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1 IPS-Newsletter Ausgabe 14 November 2018 Liebe Freundinnen und Freunde des Internationalen Parlaments- Stipendiums, das IPS ist inzwischen im Deut- schen Bundestag nicht nur etab- liert – es ist eine Institution im internationalen Maßstab. Rund 2.500 Stipendiatinnen und Sti- pendiaten aus 42 Staaten haben dieses ungewöhnliche Praktikum bereits durchlaufen. 32 Jahrgänge! Sie bilden ein Netzwerk von Bot- schafterinnen und Botschaftern der Demokratie in ihren Heimat- ländern und auf der internationa- len Bühne. Sie alle haben seiner- zeit die Chance genutzt, direkt Einblick in die Arbeit des Deut- schen Bundestages zu gewinnen und aus nächster Nähe zu erleben, wie Parlamentarismus in Deutsch- land funktioniert, wie in unserem repräsentativen System Mehrhei- ten gebildet werden – aus der Fül- le von Argumenten, Interessen und Meinungen in einer pluralis- tischen Gesellschaft – und wie wichtig dabei die Fähigkeit zum Kompromiss ist. Mehr noch: Sie haben in den Büros ihrer Patenab- geordneten in diesem Prozess ak- tiv mitarbeiten können. Nicht weniger wichtig und prä- gend ist für die IPS-Teilnehmer der Austausch mit den Stipendia- tinnen und Stipendiaten aus den anderen Ländern. Gerade die Be- gegnungen mit Gleichaltrigen, ihre Erzählungen, Lebensge- schichten, Perspektiven und poli- tische Erfahrungen sind von un- schätzbarem Wert für die persön- liche Entwicklung vieler „IPSler“. Das ist lebendige Völkerverständi- gung. Und sie ist jetzt nicht weni- ger notwendig als im Kalten Krieg Mitte der 1980er Jahre in der Ent- stehungsphase des IPS. Die Welt ist seitdem eine andere geworden, die Kernanliegen des IPS – demokratische Werte, Tole- ranz, Verständnis für kulturelle Vielfalt – sind aktuell. Gerade in heutiger Zeit – angesichts kom- plexer Herausforderungen in ei- ner zunehmend global vernetzten politischen und wirtschaftlichen Wirklichkeit und angesichts der Bedrohung durch neue Partikula- rismen, Nationalismen wie durch Populismus. Die Werte der Demokratie sind nicht selbstverständlich, sie sind nicht voraussetzungslos. Das an- zunehmen, wäre ein fataler Irr- tum. Diese Erfahrung machen ge- rade die jungen Briten in Bezug auf die EU, die sie für selbstver- ständlich hielten. Im entscheiden- den Moment haben sie versäumt, ihre Stimme für den Verbleib in der Europäischen Union zu erhe- ben. Jetzt müssen sie mit den Fol- gen leben. Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, jungen Menschen zu vermit- teln, dass es im politischen Alltag auf sie persönlich ankommt. Das bedeutet Verantwortung für die Zukunft im Sinne Karl Poppers. Und unser IPS ist eine hervorra- gende Plattform, Erfahrungen und Erkenntnisse für die politische Ge- staltung der Zukunft zu gewinnen. Ich freue mich, als Schirmherr den 33. IPS-Jahrgang zu begleiten und wünsche den Stipendiatinnen und Stipendiaten Wissensdurst, span- nende Begegnungen und interes- sante Einblicke in den Maschinen- raum der Demokratie! Unsere Einstellung der Zukunft gegenüber muss sein: Wir sind jetzt verantwortlich für das, was in der Zukunft geschieht.“ - Karl Popper Ausgabe 14 November 2018 Newsletter Unser Schwerpunkt in diesem Newsletter: Programmvielfalt 2018 und Alumni- Regionalkonferenzen Dr. Wolfgang Schäuble Präsident des Deutschen Bundestages © DBT/IO1

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Liebe Freundinnen und Freunde

des Internationalen Parlaments-

Stipendiums,

das IPS ist inzwischen im Deut-

schen Bundestag nicht nur etab-

liert – es ist eine Institution im

internationalen Maßstab. Rund

2.500 Stipendiatinnen und Sti-

pendiaten aus 42 Staaten haben

dieses ungewöhnliche Praktikum

bereits durchlaufen. 32 Jahrgänge!

Sie bilden ein Netzwerk von Bot-

schafterinnen und Botschaftern

der Demokratie in ihren Heimat-

ländern und auf der internationa-

len Bühne. Sie alle haben seiner-

zeit die Chance genutzt, direkt

Einblick in die Arbeit des Deut-

schen Bundestages zu gewinnen

und aus nächster Nähe zu erleben,

wie Parlamentarismus in Deutsch-

land funktioniert, wie in unserem

repräsentativen System Mehrhei-

ten gebildet werden – aus der Fül-

le von Argumenten, Interessen

und Meinungen in einer pluralis-

tischen Gesellschaft – und wie

wichtig dabei die Fähigkeit zum

Kompromiss ist. Mehr noch: Sie

haben in den Büros ihrer Patenab-

geordneten in diesem Prozess ak-

tiv mitarbeiten können.

Nicht weniger wichtig und prä-

gend ist für die IPS-Teilnehmer

der Austausch mit den Stipendia-

tinnen und Stipendiaten aus den

anderen Ländern. Gerade die Be-

gegnungen mit Gleichaltrigen,

ihre Erzählungen, Lebensge-

schichten, Perspektiven und poli-

tische Erfahrungen sind von un-

schätzbarem Wert für die persön-

liche Entwicklung vieler „IPSler“.

Das ist lebendige Völkerverständi-

gung. Und sie ist jetzt nicht weni-

ger notwendig als im Kalten Krieg

Mitte der 1980er Jahre in der Ent-

stehungsphase des IPS.

Die Welt ist seitdem eine andere

geworden, die Kernanliegen des

IPS – demokratische Werte, Tole-

ranz, Verständnis für kulturelle

Vielfalt – sind aktuell. Gerade in

heutiger Zeit – angesichts kom-

plexer Herausforderungen in ei-

ner zunehmend global vernetzten

politischen und wirtschaftlichen

Wirklichkeit und angesichts der

Bedrohung durch neue Partikula-

rismen, Nationalismen wie durch

Populismus.

Die Werte der Demokratie sind

nicht selbstverständlich, sie sind

nicht voraussetzungslos. Das an-

zunehmen, wäre ein fataler Irr-

tum. Diese Erfahrung machen ge-

rade die jungen Briten in Bezug

auf die EU, die sie für selbstver-

ständlich hielten. Im entscheiden-

den Moment haben sie versäumt,

ihre Stimme für den Verbleib in

der Europäischen Union zu erhe-

ben. Jetzt müssen sie mit den Fol-

gen leben.

Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig

es ist, jungen Menschen zu vermit-

teln, dass es im politischen Alltag

auf sie persönlich ankommt. Das

bedeutet Verantwortung für die

Zukunft im Sinne Karl Poppers.

Und unser IPS ist eine hervorra-

gende Plattform, Erfahrungen und

Erkenntnisse für die politische Ge-

staltung der Zukunft zu gewinnen.

Ich freue mich, als Schirmherr den

33. IPS-Jahrgang zu begleiten und

wünsche den Stipendiatinnen und

Stipendiaten Wissensdurst, span-

nende Begegnungen und interes-

sante Einblicke in den Maschinen-

raum der

Demokratie!

„Unsere Einstellung der Zukunft gegenüber muss sein:

Wir sind jetzt verantwortlich für das,

was in der Zukunft geschieht.“

- Karl Popper

Ausgabe 14

November 2018Newsletter

Unser Schwerpunkt in diesem Newsletter:

Programmvielfalt 2018 und Alumni-

Regionalkonferenzen

Dr. Wolfgang Schäuble

Präsident des Deutschen

Bundestages

© DBT/IO1

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Liebe IPS-Alumni, liebe Freunde

und Förderer,

am Anfang der 19. Wahlperiode

des Deutschen Bundestages habe

ich den Vorsitz der Berichterstat-

tergruppe für die Internationalen

Austauschprogramme von Bern-

hard Schulte-Drüggelte übernom-

men. Ich bin seit 2013 für die

CDU/CSU Mitglied im Deutschen

Bundestag. Mein Wahlkreis liegt

in Krefeld, ganz im Westen der

Bundesrepublik in Nordrhein-

Westfalen. Inhaltlich engagiere

ich mich u.a. als ordentliches Mit-

glied im Haushaltsausschuss und

als stellvertretendes Mitglied im

Ausschuss für Bildung und For-

schung. Auf die neue Aufgabe in

der Berichterstattergruppe freue

ich mich sehr.

Schon jetzt bin ich tief beein-

druckt, wie viele Menschen sich

nicht nur im Deutschen Bundes-

tag, sondern auch in vielen ande-

ren Institutionen für das IPS ein-

setzen und welche breite Unter-

stützung es überall erfährt.

Über das IPS haben wir ein sehr

erfolgreiches Netzwerk geschaf-

fen, in dem wir uns länderüber-

greifend austauschen können, das

uns gegenseitig lernen und

verstehen hilft, auch wenn es ein-

mal schwierig wird, wenn es Ver-

trauen braucht.

Ein wichtiges Anliegen ist uns und

mir, dass der Dialog mit Ihnen al-

len nicht abreißt und dass der Aus-

tausch rege bleibt. Über unser

Alumninetzwerk haben wir eine

wunderbare Plattform dazu ge-

schaffen und im vergangenen Jahr

ist es gelungen, uns mit dem Diplo-

matennetzwerk des Auswärtigen

Amtes zusammen zu tun.

Schon jetzt zeigen sich erfreuliche

Synergien bei der Verknüpfung

von Veranstaltungen. Die jüngsten

Regionalkonferenzen in Rumänien

und Moldau haben einmal mehr

bewiesen, wie inhaltlich fruchtbar

diese Begegnungen sind und wie

schön das jeweilige Wiedersehen.

Einen kleinen Einblick in die ver-

gangenen Regionalkonferenzen gibt

Ihnen diese Ausgabe unseres IPS-

Newsletters.

Ihre Kerstin Radomski, MdB

© Muamera Tihic (30.02.2018)

© DBT/ Stella von Saldern

© Kerstin Radomski

Kerstin Radomski

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Ich konnte es nicht glauben, als

ich alles hinter mir hatte.

Verschicken der Anmeldung und

Dokumente, die Zusage zum

Vorstellungsgespräch... Dann

dachte ich mir, was könnten die

Fragen sein? Wie kann ich mich

am besten präsentieren? Wieso

bin ich ein besserer Kandidat als

die anderen? Und noch viele

andere Fragen schwirrten in

meinem Kopf rum. Und dann

kam der Tag, als ich zur

Deutschen Botschaft in Sarajewo

gegangen bin. Die Straßenbahn

verspätete sich. Wie immer, wenn

man einen wichtigen Termin hat.

Trotzdem kam ich rechzeitig und

nun sitze ich vor dem

Auswahlkomitee. War ich

irgendwann in meinem Leben so

aufgeregt? Ich glaube nicht. Vor

lauter Aufregung habe ich mir

keinen Namen so richtig gemerkt.

Dann habe ich mir zugeredet,

wenn es so sein soll, dann schaffe

ich es, alle von mir zu

überzeugen. Ich denke, dass das

Vorstellungsgespräch insgesamt

nicht länger als eine halbe Stunde

gedauert hat.

Für das Stipendium habe ich

mich beworben, weil ich es

faszinierend finde, dass die

deutschen Politiker mit uns „auf

Augenhöhe“ arbeiten wollen und

uns einen Einblick in das

poltische System Deutschlands

geben. Wir werden die

Möglichkeit haben, nicht nur die

Politik, Kultur und Wirtschaft

Deutschlands kennenzulernen,

sondern auch die Länder der

anderen Stipendiaten vorgestellt

bekommen. In Bosnien und

Herzegowina funktioniert das

politische Leben nicht wie in

Deutschland. Alle Probleme

werden unter den Teppich

gekehrt. Das Problem zurzeit ist,

dass viele junge Menschen keine

Perspektive mehr in diesem Land

sehen und ihm den Rücken

kehren. Ich möchte mein Land

aber nicht aufgeben. In den

schwersten Jahren 1992-1995 ist

mein Land nicht untergegangen.

Wieso soll es jetzt so sein?

Meine Beziehung zu

Deutschland begann

in meinem

4. Lebensjahr, als

ich als Flüchtling

das erste Mal

deutschen Boden

betrat. Da war ich

noch sehr klein und

wusste nicht, was

gerade in meinem

Heimatland

passiert. Aber jetzt

bin ich alt genug, um etwas zu

verändern.

Politik geht auch anders!

Ich hoffe, dass ich vieles, was ich

in Deutschland lerne, auch in

Bosnien und Herzegowina

anwenden kann, damit auch über

meinem Land wieder die Sonne

scheint. Ich möchte mein Land

souverän vertreten und mich

bemühen, in diesen 5 Monaten

aktiv zu sein. Ich hoffe, dass ich

somit auch Vorbild für andere

junge Menschen aus meinem Land

werde. Die Verabschiedung von

Familie und Freunden fiel mir

nicht schwer, weil das Programm

nicht so lange dauerte, um Tränen

zu vergießen. Und nun bin ich in

Berlin. Ich war schon ein paar Mal

in Berlin, aber trozdem habe ich

mich sehr gefreut, wieder hier zu

sein. Die Reise ist nicht so glatt

gelaufen wie sie sollte. In Sarajewo

kam es zur Verspätung des Fluges,

sodass ich den Anschlussflug von

Köln nach Berlin verpasst habe.

Und ausgerechnet an dem Tag

waren noch drei weitere Flüge

nach Berlin ausgebucht. Was nun?

Muamera Tihic,

Bosnien und Herzegowina

© Muamera Tihic (30.02.2018)

Am Flughafen in Bosnien…

Ich habe das Stipendium in der Tasche!

Nicht das erste Mal in Deutschland...

© Muamera Tihic (29.02.2018)

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

einen Tag in Köln bleiben oder

mit den anderen Passagieren mit

dem Zug 5 Stunden fahren? Ich

habe die Zugfahrt angetreten und

natürlich kam es zu technischen

Störungen, sodass ich irgendwann

gegen Mitternacht in Berlin im

Hostel ankam. Wegen solcher

Probleme habe ich mich

entschlossen, zwei Tage früher

loszufahren.

01.03.2018:

Der erste Tag des Programms hat

mit der Anmeldung und der

Wohnungsaufteilung begonnen.

Sehr früh am Morgen wieder den

Koffer schieben und den Rucksack

schleppen... Na ja, das hat Spuren

an meinem Rücken hinterlassen.

...Ich habe das Stipendium in der Tasche!

Und dann kam der Moment, als

ich meine neue Mitbewohnerin

kennengelernt habe. Ich bin

wirklich sehr zufrieden mit der

Auswahl. Wir haben viele

gemeinsame Interessen und haben

die Zeit genutzt, uns nicht nur

kennen zu lernen, sondern auch

viel voneinander zu lernen.

IP-Stipendiatinnen 2018

Das Einführungsseminar 2018

Zhamilya Mukasheva,

Kasachstan

Endlich, am 5. März begann das

Programm mit dem Einführungsse-

minar. 116 Stipendiaten aus 40

Ländern hatten zum ersten Mal die

Chance, in einem Ausschussraum

des Deutschen Parlaments zu sit-

zen. Außerdem konnten die Sti-

pendiaten sich und ihre Länder

präsentieren sowie ihre Erwartun-

gen an das Programm mit anderen

Stipendiaten teilen.

Stolz auf Demokratie und Frie-

den

Tunesien, Kanada, Frankreich,

Ungarn, Moldau, Russland … Die

Stipendiaten sind aus ganz ver-

schiedenen Ländern nach

Deutschland gekommen. Einige

sind zum ersten Mal in Deutsch-

land oder überhaupt in Europa.

Andere studieren oder arbeiten

schon seit längerer Zeit hier.

Obwohl die Stipendiaten ver-

schiedene Hintergründe haben

und aus ganz verschiedenen Län-

dern kamen, wenn es darum geht,

ihre Heimatländer zu präsentie-

ren, sprechen sie am meisten über

kulturelle Vielfalt, Toleranz ge-

genüber anderen ethnischen und

religiösen Minderheiten in ihrer

Gesellschaft, Adhärenz zu Men-

schenrechten und falls vorhanden

– stabilen und lang existierenden

Demokratien. Zum Beispiel er-

wähnte ein Vertreter aus Aser-

baidschan, dass sein Land eines

der ersten in der Welt war, dass

das Frauenwahlrecht proklamiert

hat.

Vertreter aus Israel, Kanada, Russ-

land, Frankreich, Türkei, Belarus,

Mazedonien, Kasachstan, Algeri-

en und vielen anderen Ländern

sprachen über die ethnische und

religiöse Vielfalt in ihren Län-

dern. Da es zurzeit in vielen Län-

dern eine vielfältige Gesellschaft

gibt, ist es wichtig zu erfahren,

wie die politischen Prozesse am

besten in solchen Ländern funkti-

onieren können.

© Zhamilya Mukasheva

© Muamera Tihic

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Hier hatten wir jetzt die einzigarti-

ge Möglichkeit, das politische Sys-

tem Deutschlands kennenzulernen

und selbst zu sehen, wie Politik in

einer sehr vielfältigen Gesellschaft,

gemacht wird.

Große Erwartungen an das Pro-

gramm

Viele der Tausenden Alumni des

IPS Programmes arbeiten heute in

Ministerien ihrer Länder, internati-

onalen Organisationen und Univer-

sitäten. Die Teilnahme am IPS gab

ihnen sehr wichtige Erfahrungen,

die später in ihrer Arbeit geholfen

haben. Heutige Teilnehmer des

Programms haben auch große Er-

wartungen an das Programm. „Ich

hoffe darauf, dass ich während

meines Praktikums interessante

Aufgaben erledigen werde. Zum

Beispiel, würde ich gerne eine öf-

fentliche Rede schreiben, Bericht

erstatten oder die Arbeit des Parla-

ments und Ausschüsse beobach-

ten“, - sagt eine der Stipendiatin.

Es ist für uns Stipendiaten wich-

tig, Kontakte mit Abgeordneten zu

knüpfen, genauso wollen wir aber

auch die anderen Teilnehmer des

Programms kennenlernen: „In

solchen Programmen kannst du

viel mehr über andere Länder ler-

nen als aus Büchern oder dem

Internet.

Es ist schön, Freunde in allen

Ecken der Welt zu haben!“, sagt

eine Stipendiatin. Besonders

wichtig ist für Stipendiaten auch,

etwas zu lernen, was nützlich für

Ihre Länder wäre – zum Beispiel,

Praktiken der politischen Dialoge

in Deutschland.

Den Reichstag kennen lernen

Zum Ende des Einführungssemi-

nars gab es eine Exkursion durch

das Reichstagsgebäude.

Die Exkursion war wirklich faszi-

nierend, weil im Reichstagsgebäu-

de sehr viele Spuren der Vergan-

genheit zu beobachten sind. Die

Geschichte der Deutschen Demo-

kratie ist durch Informationspla-

kate und Kunstwerke präsentiert.

...Das Einführungsseminar 2018

© Zhamilya Mukasheva

IPS-Stipendiaten im Ausschussraum des Paul-Löbe-Hauses

„Archiv der deutschen Abgeordneten“ von

Christian Boltanski

© © Zhamilya Mukasheva

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Der Medientag am 7. März 2018Spieglein, Spieglein, ...

Wer die Medien als vierte Ge-walt im Staate bezeichnet, der untertreibt. Liegt es doch letzt-lich in ihrer Hand, wie die Ver-

treter der anderen Gewalten vom Volk wahrgenommen wer-

den.

Die Qual der Wahl

Neben dem lang herbeigesehnten Praktikum im Büro eines Bun-destagsabgeordneten, hatten wir im Rahmen des IPS 2018 am 12. März die Möglichkeit, einige Me-dieneinrichtungen von innen kennenzulernen. Zur Auswahl für einen Besuch standen diverse Medienhäuser: ARD, BPA, DPA, DW, RTL, Der Spiegel und das ZDF. Hier eine Wahl zu treffen, fiel uns allen nicht leicht.

Nichtsdestotrotz haben sich für die jeweiligen Einrichtungen Gruppen gefunden, darunter auch eine Gruppe von 18 begab-ten IPS-Praktikanten, die den Spiegel näher kennenlernen wollte.

Ein besonderer Tag für Deutsch-land

Bevor wir die Brücke zum Spie-gel überquerten, hielten wir kurz im Paul-Löbe-Haus inne. Hier sollte die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD stattfinden. Darin wurden nach langwierigen Verhandlungen die Handlungs-

schwerpunkte der nächsten Re-gierungsjahre festgelegt. Wir konnten in diesem historischen Moment selbst hören, wie Bun-deskanzlerin Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Olaf Scholz (SPD) unter dem Motto „Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusam-menhalt für unser Land“ von großen Aufgaben sprachen.

Mit deutscher Pünktlichkeit konnten wir nach diesem spon-tanen Zwischenstopp nicht mehr glänzen und beeilten uns nun schnellstmöglich zu unserem Termin im Büro des Spiegel zu kommen.

Der Spiegel

Der Spiegel ist ein gedruckt und online verfügbares Wochenmaga-zin. Weltweit gibt es 15 Büros in den großen Hauptstädten, wie Washington, Moskau, Rom, Paris und Peking.

Im größten deutschen Büro des Spiegel, dem Hauptstadtbüro, findet die bundespolitische Be-richterstattung statt.

Dort hat Herr Christoph Schult, Redakteur beim Spiegel mit je-weils 5 Jahren Erfahrung als Kor-respondent in Jerusalem und Brüssel, geduldig alle unseren neugierigen Fragen beantwortet.

Leaks und Investigationen

Neben Fakten über den Spiegel haben wir auch schwierige The-men besprochen, wie die Frau-enquote und die Möglichkeiten des Journalismus in der Türkei. Das Thema Investigativjournalis-mus ist für den Spiegel ein be-sonders wichtiges, so sagt Herr Schulte: „Gerade bei einem Ma-gazin wie Der Spiegel […] muss

eigentlich jeder Redakteur inves-tigativ denken.“

Es fänden sich in jedem Ressort investigative Teile, nicht nur in großen Titelgeschichten, wie zu den Panama Leaks, sondern auch in persönlichen Porträts und poli-tischen Berichten. Es sei ihre Auf-gabe, jede Woche herauszufinden, was hinter den Kulissen oder in Kabinettssitzungen passiert –auch das sei investigativ.

Gedanken und Eindrücke

Jeder IPS-ler im Raum konnte die-se Darstellung leicht mit den Er-fahrungen aus dem eigenen Land abgleichen. Uns wurde hier auch bewusst, dass die Arbeit, die im Bundestag geleistet wird und zu der wir beitragen dürfen, viele Menschen im gesamten Land nicht nur interessiert, sondern wesentlich beeinflusst und damit Gegenstand genau der investigati-ven Berichterstattung ist, die Herr Schulte erörtert hat.

Nach unserer Diskussionsrunde und einer anschließenden Füh-rung durch das Büro ging ein spannender und für Deutschland ganz besonderer Tag bei einem der bekanntesten Medien Deutschlands für uns zu Ende. Wir haben tolle Eindrücke gesam-melt, wie die politische Berichter-stattung in Deutschland funktio-niert und welche Herausforderun-gen die Arbeit als Korrespondent mit sich bringt.

Valeriya Stange, Russland

© Valeriya Stange

Spiegel-Redakteur Christian Schult und Valeriya Stange bei „Der Spiegel“

© Valeriya Stange

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Tina Milas, Kroatien

Arbeiten im Deutschen Bundestag

"Das Parlament ist das Herz der Demokratie."

- sagte Herr Prof. Risse.

Daher sollen wir uns mit dem Ge-danken der parlamentarischen De-mokratie und Toleranz besonders intensiv auseinandersetzen.Innerhalb dieses Programmes wer-den wir die Möglichkeit haben, verschiedene politische Stiftungen kennenzulernen und über ein brei-tes Spektrum der politischen und gesellschaftlichen Fragen diskutie-ren. Außerdem wird dieses Pro-gramm in Kooperation mit drei Berliner Universitäten durchge-

Für den neunten Tag des Internati-onalen Parlaments-Stipendiums 2018 war die Veranstaltung „Arbeiten im Deutschen Bundes-tag“ vorgesehen. Am 9. März hatten wir die Eh-re, den Staatssekretär Prof. Dr. Horst Risse, Di-rektor beim Deutschen Bundestag, kennenzuler-nen, der uns im Paul-Löbe-Haus herzlich will-kommen hieß.

In seinen einführenden Worten betonte Prof. Ris-se die Einzigartigkeit des Internationalen Parla-ments-Stipendiums und stellte fest, dass Deutschland seit 1986 durch das Programm rund 2500 Freunde welt-weit bekommen hat. Das zeigt, dass das Internatio-nale Parlaments-Stipendium eine sehr lohnende Investition für Deutschland war. Herr Staatssekretär äußerte seine Hoffnung, dass das IPS auch für uns, 116 IPS-StipendiatInnen aus 40 Länder, eine lohnende Investition sein wird.

Herr Prof. Risse hat noch einmal hervorgehoben, dass das Zentrum des IPS-Programms ein Praktikum im Abgeordnetenbüro ist, wobei von StipendiatInnen Freundschaft und aktive Mitarbeit erwartet wer-den. Die Arbeit im Abgeordneten-büro wird uns helfen, Einsicht in die Parlamentsverwaltung und die Gremien zu gewinnen.

führt: Humboldt Universität zu Berlin, Freien Universität Berlin sowie der Technischen Universität Berlin. Als ein Teil dieses Stipen-diums werden wir auch das akade-mische Leben in Berlin erfahren

können.

Unsere Teilnahme an diesem Stipendium endet aber nicht mit dem fünfmonatigen Pro-gramm.

Nach dem Ende des Aufenthalts können wir uns in der Alumni-arbeit engagieren. Mit unserer Hilfe und durch eine aktive Par-tizipation an der Pflege des IPS-Programms profitiert der Deut-sche Bundestag und auch wir.

Nach der inspirierenden Rede von Prof. Dr. Horst Risse haben wir im Anschluss vieles über das Arbeiten im Deutschen Bundestag erfahren.In darauffolgenden Vorträgen ging es um das Gesetzgebungs-verfahren, den Ablauf einer Ple-narwoche sowie die Rolle von Regierung und Opposition. Man konnte sich auch mit der Ar-beitsweise der Ausschüsse aus-einandersetzen oder sich über die Arbeit diverser Abteilungen

des Deutschen Bundestages infor-mieren.

Für uns war es von großer Bedeu-tung, diese Vorträge von hochran-gigen Experten der Bundestagsver-waltung hören zu dürfen und die Gelegenheit zu haben, ihnen Fra-gen zu stellen. Diese Veranstaltung hat uns gehol-fen, noch einen Schritt näher dem Verstehen der deutschen Demokra-

tie zu kommen.

© Tina Milas

© Tina Milas

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Das IPS-Einführungsseminar 2018

Zeitreise - Treffpunkt Bad Belzig

Die Zeit wurde umgestellt, wir haben uns verändert.

Einleitung

Stellen Sie sich vor: eine Welt oh-ne Kriege und Konflikte, eine Welt voller Toleranz und Frieden, eine Welt, in der alle Menschen frei und gleichberechtigt sind. Das ist die Welt der Zukunft, die Welt, nach der wir streben sollten. Das ist unsere Traumwelt. Aber wann und wie kann die Menschheit diese Traumwelt er-reichen? Um diese und viele andere Fragen zu beantworten, haben 116 junge Leute, die aufgrund ihrer Qualifi-kationen ausgewählt worden sind und die aus verschiedenen Länder mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen kommen, eine kurze Zeitreise in die Zukunft gemacht.

Startpunkt dieser interessanten und spannenden Reise war die kleine, ruhige deutsche Stadt Bad

Belzig. Die Reise wurde von dem IMAP-Institut, das sich auf inter-kulturelle Trainings spezialisiert, sehr professionell organisiert und durchgeführt. Der Dornenweg zur Traumwelt bestand aus drei Stati-onen und endete mit der Erstel-lung der Wertecharta, aufgrund derer wir die heutige turbulente und konfliktreiche Welt ändern sollen. Wir hatten das Glück, als Mitglieder dieser internationalen Mannschaft an der Reise teilneh-men zu dürfen und möchten Ihnen unsere Erfahrung mitteilen.Per Anhalter durch die Stationen. Jedes Team muss als Ganzes bzw. als ein erprobter Mechanismus funktionieren. Deswegen hatten wir bei der ersten Station viele verschiedene Kennenlernen-Aktivitäten, die uns alle näher bringen sollten. Das war eine wichtige Aufgabe auf dem Weg zum Ziel, weil wir uns in vielen Aspekten voneinander unterschei-den und widersprüchliche Mei-nungen bzw. Vorstellungen haben.

Das zentrale Element bei dieser Station war die Gruppenarbeit. In den Gruppen unterschiedlicher Konstellationen lernten wir, ande-re Meinungen zu erkennen und zu tolerieren, um fähig zu sein, verschiedene kulturelle Missver-ständnisse zu klären. Der Höhe-punkt der ersten Station waren die Länderpräsentationen. Alle Teil-nehmerinnen und Teilnehmer stellten die Besonderheiten ihrer Kulturen vor und erzählten viele interessante und tollen Geschich-ten. Eine freundliche Atmosphäre trug dazu bei, dass wir unseren Teamgeist erfolgreich ausbildeten und nach dem intensiven Tag be-reit waren, unsere Zeitreise fortzu-setzen.

Um die Welt zu verändern, soll man sie gut kennen und verste-

hen. Dafür war unsere zweite Sta-tion geeignet, bei der der wichtige theoretische Background zur inter-kulturellen Kommunikation und zum interkulturellen Konfliktma-nagement beigebracht wurde. In-terkulturelle Kompetenzen sind heutzutage zentrale Schlüsselqua-lifikationen und Voraussetzung friedlicher Existenz geworden. Wir fingen mit der Klärung der unterschiedlichen Definitionen von Kultur an. Es kam heraus, dass ‘Kultur‘ ein komplexer Be-griff ist, der nicht so einfach defi-niert werden kann. Er unterschei-det sich von „der mentalen Pro-grammierung der Menschen in einer Gesellschaft“ bis „besonderen Verhandlungen zwi-schen Menschen im Versuch zu klären, was als normal gelten soll“. Außerdem hat Kultur so-wohl sichtbare (Traditionen, Ver-halten der Menschen usw.), sowie auch unsichtbare (Gewohnheiten, Eigenschaften und Ideale der Menschen) Merkmale und ver-schiedene Ebenen (von der indivi-duellen Ebene bis Landesebene). Mit vollem Kopf an Informationen versuchten wir, ein allgemeines Kulturmodell zur weiteren Orien-tierung zu erstellen. Endlich, mit der Hilfe vom IMAP-Team, schaff-ten wir auch das und waren schon auf dem Weg zur nächsten Stati-on.

Ein deutlicher Zusammenhang existiert zwischen der Zukunft, der Gegenwart und der Vergan-genheit. Deswegen mussten wir zurück in die Vergangenheit schauen, um die gegenwärtige Si-tuation bewerten zu können. Einer der wichtigsten Teile der dritten Station war auch das Treffen mit den Vertretern der ethnischen Minderheiten Deutschlands. Es war sehr spannend, neue Informa-tion von den beteiligten Leuten zu

Zeitreisende aus Kasachstan, Anna Arkhipova

Zeitreisender aus Kasachstan, Filipp Semyonov

© Anna Arkhipova

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

bekommen, über die aktuelle Lage von den Volksgruppen in Deutsch-land, sowie auch über ihre tägli-chen Probleme und Schwierigkei-ten zu erfahren. Eines der High-lights dieses Tages war ein Ge-sprächs mit Frau Petra Rosenberg (Vertreterin der Volksgruppe der deutschen Sinti), die einen Teil des Buches „Das Brennglas“ ihres Va-ters Otto Rosenberg vorgelesen hat, in dem er seine Auschwitz-Erinnerungen beschrieben hat.

Die Lesung hat uns alle sehr be-wegt und unsere Gefühle geweckt. Man konnte sehen, dass viele unse-rer Kolleginnen und Kollegen die Tränen nicht verbergen konnten.

Es war ein wirklich sehr emotio-naler Moment, der uns zum Nach-denken gebracht hat. Dieses Nach-denken soll weitergegeben wer-den, damit künftige Generationen die Fehler der Vergangenheit ver-meiden können.

Unbedingt zu erwähnen ist auch die Fahrt nach Berlin, in deren Rahmen wir eine Führung durch die Stadt mit dem Schwerpunkt „Multikulturelle Gesellschaft“ hatten. Uns wurden die Stadtteile gezeigt, die während der typi-schen Touristenrundfahrten nicht zu sehen sind. Außerdem hat un-ser Team die Möglichkeit, eine Moschee, eine Kirche und eine

Synagoge zu besuchen. Der Be-such der Moschee war ein beson-derer Moment für uns, da wir dort zur Zeit des Gebets waren. Es war eine gute Chance, Vorurteile zu beseitigen und die andere Kultur nicht nur aus Büchern oder dem Fernseher, sondern live näher kennenzulernen.Zielpunkt unseres Abenteuers war die helle Zukunft, die wir mit der Entwicklung einer Wertechar-ta endlich erreicht haben. Mit Hil-fe dieser Charta sollen wir, 116 ausgewählte junge Leute mit dem unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergrund, unse-re turbulente und konfliktreiche Gegenwart verändern, um die Traumwelt der Zukunft zu errei-chen.

...Zeitreise - Treffpunkt Bad Belzig

© Deutscher Bundestag/Achim MeldeIP-StipendiatInnen 2018 in Bad Belzig

© IMAP

© IMAP

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Am 6. April 2018 standen im Paul

-Löbe-Haus des Deutschen Bun-

destages anspruchsvolle Themen

auf der Agenda: Demokratieförde-

rung (KAS), Integration (HSS),

Geschlechtergerechtigkeit (FES),

Presse und Journalismus (FNS),

Klimagerechtigkeit (RLS) und po-

litische Bildungsarbeit (HBS). Die-

se Themen der ersten Tageshälfte

wurden nicht wie gewöhnlich von

Mitgliedern parlamentarischer

Ausschüsse diskutiert, sondern

unter Einbeziehung der Stipendia-

tinnen und Stipendiaten des In-

ternationalen-Parlaments-

Stipendiums des Deutschen Bun-

destages.

Im Rahmen eines World Cafés

kamen Vertreterinnen und Vertre-

ter aller deutschen politischen

Stiftungen zusammen, um den

Stipendiatinnen und Stipendiaten

die Stiftungsarbeit vorzustellen

und mit ihnen ins Gespräch zu

kommen. Bei ihren Seminaren

zum Thema „Erinnerungskultur“

in Berlin und Kloster Banz konn-

ten die politischen Stiftungen be-

reits im März einige Stipendiatin-

nen und Stipendiaten des IPS

Jahrgangs 2018 kennenlernen. So

freuten wir uns, am Tag der poli-

tischen Stiftungen auf bekannte

Gesichter zu stoßen und neue

„IPSler“ kennen zu lernen.

Von den einzelnen Stiftungen

wurden je zwei Workshops ange-

boten, zwischen denen frei ge-

wählt werden konnte. Während

die Friedrich-Ebert-Stiftung nach-

mittags von ihren Nachwuchspro-

grammen in Mittel- und Osteuro-

pa sowie in der MENA-Region

erzählte, thematisierte die Rosa-

Luxemburg-Stiftung das Thema

Unternehmensverantwortung für

Menschenrechte. Gegenstand des

Workshops der Friedrich-

Naumann-Stiftung war die Men-

schenrechtsarbeit der Stiftung.

Bei der Konrad-Adenauer-Stiftung

gab es Input zur Demokratieförde-

rung und -festigung anhand kon-

kreter Länderbeispiele. Die Hein-

rich-Böll-Stiftung stellte ihren

Kohleatlas vor, wohingegen die

Hanns-Seidel-Stiftung sich mit

der Stärkung von föderalen Struk-

turen im Ausland auseinander-

setzte.

Die gelebte politische Vielfielt

spiegelte sich nicht nur in der

Zusammenkunft der verschieden

parteinahen politischen Stiftun-

gen wieder, sondern auch in den

unterschiedlichen Perspektiven

und Positionen der internationa-

len Stipendiatinnen und Stipen-

diaten. Angeregte, teils kontrover-

se Diskussionen bestimmten die

Atmosphäre in den Sitzungssälen.

Die Stiftungen erhielten dabei

wertvolle Anregungen, die sie in

ihre praktische Arbeit, sei es im

In- oder Ausland, einfließen las-

sen möchten. Von den Meinungen

und Erfahrungen der politisch

interessierten Nachwuchstalente

zu hören, macht den Austausch

mit den jungen Menschen des IPS

immer wieder aufs Neue so span-

nend und abwechslungsreich.

Wir freuen uns daher schon jetzt

auf die nächsten gemeinsamen

Seminare im Sommer und ganz

besonders auf den zweiten Stif-

tungstag: Am 11. Juli konnten

sich interessierte Stipendiatinnen

und Stipendiaten genauer über

Fördermöglichkeiten der Stiftun-

gen informieren. Wir hoffen, die

Stipendiaten hatten eine gute Zeit

und interessante Einblicke in die

Arbeit der Abgeordneten des

Deutschen Bundestages.

Tag der politischen Stiftungen 2018

Paulina Conrad, Mitarbeiterin der

Hanns-Seidel-Stiftung e.V.

© Hanns-Seidel-Stiftung e.V./Kathrin Fröhling

© Hanns-Seidel-Stiftung e.V./Kathrin Fröhling

© Hanns-Seidel-Stiftung e.V./Büro Berlin

IP-Stipendiat*innen in der Diskussion

World Café im Paul-Löbe-Haus

© Hanns-Seidel-Stiftung e.V./Kathrin Fröhling

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Das diesjährige IPS-Programm star-

tete offiziell auf der Auftaktveran-

staltung, wo die Stipendiaten zu

Beginn ihres Stipendiums von

Bundestagsvizepräsidentin Frau

Claudia Roth willkommen gehei-

ßen wurden, deren Datum zufällig

mit meinem Geburtstag zusammen-

fiel. Nach der herzlichen Bestär-

kung, der Austausch im Rahmen

des IPS sei das Gegenteil von Be-

quemlichkeit, gerade in Zeiten der

Vereinfachung und Vertrauensver-

luste, ist mir klargeworden, dass

im politischen Wettstreit der Par-

teien das Menschliche nicht zu

kurz kommen muss. Am Ende ih-

res Grußwortes gratulierte Frau

Roth mir vor anwesenden Abgeord-

neten, Mitarbeitern und Mitarbeite-

rinnen und Gästen völlig überra-

schend zum Geburtstag, wobei ich

gestehen muss, es nicht gewohnt

zu sein, Glückwünsche von Parla-

mentsvizepräsidentinnen zu erhal-

ten und die wahrzunehmen, ver-

tieft im Gespräch mit den Mitarbei-

terinnen von Frau Abg. Doris Bar-

nett, auf einer solchen Veranstal-

tung nicht jedem vergönnt ist.

Frau Barnett hatte ich bereits beim

Auswahlgespräch in Tiflis als Lei-

terin der Kommission für Armeni-

en und Georgien kennengelernt, zu

dem ich aus Berlin angereist war,

wo ich an der Humboldt-

Universität zu Umweltstrafrecht

promoviere. Obwohl ich dort ge-

fragt worden war, ob ich als Dok-

torand bereit wäre, auch Kaffee zu

kochen, kann ich nach dem ersten

Monat im Deutschen Bundestag

bestätigen: Von wegen Kaffeeko-

chen! Schon in der ersten Woche

musste ich mich in komplexe

Materie einarbeiten, die Abläufe

des parlamentarischen Alltags

kennenlernen und mich mit

innenpolitischen sowie europäi-

schen Themen auseinandersetzen.

Mitarbeit an Europathemen

Wenn man im Bundestag arbeitet,

ist es sehr wichtig, sich schnell

mit den Abkürzungen und der so

genannten Bundestagssprache

vertraut zu machen. So musste

ich für meine Tätigkeit schnell

lernen, dass HHA - Haushaltsaus-

schuss und UAEU - Unteraus-

schuss zur Fragen der Europäi-

schen Union bedeutet. Und ich

war auch auf die Frage gefasst, ob

man sich im Casino zum Mittag-

essen treffe.

Am Anfang meines Praktikums

durfte ich an Plenar- und Aus-

schusssitzung teilnehmen und

musste feststellen, dass die

Hauptarbeit des Deutschen Bun-

destags in den Ausschüssen, Un-

terausschüssen und Arbeitskrei-

sen stattfindet. Dabei ist die Palet-

te zu besprechender Themen sehr

umfangreich. Frau Abg. Doris Bar-

nett, bei der ich das Praktikum

absolviere, ist die Vorsitzende des

Unterausschusses zu Fragen der

Europäischen Union im Haus-

haltsausschuss. Bei der Vorberei-

tung für die Unterausschusssit-

zungen musste ich mich schnell

in die verschiedensten Themen

einarbeiten und mich nicht nur

mit den innenpolitischen The-

men, sondern auch mit europapo-

litischen Themen, wie dem

Brexit, der Griechenlandkrise,

dem Europäischen Währungs-

fonds oder Antworten auf

Macrons Reformpläne auseinan-

dersetzen. Plötzlich lagen die gan-

zen theoretischen Europarechts-

kenntnisse, die ich aus meinem

Studium kannte, vor mir als Pra-

xis auf dem Tisch und ich musste

feststellen, welchen immanenten

Einfluss die EU-Politik auf ein

europäisches Arbeitsparlament

wie den Deutschen Bundestag

hat.

Der Alltag im Abgeordnetenbüro

Zu einem schnellen Einstieg im

Büro verhalf mir Frau Barnetts

ehemalige IPS-Stipendiatin, die

für meine Fragen immer zur Ver-

fügung stand. Im Abgeordneten-

büro habe ich gelernt, welchen

Anteil der Dialog mit Bürgern ein-

nimmt, die das Parlamentsgebäu-

de während der Plenarsitzungen

besuchen. Ich fand interessant,

dass die Schülergruppen bereits

im Grundschulalter den deut-

schen Parlamentarismus und ihre

Repräsentanten kennenlernen

und sich mit der Politik auseinan-

dersetzen.

Wenn man selbst Teil eines Aus-

tauschprogrammes im Rahmen

des IPS ist und das demokratische

Leben vor Ort erfährt, lernt man

alle Facetten parlamentarischer

Arbeit kennen. Und das ist doch

das Gegenteil von Bequemlich-

keit.

Mein erster Monat im Deutschen Bundestag

Davit

Chikhladze,

Georgien

© Davit Chikhladze

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Die Wahlkreisreise

Aus Berlin in die Berge

Das Herz der politischen Arbeit schlägt nicht nur in Berlin, sondern auch in den 299 Wahlkreisen Deutschlands. Um diesen Teil der Aufgaben eines MdBs hautnah zu erleben, müssen alle IP-Stipendiaten drei Tage in den je-weiligen Wahlkreisen verbringen. Ich hatte die Gelegenheit den Wahlkreis meines Abgeordneten, Jürgen Hardt, Wuppertal II, Rem-scheid und Solingen im Mai 2018 zu besichtigen. Als ich aus mei-nem ICE gestiegen bin, war das ers-te, was ich in Wuppertal gesehen habe, die vielen Baustellen. Der Wahlkreis wächst und wird häufig von Stadt, Land, und Bund dabei unterstützt. In der Woche vor mei-ner Reise habe ich eine Pressemit-teilung über Investitionen des Bun-des im Wahlkreis geschrieben und es war für mich sehr interessant das vor Ort zu sehen. Bei meinem Spaziergang durch die Altstadt Wuppertals, hörte ich viel mehr Sprachen als nur Deutsch. Es über-raschte mich wie vielfältig der Wahlkreis ist. Nach meinem Spa-ziergang in der Altstadt, ging ich Richtung Oberbarmen, mit der be-liebten und berühmten Schwebe-bahn – was für ein Spaß! Ich fühlte mich als ob ich in Disney World wäre, mit einer süßen Altstadt und einer Art Achterbahn.

An meinem zweiten Tag im Wahlkreis bin ich pünktlich um 9 Uhr im Wahlkreisbüro Wuppertal an-gekommen, wo ich meine Kol-legin, ihren Hund, und meinen Abge-ordneten ganz und gar in die

Arbeit vertieft vorgefunden habe. Die Woche war Europawoche und mein Abgeordneter kam, als au-ßenpolitischer Sprecher der Bun-destagsfraktion CDU/CSU, mit Schülern über Themen wie Euro-papolitik, Brexit, das Verhältnis zu Russland und den USA sowie der Flüchtlingsthematik ins Ge-spräch. Danach haben ein Mitar-beiter aus dem Wahlkreis und ich eine Stadtrundfahrt gemacht.

Wir haben zuerst die berühmte Müngstener Brücke besichtigt, die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands. Es ist mir in die-sem Moment aufgefallen, dass unser Wahlkreis sehr fortgeschrit-ten in Verkehrsdingen ist!

Mit der Schwebebahn, dieser Brücke, und auch dem größtem Oberleitungsbusbe-trieb Deutschlands. In derselben Richtung sind wir weiter Rich-tung Schloss Burg an der Wupper gefahren. Dort konnten wir ei-nen schönen Ausblick in die Natur und in die Geschichte genie-ßen. Danach sind wir in dem Wahlkreisbüro Solingen angekom-men, wo unser nächster Termin das Kennenlernen einer Amerika-

nerin aus dem Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP) war. Wir haben mit Herrn Hardt über ihre Zukunft als Bauingenieurin gesprochen und sind im Stadtteil Gräfrath ein Eis essen gegangen.

Zuletzt mussten wir uns auf eine gemeinsame Bürgersprechstunde mit dem Bürgermeister Solingen vorbereiten. Viele Bürger haben sich über die aktuelle Flüchtlings-lage und Unterstützung für das Wohlsein der Flüchtlinge geäußert. Besonders gut gefallen hat mir, dass mein Abgeordneter sich die Zeit genommen hat, jedem einzel-nen Bürger persönlich zuzuhören.

Während einer Sitzungswoche ist in Berlin viel los im Hauptstadtbü-ro, aber im Wahlkreisbüro nicht. Genau umgekehrt ist es in einer Nichtsitzungswoche, wenn der Ab-geordnete im Wahlkreis ist.

Was ich von meiner Wahlkreisreise gelernt habe ist, dass es einem Abgeordneten nie lang-weilig wird. Ob in Berlin, auf Dienstreise oder im Wahlkreis, müssen Abgeordnete ihr Privatle-ben opfern, um den Bürgern und ihrem Land zu dienen.

Mary Jones, USA

© Mary Jones

Mary Jones auf ihrer Wahlkreisreise

© Mary Jones

© Mary Jones

© Mary Jones

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Eine aktive Werbung für das

Internationale Parlaments-Stipendium

Scott Usatorres,

stellver. Vorsit-

zender des Ame-

rican Bundestag

Network

„War dein Deutsch gut genug?“

„Wie geht man als Ausländer mit

der AfD um?“

„Wird man im Abgeordnetenbüro

gut bezahlt?“

Auf solche Fragen musste man bei

der „Career Days 2017“ Veranstal-

tung an der Brown University als

IPS-Alumnus und jetziger Abgeord-

netenmitarbeiter eine Antwort gut

überlegt haben! Im Rahmen der

Alumniarbeit des American Bun-

destag Network wurde mir die Ge-

legenheit gegeben, einen Vortrag an

der Brown University über meine

Zeit im IPS zu halten und über mei-

ne aktuelle Tätigkeit im Abgeordne-

tenbüro zu berichten. Nebenbei

ehemalige Professoren zu besuchen

war nett, aber Hauptziel meiner

Reise zurück in die USA war eine

aktive Werbung fürs IPS-

Programm.

Als Teil unserer Gesamtstrategie

im ABN für eine bessere und akti-

vere Werbung des IPS-Programms

haben wir die amerikanischen IPS

-Alumni darauf hingewiesen,

Kontakt mit ihren ehemaligen

Universitäten aufzunehmen. Ver-

bunden mit einer einheitlichen

und verfestigten Social Media

Präsenz, einem regelmäßigen

Newsletter und verlässlichen Re-

gionalkoordinatoren konnten wir

die Anzahl der fürs Programm

Jahr 2018 eingegangenen Bewer-

bungen um über 75% erhöhen.

Mit dieser Zahl haben wir einen

Rekord für US-Bewerbungen auf-

gestellt und wir werden in den

folgenden Jahren danach streben,

diesen Rekord zu überbieten.

Uns wäre dieser Erfolg natürlich

nie gelungen, ohne die Unterstüt-

zung vom Referat WI4. Das Team

war immer bereit, uns IPS-

Werbemittel („Give-Aways“ auf

Deutsch, wie ich gelernt habe) zur

Verfügung zu stellen, oder Vor-

schläge für eine gute Planung einer

Veranstaltung zu geben. Egal ob ein

Telefonat, eine Mail, oder ein Tref-

fen zum Mittagessen im Paul-Löbe-

Haus, alle IPS-Alumni haben Zu-

gang zu WI4-Resourcen, die eine

aktive Alumniarbeit vereinfachen

und ermöglichen. An dieser Stelle

möchte sich der ganze ABN-

Vorstand bei WI4 bedanken.

Mit ungefähr 30 jungen Studenten

und Studentinnen konnte ich ins

Gespräch im Rahmen der Career

Days 2017 kommen. Das neue von

WI4 gemachte IPS-Video auf der

Homepage ist bei denen sehr gut

angekommen. Auch alle IPS Blei-

stifte und Schlüsselbänder waren

sofort weg. Ich habe mich sehr ge-

freut, nachdem manche sich sofort

geäußert hatten, sich im kommen-

den Jahr fürs IPS zu bewerben.

Aber ob man im Abgeordnetenbüro

gut bezahlt wird? Naja, zuerst

müssten Sie einen Platz im Pro-

gramm schaffen, dann können Sie

sich selbst die Frage beantworten!

Katarína Kissová,

Vorsitzende des

IPS-Alumni Ver-

eins Slowakei,

Büroleiterin der

Vertretung der

Hanns-Seidel-

Stiftung in Bra-

tislava

Die Regionalkonferenz der Visegrád-Staaten in Bratislava

Der IPS-Alumni-Verein Slowakei

organisierte in Zusammenarbeit

mit der Hanns-Seidel-Stiftung

Bratislava, dem Deutschen Bun-

destag und der Deutschen Bot-

schaft in Pressburg eine Regional-

tagung für die ehemaligen Stipen-

diatinnen und Stipendiaten des

Internationalen Parlamentsstipen-

diums des Deutschen Bundesta-

ges (IPS) in der slowakischen

Hauptstadt. 2017 in Bratislava.

© Scott Usatorres/Marina Polovinkina

© Katarína Kissová

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Auf Einladung der Kooperations-

partner trafen 22 junge IPS-

Absolventen aus den sog. Vise-

grád-Staaten (Slowakei, Tsche-

chien, Ungarn und Polen) vom

11. bis 15. Oktober 2017 in Bra-

tislava zusammen.

Die Regionalkonferenz hat einen

hervorragenden Rahmen für das

gegenseitige Lernen und Verste-

hen von Politikansätzen zwi-

schen den Visegrád-Staaten, der

EU und Deutschland geboten.

Die hochqualifizierten jungen

Teilnehmer haben die Möglich-

keit erhalten, sich mit höchsten

Entscheidungsträgern, Regie-

rungsvertretern und Experten

zum Thema „EU und Visegrád –

Zerfall oder Koalitionsbildung“

auszutauschen.

Dem gegenseitigen Meinungsaus-

tausch zwischen den Teilnehmer-

ländern diente auch eine öffentli-

che Diskussionsveranstaltung un-

ter Beteiligung des Bundestagsab-

geordneten, Herrn Bartholomäus

Kalb und von Repräsentanten der

Hanns-Seidel-Stiftung in Mittel-

europa. Herrn Martin Kastler ist

es in der Diskussion gelungen, die

IPS-Markenbekanntheit im Kreis

der slowakischen Politikerinnen

und Politiker zu erhöhen.

Die Teilnehmer haben sich dar-

über hinaus mit dem Thema Inno-

vative und zukunftsorientierte

Alumni-Arbeit auseinanderge-

setzt. Im Rahmen eines Kommu-

nikationstrainings suchten sie

gemeinsam Lösungsansätze für

die Frage, wie man als Alumni-

Verein die potenziellen Bewerbe-

rinnen und Bewerber für das IPS-

Stipendium gewinnen kann.

Zudem haben sich die Alumni zum

Ziel gesetzt, einen Rahmen für den

regelmäßigen und nachhaltigen

Austausch und die Kontaktpflege

unter den Visegrád-Ländern zu

gründen.

Dementsprechend sollten ähnliche

Regionalkonferenzen und Tagun-

gen der Visegrád-Staaten auf regel-

mäßiger Basis stattfinden. Der

IPS-Alumni-Verein dankt herzlich

allen Kooperationspartnern, die die

Regionaltagung in Bratislava unter-

stützt haben.

© Hanns-Seidel-Stiftung/Stanislav Zupa (12.10.2017)

© Hanns-Seidel-Stiftung/Stanislav Zupa

...Die Regionaltagung der Visegrád-Staaten in Bratislava

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

IPS Alumni Regionalkonferenz in Rabat:

„Herausforderungen irregulärer Migration bewältigen,

Chancen regulärer Migration nutzen“

Nach der ersten erfolgreichen Regi-

onalkonferenz für die Region Nord-

afrika in Tunesien war es uns eine

besondere Freude, die zweite Regi-

onalkonferenz vom 16. bis 19. No-

vember 2017 in Rabat zu organi-

sieren. Sie brachte diesmal sowohl

die Alumni Nordafrikas als auch

des Nahen Ostens zusammen.

An der Konferenz haben 21 Alumni

aus Marokko, Algerien, Tunesien,

Ägypten, Jordanien, Palästina und

dem Libanon teilgenommen.

Die Konferenz war eine Möglich-

keit über das Thema „Migration“

auf verschiedenen Ebenen und

mit verschiedenen deutschen

sowie auch marokkanischen Insti-

tutionen zu diskutieren.

Die Konferenz war gekennzeich-

net durch die interessanten Vor-

träge, die die Alumni über Flucht

und Migration in ihren Heimat-

ländern gehalten haben. Der Aus-

tausch mit den Alumni war sehr

interessant und fruchtbar.

Die Teilnahme von Herrn Prof.

Dr. Ulrich Schöler, Leiter der Ab-

teilung Wissenschaft und Außen-

beziehungen, hat die Diskussion

und unsere Konferenz sehr berei-

chert, weil er u.a. Fragen zur

deutschen Migrationspolitik be-

antwortet hat. Prof. Schöler

sprach darüber, dass Deutsch-

land und die Mitgliedstaaten der

EU sich verstärkt bemühen, eine

wirksame, humanitäre und sichere

europäische Migrationspolitik zu

entwickeln. Prof. Schöler sagte des

Weiteren, dass Deutschland in den

letzten Jahren umfassende Maß-

nahmen ergriffen hat, um auf den

Migrationsdruck zu reagieren. Au-

ßerdem betonte er, dass die Be-

kämpfung der irregulären Migrati-

on schon im Atlas Gebirge be-

ginnt.

Während der dreitägigen Konfe-

renz konnten die Alumni einerseits

mehr über die Erfahrung Marokkos

und seiner Migrationspolitik erfah-

ren, andererseits hatten wir die

Gelegenheit, mehr über die Situati-

on der Migranten und die Migrati-

onspolitik der Herkunftsländer zu

erfahren und darüber zu diskutie-

ren.

Die Konferenz wurde beendet mit

Workshops, in denen wir die Mög-

lichkeit hatten, über die zukünfti-

gen und möglichen Maßnahmen

zu diskutieren, um die Migrations-

potenziale zu nutzen.

Die Konferenz war eine Gelegen-

heit, um uns über das Thema der

Migration auszutauschen und die

Netzwerke zwischen den Alumni

und damit auch zwischen unseren

Herkunftsländern auszubauen.

Asma

Merzaq,

IPS-Alumna© Asma Merzaq

© Asma Merzaq

© Asma Merzaq

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Die überregionale IPS-Alumni-Konferenz in Viscri,

Rumänien

Demokratische Werte und gute Freundschaft!

Politisches Engagement, Weltoffen-

heit und eine gemeinsame Erfah-

rung im Herzen der deutschen De-

mokratie – diese Merkmale kenn-

zeichnen das länder- und alters-

übergreifende IPS-Netzwerk, das

mittlerweile 2.500 Menschen aus

42 Ländern umfasst. Wir, die

Alumni des Internationalen Parla-

ments-Stipendiums, bezeichnen

uns (nicht ohne Stolz) noch lange

nach Abschluss unserer Praktika in

Berlin als „IPS-ler“. Viele von uns

sind untereinander gut vernetzt

und sogar eng befreundet. Wir un-

ternehmen halbe Weltreisen, um

uns gegenseitig zu besuchen, tref-

fen uns privat, überbrücken die

Entfernungen zwischen unseren

Ländern mit angeregten Diskussio-

nen im virtuellen Raum, feiern

‚internationale‘ Geburtstagpartys

und Hochzeiten sowie legendäre

IPS-Silvesternächte. Und was noch

schöner ist: Wir veranstalten regel-

mäßig Alumni-Konferenzen, bei

denen Erfahrungen ausgetauscht,

Kontakte gepflegt und Freundschaf-

ten aufgefrischt werden.

45 ehemalige Stipendiatinnen und

Stipendiaten des IPS haben sich

nun vom 27. April bis 1. Mai 2018

im siebenbürgischen Viscri (oder:

Deutsch-Weißkirch) in Rumänien

erstmals zu einer überregionalen

Konferenz getroffen. Das Thema

lautete: „Die Rolle Deutschlands

in den Heimatländern der IPS-

Alumni aus politischer, wirt-

schaftlicher und kultureller

Sicht“. Die Initiative zu dieser

Veranstaltung kam von zwei ehe-

maligen Stipendiaten des Jahr-

gangs 2008, Ursula Radu-

Fernolend aus Rumänien und

Victor Bashkatov aus Russland.

Sie hatten sich nach langer Zeit –

und mit der dazugehörigen Porti-

on von IPS-Nostalgie – auf einen

Drink dort verabredet, wo IPS für

die meisten von uns beginnt: in

Berlin-Kreuzberg. Ursprünglich

wollten sie ein kleines Treffen

zum zehnjährigen Jubiläum ihres

IPS-Jahrgangs planen. Daraus ist

eine dreitägige Konferenz in der

Kirchenburg von Deutsch-

Weißkirch geworden, an der „IPS-

ler“ der Jahrgänge 1990 (Adam

Peszke aus Polen) bis 2017

(Kenan Melhem aus Syrien) teilge-

nommen haben.

„Gemeinsame Werte in unseren

Herkunftsländern stärken“

19 Länder waren vertreten: Belarus,

Bosnien und Herzegowina, Bulgari-

en, Griechenland, Israel, Jordanien,

Kasachstan, Kroatien, Republik

Moldau, Montenegro, Polen, Russ-

land, Serbien, Syrien, Tschechien,

die Ukraine, Ungarn, die USA, und

natürlich Rumänien. Im Mittel-

punkt der Konferenz stand nicht

allein unsere langjährige, internati-

onale Freundschaft. Vielmehr han-

delte es sich um einen Versuch, mit

dem IPS-Netzwerk „den aktuellen

Rückschritten der Demokratie ent-

gegenzuwirken und gemeinsame

Werte im europäischen Sinne in

unseren Herkunftsländern zu stär-

ken“, wie Ursula Radu-Fernolend

in ihrer Begrüßungsansprache er-

klärte.

Die Konferenz startete mit einem Kennenlernspiel

© Christine Chiriac/Janek Wiechers

Christine Chiriac, IPS-Alumna

© Christine Chiriac/

Janek Wiechers

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

...Demokratische Werte und gute Freundschaft!

Im Rahmen der Podiumsdiskussio-

nen am ersten Konferenztag ging es

thematisch um politisches Engage-

ment, die parlamentarische Demo-

kratie und den Gemeinschaftssinn,

aber auch um aktuelle Herausforde-

rungen der Demokratie, um Popu-

lismus und Krieg. So baute Herr

Cord Meier-Klodt, Botschafter

Deutschlands in Rumänien, seine

Rede auf „vier Hurras und eine Sor-

ge“ auf. Er würdigte das zivile En-

gagement, die europäische „Einheit

in der Vielfalt“, die gelebte parla-

mentarische Demokratie und die

„IPS-ler als Vertreter eines einge-

schworenen internationalen Netz-

werks“, äußerte aber auch seine

Besorgnis über die weltweit zuneh-

mende „Tendenz zu politischen

Alleingängen“, das „populistische

Arbeiten mit Ängsten“ und die

„absichtliche Eskalation von Prob-

lemen, die eine einfache Lösung

haben könnten“.

Seinen Arbeitsalltag im Europäi-

schen Parlament schilderte uns aus

erster Hand der rumänische EU-

Abgeordnete Siegfried Mureşan. Er

hat vor zwölf Jahren selber das In-

ternationale Parlaments-

Stipendium absolviert und be-

zeichnet dieses Programm heute

noch als „Meilenstein“ für seine

politische Karriere. Auf der Kon-

ferenz, wie in seinem gesamten

Wirken, plädierte er für mehr

Transparenz in der Politik und für

eine verstärkte Kontrolle der Poli-

tiker durch die Bürger. Insbeson-

dere im heutigen Rumänien sei es

wichtig, „dass die Menschen den

Politikern ganz genau auf die Fer-

sen schauen“.

„Den Mitmenschen auf gleicher

Augenhöhe begegnen“

Als Gastgeberin sprach Caroline

Fernolend, Kreisrätin in Braşov

(zu Deutsch: Kronstadt) und Lei-

terin des „Mihai Eminescu Trust“,

einer Stiftung, die sich in Rumä-

nien seit vielen Jah-

ren im Bereich der

dörflichen Entwick-

lung engagiert und

den Erhalt der einzig-

artigen siebenbürgi-

schen Architektur

mit einer Vielfalt von

gemeinschaftsför-

dernden Maßnahmen

verbindet. Frau Fern-

olend begrüßte uns

herzlich in ihrem

Heimatdorf und warf

einen Blick zurück

auf die jüngste Ge-

schichte von Deutsch-Weißkirch:

Das Dorf sollte während der

Ceauşescu-Ära abgerissen wer-

den, verlor nach der Wende von

1989 seine traditionelle sieben-

bürgisch-sächsische Gemeinschaft

fast vollständig und „existierte bis

vor zwanzig Jahren nicht auf der

Karte“. Mit kleinen Schritten und

dem gemeinsamen Ziel ein besseres

Leben für alle zu schaffen, sei es

gelungen, Differenzen zwischen

Rumänen, Siebenbürger Sachsen

und Roma zu überbrücken und

dem Dorf eine Zukunft und einen

neue Gemeinschaft zu geben. Wie

uns Caroline Fernolend erklärte,

erhalten heutzutage „nur noch vier

Familien Sozialhilfe von noch 45

im Jahr 2007“, und Deutsch-

Weißkirch hat rund 40.000 Besu-

cher im Jahr. Frau Fernolend teilte

zum Schluss ihr Erfolgsrezept mit

uns: „Den Mitmenschen auf glei-

cher Augenhöhe zu begegnen und

gemeinsam zu versuchen, etwas für

die

an-

deren zu tun – denn das alles

kommt sicherlich vielfach zurück!“

Auch Emil Hurezeanu, Botschafter

Rumäniens in Deutschland, hieß

uns in Siebenbürgen herzlich will-

kommen, erzählte uns über wichti-

ge historische und politische Zäsu-

ren in der jüngsten Geschichte Ru-

mäniens, und ermutigte uns stets

„Schnittstellen zu finden, da wo

andere Trennlinien sehen und

Podiumsdiskussion mit (v.l.) Botschafter Emil Hurezeanu,

Botschafter Cord Meier-Klodt, Kommunalpolitikerin Caroline

Fernolend und den Organisatoren der Konferenz, Ursula Radu

-Fernolend und Victor Bashkatov.

© Janek WiechersEine Reportage über die Konferenz wurde

im staatlichen Fernsehen TVR ausgestrahlt

© Janek Wiechers

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

...Demokratische Werte und gute Freundschaft!

Spaltung fördern“. Zu den Podi-

umsgästen zählten zudem Alina-

Roxana Gîrbea, politische Bericht-

erstatterin bei der Vertretung der

Europäischen Kommission in Buka-

rest, Stephan Meuser, Leiter der

Friedrich-Ebert-Stiftung Bukarest,

Raimar Wagner, Projektmanager der

Friedrich-Naumann-Stiftung in Bu-

karest (und IPS-Alumnus des Jahr-

gangs 2003) und Christine Chiriac,

Redakteurin der Allgemeinen Zei-

tung für Rumänien (IPS 2009). Die

Moderation übernahm Robert

Schwartz, Leiter der rumänischen

Redaktion der Deutschen Welle.

„Politik kann eine zerstörte Gesell-

schaft wieder aufbauen“

Über die politische Lage in seinem

Heimatland Syrien und die Erfah-

rung als Stipendiat im Deutschen

Bundestag berichtete Kenan Mel-

hem, Architekt und Alumnus des

IPS-Jahrgangs 2017. Besonders rüh-

rend war seine Schilderung der

Situation in Damaskus. Er habe er-

kannt, dass „Politik die Gesell-

schaft vollkommen zerstören, oder

ganz im Gegenteil, eine zerstörte

Gesellschaft wieder aufbauen

kann“ und habe deshalb beschlos-

sen, sich politisch zu engagieren.

Eine kontroverse, politisch brisante

Diskussion ergab sich schließlich

rund um die amerikanische Präsi-

dentschaft zwischen Arik Kot-

kowski, Unternehmensberater für

geopolitische Risiken und IPS-

Alumnus aus den USA (Jahrgang

2012) und einigen seiner Mitstipen-

diaten. Dies wurde jedoch bald als

willkommene, konstruktive Mei-

nungsverschiedenheit gedeutet und

im Laufe des Abends in kollegialer

Atmosphäre und guter IPS-

Tradition weiterdiskutiert.

Und selbstverständlich stand

nicht „nur“ Politik auf dem Pro-

gramm der Konferenz. Die IPS-ler

konnten das wunderbare Wetter

genießen und gleichzeitig das

bauliche Kulturerbe und die Ge-

schichte Siebenbürgens näher

kennenlernen, etwas über die

kommunistische Vergangenheit,

die politische Entwicklung Rumä-

niens nach der Wende und die

aktuelle Lage der Minderheiten

im Karpatenland erfahren. Beliebt

waren die Erzählrunden auf einfa-

chen Holzbänken unter blühen-

dem Flieder. Gemächliche Besu-

che der Kirchenburg Deutsch-

Weißkirch sowie der Stadt

Sighişoara (Schäßburg) – beide

UNESCO-Weltkulturerbe – ließen

uns etwas von der einmaligen

Stimmung dieser Kulturland-

schaft erspüren. Besonders lustig

waren die Abende in der frisch

sanierten Scheune unweit der Kir-

chenburg in Deutsch-Weißkirch,

wo wir mit der lokalen siebenbür-

gischen Kulinarik Bekanntschaft

machen durften oder ein paar Stun-

den lang ungestört Pantomime ge-

spielt haben. Das Thema lautete

auch hier selbstverständlich: Deut-

scher Bundestag. Wörter wie

„Wahlkreisreise“ und

„Koalitionsvertrag“, die pantomi-

misch kaum darstellbar sind, sorg-

ten für allgemeines Geläch-

ter. Danach ergab sich eine sponta-

ne Tanzveranstaltung, der sich

nach und nach fast alle angeschlos-

sen haben: Alumni aus knapp 20

Ländern haben gemeinsam zu ara-

bischer, türkischer und westbalka-

nischer Musik in der Scheune des

evangelischen, siebenbürgisch-

sächsischen Pfarrhauses in Deutsch

-Weißkirch in Rumänien getanzt...

Nach diesem Abend waren wir uns

alle einig, dass es in der Welt ein-

deutig noch Hoffnung gibt ;-)

Entspannte Abschlussrunde am letzten Konferenztag

© Janek Wiechers

© Janek Wiechers

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

IPS Alumni immun gegen Populismus

Rückblick auf eine gelungene Konferenz in Moldau

Alexandr Filipp,

Mitarbeiter des Pres-

sereferats in der

Botschaft Chisinau

und Alumnus 2015

Zwischen dem 6. und 9. September 2018 fand in Chisinau, Moldau die erste Regionalkonferenz der IPS Alumni mit dem Thema Rolle des Populismus bei Wahlen in Europa und Moldau statt, bei der Absolven-tinnen und Absolventen des Pro-gramms aus Moldau und 13 weite-ren Ländern (Armenien, Belarus, Bulgarien, Georgien, Kasachstan, Lettland, Litauen, Mazedonien, Ru-mänien, Russland, Serbien, Ukrai-ne, Ungarn), mit 2013 als durch-schnittlicher IPS Jahrgang, teilge-nommen haben.

Zum Auftakt des Programms wur-den die IPS Alumni vom ersten Sekretär der deutschen Botschaft Chisinau zu einem Empfang einge-laden, wo die Stipendiatinnen und Stipendiaten auch von dem ehemaligen Parla-mentsvorsitzender, der auch früher Botschaf-ter Moldaus in Deutschland war und jetzt das Moldauisch-Deutsche Forum leitet, begrüßt wurden. Wäh-rend eines Besuchs im Parlament hatten die Alumni die Möglich-keit, Fragen über Popu-lismus in Moldau und die allgemeine politi-sche Situation im Land an den Vizevorsitzen-der des moldauischen Parlaments zu stellen. Darüber hinaus lernten die Alumni mehrere Politiker, Experten und

Journalisten im Rahmen zweier Podiumsdiskussionen (Wahlkampfthema EU vs. EAU und Werkzeuge des Populismus in der digitalen Ära) kennen. Das Meinungsvielfalt und die heißen Debatten der Teilnehmer an den Podiumsdiskussionen haben den Alumni besonders gefallen.

Andere Höhepunkte des Pro-gramms waren die Vorträge der ehemaligen Praktikantinnen und Praktikanten zum Thema der Konferenz und zum Alumnileben in ihren Ländern. Den „politischen“ Stadtrundgang durch Chisinau fanden die Gäste auch besonders spannend. Da das Programm auch abends dicht war, haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den 4 Tage wenig geschlafen, dafür wurden die aber mit köstliches Essen, gutes Wein und tolle Atmosphäre belohnt J Im Allgemeinen war das Feed-back der Alumni gut, außer der kurzfristige Anmeldung die das Reduzieren des geplantes Anzahl der Alumni erzwungen hat. Die Konferenz fand dank der Un-

terstützung des Deutschen Bundes-

tages, der Deutschen Botschaft Chi-

sinau, der Hanns-Seidel-Stiftung,

der Friedrich-Ebert-Stiftung, des

Moldauisch-Deutschen Forums, der

Freihandelszone Balti und anderen

Partnern statt.

Und ein paar O-Töne von unserer

WhatsApp-Gruppe:

Viktorija Stadnika, Lettland, IPS

2012: „Ihr habt so einen grandiosen

Event veranstaltet! Tolle Organisa-

tion, großer Lob und herzlichen

Dank!“

Christine Chapidze, Georgien,

2017: „Vielen Dank an euch alle für

eure Mühe und wunderbare Zeit!“

Tamara Manukyan, Armenien,

2018: „Es war wirklich eine tolle

Reise für uns alle! Ich dank euch

allen sehr herzlich für die schöne

Zeit und Stimmung in Moldau.“

© Janek Wiechers

© Alexandr Filipp

© Alexandr Filipp

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Eine Art Heimkehr

Ein Besuch als ehemaliger IPS-Stipendiat im Bundestag

András

Fekete-Győr,

Vorsitzender der

Partei Momen-

tum

(Budapest)

Es ist noch keine zwei Jahre her,

dass ich als IPS-Stipendiat ein hal-

bes Jahr im Deutschen Bundestag

verbringen durfte. Mitte November

2017 war ich wieder dort – mittler-

weile als Vorsitzender der neuen

ungarischen Bewegung Momen-

tum. Es war wie eine Heimkehr für

mich. Die Zeit im Bundestag hat

mich sowohl persönlich als auch

politisch sehr geprägt.

Der Kontrast zur politischen Kultur

meines Heimatlandes war verblüf-

fend: während die ungarische Ge-

sellschaft weitgehend polarisiert ist

und in der Politik eine äußerst ag-

gressive Grundstimmung herrscht,

war es augenfällig, dass es in

Deutschland bei allen Streitigkei-

ten einen festen demokratischen

Konsens zwischen den etablierten

Parteien gibt und alle bereit sind,

die demokratischen Grundwerte zu

verteidigen. Auch wissen und beto-

nen alle etablierten Kräfte, dass

Demokraten untereinander grund-

sätzlich koalitionsfähig sein müs-

sen – und daran ändert auch die

Tatsache nichts, dass die Sondie-

rungsgespräche zu einer Jamaika-

Koalition just am Tag meiner An-

kunft in Berlin gescheitert sind.

Wir bei Momentum wollen diese

Werte und diese konstruktive

Art auch in der ungarischen Po-

litik verankern. Momentum ist

eine junge Partei, die für eine

neue politische Generation steht:

eine Generation, für die das ge-

meinsame Europa gelebte Reali-

tät ist. So gut wie alle Grün-

dungsmitglieder haben bereits

im Ausland gelebt und erlebt,

dass Politik auch anders geht.

Das merkt man auch an der in-

ternen Streitkultur: Selbst, wenn

es mal hoch hergeht, geht die

gegenseitige Achtung nicht ver-

loren. Auch das macht uns als

Gemeinschaft stark.

Während meiner Reise habe ich

viele politische Kontakte zu

deutschen Parlamentariern und

Entscheidungsträgern knüpfen

können. Ein besonderer Höhe-

punkt war die Einladung bei der

Außen- und Sicherheitspoliti-

schen Vereinigung der Parla-

mentsmitarbeiter/innen (ASVP).

Hier hatte ich die Möglichkeit,

über Ungarns Rolle in Europa,

die Zukunft der Visegrád- Gruppe

und die innenpolitische Entwick-

lung in meinem Heimatland zu

sprechen. Ich habe betont, wie

wichtig es ist, bei der Regierung

Orbán genau hinzuschauen und

hinzuhören: Während ihre Reprä-

sentanten in Brüssel und Berlin oft

einen versöhnlichen Ton anschla-

gen, läuft in Ungarn zum wieder-

holten Male eine aus Steuergel-

dern finanzierte antieuropäische

und fremdenfeindliche Hasskam-

pagne, die in Europa seinesglei-

chen sucht. Auch die V4- Gruppe

ist nur noch eine leere Hülle. Wir

bei Momentum wollen Ungarn

nach Kerneuropa führen, dabei

aber auch die

regionale Zusam-

menarbeit auf

neue Füße stel-

len, am besten

unter Einbezie-

hung anderer

Länder wie Ös-

terreich und Ru-

mänien.

Anschließend

stellte ich mich

den Fragen der

Teilnehmer. Da

das Treffen hinter verschlossenen

Türen stattfand, konnten wir uns

offen miteinander austauschen.

Die dabei gestellten Fragen und

die Kommentare waren für mich

ein eindrücklicher Beweis dafür,

wie groß die Sorge um Ungarn ist,

aber auch wie groß das Interesse

daran ist, dass dort endlich eine

neue politische Kraft ent-

steht und sich das Land

© András Fekete-Györ

© András Fekete-Györ

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

wieder stärker auf das gemeinsame

europäische Projekt besinnt.

Im nächsten Frühjahr sind Wahlen

in Ungarn. Wir stellen uns zur

Wahl und gehen fest davon aus,

dass Momentum ins Parlament ein-

ziehen wird. Die Erfahrungen, die

ich und noch andere meiner Mit-

streiter im deutschen Parlament

gemacht haben und die Kontakte,

die wir dabei geknüpft haben, nicht

zuletzt mit IPS-Stipendiaten aus

anderen Ländern, werden für unse-

re Arbeit dort unverzichtbar sein.

Es war sicherlich nicht mein letzter

Besuch in Berlin.

… Eine Art Heimkehr

Ein Besuch als ehemaliger IPS-Stipendiat im Bundestag

Die Internationale Diplomatenaus-bildung des Auswärtigen Amts in Berlin führt seit 1992 Fortbildun-gen für ausländische Diplomatin-nen und Diplomaten durch.

Dadurch ist bis dato ein Netzwerk von über 3.500 Alumni entstanden. Durch die jüngste Kooperation zwi-

schen der Internationalen Diplo-matenausbildung und dem Inter-nationalen Parlamentsstipendium (IPS) wird die Alumni Arbeit bei-der Programme vernetzt. Teil die-ser Kooperation ist eine Öffnung der Alumni-Arbeit der Internatio-nalen Diplomatenausbildung für IPS-Alumni.

Durch die Aufnahme in die Da-tenbank können Sie zu Veranstal-tungen der Internationalen Diplo-matenausbildung, von Einzelver-anstaltungen und einwöchigen Fortbildungen in Deutschland bis hin zu regionalen Netzwerktreffen im Ausland, eingeladen werden. Auch Deutsche Auslandsvertre-tungen erhalten Zugang zu den Kontaktdaten und können Ihnen Einladungen zu Empfängen, Kul-turveranstaltungen oder Netz-

werktreffen in Ihrem jeweiligen Aufenthaltsland zukommen las-sen. Registrieren Sie sich jetzt über MovingIn* und werden auch Sie Teil unseres weltweiten Netz-werkes!**

*Mit der Bereitstellung Ihrer Daten stimmen Sie deren Nutzung durch die Internationale Diplomatenausbildung und durch die Deutsche Auslandsver-tretung in Ihrem Aufenthaltsland zu. Die Daten werden darüber hinaus keiner dritten Partei zugänglich ge-macht, ebenso gelten höchste Anfor-derungen an die Datensicherheit. **Bitte beachten Sie, dass für die Aufnahme in diese Datenbank Alum-ni des IPS sein müssen. Der Link zum ,,MovingIn"-Formular darf des-halb nicht mit Dritten geteilt werden.

Internationale Diplomatenausbildung:

Werden Sie Teil unseres weltweiten Netzwerks!

© András Fekete-Györ

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Vortrag über die politische Situation in Polen

IPS-Alumnus ist Vorstandsvorsitzender von Global.Lab

Als ich 2013 als IPS-Stipendiat

mein Praktikum im Bundestag ab-

solviert habe, galt das deutsch-

polnische Verhältnis als Beispiel

für gelungene Versöhnung und gu-

te Zusammenarbeit zwischen euro-

päischen Nachbarstaaten. Doch seit

dem Regierungswechsel 2015 in

Polen ist das deutsch-polnische

Verhältnis zunehmend angespannt.

Es wird um die Flüchtlinge, den

Kurs der Europäischen Union, die

Reparationsforderungen für den

zweiten Weltkrieg, die deutsch-

russische Ostsee-Pipeline Nord-

stream 2, die Rechtsstaatlichkeit

und die kontroversen Justizrefor-

men in Polen gestritten.

Die jüngsten politischen Ent-

wicklungen in Polen sind für

viele eine Überraschung. Lange

galt Polen doch als Musterknabe

der Transformation nach dem

Umbruch von 1989 und ein ver-

lässlicher Partner in der EU seit

der Osterweiterung von 2004.

Die Regierungsumbildung An-

fang des Jahres stellte einen ge-

eigneten Anlass sich intensiver

mit der Lage in Polen zu beschäf-

tigen. Ich hatte dabei die Gele-

genheit auf Einladung der Verei-

nigung deutsch-polnischer Parla-

mentsmitarbeiter (VDPP) e.V. im

Bundestag über mein Heimat-

land zu berichten.

Die Vereinigung deutscher und

polnischer Parlamentsmitarbei-

ter setzt sich für die Vertiefung

der deutsch-polnischen Freund-

schaft und Verständigung, insbe-

sondere auf der Ebene der Parla-

mente ein. Ähnlich wie das IPS

trägt die VDPP somit dazu bei,

die freundschaftliche Zusam-

menarbeit zu fördern und Ver-

ständigung zwischen den Völ-

kern zu vertiefen. Gerade in Kri-

sensituationen kommt solchen

Initiativen des zivilgesellschaftli-

chen Austausches eine besonde-

re Rolle zu. Denn sie halten den

Dialog aufrecht, sogar wenn die

Stimmung zwischen den politi-

schen Entscheidungsträgern von

Verständnislosigkeit geprägt

wird.

Umso mehr freute ich mich, dass

die Veranstaltung, die im Jakob-

Kaiser-Haus stattgefunden hat,

sehr gut besucht war. Anwesend

waren nicht nur zahlreiche Vertre-

ter der Fraktionen, sondern auch

Mitarbeiter des Auswärtigen Am-

tes und andere Interessierte, denen

an guten Beziehungen zwischen

Deutschland und Polen gelegen

ist.

So kam es zu einem lebhaften Ge-

dankenaustausch, bei dem ich ver-

sucht habe den von der polni-

schen Regierung selbstproklamier-

ten „guten Wandel“ zu erklären.

Im Mittelpunkt meiner Ausfüh-

rungen standen dabei jüngste Er-

kenntnisse des Soziologen Maciej

Gdula und die These das die regie-

renden Nationalkonservativen ein

inklusives Bild einer nationalen

polnischen Gemeinschaft geschaf-

fen haben, die vielen früher sym-

bolisch ausgegrenzten Polinnen

und Polen das Gefühl gibt zur

Gruppe der "normalen Menschen"

zu gehören. Die Aufgabe der poli-

tischen Entscheidungsträger liegt

also darin, eine neue progressive

Vision der politischen Gemein-

schaft zu entwickeln, die gleich-

zeitig pluralistisch ist und die

wachsenden Ambitionen der Po-

linnen und Polen berücksichtigt.

Mein Besuch im Bundestag erlaub-

te mir somit nicht nur, mich an

wunderbare Zeit als IPS-

Stipendiat zu erinnern, sondern

auch über die Gegenwart zu reflek-

tieren und einen Blick in die Zu-

kunft zu werfen.

Adam Traczyk,

IPS-Alumnus und Vorstandsvorsit-

zender des ThinkThanks Glo-

bal.Lab

© Adam Traczyk

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Meine IPS-Erfahrungen

IPS-Alumni Fadi Janho

Als ich noch ein Student an der

"German Jordanian University" war,

hat mein ehemaliger, aus Algerien

stammender Deutschprofessor, ein

Alumni des IPS, mir vom IPS Son-

derprogramm für die Arabischen-

Staaten erzählt und mich ermun-

tert, mich dafür zu bewerben. Das

erste was ich nach meinem Uniab-

schluss unternahm war, mich beim

Deutschen Bundestag für das Son-

derprogramm zu bewerben und

nach zwei Vorstellungsgesprächen

war es so weit - im Handumdrehen

befand ich mich in Berlin!

Das Programm war sehr intensiv

und wurde in den ersten drei Wo-

chen in verschiedene Module mit

unterschiedlichen Themen geteilt,

während in der letzten Woche ein

Praktikum bei einer der Fraktio-

nen im Bundestag anstand. Es

gab Einführungen in die The-

men Vielfalt und gesellschaftli-

chen Pluralismus, in das politi-

sche System Deutschlands und

wie der Bundestag funktioniert.

Was mich am meisten interes-

siert hat, war das Modul

„Erinnerungskultur“. Das han-

delte von der Nazi-Zeit. Meiner

Meinung nach, kann man die

deutsche Kultur nur dann gut

verstehen, wenn man sich mit

der deutschen Erinnerungskul-

tur beschäftigt hat. Das ist der

Grund warum ich die Deut-

schen respektiere und schätze:

Sie versuchen nicht, vor der

Vergangenheit zu fliehen, son-

dern beschäftigen sich in der

Schule, in Museen und auf an-

dere Weise mit der NSDAP-

Diktatur um sicherzugehen,

dass sich die Geschichte nicht

wiederholt.

Beim Thema Religionsfreiheit,

besuchten wir eine Kirche, Mo-

schee und Synagoge und dort

hatten Einblick in das christli-

che, muslimische und jüdische

Leben durch einen Vertreter von

jeder Gruppe in Berlin und ei-

nen interreligiösen Dialog mit

jedem. Das hat uns gezeigt, wie

Pluralismus und Säkularismus

in Deutschland nebeneinander

existieren und wie in Deutsch-

land Akzeptanz und Toleranz

gelebt werden.

Ich habe mein Abgeordneten-

Praktikum bei der Fraktion AfD

im Büro des parlamentarischen

Geschäftsführers Hansjörg Müller

absolviert. Obwohl das Praktikum

nur eine Woche dauerte habe ich

sehr viel dabei gelernt. Während

des Praktikums sah ich wie die

Fraktionen im Bundestag arbeite-

ten, ich nahm an Sitzungen der

Arbeitskreise und Ausschüsse teil

und war auch im Plenum. Durch

das Praktikum habe ich einen

kleinen Einblick in das Gesetzge-

bungsverfahren in Deutschland

bekommen.

Deutschland wird für mich immer

das Modell sein, wie ich mein

Land voranbringen möchte. Der

Deutsche Bundestag ist ein

Leuchtturm der Demokratie. Ich

denke, dass wir als Araber aus

den deutschen Erfahrungen in der

Legislative lernen können, um

unsere politischen Systeme wei-

terzuentwickeln, natürlich müs-

sen wir dazu die Umstände und

die Phasen berücksichtigen, in

denen wir leben. Ich würde je-

dem, der sich für Politik interes-

siert, empfehlen, sich für dieses

Stipendium zu bewerben. Für

mich war es eine lebensverän-

dernde Erfahrung. Herzlichen

Dank an alle Programmleiter,

Praktikanten und alle meine IPS-

Kollegen. Herzlich Dank Deutsch-

land!

IPS-Alumni Fadi Janho

© Fadi Janho

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Meine IPS-Erfahrungen

IPS-Alumni Houssam Bakri

Das IPS-Programm mit seinen vielen

Seminaren und Vorträgen zu diver-

sen Themen hat mich beeindruckt.

Ich habe nicht nur in beruflicher

Hinsicht einen sehr guten Überblick

über das deutsche politische System

erhalten, sondern auch persönlich

habe ich viele Einsichten mitgenom-

men. Ich konnte feststellen, dass es

keine endgültige Demokratie gibt,

sondern dass Demokratie einem

ständigen Prozess unterliegt, an dem

man ständig arbeiten und den man

fortwährend erhalten muss. Darüber

hinaus beinhaltete das Programm

mehrere Vorträge und Seminare zur

deutschen Geschichte, in denen alle

politischen Entwicklungen in

Deutschland ausführlich erklärt

wurden. Der Besuch der drei Gottes-

häuser der drei Religionen (Islam,

Christentum und Judentum) war für

mich sehr eindrucksvoll. Ich habe

erlebt, wie religiöse Toleranz in

Deutschland gelebt wird und wie

sich der deutsche Staat engagiert,

um Religionsfreiheit zu schützen.

Ferner hatten wir die Gelegenheit,

uns mit Margot Friedländer, einer

jüdischen Überlebenden des Holo-

causts zu treffen, die uns ihre Ge-

schichte erzählte und der wir völlig

frei jegliche Art von Fragen dazu

stellen durften.

Am meisten hat mich aber das Erle-

ben einer Plenardebatte im Deut-

schen Bundestag beeindruckt. Die-

ser Besuch war für mich persönlich

das Highlight des gesamten Pro-

gramms. Bei der Vorstellung des

Kanzleretats haben wir nicht nur

Bundeskanzlerin Angela Merkel,

sondern die Reden aller Fraktionen

anhören können. Dadurch wur-

de klar, wie Meinungsfreiheit in

Deutschland funktioniert. Das

Programm ist für mich und

mein Land sehr positiv, da es

die Beziehungen zwischen

Deutschland und Marokko för-

dert.

Den Abschluss bildete ein ein-

wöchiges Praktikum im Büro

einer Abgeordneten der SPD.

Während dieser Zeit hatte ich

Gelegenheit, mich einer SPD-

Gruppe aus einem Wahlkreis

aus NRW anzuschließen und

das Ministerium der Finanzen

sowie das Willy-Brandt-Haus zu

besuchen. Diese Woche war

ebenfalls sehr informativ für

mich,

da ich

vieles

über die

SPD

erfahren

konnte:

Die aktuelle schwierige Situation,

in der sie steckt, das Erneuerungs-

programm der SPD, usw. darüber

hinaus durfte ich die Abgeordnete

zu einer Sitzung im Finanzaus-

schuss begleiten, an der auch

Bundesfinanzminister Olaf Scholz

teilnahm.

Alles in allem war die Zeit in Ber-

lin eine sehr ereignisreiche und

positive Erfahrung. Dieses Erleb-

nis, alles hautnah zu sehen und

miterleben zu können war sehr

eindrucksvoll! Nun bin ich Mit-

glied des Alumni-Vereins der ehe-

maligen marokkanischen IPS-

Stipendiaten und möchte versu-

chen, einiges von dem, was wir in

Berlin gelernt haben, in Marokko

umzusetzen.

IPS-Alumni Houssan Bakri

© Houssam Bakri

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Meine IPS-Erfahrungen

IPS-Alumni Mahmood Zidan

Hallo, ich heiße Mahmood Zidan,

komme aus Syrien und habe be-

reits Rechtswissenschaften studiert

mit dem Ziel zu einer Rechtsord-

nung in Syrien zu kommen, die

unabhängig von Religion und ext-

remen politischen Interessen funk-

tionieren kann. Zurzeit studiere

ich an der Universität Konstanz

und werde dort in einem Master

Programm des Fachbereichs

Rechtswissenschaften einen Mas-

ter of law erwerben.

Dies hat mich in meiner Entschei-

dung bestärkt, mich für das IPS zu

bewerben und an diesem Pro-

gramm teilzunehmen.

IPS-Alumni Mahmood Zidan

Das vierwöchige Programm

war sehr abwechslungsreich,

intensiv und informativ. Es

hat mir wertvolle berufliche

Einsichten gebracht und dar-

über hinaus habe ich in die-

ser Zeit viele interessante

Menschen kennengelernt und

neue Freundschaften ge-

schlossen.

Als Praktikanten erhielten

wir Hausausweise, die uns

Zugang zu allen Gebäuden

des Deutschen Bundestages

ermöglichten.

Mein Kurzpraktikum absol-

vierte ich in dem Berliner

Abgeordnetenbüro von Frau

Dr. Franziska Brantner

(Fraktion Bündnis 90 / Die

Grünen) in der letzten Sep-

temberwoche.

Während dieser Zeit bin ich

mit allen parlamentarischen

Vorgängen vertraut gemacht

worden. Ich hatte die Mög-

lichkeit, in ihrem Büro, dass

aus 3 zimmern besteht, mit-

zuarbeiten und konnte mich

mit ihr und den Mitarbeitern

austauschen. Auch für meine

Fragen nahm sie sich Zeit.

Ich nahm an Fraktionssitzun-

gen und Ausschusssitzungen

teil, konnte Plenardebatten

besuchen und begleitete Frau

Dr. Brantner zu mehreren

Terminen. Beispielweise

durfte ich sie zu einer nicht

öffentlichen Ausschusssit-

zung begleiten, bei der der

US-Botschafter und Frau

Brantner eine Rede gehalten

haben. Anschließend beglei-

tete ich sie zu einem Gedan-

kenaustausch in das Reichs-

tagsgebäude mit einer Schü-

lerklasse aus Heidelberg. Ich

war positiv überrascht, dass

Frau Brantner in der Öffent-

lichkeit im Großen und Gan-

zen dieselbe Meinung geäu-

ßert hat, wie bereits zuvor im

Ausschuss.

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Heute ist es ein Jahr her, dass die

großartigste Zeit meines Lebens

begonnen hat – das IPS. Im August

2017, als das Programm schon zu

Ende war habe, ich eine tiefe

Zufriedenheit, Vollkommenheit

und Dankbarkeit empfunden.

Etwas müde, aber auch in

Herzensruhe saß ich im Zug, der

von Berlin wegfuhr und habe

durchgelesen, was mir die

Stipendiaten geschrieben haben.

Dieser Tag war zugleich das Ende

vom Programm, aber auch der

Anfang von einem neuen Leben:

Nie zuvor habe ich mich so

erneuert, inspiriert und motiviert

gefühlt wie nach dem IPS.

Für mich war klar – bevor ich im

„IPS-Kummer“ versinke, muss ich

etwas dagegen tun. Ich habe

meinen Rucksack gepackt und flog

nach Albanien, wo ich Freunde

vom Programm besucht habe

(Ledia und Henri). Danach ging es

gleich weiter nach Mazedonien,

wo ich nicht nur die ansässigen

IPS-ler getroffen habe (Katerina

und Vladimir), sondern auch

einen Stipendiaten aus den USA

(Kyle). Diese kleine Balkanreise

endete in meinem Heimatland,

Bulgarien. (Wo ich selbstverständ-

lich Vladislava und Sarah traf).

#IPSneverends – das Leben nach dem Programm

Die Deutsche Botschaft Sofia hat

anlässlich der Bundestagswahlen

am 24. September 2017 eine

Wahlparty organisiert. Es gab ein

Wahltippspiel, wo man raten

durfte, wie viel Prozent jede

Partei bekommt. Die Person, die

die geringste Abweichung von der

ersten Hochrechnung der ARD

erreicht hat, hat den ersten Preis

gewonnenen – Flug nach

Deutschland und zurück für zwei

Personen. Überraschung oder

nicht – diese Person war ich.

Das Praktikum im Deutschen

Bundestag hat, glaube ich, etwas

dazu beigetragen, so treffend raten

zu können. Also ein sehr

gelungener Abend – ich ging

voller Freude mit dem Preis nach

Hause.

Mir bedeuten die Menschen, die

ich während des Programms

getroffen haben, sehr viel. In

meinem Erfahrungsbericht vom

Juli 2017 schrieb ich: „Der

Austausch unter uns war so

wertvoll - wir haben so viel

voneinander und über unsere

Länder gelernt. Wir sind nicht nur

richtig gute Freunde, sondern

potentielle Kollegen im Bereich

des internationalen Arbeitens und

warum nicht auch zukünftige

Partner in transnationalen Projek-

ten geworden. Über unsere

Landes-grenzen hinweg vernetzt

bleiben und arbeiten und somit

die globale Gemeinschaft stärken

– das sah nie so machbar aus wie

jetzt.“ So hat es eben nicht lange

gedauert, bis wir das im Oktober

in Realität umgesetzt haben – das

erste Mal in Budapest, wo wir in

einer kleinen Gruppe am

jährlichen „European Strategy fort

he Danube Re-gion“ (EUSDR)

Forum teilgenom-men haben und

uns mit einem eigenen Workshop

zum Thema „Participation through

Media“ eingebracht haben. Mehr

zum Thema kann man hier

finden— http://www.ladder-

project.eu/?p=18977.— mein

Artikel über das EUSDR und unser

Engagement am Participation Day.

Die anderen fünf Teilnehmer

Adam, Iryna, Margarita, Anna und

Maria) haben auch spannende

Beiträge über unseren Aufenthalt

in der Hauptstadt Ungarns

geschrieben, diese kann man auf

der gleichen Webseite finden. Das

7. EUSDR Forum fand im Oktober

2018 in der Hauptstadt Bulgariens,

in Sofia statt und ich habe mich

sehr gefreut, die beteiligten

Stipendiaten in meiner

Heimatstadt empfangen zu können.

2017 war ein sehr internationales

Jahr für mich, da ich im November

an einem Erasmus+ Projekt in

Italien teilgenommen habe:

„Entrepreneurship Skills 4 Youth“,

was zum Ziel hatte, Jugendliche

darauf aufmerksam zu machen,

was die Chancen und

Herausforderungen von

Unternehmertum als einem

möglichen Karriereweg sind. Das

Projekt ist in verschiedenen Phasen

unterteilt, die unter anderem E-

Learning-Kurse, Job Shadowing

Aktivitäten, Training Kurse,

Austauschphasen für Jugendliche

und eine finale Konferenz

beinhalten. Insgesamt acht Länder

machen mit - Bulgarien, Spanien,

Dorothea Iordanova, Russland

© Dorothea Iordanova

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Italien, Belgien, Argentinien, Chile,

Paraguay, Uruguay. Die Phase im

Projekt, wo ich mitgemacht habe,

war ein Training Course in

Terranova da Sibari, eine Stadt in

der Provinz Kalabrien, Italien. Ich

freue mich aber sehr, bei der

letzten Phase mit dabei sein zu

dürfen - wenn alles gut läuft, bin

ich im September in Paraguay!

Im Januar 2018 nahm ich an noch

einem weiteren Erasmus+ Projekt

Teil: „Via Carpathia – the road to

diversity“. Das Projekt hatte zum

Ziel, osteuropäische Länder

zusammenzubringen, um von

einander kulturell und politisch zu

lernen sowie die internationale

Kooperation zu stärken. Jede

Landesgruppe bestand aus fünf

Teilnehmer – junge Erwachsene

aus Litauen, Polen, Ungarn, der

Slowakei, Rumänien, Bulgarien,

Griechenland und der Türkei

haben über die sozioökonomischen

Angelegenheiten der geplanten

Autobahn „Via Carpathia“

diskutiert, die durch alle diese

Länder gebaut werden soll. Zehn

Tage verbrachten wir in Cieszyn,

einer kleinen Stadt im Süd-Westen

Polens, die auch zur Hälfte in

Tschechien liegt. Diese Zeit war

voller Workshops, kulturellen

Abenden, geopolitische

Präsentationen, sowie

Diskussionen mit interessanten

Personen, wie dem Bürgermeister

der Stadt und einer polnischen

Abgeordneten. Das polnische

Fernsehen fand es auch toll, was

wir in dem Städtchen machten und

kam, um uns zu interviewen, wie

uns das Projekt gefällt. Nicht zu

vergessen ist: An diesem Projekt

nahmen außer mir noch zwei IPS-

interaktiven Format werden

bestehende Initiativen und

Strukturen vorgestellt. Zudem

wird es einen Austausch zu den

Zielen und Vorstellungen der

verschiedenen

Fördereinrichtungen und

Projektträger mit Blick auf

künftige Projekte und

Förderstrukturen geben. Das

Ganze in Kooperation mit der

EUSDR.

Makroregionale Strategien,

Osteuropäische Partnerschaften,

Reisen und Neuorientierung! So

habe ich das vergangene halbe

Jahr nach dem Programm

verbracht!

Hätte ich die Möglichkeit mich

nochmal für das IPS-Programm zu

bewerben, würde ich es immer

wieder machen! Ich freue mich

für die zukünftigen Generationen,

die auch diese einmalige

Erfahrung machen können.

IPS bleibt tief in Erinnerung und

IPS wird weiterhin Menschen

zusammenbringen. Unser

Jahrgang sagt: #IPSneverends!

ler meines Jahrgangs teil, was ich

natürlich toll fand und was meine

bereits oben genannte

Behauptung aus dem

Erfahrungsbericht erneut

bestätigt.

In Bulgarien bin ich zum

Vorstand der Jugendorganisation

meiner Partei (die im Januar 2017

gegründete „Ja, Bulgarien!“)

gewählt worden. Da alles ganz

neu ist und sich die Strukturen

noch im Aufbau befinden, sehe

ich das gleichzeitig als einen

Nachteil und eine Chance. Ein

Nachteil, weil alles etwas

langsamer funktioniert. Eine

Chance, weil man vieles

mitgestalten kann.

Ende Februar 2018 freute ich

mich wieder eine Mitstipendiatin,

Ryna aus der Ukraine, im Rahmen

eines vom Staatsministerium

Baden-Württemberg organisierten

Workshops, zu sehen. Ziel ist es

das komplexe Thema des

Jugendengagements im

Donauraum aus

unterschiedlichen Blickwinkeln

zu beleuchten. In einem

...#IPSneverends

© Dorothea Iordanova

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Aktuelles in Deutschland

Am 12. November 1918 verkündet

der Rat der Volksbeauftragten in

seinem Aufruf „An das deutsche

Volk“: „Alle Wahlen zu öffentli-

chen Körperschaften sind fortan

nach dem gleichen, geheimen, di-

rekten, allgemeinen Wahlrecht auf

Grund des proportionalen Wahl-

systems für alle mindestens 20 Jah-

re alten männli-

chen und weibli-

chen Personen zu

vollziehen.“ Damit

erlangt das Wahl-

recht für Frauen in

Deutschland erst-

mals Gesetzeskraft.

Die Verkündung

des Frauenwahl-

rechts durch die am

10. November aus

der Revolution her-

vorgegangene Re-

gierung aus Mehr-

heits- und Unab-

hängigen Sozialde-

mokraten bedeutet

die Erfüllung einer

Forderung, für die

Frauenrechtlerinnen viele Jahre

lang vergeblich gekämpft hatten.

Spätestens seit der Französischen

Revolution wird der Anspruch von

Frauen auf gleichberechtigte Teil-

habe am sozialen und politischen

Leben immer wieder geltend ge-

macht. Im öffentlichen Leben der

frühindustriellen Staaten Europas,

das ganz auf Männer zugeschnitten

ist, findet er jedoch keinen nen-

nenswerten Niederschlag. Nach

dem bis weit ins 20. Jahrhundert

verbreiteten Frauenbild haben

sich Frauen auf die häusliche

Sphäre zu beschränken. Der Aus-

schluss des weiblichen Ge-

schlechts vom öffentlichen und

politischen Leben wird als Ga-

rant für den Erhalt der Familie

bewertet. Opposition gegen die

Vorherrschaft der Männer und

der Anspruch der Frauen auf

selbständige Teilnahme am poli-

tischen Leben gilt vielen männli-

chen wie auch weiblichen Zeit-

genossen als unschicklich, un-

weiblich und wirkt auf

„Deutsche wie ein rotes Tuch auf

den Stier“, wie die in Berlin le-

bende Publizistin Eliza Ichen-

haeuser bemerkt. So werden

schon im Verlauf der Französi-

schen Revolution die den Frauen

vorübergehend eingeräumten Mit-

wirkungsrechte mit Verweis auf

das vermeintliche „Wesen des

weiblichen Geschlechts“, das als

„in besonders hohem Maß dem

Irrtum und der Verführung ausge-

setzt“ angesehen wird, wieder zu-

rückgenommen. Auch in Deutsch-

land wird die Forderung nach ei-

ner stärkeren poli-

tischen Beteili-

gung von Frauen

zumeist als abson-

derlich verworfen.

Das Wort des His-

torikers Heinrich

von Treitschke

„Obrigkeit ist

männlich“ bringt

die in allen Bevöl-

kerungskreisen

verbreitete Ableh-

nung des politi-

schen Engage-

ments von Frauen

auf den Punkt.

Dennoch entsteht

in Deutschland

seit Mitte des 19. Jahrhunderts

eine zunächst von bürgerlichen

Kreisen getragene Frauenbewe-

gung, die unter anderem von Loui-

se Otto-Peters, der Gründerin des

Allgemeinen Deutschen Frauen-

vereins, Hedwig Dohm und Hele-

ne Lange geprägt wird. Sie setzt

sich besonders für Frauenbildung

und eine Verbesserung der sozia-

len Lage von Frauen ein, betont

jedoch auch die Bedeutung des

100 Jahre Frauenwahlrecht

Kunstwerk "Gedächtnis auf Rädern" bei der Ausstellung " Mit Macht

zur Wahl. 100 Jahre Frauenwahlrecht"

© DBT/ Achim Melde

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Stimmrechts für Frauen, das sie

meist als Fernziel betrachtet. Hält

sich die Mehrheit der bürgerli-

chen Frauenrechtlerinnen ent-

sprechend den traditionellen Vor-

stellungen von der Frauenrolle in

der Frage des Wahlrechts zurück,

drängen vor allem Vertreterinnen

der radikalen bürgerlichen und

sozialistischen Frauenbewegung

wie Minna Cauer, Lily Braun und

später vor allem Clara Zetkin auf

die Einführung des Frauenstimm-

rechts. Es wird 1891 als Forde-

rung in das Parteiprogramm der

SPD aufgenommen und 1895

durch August Bebel erfolglos in

den Reichstag eingebracht. In An-

lehnung an die so genannte Sufra-

gettenbewegung in England grün-

den Lida Heymann und Anita

Augspurg 1902 in Hamburg den

„Deutschen Verband für Frauen-

stimmrecht“. Zwei Jahre später

markiert die Gründung des

„Weltbunds für Frauenstimm-

recht“ in Berlin einen wichtigen

Schritt in den Bemühungen um

eine internationale Koordinierung

des Kampfes für die Einführung

des Frauenwahlrechts. 1906 führt

Finnland als erstes Land in Euro-

pa, 1913 Norwegen, 1915 Däne-

mark und Island und 1917 die

Niederlande sowie die Sowjetuni-

on das Frauenwahlrecht ein.

Im Deutschen Reich wird 1908

ein neues Vereinsgesetz verab-

schiedet, das Frauen erstmals er-

möglicht, sich politisch zu betäti-

gen. Während des Ersten Welt-

krieges engagieren sich Frauen

verstärkt in der kommunalen

Wohlfahrtspflege und werden öf-

fentlich sichtbarer. Im November

1917 fordern die bürgerliche und

die sozialdemokratische Frauen-

bewegung in Deutschland in ei-

ner gemeinsamen Resolution an

den preußischen Landtag die

Durchsetzung des aktiven und

passiven Wahlrechtes für Frauen.

Die Gleichberechtigung der Frau

und die Einführung des Frauen-

stimmrechts gehören auch zu den

Forderungen der Revolutionäre

von 1918. Der von Mehrheitssozi-

aldemokraten (MSPD) und Unab-

hängigen Sozialdemokraten

(USPD) gebildete Rat der Volks-

beauftragten erlässt schließlich

auf dem Verordnungswege am 30.

November 1918 das Reichswahl-

gesetz für die Wahlen zur verfas-

sungsgebenden Deutschen Natio-

nalversammlung. Es wendet die

im Aufruf vom 12. November

1918 verkündeten Wahlrechts-

grundsätze auf eine reichsweite

Wahl an und legt fest:

„Wahlberechtigt sind alle deut-

schen Männer und Frauen, die

am Wahltag das 20. Lebensjahr

vollendet haben.“

Von den insgesamt 421

Sitzen der auf Grundlage

des neuen demokratischen

Wahlrechts gewählten Na-

tionalversammlung werden

zunächst 36, später 41 Sit-

ze

(8,5 bzw. 9,6 %) von weib-

lichen Abgeordneten be-

setzt. Zu den Parlamenta-

rierinnen der ersten Stunde

gehören unter anderem

Gertrud Bäumer und Marie

-Elisabeth Lüders von der

DDP, Marie Juchacz von

der SPD, Luise Zietz von der USPD

sowie Hedwig Dransfeld von der

Zentrumspartei. Von 1919 bis 1933

sind insgesamt 111 Frauen und

1677 Männer Mitglied des Reichs-

tages, was einem Frauenanteil von

durchschnittlich 6,2 Prozent ent-

spricht. Im Parlamentarischen Rat,

der nach dem Zweiten Weltkrieg

das Grundgesetz und das Wahlge-

setz zum Deutschen Bundestag

schafft, sind 1948/49 mit Elisabeth

Selbert, Frieda Nadig, Helene We-

ber und Helene Wessel nur vier

Frauen vertreten.

In der Nachkriegszeit steigt der

Anteil der Frauen unter den Abge-

ordneten des Deutschen Bundesta-

ges von 6,8 Prozent in der 1. Wahl-

periode (1949-1953) auf 36,5 Pro-

zent in der 18. Wahlperiode (2013-

2017). Derzeit liegt er bei 30,9 Pro-

zent.

©Dr. Jana Leichsenring/Wilhelm

Weege (aktualisiert von Natalie

Weis) / WD1

Ausstellung "Mit Macht zur Wahl.

100 Jahre Frauenwahlrecht"

...100 Jahre Frauenwahlrecht

© DBT/ Achim Melde

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Aktuelles in Deutschland

der 9. November im 20. JahrhundertDer 9. November gilt als komple-

xester Erinnerungstag der deut-

schen Geschichte. Im Rückblick

erscheinen die 9. November 1918,

1923, 1938 und 1989 wie eine un-

trennbare „symbolische Kette“ (G.

Merlio) die Deutschlands Pendeln

zwischen Demokratie und Diktatur

versinnbildlicht.

9. November 1918: Angesichts der

sich abzeichnenden Kriegsnieder-

lage hatten bereits am 30. Oktober

Marinesoldaten in Kiel und Wil-

helmshaven den Befehl zum Aus-

laufen verweigert

und damit weitere

Aufstände ausge-

löst, die sich rasch

zu einer revolutio-

nären Massenbewe-

gung entwickelten.

Als am 9. November

schließlich große

Demonstrationen

durch Berlin zogen,

verkündete Reichs-

kanzler Prinz Max

von Baden eigen-

mächtig die Abdan-

kung des Kaisers,

der sich in das Große

Hauptquartier im

belgischen Spa zurückgezogen hat-

te. Anschließend übertrug von Ba-

den dem MSPD-Vorsitzenden

Friedrich Ebert das Amt des

Reichskanzlers, der durch eine Re-

gierungsumbildung eine weitere

Radikalisierung verhindern wollte.

Noch am selben Tag verkündete

Philipp Scheidemann (MSPD) ei-

ner vor dem Reichstag versammel-

ten Menschenmenge die Abdan-

kung des Kaisers, beschwor die

Aufgabe „Ruhe, Ordnung und

Sicherheit“ zu bewahren und

proklamierte schließlich die Re-

publik. Wenig später rief auch

Karl Liebknecht, einer der An-

führer des revolutionären Sparta-

kusbundes, vom Berliner Stadt-

schloss aus „die freie sozialisti-

sche Republik“ aus. Symbol-

trächtig schien den meisten Zeit-

genossen an diesem Tag wohl

eher das Ende der Hohenzollern-

herrschaft als die pathetische

Proklamation der neuen Repub-

lik. Dementsprechend nutzten in

der Weimarer Republik vor al-

lem deren Gegner das Datum,

um die Ergebnisse und Versäum-

nisse der „Novemberrevolution“

öffentlich zu kritisieren. Dagegen

griff die staatliche Erinnerungs-

kultur den 9. November nicht

auf. Im Gedenken an die Unter-

zeichnung der Weimarer Reichs-

verfassung durch Friedrich Ebert

1919 bestimmte die Republik statt-

dessen den 11. August zu ihrem

Nationalfeiertag.

9. November 1923: Auch der Hit-

ler-Ludendorff-Putsch besaß einen

symbolischen Bezug auf die No-

vemberrevolution. Für den Abend

des 8. November 1923 hatte der

bayerische Generalstaats-

kommissar Gustav von Kahr eine

„Vaterländische Kundgebung“ im

Münchner Bürgerbräukeller einbe-

rufen, auf der am Vorabend des

fünften Jahrestags der

„marxistischen Novem-

berrevolution" mit der

Berliner Reichsregierung

„abgerechnet" werden

sollte. Diese wurde zum

Ausgangspunkt des Hitler

-Ludendorff-Putsches, als

Hitler in einer Proklama-

tion „An das deutsche

Volk“ die „Regierung der

Novemberverbrecher in

Berlin“ für abgesetzt er-

klärte. Der nach dem Vor-

bild Mussolinis geplante

„Marsch auf Berlin“ wur-

de jedoch bereits am

nächsten Tag vor der

Feldherrnhalle von der Bayeri-

schen Landespolizei niederge-

schlagen. Die Rädelsführer wur-

den im Laufe der nächsten Tage

verhaftet, und die NSDAP wurde

als Partei verboten. Mit alljährli-

chen Erinnerungsfeiern avancierte

der Putsch nach 1933 zu einem

zentralen Bezugspunkt nationalso-

zialistischer Mythen- und Traditi-

onsbildung.

9. November 1918: Massendemonstration in Berlin "Unter den Linden"

© Bundesarchiv, BildY 1-6C43-227-67

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

9. November 1938: Anlässlich des

15. Jahrestages traf sich Hitler mit

den zu „alten Kämpfern“ verklärten

Putschteilnehmern von 1923 in

München, als die Nachricht eintraf,

dass der zwei Tage zuvor in Paris

angeschossene Legationssekretär

Ernst vom Rath seinen Verletzun-

gen erlegen war. Der Attentäter, ein

17jähriger Jude, hatte damit gegen

die brutale Abschiebung polnischer

Juden aus Deutschland protestieren

wollen. Dem nationalsozialisti-

schen Regime diente dieses Attentat

als willkommener Vorwand, um

antisemitische Ausschreitungen zu

legitimieren. Diese Novemberpogro-

me waren keineswegs Ausdruck

eines „spontanen Volkszorns“, wie

Reichspropagandaminister Goeb-

bels glauben machen wollte, son-

dern – nach Absprache mit Hitler –

von ihm selbst initiiert und vor al-

lem von SA- und SS-Mitgliedern

ausgeführt. Wochenlang kam es an

hunderten Orten zu gewalttätigen

Übergriffen, denen über 100 jüdi-

sche Frauen und Männer zum Op-

fer fielen. Viele weitere wurden in

den Suizid getrieben. Über 30.000

jüdische Männer wurden in Kon-

zentrationslager verschleppt. Die

materielle Bilanz der Gewalt waren

7.500 zerstörte jüdische Geschäfte

und 1.200 niedergebrannte Synago-

gen und Gebetshäuser. Dieser orga-

nisierte Pogrom markierte den

sichtbaren Übergang von der admi-

nistrativen und legislativen Diskri-

minierung zur offenen Verfolgung

der jüdischen Bevölkerung, die in

den organisierten Massenmord an

den Juden Europas mündete.

9. November 1989: Im Herbst 1989

beschleunigte sich der durch die

Reformpolitik des KPdSU-

Vorsitzenden Michail Gor-

batschow angestoßene Wandel in

Mittel- und Osteuropa. Neben ei-

ner stark anwachsenden Flucht-

welle formierte sich in der DDR

eine politische Opposition, die

seit September 1989 in Massende-

monstrationen gegen den Refor-

munwillen der SED-Führung auf

die Straße ging. Ausgehend von

den Leipziger Montagsdemonstra-

tionen, die wöchentlich im An-

schluss an die Friedensgebete in

der Nikolaikirche stattfanden, for-

derten immer zahlreichere De-

monstranten das Ende von Bevor-

mundung und Repression, durch-

greifende Reformen, freie Wahlen

sowie Reise-, Meinungs- und Ver-

sammlungsfreiheit. Vor dem Hin-

tergrund der massiven öffentli-

chen Proteste lehnte die Volks-

kammer am 7. November den Ent-

wurf eines restriktiven Reisegeset-

zes ab, woraufhin der DDR-

Ministerrat und das SED-

Politbüro zurücktraten. Am

… der 9. November im 20. Jahrhundert

Abend des 9. November setzte eine

Kettenreaktion ein, nachdem der

Sprecher des Zentralkomitees

Günter Schabowski auf einer Pres-

sekonferenz eine Erklärung zu ei-

ner neuen Reiseverordnung verle-

sen hatte, der zufolge künftig ohne

Angabe von Gründen kurzfristig

Genehmigungen für Reisen ins

Ausland erteilt würden. Auf Nach-

frage eines Journalisten, wann die

Verordnung in Kraft trete, antwor-

tete Schabowski, dass nach seiner

Kenntnis die Regelung „sofort, un-

verzüglich“ gelte. Im Laufe der

nächsten Stunden strömten immer

mehr Menschen zu den Grenzüber-

gängen in Berlin, die schließlich –

zunächst um 22.30 Uhr an der

Bornholmer Straße – geöffnet wur-

den. Dort versammelten sich da-

raufhin Menschen aus Ost und

West zu spontanen Freudenfeiern.

Der Mauerfall besiegelte den Un-

tergang der DDR und bereitete den

Weg zur Wiedervereinigung

Deutschlands.

©Dr. Klaus Seidl / WD1

9. November 1989: Feiernde Menschen vor dem Brandenburger Tor nach

dem Fall der Berliner Mauer

© Bundesregierung, B145 Bild-00000446, Foto: Klaus Lehnartz

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

„Es lebe die deutsche Republik!“

Was war das für ein gewaltiger

Umbruch, den Philipp Scheide-

mann am 9. November 1918 den

Menschen auf den Straßen Berlins

verkündete, hier an diesem Ort,

von einem Fenster des Reichstags

aus: der Zusammenbruch des Kai-

serreichs, das Ende einer jahrhun-

dertealten monarchischen Ord-

nung, der Beginn einer demokrati-

schen Zukunft für Deutschland!

Was für ein Ausruf in den letzten

Tagen des Weltkriegs! Welche Bot-

schaft für müde, ausgemergelte

Männer und Frauen, für ein vom

Krieg gezeichnetes Land, für die

Städte, Kasernen, Betriebe, in de-

nen Meutereien und Massenstreiks

wie ein Lauffeuer um sich griffen,

Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei

der Gedenkstunde zum 9. November 2018

in dieser explosiven Stimmung

aus Protest, Hunger, Ungewiss-

heit. Endlich Frieden, endlich

politische Selbstbestimmung und

soziale Gerechtigkeit – das war

die Verheißung jener Worte. Ein

Lichtblick an einem trüben No-

vembertag! Die Revolution, so

ungeplant und improvisiert sie

auch war, steht für eine tiefgrei-

fende Zäsur in der deutschen Ge-

schichte, für einen Aufbruch in

die Moderne. Viele ihrer Errun-

genschaften prägen heute unser

Land, auch wenn uns das gar

nicht mehr bewusst ist. Die Revo-

lution brachte allen deutschen

Parlamenten das allgemeine und

gleiche Wahlrecht – endlich, zum

ersten Mal auch für die Frauen!

Sie bahnte den Weg zur Weima-

rer Nationalversammlung, zu ei-

ner republikanischen Verfassung,

zur parlamentarischen Demokra-

tie, der ersten in der Geschichte

unseres Landes. Auch die Funda-

mente des modernen Sozialstaats

legte diese Revolution: Achtstun-

dentag, Tarifpartnerschaft, Mitbe-

stimmung durch Betriebsräte –

all das steht für den sozialen

Fortschritt, der damals inmitten

der Nachkriegswirren begann.

Aber trotz alledem hat die Revo-

lution bis heute kaum Spuren im

Gedächtnis unserer Nation hin-

terlassen. Der 9. November 1918

ist auf der Landkarte der deut-

schen Erinnerungsorte zwar ver-

zeichnet, aber er hat nie den Platz

gefunden, der ihm zusteht. Er ist

ein Stiefkind unserer Demokratie-

geschichte– eben auch, weil der 9.

November tatsächlich ein ambiva-

lenter Tag ist, weil er für Licht

und für Schatten steht, weil wir

jene Demokratie, die damals be-

gann, fast nie von ihrem Anfang,

sondern meist von ihrem Ende her

denken. Manchmal scheint mir,

als sei jene Zeitenwende auf ewig

überschattet vom Scheitern der

Republik, als sei der 9. November

1918 diskreditiert und entwürdigt

durch den 30. Januar 1933. Ja, das

Ende der Weimarer Republik führ-

te hinab ins furchtbarste Kapitel

der deutschen Geschichte. Aber,

verehrte Abgeordnete: Historisch

gescheitert ist nicht die Demokra-

tie – historisch gescheitert sind

ihre Feinde! Der übersteigerte Na-

tionalismus, die Diktatur, die

menschenverachtende Ideologie

der Nationalsozialisten haben Eu-

ropa mit Krieg und abscheulichen

Verbrechen überzogen, sie haben

dieses Land politisch und mora-

lisch ruiniert. Zu unser aller Glück

erhielt Deutschland eine neue

Chance auf Selbstbestimmung in

Einheit und Freiheit – und diese

Chance ist Wirklichkeit geworden:

sie, die Republik, hat sich histo-

risch behauptet! Das dürfen wir

hundert Jahre später für uns fest-

halten! Dabei bleibt natürlich rich-

tig: Jene Revolution war vom ers-

ten Tag an auch eine paradoxe,

© DBT/ Stella von Saldern

Dr. Frank-Walter Steinmeier

Aktuelles in Deutschland

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

eine widersprüchliche Revolution.

Ihre Geschichte lässt sich nicht

geradlinig erzählen. Doch welche

deutsche Geschichte lässt sich das

schon? Die Widersprüchlichkeit

der Revolution zeigte sich bereits

am selben 9. November, als Karl

Liebknecht, der Führer des Sparta-

kusbundes, ein zweites Mal die

Republik ausrief – nur zwei Stun-

den nach Philipp Scheidemann.

Friedrich Ebert wollte zuvörderst

Chaos, Bürgerkrieg und ein militä-

risches Eingreifen der Siegermäch-

te verhindern; er war getrieben

von dem Wunsch, den Menschen

Arbeit und Brot zu geben. Der Rat

der Volksbeauftragten sah seine

Handlungsspielräume eng be-

grenzt in diesen ungewissen Mo-

naten, im Strudel radikalerer Kräf-

te von rechts wie von links. Und

doch hätten die Volksbeauftragten

wohl mehr Veränderung wagen

müssen, als sie aus ihrer damali-

gen Sicht für verantwortbar hiel-

ten. Zu viele geschworene Gegner

der jungen Republik behielten ihre

Ämter in Militär, Justiz und Ver-

waltung. Wahr ist allerdings: Ge-

gen den Versuch der radikalen

Linken, die Wahlen zur National-

versammlung mit Gewalt zu ver-

hindern, mussten die Volksbeauf-

tragten um Friedrich Ebert sich zur

Wehr setzen. Aber es gab keinerlei

Rechtfertigung dafür, der Brutalität

nationalistischer Freikorps fak-

tisch freie Hand zu lassen. Viele

wurden damals ermordet, unter

ihnen Rosa Luxemburg und Karl

Liebknecht. Verehrte Abgeordnete,

auch der Opfer jener Tage wollen

wir heute gedenken. Ja, diese Re-

volution war auch eine Revolution

… Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

bei der Gedenkstunde zum 9. November 2018

mit Irrwegen und enttäuschten

Hoffnungen. Aber es bleibt das

große Verdienst der gemäßigten

Arbeiterbewegung, dass sie – in

einem Klima der Gewalt, inmitten

von Not und Hunger – den Kom-

promiss mit den gemäßigten Kräf-

ten des Bürgertums suchten, dass

sie der parlamentarischen Demo-

kratie den Vorrang gaben! Der 9.

November 1918 ist ein Meilen-

stein der deutschen Demokratie-

geschichte: Er steht für die Geburt

der Republik in Deutschland. Er

steht für den Durchbruch der par-

lamentarischen Demokratie. Und

deshalb verdient er einen heraus-

ragenden Platz in der Erinne-

rungskultur unseres Landes!

Denn, meine Damen und Herren:

Wer heute glaubt, unsere Demo-

kratie sei doch mittlerweile eine

Selbstverständlichkeit, und dieses

Parlament ein Alltagsgegenstand,

ganz wie ein altes Möbelstück –

der schaue auf jene Tage! Nein,

dieses Parlament ist keine Selbst-

verständlichkeit und erst recht

keine Nebensache! Es ist eine his-

torische Errungenschaft, und für

diese Errungenschaft, für dieses

Erbe müssen wir streiten, zualler-

erst in diesem Haus! In der Wei-

marer Republik hat der 9. Novem-

ber nie die symbolische Kraft ei-

nes Gründungsmythos gewinnen

können. Selbst entschiedene Re-

publikaner mochten sich nicht

aus vollem Herzen zu einer Revo-

lution bekennen, deren Sonne so

„getrübt“ aufgegangen war, wie

Theodor Wolff an ihrem ersten

Jahrestag im Berliner Tageblatt

schrieb. Statt Einheit zu stiften,

verschärfte die Erinnerung an den

9. November sogar die ideologi-

sche Spaltung der Gesellschaft:

Für Teile der radikalen Linken

stand das Datum für den vermeint-

lichen Verrat an der Arbeiterklas-

se, für die Republikfeinde von

rechts für ihre Lüge vom

„Dolchstoß“, für den angeblichen

Verrat an den Frontkämpfern. Es

war kein Zufall, dass Adolf Hitler

ausgerechnet am 9. November

1923 in München den ersten An-

lauf zum Sturz der Republik unter-

nahm, jenes „undeutschen Sys-

tems“, dessen Repräsentanten die

völkische Rechte mit mörderi-

schem Hass überzog. Es war insbe-

sondere die Flagge der Republik,

auf die es ihre Feinde abgesehen

hatten und die sie immer wieder

in den Schmutz zogen: Schwarz-

Rot-Gold, die Farben der deut-

schen Freiheitsbewegung seit dem

Hambacher Fest von 1832. Verehr-

te Abgeordnete: Das allein ist

Grund genug, den 9. November

1918 aus dem geschichtspoliti-

schen Abseits zu holen! Wer heute

Menschenrechte und Demokratie

verächtlich macht, wer alten natio-

nalistischen Hass wieder anfacht,

der hat gewiss kein historisches

Recht auf Schwarz-Rot-Gold. Den

Verächtern der Freiheit dürfen wir

diese Farben niemals überlassen!

Sondern lassen Sie uns stolz sein

auf die Traditionslinien, für die sie

stehen: Schwarz-Rot-Gold, das

sind Demokratie und Recht und

Freiheit, meine Damen und Her-

ren! Die Revolution von 1918/19

war ein Aufbruch in die Demokra-

tie, in ein politisches Experiment

mit offenem Ausgang. Heute wis-

sen wir, welch schwere Lasten die

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Zeitgenossen zu schultern hatten,

die damals in Reich und Ländern

die Demokratie erprobten. Der ver-

lorene Krieg und sein blutiges Erbe

der Gewalt, die Folgen des Versail-

ler Vertrages, die Wirbelstürme

von Wirtschaftskrise und Inflation,

von Hunger und Massenelend – all

das belastete die Weimarer Repub-

lik und überforderte sie bisweilen

auch. Und es war vor allem die

lange Tradition antiliberalen Den-

kens, die die politische Kultur der

Republik vergiftete: Intellektuelle

wie Carl Schmitt zogen gegen den

Interessenpluralismus der

„modernen Massengesellschaft“ zu

Felde und schmähten die

„taktischen Kompromisse und Ko-

alitionen“ einer so genannten poli-

tischen „Klasse“. Auch Vertreter

der radikalen Linken geißelten Par-

lamente und Regierungen als Herr-

schaftsinstrumente der

„bürgerlichen Klasse“. Wenn wir

uns diese Anfechtungen heute vor

Augen führen, dann wird uns be-

wusst, wie beeindruckend die

Leistung derjenigen war, die da-

mals politische Verantwortung

schulterten: die eine demokrati-

sche Verfassung auf den Weg

brachten, das Justiz- und Bildungs-

system modernisierten, für Woh-

nungsbau und Arbeitslosenversi-

cherung sorgten, die Kunst und

Wissenschaft erblühen ließen und

die – in all diesen Jahren - zer-

brechliche Koalitionen durch in-

nen- wie außenpolitische Krisen-

stürme steuerten: Reichskanzler

und -minister wie Hermann

Müller, Gustav Stresemann oder

Matthias Erzberger, Abgeordnete

… Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

bei der Gedenkstunde zum 9. November 2018

wie Marianne Weber und Helene

Weber, Ernst Heilmann, Marie

Elisabeth Lüders oder Marie

Juchacz. Zu viele von ihnen sind

heute vergessen! Auch in Justiz

und Verwaltung stützten über-

zeugte Demokraten den Verfas-

sungsstaat. Staatsrechtslehrer wie

Hugo Preuß, der Vater der Weima-

rer Reichsverfassung, Gerhard An-

schütz, Richard Thoma, Hermann

Heller oder Hans Kelsen entwi-

ckelten Ideen, die noch heute in-

spirieren. Wissenschaftler wie der

Nationalökonom Moritz Julius

Bonn oder der Theologe Ernst Tro-

eltsch brachten liberales Denken

voran. Viele, die sich für die Re-

publik engagierten, wurden von

den Feinden der Demokratie ver-

höhnt, verfemt und angegriffen.

Führende Politiker wie Erzberger

und Walter Rathenau fielen

rechtsextremen, meist antisemi-

tisch motivierten Morden zum

Opfer. Meine Damen und Herren:

Lassen Sie uns nicht länger be-

haupten, dass die Weimarer Re-

publik eine Republik ohne Demo-

kraten war! Diese mutigen Frauen

und Männer standen viel zu lange

im Schatten der Geschichte vom

Scheitern der Weimarer Demokra-

tie. Ich finde: Wir schulden ihnen

Respekt, Hochachtung und Dank-

barkeit! Das Denken und Handeln

der Weimarer Demokraten wirkte

über die erste Republik hinaus.

Die Mütter und Väter der Bundes-

republik, von denen viele in der

Weimarer Zeit geprägt worden

waren, konnten nach 1945 auf de-

ren Kenntnissen aufbauen und aus

ihren Irrtümern lernen. In den

Worten von Heinrich August

Winkler: „Dass Bonn nicht Weimar

wurde, verdankt es auch der Tatsa-

che, dass es Weimar gegeben hat.“

Ich will seinen Gedanken auch für

unser heutiges Berlin in Anspruch

nehmen. Ja, wir leben in Zeiten, in

denen die liberale Demokratie wie-

der unter Druck gerät, in denen

ihre Gegner lauter und selbstbe-

wusster werden. Aber wenn bis-

weilen, in raunenden Tönen, vor

„Weimarer Verhältnissen“ gewarnt

wird, dann weise ich das entschie-

den zurück. So machen wir unsere

Demokratie kleiner und ihre Geg-

ner größer, als sie sind! Gerade

wenn wir uns an die mutigen Frau-

en und Männer von damals erin-

nern, wenn wir ihre Erfahrungen

als unseren Fundus begreifen,

dann habe ich die Hoffnung: Nicht

nur unsere Institutionen sind fester

und wehrhafter errichtet, sondern

vor allem wir als Demokraten kön-

nen lernen von denen, die vor uns

kamen. Freiheit, Rechtsstaatlich-

keit und Demokratie sind unser

Erbteil von diesen Müttern und

Vätern – lassen Sie es uns selbstbe-

wusst beanspruchen, lassen Sie es

uns klug und wachsam pflegen!

Meine Damen und Herren, am 9.

November erinnern wir Deutsche

an beides: an Licht und an Schat-

ten unserer Geschichte. Dieser Tag

ist ein Tag der Widersprüche, ein

heller und ein dunkler Tag, ein

Tag, der uns das abverlangt, was

für immer zum Blick auf die deut-

sche Vergangenheit gehören wird:

die Ambivalenz der Erinnerung.

Vor genau achtzig Jahren, in der

Nacht vom 9. auf den 10. Novem-

ber 1938, brannten in Deutschland

die Synagogen. Jüdische Geschäfte

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

wurden geplündert und zerstört.

Hunderte Frauen und Männer wur-

den von Nationalsozialisten getö-

tet, begingen Selbstmord oder star-

ben, nachdem sie in Konzentrati-

onslagern misshandelt worden wa-

ren. Diese Pogrome -für alle sicht-

bar!- waren ein Vorbote der Verfol-

gung und Vernichtung der europäi-

schen Juden. Sie stehen für den

unvergleichlichen Bruch der Zivili-

sation, für den Absturz Deutsch-

lands in die Barbarei. Wir geden-

ken heute der Opfer des National-

sozialismus, und wir wissen um

unsere Verantwortung, die keinen

Schlussstrich kennt! Meine Damen

und Herren, dieser 9. November

stellt uns, verdichtet in einem ein-

zigen Datum, vor die wohl schwie-

rigste und schmerzhafteste Frage

der deutschen Geschichte: Wie

konnte es sein, dass dasselbe Volk,

das am 9. November 1918 den Auf-

bruch in demokratische Selbstbe-

stimmung wagte, das in den Folge-

jahren auf so vielen Gebieten

menschlichen Strebens Fortschritte

feierte, das in seinen Konzertsälen

Symphonien lauschte und in sei-

nen Nachtclubs Swing tanzte, des-

sen Wissenschaftler Nobelpreise

gewannen, dessen Arbeiter genos-

senschaftliche Siedlungen bauten,

dessen Künstler Traditionen über

den Haufen warfen, dessen Kinofil-

me die Welt begeisterten – wie

konnte es sein, dass dieses selbe

Volk innerhalb weniger Jahre in

demokratischen Wahlen den De-

mokratiefeinden zur Mehrheit ver-

half, seine europäischen Nachbarn

mit Krieg und Vernichtung über-

zog, wegschaute, wenn nicht gar

… Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

bei der Gedenkstunde zum 9. November 2018

gaffte und jubelte, wenn daheim

in der eigenen Straße jüdische

Nachbarn, Homosexuelle, see-

lisch Kranke aus ihren Häusern

gezerrt wurden, abgeführt von

den Schergen eines verbrecheri-

schen Regimes eines Regimes,

das jüdische Familien in Viehwa-

gen pferchte und Eltern mit ihren

Kindern in Gaskammern schick-

te? Dies bleibt die schwierigste

und schmerzhafteste Frage der

deutschen Geschichte. Die Ant-

wort, meine Damen und Herren,

kann kein Historiker-Kongress

uns abnehmen. Keine historische

Einordnung kann unser Herz be-

ruhigen. Die Antwort ist über-

haupt nicht allein mit Worten zu

geben. Sondern wir können sie

nur durch unser Handeln geben!

Erinnerung, die pflichtbewusst an

Gedenktagen unsere Lippen be-

wegt, die aber nicht mehr unser

Handeln prägt, erstarrt zum Ritu-

al. Schlimmstenfalls führt sie so-

gar zu Ressentiments, zu Ent-

fremdung zwischen offiziellem

Gedenken und dem Lebensalltag,

dem Empfinden der Bürgerinnen

und Bürger, gerade der jungen

Menschen, die sagen: ‚Was hat

das denn mit mir tun?‘ Verehrte

Abgeordnete, liebe Gäste: In un-

serem Handeln müssen wir be-

weisen, dass wir, die Deutschen,

wirklich gelernt haben, dass wir

wirklich wachsamer geworden

sind im Angesicht unserer Ge-

schichte! Wir müssen handeln,

wo auch immer die Würde des

Anderen verletzt wird! Wir müs-

sen gegensteuern, wenn eine

Sprache des Hasses um sich

greift! Wir dürfen nicht zulassen,

dass einige wieder von sich be-

haupten, allein für das „wahre

Volk“ zu sprechen, und andere

ausgrenzen! Wir müssen wider-

sprechen, wenn Gruppen zu Sün-

denböcken erklärt werden, wenn

Menschen einer bestimmten Religi-

on oder Hautfarbe unter General-

verdacht gestellt werden, und wir

lassen nicht nach in unserem

Kampf gegen den Antisemitismus!

Wir müssen verhindern, dass sich

die Gruppen immer mehr vorei-

nander verschanzen! Wir müssen

uns aufraffen und aufeinander zu-

gehen! Wir müssen dafür sorgen,

dass diese Gesellschaft mit sich im

Gespräch bleibt! Und – auch das:

Wir müssen wieder kämpfen für

den Zusammenhalt in Europa, und

wir müssen streiten für eine inter-

nationale Ordnung, die angefoch-

ten wird – selbst von unseren Part-

nern. Denn dieser europäischen

Einigung und dieser internationa-

len Zusammenarbeit haben wir es

zu verdanken, dass wir Deutschen

heute wieder ein Volk sind, das

wirtschaftlich und politisch zu

Kräften gekommen ist, das in sei-

ner großen Mehrheit weltoffen und

europäisch leben will, das von vie-

len in der Welt geachtet, ja sogar

geschätzt wird, das immer noch in

seinen Konzertsälen Symphonien

lauscht und in seinen Nachtclubs

heute vielleicht nicht mehr zu

Swing, sondern zu Electro-Beats

tanzt, dessen Wissenschaftler wie-

der Nobelpreise gewinnen, dessen

Athleten Rekorde brechen, dessen

Unternehmen und Universitäten

junge Menschen aus der ganzen

Welt anziehen, ja, sogar und ganz

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

besonders viele aus Israel! Dass

wir diesem großen Glück durch

unser Handeln gerecht werden –

das ist der wahre Auftrag dieses

Tages. Er richtet sich an jeden

Deutschen, weit über Gedenkstun-

den hinaus. Nehmen wir die Ver-

pflichtung an! Berlin ist nicht Wei-

mar und wird es nicht werden. Die

Gefahren von gestern sind nicht

die Gefahren von heute. Wer im-

mer nur vor der Wiederkehr des

Gleichen warnt, droht neue Her-

ausforderungen aus den Augen zu

verlieren. Aber: Erinnerung kann

den Blick schärfen für neue An-

fechtungen. Und die gibt es ge-

wiss! So wenig der Demokratie am

9. November 1918 ihr Scheitern

schon vorherbestimmt war, so we-

nig ist heute, einhundert Jahre spä-

ter, ihr Gelingen garantiert! Wir

beobachten ein wachsendes Unbe-

hagen an der Parteiendemokratie,

bis hinein in die Mitte unserer Ge-

sellschaft. Wir erleben, wie man-

che die Parlamente gar nicht mehr

als Orte für politische Lösungen

ansehen wollen. Nicht alle diese

Menschen sind Gegner der Demo-

kratie – aber sie alle fehlen der De-

mokratie. Gerade die Geschichte

der Weimarer Republik zeigt doch,

wie sehr wir Bürgerinnen und Bür-

ger brauchen, die bereit sind, Ver-

antwortung zu übernehmen, die

sich den Mühen demokratischer

Politik aussetzen – weil sie an ih-

ren Wert glauben. Ich wünsche

mir, dass heute, an ihrem 100. Ge-

burtstag, möglichst viele Menschen

in unserem Land dem Wert der

parlamentarischen Demokratie

nicht nur nachspüren – sondern

… Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

bei der Gedenkstunde zum 9. November 2018

dass sie daraus die Kraft schöp-

fen, den Mut fassen, sich in und

für diese Demokratie zu engagie-

ren. Denn: Mut, den braucht es

dafür auch heute! Aber der Mut

des Einzelnen wird nicht genü-

gen. Wir brauchen den verbin-

denden Moment. Denn wir spü-

ren doch, dass große Fliehkräfte

an unserer Gesellschaft zerren,

dass die Gräben tiefer werden,

nicht nur die ökonomischen, son-

dern auch kulturelle. Wir alle

haben ein tiefes Bedürfnis nach

Heimat, Zusammenhalt, Orientie-

rung. Und dafür spielt der Blick

auf die eigene Geschichte eine

entscheidende Rolle. Jedes Volk

sucht Sinn und Verbundenheit in

seiner Geschichte – warum sollte

das für uns Deutsche nicht gel-

ten? Wir brauchen die Erinne-

rung. Auch deshalb ist heute ein

wichtiger Tag! Der 9. November

kann Orientierung geben, ja! –

aber keine Eindeutigkeit. Man

kann diese Bundesrepublik nicht

begründen ohne die Katastrophe

zweier Weltkriege, ohne das

Menschheitsverbrechen der

Schoah. Sie sind unverrückbarer

Teil unserer Identität. Aber: Die

Bundesrepublik erklärt sich auch

nicht allein ex negativo, nicht

allein aus dem „Nie wieder!“

Man kann unser Land nicht be-

gründen ohne die weit verzweig-

ten Wurzeln von Demokratie-

und Freiheitsstreben, die es über

Jahrhunderte hinweg gegeben hat

und aus denen die Bundesrepub-

lik nach 1945 erst wachsen konn-

te. Ich weiß: Es ist schwer, beides

im Herzen zu tragen. Aber wir

dürfen es versuchen! Wir können

stolz sein auf die Traditionen von

Freiheit und Demokratie, ohne den

Blick auf den Abgrund der Schoah

zu verdrängen. Und: Wir können

uns der historischen Verantwor-

tung für den Zivilisationsbruch

bewusst sein, ohne uns die Freude

über das zu verweigern, was ge-

glückt ist in unserem Land! Ja: Wir

dürfen uns diesem Land anver-

trauen – auch wenn beides in ihm

steckt. Denn wir nehmen uns bei-

des zu Herzen! Das ist der Kern

eines aufgeklärten Patriotismus. Es

geht ihm weder um Lorbeerkränze

noch um Dornenkronen. Er ist nie-

mals laut und auftrumpfend – er

ist ein Patriotismus mit leisen Tö-

nen und mit gemischten Gefühlen.

Manche mögen das eine Schwäche

nennen –vermutlich gerade die,

die einen neuen, aggressiven Nati-

onalismus schüren. Ich empfinde

das genaue Gegenteil. Der Nationa-

lismus vergoldet die eigene Ver-

gangenheit, er suhlt sich im Tri-

umph über andere. Der Nationalis-

mus, auch der neue, beschwört

eine heile alte Welt, die es so nie

gegeben hat. Ein demokratischer

Patriotismus aber ist kein wohliges

Ruhekissen, sondern ein beständi-

ger Ansporn, für alle, die nicht

sagen: ‚Die beste Zeit liegt hinter

uns‘, sondern die sagen: ‚Wir wol-

len und wir können die Zukunft

besser machen‘! Das ist die Zuver-

sicht von Demokraten! Zuversicht

haben die Frauen und Männer be-

wiesen, die uns auf dem langen

Weg zu Einigkeit und Recht und

Freiheit in unserem Land vorange-

gangen sind. Die Vorkämpfer zur

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

Zeit der Französischen Revolution,

in der sehr kurzlebigen Mainzer

Republik etwa, und im liberalen

Vormärz, während der Revolution

von 1848 und in der Frankfurter

Paulskirche, deren Geist nicht nur

die Weimarer Verfassung durch-

zieht, sondern auch unsere heuti-

ge! Und wenn wir genau hinschau-

en, dann entdecken wir noch

frühere Anfänge von Selbstbestim-

mung und Gewaltenteilung, An-

fänge, die bis ins Mittelalter zu-

rückreichen, zum Stolz der Freien

Reichs- oder Hansestädte etwa, zu

den Freiheitsforderungen der deut-

schen Bauern, oder zur alten

Reichsverfassung, von der sich

sogar amerikanische Verfassungs-

väter inspirieren ließen. Wir erin-

nern an diejenigen, die im Kaiser-

reich und in der Weimarer Repub-

lik, im Exil und im Widerstand

gegen den Nationalsozialismus für

Freiheit und Demokratie kämpften

und von denen nicht wenige ihr

Leben ließen. Und vor allem den-

… Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

bei der Gedenkstunde zum 9. November 2018

ken wir heute an die Frauen und

Männer, die im Herbst 1989 auf

die Straßen strömten – in

Leipzig, Dresden, Plauen und

Chemnitz, in Berlin, Potsdam,

Halle und Magdeburg, in Arn-

stadt, Rostock und Schwerin. Sie

haben den Weg zur Wiederverei-

nigung unseres Landes bereitet.

Ohne ihre Friedliche Revolution,

ohne ihren Mut und Freiheits-

willen hätte es ihn nicht gege-

ben: den Fall der Mauer, jenen

glücklichsten 9. November in

unserer Geschichte! Auch daran

erinnern wir heute in Dankbar-

keit! All diese Frauen und Män-

ner haben nach und nach errun-

gen, wovon die Deutschen lange

Zeit nur träumen konnten: ein

freies, vereintes, demokratisches

Deutschland. Zu viele von ihnen

sind heute vergessen. Ich wün-

sche mir, dass wir mehr Auf-

merksamkeit, mehr Herzblut

und, ja, gern auch mehr finanzi-

elle Mittel den Orten und den

Protagonisten unserer Demokratie-

geschichte widmen! Für das Selbst-

verständnis unserer Republik soll-

ten wir mehr investieren als nur in

die Grablege von Königen oder die

Schlösser von Fürsten! Wir alle,

die wir uns zur Demokratie beken-

nen, die Millionen, die sich Tag

um Tag für dieses Land engagieren,

stehen in dieser Tradition! Sie zei-

gen durch tägliches Beispiel: Ein

demokratischer Patriotismus ist

keine Abstraktion und keine Kopf-

geburt. Das Engagement dieser Bür-

gerinnen und Bürger entspringt

doch nicht allein aus kühlem Ver-

stand, sondern bei den allermeisten

aus tiefstem Herzen! Also: Trauen

wir uns doch! Trauen wir uns, die

Hoffnung, die republikanische Lei-

denschaft jener November-Tage

auch in unserer Zeit zu zeigen.

Trauen wir uns, den Anspruch zu

erneuern: Es lebe die deutsche Re-

publik! Es lebe unsere Demokratie!

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IPS-Newsletter Ausgabe 14

November 2018

In eigener Sache

Impressum

Herausgeber: Deutscher Bundestag -Verwaltung Referat WI 4

Internationale Austauschprogramme

Luisenstraße 32-34, 10117 Berlin

Verantwortlich: Sabine Holthusen, Joshua S. Neumann,

Sophia S. Kujat

E-Mail: [email protected]

© Deutscher Bundestag, Berlin 2018

Seit Januar 2018 bin ich Refe-rentin für das Internationale Parlaments Stipendium. Mit der neuen Aufgabe schließt sich für mich beruflich ein weiterer Kreis: Als langjähri-ge Wissenschaftliche Mitar-beiterin eines Abgeordneten und zuletzt als Persönliche Referentin eines Vizepräsi-denten des Deutschen Bun-destages hatte ich regelmäßig eine IPSlerin oder einen IPS-

ler zu Gast in meinem Büro.

Besonders spannend war für mich dabei immer wie-der das Kennenlernen einer anderen Kultur, gesell-schaftlicher und politischer Unterschiede im Ver-gleich zu Deutschland, regionaler Besonderheiten und gleichzeitig vieler Gemeinsamkeiten. Vor allem aber das Interesse und der Enthusiasmus für das IPS und unser Parlament, der bei allen spürbar war und ist.

Das IPS bringt die Menschen zusammen; es vermittelt Verständnis füreinander und Respekt für unterschied-liche politische Meinungen, Religionen und Gesell-schafts- und Wirtschaftsverhältnisse. Das IPS zeigt uns, wie viel uns verbindet und was wir gemeinsam alles zustande bringen können. Dieses Programm nun selber mitgestalten zu können, ist eine wunderbare und spannende neue Aufgabe, in die ich mit viel Freu-de gestartet bin.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit und den Aus-tausch mit Ihnen allen.

Ihre Ute Scheidt

[email protected]

Herzlich Willkommen im Team von WI4:

März 2018 markiert das Da-tum des Wechsels in den mehr operativen Bereich für Außenpolitik des Deutschen Bundestages: das IPS-Sonderprogramm für die ara-bischen Staaten bei WI 4. Zu-vor habe ich bei den Wissen-schaftlichen Diensten das Feld der Außenpolitik, Men-schenrechte, humanitären Hilfe und Sicherheitspolitik

beackert. Diese wichtige Aufgabe nun mit der Praxis zu verbinden, ist für mich eine Herzensangelegenheit.

In meiner neuen Tätigkeit geht es darum, bei der Aus-wahl und Programmgestaltung für das IPS-Sonderprogramm junge Talente mitzubestimmen und sie mit dem politischen System der Bundesrepublik Deutschland, seiner Erinnerungskultur und gelebten Demokratie vertraut zu machen. Dabei sind die bei den Wissenschaftlichen Diensten gewachsene Kennt-nisse um die politischen Verhältnisse in den arabi-schen Staaten und Widerstände gegenüber zivilgesell-schaftlichem Engagement in diesen Ländern für mich von großem Wert.

Beeindruckt bin ich von der Tatkraft und dem Ideen-reichtum der jungen IPSler, ihr Land auf demokrati-sche Weise voranbringen zu wollen. Hier auf den Er-fahrungsschatz eines gut strukturierten Teams bei WI 4 zurückgreifen zu können ist für mich ein großes Ge-schenk. Ich freue mich auf gute Zusammenarbeit und neue Kontakte.

Ihre Sabrina Sperlich

[email protected]

Frau Lilli Risto,

neu als Sachbearbeiterin im IPS-Team,insbesondere zuständig für die Auftaktveranstaltung, das IPS-Alumni-Kolloquium sowie für die allgemeine Alumni-Arbeit.

[email protected]