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Wissensmanagement in einer Behörde Das Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation als erfolgreiches Praxisbeispiel INTERVIEW

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Wissensmanagement in einer BehördeDas Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation als erfolgreiches Praxisbeispiel

INTERVIEW

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Interview Hess. Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation

Wissensmanagement in einer Behörde

Das Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation (HLBG) unterstützt mit seinen-Dienstleistungen und Produkten die Entwicklung zukunfts- und umweltorientierter Lebensräume in Hessen.

Im Zuge der Modernisierung der hessischen Lan-desverwaltung wurden die Bereiche Landes-vermessung, Liegenschaftskataster und Flur-neuordnung in der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG) zusammengeführt. Die HVGB setzt sich aus dem Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation (HLBG) und sieben Ämtern für Bodenmanagement (ÄfB) mit fünf Außenstellen sowie Anlaufstellen zusammen.

Zu den Kernkompetenzen der HVBG zählt das Führen des Liegenschaftskatasters; sie sichert damit das Eigentum an Grund und Boden. Außer-dem fördert sie die nachhaltige und umweltge-rechte Entwicklung ländlicher und urbaner Lebens-räume durch die Instrumente der Flurneuordnung und des städtebaulichen Bodenordnungsrechts.

Die HVBG stellt mit den Daten des Liegenschafts-katasters und der Landesvermessung Geobasis-daten als Grundlage für zahlreiche Fachinformati-onssysteme (z. B. im Bereich Ver- und Entsorgung, Umweltinformation und Verkehr) zur Verfügung. Sie unterhält einen einheitlichen amtlichen Raum-bezug zur Positionierung sämtlicher grundstücks- und landschaftsbezogener Informationen. Auch sorgt die HVBG für die Koordination der Geodaten-infrastruktur Hessen (GDI-Hessen), über die ver-teilt vorliegende Geodaten sinnvoll genutzt werden können.

Mit ihren Geschäftsstellen der Gutachteraus-schüsse für Immobilienwerte schafft die HVBG Transparenz auf den Immobilienmärkten durch die Ermittlung und Bereitstellung aktueller Marktdaten im Bereich der Immobilienwertermittlung.

Der eBusiness-Lotse Darmstadt-Dieburg hat mit Gerd Köhler, Ständiger Vertreter des Präsiden-ten des Hessischen Landesamtes für Bodenma-nagement und Geoinformation, ein Interview zum Thema Wissensmanagement und Wissenstransfer durchgeführt.

Das Hessische Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation setzt seit 2008 Methoden des Wissens-managements ein und stellt somit ein erfolgreiches Bei-spiel aus dem Bereich der Behörden dar.

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Interview Hess. Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation

Wir wussten aber von Anfang an auch, dass wir uns neben dem technischen Wissensmanage-ment auch dem personalisierten Wissenstrans-fer widmen müssen. Hiermit haben wir im Jahr 2014 begonnen und haben sowohl in strukturier-ten Prozessen als auch nach narrativ gestalteten Transferprozessen vor allem implizites Wissen ausscheidender Beschäftigter auf die personelle Nachfolge weitergegeben. Die Pilotphase endet in diesem Jahr und mit der Qualifizierung inter-ner („nebenamtlicher“) Personalentwicklungstrai-ner zur Begleitung künftiger narrativer Transfer-prozesse ist der Einstieg in einen systematischen personalisierten Wissenstransfer für ausgewählte Wissensträgerinnen und -träger gelegt.

eBL: In welchen Bereichen Ihrer Behörde und zu welchen Themen werden diese Werkzeuge bzw. Methoden genutzt?

Gerd Köhler: Die Nutzung unseres technischen Wissensmanagementsystems (WIMA) ist seit mehreren Jahren verbindlich für alle ca. 1600 Beschäftigten der gesamten Verwaltung gere-gelt und gehört als Eckpfeiler zu unserer Kommu-nikationskultur. Dort werden die Informationen zu Managementthemen (zu Mission, Vision, der Ver-waltungssteuerung etc.) genauso kommuniziert, wie Informationen zu den fachlichen Geschäftsfel-dern des Bodenmanagements und der Geoinfor-mation (z. B. zu neuen Vertriebsprodukten) und zu Unterstützungsthemen wie IT, Beschaffung, Per-sonal (z. B. Stellenausschreibungen). Außerdem haben die Gremien (Personalvertretungen) sowie die Frauenbeauftragten und Schwerbehinderten-vertretungen Gelegenheit, relevante Informationen für die Beschäftigten bereit zu stellen.

Was den „personalisierten Wissenstransfer“ angeht, so bringt jedes Ausscheiden einer oder eines Beschäftigten einen bedauerlichen Wissens-verlust mit sich. Der erste Baustein, um dem entge-gen zu wirken, war vor einigen Jahren die Einfüh-rung der Teamarbeit in der gesamten Verwaltung. Damit allein wird mittels einer Verbreiterung der Wissensbasis in den einzelnen Teams diesem Wissensverlust im Regelfall schon ausreichend entgegen gewirkt.

eBL: Welche Gründe / Motivation hatte Ihre Behörde bei der Einführung von Wissensma-nagement?

Gerd Köhler: In der gesamten Hessischen Verwal-tung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG), zu der das Landesamt für Bodenmanage-ment und Geoinformation (HLBG) als Mittelbe-hörde genauso wie die sieben Ämter für Bodenma-nagement als Ortsinstanzen gehört, scheidet seit Jahren massiv Personal aus, das bis 2011 über einen Zeitraum von ca. 8 Jahren überhaupt nicht und seitdem nur zu 40% ersetzt werden konnte. Um diesem erheblichen Wissensverlust entge-gen zu wirken, haben die Beschäftigten selbst im Rahmen unserer regelmäßig durchgeführten Qua-litätsmanagementbetrachtung des Jahres 2008 nach der von der EU entwickelten Commonwealth Assessment Framework (CAF)-Methodik als Ver-besserungsmaßnahme die Einführung von Wis-sensmanagement in unserer Verwaltung vorge-schlagen.

eBL: Welche Werkzeuge oder Methoden set-zen Sie im Wissensmanagement ein? Seit wann nutzen Sie Methoden des Wissens- managements?

Gerd Köhler: Wir haben 2009 gemeinsam mit der Hochschule Rhein-Main, Lehrstuhl von Prof. North, zunächst eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für die Einführung von Wissensmanagement durchge-führt. Darauf folgte der Aufbau und die Praxisein-führung einer technischen Wissensmanagement-plattform (WIMA), über die im Rahmen unserer Kommunikationsregeln verbindlich Wissen struk-turiert ausgetauscht, aktualisiert und so auch mit-telbar bewahrt und auf neue Beschäftigte transfe-riert wird. Als sogenannte Wissensbasis können dort alle Beschäftigten Artikel zu allen beruflichen Aspekten schreiben. Diese Artikel sind anreicher-bar durch Bilder, Audios, Videos und Dokumente. Die Artikel können bzw. sollen möglichst thema-tisch untereinander verknüpft werden. Außer-dem sind im WIMA alle sog. „A-Akten“, das ist die Gesamtheit der für die Verwaltung verbindlichen Verwaltungsvorschriften, als PDF-Dateien aktuell und redundanzfrei abgelegt.

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Interview Hess. Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation

eBL: Worauf sollten Organisationen Ihrer Mei-nung bei der Einführung von Wissensmanage-ment achten? Wo könnten Schwierigkeiten lie-gen?

Gerd Köhler: Ganz allgemein gesehen bedeu-tet die Einführung von Wissensmanagement eine Beeinflussung bzw. die Abkehr von bisher gewohn-ten Geschäftsprozessen zur Aufbewahrung und zur Verfügungsstellung schriftlicher und auch bis-lang ggf. mündlich kommunizierter Informatio-nen, des bislang geübten Zugangs zu Informatio-nen (dies berührt u.a. auch das Thema Bring- und Holschuld von Informationen) einschließlich deren Recherchierbarkeit. Letztlich führt dies insgesamt zu einer Veränderung der Unternehmenskultur. Dies ist nicht zu unterschätzen und bedarf Zeit.

Bei den technischen Lösungen sollte man sich sei-ner Anforderungen bewusst sein, es gibt sicher gute handelsübliche Software dafür, aber auch - für diesen Weg haben wir uns seinerzeit entschieden - Open Source Softwarelösungen, die auf unsere Bedürfnisse angepasst wurde.

Beim personalisierten Wissenstransfer haben wir uns für die ersten beiden pilotierten Wissenstrans-ferprozesse nach dem narrativen Ansatz profes-sioneller Hilfe bedient, da in der Verwaltung noch nicht genügend Kenntnisse vorlagen, um diese Methode mit eigenen Trainerinnen und Trainern selbst anzuwenden. Während beim „strukturierten Verfahren“ z. B. mittels Wissenslandkarten und / oder Wissensbäumen das Wissen der Wissensge-berin bzw. des Wissensgebers nach sachlich struk-turierten Überlegungen „gehoben“, weitergebe-nen und dokumentiert wird, basiert der „narrative Ansatz“ darauf, dass das in den „Köpfen“ befindli-che Wissen über das „Erzählen von Geschichten“ (in der Literatur auch als Storytelling bezeichnet) erschlossen, weitergegeben und selbstverständ-lich auch dokumentiert wird. Stark vereinfacht kann man sagen, je mehr implizites Wissen gehal-ten werden soll, umso eher bietet sich die narrative Methode zur Hebung an. Überwiegt explizites Wis-sen beim Transfer, so spricht dies eher für ein Vor-gehen nach der strukturierten Methode.

Denn wir werden nicht in jedem Fall einen auf die einzelne Person zugeschnittenen personalisierten Wissenstransfer durchführen (können). Vielmehr werden wir uns dabei auf ausgewählte Fälle, ins-besondere Personen mit strategischem, fachspezi-ellem oder singulärem Wissen beschränken müs-sen. Und dies gerade in den Fällen, in denen die Teams das als verloren gehend identifizierte Wis-sen vom fachlichen Hintergrund her nicht aufneh-men können (hochgradiges Spezialwissen) oder Führungswissen (Führungskräfte sind bei uns nicht in die Teams integriert) erhalten werden soll.

eBL: Wie hat sich das Wissensmanagement inzwischen etabliert? Welche Maßnahmen wur-den erfolgreich umgesetzt?

Gerd Köhler: Unser technisches Wissensmange-mentsystem ist inzwischen etabliert: wir schauen uns aber kontinuierlich an, wo wir dort noch besser und auch nutzerfreundlicher werden können.

Bereits in der laufenden Pilotphase zum personali-sierten Wissenstransfer ist eine hohe Erwartungs-haltung der Beschäftigten, die es neben den Anfor-derungen der Verwaltungsleitung auch zu erfüllen gilt, und eine breite Zustimmung zu diesem Wis-senstransferansatz zu spüren. Die Transferpro-zesse in der Pilotphase wurden von allen Beteilig-ten sehr positiv und als nutzbringend bewertet.

eBL: Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Gerd Köhler: Für unser WIMA ist die Qualität zu halten, das System ist unter Beachtung der Wirt-schaftlichkeit weiter zu optimieren.

Der personalisierte Wissenstransfer ist ab 2016 in den Regelbetrieb zu überführen und muss samt einer regelmäßigen Betrachtung der Wissens-trägerinnen und -träger selbstverständlicher Teil unserer Verwaltungskultur werden.

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eBL: Wie sichern Sie das Wissen ausschei-dender Mitarbeiter im Hessischen Landesamt für Bodenmanagement? Wie identifizieren Sie dabei die wichtigen Wissensträger?

Gerd Köhler: Die Identifikation „systemkritischen“ Wissens erfolgt bei uns sowohl in den sieben Ämtern für Bodenmanagement als auch im Lan-desamt nach einem einheitlichen Verfahren und mittels standardisierter Bewertungen. Mit system-kritischen Wissen meine ich solches Wissen, dass zur Handlungsfähigkeit der Verwaltung unbedingt weitergegeben werden muss, das ist zum Einen Hintergrundwissen um die strategische Verwal-tungsausrichtung, aber auch fachspezielles Wis-sen oder singuläres Wissen, das es zu doppeln gilt. Zuständig für den ersten Vorschlag zu einem per-sonalisierten Wissenstransfer sind die jeweiligen Führungskräfte eines Amtes bzw. des Landesam-tes. Die erste Runde der Identifikation derjenigen Personen, die für einen solchen Wissenstransfer infrage kommen, soll bis Ende 2015 abgeschlos-sen und die weitere Vorgehensweise nach ein-heitlichen Überlegungen abgesprochen sein. Dies schließt für mich eine transparente Information an die Beschäftigten über unser WIMA bis zum Jah-resende 2015 mit ein.

eBL: Insbesondere implizites Wissen lässt sich nicht leicht dokumentieren. Wie gehen Sie damit um?

Gerd Köhler: Gleich, ob der strukturierte oder der narrative Ansatz für einen Transferprozess gewählt wird, der Transfercoach sorgt immer auch für eine Dokumentation des persönlich weitergege-ben Wissens, unabhängig davon, ob dies gegen-über der Nachfolge, in ein Team oder an „Wis-senszwischenträger“ erfolgt. So besteht später die Chance, relevante Aspekte, auch vertiefend, nach-zulesen. Die ersten bei uns entstandenen Doku-mentationen sind da sehr vielversprechend.

Wissenstransfer und Wissensbewahrung

StoryTelling ist eine narrative Methode für den Wissen-stransfer. Dabei erzählt ein Mitarbeiter Geschichten aus seinem beruflichen Alltag, z.B. zu Projekten. Auf diese Weise lässt sich das Erfahrungs- und Kontextwissen erfassen und mit Faktenwissen verknüfen. Es ist sinn-voll, einen neutralen Moderator einzubinden.

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Herausgeber eBusiness Lotse Darmstadt-Dieburg Hochschule Darmstadt Institut für Kommunikation & Medien Max-Planck-Straße 2 64807 Dieburg

Interviewpartner Gerd Köhler (Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformationen)Lena Després (eBusiness Lotse) Bildnachweis Hess. Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformationen