Interview mit einem Gärtner

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28 die Gärtner-Fachzeitschrift 22/2012 Portrait Text und Bilder: Carmen Hocker, Winterthur Bilder: Plantago Gartenkultur GmbH Hellhörig wird Andreas Sommerhalder, wenn sich jemand einen pflegeleichten Garten wünscht. «Pflegeleichtigkeit ist für mich ein Ausdruck von Beziehungs- losigkeit», sagt er provokativ. Um seine Ansicht zu veranschaulichen, vergleicht er das Verhältnis zum Garten mit einer menschlichen Beziehung. Wer wünscht sich einen Lebenspartner, mit dem er möglichst wenig zu tun hat? Sinn einer Beziehung ist für ihn der Austausch und manchmal auch die kritische Auseinan- dersetzung. Beides führe zu gegensei- tiger Bereicherung. Andreas Sommer- halder möchte seinen Kunden zeigen, welche Lebensqualität oft vor der eige- nen Haustür brachliegt. Sein Angebot Ein Verhältnis zum eigenen Garten Warum schwärmen viele Menschen von Ferien in fremden Ländern, aber nicht vom eigenen Garten? Andreas Sommerhalder von der Plantago-Gartenkultur GmbH möchte das ändern. Seine Kunden sollen sich im Garten so wohlfühlen, dass sie im Alltag in Ferienstimmung sind. Doch was zeichnet einen solchen Garten aus – und vor allem, wie realisiert man ihn? Plantago-Gartenkultur, Münchenstein ist, aus dieser Fläche einen Garten zu gestalten, der als Gegenpol zur Hektik des Alltags seine Besitzer erfreut und erfüllt. Kurz, Plantago-Gärten sollen die Lust am Gärtnern und an der Begeg- nung mit der Natur vermitteln. «Pro-am-Gärtnern» Als begeisterter Hobbytänzer durfte Andreas Sommerhalder einmal mit ei- ner Weltmeisterin tanzen. Das brachte ihn auf die Idee, seinen Kunden «Pro- am-Gärtnern» anzubieten. «Pro-am» ist die Abkürzung für «Professional- amateur» und bezeichnet im Sport Wettkämpfe, bei denen sich Amateure mit Profis messen, zum Beispiel im Golf. «Wer sich als Amateur schon einmal mit einem Profi auseinandersetzen durfte, weiss, wie inspirierend und hilfreich das sein kann», erklärt Sommerhalder. Zwar kann man vieles durch Bücher lernen, anschaulicher ist es, wenn ein Mitarbei- ter im Gartenalltag zum Kunden stösst und ihn dort abholt, wo er gerade ist. Das gemeinsame Gärtnern führe zu einem tieferen Verständnis der Zusam- menhänge und zu einem Austausch, von dem beide Seiten profitieren. Wissen nicht konservieren Eine Haltung der Offenheit ist ein Grund- satz, den alle Mitarbeiter von Plantago verinnerlicht haben und leben: «Wir wol- len unser Wissen nicht konservieren», sagt der Gärtnermeister. Das Wissen werde nicht kleiner, wenn man es wei- tergebe. Im Gegenteil, es gebe Rückkop- pelungen. Begeisterte Hobbygärtner verfügen über Wissen, das zu spannen- den Diskussionen führen kann. Und Ler- nende zeigen Andreas Sommerhalder immer wieder etwas im Garten, was er selbst noch nicht wahrgenommen hatte. Starres Denken und Kontrollbedürfnis lehnt er ab. Das Leben an sich sei in stän- diger Wandlung. Deshalb brauche eine lebendige Gartenkultur Offenheit. Natur inszenieren «Bei der Verwendung von einheimi- schen Pflanzen gibt es noch grosses Potenzial, Ökologie und Ästhetik zu vereinen», sagt Sommerhalder. Wie das aussehen kann, wird Plantago im Som- mer 2013 zeigen. Bis dahin wird auf dem Firmengelände ein Schaugarten entste- hen. Das grösste der fünf Gartenzim- mer trägt den Arbeitstitel «Garten der Zukunft». Inhaltlich werden ihn einhei- mische Pflanzen prägen, formal soll er neue Wege der naturnahen Gartenge- staltung aufzeigen. Naturschutz bedeu- tet für Andreas Sommerhalder auch, in unserer Kulturlandschaft naturbezoge- ne Stimmungen zu schaffen. «Auf diese Weise sensibilisieren wir das Bewusst- sein des Betrachters», ist er überzeugt. Viele Firmengelände beispielsweise seien oft trostlose, verwahrloste Rest- flächen. Vielleicht ist den Verantwort- lichen gar nicht bewusst, was sich mit solchen Flächen erreichen lässt. Wie eine «grüne Visitenkarte» sollte die Ge- staltung des Firmenareals Versprechen und Stimmungen aus der Werbung ebenso widerspiegeln wie das Produkt oder die Dienstleistung selbst. Denn der Kunde nimmt solche Eindrücke bewusst oder unbewusst wahr. Ein Grund mehr, auf dem eigenen Firmengelände einen Schaugarten anzulegen. Hier möchte Sommerhalder zeigen, was gestalte- risch alles möglich ist und wie sich ein Mit Pflanzen Geschichten erzählen und Stimmungen inszenieren – das ist das Ziel der Plantago-Gartenkultur. Andreas Sommerhalder

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Warum schwärmen viele Menschen von Ferien in fremden Ländern, aber nicht vom eigenen Garten? Andreas Sommerhalder von der Plantago-Gartenkultur GmbH möchte das ändern. Seine Kunden sollen sich im Garten so wohlfühlen, dass sie im Alltag in Ferienstimmung sind. Doch was zeichnet einen solchen Garten aus – und vor allem, wie realisiert man ihn?

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28 die Gärtner-Fachzeitschrift 22/2012

Portrait

Text und Bilder: Carmen Hocker, WinterthurBilder: Plantago Gartenkultur GmbH

Hellhörig wird Andreas Sommerhalder, wenn sich jemand einen pflegeleichten Garten wünscht. «Pflegeleichtigkeit ist für mich ein Ausdruck von Beziehungs-losigkeit», sagt er provokativ. Um seine Ansicht zu veranschaulichen, vergleicht er das Verhältnis zum Garten mit einer menschlichen Beziehung. Wer wünscht sich einen Lebenspartner, mit dem er möglichst wenig zu tun hat? Sinn einer Beziehung ist für ihn der Austausch und manchmal auch die kritische Auseinan-dersetzung. Beides führe zu gegensei-tiger Bereicherung. Andreas Sommer-halder möchte seinen Kunden zeigen, welche Lebensqualität oft vor der eige-nen Haustür brachliegt. Sein Angebot

Ein Verhältnis zum eigenen Garten

Warum schwärmen viele Menschen von Ferien in fremden Ländern, aber nicht vom eigenen Garten? Andreas Sommerhalder von der Plantago-Gartenkultur GmbH möchte das ändern. Seine Kunden sollen sich im Garten so wohlfühlen, dass sie im Alltag in Ferienstimmung sind. Doch was zeichnet einen solchen Garten aus – und vor allem, wie realisiert man ihn?

Plantago-Gartenkultur, Münchenstein

ist, aus dieser Fläche einen Garten zu gestalten, der als Gegenpol zur Hektik des Alltags seine Besitzer erfreut und erfüllt. Kurz, Plantago-Gärten sollen die Lust am Gärtnern und an der Begeg-nung mit der Natur vermitteln.

«Pro-am-Gärtnern»Als begeisterter Hobbytänzer durfte Andreas Sommerhalder einmal mit ei-ner Weltmeisterin tanzen. Das brachte ihn auf die Idee, seinen Kunden «Pro-am-Gärtnern» anzubieten. «Pro-am» ist die Abkürzung für «Professional-amateur» und bezeichnet im Sport Wettkämpfe, bei denen sich Amateure mit Profis messen, zum Beispiel im Golf. «Wer sich als Amateur schon einmal mit einem Profi auseinandersetzen durfte, weiss, wie inspirierend und hilfreich das sein kann», erklärt Sommerhalder. Zwar kann man vieles durch Bücher lernen, anschaulicher ist es, wenn ein Mitarbei-ter im Gartenalltag zum Kunden stösst und ihn dort abholt, wo er gerade ist. Das gemeinsame Gärtnern führe zu einem tieferen Verständnis der Zusam-menhänge und zu einem Austausch, von dem beide Seiten profitieren.

Wissen nicht konservieren Eine Haltung der Offenheit ist ein Grund-satz, den alle Mitarbeiter von Plantago verinnerlicht haben und leben: «Wir wol-len unser Wissen nicht konservieren», sagt der Gärtnermeister. Das Wissen werde nicht kleiner, wenn man es wei-tergebe. Im Gegenteil, es gebe Rückkop-pelungen. Begeisterte Hobbygärtner verfügen über Wissen, das zu spannen-den Diskussionen führen kann. Und Ler-nende zeigen Andreas Sommerhalder immer wieder etwas im Garten, was er selbst noch nicht wahrgenommen hatte. Starres Denken und Kontrollbedürfnis lehnt er ab. Das Leben an sich sei in stän-diger Wandlung. Deshalb brauche eine lebendige Gartenkultur Offenheit.

Natur inszenieren«Bei der Verwendung von einheimi-schen Pflanzen gibt es noch grosses Potenzial, Ökologie und Ästhetik zu vereinen», sagt Sommerhalder. Wie das aussehen kann, wird Plantago im Som-mer 2013 zeigen. Bis dahin wird auf dem Firmengelände ein Schaugarten entste-hen. Das grösste der fünf Gartenzim-mer trägt den Arbeitstitel «Garten der Zukunft». Inhaltlich werden ihn einhei-mische Pflanzen prägen, formal soll er neue Wege der naturnahen Gartenge-staltung aufzeigen. Naturschutz bedeu-tet für Andreas Sommerhalder auch, in unserer Kulturlandschaft naturbezoge-ne Stimmungen zu schaffen. «Auf diese Weise sensibilisieren wir das Bewusst-sein des Betrachters», ist er überzeugt. Viele Firmengelände beispielsweise seien oft trostlose, verwahrloste Rest-flächen. Vielleicht ist den Verantwort-lichen gar nicht bewusst, was sich mit solchen Flächen erreichen lässt. Wie eine «grüne Visitenkarte» sollte die Ge-staltung des Firmenareals Versprechen und Stimmungen aus der Werbung ebenso widerspiegeln wie das Produkt oder die Dienstleistung selbst. Denn der Kunde nimmt solche Eindrücke bewusst oder unbewusst wahr. Ein Grund mehr, auf dem eigenen Firmengelände einen Schaugarten anzulegen. Hier möchte Sommerhalder zeigen, was gestalte-risch alles möglich ist und wie sich ein

Mit Pflanzen Geschichten erzählen und Stimmungen inszenieren – das ist das Ziel der Plantago-Gartenkultur.

Andreas Sommerhalder

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Portrait

innerungen wecken. Diese Erfahrung macht Andreas Sommerhalder immer wieder in Gesprächen mit Kunden. Plötzlich spürt er, dass sich diese Men-schen nach einem Ort sehnen, wo sie sich fallenlassen können. Vorausge-setzt, man lässt sich auf die Begegnung mit der Natur wieder ein. Für Sommer-halder war es das grösste Kompliment, als eine Kundin zu ihm sagte: «Bevor wir den Garten von Ihnen umgestal-ten liessen, wollte mein Mann mit dem Garten überhaupt nichts zu tun haben. Jetzt kommt er abends nach Hause und geht zuerst in den Garten, um nach den Pflanzen zu schauen.» Was sie ein biss-chen ärgert, ist, wie wohl er sich fühlt. Das Bedürfnis zu verreisen hat er kaum mehr … x

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selbst. Die kritische Äusserung einer ex-ternen Coaching-Fachfrau und Kundin von Plantago gab jedoch den Anstoss, über die Zusammenarbeit mit einem Gartenfotografen nachzudenken. Im Rahmen eines 10-Jahres-Plans sollen verschiedene Neuerungen umgesetzt werden, um der Firmenphilosophie ei-ne noch klarere Ausrichtung zu geben und damit langfristig den Erfolg zu sichern. Teil des Konzepts ist die Ent-wicklung einer eigenen Bildsprache. Zukünftig sollen nur noch jene Fotos in der Kommunikation verwendet wer-den, die dem Betrachter das Gefühl ge-ben, er könne in die Fotos eintauchen, als ob er selbst – mit allen Sinnen – in den Gärten lustwandele.

Manchmal kommt es vor, dass ein Duft oder ein Gartenbild Kindheitser-

Garten über die Jahre wandelt. Damit diese Investition Zukunft hat, schloss er für das 1000 Quadratmeter grosse Areal einen Pachtvertrag bis 2028 ab.

Naturnah zum Eintauchen Bei der Gestaltung von Kundengärten fasst Andreas Sommerhalder den Be-griff «naturnah» etwas weiter. Er be-trachtet Pflanzen als Kulturträger, mit denen man Geschichten erzählt und Stimmungen inszeniert. Die Plantago-Gestalter schöpfen dazu gerne aus dem Reichtum an Kultursorten, «weil sie gestalterisch vielseitiger sind als die einheimischen Arten», betont der Bioterra-Gärtner. Und gerade das sinn-liche Erleben sei der Schlüssel zum Gar-tenglück. Das wird ihm auch bewusst, wenn er mit Kunden durch den bereits bepflanzten Teil des Schaugartens geht. Viele Besucher sprechen ihn auf die farblich akzentuierten Pflanzenbilder an, sind neugierig, mehr über die Pflan-zen zu erfahren und lassen sich auf die Welt ein, die sich vor ihnen auftut.

Passionierte Handwerker «Unser Beruf ist zu umfassend, als dass eine Person alles abdecken könnte», ist eine Überzeugung, die Andreas Som-merhalder mit den Jahren gewonnen hat. Um seinem eigenen künstlerischen Anspruch gerecht zu werden, hat er be-gonnen, ein Netzwerk aus Spezialisten aufzubauen. Jeder solle sich auf seine Stärken konzentrieren und mit anderen Fachleuten zusammenarbeiten, mit Re-spekt vor der Arbeit des anderen. Land-schaftsgärtner hätten die Tendenz, zu sehr am Boden zu haften. Landschafts-architekten dagegen hätten meist den Weitblick, aber nicht immer das nötige gärtnerische Detailwissen. Beide Wel-ten sollten zusammenkommen, um die Architektur eines Hauses mit aus-drucksstarken Pflanzenkompositionen zu unterstützen. Dafür brauche es na-türlich fundiertes Wissen über Pflan-zenverwendung. Alois Leute, Ingenieur für Landespflege und Buchautor, ist bei Plantago der Spezialist in diesem Be-reich. Statt mit Pinsel und Farbe, schafft er Gemälde mit lebenden Pflanzen.

In Fotos lustwandeln Mittlerweile arbeitet Andreas Sommer-halder mit Fachleuten aus den unter-schiedlichsten Bereichen zusammen: einem Lichtkünstler, einem Kunst-schreiner, einem Schlosser, einem Be-wässerungsspezialisten, einem Lehm-mauerbauer und einem Fotografen. Bis vor Kurzem fotografierte er noch viel

Mit «Pro-am-Gärtnern» will Andreas Sommerhalder einen für beide Seiten bereichernden Austausch zwischen Profi- und Hobbygärtnern herstellen, mit seinen Garten räumen «Ferieninseln im Alltag» schaffen.