Isabel Abedi Hier kommt Lola – Das Filmbuch · 2013-11-27 · Unverkäufliche Leseprobe Isabel...

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Unverkäufliche Leseprobe Isabel Abedi Hier kommt Lola – Das Filmbuch 15,3 x 21,5 cm, Hardcover 208 Seiten, ab 8 Jahren, Januar 2010 8,90 EUR [D], 9,20 EUR [A], CHF 16,50 ISBN: 978-3-7855-7139-2 www.loewe-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Die weitere Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. © 2010 Loewe Verlag, Bindlach © der Filmbilder: Bavaria Filmverleih GmbH/Constantin Film Verleih GmbH

Transcript of Isabel Abedi Hier kommt Lola – Das Filmbuch · 2013-11-27 · Unverkäufliche Leseprobe Isabel...

Unverkäufliche Leseprobe

Isabel Abedi

Hier kommt Lola – Das Filmbuch

15,3 x 21,5 cm, Hardcover208 Seiten, ab 8 Jahren, Januar 2010

8,90 EUR [D], 9,20 EUR [A], CHF 16,50ISBN: 978-3-7855-7139-2

www.loewe-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Die weitere Verwendung der Texte und Bilder, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig

und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

© 2010 Loewe Verlag, Bindlach © der Filmbilder: Bavaria Filmverleih GmbH/Constantin Film Verleih GmbH

1.

WER ICH BIN UND WAS MEIN GRÖSSTER WUNSCH WAR

Meine Freundin sagt, bevor ich euch die ganze Ge-schichte erzähle, soll ich mich erst mal vorstellen. Undich finde, wo sie recht hat, hat sie recht. Schließlichgeht es in der Geschichte ja so ziemlich hauptsächlichum mich. Na gut, es geht natürlich auch um meineFreundin, aber die kann ich euch noch nicht vorstel-len. Sonst wüsstet ihr ja, wie es ausgeht. Ich verratenur, dass meine Freundin jetzt neben mir sitzt undmir beim Erzählen hilft. Aber schreiben, sagt sie, sollich – und jetzt soll ich anfangen.

Also: Ich heiße Jacky Jones (ausgesprochen wirddas: Dschäcki Dschohns) und ich bin 15 Jahre alt.Ich gehe zwar noch zur Schule, aber hauptberuflichbin ich Sängerin. Meine Popkonzerte haben massen-weise Besucher und einmal habe ich sogar im Fern-sehen gesungen. Seitdem bin ich berühmt.

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Jetzt gebe ich jeden Tag mindestens 30 Autogram-me. Vor allem auf Geburtstagspartys und in unsererSchule. Die ist jetzt auch berühmt, weil ich ja dortSchülerin bin. Auf dem letzten Elternabend wurdevorgeschlagen, unsere Schule in Jacky-Jones-Schuleumzubenennen. Und unser Schuldirektor hat sogarein Poster von mir an der Wand hängen. Darauf tra-ge ich eine schwarze Lederjacke mit silbernen Sta-chelnieten und habe in jeder Hand ein Mikrofon.

Als berühmte Sängerin habe ich ziemlich viele Fans,wie ihr euch wahrscheinlich denken könnt. Ich ver-diene auch ganz schön viel Geld mit meiner Singerei.So ungefähr zwei oder fünfeinhalb Millionen proLied. Von dem Geld spende ich immer etwas an diearmen Kinder in Brasilien. Aber das meiste gebe ichaus. Für Rollerblades und Mountainbikes und natür-lich für Hubba-Bubba-Kaugummi. Danach bin ichnämlich ganz verrückt. Neulich habe ich mir sogar ei-nen eigenen Kaugummiautomaten gekauft. Der hingan einer Hauswand und weil das Haus so schön war,habe ich es gleich mitgekauft. Es hat vier Stockwerkeund als ich es meinen Eltern gezeigt habe, haben sievor Freude geweint. Dann haben wir alles eingerich-tet, aber ich durfte die Stockwerke verteilen, weil ichdas Haus ja gekauft hatte.

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Mama gehört das erste Stockwerk. Dort hat sie dasKrankenzimmer für ihre Patienten und ein großesMalstudio für sich selbst. Das zweite Stockwerk habeich meinem Vater gegeben. Er hat einen Musikraumund ein Tanzstudio, denn Musik mag mein Vater auch.Nur berühmt ist er nicht, aber das bin ja dafür ich.

Oma, Opa und Tante Lisbeth wohnen im drittenStock und ich selbst wohne im vierten. Dort habe ichfünf Zimmer: ein Kletterzimmer, einen Forscher-raum, ein Gruselkabinett, ein Schwimmbad und eineKinderdisco. Auf dem Dachboden ist unser Restau-rant. Dort lade ich meine Fans manchmal zum Essenein, bevor wir in die Disco zum Tanzen gehen.

Soll ich noch weitererzählen? Oder sollte ich an die-ser Stelle vielleicht doch lieber sagen, dass all das na-türlich nur dann mit mir passiert, wenn ich abendsim Bett liege und nicht einschlafen kann?

Das kommt allerdings ziemlich oft vor. JedenAbend, um ehrlich zu sein. Wenn Mama sagt, ich solldas Licht ausmachen, bin ich noch knallwach. Mamainteressiert das nicht im Geringsten und ich habe dasGefühl, mit diesem Problem stehe (oder liege) ichnicht allein da.

Dabei hab ich wirklich alles versucht, um einzu-schlafen, ich schwöre! Sogar Schäfchenzählen habe

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ich versucht, aber das war wirklich bescheuert. Beimir sind die Schäfchen nämlich nicht gesprungen,sondern sie sind vor dem Zaun stehen geblieben undhaben gebäht. Man konnte sie überhaupt nicht zäh-len, weil sie alle auf einem Haufen gestanden haben.Das hat mich irgendwann so hibbelig gemacht, dassmir die ganze Kopfhaut gejuckt hat. Und als ich dieSchafe angeschrien habe, sie sollten jetzt VER-DAMMT NOCH MAL ENDLICH SPRINGEN, istMama reingekommen und hat gesagt, bei mir haktes ja wohl, mitten in der Nacht so rumzukreischen.Als sie wieder rausgegangen ist, haben die Schafe alleim Chor gebäht und es hat sich angehört, als lachtensie mich aus. Es hat ewig gedauert, bis ich die ganzeHerde wieder aus meiner Vorstellung weggescheuchthatte, und danach war ich sehr, sehr aufgeregt.

Als Nächstes hab ich es mit Pinkeln probiert, weilOma immer sagt, wenn gar nichts mehr geht, gehtman am besten aufs Klo, denn dabei kommt immerwas raus. Also bin ich alle fünf Minuten aufs Klo ge-gangen und es ist auch immer was rausgekommen!Aber nach dem dreizehnten Mal hat Mama gesagt,wenn sie mich noch einmal auf dem Klo erwischt,zieht sie mir eine Windel an.

Tja. Und dann fingen die Krankheiten an. Sobald

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das Licht ausging, fühlte ich mich schlecht. Abermeine Kopfschmerzen haben Mama gar nicht inte-ressiert. Genauso wenig wie das Ohrensausen oderdas Kratzen im Hals oder die Wachstumsschmerzenoder das plötzliche Schwindelgefühl. Und als ich ein-mal so gegen halb elf ins Wohnzimmer kam, um Ma-ma mitzuteilen, dass ich gerade einen Herzanfallhatte, gab es sogar richtig Ärger. „Noch ein Wort undich reiß dir den Kopf ab“, hat sie gebrüllt.

Sind alle Mütter so herzlos? Oder nur meine, weilsie Krankenschwester ist?

Was mir also dringend fehlte, war eine nächtlicheBeschäftigung, aber da ist mir erst mal nichts Ordent-liches eingefallen. Es ist nämlich ziemlich schwierig,sich zu beschäftigen, wenn man im Dunkeln liegenmuss und nicht mucksen darf, weil einem die eigeneMutter sonst den Kopf abreißt. Ich habe mir so leid-getan, dass ich am liebsten gar nicht mehr ich seinwollte.

Also fing ich an, mir vorzustellen, wer ich wohl wä-re, wenn ich nicht ich wäre. Und dann ist mir plötzlicheine ganze Menge eingefallen. Ich war Feuerwehrfrau,Piratin, Detektivin, Waisenkind und einmal war ichsogar tot. Das war nach einem Streit mit meinen El-tern. Meine Güte, haben die vielleicht geweint. Aber

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am nächsten Morgen haben wir uns wieder vertragenund seitdem bin ich Sängerin.

Jetzt bin ich jede Nacht beschäftigt und meine Vor-stellungen sind manchmal so aufregend, dass ich da-von erst recht wach werde. Vor allem, als ich dasHaus mit den vier Stockwerken gekauft habe. Min-destens bis Mitternacht hat es gedauert, bis alles fer-tig eingerichtet war!

Richtig müde bin ich dann erst mor-gens und Mama schimpft, weil ich

dunkle Schatten unter den Augen habe.„Lola“, sagt sie dann. „Lola, hast du

wieder mal die halbe Nacht wach gele-gen und dir Geschichten ausgedacht?“

Wie ihr seht, heiße ich tagsüber alsonicht Jacky Jones. Tagsüber habe ichauch kein Haus mit vier Stockwerken.Und 15 Jahre bin ich auch nicht alt.Ich bin neun. Neuneinhalb, um genauzu sein. Aber in diesem Alter kann man als Sängerin – glaube ich – nochnicht so richtig berühmt werden. Des-

halb mache ich mich in meinem nächt-lichen Leben einfach etwas älter. UndJacky Jones klingt für eine Sängerin ja

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auch irgendwie cooler. Das sagt sogar meine Freun-din, obwohl sie meinen richtigen Namen mag.

Mein richtiger Name ist Lola Veloso. Lola war Ma-mas Idee und Veloso heiße ich, weil mein Vater Velosoheißt. Und mein Vater heißt Veloso, weil er aus Brasi-lien kommt. Deshalb nenne ich meinen Vater immerPapai, weil das Papa auf Brasilianisch heißt. Papaiwird Papei ausgesprochen, das klingt so schön weich,finde ich. Auf Brasilianisch klingen ganz viele Wörterweich. Papai spricht oft brasilianisch mit mir. Er sagt,er findet es wichtig, dass ich seine Sprache kann. Aberich glaube, er findet es auch wichtig, dass er sie selbstnicht vergisst. Papai lebt nämlich schon sehr, sehr lan-ge in Deutschland. Hier haben er und Mama sichauch kennengelernt. Auf einer Zugtoilette, echt wahr!Aber das ist jetzt wirklich eine andere Geschichte.

Meine Geschichte begann an einem Mittwochnach den Osterferien. An einem Mittwochmorgenum halb acht.

Ich saß mit Mama am Frühstückstisch und war sohibbelig, dass wieder meine ganze Kopfhaut juckte.Diesmal aber nicht wegen der Schafe, sondern weildieser Mittwoch mein erster Schultag war. Nicht derallererste natürlich, schließlich ist man mit neunein-halb keine Erstklässlerin mehr.

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Ich war letzten Sommer in die Dritte gekommen.Aber ein erster Schultag war es für mich trotzdem –weil ich auf eine neue Schule kam.

Wir waren nämlich umgezogen, von einem ziem-lich kleinen Ort in eine ziemlich große Stadt. Dasmit dem Umzug muss ich jetzt auch noch kurz er-zählen, aber dann habe ich mich hoffentlich richtigvorgestellt und die Geschichte kann losgehen.

Also: Die Stadt, in die wir gezogen sind, heißt Ham-burg und liegt an der Elbe. Die Elbe ist ein Fluss. Wirsind natürlich nicht wegen der Elbe nach Hamburggezogen, sondern wegen Oma und Opa und TanteLisbeth. Und wegen des Restaurants natürlich. Undaus dem kleinen Ort weggezogen sind wir wegen Pa-pais Hautproblemen.

Aber nicht dass ihr jetzt denkt, Papai hätte Aus-schlag oder komische Krankheiten oder so was. Diehat eigentlich eher Mama, weil ihre Haut so hell ist. Wenn Mama Erdbeeren isst, kriegt sie lauterFlecken, und wenn die Sonne scheint, muss sie sichsofort eincremen, sonst wird sie rot wie ein Krebs.

Papais Haut ist kaffeedunkel und er kann so vieleErdbeeren essen und so lange in der Sonne liegen,wie er will. Papais Hautproblem waren die Leute ausunserem Ort.

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Da, wo wir wohnten, hatte nämlich fast niemanddunkle Haut. Sogar ich habe helle Haut und helleHaare und hellgrüne Augen habe ich auch. Papaisagt, das kommt, weil Mamas Gene stärker waren.Das soll wohl heißen, dass ich von Mama mehr Aus-sehen geerbt habe als von Papai.

Aber ich habe nicht verstanden, warum die Leuteaus unserem Ort mit Papais Haut ein Problem hatten –und Mama hat gesagt, so was versteht im Grunde keinnormaler Mensch.

Demnach gab es in unserem Ort anscheinendziemlich viele unnormale Menschen. Denn dass dieLeute dort mit Papais Haut ein Problem hatten, warso klar wie Kloßbrühe. Die Frau im Supermarkt hatimmer ein Gesicht gemacht, als hätte sie gerade in ei-ne grüne Zitrone gebissen, wenn Papai an die Reihekam. In meiner Schule haben sie geflüstert, wenn Pa-pai mich abgeholt hat. Und beim Schulfest hat micheine aus der Vierten gefragt, ob mein Vater sich ei-gentlich nicht wäscht. Dafür musste ich ihr natürlicheine scheuern. Aber das mit dem Flüstern hat nichtaufgehört.

Als dann irgendwann Neger gehören in den Urwaldauf unserer Hauswand stand, hat Papai gesagt, esreicht. Zwei Monate später sind wir umgezogen.

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Nicht in den Urwald natürlich, sondern wie gesagtnach Hamburg.

Hier haben viele Menschen dunkle Haut und bisjetzt habe ich noch keinen gesehen, der ein Problemdamit hat. Papai ist jetzt viel besser gelaunt als frü-her und das finde ich sehr, sehr schön. Unsere neueWohnung finde ich auch schön. Sie hat zwar dreiStockwerke weniger als das Kaugummiautomaten-haus aus meiner Vorstellung, aber dafür wohnenOpa, Oma und Tante Lisbeth in der Wohnung überuns. Das ist in einer großen Stadt viel wert, sagt Ma-ma. Mamas Krankenhaus ist mit dem Auto 20 Minu-ten weit weg und das Restaurant von Papai und Opafünf Stationen mit der U-Bahn.

Aber an dem Mittwoch, an dem die Geschichte an-fing, war das Restaurant noch nicht eröffnet. Esmusste erst renoviert werden. Und ich musste mei-nen ersten Schultag hinter mich bringen.

„Jetzt findest du bestimmt bald neue Freundin-nen“, sagte Mama, als sie mich an diesem Morgenzur Schule brachte.

Und Freundinnen, die wollte ich so schnell wiemöglich finden! Vor allem eine beste Freundin. Umehrlich zu sein: Eine beste Freundin wünschte ichmir mehr als alles andere auf der Welt. Viel mehr, als

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Jacky Jones oder Sängerin oder Besitzerin eines Kau-gummiautomatenhauses mit vier Stockwerken zusein. Denn was nützt einem all so was, wenn mankeine Freunde hat? (Meine Freundin sagt, es nützteinem gar nichts.)

Doch als ich am Mittwochmorgen um eine Minu-te vor acht die Klinke zu unserer Klassenzimmertürrunterdrückte, da hatte ich noch keine Freundin. Ichhatte nur ein komisches Gefühl im Bauch. Und die-ses komische Gefühl flüsterte mir zu: Lola, Lola, dasmit der besten Freundin wird keine leichte Sache.

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Flo und Lola geben ein Konzert …

… und Penelope, Papai und Oma Aurelia sind begeistert

Lola als Jacky Jones