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1907 schockiert Picasso mit seinem Bild „Les Demoiselles d´Avignon“: Nicht das Thema (Mädchen in einem Bordell), sondern die Darstellungsweise löst Proteste aus: Die Zentralperspektive wird zugunsten der Multiperspektive auf- gegeben: Ein Objekt wird nicht mehr von einem Betrachterstandpunkt aus, sondern von verschiedenen Ansichten gleichzeitig dargestellt. Zusätzlich wer- den Körper und Raum auf geometrische Flächen reduziert. Diese geometri- schen Formen, die an Kuben (Würfel) erinnern, geben der neuen Stilrichtung ihren Namen. Der Kubismus stellt eine entscheidende Wende in der Malerei dar: Zum ersten Mal wird die Naturnachahmung gänzlich aufgegeben und ver- sucht, ein Kunstwerk nach eigenen Gesetzmäßigkeiten zu schaffen. Paul Cezanne (Rückführung der Natur auf geometrische Formen, Flächigkeit) Skulpturen aus Afrika (Reduzierung der Form) Gefährdung des Weltfriedens durch das Wettrüsten in Europa, Eroberungspolitik in Afrika und Asien, wichtige Fortschritte in der Wissenschaft: Röntgen-Strahlen machen bisher verborgene Dinge sichtbar; Albert Einstein revolutioniert mit der Relativitätstheorie die bisherige Vorstellungen von Raum und Zeit. Definition/ Grundgedanken Vorbilder Zeitgeschichtlicher Hintergrund Form Farbe und Licht Komposition Raumdarstellung Künstler und Werke Man unterscheidet zwei Phasen : Analytischer Kubismus (1907-1912) „analytisch“, den Gegenstand analy- sieren = zerlegen und die gefundenen Formen neu anordnen. Die Gegenstän- de sind in kleinteilige, facettenartige Flächen zersplittert, eine geschlosse- ne Form existiert nicht mehr. Die Farbigkeit beschränkt sich auf Grau- töne, Brauntöne und ein kaltes Blaugrau. Die Farben dienen allein der Modellierung der Form, sodass die Plastizität der Ge- genstände gegenüber der Farbe betont wird. Die Formsplitter ordnen sich in ihrem Hell-Dunkel auf der Fläche. Die Haupt- richtung und vor allem die dynamische Diagonale werden betont. Ein Objekt, aufgebaut aus stereometri- schen Gebilden, wird in verschiedenen Ansichten gleichzeitig dargestellt (Multi- perspektive). Durch die Überlagerung von einzelnen Flächen und Linien kann man nicht mehr unterscheiden, welche Ge- genstände vorn und hinten im Raum sind. Vorder- und Hintergrund sind ineinander verschränkt. Auch der Raum ist in Fa- cetten geteilt. Durch die Wiederholung der kleinen Flächen und Linien entsteht ein Bildrhythmus. Pablo Picasso Stillleben Georges Braque Frau mit Mandoline Synthetischer Kubismus (ab 1912) Die Formen, die zum Aufbau des Bil- des dienen, werden nicht mehr aus dem Zerlegen der Gegenstände gewonnen, sondern die Bildfläche wird von vorn- herein aus Formen zusammengesetzt (= synthetisiert). Es werden wieder reine Farben verwen- det. Dabei soll aber nicht die farbige Oberfläche der Gegenstände nachge- ahmt, sondern es sollen Farbflächen zu einer harmonischen Komposition zu- sammengefügt werden. Wenige größere Flächen mit klaren Um- rissen betonen die Grundrichtungen (Ho- rizontale, Vertikale, Diagonale), sodass eine klare Komposition entsteht. Überschneidung der Flächen und an- gedeutete Schatten schaffen Raum, vor- rangig ist aber der Eindruck von Zwei- dimensionalität. Eine wichtige Erfindung des syntheti- schen Kubismus ist die Collage: Reale flächige Materialien wie Zeitungsaus- schnitte, Tapeten- und Stoffe, Verpackun- gen werden aufgenommen. Die aufge- klebten Materialien betonen die Flä- chigkeit des Bildes. Juan Gris Der Kaffeesack Fernand Leger Die Rast Kubismus

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Page 1: isb-handreichungen grundwissen 04 · PDF fileVorder- und Hintergrund sind ineinander verschränkt. Auch der Raum ist in Fa-cetten geteilt. Durch die Wiederholung der kleinen Flächen

1907 schockiert Picasso mit seinem Bild „Les Demoiselles d´Avignon“: Nichtdas Thema (Mädchen in einem Bordell), sondern die Darstellungsweise löstProteste aus: Die Zentralperspektive wird zugunsten der Multiperspektive auf-gegeben: Ein Objekt wird nicht mehr von einem Betrachterstandpunkt aus,sondern von verschiedenen Ansichten gleichzeitig dargestellt. Zusätzlich wer-den Körper und Raum auf geometrische Flächen reduziert. Diese geometri-schen Formen, die an Kuben (Würfel) erinnern, geben der neuen Stilrichtungihren Namen. Der Kubismus stellt eine entscheidende Wende in der Malereidar: Zum ersten Mal wird die Naturnachahmung gänzlich aufgegeben und ver-sucht, ein Kunstwerk nach eigenen Gesetzmäßigkeiten zu schaffen.

Paul Cezanne (Rückführung der Natur auf geometrische Formen, Flächigkeit)Skulpturen aus Afrika (Reduzierung der Form)

Gefährdung des Weltfriedens durch das Wettrüsten in Europa, Eroberungspolitikin Afrika und Asien, wichtige Fortschritte in der Wissenschaft: Röntgen-Strahlenmachen bisher verborgene Dinge sichtbar; Albert Einstein revolutioniert mit derRelativitätstheorie die bisherige Vorstellungen von Raum und Zeit.

Definition/Grundgedanken

Vorbilder

ZeitgeschichtlicherHintergrund

Form

Farbe und Licht

Komposition

Raumdarstellung

Künstler und Werke

Man unterscheidet zwei Phasen :Analytischer Kubismus (1907-1912)

„analytisch“, den Gegenstand analy-sieren = zerlegen und die gefundenenFormen neu anordnen. Die Gegenstän-de sind in kleinteilige, facettenartigeFlächen zersplittert, eine geschlosse-ne Form existiert nicht mehr.

Die Farbigkeit beschränkt sich auf Grau-töne, Brauntöne und ein kaltes Blaugrau.Die Farben dienen allein der Modellierungder Form, sodass die Plastizität der Ge-genstände gegenüber der Farbe betontwird.

Die Formsplitter ordnen sich in ihremHell-Dunkel auf der Fläche. Die Haupt-richtung und vor allem die dynamischeDiagonale werden betont.

Ein Objekt, aufgebaut aus stereometri-schen Gebilden, wird in verschiedenenAnsichten gleichzeitig dargestellt (Multi-perspektive). Durch die Überlagerung voneinzelnen Flächen und Linien kann mannicht mehr unterscheiden, welche Ge-genstände vorn und hinten im Raum sind.Vorder- und Hintergrund sind ineinanderverschränkt. Auch der Raum ist in Fa-cetten geteilt. Durch die Wiederholungder kleinen Flächen und Linien entstehtein Bildrhythmus.

Pablo Picasso StilllebenGeorges Braque Frau mit Mandoline

Synthetischer Kubismus (ab 1912)

Die Formen, die zum Aufbau des Bil-des dienen, werden nicht mehr aus demZerlegen der Gegenstände gewonnen,sondern die Bildfläche wird von vorn-herein aus Formen zusammengesetzt(= synthetisiert).

Es werden wieder reine Farben verwen-det. Dabei soll aber nicht die farbigeOberfläche der Gegenstände nachge-ahmt, sondern es sollen Farbflächen zueiner harmonischen Komposition zu-sammengefügt werden.

Wenige größere Flächen mit klaren Um-rissen betonen die Grundrichtungen (Ho-rizontale, Vertikale, Diagonale), sodasseine klare Komposition entsteht.

Überschneidung der Flächen und an-gedeutete Schatten schaffen Raum, vor-rangig ist aber der Eindruck von Zwei-dimensionalität.

Eine wichtige Erfindung des syntheti-schen Kubismus ist die Collage: Realeflächige Materialien wie Zeitungsaus-schnitte, Tapeten- und Stoffe, Verpackun-gen werden aufgenommen. Die aufge-klebten Materialien betonen die Flä-chigkeit des Bildes.

Juan Gris Der KaffeesackFernand Leger Die Rast

Kubismus