Institutionalisierung der Schädelbasischirurgie; Structure, concept, and first experiences of the...

4
Wenn auch erste Anfänge chirurgi- scher Interventionen im Bereich der Schädelbasis längere Zeit zurückdatie- ren und Pioniere wie Harvey Cuhing, Charles Frazier und Walter E. Dandy bereits in der ersten Hälfte dieses Jahr- hunderts wegweisende Beiträge zur Schädelbasischirurgie verfasst haben [9], wurden doch die wesentlichen Techniken und Methoden der heutigen Schädelbasischirurgie erst seit den 50er und 60er Jahren entwickelt. We- sentliche Impulse ergaben sich durch die diagnostischen Möglichkeiten mo- derner bildgebender Verfahren, die Entwicklung der interventionellen Ra- diologie, die Fortschritte in der Anäs- thesie und die kontinuierliche Weiter- entwicklung chirurgischer Techniken. Hierbei sind insbesondere die Einfüh- rung mikrochirurgischer Techniken zu- sammen mit der Herstellung präziser mikrochirurgischer Instrumente zu er- wähnen, die Standardisierungen in der onkologischen Chirurgie und die Ent- wicklung kraniofazialer Operations- methoden. Die Mikrochirurgie ist zum einen wesentliche Komponente bei der Schädelbasischirurgie, zum anderen oft notwendige Voraussetzung für re- konstruktive Maßnahmen. Durch mi- krochirurgische Techniken wurden die präzise Dekompression und Erhaltung von Hirnnerven, -gefäßen und anderer Strukturen ebenso möglich wie auch die Rekonstruktion neuraler und vas- kulärer Strukturen einschließlich der Nutzung des freien mikrochirurgi- schen Gewebetransfers für die Rekon- struktion [1, 2]. Auch in der Rekon- struktion der knöchernen Strukturen wurden Fortschritte gemacht, die von der Optimierung autologer Transplan- tattechniken [10, 16] bis hin zur Ver- wendung individuell gefräster Titan- implantate [8] reichen. Die chirurgische Entwicklung im Bereich der Schädelbasischirurgie war und ist wie in kaum einer anderen ana- tomischen Region von den Beiträgen unterschiedlicher Fachdisziplinen ge- prägt. Aus den Erfordernissen ihres je- weiligen Fachgebiets heraus beschrie- ben Paul Tessier u. a. Zugangswege für die Behandlung entwicklungsbeding- ter, traumatischer oder neoplastischer Erkrankungen der Schädelbasis. Die Möglichkeit, ausgedehnte kraniofazia- le Osteotomien mit primärer Wundhei- lung und Erhalt des Sehvermögens Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 : 245–248 © Springer-Verlag 2000 Institutionalisierung der Schädelbasischirurgie Aufbau, Konzept und erste Erfahrungen des Interdiziplinären Zentrums für Schädelbasischirurgie der Universität Leipzig (IZSL) B. Frerich 1 , V. Seifert 2 , F. Bootz 3 , A. Hemprich 1 , O. Spanehl 4 1 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie (Prof. Dr. Dr. A. Hemprich), Universität Leipzig 2 Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie (Prof. Dr. V. Seifert), Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main 3 Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten (Prof. Dr. F. Bootz), Universität Leipzig 4 Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie (Prof. Dr. H.-E. Vitzthum), Universität Leipzig Frau Prof. Dr. Dr. B. Langanke zum 65. Ge- burtstag gewidmet Dr. Dr. habil. B. Frerich, Klinischer Koordina- tor des IZSL, Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, Universität Leip- zig, Nürnberger Straße 57, 04103 Leipzig, Deutschland Tel.: 0341-9721117, Fax: 0341-9721169 245 Zusammenfassung Die Behandlung von komplexen tu- morösen, entzündlichen, traumati- schen, vaskulären Prozessen oder entwicklungsbedingten Störungen im Bereich der Schädelbasis erfor- dert in zunehmendem Maß die inter- disziplinäre Zusammenarbeit der Fächer, die in dieser Region diag- nostisch und therapeutisch tätig sind. Aufgrund dieser notwendigen Kooperation verschiedener Fach- disziplinen eines Klinikums er- scheint die Institutionalisierung im Sinn einer Arbeitsgemeinschaft oder eines Zentrums sinnvoll, um so auf der Grundlage spezifischer Erfah- rungen die bestmögliche Behand- lung dieser Patienten zu ermög- lichen. Darüber hinaus kann vom Aufbau eines solchen, als Gesamt- heit auftretenden klinikgebundenen Zentrums für Schädelbasischirurgie auch eine nicht unwichtige Außen- wirkung für die Vertretung dieser Disziplin erwartet werden. Auf Initi- ative von 11 Kliniken und Instituten erfolgte unter Federführung der Kliniken für Neurochirurgie, Hals- Nasen-Ohren-Krankheiten sowie Mund-, Kiefer- und Plastische Ge- sichtschirurgie im März 1997 die Gründung des Interdisziplinären Zentrums für Schädelbasischirurgie der Universität Leipzig (IZSL). Fol- gende Ziele wurden definiert: Ver- besserung der interdisziplinären kli- nischen Versorgung von Patienten mit Prozessen der Schädelbasis, ei- ne begleitende wissenschaftliche Aufarbeitung und Auswertung des Patientenguts, die Förderung der klinischen und experimentellen For- schung auf dem Gebiet der Schädel- basischirurgie sowie die Durchfüh- rung von Ausbildungs- bzw. Fortbil- dungsveranstaltungen und wissen- schaftlichen Tagungen. Aufbau, Konzept und erste Erfahrungen des Leipziger Zentrums für Schädelbasis- chirurgie werden dargestellt. Schlüsselwörter Diagnose und Therapie von Erkran- kungen der Schädelbasis · Schädel- basischirurgie · Interdisziplinäre Ko- operation ORIGINALIEN

Transcript of Institutionalisierung der Schädelbasischirurgie; Structure, concept, and first experiences of the...

Wenn auch erste Anfänge chirurgi-scher Interventionen im Bereich derSchädelbasis längere Zeit zurückdatie-ren und Pioniere wie Harvey Cuhing,Charles Frazier und Walter E. Dandybereits in der ersten Hälfte dieses Jahr-hunderts wegweisende Beiträge zurSchädelbasischirurgie verfasst haben[9], wurden doch die wesentlichenTechniken und Methoden der heutigenSchädelbasischirurgie erst seit den50er und 60er Jahren entwickelt. We-sentliche Impulse ergaben sich durchdie diagnostischen Möglichkeiten mo-derner bildgebender Verfahren, dieEntwicklung der interventionellen Ra-diologie, die Fortschritte in der Anäs-thesie und die kontinuierliche Weiter-entwicklung chirurgischer Techniken.Hierbei sind insbesondere die Einfüh-rung mikrochirurgischer Techniken zu-sammen mit der Herstellung präzisermikrochirurgischer Instrumente zu er-wähnen, die Standardisierungen in deronkologischen Chirurgie und die Ent-wicklung kraniofazialer Operations-

methoden. Die Mikrochirurgie ist zumeinen wesentliche Komponente bei derSchädelbasischirurgie, zum anderenoft notwendige Voraussetzung für re-konstruktive Maßnahmen. Durch mi-krochirurgische Techniken wurden diepräzise Dekompression und Erhaltungvon Hirnnerven, -gefäßen und andererStrukturen ebenso möglich wie auchdie Rekonstruktion neuraler und vas-kulärer Strukturen einschließlich derNutzung des freien mikrochirurgi-schen Gewebetransfers für die Rekon-struktion [1, 2]. Auch in der Rekon-struktion der knöchernen Strukturenwurden Fortschritte gemacht, die vonder Optimierung autologer Transplan-tattechniken [10, 16] bis hin zur Ver-wendung individuell gefräster Titan-implantate [8] reichen.

Die chirurgische Entwicklung imBereich der Schädelbasischirurgie warund ist wie in kaum einer anderen ana-tomischen Region von den Beiträgenunterschiedlicher Fachdisziplinen ge-prägt. Aus den Erfordernissen ihres je-weiligen Fachgebiets heraus beschrie-ben Paul Tessier u.a. Zugangswege fürdie Behandlung entwicklungsbeding-ter, traumatischer oder neoplastischerErkrankungen der Schädelbasis. DieMöglichkeit, ausgedehnte kraniofazia-le Osteotomien mit primärer Wundhei-lung und Erhalt des Sehvermögens

Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 :245–248 © Springer-Verlag 2000

Institutionalisierung der SchädelbasischirurgieAufbau, Konzept und erste Erfahrungen des Interdiziplinären Zentrums für Schädelbasischirurgie der Universität Leipzig (IZSL)

B. Frerich1, V. Seifert2, F. Bootz3, A. Hemprich1, O. Spanehl4

1 Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie(Prof. Dr. Dr. A. Hemprich), Universität Leipzig2 Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie (Prof. Dr. V. Seifert), Johann-Wolfgang-Goethe-Universität, Frankfurt am Main3 Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten (Prof. Dr. F. Bootz), Universität Leipzig4 Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie (Prof. Dr. H.-E. Vitzthum), Universität Leipzig

Frau Prof. Dr. Dr. B. Langanke zum 65. Ge-burtstag gewidmet

Dr. Dr. habil. B. Frerich, Klinischer Koordina-tor des IZSL, Klinik für Mund-, Kiefer- undPlastische Gesichtschirurgie, Universität Leip-zig, Nürnberger Straße 57, 04103 Leipzig,Deutschland Tel.: 0341-9721117, Fax: 0341-9721169

245

Zusammenfassung

Die Behandlung von komplexen tu-morösen, entzündlichen, traumati-schen, vaskulären Prozessen oderentwicklungsbedingten Störungenim Bereich der Schädelbasis erfor-dert in zunehmendem Maß die inter-disziplinäre Zusammenarbeit derFächer, die in dieser Region diag-nostisch und therapeutisch tätigsind. Aufgrund dieser notwendigenKooperation verschiedener Fach-disziplinen eines Klinikums er-scheint die Institutionalisierung imSinn einer Arbeitsgemeinschaft odereines Zentrums sinnvoll, um so aufder Grundlage spezifischer Erfah-rungen die bestmögliche Behand-lung dieser Patienten zu ermög-lichen. Darüber hinaus kann vomAufbau eines solchen, als Gesamt-heit auftretenden klinikgebundenenZentrums für Schädelbasischirurgieauch eine nicht unwichtige Außen-wirkung für die Vertretung dieserDisziplin erwartet werden. Auf Initi-ative von 11 Kliniken und Institutenerfolgte unter Federführung der Kliniken für Neurochirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten sowieMund-, Kiefer- und Plastische Ge-sichtschirurgie im März 1997 dieGründung des InterdisziplinärenZentrums für Schädelbasischirurgieder Universität Leipzig (IZSL). Fol-gende Ziele wurden definiert: Ver-besserung der interdisziplinären kli-nischen Versorgung von Patientenmit Prozessen der Schädelbasis, ei-ne begleitende wissenschaftlicheAufarbeitung und Auswertung desPatientenguts, die Förderung derklinischen und experimentellen For-schung auf dem Gebiet der Schädel-basischirurgie sowie die Durchfüh-rung von Ausbildungs- bzw. Fortbil-dungsveranstaltungen und wissen-schaftlichen Tagungen. Aufbau,Konzept und erste Erfahrungen desLeipziger Zentrums für Schädelbasis-chirurgie werden dargestellt.

Schlüsselwörter

Diagnose und Therapie von Erkran-kungen der Schädelbasis · Schädel-basischirurgie · Interdisziplinäre Ko-operation

O R I G I N A L I E N

durchführen zu können [22], beflügel-te die Beschreibung neuer Operations-methoden enorm [7]. Gerade in jünge-rer Zeit entwickelte Zugänge zur Schä-delbasis sind häufig das Ergebnis fach-übergreifender Kooperationen [4, 5,12, 15, 17, 18, 25]. Unbestritten erfor-dert die Behandlung von komplexenErkrankungen der Schädelbasis des-halb immer mehr die interdisziplinäreZusammenarbeit. Daraus haben sichkonsequenterweise unterschiedlicheVerflechtungen zwischen einzelnenFachgebieten entwickelt, bis hin zumultidisziplinären Arbeitsgruppen, dieüber längere Zeit der Zusammenarbeitund hohe Patientenzahlen mit entspre-chender Erfahrung verfügen, z.B. Jooset al. [14], Wiedemayer et al. [24] undZöller et al. [25]. Eine echte Institutio-nalisierung dieser Kooperation im Sinneiner Arbeitsgemeinschaft oder einesZentrums gibt es im deutschsprachigenRaum bislang nur selten, so ist z.B. inFreiburg bereits in den 80er Jahren ei-ne Arbeitsgemeinschaft gegründet

worden [13]. Im nordamerikanischenBereich sind solche Zentren bereits ingrößerer Zahl etabliert (z.B. Bumpuosu. Janecka [3], DeMonte [6]).

In Anlehnung an diese Vorbilderwurde im März 1997 auf Initiative von11 Kliniken und Instituten der Univer-sität Leipzig unter Federführung derKliniken für Neurochirurgie, Hals-, Na-sen-, Ohrenkrankheiten und Mund-,Kiefer- und Plastische Gesichtschirur-gie das Interdisziplinäre Zentrum fürSchädelbasischirurgie der UniversitätLeipzig (IZSL) gegründet, das somit imdeutschsprachigen Raum eine der ers-ten Institutionalisierungen dieser fach-übergreifenden Zusammenarbeit dar-stellt. Zugehörige Teilnehmer sind ne-ben den Kliniken für Augenheilkunde,Kinderchirurgie, Neurologie und Strah-lentherapie auch die Diagnostische Ra-diologie sowie das Pathologische unddas Anatomische Institut. Es wurde so-mit der notwendigen, de facto bereitsexistierenden und zunehmenden Ko-operation bei der Behandlung von

Schädelbasisprozessen Rechnung ge-tragen. Es ist das Anliegen der Autoren,die Ziele und den Aufbau des IZSL dar-zustellen sowie über erste Erfahrungenmit dem Zentrum zu berichten.

Ziele, Aufbau und Konzeptdes Zentrums

Die Gründung war in erster Linie mitdem Ziel verbunden, langfristig eineOptimierung und Standardisierung derinterdisziplinären klinischen Versor-gung von Patienten mit Schädelbasis-eingriffen zu erreichen. Zentrale Ein-richtungen in diesem Sinn sind dieDurchführung interdisziplinärer klini-scher Konferenzen und die begleitendeDokumentation des Krankenguts. DieVorstellung und gemeinsame Bespre-chung komplexer Fälle in einer klini-schen Konferenz bietet die Möglich-keit, Erfahrungen verschiedener Fach-gebiete zusammenzuführen und zu-dem ein Forum für externe Fallvorstel-lungen aus umliegenden Kliniken zuetablieren. Einen weiteren Beitrag sol-len die Dokumentation und die wis-senschaftliche Aufarbeitung des Kran-kenguts leisten. Geplant sind auch dieForschungsförderung auf dem Gebietder Schädelbasiserkrankungen sowiedie Durchführung von Kursen, Fortbil-dungen und Tagungen.

Von der Struktur her besteht dasZentrum aus einem losen Verbund derinteressierten Kliniken und Institute.Teilnehmer sind neben den operativenFächern auch die diagnostisch invol-vierten Disziplinen und Grundlagenfä-cher. Die Leitung setzt sich aus einemfür 2 Jahre gewählten Vorsitzendenund seinem Stellvertreter sowie einemklinischen Koordinator zusammen.Vertreter der übrigen Kliniken und In-stitute sind in einem Beirat zusammen-gefasst. Der Koordinator ist für dieEinberufung der klinischen Fallkonfe-renzen und die zentrale Patientendoku-mentation zuständig (Tabelle 1).

In den beteiligten Kliniken wird zu-sätzlich jeweils ein Kollege als An-sprechpartner bestimmt. Diese An-sprechpartner führen die klinikbezoge-ne Dokumentation aller behandeltenPatienten mit Erkrankungen der Schä-delbasis durch und leiten sie an denKoordinator weiter. Die zentrale Do-kumentation wird regelmäßig aktuali-

246

O R I G I N A L I E N

Mund Kiefer GesichtsChir (2000) 4 :245–248 © Springer-Verlag 2000

Structure, concept, and first experiences of the University of Leipzig. Interdisciplinary Center of Skull Base Surgery (IZSL)Institutionalization of skull base tumor surgery

B. Frerich, V. Seifert, F. Bootz, A. Hemprich, O. Spanehl

Abstracts

The treatment of complex tumorous,inflammatory, traumatic, vascularprocesses, or developmental disor-ders of the skull base increasinglyneeds the interdisciplinary coopera-tion of specialties involved in diag-nostics or treatment. Due to this in-evitable cooperation of different hos-pital specialties, institutionalizationof skull base surgery, organized as acenter or working group, seems rec-ommendable. Moreover, such a cen-ter may have additional effects on theexternal representation of skull basesurgery, which is also important. Onthe initiative of 11 departments andinstitutes of the university hospital ofLeipzig, the Interdisciplinary Center

of Skull Base Surgery (IZSL) wasfounded in March 1997. The follow-ing aims were proclaimed: improve-ment of the interdisciplinary clinicaltreatment of patients with skull basediseases, evaluation of the patient’sdata, advancement of clinical and ex-perimental research on the field ofskull base surgery, as well as the or-ganization of meetings for trainingand teaching and scientific meetings.Structure, concept, and first experi-ences of the interdisciplinary centerof skull base surgery are discussed.

Keywords

Diagnosis and treatment of skullbase diseases · Skull base surgery ·Interdisciplinary cooperation

siert und vom Koordinator geführt.Zielvorstellung ist eine Datenbank, dielangfristig auch Kollektivvergleichemit anderen Zentren ermöglichen soll.

Die Ansprechpartner der einzelnenKliniken melden dem Koordinator auchdie Fälle, zu denen die Einberufung ei-ner klinischen Konferenz gewünschtwird. Die Organisation dieser Fallvor-stellungen wird durch den Koordinatorvorgenommen, der dazu generell alleam Zentrum beteiligten Kliniken undInstitute informiert. Die Fallvorstellun-gen erfolgen somit nach Maßgabe dervorstellenden Kliniken. In der Regel

sind es klinisch komplexe oder seltene-re Fälle, die zur Vorstellung kommenund die dann im Beisein aller diagnos-tisch und operativ involvierten Diszi-plinen besprochen werden können.

Bisherige Erfahrungen mit dem IZSL und Schlussfolgerungen

In den letzten 21/2 Jahren, von 1997 bisSeptember 1999, wurden in den amZentrum beteiligten Kliniken insge-samt 251 Schädelbasiseingriffe durch-

geführt. Tabelle 2 zeigt eine Auflistungder Eingriffe getrennt nach häufigenDiagnose- bzw. Lokalisationsgruppen.Im Wesentlichen handelte es sich umtumoröse Prozesse (191 Fälle, 76%).Häufigste Schädelbasiseingriffe warenHypophysentumoren, es folgten Akus-tikusneurinome sowie diejenigen Me-ningeome, die aufgrund ihrer Lokali-sation als Schädelbasiseingriffe gewer-tet wurden. Von einem interdisziplinä-ren Team wurden mit 118 Operationen47% der Fälle behandelt. Vor allem fol-gende Operationen wurden interdiszi-plinär durchgeführt: zum einen Klein-hirnbrückenwinkeltumoren über dentranstemporalen oder den translabyrin-thären Zugang und Hypophysentumo-ren mit transseptalem oder transsphe-noidalem Zugang als Kooperation vonNeurochirurgie und HNO, aus derGruppe der Meningeome die ausge-dehnteren Keilbeinflügelmeningeome,die eine Orbitarekonstruktion zusam-men mit der Kiefer-Gesichts-Chirurgieerforderlich machten, ferner die trau-matologischen Fälle sowie ausgedehn-te Karzinome mit Schädelbasisbeteili-gung. Seit dem Start des Zentrums hatsich der Anteil interdisziplinär durch-geführter Operationen im Bereich der

247

Tabelle 1Organisatorische Struktur des Interdisziplinären Zentrums für Schädelbasischirurgie der Universität Leipzig (IZSL)

Vorsitzender und Stellvertreter für 2 Jahre gewählt

Klinischer Koordinator – Einberufung klinischer Fallkonferenzen– Zentrale Datenerfassung und Dokumentation

Ansprechpartner – Klinikbezogene Dokumentation von Schädelbasiseingriffen in den Kliniken und Weitergabe an den Koordinator

– Je nach Bedarf der Kliniken Meldung von Patienten für interdisziplinäre Konferenz an den Koordinator

Beirat Alle übrigen Kliniken

Tabelle 2Seit dem Start des Zentrums 1997 bis September 1999 behandelte Fälle in einer Auflistung nach häufigen Diagnosegruppen bzw. Entitäten (teils nach Lokalisation bzw. operativen Zugang, teils nach histologischer Diagnose aufgeführt). Zweizeitiges Vorgehen in kurzem zeitlichem Abstand wurde als ein „Fall“ gewertet. Als „interdisziplinäre“ Fälle wurden diejenigen angegeben, bei denen 2 oder mehr Disziplinen an der Behandlung(in der Regel Operation) unmittelbar beteiligt waren, unabhängig davon, dass die Diagnostische Radiologie grundsätzlich und die Pathologie in der Mehrzahl aller Fälle involviert waren

Diagnosen Fälle 1997–1999 Davon interdisziplinär behandelt Interdisziplinäre Kooperation

Sellatumoren 54 31 NEU/HNOKHBW 44 22 NEU/HNOMeningeome, spheno-orbital 26 15 NEU/MKGMeningeome, sonstiger Sitz 25 1 NEU/HNOKraniopharyngeome 6 0 –Chordome 3 3 NEU/HNOKarzinome 16 11 NEU/MKG/HNO/RAD/AUGSonstige Tumoren 17 8 NEU/HNO/MKG/AUG/KCH/RAD

Tumoren insgesamt 191 (76%) 91

MVD Janetta 17 0 –Trauma 31 17 NEU/MKG/HNO/KCHSonstiges 12 10 NEU/HNO/MKG/RAD/AUG

Eingriffe gesamt 251 (100%) 118 (47%)

NEU Neurochirurgie, AUG Augenheilkunde, RAD Strahlentherapie, KCH Kinderchirurgie

Schädelbasis erheblich vergrößert. Eswurden Zugangswege verwendet undRekonstruktionen nach Tumorresek-tionen durchgeführt, die vorher we-sentlich seltener oder gar nicht zur An-wendung kamen [23]. Insofern ergabsich ein Fortschritt in der Behandlungvon Schädelbasiserkrankungen, vondem die Patienten und nicht zuletztauch die beteiligten Kliniken quantita-tiv und qualitativ profitiert haben.

Der interdisziplinäre Gedanke er-schöpft sich dabei nicht in der Koope-ration der operativen Fächer. Wesentli-che Impulse ergeben sich auch aus derzunehmenden unmittelbaren Verknüp-fung von Bildgebung und operativenMaßnahmen, genannt seien das offeneMRT, das seit 2 Jahren in der Radiolo-gischen Klinik der Universität Leipzigzur Verfügung steht und in dem Opera-tionen unter sterilen Kautelen mit lau-fender MRT-Kontrolle durchgeführtwerden können [19, 21], oder aus com-putergesteuerten intraoperativen Navi-gationsverfahren [11, 20].

Es muss allerdings konzediert wer-den, dass die Fallvorstellungen in kli-nischen Konferenzen in der Anfangs-zeit wesentlich häufiger als in der Fol-gezeit durchgeführt wurden, was sichsicherlich damit begründen lässt, dassfür spezifische Operationen, Zugangs-wege oder rekonstruktive Maßnahmendie jeweils behandelnde Fächerkon-stellation gebahnt worden war und so-mit entsprechende Absprachen „bilate-ral“ erfolgten. Nichtsdestotrotz sinddie „multidisziplinären“ Fallbespre-chungen wesentliche Voraussetzungfür den Erfolg eines solchen Zentrums.Auch Joos et al. [14] betonten, dass derinterdisziplinäre Ansatz wesentlichenAnteil an den vergleichsweise hohenÜberlebensraten ihrer Arbeitsgruppe inder Behandlung von Malignomen derSchädelbasis hat. Auch von Wiede-mayer et al. [24] wurde in Bezug aufdie Behandlung von Tumoren der vor-deren Schädelbasis hervorgehoben,dass sich Komplikationen auf Dauernur durch die zunehmende Erfahrunginterdisziplinärer Teams vermeidenlassen. Es bleibt daher eine permanen-te Aufgabe, diesen wesentlichen As-pekt des Zentrums, der den Gedanken-und Meinungsaustausch überhaupt er-möglicht, als Forum für alle beteiligtenDisziplinen zu beleben.

Insgesamt lässt sich ein vorläufigesFazit dergestalt ziehen, dass mit derEtablierung des interdisziplinären Zen-trums für Schädelbasischirurgie einequantitative und qualitative Verbesse-rung in der operativen Behandlung vonSchädelbasiserkrankungen erwartetwerden kann und dass Modelle dieserArt geeignet sind, die notwendige inter-disziplinäre Kooperation zu fördernund auszubauen. Obwohl sicher nochnicht alle der angestrebten Ziele im ge-wünschten Ausmaß erreicht wordensind, ist es nicht zuletzt ein wesentlicherGesichtspunkt in diesem Zusammen-hang, dass durch eine geschlossene Ver-tretung der Behandlung von Schädelba-siserkrankungen ein Ansprechpartnerfür umliegende Krankenhäuser undniedergelassene Kollegen zur Verfü-gung steht, von dem die Beteiligten undv. a. die Patienten profitieren.

Literatur

1. Besteiro JM, Aki FE, Ferreira MC, MedinaLR, Cernea C (1994) Free flap reconstruc-tion of tumors involving the cranial base.Microsurgery 15:9–13

2. Bootz F, Gawlowski J (1995) Repair of an-terior base of skull with free latissimus dor-si flap. Acta Neurochir (Wien) 133:195–200

3. Bumpuos J, Janecka IP (1995) Transorbitalapproaches to the cranial base. Clin PlastSurg 22:461–481

4. Cocke EJ, Robertson JH, Robertson JT,Crook JJ (1990) The extended maxillotomyand subtotal maxillectomy for excision ofskull base tumors. Arch Otolaryngol HeadNeck Surg 116:92–104

5. Crockard HA, Sen CN (1991) The transoralapproach for the management of intradurallesions at the craniovertebral junction: re-view of 7 cases. Neurosurgery 28:88–98

6. DeMonte F (1995) Surgery of skull base tu-mors. Curr Opin Oncol 7:201–206

7. Derome PJ (1977) The transbasal approachto tumors invading the base of the skull. In:Schmidek HH, Sweet WH (eds) Currenttechniques in operative neurosurgery. Grune& Stratton, New York, pp 223–245

8. Eufinger H, Wehmöller M (1998) Individualprefabricated titanium implants in recon-structive craniofacial surgery: clinical andtechnical aspects of the first 22 cases. PlastReconstr Surg 102:300–308

9. Goodrich JT (1997) Historical antecedentsof skull base surgery. In: Janecka IP, Tiede-mann K (eds) Skull base surgery: anatomy,biology and technology. Lippincott-Raven,Philadelphia, pp 17–53

10. Goodrich JT, Argamaso R, Hall CD (1992)Split-thickness bone grafts in complex craniofacial reconstructions. Pediatr Neuro-surg 18:195–201

11. Hassfeld S, Zöller J, Albert FK, Wirtz CR,Knauth M, Mühling J (1998) Preoperativeplanning and intraopeative navigation inskull base surgery. J Craniomaxillofac Surg26:220–225

12. Janecka IP, Sen CN, Sekhar LN, Arriaga M(1990) Facial translocation: a new approachto the cranial base. Otolaryngol Head NeckSurg 103:413–419

13. Joos U, Mann W, Gilsbach J (1985) Die Be-handlung von großen Tumoren im Bereichder Kieferhöhle. In: Watzek G, Mateijka M(Hrsg) Erkrankungen der Kieferhöhle.Springer, Berlin Heidelberg New York

14. Joos U, Mann W, Gilsbach J (1998) Micro-surgical treatment of midfacial tumours in-volving the skull base. CraniomaxillofacSurg 26:226–234

15. Kennedy DW, Papel ID, Holliday M (1986)Transpalatal approach to the skull base. EarNose Throat J 65, 125:127–33

16. Krüger C, Mohr C, Stolke D (1998) Rekon-struktion der Frontobasis nach Tumoropera-tionen und Traumen. Transplantatauswahlund funktionelle Ergebnisse. Mund KieferGesichtschir 2:70–74

17. Raffel C, Edwards MS, Davis RL, Ablin AR(1985) Postirradiation cerebellar glioma.Case report. J Neurosurg 62:300–303

18. Sasaki CT, Ariyan S, Spencer D, Buckwal-ter J (1985) Pectoralis major myocutaneousreconstruction of the anterior skull base.Laryngoscope 95:162–166

19. Schneider JP, Dietrich J, Lieberenz S,Schmidt F, Sorge O, Trantakis C, Seifert V,Kellermann S, Schober R, Franke P (1999)Preliminary experience with interactive guid-ed brain biopsies using a vertically opened0.5-T MR system. Eur Radiol 9:230–236

20. Schul C, Wassmann H, Skopp GB, MarinovM, Wolfer J, Schuierer G, Joos U, Willich N(1998) Surgical management of intraosseousskull base tumors with aid of operating armsystem. Comput Aided Surg 3:312–319

21. Seifert V, Zimmermann M, Trantakis C,Vitzthum HE, Kühnel K, Raabe A, Bootz F,Schneider JP, Schmidt F, Dietrich J (1999)Open MRI-guided neurosurgery. Acta Neu-rochir (Wien) 141:455–464

22. Tessier P, Guiot G, Rougerie J, Delbet JP,Pastoriza J (1967) Osteotomies cranio-na-so-orbito-faciales. Hypertelorisme. AnnChir Plast 12:103–118

23. Trantakis C, Frerich B, Seifert V (2000)Raumfordernde Prozesse fronto-orbito-tem-poral, ein interdisziplinäres Behandlungs-konzept. Tagungsbeitrag 4. Workshop derDeutschen Gesellschaft für Schädelbasis-chirurgie in Hamburg 1998, in Publikation

24. Wiedemayer H, Mohr C, Seifert V, SchettlerD (1998) Interdisziplinäre operative Thera-pie von Tumoren der frontalen Schädelbasis.Mund Kiefer Gesichtschir 2:58–62

25. Zöller JE, Albert FK, Mühling J (1998)Modifikationen der frontoorbitalen Osteo-tomie als Zugangswege zur vorderen undmittleren Schädelbasis. Mund Kiefer Ge-sichtschir 2:25–28

248

O R I G I N A L I E N