Interventioneller Verschluss oder konservative Therapie?

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Kryptogener Schlaganfall bei offenem Foramen ovale Interventioneller Verschluss oder konservative Therapie? Fragestellung: Ist der interventionelle Verschluss eines offenen Foramen ovale bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall im Alter unter 60 Jahren einer medikamentösen erapie mit rombozytenfunktionshemmern oder oralen Antikoagulan- zien überlegen? Hintergrund: Bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall im Alter unter 60 Jahren wird in Fall-Kontroll-Studien überpro- portional häufig ein offenes Foramen ovale gefunden. Daher wurde angenommen, dass ein kausaler Zusammenhang zwi- schen dem offenen Foramen ovale und kryptogenen Schlagan- fällen besteht. Die Mitte letzten Jahres publizierte CLOSURE- I-Studie hatte allerdings bei Verwendung des STARFlex-Ver- schlusssystems keine Überlegenheit der Intervention gegenüber einer konservativen erapie finden können. In der vorliegen- den RESPECT-Studie sollte der Occluder der Firma Amplatzer untersucht werden. Patienten und Methodik: Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine prospektive multizentrische randomisierte Stu- die, bei Patienten im Alter unter 60 Jahren mit kryptogenem Schlaganfall. Die Studienteilnehmer wurden entweder in eine Interventionsgruppe mit Verschluss des offenen Foramen ovale oder in eine Gruppe mit konservativer erapie mit rom- bozytenfunktionshemmern oder oralen Antikoagulanzien ran- domisiert. Der primäre Studienendpunkt war die Kombination aus erneutem nicht tödlichem ischämischem Schlaganfall, töd- lichem ischämischem Insult oder Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Implantation beziehungsweise 45 Tagen nach der Ran- domisierung. Ergebnisse: In die Studie wurden 980 Patientin in einem mitt- leren Alter von 46 Jahren eingeschlossen. Die meisten Patienten hatten ein großes offenes Foramen ovale und 35 % der Patienten wiesen ein Vorhofseptumaneurysma auf. Die mediane Zeit vom initialen Schlaganfall bis zur Randomisierung betrug 120 Tage. Die durchschnittliche Beobachtungszeit innerhalb der Studie lag bei 2,6 Jahren. Die Drop-out-Rate betrug 14,2% in der kon- servativ behandelten Gruppe und 9,2% in der interventionell behandelten Gruppe. Die konservative Behandlung bestand aus einer Monotherapie mit Acetylsalicylsäure bei 46,5% der Pa- tienten, einer Monotherapie mit Warfarin bei 25,2% der Pati- enten, einer Monotherapie mit Clopidogrel bei 14 % der Patien- ten und der Kombination von Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol bei 8% der Pa- tienten. Insgesamt tritt in dieser Studie bei 25 Patienten ein primärer Endpunkt ein. Da- bei handelte es sich in allen Fällen um nicht tödliche ischämische Schlaganfälle. In der In- tention-to-treat-Analyse traten neun Ereignisse bei den Patien- ten mit Verschluss des offenen Formen ovale auf und 16 in der konservativ behandelten Gruppe. Dies entspricht einer Risiko- reduktion von 51%, die statistisch nicht signifikant war. In der Per-Protocol-Analyse traten 20 primäre Endpunkte auf, davon sechs in der Verschlussgruppe und 14 in der konservativ behan- delten Gruppe. Die hier beobachtete Risikoreduktion von 63% war statistisch signifikant. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 23 % der Patienten der Verschlussgruppe und bei 21,6 % der Patienten der konservativ behandelten Gruppe auf. Dieser Unterschied war statistisch nicht signifikant. Nebenwirkungen der interventio- nellen erapie traten bei 21 von 499 Patienten auf. Dies ent- spricht 4,2%. Schlussfolgerung: Der Verschluss eines offenen Foramen ovale bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall mit dem AMPLATZER-Device hat einen starken Trend zugunsten der interventionellen erapie bezüglich rezidivierenden ischämi- schen Insulten. Der Unterschied war allerdings statistisch nicht signifikant. Carroll JD, Saver JL, Thaler DE et al; RESPECT Investigators. Closure of patent foramen ovale versus medical therapy after cryptogenic stroke. N Engl J Med 2013; 368: 1092 –100 -Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen Antikoagulation ebenso wirksam Diese große prospektive randomisierte Studie ist methodisch und technisch gut durchgeführt. Allerdings war sie bezüglich des primären Endpunktes in der Intention-to-treat-Analyse nicht signifikant. Der Unterschied zwischen der Intention-to- treat- und der Per-Protocol-Analyse liegt darin, dass einige der Patienten, die in die konservative Therapiegruppe randomi- siert worden waren, einen Verschluss des offenen Foramen ovale erhielten. Betrachtet man die Subgruppenanalysen, dann hat es den Anschein, als wenn Foramina mit großem Shunt-Volumen und Vorhofseptumaneurysma am ehesten von einem Verschluss profitieren. Betrachtet man die konser- vative Therapie, ergab sich bei antikoagulierten Patienten kein Unterschied zur Intervention, während es einen signifikanten Unterschied für Patienten gab, die nur mit Thrombozyten- funktionshemmern behandelt wurden. Fasst man die Daten- lage zusammen, ist leider immer noch nicht endgültig geklärt, ob der Verschluss eines offenen Foramen ovale beim krypto- genen Schlaganfall wirklich weitere Schlaganfälle verhindert. Nach den Ergebnissen der RESPECT-Studie ist eine orale Anti- koagulation offenbar genauso wirksam. Der Verschluss des offenen Foramen ovale käme dann insbesondere bei Patien- ten zum Einsatz, bei denen unter oraler Antikoagulation ein Rezidivereignis eintritt. journal club 26 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2013; 15 (7-8)

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Kryptogener Schlaganfall bei offenem Foramen ovale

Interventioneller Verschluss oder konservative Therapie? Fragestellung: Ist der interventionelle Verschluss eines o�enen Foramen ovale bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall im Alter unter 60 Jahren einer medikamentösen �erapie mit �rombozytenfunktionshemmern oder oralen Antikoagulan-zien überlegen?

Hintergrund: Bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall im Alter unter 60 Jahren wird in Fall-Kontroll-Studien überpro-portional häu�g ein o�enes Foramen ovale gefunden. Daher wurde angenommen, dass ein kausaler Zusammenhang zwi-schen dem o�enen Foramen ovale und kryptogenen Schlagan-fällen besteht. Die Mitte letzten Jahres publizierte CLOSURE-I-Studie hatte allerdings bei Verwendung des STARFlex-Ver-schlusssystems keine Überlegenheit der Intervention gegenüber einer konservativen �erapie �nden können. In der vorliegen-den RESPECT-Studie sollte der Occluder der Firma Amplatzer untersucht werden.

Patienten und Methodik: Bei dieser Untersuchung handelt es sich um eine prospektive multizentrische randomisierte Stu-die, bei Patienten im Alter unter 60 Jahren mit kryptogenem Schlaganfall. Die Studienteilnehmer wurden entweder in eine Interventionsgruppe mit Verschluss des o�enen Foramen ovale oder in eine Gruppe mit konservativer �erapie mit �rom-bozytenfunk tionshemmern oder oralen Antikoagulanzien ran-domisiert. Der primäre Studienendpunkt war die Kombina tion aus erneutem nicht tödlichem ischämischem Schlaganfall, töd-lichem ischämischem Insult oder Tod innerhalb von 30 Tagen nach der Implantation beziehungsweise 45 Tagen nach der Ran-domisierung.

Ergebnisse: In die Studie wurden 980 Patientin in einem mitt-leren Alter von 46 Jahren eingeschlossen. Die meisten Patienten hatten ein großes o�enes Foramen ovale und 35% der Patienten wiesen ein Vorhofseptumaneurysma auf. Die mediane Zeit vom initialen Schlaganfall bis zur Randomisierung betrug 120 Tage. Die durchschnittliche Beobachtungszeit innerhalb der Studie lag bei 2,6 Jahren. Die Drop-out-Rate betrug 14,2% in der kon-servativ behandelten Gruppe und 9,2% in der interventionell behandelten Gruppe. Die konservative Behandlung bestand aus einer Monotherapie mit Acetylsalicylsäure bei 46,5% der Pa-tienten, einer Monotherapie mit Warfarin bei 25,2% der Pati-enten, einer Monotherapie mit Clopidogrel bei 14% der Patien-

ten und der Kombina tion von Acetylsalicylsäure plus Dipyridamol bei 8% der Pa-tienten.

Insgesamt tritt in dieser Studie bei 25 Patienten ein primärer Endpunkt ein. Da-bei handelte es sich in allen

Fällen um nicht tödliche ischämische Schlaganfälle. In der In-tention-to-treat-Analyse traten neun Ereignisse bei den Patien-ten mit Verschluss des o�enen Formen ovale auf und 16 in der konservativ behandelten Gruppe. Dies entspricht einer Risiko-reduktion von 51%, die statistisch nicht signi�kant war. In der Per-Protocol-Analyse traten 20 primäre Endpunkte auf, davon sechs in der Verschlussgruppe und 14 in der konservativ behan-delten Gruppe. Die hier beobachtete Risikoreduktion von 63% war statistisch signi�kant.

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten bei 23 % der Patienten der Verschlussgruppe und bei 21,6 % der Patienten der konservativ behandelten Gruppe auf. Dieser Unterschied war statistisch nicht signi�kant. Nebenwirkungen der interventio-nellen �erapie traten bei 21 von 499 Patienten auf. Dies ent-spricht 4,2%.

Schlussfolgerung: Der Verschluss eines o�enen Foramen ovale bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall mit dem AMPLATZER-Device hat einen starken Trend zugunsten der interventionellen �erapie bezüglich rezidivierenden ischämi-schen Insulten. Der Unterschied war allerdings statistisch nicht signi�kant.

Carroll JD, Saver JL, Thaler DE et al; RESPECT Investigators. Closure of patent foramen ovale versus medical therapy after cryptogenic stroke. N Engl J Med 2013; 368: 1092 –100

−Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Antikoagulation ebenso wirksamDiese große prospektive randomisierte Studie ist methodisch und technisch gut durchgeführt. Allerdings war sie bezüglich des primären Endpunktes in der Intention-to-treat-Analyse nicht signi�kant. Der Unterschied zwischen der Intention-to-treat- und der Per-Protocol-Analyse liegt darin, dass einige der Patienten, die in die konservative Therapiegruppe randomi-siert worden waren, einen Verschluss des o�enen Foramen ovale erhielten. Betrachtet man die Subgruppenanalysen, dann hat es den Anschein, als wenn Foramina mit großem Shunt-Volumen und Vorhofseptumaneurysma am ehesten von einem Verschluss pro�tieren. Betrachtet man die konser-vative Therapie, ergab sich bei antikoagulierten Patienten kein Unterschied zur Intervention, während es einen signi�kanten Unterschied für Patienten gab, die nur mit Thrombozyten-funktionshemmern behandelt wurden. Fasst man die Daten-lage zusammen, ist leider immer noch nicht endgültig geklärt, ob der Verschluss eines o�enen Foramen ovale beim krypto-genen Schlaganfall wirklich weitere Schlaganfälle verhindert. Nach den Ergebnissen der RESPECT-Studie ist eine orale Anti-koagulation o�enbar genauso wirksam. Der Verschluss des o�enen Foramen ovale käme dann insbesondere bei Patien-ten zum Einsatz, bei denen unter oraler Anti koagulation ein Rezidivereignis eintritt.

journal club

26 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2013; 15 (7-8)