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VO Wissenschaftstheo. Grundlagen | KMH 1

Intro – oder: Warum & wozu

Wissenschaftstheorie?

Wissenschaftstheoretische Grundlagen der Geographie

716013 | SS 16 | EH1

Karl-Michael Höferl


Überblick

Ziele der VO

Zeitplanung

Geographie als Wissenschaft

Geographie am Strand

Die „Konkurrenz“


Ein Versuch: „wissenschaftliche Praxis“ bei Kitcher (1993)

Untersucht akzeptierten Objektbereich

Untersucht anerkannte* Probleme & Fragen

Rückgriff auf Fachsprache

Basiert auf intersubjektiven Werten & Überzeugungen

Anerkannte Mittel & Methoden

Anerkannte* Standards über Erfolg & Ziele v. Untersuchungen

Anerkannte* Standards über Akzeptieren v. Resultaten

Bildet ein soziales Netz („scientific community“)


Geographie als Wissenschaft?

http://www.geographie.de/docs/arbeitsmarktfuergeographen.pdf


Objekt- oder Interessenssteuerung?

Ganz klar, das sind STEINE!

Unterschiedliche Assoziationen bei:

» Bildhauerin

» Mineraloge

» Demonstrantin

→ nicht das Objekt beeinflusst Gedanken oder Handlung,

sondern die Haltung, die das Subjekt gegenüber

diesem einnimmt


Erfahrungs- und Erkenntnisobjekt

Erfahrungsobjekt „Gestein“ oder „Raum“

= Gegenstand vieler Wissenschaften

Erkenntnisobjekt = spezifisch in jeder

Wissenschaftsdisziplin

→ Forschungsinteresse =

Fragestellung an ein Erfahrungsobjekt


Scientists on the Beach

Geologen → Sandstruktur

Soziologen

→ Gruppenverhalten der Strandbesucher

Wirtschaftswissenschaftler

→ Umsätze von Strandkorbverleih,

Verkehrswissenschaftler

→ Anbindung an Straße und ÖPNV überdenken

→ Was aber macht die Geographin?


Ein Rückblick: Objekt- oder Interessensteuerung?

Das Objekt: Der Strand

Je nachdem ob ein Geologe, eine Soziologin, ein

Betriebswirt oder eine Geographin das Objekt Strand

betrachten → unterschiedliche Assoziationen

→ Nicht das Objekt beeinflusst Gedanken oder

Handlung, sondern die Haltung, die das Subjekt

gegenüber diesem einnimmt


Geo-graphin = Erd-Zeichnerin

Erfassung des Standortes Strand

» mit den Augen, mit einer Kartierung, mit einem Luftbild

Beschreibung → räuml. Verteilung

Frage: WAS ist WO?

» WAS = Frage nach der geographischen Substanz

Festland, Wasserlinie, Besucher, Dünen, Straße, Autos, Algen, Strandbude...

» WO =Frage nach der räumlichen Lage der geogr. Substanz

WO befinden sich die Strandbesucher, Dünen etc.?


Konklusio: Erweiterung der geogr. Grundfrage

Interpersonale Distanzen → Frage nach WIE und WARUM?

→ Was ist wo, wie

und warum im

Raum?


Erneute Erweiterung der geogr. Grundfrage

Strand = dynamisches Gebilde, Verteilung der Besucher

wechselt ständig

→ raum-zeitliches Prozessmuster

Die Mehrzahl der für die Geographie interessanten Phänomene

→ raum-zeitliche Variabilität

→ Erweiterung der geographischen Grundfrage:

Was ist wo, wie, wann und warum im Raum?


1. Geographie behandelt Mensch-Mensch Systeme

„Soziales System“ Strand:

Revierverhalten („interpersonale Distanzen“), Push-Pull Modell

zur Attraktivität etc.


2. Geographie behandelt Umwelt-Umwelt Systeme

Strand als Umweltsystem

Interaktion Wasser-Sand:

» Bildung des Strandwalls

Spül- und Akkumulationsvorgänge:

» Deposition von abgestorbenen Algen, Muscheln etc.

Klimafaktor Wind - äolischer Transport und Akkumulation

» Dünenbildung

→ generell: Umweltbeschaffenheit

» Lage, Form, Struktur, Funktion, Genese


3. Geographie behandelt Mensch-Umwelt Systeme

Der Strand & seine Nutzung = Mensch-Umwelt Interaktion

schöne Strandabschnitte → mehr Besucher

Wechselseitig beeinflussendes Mensch-Umwelt System:

Viele Menschen → sinkende Raum- & Umweltqualität

» Ist der Einfluss des Menschen auf die Umwelt größer

als der Einfluss der Umwelt auf den Menschen?

»Wie wird Umweltqualität von Menschen

(subjektiv) bewertet?


Mensch-Umwelt Systeme als geogr. Erkenntnisgegenstand


Konklusio: Geographie als Wissenschaft I

„[…] die Wissenschaft von der Erdoberfläche und ihrer

räumlichen Differenzierung, ihrer physischen Beschaffenheit

sowie als Raum und Ort des menschlichen Lebens und

Handelns. Sie beschäftigt sich insofern nicht nur mit der

Erdoberfläche, sondern auch mit dem Menschen und seiner

physischen und sozialen Umwelt.“ (Blotevogel 2002:15)

„[…] die Wissenschaft von der Erdoberfläche und ihrer

räumlichen Differenzierung, ihrer physischen Beschaffenheit

sowie als Raum und Ort des menschlichen Lebens und

Handelns. Sie beschäftigt sich insofern nicht nur mit der

Erdoberfläche, sondern auch mit dem Menschen und seiner

physischen und sozialen Umwelt.“ (Blotevogel 2002:15)

„Geography is the scientific study […] of changing […] spatial

relationships […] of terrestrial phenomena […] viewed as the

world of man“ (Haggett 1990:8)


Konklusio: Geographie als Wissenschaft II

„Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, Fragen zu stellen, zu

beantworten, Erkenntnisse zu gewinnen und eine geistige

Ordnung in das Chaos der Welt zu bringen“ (Borsdorf 1999:13)

Erkenntnisse = Grundlage der „Ordnung im Chaos“ der Welt

Wissenschaft ≠ nicht die einzige Form der Erkenntnis

» Gesunder Menschenverstand

» Theologie bzw. Religion

» Ideologie

» (Pseudowissenschaft)


Der „gesunde Menschenverstand“

Wir stellen & beantworten täglich Fragen,

versuchen etwas herauszufinden & ordnen unsere Erfahrungen

→ Alltagswissen ist als System zur Orientierung in der Welt sehr leistungsfähig

Funktionen:

» Fragen stellen

» Antworten & Erkenntnisse finden

» Ordnung schaffen

BSP: Wie immatrikuliere ich mich zu einem Studium?


Theologie bzw. Religion

Religion beantwortet Fragen der

Lebensbewältigung und bietet eine (göttliche) Ordnung an.

» Begrenzte Wirksamkeit

» Antworten wichtiger als Fragen

» Antworten & Fragen dogmatisiert & formalisiert

→ Für viele Menschen ist die Religion als System zur Orientierung und Daseinsbewältigung sehr leistungsfähig

Funktionen:

» (Fragen stellen)


» Ordnung schaffen


Ideologie

Ideologie: Ordnungs- & Rechtfertigungssystem einer soz. Gruppe

» = Weltanschauung: Summe aus Werturteilen, Ideen, Vorstellungen

» BSP: Marxismus, Liberalismus, Sozialismus etc.

→ Für viele Menschen sind Ideologien als Systeme zur

Orientierung und Daseinsbewältigung sehr wichtig

Funktionen:

» (die richtigen) Fragen stellen


» Ordnung schaffen


Ein Vergleich gängiger Erkenntnissysteme


Aber nie vergessen:

→ Diese Erkenntnissysteme können

zeitgleich nebeneinander bestehen:

Am Stammtisch sind wir Ideologen, in der

Kirche Gläubige, zu Hause benutzen wir den

„gesunden“ Menschenverstand & in der

Universität das wiss. Erkenntnissystem.


Der Ausblick

Stellung der Wissenschaftstheorie

Wissenschaftstheoretische

Kernbegriffe

Die Logik der Logik

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