnliche Charakteristik. In beiden Fällen liegen in den oberflächennahen Bereichen leichte Druckeigenspannungen vor, die mit zuneh-mender Messtiefe deutlich ansteigen und dann wieder gegen Null tendieren. Der Gra-dient der geschliffenen Probe 1.7 ist jedoch wesentlich steiler, sodass die maximalen Druckspannungen von etwa −700 MPa schon bei einer Tiefe von 4-5 µm erreicht sind. Im weiteren Verlauf bis 60 µm werden die Druckspannungen wieder kleiner und schwanken bei Messtiefen größer 60 µm um −100 MPa. Die Messwertdichte ist hier jedoch schon sehr gering, da nur noch wenige hoch indizierte Gitterebenen Beugungs-reflexe liefern. Bei der kugelgestrahlten Probe 3.9 wurden Randspannungen von −200 bis −400 MPa gemessen. Das Druckspannungsmaximum beträgt etwa −800 MPa und liegt in einer Tiefe von 15-17 µm. Der bis hierher parabolische Verlauf geht für grö-ßere Eindringtiefen in einen nahezu linearen Anstieg über und erreicht bei 100 µm Werte um 0 MPa.

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

71

Ausgehend von dieser Datenbasis wurden die Spannungsgradienten )(11 zILTσ im Orts-raum (schwarze Linien) mittels inverser LAPLACE-Transformation (ILT) berechnet und den Ergebnissen )(11 zAbtragσ aus den Abtragverfahren (blaue Rechtecksymbole) in Abbildung 5.6 gegenübergestellt. Als Ansatzfunktionen für die ILT dienen verschie-dene exponentiell gedämpfte Polynome, wie sie in Tabelle 2.1 vorgestellt wurden. Es zeigt sich, dass alle gewählten Funktionen die Messdaten im LAPLACE-Raum )(11 τσ UVP relativ gut beschreiben (gestrichelte rote Linien), wobei der PEARSON’sche Korrelati-onskoeffizient R2 als Anpassungskriterium in den meisten Fällen über 0,75 liegt (1,0 bedeutet eine perfekte Übereinstimmung). Obwohl die an die Messdaten angepassten Fitfunktionen )(11 τσ Fit einander sehr ähnlich sehen, treten teilweise große Unterschie-de zwischen den zurücktransformierten Spannungsverläufen )(11 zILTσ auf. Insbesonde-re bei der gestrahlten Probe 3.9 fallen die Differenzen deutlich aus, wenn Polynome geringer Ordnung verwendet werden. Die Bezeichnung “p20e” bedeutet dabei, dass der Koeffizient A1 eines Polynoms 2. Grades Null gesetzt wird. Die Polynome 2., 3. und 4. Ordnung weisen dagegen fast identische Verläufe auf und stimmen zudem mit den Eigenspannungsprofilen durch Matereilabtrag in hohem Maße überein. Für diesen relativ flachen Gradienten scheint die ILT also eine realistische Lösung zu liefern, da mehrere sukzessiv steigende Polynomgrade zum selbem Ergebnis führen.

p4e

0 10 20 30 40 50

−1500

−1000

−500

500

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

) vs.

σ 11(z

) / M

Pa

p1e

p20e

p2e

p3e

σ11UVP(τ)

σ11Fit(τ)

σ11ILT (z)

σ11Abtrag(z)

0 20 40 60 80 100Eindringtiefe τ, z / µm

p2ep3ep4e

σ11UVP(τ)

σ11Fit(τ)

σ11ILT (z)

σ11Abtrag(z)

0

kugelgestrahltgeschliffen

p20ep1e

Abbildung 5.6: Gegenüberstellung der gemessenen LAPLACE-Spannungen der Proben 1.7 und 3.9 mit ihren gefitteten und den in den Ortsraum zurücktransformierten Ver-läufen. Als Refrenz dienen die Eigenspannungsgradienten mit Abtragverfahren.

Dass dies nicht grundsätzlich gilt zeigen die Ergebnisse der geschliffenen Probe, für die zwar qualitativ ähnliche Verläufe berechnet wurden, aber Differenzen von über 200 MPa in zwei Tiefenbereichen der Spannungsprofile )(11 zILTσ auftreten: Verglichen mit den Spannungen durch Materialabtrag sind die Abweichungen entweder zwischen 12 und 25 µm zu finden (Polynome 1. und 2. Ordnung), oder im Bereich des Druck-

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 72

spannungsmaximums. Hierbei ist anzumerken, dass für die CBN-geschliffene Probe 1.7 die Spannungswerte )(11 zAbtragσ der {110}-Ebenen im Diagramm aufgetragen sind, während bei der kugelgestrahlten Probe 3.9 die Mittelwerte der {110}- und {211}-Ergebnisse verwendet wurden. Dies hängt damit zusammen, dass bei den geschliffe-nen Proben der Gradient wesentlich steiler ist als bei den kugelgestrahlten, wodurch im Bereich der Eindringtiefe der Strahlung über stark variierende Eigenspannungen gemittelt wird. Aufgrund der geringeren Eindringtiefe der Cr-Strahlung für die {110}-Interferenz liefert das sin2ψ-Verfahren bei sehr steilen Gradienten Werte, welche theo-retisch näher an den real vorliegen Spannungen liegen. Beim kugelgestrahlten Zu-stand ist hingegen der Spannungswert über die Eindringtiefe nahezu konstant weshalb kaum Unterschiede zwischen den Messungen an den {110}- und {211}-Ebenen auf-treten. Dieser Zusammenhang wird für beide Proben durch die gute Übereinstimmung der ILT-Profile mit den Werten aus herkömmlichen Abtragmethoden bestätigt.

Es wird allerdings auch deutlich, dass ohne die Kenntnis der Ortsraumeigenspannung-en durch Materialabtrag eine korrekte Beurteilung der ILT-Verläufe unmöglich ist, sodass prinzipiell mehrere Ansatzfunktionen ein vertrauenswürdiges Ergebnis liefern können. Um diese Problematik zu umgehen, wurde von DENKS [2] ein Verfahren ent-wickelt, das eine tiefenaufgelöste Spannungsanalyse im Ortsraum durch Definition kleiner Messvolumina erlaubt (vgl. Kapitel 2.3.3) und das dabei zerstörungsfrei arbei-tet. Zur Validierung der so genannten Stress-Scanning-Methode wurde u.a. dieselbe kugelgestrahlte Probe verwendet, deren Spannungsverläufe in Abbildung 5.6 aufge-tragen sind. Hierbei zeigte sich ebenfalls eine sehr gute Übereinstimmung.

5.2 Eigenspannungszustände der einphasigen Oxidkeramik Al2O3

Für die in dieser Arbeit angestrebte Entwicklung eines Ortsraumverfahrens mit absor-bierenden Schlitzmasken eignen sich Aluminiumoxidproben besonders gut, da sie die vorgesehene niederenergetische Röntgenstrahlung bis etwa 8 keV schwächer absor-bieren, als beispielsweise Stähle. Auf diese Weise sollen Eigenspannungsverläufe bis in eine Tiefe von ca. 30 µm untersucht werden.

Um abschätzen zu können, welche Spannungszustände sich am besten für die Orts-raumverfahren eignen, wurden die oberflächenbehandelten Al2O3-Proben mit Hilfe von LAPLACE-Methoden charakterisiert. Die Experimente wurden überwiegend am Messplatz G3 des HASYLAB bei einer Strahlungsenergie von 6,930 keV (CoKα1) an der {116}-Interferenz (2θ0 = 67,91°) durchgeführt. Detektorseitig kamen ein Szintilla-tionszähler und ein Parallelplattenkollimator mit 0,15° Winkelakzeptanz zum Einsatz. Die Auswahl der {116}-Ebenen für die Spannungsanalyse basiert im Wesentlichen auf drei Gründen: (i) Weil vermutlich steile Spannungsgradienten vorliegen, liefern Interferenzen im Vorderstrahlbereich – wegen ihrer geringen Eindringtiefe τ0 – eine

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

73

bessere Auflösung der Eigenspannungsprofile in der unmittelbaren Randschicht, als solche bei hohen Beugungswinkeln. (ii) Die {116}-Ebenen besitzen bei Verwendung von CoKα1-Strahlung die höchste Nettointensität. (iii) Bei der Anwendung des Orts-raumverfahrens soll am selben Reflex gemessen werden, was in Kapitel 6.2 näher er-läutert wird. Als weitere wichtige Versuchparameter sind die Messung in Richtung der vier Azimutwinkel φ = 0°, 90°, 180° und 270°, sowie der ψ-Winkelbereich von jeweils 0° bis 89° zu nennen.

Die Ergebnisse der Universalplotauswertungen und die Transformation der Verläufe in den Ortsraum mittels ILT sind in der Abbildung 5.7 für drei der untersuchten Pro-ben dargestellt. Die ausgewählten Proben D151, D25 und K2 repräsentieren die ver-schiedenen Oberflächenbearbeitungsverfahren und die damit verknüpften Eigenspan-nungsprofile. Hierzu ist anzumerken, dass sich die vier Kugelstrahlbehandlungen K1 bis K4 bezüglich ihrer Auswirkung auf die Spannungszustände kaum voneinander abheben und daher nur eine Probe exemplarisch betrachtet wird. Wie aus den Dia-grammen hervorgeht, treten hingegen große Differenzen zwischen den zwei Schleif-bearbeitungen D25 und D151 auf. Während für die grob bearbeitete Probe D151 ein deutlicher Unterschied zwischen Schleifrichtung und Querrichtung gemessen wurde, handelt es sich bei der Probe D25 um einen nahezu rotationssymmetrischen Span-nungszustand. Für die grob geschliffene Probe sind die Messwerte )(22 τσ UVP quer zur Schleifrichtung bis in eine Tiefe von 4 µm 700-800 MPa kleiner als in Längsrichtung. Dabei ist ein leichtes Minimum von −4000 MPa etwa 0,5 µm unter der Oberfläche auszumachen. Für steigende Messtiefen werden die Spannungswerte betraglich klei-ner und münden ab 5 µm in einen relativ konstanten Verlauf um −300 MPa. Für die Längsrichtung wurden bei großen Eindringtiefen dagegen Werte um 0 MPa gemessen.

Die transformierten Verläufe von D151 zeigen von allen Proben die größten Abwei-chungen untereinander, was in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass das Mini-mum nahe der Oberfläche nicht durch Ansatzfunktionen geringen Polynomgrads ab-gebildet werden kann. Dies schlägt sich auch im PEARSON’schen Korrelationskoeffi-zienten R2 nieder der für “p1e” und “p20e” bei 0,9684 und 0,9794 liegt. Bei den gedämpften Polynomen 2., 3. und 4. Ordnung nimmt er Werte von 0,9943, 0,9963 und 0,9991 an. Aus dem Diagramm wird jedoch deutlich, dass trotz einer steigenden An-passungsfähigkeit der gewählten Ansatzfunktionen )(11 τσ Fit das Verfahren nicht gegen einen bestimmten Spannungsverlauf konvergiert, sondern die Oszillationsneigung der transformierten Spannungsprofile mit steigendem Polynomgrad zunimmt. Somit füh-ren nicht alle Polynomgrade automatisch zu realistischen Ergebnissen. Es empfiehlt sich daher, ein Polynom 2. oder 3. Ordnung zu wählen, auch wenn sich die Qualität der Anpassung an die Daten noch erhöhen ließe. Letztendlich ist die Beurteilung der Messergebnisse aber immer Abhängig vom Anwender, seiner Erfahrung und Zielset-

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 74

zung, was die Problematik der inversen LAPLACE-Transformation unterstreicht. Für Probe D151 wird die Funktion “p2e” (rote Linie) als vertrauenswürdigstes Ergebnis für )(11 zILTσ eingestuft. Durch den vergleichsweise flachen Gradienten würde sie sich prinzipiell gut für die Ortsraumexperimente mit Masken eignen, jedoch wird wegen ihrer hohen Oberflächenrauheit und -schädigungen zunächst davon abgesehen.

0 5 10 15−5000

−4000

−3000

−2000

−1000

0

1000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

), σ 22

(τ) /

MPa

σ11

(τ)

mittlerer Fehler σ22

(τ)

σ11UVP (τ)

σ22UVP (τ)

0 5 10 15−6000

−4000

−2000

0

2000

4000

6000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

) vs.

σ11

(z) /

MPa

σ11UVP (τ)

σ11Fit(τ)

σ11ILT (z)

p1e

p20ep2e

p3e p4e D151

0 5 10 15−5000

−4000

−3000

−2000

−1000

0

1000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

), σ 22

(τ) /

MPa

mittlerer Fehler σ11

(τ)

mittlerer Fehler σ22

(τ)

σ11UVP (τ)

σ22UVP (τ)

0 5 10 15−6000

−4000

−2000

0

2000

4000

6000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

22(τ

) vs.

σ22

(z) /

MPa

p1ep20e

p2e

p3ep4e

σ22UVP (τ)

σ22Fit(τ)

σ22ILT (z)

D25

0 5 10 15−6000

−4000

−2000

0

2000

4000

6000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

) vs.

σ11

(z) /

MPa

p2ep3e

σ11UVP (τ)

σ11Fit(τ)

σ11ILT (z)

0 5 10 15−5000

−4000

−3000

−2000

−1000

0

1000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

), σ 22

(τ) /

MPa

mittlerer Fehler σ11

(τ)

mittlerer Fehler σ22

(τ)

σ11UVP (τ)

σ22UVP (τ)

p1ep20e

p4e

K2

Abbildung 5.7: LAPLACE-Spannungen σUVP(τ) der geschliffenen Al2O3-Proben D25 und D151, sowie der kugelgestrahlten Probe K2 (links). Mittels ILT berechnete Ortsraum-eigenspannungen σILT(z) für Ansatzfunktionen verschiedener Polynomgrade (rechts).

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

75

Die Spannungsverläufe längs und quer zur Schleifrichtung der Probe D25 verhalten sich nahezu identisch. Beide Messrichtungen zeigen einen kontinuierlichen Anstieg der LAPLACE-Spannungen innerhalb der ersten 2 µm. In diesem Bereich bauen sich die Druckspannungen von −4500 MPa auf einen spannungsfreien Zustand ab und bleiben fast unverändert bis zur maximalen Eindringtiefe. Aufgrund dieses extrem steilen Abfalls kann durch keine der Fitfunktionen eine hundertprozentige Überein-stimmung mit den Daten erreicht werden. Mit R2 = 0,9791 wurde der höchste Korrela-tionswert erwartungsgemäß beim Polynom 4. Grades berechnet. Dennoch zeigt sich, dass im Übergang zum konstanten Spannungsbereich die Anpassung ungenügend ist.

Die zurücktransformierten Verläufe des Zustands D25 haben alle eine ähnliche Cha-rakteristik. Mit steigendem Polynomgrad nimmt aber die Steilheit des Gradienten zu, der für “p4e” mehr als 10000 MPa/µm in den ersten 1,5 µm beträgt. Aus werkstoff-technischer Sicht ist es jedoch fraglich, ob die hohen berechneten Spannungswerte von −9000 MPa und fast 6000 MPa im Werkstoff wirklich existieren. Die maximale Biegespannung des Materials von 300-580 MPa würde hier um ein Vielfaches über-schritten, sodass Risse in den zugspannungsbehafteten Regionen auftreten müssten. Dies konnte durch Untersuchungen im REM nicht bestätigt werden, allerdings wurden in dieser Arbeit keine vertiefenden Untersuchungen zu dieser Fragstellung vorge-nommen. Risse hätten zudem eine Spannungsrelaxation zur Folge, sodass aus Gleich-gewichtsgründen auch die hohen Druckspannungen abgebaut würden. Auch wenn dies hier nicht der Fall ist, scheint die inverse LAPLACE-Transformation Eigenspannungs-zustände zu überschätzen, wenn sehr steile Gradienten vorliegen. Der Effekt verstärkt sich mit höheren Polynomgraden, auch wenn die Anpassung der Funktionen an die Messdaten formal besser wird. Aus diesen Gründen werden für eventuelle Vergleiche mit komplementären Messverfahren die transformierten Spannungsprofile von “p20e” verwendet.

Die UVP-Verläufe der kugelgestrahlten Probe K2 in Abbildung 5.7 verhalten sich sehr ähnlich zu denen von D25 mit dem Unterschied, dass das spannungsfreie Niveau erst bei 3µm Oberflächenabstand erreicht ist. Dies hat zur Folge, dass auch die Orts-raumeigenspannungen für fast alle Anpassungsfunktionen weniger hohe Extremwerte aufweisen. Ausgenommen davon ist Ansatzfunktion “p4e” die starke Oszillationen zeigt. Da die Funktionen “p2e”und “p3e” fast deckungsgleich sind und beide die Messdaten relativ gut approximieren (beide R2 = 0,994) wird “p3e” als Referenzprofil für diesen Probenzustand festgelegt.

Die in einer späteren Projektphase hergestellten Biegeproben wurden neben der Ver-wendung in den DEK-Experimenten auch auf ihre Eigenspannungen untersucht. Die Messungen an Probe BP03 wurden jedoch nicht am HASYLAB sondern im Röntgenla-bor des IfW in Kassel durchgeführt. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 76

mittels Polykapillare parallelisierte CoKα-Strahlung eingesetzt. Detektorseitig stand ein Setup mit Szintillationszähler, Analysatorkristall (LiF) und Parallelplattenkollima-tor (0,4°) für hohe Winkelauflösung zur Verfügung. Gemessen wurde am {116}-Reflex bis zu einem ψ-Winkel von 89° und in jeweils vier azimutalen Richtungen, parallel zu den Bauteilkanten.

0 5 10 15−6000

−4000

−2000

0

2000

4000

6000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

22(τ

) vs.

σ22

(z) /

MPa

p2ep3e

σ22UVP (τ)

σ22Fit(τ)

σ22ILT (z)

0 5 10 15−5000

−4000

−3000

−2000

−1000

0

1000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

), σ 22

(τ) /

MPa

mittlerer Fehler σ11

(τ)

mittlerer Fehler σ22

(τ)

σ11UVP (τ)

σ22UVP (τ)

p1ep20e

p4e

BP03

Abbildung 5.8: LAPLACE-Spannungsverteilungen σUVP(τ) der Al2O3-Biegeprobe (links). Mittels ILT berechnete Ortsraumeigenspannungen σILT(z) für Ansatzfunktionen ver-schiedener Polynomgrade quer zur Probenlängsachse (rechts).

Abgesehen vom kleineren oberflächennahen Minimum ähneln die Verläufe der Bie-geprobe in Abbildung 5.8 der σ22-Richtung der Probe D151. Der rotationssymmetri-sche Spannungszustand besitzt an der Oberfläche Werte um −4000 MPa die sich in-nerhalb von 7 µm auf etwa 0 MPa reduzieren. Da die berechneten Ortsraumprofile auch hier fast deckungsgleiche Verläufe für “p2e”und “p3e” zeigen und für “p4e” be-reits mehrfach oszillierende Verläufe auftreten, wird für die späteren Vergleichsmes-sungen mit maskenbasierten Ortsraumverfahren das Spannungsprofil von “p3e” ge-nutzt. Besonders interessant in Bezug auf die Ortsraumexperimente ist vermutlich der relativ flache Eigenspannungsgradient bei gleichzeitig geringer Oberflächenrauheit. Anders als die Probe D151, bei der die Spannungsverläufe noch ein wenig sanfter ver-laufen, zeigt die Proben BP03 keine starken Oberflächenschädigungen, was sich posi-tiv auf die Applikation der Masken auf der Probe auswirken dürfte.

5.3 Eigenspannungszustand des Multilagenschichtsystems

Neben den einphasigen Keramikproben wurde ein kugelgestrahltes Multilagenschicht-system untersucht, dessen funktionale Randschicht im Wesentlichen aus drei Al2O3-Schichten gleicher Dicke aufgebaut ist. Diese sind durch Zwischenschichten vonein-ander getrennt und über einen TiCN-Layer an das Wolframkarbid-Substrat angebun-den. Der Aufbau des Schichtsystems wurde in Kapitel 3.3 im Detail beschrieben. Die

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

77

Eigenspannungsuntersuchungen wurden analog zu den zuvor gezeigten Messungen am Messplatz G3 unter denselben Randbedingungen durchgeführt.

Bei den aufgenommenen Messwerten zeigt sich, dass bis zu ψ-Winkeln von etwa 70° nahezu linearere Anstiege der gemessen Dehnungen über sin2ψ auftreten. Würde man hier die Messungen abbrechen, lassen sich Zugspannungen von 350 ± 10 MPa mit Hilfe der sin2ψ-Methode ermitteln. Die Eindringtiefe τ beträgt bei dieser Probenkip-pung 5 µm und entspricht genau der Dicke der einzelnen Al2O3-Schichten. Erst ab dieser Tiefe nehmen die mittels UVP-Methode berechneten Gitterdehnungen in allen Azimutwinkeln rapide aber gleichförmig zu und besitzen bei ψ = 89° negative Werte um −8·10−3. Dies deutet auf sehr hohe Druckeigenspannungen an der unmittelbaren Bauteiloberfläche hin. Demnach muss in der obersten Al2O3-Schicht ein steiler rotati-onssymmetrischer Spannungsgradient vorliegen, der vermutlich Zugeigenspannungen am Übergang zwischen der ersten und zweiten Al2O3-Schicht aufweist.

0 5 10 15−6000

−4000

−2000

0

2000

4000

6000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

) vs.

σ11

(z) /

MPa

σ11UVP (τ)

σ11Fit(τ)

σ11ILT (z)

0 5 10 15−5000

−4000

−3000

−2000

−1000

0

1000

Eindringtiefe τ, z / µm

Span

nung

en σ

11(τ

), σ 22

(τ) /

MPa

mittlerer Fehler σ11

(τ)

mittlerer Fehler σ22

(τ)

σ11UVP (τ)

σ22UVP (τ)

p1ep20e

p2ep3ep4e

MLSS

Abbildung 5.9: LAPLACE-Eigenspannungsverteilungen σUVP(τ) in der Al2O3-Phase des kugelgestrahlten Multilagenschichtsystems (links). Mittels ILT berechnete Ortsraum-eigenspannungen σILT(z) für Ansatzfunktionen verschiedener Polynomgrade (rechts).

Wie bei den massiven Keramikproben sind in Abbildung 5.9 die Eigenspannungsver-läufe des MLSS über der theoretischen Eindringtiefe von CoKα1-Strahlung aufgetragen. Dabei wurde die Informationstiefe τ für eine homogene, quasi unendlich dicke Alumi-niumoxidschicht berechnet. Das Schichtsystem besteht insgesamt zwar aus ca. 15 µm α-Al2O3, allerdings tragen, anders als bei Massivproben, keine tieferliegenden Werk-stofffraktionen zusätzlich zum Beugungssignal bei. Daher ist die berechnete Informa-tionstiefe formal falsch. Hinzu kommt, dass die Zwischenschichten die Röntgenstrah-lung ebenfalls absorbieren ohne zum Beugungssignal beizutragen, was für eine kor-rekte Betrachtung berücksichtigt werden muss. Das einzige Verfahren welches bislang eine Separierung der einzelnen Subschichten in MLSS und die Berechnung ihrer

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren 78

quantitativen Spannungszustände ermöglicht, basiert auf dem Äquivalenzdickemodell von Klaus [42].

Dennoch können gerade die oberflächennahen Regionen in denen die höchsten Span-nungen auftreten auch mit der herkömmlichen UVP-Auftragung relativ gut beschrie-ben werden. Dabei zeigt sich ein steiler Anstieg der Eigenspannungen von −4000 MPa auf 0 MPa innerhalb der ersten 3 µm. Im weiteren Verlauf bis 5 µm nähern sich die Spannungen dem bereits aus der sin2ψ-Auswertung bekannten Niveau von 350 MPa an. Unter Vernachlässigung der im vorherigen Absatz beschriebenen Fehler bei der Berechnung der Informationstiefe, wurden die bekannten Ansatzfunktionen verwen-det, um die Ortsraumeigenspannungen zu ermitteln. Diese sind im rechten Diagramm von 5.9 aufgetragen und zeigen für die gedämpften Polynome 2., 3. und 4. Ordnung ähnliche Kurvenverläufe bei leicht unterschiedlichen Spannungsmaxima und -minima. Die Anpassungsgüte der Funktionen im LAPLACE-Raum ist mit R2-Werten von 0,9992 bis 0,9993 ist in allen Fällen sehr hoch. Auch die Fitfunktionen “p1e” und “p20e” be-schreiben die Messdaten bei Korrelationswerten von 0,9903 und 0,9942 schon sehr gut und liefern zudem plausible Eigenspannungsprofile. Für die Vergleiche mit den Ergebnissen der maskenbasierten Ortsraumverfahren wird in Kapitel 7.4.4 der Span-nungsgradient von “p2e” herangezogen, der im Diagramm rot markiert ist und quasi einen Kompromiss der fünf ILT-Verläufe darstellt.

5.4 Schlussfolgerungen zur Probencharakterisierung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die inverse LAPLACE-Transformation zwar stets Ergebnisse liefert, die auf Basis geeigneter Anpassungsfunktionen zu mögli-cherweise richtigen Verläufen führen. Jedoch müssen gerade die Ergebnisse der Ke-ramikproben kritisch hinterfragt werden, da hohe Zugspannungen hier schnell zum Versagen des Werkstoffs führen können. Zugspannungsmaxima von 6000 MPa, wie sie durch die ILT berechtet wurden, scheinen vor dem Hintergrund, dass die kritische Biegespannung des Materials bei maximal 580 MPa [78] liegt, deutlich überschätzt. Die inverse LAPLACE-Transformation scheint also gerade beim Vorliegen sehr steiler Gradienten zu unrealistischen Spannungsverläufen aus werkstofftechnischer Sicht zu tendieren. Mangels alternativer Methoden zur Überführung gemessener LAPLACE-Spannungswerte in den Ortsraum, werden dennoch die berechneten Verläufe als Refe-renz für die Ortsraumverfahren mit Masken verwendet. Bei mäßigen Gradienten wie sie für die unterschiedlich behandelten Stahlproben gemessen wurden konnten hinge-gen sehr gute Übereinstimmungen mit anderen teils bewährten Verfahren gefunden werden.

Die Spannungszustände des 100Cr6 sind zwar von allen Proben am besten charakteri-siert, jedoch ist die Eindringtiefe der zur Verfügung stehenden Strahlung vermutlich

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Spannungsanalyse mit komplementären Beugungsverfahren

79

zu gering um ausreichend tief in das Material vorzudringen. Daher besitzen die Stahl-proben bei der Planung und Auslegung der Masken keine Priorität.

Für die Ortsraumverfahren mit Schlitzmasken bieten sich zunächst drei Al2O3-Proben an, die aufgrund ihrer hohen Oberflächengüte das unmittelbare Auflegen der Masken auf die Probenoberfläche ermöglichen sollten. In ersten Versuchen wird daher die mit feinem Korn geschliffene Probe D25 eingesetzt. Ergänzend sollen im weiteren Pro-jektverlauf Messungen an der Biegeprobe BP03 durchgeführt werden, da ihr Span-nungsgradient, gemäß Universalplotverfahren und inverser LAPLACE-Transformation, etwas flacher verläuft als bei D25. Im Hinblick auf die Höhe der eingesetzten Messvo-lumina fallen die Spannungsänderungen innerhalb eines VE bei BP03 kleiner aus und sollten somit näher an der Realität liegen. Beim Multilagenschichtsystem soll letztlich der Versuch unternommen werden, Eigenspannungen innerhalb einzelner Subschich-ten zu erfassen. Die kleinsten verfügbaren VE-Höhen sind hier allerdings so groß, dass bestenfalls die mittleren Dehnungen der jeweiligen Subschicht ermittelt werden können, was allerdings schon einen großen Fortschritt verglichen mit bestehenden Messverfahren darstellen würde.

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum 80

6 Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungs-analyse im Ortsraum

Aufbauend auf den theoretischen Ausführungen von PREDECKI [6], welche in Kapitel 2.3.4 im Detail dargelegt wurden, fand die Umsetzung der Ortsraummethode unter Berücksichtigung der folgenden Punkte statt: Hauptziel ist die direkte Messung von Eigenspannungstiefenverteilungen im Ortsraum unter Anwendung der sin2ψ-Methode und Einsatz herkömmlicher Laborröntgenquellen bzw. Synchrotronstrahlung äquiva-lenter Wellenlänge. Um dabei relativ steile Gradienten im Bereich der strahlungsener-gie- und materialabhängigen Eindringtiefe auflösen zu können, sollen die verwende-ten Messvolumina eine Höhe von 5 µm nicht überschreiten. Da bei der Auslegung der Masken den verschiedenen Materialien, Analysetiefen, Kippwinkeln etc. Rechnung getragen werden muss, resultiert eine Vielzahl unterschiedlicher Schlitzgeometrien, die in Kapitel 6.2 näher beschrieben werden. Die Fertigung der Schlitzmasken sowie ihre Charakterisierung bezüglich Abmessungen, Absorptionsvermögen und Texturein-fluss sind in Abschnitt 6.3 und 6.4 beschrieben.

6.1 Idee, Anforderungen und Randbedingungen

Das Funktionsprinzip der Masken beruht auf der partiellen Absorption (Absorber-schicht) bzw. Durchlässigkeit (Schlitzbereiche) der einfallenden und der am Atomgit-ter des Probenwerkstoffs gebeugten Röntgenstrahlung. Somit kann das Probenvolu-men in belichtete Messvolumina und ausgeblendete “Schattenbereiche” unterteilt werden. Die geometrischen Abmessungen der Schlitzstrukturen definieren dabei Grö-ße und Form der Volumenelemente, in denen die Gitterdehnungen aus den aufge-nommenen Interferenzen bei unterschiedlichen Kippwinkeln ψ ermittelt werden kön-nen. Unter Anwendung der sin2ψ-Methode liefern die gemessenen Dehnungen den Spannungswert im bestrahlten Messvolumen. Durch Variation der Analysetiefe ist es dann möglich, die Eigenspannungstiefenverteilung in der Probenrandschicht aufzulö-sen, ohne den Umweg einer inversen LAPLACE-Transformation oder anderer fehleran-fälliger Umrechnungsverfahren (vgl. Kapitel 2.3.1) gehen zu müssen. Diese Aussage ist immer dann gültig, wenn die Höhe der Messvolumina klein gegenüber der Ände-rung der Spannung innerhalb der belichteten Bereiche ist. Andernfalls muss auch hier die exponentielle Strahlschwächung und damit die Faltung der gemessenen Dehnun-gen mit der Röntgenintensität aus unterschiedlichen Tiefen berücksichtigt werden.

Bei den folgenden Betrachtungen wird zunächst von einem näherungsweise homoge-nen Spannungszustand innerhalb der Messvolumina ausgegangen. Zudem wird vor-ausgesetzt, dass die Spannungskomponenten parallel zur Probenoberfläche konstant sind, sodass die Dehnungsinformationen über die komplette bestrahlte Fläche als ho-

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mogen angesehen werden können. Für die Spannungszustände der vorliegenden Pro-ben (vgl. Kapitel 5) ist diese Annahme sicherlich korrekt. Da die Masken aufgrund des großen Verhältnisses von Absorber- zu Schlitzfläche nahezu die gesamte Strah-lung absorbieren, muss die Korngröße des Probenmaterials sehr gering sein, um eine ausreichende Kornstatistik innerhalb der Messvolumina zu erhalten. Eine weitere An-forderung an die Proben ist eine hinreichend ebene Oberflächentopografie zur Ver-meidung von Winkelfehlern zwischen Masken- und Probenoberfläche. Beide Aspekte wurden bereits bei der Probencharakterisierung in Abschnitt 3 angesprochen.

Das schematische Design der Masken wird durch Abbildung 6.1 wiedergegeben. Auf der Probenoberseite befindet sich die absorbierende Schicht. Die Schlitze dienen zum definierten Ein- und Austritt der Strahlung durch die Maske. Die Forderung nach ei-ner wenige Mikrometer dünnen Absorberschicht, lässt nur eine begrenzte Auswahl an Materialien wie z.B. Blei oder Gold zu, da es ein extrem hohes Absorptionsvermögen für Röntgenstrahlung besitzen muss. Für die Berechnung der benötigten Schichtdicke wurde der lineare Absorptionskoeffizient des jeweiligen Materials herangezogen. Die Analysetiefen, sowie die Breiten und Höhen der Messvolumina sind abhängig von den Diffraktionswinkeln und vom Maskenlayout, also den Schlitzbreiten und ihren Ab-ständen zueinander. Die Diffraktionswinkel hängen wiederum von der verwendeten Röntgenwellenlänge ab, sodass bei der Auslegung der Masken eine Vielzahl unter-schiedlicher Parameter und Abhängigkeiten berücksichtigt werden muss.

h

z

abc

Abbildung 6.1: Prinzipskizze einer Absorbtionsmaske und den durch Schlitze definier-ten Messvolumina im Werkstoff.

Die wichtigsten Parameter in Hinblick auf die Analyse von Eigenspannungsgradienten im Ortsraum sind die Höhe der ausgeblendeten Volumenelemente sowie deren Lage, d.h. ihr Abstand von der freien Probenoberfläche. Zur Auslegung der absorbierenden Masken werden verschiedene Annahmen und Vorgaben bezüglich des Absorbermate-

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rials (physikalische Anforderungen) und der Schlitzgeometrie (konstruktive Anforde-rungen) getroffen, die sich wie folgt definieren lassen:

• hohes Absorptionsvermögen bei geringer Absorberschichtdicke

• keine Überschneidung der Interferenzen von Absorber- und Probenmaterial

• hohe Tiefenauflösung durch geringe Höhe der Volumenelemente

• Gewährleistung einer ausreichenden Kornstatistik, bestimmt durch Breite, Länge und Anzahl der Messvolumina sowie die Größe der bestrahlten Fläche

• Dehnungsinformation aus nur einer hinreichend dünnen Schicht

Die Berechnung der Absorberschichtdicke, der Schlitzbreiten und ihrer Abstände so-wie der anschließende Herstellungsprozess der Absorptionsmasken werden im fol-genden Kapitel detailliert beschrieben.

6.2 Konstruktive Auslegung der Masken

Die Auslegung der strahlbegrenzenden Masken erfolgt in enger Anlehnung an das von PREDECKI [6] vorgeschlagene Layout für den Maskentyp II, bei dem sich zwischen Absorptionsschicht und Probenoberfläche eine Zwischenschicht aus Beryllium oder Polyimid (PI) befindet. Die Schicht dient zum einen als Träger für die dünnen Absor-berstrukturen und soll andererseits Beschädigungen durch mechanischen Abrieb und andere Umgebungseinflüsse vermeiden. Da die Masken direkt auf der Probenoberflä-che aufliegen sollen, fungiert die Zwischenschicht außerdem als Abstandhalter, des-sen Dicke in die Berechnungen bei der Schlitzauslegung einfließen muss. Darüber hinaus muss die Schicht sehr geringe Absorptionseigenschaften besitzen und röntgen-amorph sein, damit sie keine eigenen Interferenzen im Beugungsspektrum der unter-suchten Proben liefert. Letzteres schließt die Verwendung von polykristallinem Beryl-lium jedoch aus. Hinzu kommt, dass Beryllium und speziell Berylliumoxid hochgra-dig giftig sind, was das Handling der Masken zusätzlich erschwert. Wesentliche Vorteile von PI sind seine hohe Verschleißfestigkeit und Duktilität, sowie die relativ einfache Verarbeitbarkeit, wobei auch wenige Mikrometer dünne Membranen herge-stellt werden können. Aus diesen Gründen fiel die Entscheidung zu Gunsten von Poly-imid. Neben den genannten Vorteilen ist PI ein gängiger Werkstoff im Bereich der Mikrostrukturierung von (elektronischen) Bauteilen, was die Brücke zu den in Frage kommenden Herstellungsverfahren für die Schlitzstrukturen schlägt.

Eine erste Abschätzung der benötigten Schlitzbreiten für die Gradientenmessungen beläuft sich auf ca. 3-10 µm. Um sicherzustellen, dass sämtliche Schlitze stets diesel-ben Abmessungen, den gleichen Abstand zueinander und definiert rechtwinklige Sei-tenwände besitzen, werden äußerst präzise Herstellungsverfahren benötigt. Weder

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mikromechanische Verfahren noch abrasive oder Laser-Prozesse sind in der Lage die geforderten Genauigkeiten zu erfüllen und bringen oft zusätzliche Spannungen auf-grund thermischer Einflüsse oder Plastifizierungen in das Bauteil ein. Dies kann zu Verwerfungen der Absorbermembranen führen. Besser geeignet sind Lithografiever-fahren zur Mikrostrukturierung, wobei für die in dieser Arbeit gefertigten Schlitzmas-ken UV-Lithografie zum Einsatz kam. Details hierzu sind in Kapitel 6.3 zu finden.

Bei der Wahl eines geeigneten Absorbermaterials müssen zunächst die verwendeten Strahlungsenergien berücksichtigt werden. Da zu Beginn keine Festlegung auf eine bestimmte Wellenlänge vorgenommen werden sollte, wurden die gängigen Anoden-materialien von Titan (λ = 0,27498 nm) bis Kupfer (λ = 0,15419 nm) berücksichtigt. Zwar ist Molybdän-Strahlung (λ = 0,07107 nm) aufgrund seiner hohen Energie be-sonders geeignet, wenn es um die Realisierung großer Eindringtiefen in das Proben-material geht, jedoch wird gleichzeitig die Wirkung der Absorberschicht herabgesetzt. Hinzu kommt, dass selbst bei kubischen Werkstoffen die gut messbaren Interferenzen im niedrigen Vorderstrahlbereich liegen, was für die röntgenografische Spannungs-analyse ein deutlicher Nachteil ist. Das Messen bei kleinen Bragg-Winkeln hat außer-dem zur Folge, dass die lichten Bereiche der Masken immer schmaler werden und sich so das bestrahlte Volumen verringert. Dies reduziert einerseits die Kornstatistik und anderseits die reflektierte Intensität. Molybdän-Strahlung findet daher keine wei-tere Berücksichtigung.

Im Wellenlängenbereich von 0,27498 nm bis 0,15419 nm kommen zunächst mehrere Werkstoffe als Absorbermaterial in Frage. Hierzu zählen Blei, Gold, Platin, Wolfram bzw. Wolfram-Legierungen oder Uran, die alle einen hohen Massenabsorptionskoef-fizienten µ/ρ besitzen. Aus diesem Grund reichen bereits wenige Mikrometer dicke Schichten zur intensiven Strahlschwächung aus. In der Annahme, dass die einzelnen Werkstoffe porenfrei als Absorberschicht vorliegen, zeigt Abbildung 6.2 a) ihre Halb-wertsdicke d1/2 in Abhängigkeit der Röntgenwellenlänge λ bei direkter Durchstrah-lung. Es wird sofort deutlich, dass Uran die besten strahlschwächenden Eigenschaften besitzt, gefolgt von Platin und Gold. Da bei den angefragten Herstellern die Erfahrun-gen zur Aufbringung homogener dünner Schichten klar auf Seiten der Goldverarbei-tung lagen, fiel aus technologischer und nicht zuletzt auch aus finanzieller Sicht die Wahl auf Gold als Absorbermaterial.

Beim Einsatz der Masken in Beugungsexperimenten passiert die Röntgenstrahlung die Absorberschicht in den meisten Bereichen zwei Mal. Primärseitig wird zunächst der gesamte Strahlquerschnitt geschwächt. Ausgenommen sind die durchlässigen Schlitzbe-reiche. Anschließend findet die Beugung am Gitter des Probenwerkstoffs statt und die reflektierte Strahlung muss erneut die Absorberschicht durchdringen, bevor sie der De-tektor registriert. Im ungünstigsten Fall der senkrechten Durchstrahlung des Absorbers

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ist der zurückgelegte Strahlweg das zweifache der Schichtdicke. Wird jedoch berück-sichtigt, dass sich der Strahlweg durch den Absorber verlängert, wenn Primär- und Se-kundärstrahl unter definierten Kippwinkeln bezüglich der Oberflächenormalen orien-tiert sind, so nimmt die benötigte Schichtdicke ab. Für verschiedene Goldschichtdicken dAu sind in Abbildung 6.2 b) ihre Transmissionsgrade I/I0 über dem doppelten Bragg-Winkel 2θ aufgetragen. Die dargestellten Kurven wurden für CoKα-Strahlung und ψ = 0° nach zweifacher Durchdringung der Absorberschicht berechnet. Es wird deut-lich, dass selbst eine 1,5 µm dünne Goldschicht die Primärintensität um mindesten 82 % schwächt und schon bei 3,0 µm Dicke und senkrechtem Strahlweg fast 97 % ab-sorbiert werden. Kürzere und längere Wellenlängen führen zu qualitativ ähnlichen Ver-läufen, jedoch bei kleineren bzw. größeren Restintensitäten.

0,16 0,18 0,20 0,22 0,24 0,26 0,280,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

3,0

3,5

α

α

α

α

α

α

d

α

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180

0

2

4

6

8

10

12

14

16

18 α

Tran

smis

sion

sgra

d I/I

0 / %

2

dAu

a) b)

Abbildung 6.2: a) Halbwertsdicke unterschiedlicher Absorbermaterialien als Funktion der Wellenlänge. b) Transmissionsgrad unterschiedlicher Goldschichtdicken in Ab-hängigkeit des Beungungswinkels für CoKα-Strahlung.

Eine vollständige Absorption durch die Masken ist nach dem LAMBERT-BEER’schen Gesetz theoretisch nicht möglich. Daher muss ein Grenzwert definiert werden, für den die reflektierte Intensität aus der Probe, die durch das Absorbermaterial hindurch in den Detektor gelangt, nur noch einen vernachlässigbar kleinen Teil des gesamten Beu-gungssignals darstellt. Dieser Wert wird für die Schichtdickenauslegung auf ≤ 1 % der eingestrahlten Intensität I0 festgelegt. Es handelt sich hierbei um einen Schätzwert, der einen Kompromiss zwischen größtmöglicher Absorption, dünner Goldschicht und ho-her Randschärfe der Messvolumina darstellt. Diese Punkte werden im folgenden Ab-satz näher erläutert. Da in der Literatur keine experimentellen Untersuchungen dies-bezüglich zu finden sind, wurde sich auch an den von PREDECKI vorgeschlagenen Ab-sorberschichtdicken [6] orientiert. Für unterschiedliche Messmodi ergeben sich die folgenden Beziehungen:

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%1cossin

2exp0

≤⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅−= zµ

II

ψθ (ψ-Modus) (6.1)

%1sinsincossin2exp 22

0

≤⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⋅

−−= zµ

II

ψθψθ (ω–Modus) (6.2)

Die Absorberschichtdicke ist neben den verwendeten Beugungswinkeln der entschei-dende Parameter für die stets auftretende Randunschärfe der Messvolumina. Hervor-gerufen durch die schräge Durchstrahlung der Goldschicht im Bereich der Schlitzrän-der, führt sie hier zu geringeren Absorptionsgraden als dort, wo die gesamte Schicht-dicke passiert wird. Unterschiedlich stark ausgeleuchtete Probenbereiche sind die Folge. Lediglich wenn die Goldschicht unendlich dünn oder die Schlitzränder parallel zum einfallenden bzw. reflektierten Strahl wären, träte dieser Kanteneffekt nicht auf. Aus fertigungstechnischen Gründen konnten jedoch keine definiert schrägen Schlitz-wände realisiert werden.

Zur Veranschaulichung der Absorptionsverhältnisse zeigt Abbildung 6.3 a) den Quer-schnitt eines Schlitzpaares und das von ihm definierte Volumenelement. Es wird deut-lich, dass es sich nicht scharf gegen seine Umgebung abgrenzt, sondern einen Kern- und einen Übergangsbereich besitzt. Die schwarze, rautenförmige Fläche ist der Kernbereich des VE in dem keine Absorption der Strahlung durch die Goldschicht erfolgt und dessen Größe sich durch beff und heff beschreiben lässt. Umschlossen wird der Kernbereich von einer Art Korona (graue Flächen), worin die Intensität gemäß dem Schwächungsgesetz stetig abnimmt. In der Grafik ist dieser Intensitätsgradient durch zwei unterschiedliche Grautöne vereinfacht dargestellt. Aufgrund des exponen-tiellen Charakters der Absorption, tragen die dunkelgrauen Bereiche deutlich stärker zum gesamten Beugungssignal bei als die hellgrauen. Es wird daher für die Berech-nung der Schlitzgeometrien vereinbart, dass die dunkelgrauen Flächen, die sich aus der mindestens halb durchstrahlten Absorberschicht ergeben, den Kernbereichen der Messvolumina zugeschlagen werden. Ihre Tiefenauflösung h (VE-Höhe) berechnet sich dann aus der gesamten Schlitzbreite b und den verwendeten Beugungswinkeln ω und 2θ.

Der Kanteneffekt wird umso stärker, je dicker die Goldschicht bei konstanter Schlitz-breite ist und kann sogar so groß werden, dass die effektive Schlitzbreite beff gleich Null wird, also kein Kernbereich mehr existiert. Unter welchen Randbedingungen der Kernbereich verschwindet, wird mit Hilfe des Diagramms 6.3 b) deutlich. Die effekti-ve Schlitzbreite ist demnach eine Funktion des Einstrahlwinkels ω und dem Verhält-nis zwischen Schichtdicke dAu und Schlitzbreite b. Durch die Normierung dAu/b ist das Diagramm für beliebige Schlitzgeometrien und Schichtdicken gültig. Ideal in Hinblick auf die Randschärfe wären eine unendlich dünne Absorberschicht oder extrem große

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Schlitzbreiten, jedoch würden in beiden Fällen keine Messvolumina im Probenkörper definiert werden. Für den Fall, dass dAu genau so groß ist wie b verschwindet der Kernbereich ab einem Einstrahlwinkel ω ≤ 45°. Wird das Verhältnis dAu/b reduziert kann zwar bis zu kleinen Beugungswinkeln gemessen werden, jedoch muss stets die Ortsauflösung und das bestrahlte Probenvolumen, welche beide durch die Schlitzbrei-te bestimmt werden, das Absorptionsvermögen der Goldschicht und die Randschärfe des VE berücksichtigt werden. Damit die Kanteneffekte die Beugungssignale nicht zu stark dominieren soll beff bei den verwendeten Masken minimal 40-50 % der Schlitz-breite betragen und der Quotient dAu/b zwischen 0,2 und 1,0 liegen. Größere Werte lassen Eigenspannungsmessungen nur in einem sehr kleinen Beugungswinkelbreich zu. Bei einem Verhältnis dAu/b = 2 darf der verwendete Beugungswinkel 2θ in sym-metrischer Strahlgeometrie beispielsweise nicht wesentlich kleiner als etwa 150° sein. Werte kleiner 0,2 erscheinen ungeeignet, da entweder die Absorberschicht zu dünn wird oder die Schlitzbreite stark anwächst, was die Ortsauflösung reduziert.

b

heffh

beff

t

dAu

dPI

ω

Effektive Schlitzbreite:

bdAu

1,0

0,002

0,08

0,2

0,40,6

2,0

0 20 40 60 800

20

40

60

80

100

b eff ( ω

,dA

u) /

b / %

Einstrahlwinkel ω / ° Abbildung 6.3: a) Einfluss von Schlitzgeometrie und Schichtdicke auf die Abmessungen und Randschärfe eines Messvolumenelements. b) Das Verhältniss beff /b dient zur Be-rechnung der minimal benötigten Schlitzbreite bei gegebener Abosorberschichtdicke und beschreibt indirekt die Flächensanteile der Kern und Randbereiche.

Aufgrund der bisher beschriebenen Einflussgrößen wird deutlich, dass für die Gold-schichtdicke ein Konflikt zwischen hohem Absorptionsvermögen (dicke Schicht) und größtmöglicher Randschärfe der VE (dünne Schicht) besteht. Da die vorgesehenen Spannungsanalysen mit den Masken bei mittleren Beugungswinkeln durchgeführt wer-den sollen, ist vor allem der Bereich 60° ≤ 2θ ≤ 110° für die Auslegung der Absorber-schichtdicke relevant. Grund hierfür ist, dass mit steigenden 2θ-Winkeln die Schlitze immer schmaler werden müssen, um eine hohe Tiefenauflösung zu erhalten. Gleichzei-tig nimmt das bestrahlte Volumen in einer bestimmten Messtiefe dz stark ab. Abbildung 6.4 oben verdeutlicht dies für verschiede 2θ-Winkel und Schlitzbreiten b. Ausgangssi-

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tuation ist die linke Grafik mit der Schlitzbreite b1 und dem Beugungswinkel 2θ1, wel-che die Größe des Ausgangsmessvolumens definieren. Bei Verringerung des Beu-gungswinkels auf 2θ2 und konstanter Schlitzbreite b1 (zweite Grafik) verringert sich die Höhe und der Oberflächenabstand des VE. Um dies zu vermeiden und auch weiterhin dieselbe Ortsauflösung und Tiefeninformation zu erhalten, müssen Schlitzbreite und Schlitzabstand vergrößert werden (dritte Grafik). Dadurch vergrößert sich auch das ge-samte bestrahlte Volumen. Bei großen Beugungswinkeln 2θ3 müssen hingegen Schlitz-breite und -abstand kleiner werden (rechte Grafik), um eine konstante Tiefen- und Ort-sauflösung zu gewährleisten, was gleichzeitig zu einer Verringerung des Messvolumens führt. Für eine ausreichende Kornstatistik müssen möglichst viele reflektierende Kris-tallite erfasst werden, sodass der hintere Rückstrahlbereich für die Spannungsanalyse mit Masken schlechter geeignet erscheint als der mittlere Beugungswinkelbereich. Zu-dem kann für diesen Winkelbereich die Absorberschicht bei ausreichender Strahl-schwächung dünner ausgeführt werden als im hinteren Rückstrahlbereich.

bψω = 0°

ω-Modus:

ψω2ψω

1ψω3

2θ und b konstant, ψ variabel

ψ-Modus: 2θ und b konstant, ψ variabel

b

A

A ψ = 0°A-A

l

2θ2

b1

2θ1

b1

2θ2

b2

2θ3

b3

2θ und b variabelAllgemein:

dz

ψ1 B-B

l

ψ = 0°

b

B

B

ψ = ψ1

Abbildung 6.4: Einfluss der Beugungswinkel, Schlitzbreiten und Schlitzabstände auf die Abmessungen und Tiefenpositionen der Messvolumina im Probenmaterial bei unter-schiedlichen Messmodi.

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Bei Verwendung desselben Maskenlayouts zeigen die mittleren Grafiken von 6.4 die geometrische Abhängigkeit eines Messvolumens bei unterschiedlichen ψ–Kippungen im ω–Modus. Ausgehend von der symmetrischen Strahlführung (ψ = 0°) im dritten Bild verändert das VE mit betraglich steigendem ψ–Winkel (ψ1 < ψ2 < ψ3) seine äuße-ren Abmessungen und seinen Abstand zur Probenoberfläche. Um diese beiden Para-meter für alle ψ–Winkel konstant zu halten, müssen die Schlitzbreiten und Abstände für jeden Kippwinkel angepasst werden. Ein ähnliches Verhalten kann für die Mes-sungen im ψ–Modus beobachtet werden. Die unteren Grafiken in 6.4 zeigen für zwei unterschiedliche ψ–Winkel (0°, ψ1), dass auch hier die Messvolumina mit steigendem Kippwinkel in Höhenrichtung schmaler werden und sich näher zur Probenoberfläche orientieren. Bei direktem Vergleich der beiden Querschnitte für ψ = 0° und ψ1 schei-nen die 2θ-Winkel nicht gleich groß zu sein, jedoch wird im Längsschnitt deutlich, dass es sich bei ψ1 um die projizierte Ansicht des VE handelt. Daher sind die Beu-gungswinkel in der jeweiligen Kippebene identisch. Wie schon beim ω–Modus müs-sen auch hier die Schlitzbreiten und -abstände angepasst werden, um eine einheitliche Tiefen- und Ortsauflösung zu erhalten.

Zusammenfassend folgt aus den Skizzen in Abbildung 6.4, dass die Positions- und Größenänderungen der Messvolumina bei den unterschiedlichen Diffraktionsbeding-ungen in die Auslegung der Absorptionsmasken einfließen müssen, damit für ver-schiedene Bragg-Winkelbereiche, ψ-Kippungen, Analysetiefen und Ortsauflösungen stets adäquate Masken zur Verfügung stehen. Zudem wird unter Berücksichtigung des angestrebten Messwinkelbereichs 60° ≤ 2θ ≤ 110°, der Abbildungen 6.2 und 6.3, so-wie der Gleichungen 6.1 und 6.2 die Goldschichtdicke bei der Maskenherstellung auf 3 µm festgelegt. Die Polyimid-Folie, welche die Goldschicht während der Experimen-te schützt und direkt auf der Probenoberfläche aufliegt, wird nach Rücksprache mit dem Hersteller 8 µm dick sein und muss in die Berechnungen einbezogen werden.

Die exakte Auslegung der Schlitzgeometrien erfolgt für Messungen im ψ-Modus, der auch bei kleinen 2θ-Winkeln deutlich größere ψ-Kippungen zulässt als der ω-Modus. Die Masken können zwar in anderen Beugungsmodi eingesetzt werden, jedoch müs-sen Analysetiefe und Ortsauflösung für den jeweiligen Fall neu berechnet werden. Bisher wurden die Abhängigkeiten der Schlitzgeometrien von den experimentellen Randbedingungen nur qualitativ beschrieben. In Abbildung 6.5 sind die geometri-schen Beziehungen, die für die quantitative Auslegung des Maskendesigns zugrunde gelegt werden, anhand eines kleinen Ausschnitts einer Absorptionsmaske für ψ = 0° dargestellt. Als oberste Schicht ist der 3 µm dicke Goldabsorber skizziert, der durch eine PI-Folie (8 µm) von der Probenoberfläche getrennt ist. Die Lage und Größe der Messvolumenelemente im Probenmaterial sind die Eingabegrößen bei der Maskenaus-legung und bestimmen die geometrischen Abmessungen der Schlitzpaare. Aufgrund

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der identischen Winkel der einfallenden und reflektierten Strahlung haben die Mess-volumina ein symmetrisches rautenförmiges Aussehen deren Höhe h durch die Breite der Schlitze b und den Bragg-Winkel θ beeinflusst wird. Die Länge der VE entspricht der Länge l der Schlitze im Absorber. Wird der Winkel θ bzw. die Schlitzbreite b ver-kleinert, so verringert sich auch die Höhe h. Bei Vergrößerung der beiden Parameter nimmt die Höhe der Volumenelemente zu. Die Breite der VE ist hingegen unabhängig vom Bragg-Winkel und entspricht definitionsgemäß der Schlitzbreite b.

s

< 10% von Ipri

primäre VE

sekundäre VE

θ

c a

th

Isek

b

dPI

dAu

Abbildung 6.5: Einflussgrößen auf das Maskenlayout. Die gewünschte Höhe und Ana-lysetiefe der Messvolumina (VE), sowie deren Abstand zu den sekundären VE bestim-men die Distanzen zwischen den einzelnen Schlitzen.

Eine weitere wichtige Größe für die Auslegung der Maskengeometrie ist der Abstand a zweier Schlitze. Dieser Parameter bestimmt die Distanz t der primären Messvolumi-na von der Probenoberfläche, also die Messtiefe aus der die Gitterdehnungen aufge-nommen werden sollen. Dabei ist zu beachten, dass auch die Dicke der PI-Folie dPI und die Goldschichtdicke dAu für die Berechnung von a relevant sind. Es wurde be-reits vereinbart, dass sich die Größe eines Messvolumens nicht nur durch den Kernbe-reich berechnet, sondern um die Werkstoffbereiche ergänzt wird, die nach halber Durchdringung der Schlitzränder bestrahlt werden. Die Analysetiefe t beschreibt die Position der oberen Spitze dieses kombinierten VE. Ebenso wie die Höhe h hängt auch die Tiefe t vom Winkel θ ab.

Damit die Beugungsinformation nur aus den Messvolumina in der gewünschten Ana-lysetiefe t und nicht aus sekundären Volumenelementen in der Tiefe s stammen, wird ein Grenzwert definiert, bei dem die gebeugte Intensität der sekundären Volumenele-mente noch maximal 10 % der Intensität der primären Messvolumina beträgt. Sekun-

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däre, tertiäre, usw. VE treten auf, wenn mindestens der Abstand zweier Schlitzpaare c zwischen dem Eintrittsschlitz und dem Austrittsschlitz liegt. Da sich Messvolumina höherer Ordnung (tertiär, usw.) noch tiefer im Material befinden als die sekundären VE, werden diese bei der Auslegung der Masken nicht weiter berücksichtigt. Die Be-rechnung der Intensitätsverhältnisse zwischen den primären Mess- und den sekundä-ren Fehlervolumina erfolgt mit Hilfe des LAMBERT-BEER’schen Gesetzes (Gl. 2.X), sodass der minimale Abstand s von der Probenoberfläche ermittelt werden kann. Bei gegebenen Diffraktionswinkeln und Schichtdicken der Masken (PI, Gold) erhält man dann den Abstand zweier Schlitzpaare c.

Bei der Anwendung des sin2ψ-Verfahrens wird das gesamte Proben-Blenden-System um bestimmte Winkel ψ gekippt. Für die Auslegung der Masken bedeutet dies, dass mit jeder Vergrößerung des Kippwinkels die Schlitzbreiten sowie die Abstände der Schlitze und Schlitzpaare zueinander größer werden müssen (Gl. 6.3-6.5). Zur Unter-suchung von Spannungsgradienten im Ortsraum ist es daher notwendig, für jeden ψ-Winkel eine separate Maske herzustellen, welche Messvolumina ausblendet, die innerhalb einer sin2ψ-Analyse stets gleich hoch sind und den gleichen Abstand von der Bauteiloberfläche haben. Die Beziehungen zur Berechnung der Maskengeomet-rien lauten dann:

ψθ costanhb = (6.3)

( )ψθ costan

22 AuPI ddta ++= (6.4)

( )ψθ costan

22 AuPI ddsc ++= (6.5)

VEges 2nlbhV ⋅

⋅= (6.6)

Aus Breite, Höhe und Länge der VE lässt sich leicht das Gesamtvolumen Vges des be-strahlten Werkstoffs berechnen, welches die Beugungsstatistik, also die Menge der erfassten Kristallite bestimmt (Gl. 6.6). Der Parameter nVE bezeichnet die Anzahl der durch jeweils ein Schlitzpaar definierten primären Messvolumina. Da das bestrahlte Volumen ohnehin sehr gering ist, sollte nVE möglichst groß sein, um eine gute Korn-statistik zu erreichen. Begrenzt wird die Anzahl durch die Größe der gesamten be-strahlten Oberfläche, die in den Experimenten mit Laborröntgenquellen ca. 5 mm Durchmesser beträgt und mittels Polykapillare realisiert wird. Sie liefert nahezu paral-lele Strahlung und eine homogene Ausleuchtung der gesamten Fläche, was für die Umsetzung der Ortsraummethode unumgänglich ist. Die mit Schlitzen versehene Ab-

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sorberfläche misst daher 5 x 5 mm2, wodurch sich je nach Maskengeometrie unter-schiedlich viele Messvolumina mit einer Länge l = 5 mm ergeben. In den ebenfalls vorgesehenen Synchrotronexperimenten kann der Stahlquerschnitt mittels Kreuzblen-den genau an die benötigte Größe angepasst werden.

Unter Beachtung der in den vorherigen Abschnitten definierten und der methodenim-manenten Randbedingungen können im Folgenden die geometrischen Abmessungen der Absorptionsmasken für die jeweiligen Interferenzen der verwendeten Probenmate-rialien berechnet und hergestellt werden. Wie in den Kapiteln 3 und 5 beschrieben stehen für die Untersuchungen diverse 100Cr6- und Al2O3-Proben mit verschiedenen Eigenspannungszuständen zur Verfügung.

Die Auslegung der in dieser Arbeit verwendeten Schlitzmasken erfolgte für CoKα-Strahlung (λ = 0,17902 nm), da diese sowohl für die Spannungsanalyse an Stahl als auch an Al2O3 sehr gut geeignet ist. Aufgrund der höheren Eindringtiefe von Kobalt-strahlung in Aluminiumoxid werden bei der Konstruktion der Masken vornehmlich die Al2O3-Proben berücksichtigt. Die geringeren Integralbreiten der Keramik bilden vermutlich einen weiteren Vorteil gegenüber den gehärteten Stahlproben. Alumini-umoxid besitzt durch seine trigonale Gittersymmetrie zudem eine größere Anzahl von Interferenzen, was zu einer höheren Flexibilität bei der Auswahl der passenden Beu-gungswinkel führt. Auf diese Weise können Interferenzüberlagerungen von Proben- und Absorbermaterial relativ einfach umgangen werden. Für die Spannungsermittlung an den {226}-Ebenen der Keramik sind nach Gleichung 2.17 noch auswertbare Inter-ferenzen bis zu einer Eindringtiefe τ0 von etwa 30 µm zu erwarten. Die hohe Eindring-tiefe geht jedoch einher mit einem relativ steilen Beugungswinkel 2θ0 = 118,34° und daher schmalen Schlitzen und kleinem bestrahlten Werkstoffvolumen. Sind geringere Eindringtiefen in das Probenmaterial ausreichend, soll für die Keramik die {116}-Interferenz bei 2θ0 = 67,98° zur Spannungsanalyse verwendet werden, bei der τ0 ca. 15 µm beträgt. Diese Ebene stellt durch den flachen Beugungswinkel den besten Kompromiss zwischen großem Messvolumen und hoher Absorption in der Gold-schicht dar, was sich in der Anzahl der konzipierten Masken widerspiegelt. Überlage-rungen mit Interferenzen der Goldschicht lassen sich für beide Ebenen der Keramik ausschließen. Obwohl Eisen (krz) und Gold (kfz) deutlich unterschiedliche Gitterpa-rameter besitzen liegen ihre Interferenzen meist nah beieinander, was die Auswahl geeigneter Gitterebenen erschwert. Die Überlagerung ist im Vorderstrahlbereich be-sonders ausgeprägt, sodass bei der Maskenauslegung nur die {220}-Ebenen bei 2θ0 = 123,96° berücksichtigt wurden. In welchem Umfang die benachbarte {400}-Interferenz der Goldschicht (2θ0 = 122,63°) die Messergebnisse beeinflusst ist unge-wiss, weshalb nur wenige Masken hergestellt wurden. Die Eindringtiefe τ0 liegt hier bei etwa 11 µm, was den möglichen Messtiefebereich stark einschränkt.

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum 92

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23

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum

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In Tabelle 6.1 sind alle relevanten Auslegungsparameter und resultierenden Masken-geometrien für die Experimente an der Al2O3-Keramik aufgeführt. Die Höhe h der VE beträgt stets 5 µm und ihre Analysetiefe t zwischen -1,25 µm (¾ eingetaucht) und 28,75 µm. Der Abstand s der sekundären Messvolumina von den primären VE wurde mit 70 bzw. 100 µm eher konservativ gewählt, sodass auch bei den am tiefsten gele-genen VE das geforderte Intensitätskriterium Isek < 0,1·Ipri deutlich unterschritten wird. Bei der Maske Nummer 32 handelt es sich um eine vollständig geschlossene Variante, die zur Überprüfung des Absorptionsvermögens der Goldschicht dient.

6.3 Herstellung der Masken

Aufgrund der hohen Anforderungen an die Oberflächengüte und die Maßhaltigkeit bei der Umsetzung der geometrischen Auslegung, wurde für die Fertigung der Masken ein Verfahren gewählt, das häufig bei der Mikrostrukturierung von Oberflächen (z.B. für elektronische Bauteile) eingesetzt wird: die UV-Lithografie. Die Firma Micromo-tive in Mainz besitzt langjährige Erfahrung auf diesem Gebiet und wurde daher mit der Herstellung der Masken beauftragt.

In Abbildung 6.6 sind die einzelnen Prozessschritte der Herstellung dargestellt. Zu Beginn wird eine etwa 8 µm dünne Polyimid-Schicht (PI) auf einen Silizium-Wafer mit einer Dicke von 625 µm aufgebracht. Der nächste Schritt a) ist das Aufschleudern eines UV-empfindlichen Fotolacks (UV-Resist) auf die Polyimid-Folie, wobei durch Rotation des Wafers eine definierte Schichtdicke des Resists von 4-5 µm erreicht wird. Unter Verwendung einer Lithografiemaske b), deren Layout dem der späteren Goldmasken entspricht, wird der Resist mit UV-Licht bestrahlt, wodurch in diesen Bereichen eine chemische Aktivierung erfolgt. Im Prozessschritt c) findet die Ent-wicklung des Resists statt, was zu einer chemischen Vernetzung der belichteten Be-reiche führt. Die unbelichtete Oberfläche verbleibt dabei im Ausgangszustand und kann leicht mit Hilfe eines Lösungsmittels entfernt werden, wohingegen die vernetz-ten Strukturen die negativen Abbilder der Goldmasken darstellen d). Die Abscheidung der absorbierenden Goldschicht erfolgt mittels Galvanisierung e). Hierbei dient eine zuvor aufgedampfte und wenige Nanometer dicke Titanschicht als anfängliche Anode um den Galvanikprozess zu starten. Die Goldschichtdicke beträgt gemäß Auslegung 3 µm ± 10 %. Nach Entfernen der verbleibenden Resist-Strukturen wird in Schritt f) ein zweiter Polyimid-Film (8 µm) aufgebracht, der als Schutz der Goldstrukturen vor mechanischem Abrieb und anderen Umgebungseinflüssen dienen soll. Abschließend wird die Rückseite der Masken in den Bereichen der Schlitzstrukturen mittels Kali-lauge bis zum Polyimid-Film durch Ätzen entfernt g).

Die resultieren Masken besitzen Randabmessungen von 14 x 14 mm2 und einen lich-ten inneren Bereich von 8 x 8 mm2. Der Verbleibende 3 mm breite Silizium-Rahmen

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum 94

spannt die etwa 20 µm dünnen PI-Au-PI-Membranen auf und ermöglicht eine gute Handhabbarkeit in den Beugungsexperimenten.

UV-Licht

4-5 µm UV-empfindlicher Fotolack(Resist) und 8 µm Polyimid-Film auf625 µm Silizium-Wafer als Substrat

Bestrahlung der Resist-Schicht mitUV-Licht durch eine Lithografie-Maske deren Layout mit der derspäteren Goldmaske übereinstimmt

Entwicklung der Resist-Schicht, wodurch die bestrahlten Bereichechemisch vernetzen

Entfernen der unvernetztenBereiche zur Erzeugng einesNegativs der Schlitzsruktur

Abscheiden einer 3 µm dickenGoldschicht in einemGalvanisierungs-Prozess

Aufbringen eines Polyimid-Filmsals Verschleißschutz auf der Goldschicht

Entfernen des Silizium auf derRückseite der strukturiertenBereiche mittels chemischen Ätzens

a)

g)

f )

e)

d)

c)

b)

Abbildung 6.6: Prozessschritte zur Herstellung der absorbierenden Schlitzmasken.

6.4 Charakterisierung der Masken

Gemäß Auslegung werden unterschiedliche Masken für die verschiedenen Messtiefen und Kippwinkel benötigt. Eine erste Generation Masken erfüllte nicht die geforderten Genauigkeiten bezüglich Schichtdicke und Schlitzgeometrie, sodass eine zweite Charge produziert wurde, bestehend aus 2 Sätzen mit jeweils 32 Masken. Hiervon soll ein Satz in Beugungsexperimenten verwendet werden. Dieser ist wie in Kapitel 6.3 beschrieben aufgebaut. Der zweite Satz wird zur Charakterisierung der Maskengeo-metrie und der Oberflächengüte verwendet und besitzt daher keine schützende PI-Folie auf der Goldschicht. Grund hierfür ist, dass die Masken ihre leitfähige Oberflä-

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum

95

che behalten sollen, um sie im Rasterelektronenmikroskop zu untersuchen. Daneben werden die Masken am Lichtmikroskop vermessen. Zur Analyse der Schichtdicke und der kristallografischen Textur kommen zudem Diffraktionsverfahren zum Einsatz. Es kann gezeigt werden, dass der zweite Maskensatz die geometrischen Randbedingun-gen sowie die Forderungen nach einer Absorberschichtdicke von 3 µm mit hinrei-chender Genauigkeit erfüllt.

6.4.1 Mikroskopische Aufnahmen

Die Untersuchung der Schlitzabstände und -breiten wurde zunächst mittels lichtmik-roskopischer Aufnahmen und Bildanalyse vorgenommen. Exemplarisch für die zweite Maskengeneration sind in Abbildung 6.7 Oberflächenausschnitte der Masken Nr. 04 und Nr. 30 bei unterschiedlichen Vergrößerungen dargestellt. Die linke Seite zeigt Maske Nr. 04, die für Ortsraummessungen im Vorderstrahlbereich ausgelegt wurde und daher relativ breite Schlitze besitzt. Rechts befindet sich Maske Nr. 30 für Mes-sungen im Rückstrahlbereich, die eine feinere Schlitzstruktur aufweist. Aus den Auf-nahmen mit hoher Vergrößerung können sowohl die Abstände zweier Schlitze a, als auch ihre Breiten b sehr genau bestimmt werden. Die niedrigere Vergrößerung liefert die Distanz c zwischen zwei Schlitzpaaren.

Abbildung 6.7: Lichtmikroskopische Oberflächenaufnahmen der Absorbtionsmasken Nr. 04 und Nr. 30 zur Analyse der Schlitzstrukturen.

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Die Teilbilder A) und C) verdeutlichen die sehr gute Einhaltung der Geometrievor-gaben für Maske Nr. 04. Hier beträgt die anhand der lichtmikroskopischen Aufnah-men vermessene Schlitzbreite 9,9 µm gegenüber der nominellen Vorgabe von 11,1 µm. Auch die Abstände a und c zeigen mit 37,7 und 351,6 µm kaum Abwei-chungen zum Sollwert. Analog verhält sich Maske Nr. 30 in Bild B) und D), bei der nahezu identische Fehlerbeträge wie bei Nr. 04 gemessen wurden. Die Schlitzbreite beträgt hier 1,3 µm und ist etwa 1 µm schmaler als der Sollwert, während der Abstand a mit 16,0 µm ca. 1 µm größer ist. Die Distanz zweier Schlitzpaare c stimmt für beide Masken fast exakt mit den nominellen Werten überein. Um dies zu verdeutlichen, sind die Differenzen zwischen Soll- und Istwerten in Tabelle 6.2 angegeben.

Maske Sollwerte in µm Istwerte in µm Differenz in µm

Nr. b a c b a c b a c

04 11,1 36,6 351,3 9,9 37,7 351,6 –1,2 1,1 0,3 30 2,1 15,2 63,1 1,3 16,0 63,2 –0,9 0,8 0,1

Tabelle 6.2: Lichtmikroskopisch untersuchte Abmessungen der Schlitzstruktur der Ab-sorbtionsmasken Nr. 04 und Nr. 30.

Da beide Masken im selben Lithografie- und Galvanik-Prozess gefertigt wurden über-raschen die Ergebnisse nicht und lassen zudem den Schluss zu, dass ein systemati-scher Fehler bei der Lithografie oder während der Galvanisierung die Schlitze aller Masken etwa 1 µm schmaler werden lässt. In der Folge müssen die Abstände der Schlitze a und die der Schlitzpaare c um denselben Betrag größer werden, was zumin-dest für a verifiziert werden konnte. Beim Abstand c konnte dies nicht gemessen wer-den, jedoch sind hier die Distanzen größer und somit auch der mögliche Messfehler.

Neben der Oberflächenbetrachtung wurden für elf weitere Masken mit unterschied-lichen Schlitzgeometrien Querschliffe angefertigt, sodass einerseits die Abstände und andererseits die Schichtdicken untersucht werden können. Die mittleren Abweichun-gen vom Sollwert nach vier Messungen je Maske betragen für die Schlitzbreite b: –2,37 ± 0,29 µm, den Schlitzabstand a: 2,10 ± 0,28 µm und den Abstand zweier Schlitzpaare c: 2,49 ± 0,83 µm. Exemplarisch sind in Abbildung 6.8 zwei lichtmikros-kopische Aufnahmen der Maske Nr. 06 zu sehen. Bei niedriger Vergrößerung zeigt Bild A) zwei Schlitzpaare in der Goldabsorberschicht die von Polyimid-Folien einge-fasst ist. Zudem sind die gemessen Abstände angetragen. Mit Hilfe der Detailaufnah-me in Bild B) ist eine Bestimmung der Schichtdicken von PI und Gold möglich, wo-bei aufgrund der Probenpräparation von einer leichten Verbreiterung bzw. Verschmie-rung der Goldschicht ausgegangen werden muss. Dies macht auch das leicht inhomogene Aussehen des Goldes im Bereich der Schlitze und am Übergang zur PI-

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum

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Schicht deutlich. Die Dicke der PI-Folien beträgt exakt das Sollmaß von 8 µm, wäh-rend die Absorberschicht eine Stärke von 4 –5 µm besitzt. Unter Berücksichtigung der Präparationseinflüsse wird die reale Schichtdicke jedoch etwa 1–1,5 µm geringer aus-fallen. Dasselbe gilt auch für die Abmessungen a, b und c der Schlitzgeometrie, was die Ergebnisse aus Abbildung 6.7 und Tabelle 6.2 stützt.

Abbildung 6.8: Schichtdickenuntersuchung der Gold- und Polyimid-Folien von Maske Nr. 06 mittels Querschliff.

Weiterhin zeigen rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen, dass sowohl die Schärfe der Kanten als auch die Oberflächenbeschaffenheit der zweiten Masken-generation eine hinreichende Güte in Hinblick auf die geplanten Beugungsexperimen-te aufweisen. In Abbildung 6.9 sind die Ansichten der Masken Nr. 04 der ersten A) und zweiten Generation B) unter einem Kippwinkel von 45° dargestellt. Darin wird die relativ raue Oberfläche der ersten Maskengeneration deutlich, was einer der Grün-de für die Reklamation und die Herstellung des zweiten Satzes war. Der Hauptgrund ist jedoch die unzureichende Dicke der Goldschicht und die damit verbundene geringe Absorptionswirkung (vgl. Kapitel 6.4.2). Bei direktem Vergleich der Bilder A) und B) kann man die unterschiedliche Schichtdicke gut erkennen. Die zweite Masken-generation besitzt eine sehr homogene Goldschicht mit senkrechten Wänden im Be-reich der Schlitze. Somit weisen diese die notwendigen Eigenschaften für die geplan-ten Ortsraumanalysen auf.

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum 98

Abbildung 6.9: Oberflächen- und Schlitzdetails der Masken Nr. 04 aus der ersten und zweiten Maskengeneration.

Da die Oberflächenqualität einen großen Einfluss auf die Tiefenposition der Mess-volumina haben kann, wurden die Oberflächen der Masken Nr. 04 und Nr. 30 auf Feh-ler überprüft. Kleine Unebenheiten bzw. eingeschlossene Partikel in der Absorber-schicht oder eine inhomogene Schichtdicke können zum ungleichmäßigen Aufliegen der Maske auf der Probe und somit zu einer Verkippung führen. Während bei der Maske Nr. 30 keine Oberflächendefekte gefunden wurden, zeigt Abbildung 6.10 klei-ne Partikel im Schlitzbereich A) und auf der Absorberschicht B) für Maske Nr. 04. Kritisch sind dabei nur Defekte wie in Bild B), da kleine Reste des UV-Resits im Schlitzbereich lediglich einen vernachlässigbaren Anteil zur Absorption liefern.

Abbildung 6.10: Oberflächenfehler auf Maske Nr. 04.

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum

99

Selbst wenn eine Maske parallel zur Probenoberfläche positioniert jedoch durch einen Luftspalt von dieser getrennt ist, resultiert eine andere Messtiefe als in der Auslegung vorgesehen. Dies könnte beispielsweise auch durch mehrere gleichhohe Defekte oder Partikel auf der Oberfläche hervorgerufen werden. Eine Vermeidung oder die genaue Quantifizierung dieser Fehlergröße ist unter normalen Laborbedingungen nahezu un-möglich und wurde nicht weiter verfolgt.

Neben der Morphologie der Schlitze und der Oberflächengüte ergab die Vermessung weiterer Masken im REM vergleichbare Abweichungen zu den Lichtmikroskopischen Untersuchungen, sodass im Rahmen der Fertigungstoleranzen eine hinreichende Ge-nauigkeit der Maskenstruktur bezüglich der nominellen Vorgaben erreicht wurde. Da jede Maske hinsichtlich ihrer geometrischen Parameter auf diese Weise charakterisiert werden kann, ist eine eindeutige Zuordnung der Messergebnisse aus den Beugungs-experimenten zum jeweils bestrahlten Messvolumen (Ausdehnung, Messtiefe) mög-lich.

6.4.2 Schichtdickenbestimmung

Die Dicke der Absorberschicht spielt eine entscheidende Rolle für die Eignung der Masken zur Analyse von Eigenspannungen im Ortsraum, da sie die Anteile der Strah-lung absorbiert, die nicht aus den durch Schlitzpaare definierten Messvolumina stam-men. Zur genauen Bestimmung der Schichtdicke wurde die Massenabsorption des Absorbermaterials ausgenutzt. Unter Anwendung des LAMBERT-BEER’schen Gesetzes kann der zurückgelegte Weg der Strahlung in der Goldschicht berechnet werden. Die messtechnisch zu ermittelnden Größen sind die Anfangsintensität I0 und die abge-schwächte Intensität I. Zur Bestimmung dieser Intensitäten wurde zunächst die {300}-Interferenz einer Al2O3-Keramik ohne Maske aufgenommen. Dabei kam monochro-matische Synchrotronstrahlung mit einer Wellenlänge äquivalent zu CuKα1 zum Ein-satz. Nun wurde eine Maske ohne Schlitzstruktur (Nr. 32) senkrecht zum Strahl vor dem Detektor positioniert und die Messung mit denselben Randbedingungen erneut durchgeführt. Nach Untergrundabzug wurden für beide Messungen die integralen In-tensitäten der Interferenzen berechnet, wodurch sich die Absorberschichtdicke ablei-ten lässt. Der hierfür benötigte lineare Absorptionskoeffizient μ wurde mit Hilfe des Web-basierten Programms XCOM [36] des National Institute of Standards and Tech-nology (NIST) zu 0,3941 µm–1 berechnet. In Abbildung 6.11 sind die integralen In-tensitäten über 2θ für Messungen mit und ohne Maske Nr. 32 dargestellt. Für die zweite Maskengeneration ergibt sich dann eine Schichtdicke von 3,1 µm, was die ge-forderte Dicke von 3 µm sogar leicht übersteigt. Im Vergleich dazu ergab die Berech-nung für die erste Generation einen Wert von 2,1 µm, was tendenziell auch durch die

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum 100

REM-Aufnahmen in den Abbildung 6.9 (1. und 2. Generation) bestätigt wird und der Hauptgrund für die Produktion neuer Masken war.

68,0 68,1 68,2 68,3 68,4

0

100

200

300

400

Beugungswinkel 2θ / °

I0 (ohne Maske) I (mit Maske)

inte

gral

e In

tens

ität /

cou

nts

Abbildung 6.11: Schichtdickenuntersuchung der Goldfolie mittels Röntgen-Absorp-tionsexperimenten an einer ungeschlitzten Maske.

6.4.3 Texturanalyse

Abschließend wurde die galvanisch auf das Polyimid abgeschiedene Absorberschicht bezüglich der Ausbildung kristallografischer Textur untersucht. Eine mögliche Vor-zugsorientierung ist interessant im Hinblick auf Überlappungen der Interferenzlinien des Goldes und denen des zu untersuchenden Probenmaterials. Für die zweite Mas-kengeneration zeigt sich bei der Texturanalyse an der geschlossenen Goldschicht der Maske Nr. 32 (keine Schlitzstruktur) eine ausgeprägte <200>-Fasertextur, wie sie in Abbildung 6.12 dargestellt ist. Die Messungen wurden unter Verwendung von CrKα-Strahlung, einer auf 3 mm Durchmesser abgeblendeten Polykapillare als Primärblende und einer quadratischen Sekundärblende mit 0,3° Winkelakzeptanz durchgeführt. Ne-ben der {200}-Ebene wurden die {111}-, {220}- und {311}-Ebenen vermessen. Ihre Polfiguren weisen Intensitätsdichten von maximal 2,76 bis 3,63 für die Ebenen {311} bzw. {220} auf und liegen deutlich unter dem in Faserrichtung gemessenen Wert von 43,1 der {200}-Ebene. Die untersuchte Absorberschicht besitzt somit eine Wachs-tumstextur, wie sie typisch ist für dünne, elektrolytisch abgeschiedene Schichten.

Für die Spannungsmessungen im Ortsraum bedeutet dieses Ergebnis, dass im Bereich der {200}-Interferenz des Goldes für ψ ≈ 0° (nicht verkippte Probe) keine Interferenz-linien der Probenmaterialien mehr auswertbar sind, da sie durch den {200}-Goldreflex vollständig überdeckt werden. Für ψ-Winkel größer oder kleiner 0° kann sich die

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum

101

scharfe Textur der Goldschicht dagegen positiv auf die Messwerterfassung auswirken. In diesen Fällen findet möglicherweise keine störende Überlagerung der Goldinter-ferenz mit den Bragg-Reflexen des Probenmaterials statt. Vorteilhaft ist zudem, dass die Interferenzlinie der {200}-Ebene bereits für CrKα-Strahlung bei einem verhältnis-mäßig kleinen 2θ-Winkel (68,3°) liegt und somit einen großen Abstand zu den Inter-ferenzen des zu untersuchenden Probenmaterials aufweist, die zur Spannungs-ermittlung herangezogen werden sollten. Für kürzere Wellenlängen, wie sie in den Experimenten verwendet werden sollen, wandert die fasertexturierte Gitterebene sogar noch weiter in den Vorderstrahlbereich. Dennoch sollten Messungen bei Reflexions-winkeln ähnlich denen der Absorberschicht trotz vorliegender Textur vermieden wer-den, um Überlagerungen gänzlich ausschließen zu können.

{311}

70°

90°

2.62

2.76

2.78

2.15

2.95

2.95

3.17

3.02

{111}

70°

90°

{220}

3.473.6

3

3.52

70°

90°

{200}

43.1

70°

90°

2

2010

30

Abbildung 6.12: An der zweiten Maskengeneration gemessene Polfiguren verdeutli-chen die ausgeprägte {200}-Fasertextur der Goldschicht.

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Entwicklung strahlbegrenzender Masken zur Spannungsanalyse im Ortsraum 102

Zusammenfassend lassen sich die folgenden Aussagen aus der Charakterisierung der Masken treffen:

• Die Positionen der Schlitze befinden sich exakt an den Stellen die gemäß Ent-wurf vorgegeben wurden.

• Sämtliche Schlitze sind ca. 1 µm schmaler als vorgesehen, was durch 1 µm breitere Stege zwischen den Schlitzen kompensiert wird.

• Die Schichtdicke beträgt ca. 3 µm und erfüllt daher die Anforderungen an die Absorption.

• Alle Schlitzkanten sind scharf ausgebildet, wobei die Wände orthogonal zur Oberfläche stehen.

• Die Oberflächentopografie ist meist mikroskopisch glatt, jedoch können kleine Partikel und Galvanisierungsfehler auf der Goldschicht zu Ungenauigkeiten in der Messtiefe führen.

• Die vorliegende {200}-Fasertextur reduziert die Möglichkeit von Interfe-renzüberlagerungen von Proben- und Absorbermaterial.

Aus den gewonnenen Ergebnissen können die mittels strahlbegrenzender Masken auf-gespannten Messvolumina sehr genau bezüglich ihrer Abmessungen und Tiefenposi-tion spezifiziert werden. Zusätzlich dienen die Ergebnisse als Geometrieparameter für begleitende Simulationsrechnungen der Diffraktionsbedingungen.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

103

7 Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

Bei der Entwicklung des Ortsraumverfahrens unter Verwendung strahlabsorbierender Schlitzmasken kamen sowohl Laborröntgenquellen als auch Synchrotronstrahlung zum Einsatz. Die umfassend charakterisierten Eigenspannungszustände der verwende-ten Proben (siehe Abschnitt 5) dienen dabei als Grundlage für die in diesem Kapitel vorgestellten Versuchs- und Simulationsergebnisse. Über die erzielten Fortschritte vor allem durch Synchrotronexperimente wurde regelmäßig in den “Annual Reports” des HASYLAB am DESY berichtetet [100-104]. Detailliertere Veröffentlichungen sind dar-über hinaus in [105,106] zu finden.

7.1 Beugungsexperimente unter Anwendung verschiedener Masken und Punktdetektoren

Die Auslegung der Masken erfolgte für den Einsatz von Labor- und Synchrotronquel-len mit relativ weicher Röntgenstrahlung bis 6,930 keV (CoKα) und wurde im voran-gegangenen Kapitel im Detail beschrieben. Erste Beugungsexperimente an einer Ke-ramikprobe mit aufgelegter Absorbermaske wurden zunächst mit Laborröntgenquellen und Szintillationszähler vorgenommen. Dabei kam eine Maske der 1. Generation zum Einsatz, welche aufgrund eines fehlerhaften Galvanisierungsprozesses beim Hersteller eine Absorberschichtdicke von nur 2 µm aufweist. Um dennoch eine hohe Absorpti-onswirkung der Masken zu erreichen, wurde für die Messungen in einem D5000 Diffraktometer CrKα-Strahlung verwendet. Primärseitig wurde eine Polykapillare eingesetzt, die annähernd parallele Strahlung liefert und nahezu die gesamte Schlitz-fläche der Maske bestrahlt. Gemessen wurde an den {300}-Ebenen (2θ0 = 112,87°) einer mit den Schleifparametern D151 bearbeiteten Al2O3-Probe. Die aufgelegte Mas-ke Nr. 05 definiert gemäß Tabelle 6.1 eine Messtiefe von 2,75 µm unter der Oberflä-che und eine VE-Höhe von 5 µm (CoKα-Strahlung, {116}-Interferenz). Da sich für Chromstrahlung die Beugungswinkel zu größeren 2θ-Werten verschieben, nimmt für die {300}-Ebenen die Messtiefe auf ≈ 17 µm und die VE-Höhe auf ≈ 11 µm zu.

Wie sensibel und fehleranfällig das angewendete Ortsraumverfahren auf Intensitäts-überlagerungen durch die ebenfalls kristallinen Maskenwerkstoffe reagiert, kann an-hand der Ergebnisse in den Abbildungen 7.1 und 7.2 gezeigt werden. Unter ψ = 0 und hohen 2θ-Winkeln > 114° ist bereits der Anstieg des {400}-Reflexes des Silizium-Einkristall-Rahmens der Maske zu erkennen, welcher unter anderem dazu beiträgt, dass der Untergrund im Vergleich zu den Messungen unter ψ = 25 und 45° deutlich erhöht ist. Da der Silizium-Einkristall nur in wenigen definierten Richtungen Intensi-tätspole besitzt, werden die Messwerte bei ψ ≠ 0° nicht beeinflusst. Besonders fällt der Intensitätsverlauf unter ψ = 35° ins Auge, bei dem der Untergrund ähnlich hohe Werte

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 104

annimmt wie bei ψ = 0°. Im Gegensatz zu den anderen ψ-Winkeln weist dieser jedoch eine negative Steigung auf. Grund hierfür ist der Ausläufer der {311}-Interferenz der stark texturierten Goldabsorberschicht (1. Masken-Generation: {111}-Fasertextur), deren Intensitätspole um ψ = 35° angesiedelt sind. Es wird deutlich, dass um die {300}-Interferenz der Keramik nur schwache Beugungsinformationen bei hohem Un-tergrund zu gewinnen sind, sodass große Unsicherheiten bei der Spannungsanalyse auftreten. Wie im Folgenden gezeigt wird, ist dies jedoch nicht nur auf das verrausch-te Beugungssignal zurückzuführen.

2θ / °

ψ = 0°

12500

13500

14500

15500

16500

17500

18500

Inte

nsitä

t / C

ount

s

112 114113

ψ = 45°

2θ / °112 114113

ψ = 35°

2θ / °112 114113

ψ = 25°

2θ / °112 114113

Abbildung 7.1: Beugungsprofile der {300}-Ebenen der Al2O3-Probe D151 aufgenom-men mit einer konventionellen Chrom-Röntgenröhre unter Verwendung der strahlbe-grenzenden Maske Nr. 05. Die Zählzeit pro Stützstelle betrug 100 s.

0

-0,0012

-0,0010

-0,0008

-0,0006

-0,0004

-0,0002

0

sin2ψ / -

Gitt

erde

hnun

g / -

0,50,40,30,20,1

D151, {300}, Maske 05

σ11 = -386 +/− 266 MPa

Abbildung 7.2: Gitterdehnungen und berechnete Eigenspannung der Probe D151.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

105

Für die {300}-Interferenz lässt sich aus den berechneten Linienlagen quer zur Schleif-richtung eine Spannung von −386 ± 266 MPa ableiten. Dies entspricht – im Rahmen des immensen Fehlers bei der Regressionsanalyse – in etwa dem Eigenspannungswert σ11 = −274 ± 47 MPa der durch herkömmliche sin2ψ-Messungen ohne Maske an die-ser Probe ermittelt wurde. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist dies auf eine ungenügen-de Absorptionswirkung der Masken zurückzuführen. Damit wären die gemessenen Größen im Wesentlichen dem LAPLACE-Raum zuzuordnen und nicht, wie vorgesehen, den definierten Messvolumina im Ortsraum. Messungen an Gitterebenen mit kleine-ren 2θ-Winkeln deuten in dieselbe Richtung, da die aufgenommenen Intensitäten, ins-besondere bei steigenden ψ-Kippungen, aufgrund des längenen Strahlwegs durch die Absorberschicht abnehmen, bis sie nicht mehr von Untergrundrauschen zu unter-scheiden sind. Für die {116}- und {024}-Ebenen ist somit keine Linienlagebestim-mung bzw. Spannungsanalyse möglich. Die nominelle Höhe der durch die Schlitze definierten Messvolumina ist sowohl bei den {116}- als auch bei den {024}-Ebenen größer Null und sollten daher sichtbare Interferenzen liefern, was den Schluss zulässt, dass die Messvolumina einen zu geringen Beitrag zum Gesamtsignal liefern. Dieses Beispiel demonstriert, dass eine Spannungsanalyse mit Masken nur möglich ist, wenn die gemessen Signale eindeutig den durch die Maske definierten Messvolumina zuge-ordnet werden können. Mit den Absorptions-Masken der 1. Generation ist dies jedoch nicht zu realisieren. Nach Reklamation beim Hersteller wurde ein zweiter Satz Mas-ken mit der ursprünglich geforderten Goldschichtdicke von 3 µm geliefert.

2θ / °

600

Inte

nsitä

t / C

ount

s

800

1000

1200

1400

1600

1800

2000

68,768,568,368,167,967,767,567,367,10

1000

2000

3000

4000

5000

6000

Inte

nsitä

t / C

ount

s

2θ / °68,768,568,368,167,967,767,567,367,1

Maske Nr. 32Maske Nr. 05Maske Nr. 07Maske Nr. 08

Maske Nr. 32ohne Maske

Imax ~ 200000a) b)

Abbildung 7.3: a) Gemessene Intensität der {116}-Ebenen mit und ohne absorbieren-der Maske. b) Der Vergleich mit geschlitzten Masken zeigt eine geringe Zunahme des Beugungssignals, welches mit der Schlitzbreite korreliert.

Experimente an der Synchrotronbeamline G3 des HASYLAB mit Masken der 2. Gene-ration zeigen bei Verwendung eines Punktdetektors mit vorgeschaltetem Parallelplat-tenkollimator und einer Winkelakzeptanz von 0,15° die Detektierbarkeit von Interfe-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 106

renzen des Probenmaterials durch die aufgelegten Masken. Die Messungen wurden bei einer Strahlungsenergie von 6,930 keV (CoKα1) an den {116}-Ebenen der Al2O3-Keramik D25 vorgenommen. Zunächst wurde die Absorptionswirkung der Gold-schicht überprüft indem Messungen mit und ohne Maske durchgeführt und gegenein-ander aufgetragen wurden. Abbildung 7.3 a) zeigt dieses Verhältnis für die vollständig geschlossene Maske Nr. 32 ohne Schlitzstruktur und bestätigt dabei die hohe Absorp-tion der 3 µm starken Goldschicht, welche gemäß Auslegung mehr als 99 % der Pri-märintensität betragen soll.

Nach Verifizierung der Absorptionseigenschaften wurden unterschiedlich strukturierte Masken bei verschiedenen ψ-Winkeln verwendet, um tiefenaufgelöste Beugungsin-formationen zu erhalten. Die Experimente mit geschlitzten Masken wurden, abgese-hen von der Zählzeit, gemäß den zuvor beschrieben Versuchbedingungen durchge-führt und die Ergebnisse für Kippwinkel ψ = 0° in Abbildung 7.3 b) dargestellt. Der Intensitätsvergleich von Messungen mit Schlitzmaske und der komplett geschlossen Maske Nr. 32 macht dabei eine wesentliche Problematik dieses Ortsraumverfahrens deutlich: Obwohl die Masken Nr. 05, 07 und 08 durchlässige Bereiche besitzen, ist die detektierte Intensität nur geringfügig höher als bei der geschlossenen Blende. Dies ist auf den sehr kleinen Anteil der Schlitzfläche zur gesamten bestrahlten Fläche zurück-zuführen, wobei die Schlitzbreiten von Maske Nr. 05 (≈ 7 µm) bis 08 (≈ 11 µm) zu-nehmen, was im Diagramm zu entsprechenden Intensitätsunterschieden führt. Das aufgenommene Beugungsprofil ist somit eine Überlagerung von Signalen aus unter-schiedlichen Bereichen des Werkstoffvolumens. Neben der gewünschten Nutzintensi-tät, welche aus einer definierten Tiefe im Material stammt, dringen Photonen auch durch die gesamte Oberfläche der Maske, wenn sie nicht durch die Goldschicht absor-biert wurden. Sie können, gemäß des exponentiellen Schwächungsgesetzes, aus belie-bigen Tiefen der Probenrandschicht stammen und machen meist den dominierenden Teil des Beugungssignals aus, wie durch Vergleich der Diagramme mit und ohne Schlitze ersichtlich wird. Für die Spannungsberechnung ist es jedoch entscheidend, aus welchen Tiefenbereichen der Probe die Intensität stammt, sodass eine mathemati-sche Separation der beiden beschriebenen Einflüsse notwendig wäre. Dies scheint aufgrund der ohnehin geringen Photonenausbeute und der damit verbundenen Mess-unsicherheit kein praktikables Verfahren zu sein.

Anhand der diskutierten Untersuchen zeigt sich, dass die Erhöhung der Absorber-schichtdicke von 2 µm auf 3 µm bei den bisher verwendeten Bragg-Winkelbereichen und Einsatz von CoKα1-Strahlung nicht ausreicht, um den Beitrag des Beugungssig-nals aus den Messvolumina gegenüber des Störanteils signifikant zu erhöhen. Eine dickere Absorberschicht könnte das Problem möglicherweise abschwächen, jedoch würde dies neue Nachteile mit sich bringen. Zum einen müssen bei der Neukonstruk-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

107

tion sämtliche Schlitzbreiten und ihre Abstände verändert und angepasst werden, da sich bei Verwendung derselben Einstrahlwinkel bzw. {hkℓ}-Ebenen die Höhe der Messvolumenelemente im Material verringert. Eine Minderung der Nutzintensität wä-re die Folge. Zum anderen ist die Herstellung der Masken extrem teuer und der Erfolg ohne weitere detaillierte Untersuchungen ungewiss. Daher sollen zunächst andere Verfahren angewandt werden, die die Verwendung der bisherigen Masken ermögli-chen und weitere Informationen zur Messtechnik beim Ortsraumverfahren liefern.

7.2 Experimente mit der ortsempfindlichen Röntgenkamera MAXIM

7.2.1 Das MAXIM-Setup

Ein Ansatz zur Separierung nicht absorbierter Photonen aus den Bereichen unter der Goldabsorberschicht und der Nutzintensität aus den durch die Schlitzstruktur definier-ten Volumenelementen ist die Verwendung der röntgenempfindlichen CCD-Kamera MAXIM. Sie ist Teil der Ausstattung an der HASYLAB Beamline G3 am DESY und wird, zusammen mit dem Versuchsaufbau der Maskenexperimente, in Abbildung 7.4 schematisch dargestellt. Der wesentliche Vorteil des MAXIM-Setups gegenüber her-kömmlichen Punkt- oder Liniendetektoren ist die Möglichkeit ortsaufgelöste Informa-tionen der Probe zu erhalten, ohne die Primärstrahlgröße zu minimieren. Anders als bei normalen Detektoren wird kein integraler Wert aus sämtlichen Bereichen der be-strahlten Oberfläche aufgenommen, sondern der Probenbereich als ein Array aus 1024 x 1024 Flächensegmenten angesehen, welchem jeweils ein Messkanal zugeord-net ist. Die röntgensensitive Gesamtfläche des CCD beträgt dabei etwa 13 x 13 mm2. Unter Verwendung einer vor dem CCD-Chip montierten Microchannel-Plate (MCP) detektiert jeder Messkanal die reflektierten Photonen aus einem wenige Mikrometer kleinen Ausschnitt der betrachteten Fläche und fungiert damit wie ein einzelner Punktdetektor mit vorgeschaltetem Pinhole-Kollimator. Die Ortsauflösung und die maximal akzeptierte Divergenz der Photonen aus einem Segment sind durch die geo-metrischen Abmessungen (Höhe, Durchmesser der Kanäle) der MCP und ihren Ab-stand und Winkel zur Probe definiert. Bei einem Abstand von 12 mm und paralleler Ausrichtung der Bildebene zur Probenoberfläche ergibt sich eine bilaterale Ortsauflö-sung von rMCP ≈ 13 µm pro Pixel. Die Qualität der aufgenommenen Bilder wird neben dem Abstand durch den Winkel γ zwischen der Probennormalen und der MCP-Längsachse bestimmt. Ist dieser von 0° verschieden, so zeigt das aufgenommene Bild stets eine Projektion der Maskenoberfläche, welche bei der Bildanalyse berücksichtigt werden muss (siehe Kapitel 7.3.1). Detaillierte Informationen zur Beamline G3 und zum MAXIM-Setup können [107] entnommen werden.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 108

2θψ

ω

CCD-Detektor

Microchannel-Plate

X-ray beam Al2O3 Probe

Gold Maske γ

Abbildung 7.4: Schematischer Versuchsaufbau der Experimente mit absorbierenden Schlitzmasken an der Synchrotronbeamline G3 des HASYLAB. Die ortsaufgelösten Untersuchungen der Probe erfolgte mittels röntgenempfindlicher CCD-Kamera und Microchannel-Plate mit einer Auflösung von 1024 x 1024 Pixel.

7.2.2 Beugungsinformationen aus LAPLACE- und Ortsraum unter Verwendung strahlabsorbierender Masken und MAXIM

Bevor tiefenabhängige Beugungsinformationen aus dem Probenmaterial aufgenom-men und ausgewertet werden konnten, war zunächst die prinzipielle Funktion der strahlabsorbierenden Goldmasken zu prüfen. Dabei ging es in erster Linie um die Fra-ge, ob sich Beugungsinformationen durch die offenen Bereiche der Schlitzmasken hindurch mit dem MAXIM-Setup detektieren lassen und ob Unterschiede zwischen den Diffraktionsrichtungen quer und längs der Schlitze bestehen. Ist die Beugungs-ebene in Längsrichtung der Schlitze orientiert führt dies zur Aufnahme von Informati-onen aus dem LAPLACE-Raum. Verglichen mit Untersuchungen ohne Maske ist das gesamte bestrahlte Werkstoffvolumen jedoch deutlich verringert und entspricht in et-wa den lichten Schlitzflächen multipliziert mit der Eindringtiefe der Strahlung. Mes-sungen quer zur Schlitzlänge liefern hingegen die gewünschten Ortsrauminformatio-nen durch aufspannen kleiner Messvolumina, wie sie in den vorangegangenen Kapi-teln beschrieben wurden. Das bestrahlte Volumen ist hier nochmals deutlich reduziert.

Erste Experimente wurden unter Verwendung von monochromatischer Synchrotron-strahlung bei einer Energie von 6,930 keV (CoKα1-Strahlung) an den {300}-Ebenen (2θ0 = 81,24°) der kugelgestrahlten Al2O3-Keramik K4 vorgenommen. Im oberen Bild von Abbildung 7.5 a) ist eine MAXIM-Aufnahme der Probe mit einer darauf befestig-ten Maske dargestellt, aufgenommen mit einer Belichtungszeit von 10 Minuten im

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

109

Maximum des {300}-Reflexes. Die Diffraktionsebene liegt parallel zur Schlitzstruktur der Maske, was einer Messung im LAPLACE-Raum entspricht. Anhand dieser Mes-sungen kann die grundsätzliche Durchlässigkeit der Maske für Röntgenaufnahmen in genau definierten Bereichen gezeigt werden. Im Bild sind deutlich die zwölf Schlitz-paare der Maske Nr. 12 zu erkennen, wobei jeder Schlitz einen freien Querschnitt von etwa 10 x 5000 µm2 besitzt. Die hellen Pixel im Bereich der Schlitze stellen Kristallite der Keramik dar, für die die Diffraktionsbedingung nach BRAGG erfüllt ist. Außerhalb des weiß markierten Rahmens beginnt der Silizium-Einkristall-Rahmen der Maske.

0

20k

40k

60k

80k

100k

Cou

nts

pro

Pix

elsp

alte

/ -

133x-Pixelachse / -

183 483433383333283233

Intensität pro Pixelspalte

0

10k

20k

30k

40k

50k

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70k

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Pix

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alte

/ -

113x-Pixelachse / -

713613513413313213 813

Intensität pro Pixelspalte

a) b)

Abbildung 7.5: Ortsaufgelöste Beugungsaufnahmen einer Al2O3-Keramik gemessen an den {300}-Ebenen mit aufgelegter Absorbermaske parallel (a) und orthogonal (b) zur Längsrichtung der Schlitze unter Verwendung des MAXIM-Setups.

Die Integration der gemessenen Intensitäten je Pixelspalte innerhalb der rot markier-ten Grenzen führt zum unteren linken Diagramm der Abbildung 7.5, welches die Ver-teilungsfunktion der gebeugten Photonen über der Maskenbreite beschreibt. Hier sind für jeden Einzelschlitz Intensitätsmaxima zu beobachten, was wiederum als indirektes Abbild der Maskengeometrie angesehen werden kann. Dies bedeutet, dass durch die

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 110

Anwendung des MAXIM-Setups sogar die Intensitätsmaxima der sehr eng beieinan-der liegenden Doppelschlitze unterschieden werden können. Das angehobene Niveau der Untergrundintensität zwischen Pixelspalte 200 und 800 markiert den inneren, vom Silizium-Rahmen eingefassten Bereich der Maske.

Während der Streuuntergrund für die Messungen in Längsrichtung als vernachlässig-bar klein gegenüber den Intensitätsmaxima der Keramikkristallite angesehen werden kann, hat dieser für die Messungen senkrecht zur Schlitzstruktur (Ortsraum), darge-stellt in Abbildung 7.5 b), einen entscheidenden Einfluss auf die Güte der Ergebnisse. Zwar können auch in diesem Fall die einzelnen Schlitzpaare eindeutig durch reflektie-rende Einzelkristallite zugeordnet werden, jedoch ist ihre Anzahl erwartungsgemäß wesentlich geringer, da die Maske in dieser Anordnung tiefenselektierend im Sinne der Ortsraummethode wirkt. Aus diesem Grund wurde die Belichtungszeit für diese Aufnahme auf 30 Minuten erhöht, was sich auch durch den erhöhten Untergrund be-merkbar macht. Bei den hier vorliegenden Messparametern sollte die Beugungsinfor-mation bei der verwendeten Maske aus Volumenelementen stammen, die sich über einen Tiefenbereich von etwa 21 bis 31 µm erstrecken. Dies würde die relativ schwa-che zurückgestreute Intensität erklären.

Anhand der zuvor beschriebenen Untersuchungen kann erstmals die prinzipielle Funk-tion der strahlabsorbierenden Masken (2. Generation) für die geplante Analyse von Eigenspannungstiefengradienten im Ortsraum gezeigt werden.

7.2.3 Vorgehensweise bei der Aufnahme und Auswertung der MAXIM-Bildserien

Zur Erfassung eines kompletten Beugungsprofils muss ein 2θ-Scan durchgeführt und bei jedem Winkel ein Einzelbild aufgenommen werden. Da die Messungen teilweise länger als eine Stunde pro Bild benötigen, kann der 2θ-Bereich zuvor mittels Punktde-tektor eingegrenzt werden, um nicht unnötig viele MAXIM-Bilder der Untergrundin-tensität aufzunehmen. Der Montage-Offset zwischen Szintillationszähler und Kamera beträgt −20,37°, wodurch sich die 2θ-Motorposition beim Vermessen der z.B. {300}-Interferenz des Al2O3 von 81,24° (Punktdetektor) auf 101,61° (MAXIM) verschiebt. Bei der Auswertung muss dieser Offset entsprechend berücksichtigt werden. Um aus den aufgenommenen Bildserien die gewünschten Informationen wie Intensitäten, Li-nienlagen oder Integralbreiten zu ermittelten, müssen bei der Bildanalyse verschiede-ne Korrekturen angewendet werden. Ihre Beschreibung erfolgt in den folgenden Ab-sätzen am Beispiel einer Bildserie, aufgenommen mit monochromatischer Syn-chrotronstrahlung bei einer Energie von 6,930 keV (CoKα1) an den {116}-Gitter-ebenen einer Keramikprobe.

Der erste Schritt bei der Auswertung der MAXIM-Aufnahmen ist die Überprüfung auf so genannte “Cosmics”, welche durch kosmische Strahlung hervorgerufen werden und

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

111

sich durch intensitätsreiche Leuchtflecken auf den Bildern bemerkbar machen. Diese sind relativ leicht von den untersuchten Intensitäten aus den Messvolumina zu unter-scheiden, da sie lokal und zufällig auftreten und die normalen Beugungssignale um mindestens eine Größenordnung übersteigen. Die Korrektur der Bilddaten erfolgt ma-nuell durch Überschreiben der betroffenen Pixel mit Werten der Untergrundintensität, da meist nur relativ wenige Bilder in den relevanten Bereichen durch Cosmics beein-flusst sind.

Die Größe der Maskenoberfläche, in die die Schlitzstrukturen eingebracht sind, be-trägt ca. 5 x 5 mm2 und ist daher kleiner als der aufgenommene Bildbereich der Ka-mera. Für eine korrekte Bildanalyse ist daher die Beschneidung der Aufnahmen not-wendig, damit nur die Informationen der Messvolumina in die Bewertung einfließen. Bei der Aufnahme kompletter Beugungsprofile ist zu beachten, dass alle Bilder einer Serie in denselben Grenzen beschnitten werden, um die Weiterverarbeitung zu verein-fachen. Bei Einzelaufnahmen ist dies nicht notwendig. Zudem wurde während der Untersuchungen eine Verdrehung des CCD-Chips um die MCP-Längsachse festge-stellt, um welche die Bilder korrigiert werden müssen. Die Winkelkorrektur ist für die Qualität der Ergebnisse von entscheidender Bedeutung. Eine nähere schrittweise Be-schreibung erfolgt anhand der Diagramme in Abbildung 7.6, in denen links oben eine drehwinkelkorrigierte und beschnittene MAXIM-Aufnahme darstellt ist. Die Messvo-lumina sind darin deutlich als intensitätsreiche Linien zu erkennen.

1. Um die Beugungsinformationen aus genau diesen Bereichen zu erhalten, werden im ersten Bild die Intensitäten einer Pixelspalte innerhalb der gestrichelten Grenzen in-tegriert und durch die Anzahl der Zeilen geteilt, sodass für jede x-Pixelspalte eine ge-mittelte Intensität Iy(x,2θ) resultiert. Eine Fehlorientierung der Schlitze hätte eine Verbreiterung der gemittelten Intensitätsverteilung Iy(x,2θ) im Bereich der Messvolu-mina bei gleichzeitiger Reduzierung der Maximalintensität zur Folge. Dies würde zu einer auswertebedingten Unschärfe der Beugungsintensitäten aus den Einzelschlitzen führen, was durch die Orientierung parallel zur y-Pixelachse vermieden wird.

2. Im Diagramm rechts oben erfolgt der Untergrundabzug für die Intensitätsverteilun-gen Iy. Dabei werden kubische Splines mit Hilfe von 15 manuell definierten Stützstel-len je Bild an die Daten gelegt und vom Intensitätsverlauf subtrahiert. Dies ist exem-plarisch im rechten oberen Diagramm der Abbildung 7.6 dargestellt. Durch den Un-tergrundabzug ist gewährleistet, dass nur die Beugungsinformationen aus Richtung der Messvolumina bei der Dehnungsanalyse berücksichtigt werden. Die Intensitätsbei-träge der nicht vollständig absorbierten Photonen aus Bereichen unter der Goldschicht werden dabei eliminiert. Dieser Schritt ist mit Messdaten eines Punkt- oder Liniende-tektors nicht zu realisieren.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 112

3. Für die untergrundbereinigten Intensitätsverteilungen im Diagramm links unten erfolgt nun ein weiterer Integrationsschritt, diesmal über die x-Pixelachse. Damit er-hält man die gesamte Intensität Iy,x(2θ) aus den untersuchten Messvolumina als skala-ren Wert, der mit dem jeweiligen 2θ-Winkel verknüpft ist.

x-Pixelachse / -

y-P

ixel

achs

e / -

50 100 150 200

100

200

300

400

500

600 2100

2150

2200

2250

2300

2350

2400

2450

25001. Integration über y-Achse

2000

2100

2200

2300

2400

2500

Inte

nsitä

t / C

ount

s

2. Untergrundabzug

0 50 100 150x-Pixelachse / -

2θ: 67,83°

3. Integration über x-Achse

0 50 100 150

0

50

100

150

200

250

x-Pixelachse / -

Inte

nsitä

t / C

ount

s

2θ: 67,83°

68,40

1000

2000

3000

4000

5000

6000

70004. Gauß-Fit der intergalen Intensität

67,4 67,6 67,8 68,0 68,2

2θ: 67,23°−68,43°

2θ / °

Inte

nsitä

t / C

ount

s

Abbildung 7.6: Vorgehen bei der Analyse der MAXIM-Aufnahmen zur Berechnung der integralen Intensitäten, Linienlagen und Integralbreite.

4. Der vermessene Beugungswinkel, für den die Schritte 1-3 demonstriert wurden, ist im Diagramm rechts unten durch die rote Linie markiert. Nach Durchführung der Bildverarbeitung für alle Aufnahmen einer Serie bei einer bestimmten Messtiefe, kann das gesamte Beugungsprofil einer Gitterebene dargestellt werden. Die Berechnung der Linienlage 2θ, Integralbreite IB, integralen Intensität Iy,x,2θ etc. erfolgt durch Anpas-sung einer Gauß-Funktion an die Datenpunkte mittels Minimierung der Fehlerquad-ratsumme. Die berechneten Profilparameter liefern dann die gewünschten tiefenab-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

113

hängigen Informationen für das Ortsraumverfahren. Um unterschiedliche Intensitäts-größen im weiteren Verlauf der Arbeit eindeutig zu definieren, wird folgendes Vorge-hen festgelegt: Der tiefgestellte Index der Intensität I beschreibt, in welcher Reihen-folge die MAXIM-Aufnahmen integriert/bearbeitet wurden. Für die Intensität Iy,x,2θ bedeutet dies demnach, dass nach der Integration über die y- und x-Pixelachse eine Gauß-Anpassung mit anschließender Profilintegration über 2θ vorgenommen wurde.

7.3 Anwendung verschiedener, aufliegender Masken zur tiefenaufge-lösten Eigenspannungsanalyse

7.3.1 Beugungsexperimente im Ortsraum mit MAXIM

Mit Hilfe des beschriebenen Setups wurden vier Proben-Masken-Einheiten an der {300}-Interferenz der tiefgeschliffenen Al2O3-Keramik D25 (vgl. Kapitel 5) in Längs- und Querrichtung der Schlitze untersucht. Die Masken wurden dabei direkt auf der Probenoberfläche fixiert. Für die Durchführung der Experimente wurde eine Strah-lungsenergie von 6,930 keV äquivalent zu CoKα1 verwendet, wobei in Längsrichtung nur ein Winkel im Interferenz-Maximum (2θ0 = 81,23°) mit einer Belichtungszeit von 20 Minuten gemessen wurde. Die Messungen längs der Schlitze dienten zur Überprü-fung ihrer generellen Durchlässigkeit für Röntgenstrahlung unabhängig von der ver-wendeten Maske. Dabei werden keine Volumenelemente im Werkstoff definiert, weil die Diffraktionsebene parallel zur Schlitzlänge liegt und somit die selben gewichteten Beugungsinformationen aufgenommen werden, wie bei Experimenten ohne Maske (LAPLACE-Raum). Es reduziert sich lediglich die bestrahlte Gesamtfläche, welche et-wa der Schlitzfläche der Maske gleichkommt. Aus diesem Grund wurde vermutet, dass sich die aufgenommenen MAXIM-Bilder für verschiedene Masken nicht in ihren Intensitätswerten unterscheiden. Entsprechend des jeweiligen Maskenlayouts sollten jedoch Unterschiede in der Anzahl der Schlitzpaare auftreten. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen mit den Masken Nr. 04 und 12 sind in Abbildung 7.7 wiedergegeben und bestätigen die zuvor formulierten Annahmen. Bei zwei weiteren Untersuchungen mit den Masken Nr. 08 und 16 ergeben sich ähnliche Ergebnisse, weshalb sie an die-ser Stelle nicht gezeigt werden. In den oberen Bildern sind die beschnittenen und win-kelkorrigierten Aufnahmen zu sehen. Entsprechend ihrer Schlitzgeometrien sollten bei Maske Nr. 04 insgesamt 13 Schlitzpaare auftreten und 12 bei Maske Nr. 12. Dies wird durch die Aufnahmen bestätigt. Zwar lassen sich die Einzelschlitze in diesen Bildern nicht erkennen, was an der geringeren Ortsauflösung des Messaufbaus aufgrund der Entfernung von 18 mm zwischen Kamera und Probenoberfläche liegt. Jedoch konnten die benachbarten Schlitze bereits in Abbildung 7.5 eindeutig identifiziert werden, wo der Kameraabstand nur 7 mm betrug.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 114

x-Pixelachse / -100 200 300 400

50

100

150

200

250

300

3502050

2100

2150

2200

2250

2300

2350

2400

2450

2500

2000

2050

2100

2150

2200

2250

2300

x-Pixelachse / -

y-P

ixel

achs

e / -

Al2O3 {300}, M04

100 200 300 400

50

100

150

200

250

300

2000

2050

2100

2150

2200

2250

2300

Al2O3 {300}, M12

int.

Inte

nsitä

t Iy(

x,2θ

0) /

Cou

nts

y-P

ixel

achs

e / -

int.

Inte

nsitä

t Iy(

x,2θ

0) /

Cou

nts

Abbildung 7.7: MAXIM-Aufnahmen I(x,y,2θ0) mit den aufgelegten Masken Nr. 04 und Nr. 12 längs der Schlitzstruktur (oben). Die dunklen Spots zeigen reflektierende Kris-tallite aus dem Eindringtiefebereich der Stahlung (LAPLACE-Raum). Die Integration über die y-Pixelachse Iy(x,2θ0) verdeutlicht den Schlitzcharakter der Masken (unten).

In den Ortsraumexperimenten, bei denen die Schlitze quer durchstrahlt werden, lag die Distanz nur noch bei 7-8 mm, wodurch die Ortsauflösung von MAXIM deutlich erhöht wird. Die eingesetzten Masken mit den Nummern 04, 08, 12 und 16 besitzen Schlitzbreiten b von ≈ 11 µm und einen Abstand zwischen zwei Schlitzpaaren c von ≈ 351 µm. Um unterschiedliche Messtiefen im Probenmaterial zu definieren, variieren die Abstände a zwischen zwei Schlitzen von 37 µm für Maske Nr. 04 über 54 µm und 72µm bis 90 µm für die Masken 08, 12 und 16.

Aufgrund der langen Belichtungszeit von etwa 30 Minuten pro Bild, welche benötigt wird um überhaupt erst aussagekräftige Aufnahmen zu erhalten, wurde bei der Anzahl der 2θ-Winkel ein Kompromiss zwischen Scanbereich, Winkelauflösung und Mess-zeit gewählt. Der 2θ-Bereich zur Erfassung des größten Teils der {300}-Interferenz reichte von 80,93° bis 81,53°, was bei einer Schrittweite von 0,05° zu 13 Einzelbil-dern je Schlitzmaske führte. Für jeden 2θ-Winkel wurde ein Einzelbild aufgenommen, welches wiederum die Intensitätsverteilung I in Abhängigkeit der x- und y-Koordinate des CCD-Chips liefert. Wegen des schwachen Beugungssignals aus den Messvolumi-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

115

na und stark reflektierender Einzelkristallite, wurden die 13 Einzelaufnahmen für jede Maske zunächst zu einem Bild zusammengefasst, was einer Integration der Intensitä-ten I(x,y,2θ) über 2θ entspricht. Nach diesem Schritt sind jedoch Linienlagebestim-mungen und somit Spannungsanalysen in unterschiedlichen Messtiefen nicht mehr möglich. In Abbildung 7.8 sind die integrierten Bilder I2θ(x,y) für die Masken Nr. 04 und Nr. 08 dargestellt, welche für unterschiedliche Messtiefen im Material stehen. In beiden Bildern wird das sich wiederholende Muster der Maskenstruktur deutlich, das durch reflektierende Kristallite aus den Messvolumina hervorgerufen wird und bei Maske Nr. 08 wesentlich kontrastreicher ist.

y-P

ixel

achs

e / -

50

100

150

200

250

300

350

400

450

500

04

x-Pixelachse / -50 100 150 200 250 300 350

di

Ii

500

int.

Inte

nsitä

t I2θ

,y(x

) / C

ount

s

x-Pixelachse / -50 100 150 200 250 300 350

400

300

200

100

0

I2θ,y (x), MAXIM Gauß-Profile

08

IBi

Abbildung 7.8: Integrierte MAXIM Aufnahmen I2θ(x,y) der Masken Nr. 04 und Nr. 08 (oben). Die dunklen Bereiche bilden Kristallite aus den Messvolumina ab, für die die BRAGG’sche Bedingung erfüllt ist. Die weitere Integration über die y-Achse macht den Schlitzcharakter der Masken noch deutlicher, wobei jeder Peak die Intensität eines Volumenelementes repräsentiert (unten).

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 116

Die Diagramme in Abbildung 7.8 (unten) resultieren aus der erneuten Integration der Bilder I2θ(x, y) über die y-Pixelachse. Jeder Peak beschreibt das Beugungssignal eines Volumenelements im Probenmaterial. Mit Hilfe dieser Diagramme konnten zwei we-sentliche Maskeneigenschaften verifiziert werden, die die grundsätzliche Funktion des Ortsraumverfahrens demonstrieren: (i) der Abstand dm zwischen den Volumenelemen-ten und (ii) die Möglichkeit aus unterschiedlichen Materialtiefen Beugungsinformati-onen zu erhalten. Hierzu wurden Gauß-Profile mittels Minimierung der Fehlerquad-ratsumme an die gemessenen Intensitätsverläufe jedes Messvolumenelements ange-passt. Der mittlere Abstand dm kann aus den Distanzen di der benachbarten Einzel-peaks durch Mittelwertbildung bestimmt werden. Unter Berücksichtigung der im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Bildprojektion lässt sich der Abstand der Vo-lumenelemente im Probenmaterial dexp durch

γcosMCPmexp rdd ⋅= (7.1)

berechnen. Hierin ist rMCP die nominelle Ortsauflösung der MCP von ca. 13 µm und γ der Projektionswinkel zwischen den Oberflächennormalen von Probe und MCP. Da sich während eines 2θ-Scans der Winkel γ ändert, wird zur Berechnung die theoreti-sche Linienlage 2θ0 der Interferenz verwendet. Der resultierende Abstandswert der VE kann als Plausibilitätskriterium herangezogen werden, da bei Abweichungen zum vorgegebenen Abstand dref = ƒ(a,b,c) = a+2b+c, definiert durch das Maskenlayout, eine Missorientierung der Masken bzw. des Messaufbaus vorliegen kann.

0

50

100

150

200

250

300

int.

Inte

nsitä

t I 2θ

,y,x /

Cou

nts

M04 M16M12M08300

320

340

360

380

400

420

440

460

480

M04

VE-A

bsta

nd /

µm

M16M12M08

Intensität, ExperimentAbstand dref

Abstand dexp

a) b)

Abbildung 7.9: a) Gegenüberstellung der Referenzabstände dref zwischen den Mess-volumina gemäß Maskengeometrie und den berechneten mittleren Abständen dm aus Experimenten. b) Gemessene integrale Intensität I2θ,x,y aus unterschiedlichen Materi-altiefen unter Anwendung verschiedener Masken.

Der mittlere Abstand zwischen zwei Messvolumina dm ist für die Masken Nr. 04, 08, 12 und 16 im Balkendiagramm in Abbildung 7.9 a) dargestellt. Verglichen mit den

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

117

Referenzabständen dref aus der Maskenauslegung treten, im Rahmen der Messfehler, nur sehr geringe Unterschiede auf. Die größte Abweichung zeigt sich bei Maske Nr. 04, was vermutlich dem schwachen Beugungssignal geschuldet ist.

Die Flächen unter jeder Gauß-Verteilung in den Diagrammen der Abbildung 7.8 erge-ben sich aus der Maximalintensitäten Ii multipliziert mit der jeweiligen Integralbreite IBi und liefern nach Addition die Intensität aus den Messvolumina aller 13 MAXIM-Aufnahmen. Somit erhält man die Gesamtintensität I2θ,y,x des Beugungsprofils im un-tersuchten 2θ-Bereich als skalaren Zahlenwert (vgl. Kapitel 7.2.3). In Abhängigkeit der verwendeten Maske sind in Abbildung 7.9 b) die Intensitätswerte I2θ,x,y dargestellt. Obwohl Maske Nr. 04 gemäß Auslegung den kleinsten Abstand zur Oberfläche haben sollte und daher die größte Intensität erwartet wurde, liefert sie sogar kleinere Werte als Maske Nr. 16, welche sich am tiefsten im Material befinden soll. Eine mögliche Erklärung liefert die Annahme, dass sich die Messvolumenelemente der Maske Nr. 04 nicht vollständig im Material befanden. Um diese Frage zu klären wurden Simulati-onsrechnungen durchgeführt, die die Einstrahlbedingungen, Materialparameter und Maskengeometrien berücksichtigen.

7.3.2 Rechnergestützte Simulation der Diffraktionsexperimente

Die wichtigste Funktion der Masken ist die gezielte Absorption von gebeugter Strah-lung außerhalb der Messvolumina. Es kann vorausgesetzt werden, dass mit zuneh-mender Messtiefe die reflektierte Strahlungsintensität immer weiter abnimmt, was durch das LAMBERT-BEER’sche Gesetz beschrieben wird. Neben der natürlichen Strahlabschwächung I(z), welche für die Keramik in Abbildung 7.10 a) über der Ein-dringtiefe von CoKα1-Strahlung aufgetragen ist, muss eine Gewichtung der Intensität bezüglich des bestrahlten Materialvolumens erfolgen. Die Länge und die Anzahl der Messvolumina bleiben konstant, sodass im Folgenden lediglich die Querschnittsfläche A betrachtet wird, nicht das Volumen. Da der inkrementelle Flächenzuwachs dA/dz über der Messtiefe z nicht konstant verläuft, sondern sich mit jedem Inkrement dz än-dert, ergibt sich hierfür eine unstetige Funktion, wie sie in Abbildung 7.10 a) darge-stellt ist. Durch die gestrichelten Linien ist zudem der Querschnitt eines Messvolu-mens skizziert. Die Grafik verdeutlicht, dass das Volumenelement VE aus drei Teilen aufgebaut ist: Im Bereich des ersten Dreiecks von h0 bis h1 nimmt der Flächenzu-wachs stetig zu, bleibt zwischen h1 und h2 konstant und nimmt von h2 bis h3 linear ab. Diese Beziehung kann durch

( ) dzzAdzzIzAIh

h

h

h

VE ∫∫ −⋅=3

0

3

0

)('exp)(')( 0 ωω ττ (7.2)

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 118

beschrieben werden. Hierin ist I0 die Anfangsintensität und τω die Eindringtiefe im ω-Modus. Unter der Annahme, dass die Entfernung zwischen der Absorberschicht der Maske und der Probenoberfläche etwa 18 µm beträgt, wurde die reflektierte Intensität aus dem Messvolumen für jede Maske berechnet und zusammen mit der natürlichen Strahlabschwächung I(z) und den Messwerten der MAXIM-Messungen I2θ,y,x in Dia-gramm 7.10 b) aufgetragen.

h0 h1

Al2O3

0

20

40

60

80

100

0Eindringtiefe / µm

Inte

nsitä

t / %

-1

1

3

5

7

9

11

Fläc

henz

uwac

hs V

E /

µm

151050

1

2

3

4

skal

iert

e In

tens

ität /

-

10 50-10 4030200Eindringtiefe / µm

h3h2

04 08 12 16

I(z) CokαdA(z)/dz

Isimu MatlabI2θ,y,x MAXIMI(z) Cokα in Al2O3

a) b)

Abbildung 7.10: a) Inkrementeller Flächenzuwachs A‘ für ein rhombisches Mess-volumenelement aufgetragen über der Eindringtiefe von CoKα1-Strahlung in Al2O3. b) Vergleich von Simulations- und Messergebnissen der reflektierten Intensität aus unterschiedlichen Messtiefen.

Um die Mess- und Simulationswerte vergleichbar zu machen, wurden die jeweiligen Ergebnisse auf die Intensität der Maske Nr. 04 skaliert. Neben der Probenoberfläche sind die Positionen und Abmessungen der Messvolumina jeder Maske skizziert, die die geometrischen Randbedingungen des Experiments verdeutlichen. Der Vergleich von Simulation und Experiment liefert eine sehr gute Übereinstimmung für drei der vier Masken. Nur Maske Nr.12 zeigt eine größere Abweichung, was möglicherweise durch stark reflektierende Einzelkristallite mit überdurchschnittlichen Abmessungen hervorgerufen wird. Dies verdeutlicht erneut ein Hauptproblem der beschriebenen Ortsraummethode: Die Gesamtintensität aus den Messvolumina ist äußerst gering im Vergleich zur Untergrundintensität, welche aus nicht absorbierten Photonen und dem Dunkelstrom der Maxim-Kamera resultiert. Gleichzeitig verfälschen Beugungssignale überdurchschnittlich großer Kristalle die Messergebnisse, was zu inhomogenen Inten-sitätsverteilungen (Spots) aus den Bereichen der Schlitze führt.

Die Simulation gibt darüber hinaus eine Antwort auf die Frage nach der geringen In-tensität von Maske Nr. 04. Im Diagramm 7.10 b) ist zu sehen, dass sich das Messvo-lumen größtenteils außerhalb der Probe befindet. Allerdings sollte es gemäß Ausle-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

119

gung etwa 10 µm unter der Oberfläche positioniert sein. Dies führt zu der Vermutung, dass zwischen den Masken und der Probenoberfläche eine größere Distanz existiert haben muss, als das Maskenlayout vorgibt. Trotz Berücksichtigung der maximalen Oberflächenrauheit Rt = 2,3 µm, weshalb die Masken auf den Rauheitsspitzen auflie-gen, bleibt eine Differenz von 7–8 µm ungeklärt. Möglicherweise spielt hier auch die Welligkeit der Oberfläche eine Rolle oder aber kleine (Staub)Partikel zwischen Maske und Probe. Bei einigen Masken wurde zudem ein minimales Aufwölben der Goldab-sorberschicht durch Delaminierung an den Rändern des Siliziumrahmens beobachtet, was ebenfalls einen solchen Messtiefefehler hervorrufen kann.

Abbildung 7.11: Vermessung der Oberflächentopografie einer Schlitzmaske mittels konfokalem Mikroskop: a) zeigt die Kontaktfläche zur Probe (Goldabsorberschicht) und b) die PI-Trägermembran auf der Rückseite.

Ein weiterer Fehler bei direktem Auflegen der Masken wird durch die Eigenspannun-gen in der Goldschicht hervorgerufen. Zwar wurde die Höhe der Eigenspannungen nicht ermittelt, jedoch sind diese in ihrer Wirkung deutlich sichtbar, da sie zu Auf-wölbungen der Goldschicht an den Schlitzkanten führen. Dieser Effekt konnte erst mittels konfokaler Mikroskopie ermittelt werden. Bei diesen Messungen, welche in

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 120

Abbildung 7.11 dargestellt sind, zeigt sich, dass der maximal mögliche Messtiefefeh-ler im Bereich von etwa 300 nm liegt und somit nicht als alleiniger Ursprung für die 7-8 µm Differenz gelten kann. Die Messungen bestätigen zudem die in Kapitel 6.4 mit anderen Verfahren ermittelte Goldschichtdicke von 3 µm.

7.3.3 Zwischenbilanz zur Identifikation von Fehlern und Störgrößen

Zusammenfassend lassen sich die folgenden positiven Aussagen über die bisher be-schriebenen Ortsraumexperimente treffen:

• Die Detektion von gebeugten Photonen aus unterschiedlichen Tiefen des Pro-benwerkstoffs ist prinzipiell möglich. Dies konnte anhand der Gegenüberstel-lung von Mess- und Berechnungsergebnissen gezeigt werden, wobei mit zu-nehmender Messtiefe eine Abnahme der gemessenen Intensitäten einhergeht, was der exponentiellen Strahlschwächung im Material zugeschrieben werden kann.

• Die aufgenommenen Beugungsmuster der MAXIM-Bilder bestätigen die geo-metrischen Abmessungen des Maskenlayouts. Dies stützt die Annahme, dass hauptsächlich die mittels Maskengeometrie definierten Werkstoffvolumina zum Beugungssignal beitragen, wohingegen das restliche Volumen ausgeblendet wird.

Neben den positiven Aspekten werden auch die deutlichen Schwierigkeiten des Orts-raumverfahrens offensichtlich, die in erster Linie durch das geringe bestrahlte Werk-stoffvolumen hervorgerufen werden:

• Aufgrund der geringen Kornstatistik sind die Bildinformationen aus den Mess-volumina inhomogen über ihre Länge verteilt, sodass aus großen Bereichen keine Intensität zurückgestreut wird. Andererseits fallen die wenigen Kristallite die die BRAGG’sche Gleichung erfüllen überproportional stark ins Gewicht. Sie sind in den MAXIM-Aufnahmen als intensitätsreiche Spots zu erkennen.

• Daneben existiert ein grundlegendes Problem bei der Verwendung diverser Masken für unterschiedliche Messtiefen: Es lässt sich keine kontinuierliche Tiefenauflösung durch den Maskenwechsel realisieren, da sie gemäß ihrer Schlitzgeometrie nur in diskreten Schritten Messvolumina definieren. Eine An-passung der Tiefenauflösung an den jeweiligen Spannungsgradienten ist somit nur durch neue Maskengeometrien möglich.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

121

7.4 Verbesserte Beugungsexperimente durch Verwendung einer Posi-tioniervorrichtung für Absorptionsmasken

Angesichts der beschriebenen Fehlereinflüsse bei der Maskenpositionierung bezüglich der Probenoberfläche und der inhomogenen Ausleuchtung der Schlitzbereiche, wurde ein neues Konzept zur definierten Ausrichtung der Maske über der Probe entwickelt. Gleichzeitig wurde eine Erhöhung der Kornstatistik angestrebt, um den Einfluss stark reflektierender Einzelkristallite zu reduzieren. Anhand dieser Randbedingungen wur-de eine Positioniervorrichtung entwickelt, die im folgenden Kapitel beschrieben wird. Im Anschluss werden experimentelle Untersuchungen diskutiert, die unter Verwen-dung der Vorrichtung an unterschiedlichen Probentypen durchgeführt wurden. Die Bewertung der Ergebnisse erfolgt dabei wiederum unter Berücksichtigung von Simu-lationsrechnungen.

7.4.1 Entwicklung einer Positioniervorrichtung

Die wichtigsten Kriterien bei der Entwicklung der Positioniervorrichtung in Abbil-dung 7.12 waren die Erhöhung der Kornstatistik im Bereich der Messvolumina und die Möglichkeit einer kontinuierlichen mikrometergenauen Zustellung der Messtiefe. Um letzteren Punkt zu realisieren eignen sich präzise Lineartische, vorzugsweise mit motorischem Antrieb und Regelkreis. Aufgrund des geringen Bauraums auf dem Pro-bentisch des G3 Goniometers am HASYLAB und des nur einige Millimeter betragen-den Abstands zwischen MAXIM und Probe während des Experiments, kam ein Mo-torantrieb jedoch nicht zum Einsatz. Stattdessen fand eine seitlich montierte Mikro-meterschraube Verwendung, welche in Verbindung mit einem spielfreien, kreuzrol-lengelagerten Lineartisch eine Einstellempfindlichkeit von 1 µm besitzt. Dies ist bei einer Höhe der Messvolumina von ca. 5 µm ein hinreichend genauer Wert. Neben der Messtiefeeinstellung mittels Z-Achse werden zwei identische Lineartische für die la-terale Positionierung der Maske über der Probe in X- und Y-Richtung eingesetzt. Alle Achsen haben einen maximalen Stellweg von 12 mm.

Da die Masken nicht mehr direkt auf der Probe aufliegen sollen, sondern in einer Hal-terung befestigt über der Probe “schweben”, stellt sich die Frage nach der Parallelität zwischen Masken- und Probenoberfläche. Im Falle von Missorientierungen, die auf-grund von Fertigungs-, Montage- und Justageungenauigkeiten stets präsent sind, tre-ten Messtiefefehler auf, welche eine tiefenaufgelöste Spannungsanalyse erschweren bzw. unmöglich machen können. Beispielsweise bewirkt ein Kippwinkelfehler von nur 0,1° bei einer 5 x 5 mm2 großen Analysefläche eine Unschärfe der Messtiefe von etwa ± 5 µm um den nominellen Wert. Aus diesem Grund besitzt die Vorrichtung zwei unabhängige Drehachsen – einen Rotationstisch und ein Goniometer – die Win-kelkorrekturen der Maske bezüglich der Probenoberfläche erlauben und so eine ein-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 122

heitliche Tiefe der Messvolumina im Material sicherstellen. Im Gegensatz zu den Un-tersuchungen mit unmittelbar aufliegenden Masken bietet die Vorrichtung zudem den Vorteil, dass Fehlereinflüsse durch Oberflächenrauheiten der Probe oder Delaminierung der Absorberschicht ausgeschlossen werden können.

Für die exakte Ausrichtung der Masken parallel zur Probenoberfläche wurden ver-schiedene Strategien verfolgt: (i) Dehnungsmessstreifen (DMS) an drei verschiedenen Punkten des Maskenhalters zeigen bei Maske-Probe-Kontakt Änderungen der Mess-signale, sodass Winkelfehler ausgemittelt werden können. (ii) Hochparallele Synchro-tronstrahlung, ausgeblendet auf etwa 0,05 x 8 mm2, soll zur Quantifizierung des Ab-stands von Maske und Probe dienen und durch Intensitätsunterschiede Missorientie-rungen registrieren. (iii) Ein Nivelliergerät, ausgerichtet auf den Lichtspalt zwischen Probe und Maske, soll auch minimale Fehlstellungen identifizieren. Welches der Ver-fahren angewendet wurde, ist im Folgenden bei der Beschreibung der jeweiligen Ver-suche angegeben.

Linearführung

Z-Achse

Rotationstisch

Goniometer

Maskenhalter + Maske

ProbentischMotor + Getriebe

Pleuel + Exzenter

Abbildung 7.12: Konstruktionszeichnung der Positioniervorrichtung zur Verbesserung der Beugungsinformationen aus den Messvolumina. Sie ermöglicht die exakte Aus-richtung der Maske zur Probenoberfläche mittels Rotationstisch und Goniometer, sowie eine Tiefenzustellung im Mikrometerbereich durch den Lineartisch der Z-Achse. Die motorbetriebene Linearführung dient zur Verbesserung der Kornstatistik.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

123

Eine weitere Linearachse ermöglicht die laterale Oszillation des Probenschlittens un-ter der Maske, was eine Verbesserung der Kornstatistik und homogener ausgeleuchte-te Kameraaufnahmen bewirken soll. Aufgrund ihrer hochpräzisen Führung (2 µm Abweichung pro 200 mm Schienenlänge) tritt innerhalb des Oszillationsbereichs von ± 1 mm praktisch keine Änderung der Messtiefe auf. Die Oszillationsbewegung wird mit Hilfe eines Exzenters und eines Gleichstrommotors mit Getriebe umgesetzt. Dabei sind Oszillationsfrequenzen zwischen 0,1 und 1 Hz einstellbar.

mit Oszillationohne Oszillation

Abbildung 7.13: Erste Experimente mit linearer Probenoszillation unter der Maske bestätigen den gewählten Ansatz. Ein deutlich homogeneres Beugungssignal aus den Bereichen der Messvolumina ist die Folge.

Der Vergleich von Messungen mit und ohne Oszillation ist in Abbildung 7.13 darge-stellt. Erste Versuche zeigen eine deutliche Verbesserung hinsichtlich einer homoge-nen Belichtung der MAXIM-Bilder. Im Gegensatz zu Messungen ohne Oszillation, bei denen einzelne grobe Kristallite die Aufnahme prägen, zeichnet sich nun eine ein-heitliche Schlitzstruktur im aufgenommenen Bild ab. Weitere Untersuchungen mit dem beschriebenen Setup werden im Folgenden dargestellt und diskutiert.

7.4.2 Experimentelle Untersuchung einer einphasigen Al2O3-Bulk-Probe

Ortsraumexperimente mit Positioniervorrichtung und MAXIM wurden zunächst an der {300}-Interferenz (2θ0 = 81,24°) einer geschliffenen Al2O3-Biegeprobe unter Ver-wendung einer Strahlungsenergie von 6,930 keV durchgeführt. Die Ausrichtung der Maske Nr. 20 erfolgte mittels DMS-Signal und Überwachung des Lichtspalts zur gro-ben Einstellung der Messtiefe. Um untereinander vergleichbare Einzelbilder zu erhal-ten, wurde die Belichtungszeit über die akkumulierte Anzahl der Photonen im Primär-strahl gesteuert, sodass sich in Abhängigkeit des Speicherstroms im Synchrotron ca.20

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 124

bis 25 Minuten Messzeit pro Aufnahme ergaben. Die mittels Maske definierten Mess-volumina wurden in 5 bzw. 10 µm Schritten aus dem Werkstoffinneren (60 µm) bis durch die Probenoberfläche (−5 µm) getaucht und bei jeder Tiefe zwei Beugungsbil-der um das Interferenzmaximum aufgenommen. Parallel zur Mikrometerschraube wurde die Zustellung mittels Messuhr (1/1000 mm Auflösung) überprüft. Die gewähl-ten Tiefenpositionen können anhand von Abbildung 7.14 a) verdeutlicht werden, in der die primären, sekundären und tertiären Messvolumina unter Berücksichtigung der Beugungswinkel maßstabsgerecht dargestellt sind. Der Einstrahlwinkel ω betrug für alle Messtiefen 30°, womit ein Kippwinkel von ψ = 10,6° resultiert. Im Gegensatz zum experimentellen Vorgehen wird in der Grafik nicht die Maske relativ zur fixier-ten Probenoberfläche verfahren sondern umgekehrt, was zu einer besseren Übersicht-lichkeit führt.

302010

0

2010

0

-47

~30

5040

60

{300}, 2θ0 = 81,24°, ω = 30° {116}, 2θ0 = 67,90°, ω = 33,95°

ω 2θ−ω

Probenoberfläche

Zustellungprimäre VE

sekundäre VE

tertiäre VE

a) b)

Abbildung 7.14: Maßstabsgerechte Skizze der Messvolumina bei unterschiedlichen Abständen zur Probenoberfläche. Die Ortsraumuntersuchungen wurden sowohl an den {300}- (a) als auch an den {116}-Ebenen (b) durchgeführt.

Die beiden Einzelaufnahmen je Messtiefe wurden während der Bildverarbeitung kom-biniert und sind in Abbildung 7.15 dargestellt. Dabei zeigen sich in den Beugungs-mustern deutliche Intensitätsunterschiede in Abhängigkeit des Oberflächenabstands. Während bei einer Tiefe von etwa 50 bis 60 µm keine Signale aus den Messvolumina zu erkennen sind, werden bei 40 µm erste schwache Strukturen sichtbar, die auf Orts-rauminformtionen hindeuten. Bei einer Messtiefe von 30 µm sind klare Beugungssig-nale aus den Volumenelementen in Form länglicher dunkler Linien erkennbar, die mit

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

125

10 µm5 µmy-

Pix

elac

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/ -

100

200

300

400

500

600

-5 µm 0 µm

x-Pixelachse / -100 200 300

60 µm

x-Pixelachse / -100 200 300

50 µm

1950

2000

2050

2100

2150

2200

2250

2300

2350

2400

x-Pixelachse / -100 200 300

40 µm

y-P

ixel

achs

e / -

100

200

300

400

500

600

30 µm25 µm20 µm15 µm

y-P

ixel

achs

e / -

100

200

300

400

500

600

Abbildung 7.15: MAXIM-Aufnahmen am {300}-Reflex einer Al2O3-Probe mit zuneh-mendem Abstand zur Probenoberfläche.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 126

Verringerung des Abstands zur Oberfläche kontinuierlich an Intensität gewinnen. Ab einer Tiefe von etwa 5 µm ist auf der rechten Bildseite eine Abnahme der Intensität zu beobachten, welche für das Bild an der unmittelbaren Oberfläche (0 µm) am Eindeu-tigsten ist. Hieraus kann eine leichte Schiefstellung der Masken zur Probenoberfläche abgeleitet werden, die trotz sorgfältigem Vorgehen bei der Ausrichtung offensichtlich nicht vermieden werden konnte. Auf dem MAXIM-Bild bei −5 µm, welches nominell Volumenelemente oberhalb der Probe definieren soll, sinkt die Intensität erwartungs-gemäß nochmals deutlich ab. Jedoch sind in diesem Bild diffuse Schattenbereiche zu erkennen, welche vermutlich aus Intensitätsüberlagerungen von tiefer im Material lie-genden Messvolumina und ungenügend absorbierten Photonen aus den oberflächen-nahen Regionen der Probe stammen. Bei genauer Betrachtung treten diese Bereiche ebenfalls in den meisten anderen Aufnahmen auf.

Nach der Untersuchung der {300}-Ebenen wurde der Beugungswinkel auf 2θ0 = 67,91° verringert, um die {116}-Interferenz zu erfassen und so die Absorptionswirkung der Goldschicht zu erhöhen. Zudem wurden die Messungen in symmetrischer Beugungsge-ometrie bei ψ = 0° durchgeführt. Alle anderen Versuchsparameter blieben unverändert. Aufgrund des flacheren BRAGG-Winkels wandern die Messvolumina in Richtung der Maskenoberfläche. Da sich die zuletzt vermessenen Volumenelemente bei {300} etwa 5 µm über der Probenoberfläche befanden, wurde für {116} die benötigte Zustellung berechnet, um die VE in der unmittelbaren Randschicht zu positionieren. Die erforder-liche Reduzierung des Abstands zwischen Probenoberfläche und Maske liegt demnach bei 30 µm und ist in Abbildung 7.14 b) skizziert. Die intensitätsreichen Beugungsmus-ter der oberen linken Aufnahme in Abbildung 7.16 deuten auf eine erfolgreiche Posi-tionierung hin, was durch anschließendes sukzessives Zustellen der Z-Achse in 5 µm Schritten bestätigt wird. Denn analog zu den vorangegangenen Versuchen zeigt sich eine deutliche Abnahme der gemessenen Intensitäten aus den Messvolumina mit zu-nehmender Messtiefe bis etwa 25 µm.

Ausgehend von dieser Messtiefe wurde der Versuch unternommen, Beugungsinforma-tionen auch aus den sekundären Messvolumina zu gewinnen: Gemäß Maskengeomet-rie und Abbildung 7.14 b) müsste der Abstand zwischen den primären und den nächst tiefer gelegenen sekundären VE etwa 47 µm betragen. Hinzu kommt die aktuelle Mess-tiefe von 25 µm, damit die anvisierten VE an der unmittelbaren Probenoberfläche posi-tioniert sind. Nach Zustellung um diesen Wert wurden Messungen unter denselben Randbedingen durchgeführt wie zuvor. Die Aufnahmen zeigen eindeutig die in dieser Tiefe vermuteten, paarweise auftretenden Volumenelemente und belegen die hohe Prä-zision bei der Einstellung der Messtiefe mittels Z-Linearachse und manueller Mikrome-terschraube.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

127

x-Pixelachse / -50 100 150 200

25 µm

x-Pixelachse / -

y-P

ixel

achs

e / -

50 100 150 200

100

200

300

400

500

600

20 µm

15 µm10 µm5 µmy-

Pix

elac

hse

/ -

100

200

300

400

500

600

0 µm

x-Pixelachse / -50 100 150 200

-47 µm

1950

2000

2050

2100

2150

2200

2250

2300

2350

2400

Abbildung 7.16: MAXIM-Aufnahmen am {116}-Reflex einer Al2O3-Probe mit zuneh-mendem Abstand zur Probenoberfläche.

Anhand der zuvor diskutierten MAXIM-Aufnahmen um die Interferenzmaxima konnte auf visuellem Wege die gute Funktion der Masken in Verbindung mit der entwickelten Positioniervorrichtung gezeigt werden. Darüber hinaus wurden nun Bildsequenzen mit 25 Einzelbildern je Messtiefe für beide Ebenen aufgenommen, welche mit dem jeweili-gen 2θ-Winkel verknüpft sind. Die untersuchten 2θ-Bereiche gingen von 67,18° bis 68,38° für die {116}- und von 80,48° bis 81,68° für die {300}-Interferenz, wobei die Schrittweite Δ2θ bei 0,05° lag. Alle anderen Versuchsparameter bleiben unverändert.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 128

Unter Anwendung der Bildverarbeitungsschritte in Kapitel 7.2.3 ist es im Folgenden möglich, die Interferenzprofile bezüglich Linienlage, Intensitäten und Integralbreiten zu analysieren. Es ist anzumerken, dass für die Aufnahme der kompletten Tiefenverläufe an den {300}-Ebenen bei acht Tiefenschritten ca. 80 Stunden Messzeit benötigt wur-den. Für die Experimente am {116}-Reflex mit sechs Messtiefen betrug die Zeit etwa 60 Stunden.

01k2k3k4k5k6k7k

Inte

nsitä

t / c

ount

s

67,4 67,6 67,8 68,0 68,22θ / °

67,4 67,6 67,8 68,0 68,22θ / °

67,4 67,6 67,8 68,0 68,20

1k2k3k4k5k6k7k

2θ / °

Inte

nsitä

t / c

ount

s

10 µm0 µm 5 µm

20 µm 25 µm15 µm

Abbildung 7.17: Gemessene und mittels Gauß-Funktionen gefittete Beugungsprofile der {116}-Interferenzen mit zunehmender Messtiefe im Probenmaterial.

Die aus den MAXIM-Aufnahmen am {116}-Reflex gewonnenen Intensitätsverläufe Iy,x(2θ) sind für zunehmende Oberflächenabstände in Abbildung 7.17 als schwarze, vol-le Kreise dargestellt. Die gemessenen Profile lassen sich gut durch Least-Squares-Anpassung von Gauß-Funktionen (volle Linien) approximieren. Im ersten Bild ist das Beugungsprofil an der unmittelbaren Probenoberfläche zu sehen, bei dem die Maximal-intensität knapp unterhalb von 7000 Counts liegt, während im Untergrund 600-800 Counts gemessen wurden. Mit zunehmender Messtiefe (5 µm Schrittweite) ändert sich der Untergrundwert kaum. Anders verhält es sich für die Maximalintensität, welche zunächst leicht über 7000 Counts ansteigt und dann mit jedem Tiefenschritt deutlich abnimmt, sodass bei einer Tiefe von 25 µm nur noch 3000 Counts im Maximum ge-messen wurden. Dies korreliert qualitativ sehr gut mit der sichtbaren Abnahme des In-tensitätssignals aus den VE-Bereichen der MAXIM-Bilder in Abbildung 7.16. Die ge-suchten tiefenabhängigen Messgrößen wurden nun aus den untergrundbereinigten Gauß-Profilen berechnet, welche in Abbildung 7.17 durch gestrichelte Linien darge-stellt sind.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

129

Die integrale Intensität der gefitteten Gauß-Profile ist ein wichtiger Indikator für die generelle Realisierbarkeit des Ortsraumverfahrens zur Eigenspannungsanalyse, weil sie Aufschluss darüber gibt, ob die Werkstoffbereiche ober- und unterhalb der Messvolu-mina ausgeblendet werden können. Wie bereits in Abbildung 7.9 b) gezeigt werden konnte, findet eine Abnahme der Intensität mit zunehmender Messtiefe statt, welche relativ gut mit dem berechneten Verlauf in Abbildung 7.10 b) korreliert. In dieselbe Richtung deuten auch die Ergebnisse der {116}-Ebenen unter Verwendung der Positio-niervorrichtung. In Abbildung 7.18 a) sind die integrale und die maximale Intensität der zuvor beschriebenen Gauß-Profile über der Messtiefe im Probenmaterial aufgetragen. Der Verlauf der maximalen Intensität Iy,x,max(z), dargestellt durch offene, quadratische Symbole, wurde bereits anhand der Diagramme in Abb. 7.17 beschrieben und ist hier lediglich um den für alle Tiefen ähnlich hohen Untergrund reduziert. Die integrale In-tensität Iy,x,2θ(z), also die Fläche unter der jeweiligen Gauß-Kurve, zeigt einen qualitativ ähnlichen Verlauf, jedoch bei deutlich kleineren Absolutwerten und ist im Diagramm durch schwarze, volle Kreise markiert. Diese Ähnlichkeit hängt mit der Integralbreite IB(z) zusammen, die für alle Tiefen z etwa gleich groß ist und definitionsgemäß durch Multiplikation mit Iy,x,max(z) die integrale Intensität Iy,x,2θ(z) ergibt. Die beiden Intensitä-ten sind also über den nahezu konstanten Faktor IB miteinander gekoppelt, wobei Schwankungen von ± 0,02° um den Mittelwert von ca. 0,41° auftreten. Dasselbe gilt für die Halbwertsbreite HB deren Messwerte stets etwa 0,055° über denen der IB liegen, wie in Abbildung 7.18 b) gezeigt wird. Die Streuungen der IB und HB können im Rah-men der Messungenauigkeiten des Verfahrens vernachlässigt werden. Folglich können sowohl aus der Integralbreite als auch aus der Halbwertsbreite keine Änderungen der Versetzungsdichte und den damit verbundenen Mikroeigenspannungen über der Mess-tiefe abgeleitet werden.

a) c)b)

0 5 10 15 20 25

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

Messtiefe z / µm

Inte

nsitä

t / c

ount

s

Iy,x,2θ{116} (z)

Iy,x,max{116} (z)

0 5 10 15 20 2567,7

67,75

67,8

67,85

67,9

67,95

Messtiefe z / µm

2θ-L

inie

nlag

e / °

2θ{116} (z)

0 5 10 15 20 250

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

Messtiefe z / µm

Inte

rfer

enzb

reite

/ °

IB {116} (z)

HB {116} (z)

Abbildung 7.18: Aus MAXIM-Aufnahmen an den {116}-Ebenen berechnete Tiefenver-läufe der Intesitäten (a), Interferenzbreiten (b) und der Linienlage (c).

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 130

Für die Ermittlung von Eigenspannungen bzw. Spannungsgradienten werden zunächst die Linienlagen der gemessenen Interferenzen benötigt. Diese wurden aus den Gauß-Profilen berechnet und zeigen in Abbildung 7.18 c) einen nahezu linearen Anstieg von etwa 67,805° nach 67,838° mit zunehmender Messtiefe. Davon ausgenommen ist der 2θ-Winkel bei z = 20 µm, dessen Wert auf demselben Niveau liegt, wie der an der Pro-benoberfläche. Die Berechnung der Linienlagen erfolgte unter Berücksichtigung des durch Kalibriermessungen ermittelten Kameraoffsets von −20,52°. Die Messwerte wur-den zudem um den gerätespezifischen 2θ-Offset korrigiert welcher durch LaB6-Pulver-diffraktogramme bestimmt wurde. Im Diagramm ist jedoch auch die Skalierung der 2θ-Achse zu beachten, wo der scheinbar steile Anstieg der Linienlage eine Gesamtdif-ferenz von nur 0,033° ausmacht. Da die Justiergenauigkeit für die Linienlagebestim-mung im Allgemeinen bei ± 0,01° in 2θ liegt [z.B. 9] und bei diesem Verfahren noch das geringe Streuvolumen und die Zwischenschritte der Bildverarbeitung als potentielle Fehlerquellen wirken, sollten diese Werte nicht überinterpretiert werden. Dies un-terstreichen auch die Ergebnisse der {300}-Interferenz. Aus Abbildung 7.19 c) wird deutlich, dass die Tendenz der steigenden Linienlage mit zunehmender Messtiefe bei den {116}-Reflexen durch Messungen an den {300}-Ebenen nicht bestätigt wird. Vielmehr streuen die Ergebnisse mit ± 0,01° um einen 2θ-Wert von 81,132°.

a) c)b)

−5 0 5 10 15 20 25 300

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

Messtiefe z / µm

Inte

rfer

enzb

reite

/ °

IB {300} (z)

HB {300} (z)

−5 0 5 10 15 20 25 30

1000

2000

3000

4000

5000

6000

7000

8000

9000

Messtiefe z / µm

Inte

nsitä

t / c

ount

s

Iy,x,2θ{300} (z)

Iy,x,max{300} (z)

−5 0 5 10 15 20 25 30

81,08

81,1

81,12

81,14

81,16

81,18

81,2

Messtiefe z / µm

2θ−

Lini

enla

ge /

°

2θ{300} (z)

Abbildung 7.19: Aus MAXIM-Aufnahmen an den {300}-Ebenen berechnete Tiefenver-läufe der Intesitäten (a), Interferenzbreiten (b) und der Linienlage (c).

Die Intensitätsprofile Iy,x,max und Iy,x,2θ der {300}-Ebenen, welche in Abbildung 7.19 a) über der Messtiefe aufgetragen sind, zeigen einen qualitativ ähnlichen Verlauf. Dies ist, wie schon bei den zuvor beschriebenen Ergebnissen der {116}-Interferenz, auf die rela-tiv konstante Integralbreite zurückzuführen. Abbildung 7.19 b) zeigt, dass ihr Verlauf in einem Bereich von ± 0,015° um den Wert 0,42° schwankt und dabei in jedem Mess-punkt etwa 0,055° unter dem Wert der Halbwertsbreite liegt. Die Intensitätsfunktionen

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

131

Iy,x,max(z) und Iy,x,2θ(z) besitzen bei 30 µm Abstand zur Oberfläche ihre jeweiligen mini-malen Intensitäten. Werden die Messvolumina näher zur Probenoberfläche bewegt, ist eine progressive Intensitätszunahme bis zu einer Tiefe von 10 µm für beide Kurven zu beobachten. Anschließend knicken die Verläufe ab. Die Maximalwerte sind in einem Randschichtabstand von 5 µm zu finden, liegen aber nur geringfügig höher als bei 10 µm. Bei einer Messtiefe von 0 µm sinken Iy,x,max und Iy,x,2θ bereits ab, wobei sich der Trend bis −5 µm erwartungsgemäß fortsetzt. Hierzu ist anzumerken, dass die exakte, experimentelle Messtiefe nicht bekannt war, welche sich analog zur berechneten Tiefe auf die Oberkanten der VE bezieht. Sie wurde während der Messungen anhand der Schwärzung in den Messvolumina auf den MAXIM-Aufnahmen abgeschätzt und kann sich daher um wenige Mikrometer von der realen Tiefenposition unterscheiden. Dieser Punkt wird bei der Gegenüberstellung der berechneten und gemessenen Intensitäten in Kapitel 7.4.3 nochmals aufgegriffen.

20

21

22

23

24

25

0 5 10 15 20 25Messtiefe / µm

VE

-Abs

tand

dm /

Pix

el

420

440

460

480

500

520

VE

-Abs

tand

dex

p, d r

ef /

µm

dm{116}

dexp{116}

dref Maske 20

29

30

31

32

33

34

-5 0 5 10 15 20 25 30Messtiefe / µm

VE

-Abs

tand

dm /

Pix

el

420

440

460

480

500

520

VE

-Abs

tand

dex

p, d r

ef /

µm

dm{300}

dexp{300}

dref Maske 20

Abbildung 7.20: Aus experimentellen Bilddaten der {116}- und {300}-Ebenen berech-nete Abstände zwischen zwei benachbarten Messvolumina in Vergleich zum Referenz-wert, vorgegeben durch die Schlitzgeometrie der Maske Nr. 20.

Neben den Messgrößen aus den Interferenzprofilen wurden analog zu den Auswertun-gen in Abschnitt 7.3.1 die mittleren Abstände der Messvolumina zueinander bestimmt. Hierzu wurden zunächst die 25 Einzelaufnahmen je Messtiefe und Ebene zu einem Bild gemittelt und dann über die y-Pixelachse integriert. Aus den Intensitätsverteilungen I2θ,y(x) lassen sich nun die mittleren Abstände dm und mittels Gleichung 7.1 die experi-mentellen Abstände dexp der Messvolumina berechnen. Die für dm ermittelten Verläufe, welche erwartungsgemäß konstante Werte aufweisen, da für die unterschiedlichen Tie-fen kein Maskenwechsel vorgenommen wurde, sind in den Diagrammen in Abbildung 7.20 auftragen. Unter Berücksichtigung der Kamerastellung bezüglich der Maskenober-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 132

fläche erfolgte die Berechnung des Projektionswinkels γ für die Messungen an den {116}- und {300}-Ebenen. Mit γ{116} = 56,01° und γ{300} = 38,76° liegen die mittels Bildanalyse berechneten Werte dexp

{116} = 502 ± 5 µm und dexp{300} = 504 ± 3 µm sehr

nahe an dem durch das Layout der Maske Nr. 20 vorgegebenen Abstand dref = 500 µm. Die Abweichung beträgt in beiden Fällen weniger als 1 % vom Sollwert.

Auf Grundlage der Ergebnisse beider Ebenen kann festgehalten werden, dass keine ein-deutig messbaren Linienlageverschiebungen innerhalb der untersuchten Tiefen durch das hier angewandte Ortsraumverfahren ermittelt werden konnten. Messungen bei un-terschiedlichen Probenkippungen ψ bis ≈ 45° und die Anwendung des sin2ψ-Verfahrens sind daher angestrebt, jedoch ist es mit dem verwendeten Setup bisher nicht möglich diese vorzunehmen. Diesbezügliche Versuche haben gezeigt, dass die resultierenden Aufnahmen durch die hohen Projektionswinkel quer zur Beugungsrichtung stark ver-zerrt werden, was eine Identifikation der Schlitzbereiche unmöglich macht. Probenkip-pungen längs der Beugungsrichtung (ω-Modus) sind mit den Masken nur bis 2θ-Winkel von ca. 90° sinnvoll, da das bestrahlte Werkstoffvolumen bei steigenden Beugungswin-keln und konstant gehaltener Tiefenauflösung stark abnimmt. Aus diesem Grund lassen sich im ω-Modus maximale ψ–Winkel von unter 20° (sin2ψ = 0,12) realisieren, was bei einer Regressionsanalyse im sin2ψ-Plot zu großen Fehlern und somit zu wenig belastba-ren Ergebnissen führt. Die Experimente am {300}-Peak erfolgten bei einem Kippwin-kel von ψ = 10,6°, während die {116}-Ebenen in symmetrischer Beugungsgeometrie gemessen wurden.

0 5 10 15 20 25 30-6000

-5000

-4000

-3000

-2000

-1000

0

1000

2000

3000

4000

Nor

mal

span

nung

σ22

(z) /

MP

a

σ

σ

σ

σ

abgeschäzter Fehlerder Tiefenzustellung

Abbildung 7.21: Eigenspannungsgradienten berechnet durch inverse LAPLACE-Trans-formation aus Universalplotprofilen der {116}-Interferenz im Vergleich zu Ortsraum-einegenspannungen aus MAXIM-Messungen an den {116}- und {300}-Ebenen.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

133

Um dennoch eine Idee vom scheinbar konstanten Eigenspannungsverlauf der Al2O3-Biegeprobe zu erhalten wird zumindest ein zweiter Dehnungswert bei einem anderen ψ-Winkel benötigt. Hierfür wurde die dehnungsfreie Richtung herangezogen, welche sich aus den Universalplotmessungen in Kapitel 5.2 ermitteln lässt. Die UVP Versuche liefern einen nahezu rotationssymmetrischen Spannungszustand, sodass mit Hilfe von Gleichung 2.22 und unter Verwendung der ebenenspezifischen DEK der sin2ψ*-Wert der dehnungsfreien Richtung (ε* = 0) berechnet werden kann. Da die Messungen an der {113}-Interferenz vorgenommen wurden, ist der dehnungsfreie Beugungswinkel 2θ* für die {116}- bzw. die {300}-Ebenen über die Gitterparameter des hexagonal indizierten Kristallgitters umzurechnen. Unter der Voraussetzung, dass das Verhältnis der Gitterpa-rameter 73,2=ac konstant bleibt fand die folgende Gleichung Anwendung:

( )2

12

22

73,234

⎟⎟⎠

⎞⎜⎜⎝

⎛⎟⎠

⎞⎜⎝

⎛+++=

lkhkhda hkl (7.4)

Die mittels sin2ψ-Methode errechneten Eigenspannungsverläufe im Ortsraum der Ebe-nen {116} und {300} sind in Abbildung 7.21 als schwarze volle Kreise und offene Dreiecke über der Messtiefe z aufgetragen. Im hier gezeigten Diagramm wird der Schwerpunkt des VE als Tiefenposition verwendet, wobei der Fehlerbalken auf einem Schätzwert basiert, da die exakte Position durch die Verwendung der manuellen Mik-rometerschraube der Z-Achse und der Unkenntnis des tatsächlichen Abstands zwi-schen Probe und Maske nicht bestimmt werden konnte. Den Ortsraumergebnissen mit Masken stehen die aus dem LAPLACE-Raum zurücktransformierten Spannungsgradien-ten gegenüber, die eine deutlich abweichende Charakteristik besitzen. Die Einflussgrö-ßen und Gründe für die ihrerseits sehr verschiedenen Profile aus den diversen Ansatz-funktionen wurden in Kapitel 5.2 im Detail diskutiert. Es wurde dabei deutlich, dass sich mittlere Polynomgrade meist am besten eignen, um den realen Eigenspannungsver-lauf abzubilden. Im Diagramm sind das die exponentiell gedämpften Polynome 2. und 3. Grades, welche hier beinahe übereinander liegen und durch die dicken schwarzen Linien markiert werden. Die als weniger realistisch eingestuften Verläufe der anderen Polynomgrade sind durch dünne graue Linien wiedergegeben. Ab einer Messtiefe von etwa 10 µm stimmen die Ergebnisse der Experimente mit MAXIM und die aus der ILT relativ gut überein. Im randnahen Bereich bis 10 µm verhalten sich die ermittelten Ei-genspannungsverläufe jedoch gänzlich verschieden, da sich weder die hohen Druckei-genspannungen innerhalb der ersten 2 µm noch die Zugspannungen zwischen etwa 2 und 8 µm durch das Ortsraumverfahren ermitteln ließen. Dies kann verschiedene Grün-de haben:

(i) Die sin2ψ-Berechnungen sind falsch oder zumindest fehlerbehaftet, da lediglich ein direkter Messwert und ein indirekt aus verwandten Experimenten abgeleiteter Wert für

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 134

die lineare Regression verwendet wurden. In der deutschen Norm für zerstörungsfreie Prüfung DIN EN 15305 [108] werden dagegen vier bis fünf Messungen in unterschied-liche ψ-Richtungen bis mindestens 45° oder höher empfohlen, um den Einfluss streuen-der Messdaten zu minimieren. Liegen zudem Scheerspannungen vor, ist die Anzahl der Messungen zu erhöhen und es sind positive und negative ψ-Kippungen vorzunehmen.

(ii) Die mittels inverser LAPLACE-Transformation berechneten Eigenspannungsgradien-ten werden sowohl in den druck- als auch in den zugspannungsbehafteten Regionen überschätzt. Für deutlich geringere Eigenspannungsbeträge spricht, dass hohe Zugspan-nungen Risse auslösen oder das Risswachstum fördern können, was insbesondere bei spröden Keramiken zum Versagen des Werkstoffs in diesen Bereichen führen müsste. In der vorliegenden Arbeit konnten keine Anzeichen für oberflächennahe Risse mit Hil-fe der eingesetzten Untersuchungsmethoden (z.B. REM) gefunden werden. Allerdings zeigen die Autoren in [109] anhand von TEM-Aufnahmen, dass Mikrorisse und Verset-zungslinien in der unmittelbaren Randschicht bis 200 nm einer geschliffenen Si3N4-Keramik auftreten, woraus sie auf das Vorliegen großer plastischer Deformationen schließen. Für einphasige feinkörnige α-Al2O3-Keramiken wird in [110] zudem eine lokal erhöhte Versetzungsdichte innerhalb der ersten 20 µm von der Probenoberfläche mittels TEM-Untersuchungen nachgewiesen, wohingegen Werkstoffbereiche größerer Tiefen keine Anzeichen plastischer Deformation zeigen. Das Auftreten von Mikrorissen wird hier nicht beschrieben und diskutiert.

(iii) Die Abmessungen der Messvolumina sind zu groß, um den steilen Spannungsgra-dienten in der Randschicht auflösen zu können. Im vorliegenden Fall wurde Maske Nr. 20 eingesetzt, die bei den eingestellten Beugungswinkeln zur Erfassung der {116}- und {300}-Interferenzen VE-Höhen von 7,4 bzw. 8,7 µm definiert. Es könnte daher mög-lich sein, dass sich die Zug- und Druckspannungsbereiche gegenseitig kompensieren, wenn sie, je nach Lage in z, durch die Messvolumina gleichermaßen überdecken wer-den. Um dies zu verdeutlichen sind in Abbildung 7.22 a) für beide Ebenen die äußeren Abmessungen ihrer Volumenelemente maßstabsgerecht eingezeichnet.

(iv) Das Auftreten von Kippwinkelfehlern α und β zwischen Masken- und Probenober-fläche führt zur Erfassung und Vermischung von Dehnungsinformationen aus unter-schiedlichen Messtiefen. Dies ist schematisch in Abbildung 7.22 b) skizziert. Die Win-kelfehler können durch das Prinzip der Positioniervorrichtung sowohl quer (α) als auch längs (β) zur Schlitzstruktur auftreten, wodurch die Ausrichtung der Masken deutlich erschwert wird. Beispielsweise führt eine Dejustage von 0,1° bei einer Schlitzlänge von 5 mm zu einem Messtiefefehler von etwa ± 4,5 µm um den eingestellten Wert. Da die aufgenommen Messwerte somit aus unterschiedlichen Tiefen stammen, liefert die Bild-analyse nur Mittelwerte der Messgrößen, was in Hinblick auf die Linienlage denselben Effekt hat, wie VE mit deutlich größeren Abmessungen.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

135

(v) Das Absorptionsvermögen der Goldschicht ist nicht ausreichend hoch, um wirklich alle Informationen von außerhalb der Messvolumina zu unterdrücken. Hierdurch gelan-gen reflektierte Photonen aus ungenügend abgeschatteten Bereichen der Randschicht in den Detektor und überlagern die Messsignale aus den VE. Da die gesamte bestrahlte Oberfläche wesentlich größer ist als die Schlitzbereiche, können selbst schwache Beu-gungssignale aus den Bereichen unter der Goldschicht – durch ihre volumenbezogene Dominanz gegenüber den VE – zu einer Verfälschung der Messergebnisse führen. In-folgedessen werden ähnliche Linienlageverschiebungen gemessen wie bei Versuchen ohne Masken.

0 5 10 15 20 25 30-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

Nor

mal

span

nung

σ22

(z) /

GP

a

Messtiefe z / µm

σ

σ

σ

VE {116}

VE {300}

5 10 15 20 25 30-6

-5

-4

-3

-2

-1

0

1

2

3

4

Nor

mal

span

nung

σ22

(z) /

GP

a

Messtiefe z / µm

σ

σ

σ

α

a) b)

Abbildung 7.22: Potenzielle Fehlereinflüsse der Messvolumenelementhöhen (a) und der Maskenausrichtung bezüglich der Probenoberfläche (b) auf die ermittelten Eigen-spannungswerte.

Es kann angenommen werden, dass sich nicht nur einer der zuvor beschriebenen Effek-te auf die detektierten Messsignale auswirkt, sondern eine Kopplung mehrerer Fehler-einflüsse vorliegt. Die Liste kann möglicherweise um weitere Einflussgrößen ergänzt werden, jedoch sollte es sich bei den genannten fünf um die wesentlichen Punkte han-deln. Um die Fehlerquellen separat untersuchen zu können ist eine theoretische Be-trachtung der Diffraktionsverhältnisse mittels Simulationsrechnungen notwendig.

7.4.3 Simulation der Experimente mit Positioniervorrichtung

Für die Simulation der Messungen mit Positioniertisch wurde das bereits in Abschnitt 7.3.2 verwendete Matlab-Programm umgeschrieben und erweitert. Es ist nun möglich, kontinuierliche Tiefenverläufe zu simulieren und dabei auch die Intensitätsverteilung beim Eintauchvorgang der VE in die Probe zu berechnen. Hierfür werden die Mas-kenparameter direkt eingelesen, sodass der Einfluss unterschiedlicher VE-Höhen auf

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 136

die Beugungsintensität als Funktion der Messtiefe berechnet werden kann. Wie schon bei den Simulationsrechnungen in Kapitel 7.3.2 gilt als Randbedingung, dass die re-flektierte Intensität zu 100 % aus den Bereichen der Messvolumina stammt. In Ab-hängigkeit der Beugungswinkel werden dann die Abmessungen der VE berechnet und die Intensität I(z) mit dem Flächenzuwachs A'(z) in der jeweiligen Tiefe z gewichtet (siehe Gleichung 7.2). In Abbildung 7.23 sind die Ergebnisse der Berechnungen den skalierten experimentellen Intensitätswerten gegenübergestellt. Die berechneten Ver-läufe Isimu(z) für verschiedene VE-Höhen unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Höhe der Maximalintensität und die Steilheit des Gradienten beim Eintauchen der VE in die Oberfläche. Erwartungsgemäß nähern sich die simulierten Funktionen mit Reduzierung der VE-Höhe immer mehr dem natürlichen Absorptionsverlauf I(z) der Röntgenstrahlung im Material an. Mit unendlich kleinen Volumenelementen würde demnach exakt die Intensität in einer definierten Tiefe z gemessen, wie sie nach dem LAMBERT-BEER’schen Gesetz berechnet werden kann. Um den Zusammenhang zwi-schen den experimentellen und theoretischen Verläufen gleicher VE-Höhen herauszu-stellen, sind die entsprechenden simulierten Kurven in den Diagrammen durch konti-nuierliche schwarze Linien markiert.

−10 0 10 20 30 400

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Messtiefe z / µm

Iy,x,Gauß , hVE: 8,7µm

Iy,x,2θ , hVE: 8,7µm

Isimu , hVE: 0,8µm

Isimu , hVE: 8,7µm

Isimu , hVE: 15,8µm

Isimu , hVE: 23,7µm

−10 0 10 20 30 400

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Messtiefe z / µm

skal

iert

e In

tens

ität

I{116

}M

AXI

M v

s. I

{116

}si

mu

/ −

Iy,x,Gauß , hVE: 7,4µm

Iy,x,2θ , hVE: 7,4µm

Isimu , hVE: 0,7µm

Isimu , hVE: 7,4µm

Isimu , hVE: 13,5µm

Isimu , hVE: 20,2µm

skal

iert

e In

tens

ität

I{300

}M

AXI

M v

s. I

{300

}si

mu

/ −

abgeschätzer Fehlerin Tiefenrichtung

abgeschätzer Fehlerin Tiefenrichtung

{116} {300}

Abbildung 7.23: Gemessene und simulierte Intensitätsverläufe der {116}- und {300}-Ebenen. Die Simulation erfolgte für verschiedene VE-Höhen.

In den Diagrammen sind links die Verläufe der {116}- und rechts die der {300}-Interferenz zu sehen, wobei jeweils die geometrischen Schwerpunkte der VE als Tie-fenposition gelten. Die Fehlerbalken der Messtiefe basieren auf einem Schätzwert, da die exakte Tiefe aufgrund des nur näherungsweise bekannten Abstands zwischen Pro-be und Maske nicht bestimmt werden konnte. Zunächst sollen nur die Messwerte, die

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

137

durch offene Dreiecke markiert sind, betrachtet werden, da diese mit Hilfe des Bild-verarbeitungsverfahrens gemäß Kapitel 7.2.3 ermittelt wurden. Im Rahmen der Fehler bei der Einstellung der Messtiefe stimmen die aufgenommenen Messwerte für {116} relativ gut mit den Berechnungen überein. Jedoch liegt der gemessene Verlauf ab ei-ner Tiefe von 15 µm etwa 5-10 Skalenteile über den Simulationswerten. Deutlich grö-ßere Unterschiede sind bei den Messungen am {300}-Reflex auszumachen. Hier sind allerdings sämtliche Tiefenbereiche betroffen: Außerhalb der Probe, bei einer Mess-tiefe von −5 µm, ist die detektierte Intensität mit 35 Skalenteilen 3-4 Mal höher als das Mittel der Simulationswerte. Das Maximum von ca. 50 Skalenteilen fällt dagegen wesentlich kleiner aus als berechnet. Im weiteren Verlauf sinkt die gemessene Intensi-tät wieder ab, wobei sie die simulierten Verläufe bei 15 µm schneidet und dann bis zu einer Tiefe von 30 µm oberhalb dieser Kurven liegt. Die Differenzwerte nehmen mit der Messtiefe zu und betragen bei 30 µm bereits 15 Skalenteile. Qualitativ ist jedoch eine ähnliche Tendenz zu erkennen wie bei den {116}-Ebenen, wenn auch bei leicht größeren Differenzwerten.

20 40 60 80 100 120 140 160

0

20

40

60

80

100

x-Pixelachse / -

Inte

nsitä

t Iy,

2θ(x

) / c

ount

s

20 40 60 80 100 120 140 160

0

20

40

60

80

100

x-Pixelachse / -

Inte

nsitä

t Iy,

2θ(x

) / c

ount

s

Iy,2θ(x)IGauß

Iy,2θ(x)IGauß

Iy,2θ(x), VE-Paar

{116} {300} Abb.7.25

Abbildung 7.24: Integrale Intensität Iy,2θ gemessen an den {116}- und {300}-Ebenen. Die Anpassung von Gauß-Funktionen an die Messdaten dient zur Separierung von Intensitätssignalen aus den VE und unerwünschten Nebenmaxima.

Worauf diese Unterschiede basieren konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, jedoch geben die über die y-Pixelachse und über alle 2θ-Winkel integrierten Verläufe Iy,2θ(x) hinweise auf mögliche Ursachen. In Abbildung 7.24 sind die besagten Funkti-onen für die {116}- und {300}-Ebenen beispielhaft für eine Messtiefe dargestellt. Im Diagramm für den {116}-Reflex können Nebenmaxima auf den jeweils rechten Seiten der Hauptintensität identifiziert werden, die bei weiterer Integration über die x-Achse einen deutlichen Einfluss auf die integrale Intensität Iy,x,2θ(z) einer Messtiefe haben. Die Nebenmaxima stammen vermutlich aus den nächst tieferliegenden sekundären

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 138

Volumenelementen, da ihre Abstände zu den Hauptmaxima relativ genau den vorge-gebenen Abständen durch das Maskenlayout entsprechen. Um dies zu verdeutlichen wurde der {116}-Messung in den primären VE (schwarze Linie) der Verlauf aus der sekundären VE (graue Linie) überlagert; vergleiche hierzu Tiefe “–47 µm” in Abbil-dung 7.16. Zur Vermeidung von Intensitätsbeiträgen aus den sekundären Messvolu-mina wurde nun der Ansatz verfolgt, Gauß-Funktionen an die Verläufe Iy,2θ(x) anzu-passen. Auf diese Weise werden nur die Flächen unter den einzelnen Gauß-Profilen (gestrichelte rote Linien) für die Berechnung der integralen Intensität verwendet.

Für die Untersuchungen an der {300}-Interferenz kam dasselbe Verfahren zum Ein-satz, jedoch treten hier auch auf der linken Seite Nebenmaxima auf, die nicht durch sekundäre VE erklärt werden können. Möglicherweise sind diese Intensitätsbeiträge ein Indiz für eine ungenügende Absorption der Goldschicht. Zur Überprüfung dieser Annahme sind die vorliegenden Beugungsbedingungen in Abbildung 7.25 skizziert. Der mittels Strich-Punkt-Linie hervorgehobene Bereich in 7.24 wird für die folgende Grafik herangezogen, um die einzelnen Intensitätsbeiträge zum Gesamtsignal zu dis-kutieren. Dabei ist das hier verwendete Beugungsmuster charakteristisch für den In-tensitätsverlauf eines beliebigen VE-Paares dieser Messung.

primäre VE

sekundäre VE

tertiäre VE

Inten

sität

I y,2θ

2-fache Absorption

keine Absorption

1-fache Absorption

x-Pixel

Absorption durch Goldschicht:

Abbildung 7.25: Absorptionsverhältnisse im Werkstoffvolumen und deren Einfluss auf das messbare Beugungssignal im Betrachtungsbereich eines Schlitzpaares.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

139

Tritt Röntgenstrahlung durch die Schlitze in den Werkstoff ein, wird sie auf dem kom-pletten Strahlweg gebeugt. Im Gegensatz zu den Bereichen, in denen die Goldschicht zweimal passiert werden muss (hellgraue Flächen), ist die Restintensität bei einmali-ger Durchdringung (graue Flächen) höher und liefert, wenn sie an randnahen Kristalli-ten gebeugt wird, einen registrierbaren Beitrag zum Intensitätssignal. Die gemessene Intensität als Funktion der x-Pixelachse ist für ein VE-Paar in Grafik 7.25 durch die rote Linie beschrieben und zeigt links der Hauptintensität ein definiertes Nebenmaxi-mum. Dieser systematische Fehler kann mit einem zu geringen Absorptionsvermögen der Goldschicht assoziiert werden, da er in erster Linie bei den {300}-Ebenen auftritt und nur minimal beim {116}-Reflex. Obwohl zwischen beiden Interferenzen lediglich eine Beugungswinkeldifferenz von 13,34° liegt, sollten bei Verwendung einer 3 µm dicken Absorberschicht die {116}-Ebenen für die Ortsraumexperimente vorgezogen werden.

Durch die Anpassung einzelner Gaußfunktionen ist es nun möglich, die Störgrößen rechts und links des Hauptmaximums zu eliminieren. Die so berechneten Intensitäts-profile Iy,x,Gauß(z) sind in Abbildung 7.23 durch schwarze Kreissymbole gegeben und den herkömmlichen Verläufen (offene Dreiecke) gegenübergestellt. Während bei den {300}-Messungen große Unterschiede zwischen beiden Funktionen zu sehen sind und das modifizierte Auswerteverfahren näher an den simulierten Verläufen Isimu(z) liegt, sind für die {116}-Ebenen kaum Änderungen bzw. Verbesserung zu erzielen. Die höchsten Abweichungen treten noch immer für größere Messtiefen ab etwa 15 µm auf, was zu der Vermutung führt, dass weitere noch ungeklärte Effekte eine Rolle spielen müssen. Dasselbe gilt für die Messungen an der {300}-Interferenz. Es ist je-doch wahrscheinlich, dass auch diese Differenzen zwischen Simulation und Messung im Wesentlichen auf eine zu geringe Goldschichtdicke zurückzuführen sind.

Zusammenfassend gilt, dass der Intensitätsverlauf eines jeden Schlitzpaares in drei Bereiche unterteilt werden kann: (i) Die Höhe des Intensitätsmaximums wird maßgeb-lich durch das Beugungssignal aus dem gewünschten VE bestimmt. (ii) Aufgrund von Beugungssignalen aus den sekundären VE tritt rechts des Hauptprofils ein Nebenma-ximum auf, dessen Gesamtintensität nur ein Bruchteil der Hauptintensität beträgt. (iii) Beide Intensitätssignale werden überlagert von Beugungsinformationen aus oberflä-chenahen Werkstoffbereichen bei denen lediglich eine 1-fache Absorption der einfal-lenden Strahlung stattfindet. Neben der Erhöhung der Haupt- und Nebenmaxima in (i) und (ii) tritt – speziell bei höheren Beugungswinkeln ({300}-Reflex) – ein weiteres Nebenmaximum links der Hauptintensität auf. Inwieweit die Restintensitäten aus den 2-fach absorbierten Werkstoffbereichen zum Gesamtsignal beitragen kann anhand der experimentellen Verläufe nicht ermittelt werden.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 140

Die beschriebenen Ergebnisse zeigen, dass eine Erweiterung der Simulationsrechnun-gen unbedingt erforderlich ist. Hauptaugenmerk ist dabei auf die Einbeziehung des gesamten Werkstoffvolumens zu legen, das zum jeweiligen Interferenzprofil beiträgt. Materialbereiche in denen eine einfache und doppelte Absorption stattfindet sind mit ihren Volumenanteilen ebenso zu berücksichtigen wie die primären, sekundären, usw. Messvolumina, sodass eine komplette theoretische Beschreibung der messbaren Inten-sitätsprofile möglich ist. Des Weiteren scheint ein registrierbarer Kippwinkelfehler zwischen Masken- und Probenoberfläche vorgelegen zu haben, aufgrund dessen für die {300}-Interferenz kein steiler Abfall der Intensität beim Austritt der VE aus dem Pro-benmaterial gemessen wurde. Dies deckt sich mit den MAXIM-Aufnahmen in Abbil-dung 7.15, bei denen sich in einer Messtiefe von 0 µm die Hälfte der Messvolumina im Werkstoff befindet, während die andere Hälfte schon über der Oberfläche positioniert ist. Aus diesem Grund ist der Intensitätsgradient wesentlich flacher, als wenn die Maske ideal zur Probenoberfläche ausgerichtet wäre. Wie schon für den Eigenspannungsgra-dienten in Abbildung 7.22 diskutiert, haben Kippwinkelfehler einen ähnlichen Effekt auf die Messwerte wie sehr große Volumenelemente. Grund hierfür ist, dass über einen weiten Tiefenbereich gemittelt wird. Daher sollte in der erweiterten Simulation auch eine Schiefstellung der Masken- zur Probenoberfläche berücksichtigt werden können.

7.4.4 Experimentelle Untersuchung des Multilagenschichtsystems

Neben den massiven Al2O3-Proben wurde ein Multilagenschichtsystem (MLSS) unter-sucht, dessen Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden. Schichtaufbau und Eigen-spannungszustand in den Al2O3-Lagen wurden bereits in Kapitel 3.3 bzw. 5.3 erläutert. Die Anwendung des Ortsraumverfahrens erfolgte an der G3 Beamline am {116}-Reflex der Al2O3-Subschichten, wobei dieselben Messparameter verwendet wurden, wie bei den Untersuchungen der Massivproben in Abschnitt 7.4.2. Um eine möglichst große Intensität auf den MAXIM-Bildern zu erhalten und zur Minimierung von Einflüssen tiefer im Material angeordneter VE, wurden die paarweise auftretenden, sekundären Volumenelemente (vgl. Abbildung 7.14) für die Messung in unterschiedlichen Tiefen verwendet. Die für die Experimente am MLSS eingesetzte Absorptionsmaske Nr. 20 wurde mit Hilfe der Positioniervorrichtung parallel zur Probenoberfläche ausgerichtet. Zur Vermeidung von Kippwinkelfehlern α und β kam ein digitales Mikroskop zum Ein-satz, das senkrecht zur Masken- und Probenoberfläche angeordnet war. Inhomogene Abstände zwischen Probe und Maske konnten somit über die Tiefenschärfe identifiziert und korrigiert werden. Angewendet wurde dieses Verfahren an vier Ecken von Probe und Maske, sodass maximal Fehler im Rahmen der Tiefenschärfe auftreten können, welche sich auf etwa 2-3 µm beziffern lassen. Bei einer Schlitzlänge von 5 mm resul-tiert daraus ein Winkel von 0,03°, was eine deutliche Verbesserung gegenüber den bis-herigen Ausrichteverfahren darstellt.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

141

Trotz der Fortschritte bei der Ausrichtung zeigen die MAXIM-Aufnahmen in Abbil-dung 7.26 ein inhomogenes Eintauchen der Messvolumina in die Probenoberfläche, was die Schwierigkeiten einer exakten Justage erneut unterstreicht. Neben dem Restfehler, der bei der Einrichtung mittels Tiefenschärfe auftritt, können zusätzliche Kippwinkel-fehler damit zusammenhängen, dass die Ausrichtung des Probe-Maske-Systems waage-recht unter ω = 0° auf dem Goniometer vorgenommen wurde, während bei den an-schließenden Beugungsuntersuchungen eine ω-Vorkippung von 33,95° vorlag. Mögli-cherweise findet infolgedessen eine leichte Verwindung der Maskenhalterung aufgrund ihres Eigengewichtes statt. Auch temperaturbedingtes Kriechen der glasfaserverstärkten Kunststoffhalterung kann bei einer Versuchsdauer von zehn Tagen nicht ausgeschlos-sen werden. Kontrollmessungen am Ende der Versuchsreihe in waagerechter Position deuten ebenfalls in diese Richtung, da der untere linke Messpunkt (UL) einen um 6 µm geringeren Abstand zur Probenoberfläche aufweist, als die obere rechte Seite (OR). Die Messpositionen sind in Abbildung 7.26 schematisch dargestellt. Zu Beginn der Ver-suchsreihe wurde hingegen keine Differenz zwischen den vier Ecken der Maske festge-stellt. Da die im Zeitverlauf früheste Aufnahme (Messtiefe 3 µm) ca. 5 Tage nach der Ausrichtung aufgenommen wurde, können die genannten Fehlereinflüsse die inhomo-gene Ausleuchtung der Schlitzbereiche erklären. Für die zeitlich letzte Bildreihe in ei-ner Messtiefe von 1 µm scheinen die Kippwinkelfehler nochmals größer zu werden.

Messtiefe 6 µm

50 100 150 200x-Pixelachse / -

Messtiefe 3 µm

50 100 150 200x-Pixelachse / -

Messtiefe 9 µm

50 100 150 200

2000

2100

2200

2300

2400

2500

2600

2700

2800

x-Pixelachse / -x-Pixelachse / -

y-P

ixel

achs

e / -

Messtiefe 1 µm

50 100 150 200

100

200

300

400

500

600UL

OR

Abbildung 7.26: MAXIM-Aufnahmen am {116}-Reflex der Al2O3-Phase eines Multila-genschichtsystems mit zunehmendem Oberflächenabstand.

Darüber hinaus verdeutlichen die MAXIM-Aufnahmen die absorptionsbedingte Ab-nahme der Beugungssignale mit steigender Messtiefe. Die Anwendung der Bildverar-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 142

beitungsschritte aus Abschnitt 7.2.3 und die mathematische Trennung von Haupt- und Nebenmaxima (Kapitel 7.4.3) ergibt die Beugungsprofile Iy,x(2θ) für jede Tiefe z. Durch die Anpassungen von Gauß-Funktionen an die Messdaten lassen sich nun die gesuchten Profilparameter wie Linienlagen, Intensitäten oder Integralbreiten bestimmen. Für aus-gewählte Messtiefen sind die Ergebnisse in Abbildung 7.27 aufgetragen. Die angegebe-ne Tiefe bezieht sich jeweils auf den geometrischen Mittelpunkt eines Volumenele-ments, welches wiederum eine Höhe von 7,4 µm besitzt. Bei einer Messtiefe von −3 µm befinden sich die VE somit nur ca. 0,7 µm im Material, was sich in der gemes-senen Intensität widerspiegelt. Die maximale Intensität wurde bei einer Tiefe von etwa 3 µm ermittelt, bei der sich nahezu das gesamte bestrahlte Volumen in der unmittelba-ren Randschicht befindet. Die weitere Erhöhung der Messtiefe hat die Abnahme der messbaren Intensitäten zur Folge.

Inte

nsitä

t / c

ount

s PeakPos = 68,111°IB = 0,410°HB = 0,463°Imax = 2187

PeakPos = 68,097°IB = 0,380°HB = 0,429°Imax = 3753

PeakPos = 68,063°IB = 0,380°HB = 0,428°Imax = 6872

PeakPos = 68,055IB = 0,410°HB = 0,462°Imax = 16357

PeakPos = 68,059°IB = 0,456°HB = 0,514°Imax = 10811

67,4 67,8 68,2 68,60

4000

8000

12000

16000

20000

2θ / °

Inte

nsitä

t / c

ount

s PeakPos = 68,064°IB = 0,388°HB = 0,438°Imax = 10347

0

4000

8000

12000

16000

20000

67,4 67,8 68,2 68,62θ / °

67,4 67,8 68,2 68,62θ / °

18 µm9 µm6 µm

3 µm1 µm-3 µm

Abbildung 7.27: An die Intensitätsprofile Iy,x(2θ) gefittete Gauß-Funktionen für stei-gende Messtiefen im Multilagenschichtsystem.

Die Auftragung der beiden tiefenabhängigen Messgrößen Intensität und Linienlage ist in Abbildung 7.28 dargestellt. Das Diagramm a) zeigt die Verläufe der gemessenen in-tegralen Intensität Iy,x,Gauß(z) des MLSS im Vergleich mit berechneten Werten Isimu(z) für eine Al2O3-Massivprobe. Die Messwerte wurden auf die berechnete Intensität an der Probenoberfläche skaliert, da hier die Unterschiede zwischen Schichtsystem und Mas-sivprobe am geringsten ausfallen sollten. Die dargestellten Abweichungen bis zum In-tensitätsmaximum lassen sich auf die leichten Kippwinkelfehler beim Eintauchen der VE in die Probe zurückführen, was zu einer Reduzierung des Intensitätsgradienten führt. Aufgrund des Schichtaufbaus und den damit verbundenen Absorptionseigen-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

143

schaften sind für zunehmende Messtiefen große Differenzen zu erwarten. Wie im Dia-gramm a) zu sehen ist, sinken die gemessenen Intensitäten nach Erreichen der Maxi-malintensität wesentlich stärker ab, als die berechneten der Massivprobe. Dies ist einer-seits durch die Gesamtdicke der Al2O3-Schichten von ca. 15 µm begründet, da hier kei-ne tieferliegenden Werkstoffbereiche zum Beugungssignal beitragen können, wie es bei massiven Al2O3-Proben der Fall ist. Der andere Grund sind die Zwischenschichten aus TiCN, das mit 0,1032 µm-1 einen mehr als fünf Mal höheren linearen Absorptionskoef-fizienten besitzt als Al2O3 und daher – obwohl nur 0,7 µm dick − die Röntgenstrahlung viel stärker absorbiert. Für eine genaue Berechnung des Intensitätsverlaufs in Mehr-schichtsystemen muss also die Absorption und Dicke der einzelnen Schichten berück-sichtigt werden [42]. Eine diesbezügliche Verfeinerung der Simulationsrechnungen wurde in der vorliegenden Arbeit nicht durchgeführt.

−5 0 5 10 150

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Messtiefe z / µm

skal

iert

e In

tens

ität

I MA

XIM

vs. I

sim

u /

-

Iy,x,Gauß , hVE: 7,4µm

Isimu , hVE: 7,4µm

a)

abgeschätzer Fehlerin Tiefenrichtung

−5 0 5 10 1568,05

68,06

68,07

68,08

68,09

68,10

68,11

68,12

Messtiefe z / µm

Lini

enla

ge 2

θ Gau

ß(z

) / °

b) abgeschätzer Fehlerin Tiefenrichtung

Abbildung 7.28: Tiefenverteilungen der intergalen Intenstität Iy,x,Gauß und der Linien-lage 2θGauß aus Ortsraumexperimenten am Multilagenschichtsystem.

Eine leichte Änderung des Spannungszustands lässt sich aus dem Tiefenprofil der Li-nienlage in Diagramm b) ableiten. Diese verläuft von 68,111° beim Eintauchen der Messvolumina in die Probe binnen 6 µm auf ein Minimum von 68,055° und steigt dann wieder auf 68,097° in 18 µm Tiefe an. Jedoch ist die Linienlageverschiebung von maximal 0,056° um eine Größenordung kleiner als die entsprechenden Messwerte aus LAPLACE-Experimenten in Kapitel 5.3. Als Gründe für die nur minimalen Ände-rungen der Linienlage über der Messtiefe können die zum Ende des Kapitels 7.4.2 diskutierten Punkte (ii)-(v) erneut genannt werden. Punkt (i) ist hier nicht von Bedeu-tung, da die Eigenspannungsberechnung mit Hilfe der dehnungsfreien Richtung für das MLSS nicht durchgeführt wurde. Die Unterschiede zwischen dem Ortsraumver-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 144

fahren und den zurücktransformierten Verläufen der LAPLACE-Spannungen würden jedoch ähnlich hohe Diskrepanzen aufweisen wie für die massive Al2O3-Probe. Be-züglich Punkt (ii) sei an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass die mittels ILT berechneten Spannungsverläufe am MLSS nicht richtig sein können. Da es sich hierbei um ein Mehrschichtsystem handelt, müssen andere Methoden angewandt wer-den, um die Spannungszustände in den einzelnen Subschichten zu bestimmen.

Der wahrscheinlichste Grund für die großen Unterschiede zwischen Ortsraumergeb-nissen und den erwarteten steilen Eigenspannungsgradienten ist eine Kombination der Fehlereinflüsse (iii)-(v): Maskenseitig sind die aufgespannten Volumenelemente zu hoch, um einen steilen Gradienten auflösen zu können. Gleichzeitig tragen uner-wünschte Werkstoffbereiche zum detektierten Signal bei, weil sie nur unzureichend durch die Goldabsorberschicht abgeschattet werden. Zudem lassen justageseitige Kippwinkelfehler die Messvolumina unterschiedlich tief in die Probenoberfläche ein-tauchen, was die Tiefenauflösung nochmals verschlechtert. Somit konnte bisher nur ein über weite Tiefenbereiche gemitteltes Beugungssignal aufgenommen und ausge-wertet werden. Jedoch sollte es durch eine bessere Ausrichtung und die Verwendung kleinerer VE-Höhen möglich sein, mittlere Spannungszustände in den einzelnen Sub-schichten des MLSS zu ermitteln.

7.5 Ausblick − Logische nächste Schritte

Die vorgestellten Untersuchungen konnten trotz aller Schwierigkeiten zeigen, dass das neu entwickelte Verfahren das Potential besitzt tiefenaufgelöste Informationen aus dem Ortsraum zu gewinnen, indem Werkstoffbereiche ober- und unterhalb der eingestellten Messtiefe ausgeblendet werden. Im Folgenden sollen daher identifizierte Probleme und Beschränkungen aufgegriffen und Vorschläge und Ideen für weiterführende Experimen-te skizziert werden.

7.5.1 Abmessungen und Ausrichtung der Messvolumina

Bei den bisherigen Experimenten wurde meist die Maske Nr. 20 eingesetzt, um das be-strahlte Volumen so groß wie möglich aufzuspannen, sodass eine hohe Kornstatistik gewährleistet ist. Die Tiefenauflösung, also die Höhe der Messvolumina, bei Untersu-chung der {116}-Ebenen von Al2O3 beträgt etwa 7,4 µm und ist damit zu groß, um sehr steile Eigenspannungsgradienten oder Spannungen in einzelnen Schichten eines Multi-lagensystems zu analysieren. Aus diesem Grund sollte einer der nächsten Schritte die Verwendung kleinerer Messvolumina (VE-Höhe) sein. Ein erster diesbezüglicher Ver-such mit CoKα1-Strahlung an der {116}-Interferenz der Al2O3-Biegeprobe konnte zei-gen, dass auch bei Einsatz von Maske Nr. 18 mit einer nominellen Schlitzbreite von 8,2 µm auswertbare Signale aus unterschiedlichen Tiefen registriert werden. Die Inten-

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

145

sitäten sind im Vergleich zu Messungen mit Maske Nr. 20 aufgrund des geringeren Streuvolumens etwas schwächer, wobei die Höhe der Messvolumina hier 5,5 µm be-trägt. In Anbetracht der Spannungsgradienten in den randsschichtbearbeiteten Kera-mikproben wäre eine deutlichere Verkleinerung auf 1 µm oder weniger wünschenswert, jedoch kann auf Grundlage der vorgestellten Ergebnisse angenommen werden, dass nur noch vereinzelte Kristallite die einfallende Strahlung reflektieren. Es ist außerdem frag-lich, ob ein solch geringes Beugungsvolumen auf den MAXIM-Aufnahmen identifiziert und ausgewertet werden könnte. Da die VE-Höhen nach heutigen Kriterien kaum an die beschriebenen Gradienten oberflächenbearbeiteter Keramiken angepasst werden kön-nen, wird in Abschnitt 7.5.3 die Wahl von Probenzuständen mit flacheren Eigenspan-nungsgradienten erörtert.

Auf sämtlichen MAXIM-Aufnahmen in Oberflächennähe wird deutlich, dass ein Hauptkriterium für die Anwendbarkeit des Ortsraumverfahrens zur Spannungsanalyse nur unzureichend erfüllt ist: Erforderlich wäre eine nahezu perfekte Ausrichtung der Masken parallel zur Probenoberfläche. Trotz sorgfältiger Justageversuche zeigen so-wohl die Bilder des Multilagenschichtsystems als auch die der massiven Al2O3-Proben in den vorangehenden Kapiteln, dass Kippwinkelfehler bei allen Messungen präsent waren. Dies wurde vor allem beim Eintauchen der Volumenelemente in die Proben-oberfläche deutlich, bei dem sich Teile der VE schon im Werkstoff befanden, während andere Bereiche noch keine Beugungssignale aus den Schlitzen lieferten. Einige der bisher gewählten Ansätze zur Ausrichtung können somit als ungeeignet bezeichnet werden.

Hierzu zählen die Ausrichtung mit bloßem Auge, welche sich auf die Überwachung des lichten Spalts zwischen Probe und Maske stützt, sowie die etwas genauere Modifikation unter Zuhilfenahme eines Nivelliergeräts, wobei eine Einstellgenauigkeit besser als ± 0,1-0,2° kaum möglich ist. Die Verwendung des Primären Synchrotronstrahls als Jus-tierhilfe bringt keine Vorteile mit sich, da die Intensitätsunterschiede beim Verkippen der Maske zu gering sind, um daraus eine Dejustage ableiten zu können. Bestenfalls kann der Primärstrahl dazu verwendet werden, den Abstand zwischen Maske und Probe abzuschätzen, was jedoch mittels bloßen Auges meist besser gelingt und weniger Auf-wand erfordert. Der Nutzen von DMS zur Ausrichtung ist ebenfalls begrenzt, kann al-lerdings vor einer Beschädigung der Absorberschicht durch ungewollten Kontakt mit der Probe schützen, was besonders bei sehr kleinen Distanzen von einigen Mikrometern sinnvoll ist.

Deutliche Verbesserungen bei der Ausrichtung konnten durch die Verwendung eines digitalen Mikroskops erreicht werden, welches senkrecht zu Maske und Probe montiert wurde. Über die Kontrolle der Tiefenschärfe durch verfahren der Z-Achse am Gonio-meter konnte eine Schiefstellung bis auf wenige Mikrometer ausgemittelt werden. Un-

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sicherheitsfaktor hierbei ist die Topographie der Probenoberfläche, da diese das Fokus-sieren auf eine einheitliche Tiefe erschwert. Bei der Maske ist die Ausrichtung wesent-lich einfacher, da die Schlitzstrukturen einen hervorragenden Kontrast bieten. Auf Grundlage einer von oben gesteuerten Abtastung ist nun die weiterführende Idee, einen Triangulationslaser an Stelle des Mikroskops zu verwenden. Dies schließt Fehler durch die subjektive Bildschärfebeurteilung des Benutzers aus und verbessert die Auflösung der Tiefenposition von schätzungsweise 2-4 µm auf unter 0,5 µm.

Ein solches Lasersystem könnte möglicherweise auch dazu dienen, die Messtiefe exakt zu überwachen und einzustellen. Hierbei handelt ist sich um einen weiteren Schwach-punkt der praktischen Umsetzung der Messmethode. Die eingesetzten Lineartische zur Einstellung der Maskenposition über der Probe, insbesondere der Messtiefe, werden bisher manuell mittels Mikrometerschraube bedient. Laut Hersteller sollen die Tische spielfrei gelagert und auf einen Mikrometer genau einstellbar sein. Zumindest für die Z-Achse der Positioniervorrichtung wurde jedoch ein leichtes Umkehrspiel festgestellt, was die exakte Einstellung der Messtiefe erschwert. Für die Achsen X und Y in latera-ler Richtung ist dieser Fehler irrelevant.

Neben den auftretenden Ungenauigkeiten wurde während der Experimente ein weiterer Nachteil der manuellen Linearachse deutlich: Es ist nicht möglich einen automatisierten Tiefenscan vorzunehmen und so die genaue Position der Messvolumina im Material zügig zu ermitteln. Durch eine nachträgliche Motorisierung der Z-Achse könnte die Identifikation der direkten Probenoberfläche erheblich vereinfacht werden, wodurch mehr Messzeit für die eigentlichen Spannungsmessungen zur Verfügung stünde. Die Messwerte der Lasereinheit könnten dabei als Regelgrößen für die Motorsteuerung verwendet werden. Alternativ ist auch die Verwendung eines Piezoantriebs denkbar.

Einen weiteren Vorteil hinsichtlich Ausrichtegenauigkeit und Langzeitstabilität könnte der Einsatz einer neuen Maskenhalterung bringen. Die zuletzt eingesetzte Halterung ist aus einem glasfaserverstärkten Kunststoff aufgebaut und scheint sich bei Messungen über mehrere Tage zu verziehen. Dadurch bleiben weder die Parallelität der Maske zur Probe noch die eingestellte Tiefenposition erhalten. Sinnvoll ist z.B. die Verwendung eines maßgeschneiderten Silizium-Wafers, da dieser neben der hohen Kriechfestigkeit bei Raumtemperatur eine äußerst homogene Oberfläche und Dicke besitzt, sodass der Maskenrahmen gleichmäßig aufliegt. Wegen des Einkristallcharakters des Wafers wer-den zudem Beugungssignale aus der Maskenhalterung vermieden, wie sie bei der Kunststoffvariante häufig aufgenommen wurden. Erste Tests mit einer Si-Einkristall-Halterung verliefen erfolgreich, jedoch wurde auch ihre hohe Empfindlichkeit gegen Stöße oder mechanische Kräfte deutlich.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens

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7.5.2 Simulationsrechnungen für verbesserte Absorptionseigenschaften

Neben der Vergrößerung der Goldschichtdicke ist der Einsatz geringerer Strahlungs-energien als CoKα1 möglich, um die Absorptionswirkung der Schicht zu erhöhen. Ver-suche mit CrKα1-Strahlung führten allerdings zu derart kleinen Beugungsintensitäten, dass dieser Ansatz keine echte Alternative darstellt. Aus diesem Grund scheint es prak-tikabler zu sein, die Absorberschichtdicke zu erhöhen, was auf Grundlage von Simula-tionsrechnungen erfolgen sollte.

Wie in Abbildung 7.25 gezeigt wurde, lässt sich das bestrahlte Werkstoffvolumen in drei Kategorien unterteilen: (i) Bereiche in denen keine Absorption stattfindet, da so-wohl die primäre als auch die gebeugte Röntgenstrahlung offene Schlitzbereiche pas-siert. Die Intensitäten dieser Werkstoffbereiche transportieren die für die Ortsraum-eigenspannungsanalyse benötigten Dehnungsinformationen aus den Messvolumina.

Darüber hinaus überlagern unerwünschte Intensitätsbeiträge die Signale aus den Mess-volumina: (ii) Die Werkstoffbereiche einfach absorbierter Strahlung liegen entweder auf dem Strahlweg zwischen Röntgenquelle und Messvolumina oder aber zwischen VE und Detektor. Je nach Lage können die so entstandenen Störintensitäten als Haupt- und Nebenmaxima identifiziert und eliminiert werden, oder aber in ihrer Höhe unbekannt bleiben, wenn sie am selben Ort auf den CCD-Detektor treffen, wie die Signale aus den Messvolumina. In letzterem Fall ist eine Separierung der Intensitätsbeiträge nicht mög-lich. (iii) Die gesamten gemessenen Intensitäten werden zudem durch Signale aus Werkstoffbereichen überlagert, die sowohl primär als auch sekundärseitig durch die Goldabsorberschicht geschwächt werden. Gemäß Maskenauslegung sind diese Beiträge kleiner als ein hundertstel der Primärintensität, jedoch ist die gesamte bestrahlte Mas-kenoberfläche wesentlich größer als die offenen Schlitzbereiche. Inwieweit die gemes-senen Intensitäten aus den VE durch die flächenmäßige Dominanz der zweifach absor-bierten Bereiche beeinflusst werden, muss daher ein elementarer Aspekt weiterführen-der Untersuchungen sein.

Erste diesbezügliche Ansätze, bei denen die Flächenanteile der offenen und geschlosse-nen Maskenbereiche als Gewichtungsfaktoren verwendet wurden, konnten zeigen, dass die Absorberschicht bei den aktuellen Masken zu gering ist, um eine ausreichende Ab-schattung der unerwünschten Regionen zu gewährleisten. Als Ergebnis dieser Untersu-chungen kam heraus, dass eine Erhöhung der Absorberschichtdicke von 3 µm auf 4,5 µm ausreichen würde, um Störsignale auszuschließen. Allerdings werden wegen des auf die Maskenoberfläche bezogenen Ansatzes nicht die tatsächlichen Randbedingun-gen während des Experiments beschrieben. Vielmehr ist eine volumenbezogene Be-schreibung der Beugungsverhältnisse notwendig, weshalb eine Erweiterung der Simula-tionsrechnungen unabdingbar für die Herstellung eines verbesserten Maskensatzes ist.

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 148

Ziel der Simulation muss daher sein, Beugungssignale Iy(x,2θ) zu berechnen, wie sie durch einfache Integration der MAXIM-Aufnahmen über die y-Pixelachse für jeden 2θ-Winkel resultieren (vgl. Abbildung 7.24). Auf diese Weise können Haupt- und Ne-benmaxima auch rechnerisch ermittelt und durch Anpassung der Absorberschichtdicke vermieden werden. Für die einfacher realisierbare zweidimensionale Simulation setzt dies die Annahme voraus, dass in Längsrichtung der Schlitze kein Kippwinkelfehler β auftritt. Quer zu den Schlitzen kann ein solcher Winkelfehler (α) jedoch berücksichtigt werden. Für die Umsetzung ist es beispielsweise möglich, einzelne Strahlwege zu be-trachten und Intensitäten, die denselben Richtungsvektor besitzen, zu addieren, was im Prinzip eine Art Raytracing darstellt. Inwieweit sich frei erhältliche Programme wie “Shadow” für diese Zwecke eignen wurde bisher nicht geprüft.

7.5.3 Alternative Materialien und Probenzustände

Alle bisher eingesetzten Proben bestehen aus α-Al2O3 oder sind aus Schichten dieses Werkstoffs aufgebaut. Er erfüllt alle Voraussetzungen für die prinzipielle Anwendbar-keit des entwickelten Ortsraumverfahrens, wie geringe Korngrößen, regellose Vertei-lung der Kristallite, hohe Eindringtiefe für Strahlung von Laborröntgenquellen, sowie ein breites Spektrum an verfügbaren Interferenzen ohne Überschneidungen mit dem Absorbermaterial. Da sich Keramiken kaum plastisch verformen und aufgrund ihrer hohen Härte, beträgt die Einwirktiefe der vorgenommenen Schleif- und Kugelstrahlbe-handlungen nur wenige Mikrometer. Dabei treten extrem hohe Eigenspannungen in der Randschicht auf, wie sie beispielsweise in Kapitel 5.2 gezeigt wurden. Um diese mit dem Ortsraumverfahren auflösen zu können, müssten Messvolumina mit einer Höhe < 0,5 µm eingestellt werden, was aus Gründen der Kornstatistik und wegen des gerin-gen bestrahlten Gesamtvolumens nicht praktikabel ist.

Daher sollte als Alternative angestrebt werden, einen Modellwerkstoff oder Werkstoff-verbund einzusetzen, der zwar die oben genannten Eigenschaften besitzt, jedoch einen deutlich flacheren Eigenspannungsgradienten aufweist. Denkbar wäre beispielsweise Beryllium mittels 4-Punktbiegung zu belasten und so den Biegespannungsgradienten von der oberen Randschicht zur Unterseite aufzunehmen. Ein Versuch hierzu wurde bereits unternommen, blieb aber erfolglos, da die Kristallite nach dem Sinterprozess bei der Herstellung etwa 40 µm im Durchmesser groß waren. Feinere Korngrößen von we-nigen Mikrometern sollen fertigungstechnisch möglich sein, allerdings überstieg die seitens der Firma Brush Wellman geforderte Abnahmemenge die benötigte Probenan-zahl um ein Vielfaches. Die Untersuchungsergebnisse ohne aufgelegte Maske (links) und mit Maske Nr. 04 in unterschiedlichen Messtiefen der Berylliumprobe sind in Ab-bildung 7.29 dargestellt. Die Probe wurde während der Messungen um 1 mm oszilliert, wodurch auf den Bildern die gestreckten Kristallite entstehen. Es kann hier besonders

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gut gezeigt werden, wie die Maske die Bereiche außerhalb der Messvolumina elimi-niert, da im Vergleich zu Messungen ohne Maske nur ein Bruchteil der Kristallite in Erscheinung tritt. Des Weiteren sind im Bereich der Schlitzstege kaum Intensitäten zu erkennen, was die unterbrochenen Intensitätslinien verdeutlichen. Bei genauer Analyse der Aufnahmen mit Maske ist auch zu sehen, dass einige Körner verschwinden oder schwächer werden, sobald die Messtiefe verstellt wird. In den Bildern sind zwei dieser Kristallite exemplarisch durch Pfeile markiert.

y-Pixelachse / -100 200 300

1900

1950

2000

2050

2100

2150

y-Pixelachse / -100 200 300

y-Pixelachse / -

y-P

ixel

achs

e / -

ohne Maske

100 200 300

100

200

300

400

500

600

y-Pixelachse / -100 200 300

M04, Ref −M04, Ref + M04, Ref

Abbildung 7.29: Versuche an einer gesinterten Beryllium Biegeprobe ohne (links) und mit Maske Nr. 04 in unterschiedlichen Messtiefen.

Andere sehr feinkörnige (Ultra Fine Grained) Materialien wie UFG-Aluminium, -Stahl oder -Magnesium könnten ebenfalls Alternativen darstellen. Sie werden beispielsweise im ECAP-Verfahren (Equal Channel Angular Pressing) durch wiederholte ausgeprägte Umformung hergestellt [111-114]. Für die Anwendbarkeit des Ortsraumverfahrens muss jedoch überprüft werden, ob keine Überschneidungen der Interferenzen des Pro-benmaterials mit denen der Absorberschicht auftreten und ob die verwendete Strahlung ausreichend tief in den Werkstoff eindringen kann. Letzterer Punkt begünstigt vor allem die Leichtmetalle. Aufgrund ihrer vergleichsweise geringeren mechanischen Eigen-schaften lassen sich zudem relativ flache Eigenspannungsgradienten mit Einwirktiefen von mehreren hundertstel Millimetern in die Randschicht einbringen. Im Vergleich zu den verwendeten Al2O3-Keramikproben ist das ein großer Vorteil, da eine VE-Höhe von 5 µm bereits ausreichen würde, um die Spannungsgradienten zu erfassen. Bei Ver-wendung von Aluminium-Legierungen würde allerdings die Randbedingung der Inter-ferenzüberlagerungen verletzt, da es wie Gold eine kubisch flächenzentrierte Struktur

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Ergebnisse und Diskussion des Ortsraumverfahrens 150

und eine ähnliche Gitterkonstante a0 besitzt. Ebenso ungeeignet sind ferritische bzw. martensitische Stahlproben, die sich zwar durch ihre raumzentrierten Strukturen und Gitterparameter vom Absorbermaterial unterscheiden, aber dennoch für alle theoretisch nutzbaren Ebenen Überschneidungen der Interferenzen zeigen. Dies ist auch der Grund, weshalb die intensiv charakterisierten 100Cr6-Proben bei den Ortsraumexperimenten mit Masken nicht verwendet werden konnten. Dagegen hat Magnesium durch seine he-xagonale Kristallstruktur den Vorteil, dass die Anzahl von Interferenzen höher ist als bei kubischen Materialien und sich Überlagerungen einfacher vermeiden lassen. Die ausgeprägte Textur aufgrund der hohen Umformgrade während des ECAP-Prozesses ist allerdings ein großer Nachteil dieses Werkstoffs. Bei Magnesium können zudem inho-mogen Korngrößenverteilungen auftreten.

Eine weitere Möglichkeit könnten dünne Al2O3-Schichten sein, welche bei erhöhten Temperaturen mittels CVD auf metallische Substrate oder Silizium abgeschieden wer-den. Die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten führen bei der Abkühlung auf Raumtemperatur zu Spannungsgradienten, die bei hinreichend dünner Schichtdicke mit den Schlitzmasken aufgelöst werden könnten. Die Umsetzung in die Praxis erfor-dert allerdings detaillierte Vorarbeiten bezüglich der Randbedingungen bei der Herstel-lung und der Berechnung resultierender Spannungszustände. Da CVD-Schichten oft-mals starke Vorzugsorientierungen der Kristallite aufweisen ist diese ebenso zu berück-sichtigen wie die Verteilung der Korngrößen.

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Zusammenfassung

151

8 Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Analyse oberflächennormaler Eigenspan-nungsgradienten unter Anwendung komplementärer röntgenografischer Beugungsver-fahren. Den Kernpunkt bildet dabei die Entwicklung einer neuen Methode zur direkten Bestimmung von Spannungsgradienten σ(z) im Ortsraum, die auf der Definition kleiner Messvolumina unter der Probenoberfläche basiert [6]. Um dies zu erreichen, wurden geeignete Probenzustände hergestellt, deren Charakterisierung mit Hilfe bewährter Ver-fahren zur Eigenspannungsanalyse erfolgte. Daneben konnte im Rahmen dieser Arbeit ein Computerprogramm entwickelt werden, welches die für die röntgenografische Spannungsanalyse benötigten Diffraktionselastischen Konstanten berechnet.

Um ein möglichst breites Spektrum an unterschiedlichen Probenzuständen zu erhalten, wurden zu Beginn sowohl Stahl- (100Cr6) als auch Keramikproben (Al2O3) gefertigt, welche jeweils in Kugelstrahl- und Schleifprozessen mit verschiedenen Parametersätzen oberflächenbearbeitet wurden (Kapitel 3). Dabei ging es nicht darum, die Auswirkung der Bearbeitungsparameter zu ermitteln, sondern geeignete Eigenspannungszustände für die Entwicklung des Ortsraumverfahrens mit absorbierenden Masken bereitzustellen. Aus diesem Grund wurde neben den Massivproben auch ein kugelgestrahltes Multila-genschichtsystem verwendet, bei dem besonders die Separierung der Eigenspannungs-zustände in den einzelnen Al2O3-Subschichten interessant ist.

Grundvoraussetzung für die exakte Bestimmung von Eigenspannungen mit Beugungs-verfahren ist die Kenntnis der Diffraktionselastischen Konstanten (DEK). Im Gegensatz zu den makroskopischen elastischen Konstanten eines Werkstoffs berücksichtigen die ebenen- und phasenabhängigen DEK das anisotrope elastische Verhalten der Kristallite in unterschiedliche Raumrichtungen. Die Ermittlung der DEK (Kapitel 4) erfolgte expe-rimentell in Lastspannungsuntersuchungen und rechnerisch aus Einkristallkoeffizienten mit Hilfe der Kopplungsmodelle von VOIGT [30], REUSS [31] und KRÖNER [33]. Zur Berechnung von DEK für beliebige Kristallsymmetrien wurde im Rahmen dieser Arbeit das Computerprogramm DECcalc entwickelt [80] und anhand von Literaturdaten veri-fiziert. Sowohl für den Stahl (α-Fe) als auch für die Keramik (α-Al2O3) konnten somit die ebenenspezifischen DEK berechnet und mit Ergebnissen aus den Lastspannungsver-suchen verglichen werden. Dabei zeigt sich für den Stahl eine nahezu exakte Überein-stimmung der gemessenen Daten mit Berechnungs- und Literaturwerten. Die experi-mentellen Ergebnisse der Keramik weisen größere Abweichungen zu den berechneten Werten auf, welche sich vermutlich auf die relativ kleinen Dehnungen bei Messungen im Vorderstrahlbereich und Fehlereinflüsse bei der Lastaufbringung zurückführen las-sen. Für die Spannungsauswertungen in dieser Arbeit wurden daher die experimentellen DEK des Stahls und die berechneten DEK der Keramik verwendet.

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Die Charakterisierung der Spannungszustände in den Proben erfolgte unter Anwendung bewährter Verfahren zur Spannungsanalyse (Kapitel 5). Als Referenzmethode kann bei den 100Cr6-Proben das sin2ψ-Verfahren angesehen werden, das aufgrund der meist ge-ringen Eindringtiefe quasi Eigenspannungswerte im Ortsraum liefert. Diesen Messun-gen gegenüber stehen LAPLACE-Spannungsprofile, die einerseits mittels energiedisper-siver Beugung bis in eine Tiefe von über 100 µm und andererseits mit monochromati-scher Synchrotronstrahlung bei zwei Energien bis 1 µm bzw. 10 µm Tiefe durchgeführt wurden. Die Spannungsverläufe der LAPLACE-Experimente wurden mit Hilfe des Uni-versalplotverfahrens [43] ausgewertet und zeigen für alle Proben sehr gute Überein-stimmungen in den Überlappungsbereichen. Die anschließende Überführung in den Ortsraum mittels inverser LAPLACE-Transformation ergibt Eigenspannungsprofile, wel-che den Ergebnissen aus den sin2ψ-Versuchen besonders bei den kugelgestrahlten Pro-ben sehr ähnlich sind. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die “richtige” Fitfunktion gewählt wird, was den Anwendereinfluss bei der ILT verdeutlicht. Ähnliches gilt auch für die geschliffenen Zustände, bei denen die Übereinstimmung nicht ganz so hoch ist. Über die Wahl der richtigen Fitfunktion hinaus besteht hier noch die Problematik, dass die ILT bei steilen Eigenspannungsgradienten im LAPLACE-Raum zu starken Oszillati-onen mit steigendem Polynomgrad der Fitfunktion neigt und daher nur bedingt zur Be-rechnung der Ortsraumeigenspannungen geeignet ist.

Da bei den Al2O3-Proben aufgrund der hohen Härte und geringen plastischen Verform-barkeit die Einwirktiefe der Oberflächenbearbeitung auf einen Randbereich von weni-gen Mikrometern beschränkt ist, fällt die zuvor beschriebene Problematik bei der ILT hier noch stärker ins Gewicht. Die Datenbasis im LAPLACE-Raum wurde mittels mono-chromatischer Synchrotronstrahlung bis nahezu oberflächenparallelen Probenkippungen ermittelt, sodass sich ein Informationstiefebereich von 0,25-15 µm ergibt. Die kugelge-strahlten Proben und der mittels feinem Korn geschliffene Zustand zeigen sehr ähnliche Spannungstiefenprofile mit extrem steilen Gradienten von bis zu 10000 MPa/µm inner-halb der ersten 2-3 µm. Zudem treten schon vor der Rücktransformation Maximalwerte von −4000 bis −5000 MPa auf, deren Ausprägung durch die ILT nochmals verstärkt wird, sodass fast ebenso hohe Zugeigenspannungen resultieren. Vor dem Hintergrund einer materialspezifischen Biegespannung von ca. 500 MPa erscheint dies stark über-schätzt. Dementsprechend kritisch sind diese Ergebnisse zu bewerten. Flachere Eigen-spannungsgradienten treten hingegen bei der grob geschliffenen Probe auf, bei der als einzige Unterschiede zwischen Schleifbearbeitungsrichtung und Querrichtung gemes-sen wurden.

Neben den randschichtbearbeiteten Massivproben wurde auch das Multilagenschicht-system bezüglich seines Einspannungszustands charakterisiert. Da sich in diesem drei durch Zwischenschichten voneinander getrennte Lagen Al2O3 befinden und LAPLACE-Experimente darauf hindeuten, dass sich der Einfluss der Kugelstrahlbehandlung vor

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Zusammenfassung

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allem auf die oberste Schicht beschränkt, war besonders diese Probe für die Anwen-dung des Ortsraumverfahrens interessant. Generell eignen sich die Al2O3-Proben auf-grund ihrer geringeren Absorptionseigenschaften besser für die Experimente mit strahl-begrenzenden Masken als die 100Cr6-Proben. Die Interferenzen der Stahlproben liegen zudem stets sehr nah an denen des Absorbermaterials, was ihre Verwendbarkeit zusätz-lich einschränkt.

Im Hauptteil dieser Arbeit erfolgte die praktische Umsetzung des Ortsraumverfahrens und seine Anwendung für die Spannungsanalyse an den oberflächenbehandelten Al2O3-Proben. Bei der geometrischen Auslegung der Masken (Kapitel 6) lag der Fokus zu-nächst auf der Wahl des Absorbermaterials, welches eine Schwächung der eingestrahl-ten Intensität größer 99 % bei möglichst geringer Schichtdicke gewährleisten muss. Aufgrund des sehr hohen Absorptionsvermögens und der guten Handhabbarkeit wurden in eine 3 µm dicke Goldschicht Schlitzstrukturen mit genau definierten Abmessungen mittels UV-Lithografie eingebracht. Das Maskenlayout ist dabei abhängig von den Diffraktionswinkeln, der Messtiefe sowie der Ortsauflösung und muss den jeweiligen geometrischen Randbedingungen angepasst sein. Zur Prüfung des Herstellungsprozes-ses fand eine detaillierte Charakterisierung der Masken statt, welche unter anderem die quantitative Analyse von Absorberschichtdicke und Schlitzgeometrie umfasste. Zudem wurden Oberflächentopografie und die kristallografische Textur bestimmt. Mit dem Wissen, dass die Masken den geforderten Genauigkeiten und Randbedingungen genü-gen, erfolgte ihr Einsatz in Beugungsexperimenten (Kapitel 7).

Erste Untersuchungen mit Absorptionsmasken und Szintillationszähler machten schnell deutlich, dass die Spannungsanalyse mit dem gewählten Geräte-Setup nicht möglich ist. Zu groß waren die Überlagerungen der gewünschten Intensitäten aus den Messvolumi-na mit Signalen aus abgeschatteten Probenbereichen, welche nur unzureichend durch die Goldschicht geschwächt wurden. Aus diesem Grund kam bei allen weiteren Expe-rimenten die ortsempfindliche Röntgenkamera MAXIM zum Einsatz. Durch die Auf-nahme zweidimensionaler Beugungsbilder der Maskenoberfläche und anschließender digitaler Bildverarbeitung ermöglicht die Kamera die Unterscheidung von Signalen aus den Bereichen der Volumenelemente und solchen aus dem Rest des Probenmaterials.

Das MAXIM-Setup wurde zunächst in Verbindung mit unmittelbar auf der Probenober-fläche platzierten Masken verwendet. Anhand der Ergebnisse kann gezeigt werden, dass die Aufnahme von Beugungsinformationen aus unterschiedlichen Tiefen des Probenma-terials möglich ist. Die gemessene Intensitätsabnahme mit steigender Messtiefe korre-liert dabei sehr gut mit Berechungsergebnissen, welche unter Berücksichtigung von Materialeigenschaften, Masken- und Beugungsgeometrie vorgenommen wurden. Des Weiteren spiegeln die aufgenommenen Beugungsmuster exakt die geometrischen Ab-messungen des Maskenlayouts wieder, was die Annahme stützt, dass die Signale den

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Zusammenfassung 154

gewünschten Messvolumina zugeordnet werden können. Die Experimente zeigten aber auch Probleme mit der Kornstatistik aufgrund des geringen bestrahlten Werkstoffvolu-mens in den Volumenelementen (VE). Dies führt zu einer inhomogen Ausleuchtung der Messvolumina, sodass neben intensitätsreichen Spots von stark reflektierenden Ein-zelkristalliten auch Werkstoffbereiche auftreten, aus denen kein Signal zurückgebeugt wird. Ein weiterer Schwachpunkt des Verfahrens ist, dass Messungen in verschiedenen Tiefen nur durch Maskenwechsel und in diskreten Schritten entsprechend ihres Layouts vorgenommen werden können.

Zur Verbesserung der Messmethode wurde eine Positioniervorrichtung entwickelt, die eine kontinuierliche Tiefenzustellung ohne Maskenwechsel und die laterale Oszillation der Probe unter der Maske zur Erhöhung der Kornstatistik erlaubt. Die Versuchsergeb-nisse bestätigen einerseits die Experimente ohne Vorrichtung bezüglich der tiefenab-hängigen Intensitätsverteilung und der Maskengeometrie. Andererseits wurden aus den aufgenommenen Beugungsprofilen die Linienlagen als Funktion der Messtiefe an zwei Gitterebenen bestimmt und mit Hilfe der dehnungsfreien Richtung die Spannungsver-läufe berechnet. Diese können den aus LAPLACE-Experimenten in den Ortsraum trans-formierten steilen Gradienten in der Randschicht jedoch nicht bestätigen. Als Gründe lassen sich vor allem die bereits beschriebenen Probleme bei der Rücktransformation nennen. Auch die Spannungsberechnung mittels sin2ψ-Methode bei Verwendung von nur zwei Dehnungswerten ist mit großer Sicherheit fehlerbehaftet. Auf Seiten des Orts-raumverfahrens mit Masken liegen die Fehlerquellen vermutlich in einem Zusammen-spiel verschiedener Effekte: (i) Die Ortsauflösung ist zu gering, was zu einer gewichte-ten Mittelung des Eigenspannungszustands über die VE-Höhe führt. (ii) Trotz akkurater Ausrichtung der Maske parallel zur Probenoberfläche können minimale Kippwinkelfeh-ler auftreten. Dies lässt die Volumenelemente unterschiedlich tief in die Probenoberflä-che eintauchen und führt effektiv zu einer Verringerung der Ortsauflösung. (iii) Simula-tionsrechnungen zur reflektierten Intensität aus den Messvolumina zeigen außerdem, dass die Absorberschichtdicke mit 3 µm zu gering ist, um alle Signale aus den abge-schatteten Werkstoffbereichen zu absorbieren.

Obwohl die Ausrichtung bei den Experimenten mit Multilagenschichtsystem (MLSS) mit Hilfe eines digitalen Mikroskops erfolgte, konnten Winkelfehler zwischen Probe und Maske nicht vermieden werden. Daher gelten hier dieselben Fehlerquellen bezüg-lich des Spannungsgradienten wie bei den Massivproben zuvor. Anhand des Intensi-tätsverlaufs des MLSS konnte jedoch gezeigt werden, dass bei VE-Positionen ober- und unterhalb der Al2O3-Schichten kaum Beugungssignale auftreten. Dies verdeutlicht ei-nerseits die hohe Absorption der Goldschicht und lässt andererseits eine Dickenbe-stimmung der Al2O3-Lagen zu, welche in Übereinstimmung mit mikroskopischen Auf-nahmen steht. Aufgrund der begrenzten Al2O3-Schichtdicke von insgesamt 15 µm wei-chen die Intensitätsgradienten erwartungsgemäß von denen in den Massivproben ab.

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Um die entwickelte Ortsraummethode für die Analyse von Spannungsgradienten ein-setzen zu können, sind weitere Verbesserungen notwendig. Hierzu zählen (i) die Ferti-gung neuer Masken auf Grundlage verfeinerter Simulationsrechnungen, (ii) die Weiter-entwicklung der Positioniervorrichtung durch Motorisierung der Z-Achse zum Sparen kostbarer Messzeit, (iii) die Verbesserung der Maskenausrichtung z.B. mittels Lasertri-angulation, (iv) die Anpassung der Ortsauflösung an den Spannungsgradienten oder (v) die Verwendung alternativer Probenwerkstoffe mit geringer Absorption, Vermeidung von Interferenzüberschneidungen und geeigneten Spannungsgradienten. Dabei ist an-zumerken, dass das Verfahren – auch nach erfolgreicher Umsetzung der zuvor genann-ten Punkte – keinesfalls als Standardprozedur gelten kann. Vielmehr ist das entwickelte Ortsraumverfahren als Option für ganz spezielle Messaufgaben einzustufen, welche den hohen Justage- und Auswerteaufwand rechtfertigen.

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Anhang

XXI

Anhang

α-Fe, kubisch α-Al2O3, trigonal Konstante Einheit Wert Quelle Wert Quelle

c11 GPa 230 497 c33 GPa - 501 c44 GPa 116 147 c12 GPa 134 163 c13 GPa - 116 c14 GPa -

[84]

22

[86]

a nm 0,28665 0,47589 c nm -

[72] 1,29912

[72]

ρ g/cm3 7,72 Ultraschall 3,93 Ultraschall µ/ρ (CrKα1) 1/µm 0,08819 0,03967 µ/ρ (CoKα1) 1/µm 0,04496 0,01946 µ/ρ (CuKα1) 1/µm 0,23701 0,01260 µ/ρ (MoKα1) 1/µm 0,02945

[36]

[36]

Tabelle A.1: Verwendete Einkristallmoduln, Gitterkonstanten, Dichten und Massen-absorptionskoeffizienten von Ferrit und α-Al2O3.

Ferrit (α-Fe); cij [84] {hkℓ}-Ebene 110 200 211 220 310 222 510 431 732 651 Voigt

Reuss –1,28 –2,79 –1,28 –1,28 –2,25 –0,77 –2,57 –1,28 –1,73 –1,28Hill –1,24 –2,00 –1,24 –1,24 –1,73 –0,99 –1,89 –1,24 –1,47 –1,24s1 Kröner –1,24 –1,86 –1,24 –1,24 –1,64 –1,03 –1,77 –1,24 –1,42 –1,24

–1,21

Reuss 5,83 10,38 5,83 5,83 8,75 4,32 9,71 5,83 7,20 5,83 Hill 5,73 8,01 5,73 5,73 7,19 4,97 7,67 5,73 6,41 5,73 ½s2 Kröner 5,72 7,60 5,72 5,72 6,92 5,09 7,32 5,72 6,28 5,72

5,63

Aluminiumoxid (α-Al2O3); cij [86] {hkℓ}-Ebene 104 110 113 024 116 214 300 226 416 330 Voigt

Reuss –0,55 –0,54 –0,65 –0,81 –0,66 –0,56 –0,54 –0,65 –0,51 –0,54Hill –0,56 –0,56 –0,61 –0,69 –0,61 –0,56 –0,56 –0,61 –0,54 –0,56s1 Kröner –0,56 –0,56 –0,61 –0,68 –0,61 –0,57 –0,56 –0,61 –0,54 –0,56

–0,57

Reuss 3,01 2,89 3,26 3,75 3,32 2,97 2,89 3,26 2,81 2,89 Hill 3,02 2,96 3,14 3,38 3,17 3,00 2,96 3,14 2,91 2,96 ½s2 Kröner 3,02 2,96 3,14 3,36 3,17 3,00 2,96 3,14 2,92 2,96

3,02

Tabelle A.2: Nach den Modellen von VOIGT, REUSS, HILL und KRÖNER berechnete DEK s1

{hkℓ} und ½s2{hkℓ} der Werkstoffe Ferrit und α-Al2O3 in 10–6 MPa–1.

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Anhang XXII

100Cr6 {hkℓ}-Ebene s1 / 10–6MPa–1 ½s2 / 10–6MPa–1 2θ* / °

F/M 110 –1,071 ± 0,057 5,800 ± 0,139 52,295 F/M 200 –1,976 ± 0,165 8,219 ± 0,520 77,171 F/M 211 –1,204 ± 0,101 5,828 ± 0,265 99,565 F/M 220 –1,180 ± 0,139 5,860 ± 0,291 123,621

A 200 –1,970 ± 0,311 8,130 ± 0,688 59,714 A 220 –0,348 ± 0,319 2,310 ± 1,119 89,665 A 311 –1,430 ± 0,252 6,120 ± 0,605 111,441

α-Al2O3 {hkℓ}-Ebene s1 / 10–6MPa–1 ½s2 / 10–6MPa–1 σES / MPa

104 –0,503 ± 0,290 3,027 ± 0,555 – 494 ± 25 113 –0,618 ± 0,176 3,128 ± 0,351 –333 ± 15 024 –0,652 ± 0,145 3,272 ± 0,421 –219 ± 18 116 –0,587 ± 0,154 3,061 ± 0,432 –185 ± 19 300 –0,474 ± 0,164 2,631 ± 0,361 –132 ± 19 226 –0,519 ± 0,117 2,916 ± 0,154 –31 ± 7

Tabelle A.3: Experimentell ermittelte DEK s1{hkℓ} und ½s2

{hkℓ} der Werkstoffe 100Cr6 und α-Al2O3. F/M steht für Martensit/Ferrit und A für Austenit. Aus den Schnittpunk-ten der Geraden wurden für den Stahl die dehnungsunabhängigen 2θ*-Winkel berech-net. Die Phasenspannungen im Martensit betragen für alle Ebenen etwa 24 ± 10 MPa. Im Austenit lässt sich aufgrund der Textur keine verlässliche Aussage treffen, jedoch liegen hier tendenziell Druckspannungen vor, was auch sinnvoll in Bezug auf die Er-füllung des Kräftegleichgewichts ist. Für die Keramik wurde bedingt durch die ge-schliffe Oberfläche ein steiler Eigenspannungsgradient ermittelt, was aus den stark abfallenden Druckspannungen mit steigendem 2θ-Winkel und den mit den Ebenen verknüpften zunehmenden Eindringtiefen geschlossen werden kann (vgl. Kapitel.5).

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Ich wollt' noch danke sagen...

...allen voran meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes, für die Möglich-keit zur Erarbeitung dieses Themas und auch für die Freiheit, rechts und links der Hauptroute meinen Interessen folgen zu können. Sein fachlicher Rat und die gemein-samen Diskussionen waren eine große Hilfe bei der Erstellung meiner Dissertation.

Bei Herrn Prof. Dr. Ch. Genzel bedanke ich mich für die Übernahme des Koreferats, sowie die interessanten Diskussion und Anregungen, die einen wesentlichen Teil zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Frau Prof. Dr. A. Brückner-Foit und Herrn Prof. Dr.-Ing. A. Matzenmiller als Mitglie-der meiner Prüfungskommission danke ich für ihr Interesse an meiner Arbeit.

Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Studien- und Diplomarbeitern, namentlich Herrn A. Liehr, der durch sein außerordentliches Interesse am Thema und seiner Aus-dauer während der Synchrotron-Marathons am DESY einen großen Anteil an der Fer-tigstellung dieser Arbeit hatte. In diesem Zusammenhang sei auch Herrn Dr. A. Rothkirch am DESY für die Opferung seines Privatlebens zugunsten meiner Experi-mente gedankt.

Ein besonderer Dank gilt allen Kollegen und Freunden am Institut für ihre Unterstüt-zung und die tolle Atmosphäre. Vor allem Herr Ch. Franz und Herr A. Schwagerus wa-ren mir stets eine große Hilfe bei der experimentellen Umsetzung der Versuche. Für die guten Gespräche, Diskussionen und natürlich die Durchsicht des Manuskripts möchte ich zudem Herrn A. Grüning danken.

Frau Dr.-Ing. M. Klaus und Herrn Dr.-Ing. I. Denks vom Helmholtz-Zentrum in Berlin BESSY, sowie Herrn Dr.-Ing. J. Gibmeier vom IWK1 der Universität Karlsruhe danke ich für die angenehme und freundschaftliche Zusammenarbeit während der gesamten Promotionszeit.

Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. M.J. Hoffmann und seinen Mitarbeitern Herrn Dr.-Ing. R. Oberacker und Herrn D. Creek vom IKM der Universität Karlsruhe für die Her-stellung und Bearbeitung der Keramikproben, sowie Herrn Dr. W. Pfeiffer am Fraunho-fer IWM in Freiburg für die anschließende Kugelstrahlbehandlung. Bedanken möchte ich mich zudem bei Herrn J. Volkmuth von der Firma SKF in Schweinfurt für die Be-reitstellung des 100Cr6-Materials und bei Herrn O. Schuchardt von der Firma MIC in Unna für das Kugelstrahlen der Stahlproben.

Ganz besonders möchte ich meiner "kleinen" Familie Manns danken, die die eigentli-chen Leidtragenden während der Schreibphase waren und die dennoch nie vergessen haben, wer der Typ mit den Augenringen ist (wenn sie ihn denn gesehen haben).

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In der Reihe Forschungsberichte aus dem der

ist bisher erschienen:

Stefan Jägg Rissspitzennahe Eigenspannungen und Ermüdungsriss-ausbreitung des Stahls S690QL1 bei unterschiedlichen Beanspruchungsmoden

Martin Kornmeier Analyse von Abschreck- und Verformungseigenspannun-gen mittels Bohrloch- und Röntgenverfahren

Igor Altenberger Mikrostrukturelle Untersuchung mechanisch randschicht-verfestigter Bereiche schwingend beanspruchter metalli-scher Werkstoffe

Gerd Zöltzer Einfluß von Mikro- und Makroeigenspannungen auf das Deformationsverhalten bauteilähnlicher Proben

Ulf Noster Zum Verformungsverhalten der Magnesiumbasislegierun-gen AZ31 und AZ91 bei zyklischen und quasi-statischen Beanspruchungen im Temperaturbereich von 20-300°C

Jens Gibmeier Zum Einfluss von Last- und Eigenspannungen auf die Er-gebnisse instrumentierter Eindringhärteprüfungen

Juijerm Pathiphan Fatigue behaivor and residual stress stability of deep-rolled aluminium alloys AA5083 and AA6110 at elevated temperature

Martin Krauß Zur thermischen Ermüdung der Magnesiumbasislegierung AZ31 und AZ91

Enrique Garcia-Sobolevski Residual Stress Analysis of Components with Real Ge-ometries Using the Incremental Hole Drilling Technique and a Differential Evaluation Method

Ivan Nikitin Zur Verbesserung des Ermüdungsverhaltens des austeniti-schen Stahls X5CrNi18-10 im Temperaturbereich 25-600°C durch mechanische Randschichtverfestigungsver-fahren

Institut für WerkstofftechnikMetallische Werkstoffe

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Forschungsberichteaus dem

der

Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. B. Scholtes

Analyse oberflächennaher Eigenspannungszustände mittels komplementärer Beugungsverfahren

Band 11 Thorsten MannsTh

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ISBN 978-3-86219-042-3