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ISSN 0378-5106Nr. 29 Mai – August 2003/II

Die Europäische Zeitschrift Berufsbildungerscheint dreimal jährlich in fünf Sprachen (DE, EN, ES, FR, PT). Ein Jahresabonnement umfasst alle im Kalenderjahr(Januar bis Dezember) erscheinenden Ausgaben derEuropäischen Zeitschrift Berufsbildung. Es verlängertsich automatisch um ein Kalenderjahr, falls es nichtbis zum 30. November gekündigt wird. Die Europäische Zeitschrift Berufsbildung wird Ihnenvom Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG,Luxemburg, zugesandt. Die Rechnung erhalten Sie von Ihrem zuständigen EU-Vertriebsbüro. Im Preis ist die Mehrwertsteuer nicht enthalten.Zahlen Sie bitte erst nach Erhalt der Rechnung.

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Europ isches Zentrum f r die F rderung der Berufsbildung

Europäische Zeitschrift Berufsbildung

Nr. 29 Mai – August 2003/II

B E R U F S

B I L D U N GE u r o p ä i s c h e Z e i t s c h r i f t

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BERUFSBILDUNG NR. 29 EUROPÄISCHE ZEITSCHRIFT

CedefopEuropäisches Zentrum

für die Förderungder Berufsbildung

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Das Cedefop unterstützt die Euro-päische Kommission dabei, durchden Informationsaustausch undErfahrungsvergleich zu Themenvon gemeinsamem Interesse fürdie Mitgliedstaaten die Berufsbil-dung und die ständige Weiterbil-dung auf Gemeinschaftsebene zufördern und weiterzuentwickeln.

Es stellt Verbindungen zwischender Berufsbildungsforschung,-politik und -praxis her. Es verhilftden politischen Entscheidungsträ-gern und praktisch Tätigen auf al-len Ebenen der EU zu einem bes-seren Verständnis der Entwicklun-gen im Bereich der Berufsbildung,um ihnen Schlussfolgerungen fürkünftige Tätigkeiten zu erleich-tern. Es bemüht sich ferner dar-um, Wissenschaftler und Forscherzur Ermittlung von Entwicklungs-tendenzen und Zukunftsfragenanzuregen.

Der Verwaltungsrat des Cedefophat sich für den Zeitraum 2000 bis2003 auf eine Reihe mittelfristigerPrioritäten verständigt. In ihremRahmen konzentrieren sich dieTätigkeiten des Cedefop auf vierHauptthemenbereiche:

❏ Förderung der Kompetenzenund des lebensbegleitenden Ler-nens;❏ Förderung neuer Lernformenim gesellschaftlichen Wandel;❏ Förderung von Beschäftigungund Wettbewerbsfähigkeit;❏ Verbesserung des gegenseitigenVerständnisses und der Transpa-renz in Europa.

Die von den Autoren geäußerten Ansichten decken sich nicht notwendigerweisemit der Position des Cedefop. In der Europäischen Zeitschrift für Berufsbil-dung haben die Autoren das Wort, um ihre Analysen und unterschiedlichen,teilweise sogar gegensätzlichen Standpunkte darzulegen. Auf diese Weise willdie Zeitschrift einen Beitrag zur kritischen Diskussion leisten, die für die Zu-kunft der beruflichen Bildung auf europäischer Ebene unerlässlich ist.

Redaktioneller Beirat:

VorsitzenderMartin Mulder Wageningen University, Niederlande

Steve Bainbridge Cedefop, GriechenlandAviana Bulgarelli Isfol, ItalienJuan José Castillo Universitad Complutense de Madrid, SpanienUlrich Hillenkamp Europäische Stiftung für Berufsbildung, ItalienTeresa Oliveira Universidade Nova de Lisboa, PortugalLise Skanting Dansk Arbejdsgiverforening, DänemarkHilary Steedman London School of Economics and Political Science,

Centre for Economic Performance, Vereinigtes KönigreichIvan Svetlik University of Ljubljana, SlovenienManfred Tessaring Cedefop, GriechenlandÉric Verdier Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS),

LEST/CNRS, Frankreich

Redaktionssekretariat:

Erika Ekström Institutet För Arbetsmarknadspolitisk Utvärdering(IFAU), Schweden

Jean-François Giret CEREQ, FrankreichGisela Schürings Europäische Stiftung für Berufsbildung, Italien

Chefredakteur:

Éric Fries Guggenheim Cedefop, Griechenland

Verantwortlich:Johan van Rens, DirektorStavros Stavrou, stellvertretender Direktor

Übersetzung:Corinna Frey

Layout: Zühlke Scholz & PartnerWerbeagentur GmbH, Berlin

Umschlag: Rudolf J. Schmitt, Berlin

Technische Produktion mit DTP:Axel Hunstock, Berlin

Redaktionsschluss: 18.8.2003

Nachdruck – ausgenommen zu kommerziellenZwecken – mit Quellenangabe gestattet

Katalognummer: TI-AA-03-029-DE-CPrinted in Belgium, 2003

Diese Zeitschrift erscheint dreimal jährlich aufDeutsch, Englisch, Französisch und Spanisch.

Die portugiesische Sprachversionwird veröffentlicht von:CIDESMinistério do Trabalho e da SolidariedadePraça de Londres 2-2°P-1049-056 LisboaTel. (351-21) 843 10 36Fax (351-21) 840 61 71E-mail: [email protected] kann dort direkt bezogen werden.

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InhaltForschungsbeiträge

Qualität beim eLearning ..........................................................................................3Ulf EhlersWie ist Qualität beim eLearning vom Standpunkt des Lernenden aus zu werten?

Lernende Organisationen zwischen Anspruch und Wirklichkeit:Pädagogische Qualifikation des Ausbildungspersonals im Bauhandwerk .. 18Christian HarteisDie Ergebnisse einer in zwei Unternehmen durchgeführten Studie belegen, dassdie Realität nicht immer den formulierten Ansprüchen genügt.

Die Gestaltung von Schulpolitik dank elektronischer Diskussionenzwischen Lehrern und Schulleitern .................................................................... 29P.M. van Oene, M. Mulder, A.E. Veldhuis-Diermanse und H.J.A. BiemansInwiefern kann computergestütztes kooperatives Arbeiten einen Anreiz für dieEinbindung von Lehrern in schulpolitische Entscheidungen schaffen?

Analysen der Berufsbildungspolitiken und –praktiken

Erfahrungen der Unternehmensgründungin baskischen Berufsbildungsstätten .................................................................. 40Imanol Basterretxea, Ana González, Aitziber Olasolo, María Saiz und Lola SimónMit dem vorliegenden Beitrag sollen die Erfahrungen untersucht werden, die beider Förderung des Unternehmergeistes und der Gründung von Unternehmendurch Schüler im Bereich der Berufsbildung im Baskenland gemacht wurden.

Schwierigkeiten und Aussichten der beruflichen Bildung in Afrika –die Erfahrungen von MISEREOR .......................................................................... 58Thomas GerhardsDie berufliche Bildung in Afrika befindet sich in der Krise. Damit sie die Armenerreicht, zu mehr Beschäftigung führt und die eigenen Kosten erwirtschaftenkann, muss sich die berufliche Bildung auf Subsidiarität und kooperativeAusbildungskonzepte stützen, sie muss die informelle Lehrlingsausbildungfördern und erfordert ein Management nach unternehmerischen Gesichtspunk-ten. Dass dies möglich ist, belegt das Beispiel des handwerklichen Ausbildungs-zentrums CTAP im Tschad.

Betriebliche Lernstrategien - empirische Untersuchungüber Umsetzungsbeispiele in Betrieben ............................................................. 71Sabine Schmidt-LauffIn diesem Beitrag geht es um die Verteilung von Arbeits- und Lernzeiten vor demHintergrund der Flexibilisierung der Arbeitsorganisation. Die Autorin stelltÜberlegungen an, wie es mit den gemeinsamen Aufwendungen von Arbeitgebernund Arbeitnehmern für Weiterbildung weitergehen kann.

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Übergänge zwischen Schule und Erwerbsleben schaffen –Eine Studie über die Vorgehensweisen verschiedener Schulenzur Schaffung von günstigen Voraussetzungen für den EintrittJugendlicher ins Erwerbs- und Erwachsenenleben ......................................... 80Marita OlssonDie meisten Schulen in Schweden werden in staatlicher Trägerschaft geführt.Freie (nichtstaatliche) Schulen werden jedoch nunmehr ebenfalls als wichtigangesehen, da sie zu einer größeren Vielfalt, einem stärkeren Wettbewerb undder Entwicklung des Schulwesens im Allgemeinen beitragen. Dieser Artikel zeigt,dass die unterschiedlichen Vorgehensweisen freier Schulen günstige Vorausset-zungen für Jugendliche mit unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissenschaffen.

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Ulf-DanielEhlersZentrum fürQualitätsforschungim Bildungs- undSozialbereichUniversität Bielefeld

Neue Qualitätfür E-Learning?Grundlegende Konzepte undempirische Erkenntnisse einerneuen Lernorientierung beider Qualitätsentwicklung

Qualität wird über die Zukunft des E-Learning entscheiden. Das ist das Ergeb-nis vieler Analysen(1). So stellte etwa dieKPMG Studie vom November letzten Jah-res unter dem Titel „eLearning zwischenEuphorie und Ernüchterung“(2) sehr dif-ferenziert heraus, dass es beim E-Learningnicht nur auf gute Technologie ankommt,sondern die betriebliche Lernkultur undder Lerner wesentlich mehr als bisher ein-zubeziehen sind – und gute Konzeptedafür noch gefunden werden müssen(3).Berlecon, IDC (International Data Coorpo-ration) und andere Institute kommen zudem Ergebnis, dass E-Learning zwar einWachstumsmarkt sei, dieser sein Potenti-al aber erst voll entfalten wird, wenn dieFrage nach Konzepten für qualitativ hoch-wertiges E-Learning beantwortet werdenkann.(4) Qualitätsentwicklung und -siche-rung wird somit zum zentralen Fokus inder E-Learning-Debatte.(5) Konzepte zurQualitätssicherung gewinnen hier an Kon-junktur. In einem größeren Rahmen zeich-net sich dieser Bedeutungszuwachs derQualitätsdebatte für den Bildungsbereichinsgesamt ab – nicht zuletzt ausgelöstdurch den PISA-Schock.

Auch im europäischen Kontext rücktQualitätsentwicklung im Bildungsbereichund speziell im E-Learning zunehmend inden Mittelpunkt. So fördert die Europäi-sche Kommission derzeit im Rahmen ei-ner E-Learning-Init iat ive zahlreicheForschungsprojekte zur Entwicklung undHarmonisierung der europäischen Quali-tätsdiskussion für E-Learning. Im Projekt„European Quality Observatory (EQO)“(www.eqo.info) wird bspw. derzeit ein

Internetportal mit der Möglichkeit zur Ana-lyse, zum Vergleich der Vielzahl unter-schiedlicher und miteinander konkurrie-render Qualitätssysteme in Europa geschaf-fen.(6) Ein Hauptziel von EQO ist es da-mit, den Einsatz von Qualitätssystemen imBildungsbereich zu fördern. Auch im Be-reich von Qualitätsstandards gibt es Be-strebungen, die Diskussion, internationalmiteinander zu synchronisieren.(7)

Die besondere Bedeutung der Qualitäts-entwicklung wirft unmittelbar zwei Fra-gen auf: (1) Was ist Qualität? Und: (2) Wiekann diese gesichert werden? In der Be-antwortung dieser Fragen liegt die zen-trale Herausforderung, will man dem E-Learning in Zukunft zu einem ähnlichenStellenwert wie traditionellen Qualifika-tionsmaßnahmen verhelfen. Die guteNachricht dabei ist die, dass E-Learningnicht die Grundgesetze der Qualitätssiche-rung außer Kraft setzt. Das heißt, dass beidem Vorhaben, ein Konzept für Qualitäts-sicherung des E-Learning zu entwickelnund anzuwenden, auf erprobte Konzep-tionen, Modelle und Methoden zurück-gegriffen werden kann.

Die schlechte Nachricht – und damit dieHerausforderung – ist jedoch, dass auchdie Probleme bisheriger Ansätze bestehenbleiben. Denn mit der Frage, was Quali-tät beim E-Learning eigentlich ist, betrittman ein äußerst heterogenes und unüber-sichtliches Feld von Konzepten, Metho-den und Vorschlägen. Es gilt also zunächsteinmal, Licht in das Geheimnis um denQualitätsbegriff zu bringen und ihn dannkonsequent auf E-Learning zu beziehen.

Qualität entscheidet überdie Zukunft des E-Learning.Das ist das Ergebnis vielerAnalysen und Entwicklun-gen der letzten Zeit. Das be-deutet, dass der Qualitätssi-cherung eine besondere Be-deutung zukommt. ZweiFragen werden dadurchaufgeworfen: Was ist Quali-tät? Und wie kann diese ge-sichert werden? Die Ant-worten auf diese Fragen zufinden, ist eine zentraleHerausforderung, will mandem E-Learning in Zukunftzu einem ähnlichen Stellen-wert wie traditionellen Qua-lifikationsmaßnahmen ver-helfen. Der Artikel setzthier an und umreißt Eck-punkte einer Qualitätssi-cherung, die die Bedürf-nisse des Lerners in denMittelpunkt stellen. Subjekt-orientierte Qualitätsfor-schung wird gegen objekti-ve Qualitätskriterien ge-stellt. Das Ergebnis ist einlernerintegrierender Quali-tätssicherungsansatz. Ergreift erstmals neueste Er-gebnisse der bislang größ-ten Studie zur Qualität im E-Learning aus Lernerper-spektive auf (Lernqualitaet.de).

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1. Qualität als multiper-spektivisches Konzept

Lernqualität – oder in einem größerenRahmen Bildungsqualität – ist ein multi-perspektivisches Konzept. Es stellt keineabsolute Größe dar, sondern ist immerabhängig von dem jeweiligen Kontext, indem es verwandt wird. Es gibt in keinemeuropäischen Land einen gesellschaftli-chen, politischen oder wissenschaftlichenKonsens darüber, was etwa Bildungs-qualität eigentlich ist. Daher ist das, wasals Qualität definiert, letztlich eine nor-mative Setzung, bezogen auf einen kon-kreten Kontext. Insofern ist das Definie-ren von Qualität immer situativ beeinflusstund interessengeleitet.

Dies gilt umso mehr im Feld sozialer undpädagogischer Dienstleistungen, als wirdort keinen quasi naturgesetzlichen Pa-radigmen folgen können, die das, was wirals „...in seiner Beschaffenheit geeignetzu Erfüllung einer Anforderung...“ sehen– also Qualität (nach ISO 900X Definiti-on(8)) –, immer zu einer Aushandlungs-sache werden lassen zwischen unter-schiedlich elaborierten wissenschaftlichenTheorien und subjektiven, politischenoder gesel lschaf t l ichen Interessen.Donabedian (1968) stellt in seiner Defi-nition von Qualität den relationalen Cha-rakter des Begriffes heraus: „Qualität istder Grad der Übereinstimmung zwischeneiner erbrachten Leistung und den für die

Leistung festgelegten Zielen.“(9) Demnachbeschreibt Qualität ein Verhältnis. Es wirddeutlich, dass die Auseinandersetzung mitQualität eine Auseinandersetzung mit ei-ner metatheoretischen Kategorie ist, in deres um die Beschaffenheit des jeweils be-treffenden Gegenstandes geht, auf densich die Auseinandersetzung bezieht.

Grafik 1Die Diskussion um Qualität, die mittler-weile auf breiter gesellschaftlicher Ebenegeführt wird und die Auswirkungen aufviele gesellschaftliche Teilbereiche hat, istin ihren Ursprüngen sowie Auswirkungenkaum mehr zu überschauen. Zu konsta-tieren ist hingegen, dass Qualität als er-strebenswerte Kategorie für individuelleund gesellschaftliche Zusammenhängezunehmend wichtiger wird. Qualität kannmehr und mehr als eine subjektiv indivi-duell und kollektiv handlungsleitendeKategorie gesehen werden. Den Zustandvon guter/ höchster Qualität zu erreichen,wird in allen gesellschaftlichen Bereichensowohl viel und kontrovers diskutiert alsauch angestrebt. Die Bedeutung des Kon-zeptes lässt sich u.a. bereits an sprachli-chen Merkmalen festmachen, wenn mansich einmal die Renaissance von Kompo-sita wie z.B. Lebensqualität, Dienstleis-tungsqualität, Produktqualität, Wasser-qualität vor Augen führt. Die handlungs-leitende Wirkung des Begriffes „Qualität“wird allein daran deutlich, dass dieserzwar von der Wortbedeutung her ledig-lich „Beschaffenheit“ bedeutet (qualis(lat.) = Beschaffenheit), im Alltags-sprachgebrauch aber benutzt wird, um einMerkmal eines Gegenstandes gegenübereinem Merkmal eines anderen Gegenstan-des als höherwertig zu differenzieren.

Um zu einer analytischen Auseinander-setzung mit Qualität zu kommen, ist eszunächst einmal hilfreich, die Grundele-mente der Diskussion analytisch vonein-ander zu unterscheiden. Drei grundsätz-lich unterschiedliche Elemente können inder Diskussion unterschieden werden:

❏ Unterschiedliche Qualitätsverständ-nisse

❏ Unterschiedliche Akteure, mit jeweilsunterschiedlichen Perspektiven auf Qua-lität

❏ Unterschiedliche Qualitäten, z.B. Input,Prozess, Output.

QUnterschiedlichePerspektiven/Akteure

Unterschiedliche Qualitätsverständnisse

Unterschiedliche Qualitäten

(1) Siehe auch Ehlers et al. 2003, vorallem Kapitel 6.

(2) Siehe dazu KPMG 2001

(3) Auch eine Studie von UnicMind mitdem Titel „eLearning und Wissens-management in deutschen Großunter-nehmen“ zeigt diese Problematik auf(2001)

(4) Berlecon Research (2001) arbeitetdiese Thematik in der Studie „Wachs-tumsmarkt E-Learning: Anforderun-gen, Akteure und Perspektiven imdeutschen Markt“ heraus

(5) Zur Entwicklung im E-Learning vgl.auch Ehlers 2002

(6) Ausführlich wird das Forschungs-projekt bei Pawlowski 2003 vorge-stellt.

(7) Beispielsweise gibt es für Deutsch-land vom Deutschen Institut für Nor-mung (DIN) sowie auf EuropäischerEbene (CEN/ ISSS) und internationalim Rahmen der ISO in diesen The-menbereichen Workshops.

(8) Eine Aufarbeitung der Qualitäts-definition und Parameter nach ISOfinden sich z.B. bei Gräber 1996

(9) Donabedian 1968

Abbildung 1

Dimensionen von Qualität

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Die Kombination dieser drei Grundele-mente spannt einen Raum auf, in dem alleDiskussionen um Qualität sich verortenlassen.

1.1 Qualität im Spiegel unterschiedli-cher Bedeutungen

Eine Dimension von Qualität sind dieunterschiedlichen Begriffsverständnisse,die dem Begriff anhaften. Es liegen zahl-reiche Definitionen aus verschiedenenBereichen vor. Zum Beispiel in der Wirt-schaftswissenschaft(10) der produktbezoge-ne Ansatz, der Qualität als physikalischeEigenschaft definiert. Die Qualität einesSchmuckstücks bestimmt sich demnachnach seinem Goldgehalt, die Qualität ei-nes Whisky nach seiner Lagerzeit. Wei-terhin existiert der anwenderbezogeneAnsatz, der dagegen auf den individuel-len Präferenzen eines Kunden basiert. DieQualität wird durch Gebrauchstauglichkeitbestimmt. Bei optimaler Bedürfnisbefrie-digung ist diesem Verständnis zufolgegrößtmögliche Qualität erreicht, beispiels-weise ein oft ausgeliehenes Buch besitzteine höhere Qualität als das selten ausge-liehene. Die Nutzenpräferenzen sind ent-scheidend. Dann gibt es noch den ferti-gungsbezogenen Ansatz, der von der Her-stellung ausgeht und Standards festlegt,die bei Einhaltung Qualität signalisieren.Dabei ist das Ziel in erster Linie Funk-tionsfähigkeit, d.h. eine Schweizer Präzi-sionsuhr weist die gleiche Qualität auf,wie ein No-Name-Produkt aus Hongkong.Oder: alle Bücher, die nicht auseinan-derfallen, haben die gleiche Qualität.

Diese Definitionsversuche lassen sichnatürlich nicht ohne Weiteres auf denBildungsbereich übertragen. Denn andersals in der Wirtschaft haben wir im Bil-dungsbereich kein klassisches Anbieter-Kunde-Verhältnis, sondern ein Ko-Produ-zenten-Verhältnis: Ein E-Learning-Angebotliefert zwar die Technologie und denContent, aktiv damit umgehen – sprich:lernen – tut letztendlich jedoch der Ler-nende selber. Dieses Zusammenspiel vonLernangebot und Lernendem wird als Ko-Produzenten-Verhältnis bezeichnet.(11)

Im Bildungsbereich lassen sich derzeitetwa fünf unterschiedliche Bedeutungenbzw. Intentionen des Begriffes „Qualität“ausmachen(12), die teilweise den exem-plarisch beschriebenen Begriffsdefini-

tionen von Qualität im Bereich der Wirt-schaftswissenschaften ähneln:

❏ Qualität als Ausnahme beschreibt dasÜbertreffen von Standards

❏ Qualität als Perfektion beschreibt denZustand der Fehlerlosigkeit

❏ Qualität als Zweckmäßigkeit beziehtsich auf den Grad der Nützlichkeit

❏ Qualität als adäquater Gegenwert wirdgemessen am Preis-Leistungs-Verhältnisoder der Kosten-Nutzen-Relation

❏ Qualität als eine Transformation be-schreibt das oben bereits beschriebeneKo-Produzenten-Verhältnis zwischen Ler-nendem und Lernangebot und meint dieWeiterentwicklung des Lernenden durcheinen Lernprozess.

1.2 Qualität im Spannungsfeld ver-schiedener Perspektiven

Aber es gibt nicht nur unterschiedlicheQualitätsverständnisse, sondern auch un-terschiedliche Interessen und Perspekti-ven unterschiedlicher Akteure auf Quali-tät(13): Der Betrieb, der als Abnehmer derBildungsmaßnahme auftritt, die Tutoren,die ein E-Learning-Angebot betreuen, derPersonalverantwortliche, der die Rahmen-bedingungen für Weiterbildung in seinemBereich setzt, oder der Lernende. Alle vierAkteure haben in der Regel unterschied-liche Interessen – und unterschiedlicheQualitätsansprüche und -verständnisse.Qualität kann somit nicht als statischeGröße aufgefasst werden, sondern stelltsich als Aushandlungsverhältnis zwischenden jeweils am sozialen Prozess beteilig-ten Akteuren dar.

1.3 Qualität auf allen Ebenen

Und zu guter Letzt kann sich Qualität auchnoch auf unterschiedliche Ebenen bzw.Prozesse im Bildungsprozess beziehen.Beispielhaft seien hier einmal die unter-schiedlichen Qualitätsebenen der bekann-ten Qualitäts-Trias (nach Donabedian)aufgeführt, derzufolge Qualität sich be-ziehen kann auf:

❏ die Voraussetzungen für eine Bil-dungsmaßnahme (die sog. Input-/Struk-turqualität): etwa die Ausstattung mit

(10) Vgl. dazu: Müller Böling 1995

(11) vgl. z.B. Fendt 2000: 69, Ehlers2003: Kapitel 3

(12) Eine Aufarbeitung von Qualitäts-verständnissen für den Bereich derPädagogik findet sich bei Harvey/Green 1993: 9ff. Ebenfalls systema-tisch ausgearbeitet - wenn auch all-gemeiner und nicht speziell auf denpädagogischen Bereich bezogen - fin-den sich Qualitätsverständnisse beiWallmüller 1990: 7f

(13) vgl. dazu Fischer-Bluhm 2000: 680,Ehlers 2003: Kapitel 3

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Computern oder die Qualifikation derTutoren beim E-Learning,

❏ den Lernprozess (die sog. Prozess-qualität), also das Zusammenspiel von Ler-nendem, Lernarrangement, betrieblicherLernkultur, Lerninhalt und angestrebtenQualifikationszielen – oder auf

❏ das Ergebnis (die sog. Outcome-qualität) des E-Lernens, also den Hand-lungskompetenzzuwachs beim Lernen-den.

Qualität zu definieren bedeutet also, sichin diesem mehrdimensionalen Raum zuverorten.(14) Dabei gibt es kein Qualitäts-Patentrezept und keine Standardlösung,wie Qualität gesichert werden kann. DieHoffnung, Qualitätskriterien nur einmaldefinieren zu müssen, um in Zukunft inangemessener Weise E-Learning-Angeboteund Lernarrangements beurteilen zu kön-nen, muss (leider) aufgegeben werden.E-Learning-Maßnahmen richten sich letzt-lich auf einen Handlungskompetenzzu-wachs bei demjenigen, der lernt. Wasdemnach in Zukunft beim E-Learning vongroßer Bedeutung sein wird, ist eineQualitätsorientierung, die alle Prozesseumfasst und dabei den Lernenden in denMittelpunkt stellt. Dem lernenden Subjektmuss in Qualitätskonzepten zum E-Learning eine Schlüsselstellung einge-räumt werden, denn um dessen Zuwachsan Handlungskompetenz(15) geht es letzt-lich. Was das genau bedeutet, ist in Zu-kunft sowohl von wissenschaftlicher alsauch von politischer Seite aus zu entwi-ckeln. Einige grundsätzliche Vorausset-zungen der neuen Lernarrangements undgesellschaftlichen Entwicklungen könnenjedoch jetzt bereits deutlich analysiert wer-den.

2. LernerintegrierendeQualitätssicherung

Es ist zentral, eine neue Orientierung anden Bedürfnissen der Lerner nicht nur als„Modeerscheinung“ wahrzunehmen. Daherwerden im Folgenden grundsätzliche Di-mensionen einer lernerintegrierenden Qua-litätssicherung aufgezeigt und begründet.Die Stärkung der Lernerperspektive kannim Wesentlichen anhand von zwei Begrün-dungskomplexen nachvollzogen werden:

❏ Für Qualitätssicherung beim E-Learningist ein Paradigmenwechsel angebrachtund notwendig, der Konsequenzen für dieDefinition von Lernqualität hat,

❏ Qualität aus Nutzersicht zu sichern,bedeutet, lernerorientierte Qualitäts-entwicklung auf alle Ebenen des Qualifi-zierungsprozesses zu integrieren.

Der folgende Abschnitt führt Gründe füreine prominente Integration der Lerner-variablen in Qualitätskonzepte an undzeigt die Konsequenzen, die sich darausfür den Prozess der Qualitätssicherungableiten lassen.

2.1 Paradigmenwechsel in der Quali-tätssicherung

Im Bereich der beruflichen Weiterbildungist bereits seit Längerem ein Paradigmen-wechsel zu beobachten: von einerBelehrungspädagogik hin zu einerBefähigungspädagogik – von behavio-ristisch geprägten didaktischen Ansätzenhin zu kognitivistischen und von instruk-tionalistischen zu konstruktivistischenAnsätzen.(16) Die Möglichkeiten des E-Learning bewirken insgesamt eine Radi-kalisierung dieser Entwicklung. Es ermög-licht eine bislang noch nicht da gewese-ne Bedarfsorientierung und Individuali-sierung des Lernangebotes – nicht zuletztdurch die Ablösung einer Pädagogik nachdem Motto „einer für viele, jetzt und hier“(tayloristisches Prinzip) durch eine Päd-agogik/ Lernorganisation, die ein „needorientated learning: anytime - anywhere“ermöglicht.

Insgesamt ist zu erkennen, dass dem ler-nenden Individuum eine zunehmend grö-ßere Definitionsmacht für Qualität in derWeiterbildung zukommt.(17) Dies giltauch – und vor allem – für den Bereichdes E-Learning. Für diese Entwicklungsind insgesamt vier Gründe zu identifi-zieren: (a) Ökonomisch liegt ein zuneh-mend höherer Eigenanteil des Lernendenbei der Finanzierung vor. Entweder di-rekt über die Finanzierung von privatenFortbildungsmaßnahmen oder indirekt,indem die Freizeit für betrieblich orga-nisierte Fort- oder Weiterbildungen ge-opfert wird. (b) Pädagogisch und di-daktisch schlägt sich dies in wenigerBelehrungs- und mehr Er fahrungs-pädagogik nieder. Dieser Wandel beruht

(14) vgl. Fischer-Bluhm 2000: 680f

(15) Handlungskompetenz steht hier ineinem erweiterten Sinne auch als ‚Fä-higkeit in einer komplexen Welt ge-staltend mit der Umwelt interagierenzu können’.

(16) Diese Entwicklung beschreibenu.a. Harel et al. 1999, Jonassen 1996,Reeves 1999, Wilsonk et al. 2001

(17) vgl. dazu Gnahs 1995

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auf einem Wechsel von behavioristischorientierten Lerntheorien zu kognitivis-tischen Lernmodellen und von instruktio-nalistischen Ansätzen hin zu konstrukti-vistischen. Das bedeutet insgesamt we-niger Standardisierung und mehr Situa-tions- und Subjektorientierung. (c) Aufgesellschaftlicher Ebene l iegt einGrund in der Entwicklung hin zur Wis-sensgesellschaft. Das weltweit verfügbareWissen verdoppelt sich zur Zeit alle 4-5Jahre. Der amerikanische Soziologe Ri-chard Sennet(18) erwartet, dass ein ame-rikanischer College Student in seinem Be-rufsleben elf mal seine Stelle wechseltund dreimal die Basis seines Wissenskomplett austauscht. Dieser Prozess le-benslangen Lernens kann nicht standar-disiert werden, sondern ist individuell.Eine Herausforderung für E-Learning-Angebote ist es dabei, eine möglichstgroße Passung der individuellen Anfor-derungen mit den angebotenen Lern-arrangements zu erreichen. (d) Ein vier-ter Grund für die zunehmende Defini-tionsmacht des Lernenden in Bezug aufdie Qualität beim E-Learning liegt in denBesonderheiten des E-Learning ansich:(19)

❏ Zugang und Lernformen: Durch dieMöglichkeit des individuellen Zugangs zurSoftware gibt es keine einheitlichen Zei-ten, keine gemeinsamen und öffentlichzugänglichen Örtlichkeiten für Lernpro-zesse mehr. Das Lernen findet hauptsäch-lich in der Form von privatem Studium -oft auch in den eigenen vier Wänden -unabhängig von Lehrkräften oder ande-ren Lernenden statt. E-Learning ermöglichteinen individuellen und freien Zugang zuden Lernmaterialien (anytime und any-where). Zudem ist eine Vielzahl an Lern-formen möglich: Präsenzphasen, virtuel-le Selbstlernphasen, tutorielle Unterstüt-zung, Lernen und Austausch im Kontaktzu Mitlernenden. Lerngelegenheiten wer-den durch dieses Möglichkeitsspektrumpotenziell hochgradig individualisiert.

❏ Ausgangs- und Bedürfnisstruktur:Beim E-Learning gibt es in der Gruppeder Lernenden eine potenziell heteroge-ne Ausgangssituation. Dies gilt insbe-sondere hinsichtlich demographischerKomponenten (berufliche Stellung, Bil-dungsstand, etc.), inhaltlicher Komponen-ten (Vorwissen, Kenntnisse, etc.) und derLernerfahrungen, die Lernende haben. Auf

einheitliche Voraussetzungen für eineLerngruppe, wie etwa in einem klassen-raumbasierten Lernszenario, kann nichtohne Weiteres zurückgegriffen werden.Das betrifft auch die Möglichkeit, seineLernprozesse individuell zu gestalten.Während der traditionelle Gruppen-unterricht nur bei relativ homogenen Vo-raussetzungen funktioniert, ist E-Learningnicht mehr dieser Restriktion unterwor-fen. Zudem gilt: Was wann, wie lange,wie oft gelernt wird, liegt in der Kontrol-le des Lernenden. Eine ähnlich heteroge-ne Ausgangslage liegt zumeist auch hin-sichtlich der Bedürfnisstruktur vor.Potenziell ist medial gestütztes Lernenauch in den Zielvorstellungen und dendamit zusammenhängenden Motivations-strukturen völlig offen. Diese unterschied-lichen Bedürfnisse beeinflussen aber nichtnur den Lernerfolg, sondern sind auch fürseine Definition entscheidend. Die unter-schiedlichen Zielstrukturen sind dabeivielfältig: eine private Fortbildung aus In-teresse am Thema ist ebenso denkbar wieein weiterer Berufsabschluss oder eine imBerufsal l tag notwendig gewordeneWeiterqualifizierung. Die Gruppe der Ler-nenden, die mit ein und demselben E-Learning-Angebot lernt, ist in ihrem Ziel-spektrum potenziell breit gestreut.

❏ Wahlfreiheit des Angebotes: E-Learning bietet Lernern die Möglichkeit,selber auszuwählen, in welchem Lern-tempo sie lernen, zu welchen Gelegen-heiten sie lernen und welchen Abschnittsie lernen, überspringen oder vertiefenwol len. Auswahl , Reihenfolge undBearbeitungsstrategie können von denLernenden größtenteils selbst gesteuertwerden. Die Frage danach, welcher In-halt, Abschnitt bzw. Kurs wann und wiekonsumiert wird, kann in jedem indivi-duellen Fall vom Lernenden anders be-antwortet werden. Die Möglichkeit einerderart individuellen Lernorganisation führtauch zu individuellen Qualitätsansprü-chen.

Fasst man alles zusammen, dann sprechenalle vier Gründe – ökonomisch, pädago-gisch/ didaktisch, gesellschaftlich und dieBesonderheiten des E-Learning, – dafür,dass dem Lernenden eine größere Bedeu-tung bei der Definition dessen, was Lern-qualität ist, zufällt. Für die Qualitätssiche-rung heißt das konkret: die Lerner-variablen gewinnen im Verhältnis zu den

(18) vgl. dazu Sennet 1998

(19) vgl. dazu Baumgartner 1997

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anderen Variablen des Lernprozesses anBedeutung.

Das Verhältnis von Lernervariablen undLernarrangement kann gut am „Paradigmazur Konstruktion und Evaluation multime-dialer Lernumgebungen“ verdeutlicht wer-den, das von Rainer Fricke(20) nachVorschlägen von Reigeluth(21) und Fricke(22)entwickelt wurde. Nach Fricke steht dabeidie Effektivität eines Lernarrangements inAbhängigkeit von vier Faktoren:

Grafik 2❏ der Lernumgebung: sowohl der mul-timedialen Lernumgebung (LMS) als auchder sozialen Lernumgebung (betrieblicheLernkultur, Räumlichkeiten, etc.)

❏ dem Lernenden, bzw. den Lerner-variablen: Vorwissen, Bildungsbiographie,Lernkompetenzen, Medienkompetenzen,Interesse, Erwartungen, Ziele, etc.

❏ dem Lernthema: Inhalt und Aufberei-tung des Lernstoffes

❏ dem (intendierten) Lernergebnis,bzw. Ziel des Lernens: Ziele, die mit demLernen erreicht werden sollen, wie z.B.Transferziele am Arbeitsplatz durchHandlungskompetenzzuwachs, etc.

Ein E-Learning-Lernarrangement konstitu-iert sich letztlich erst im Zusammenspielvon allen vier der beschriebenen Fakto-ren. Alle vier Faktoren haben Einfluss aufden Lernerfolg, die Lerneffektivität unddie Qualität. Die Qualität eines E-Lear-ning-Lernarrangements ist somit abhängigvom Zusammenwirken aller vier Fakto-ren. Durch den beschriebenen Paradig-menwechsel wird ein Bedeutungszuwachsder Lernervariablen im Zusammenspieldes gesamten Lernarrangements gefördert.Dabei geht es nicht darum, alle anderenFaktoren auszublenden und damit das,was mit den Lernerbedürfnissen langegetan wurde, nun etwa mit technologi-schen oder inhaltlich/curricularen Fakto-ren des Lernprozesses zu tun. Es geht nurdarum, eine Neugewichtung der Lerner-faktoren vorzunehmen.

2.2 Vier Konsequenzen für Qualitäts-sicherung beim E-Learning

Dem Lernenden eine zentrale Position beider Qualitätssicherung zu geben, hat Kon-sequenzen für das, was als Qualität beimE-Learning definiert wird. Für die Quali-tätssicherung von E-Learning-Angebotensollen diese Konsequenzen in den folgen-den vier Punkte verdeutlich werden:

(20) vgl. Fricke 1995: 405

(21) vgl. Reigeluth 1983: 22

(22) vgl. Fricke 1991: 15

Abbildung 2

Die Lernervariablen im Lernarrangement

LernvariablenVorwissen,

Einstellungen, Erfahrungen

Lernerziel/Intention/Transferziel

Wissen, Handlungskompetenz, Akzeptanz, Motivation

Lernthema/Lernstoff

Lernarrangement

(1)

(2)

Lernkontext: Lernzentrum, Klassenverband, Arbeitsplatz, betriebliche Lernkultur

MuMe Lernarrangement/Lernsoftware

QQQQQ

Lernvoraussetzung

Lernvoraussetzung

Lernmethoden

Lernergebnisse

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Konsequenz 1: Von der Technologie-orientierung hin zu einer konsequen-ten Anwenderorientierung

Technologiegestützt, aber nicht technolo-gieorientiert – so sollte der Leitgedankebeim E-Learning lauten. Nicht das, wastechnologisch möglich ist, ist zentral fürdie Qualität des Angebotes, sondern das,was – mit einer entsprechenden Techno-logie – inhaltlich, methodisch und situa-tiv auf die Situation des Lernenden hinabgestimmt ist und was den Lerner-bedürfnissen entspricht. Studien zeigen,dass auch mit (‚qualitativ’) schlechtenCBTs, die sinnvoll in ein Gesamtlern-arrangement eingebettet sind, größereLernerfolge erzielt werden als mit (ver-meintlich) guten Programmen, die nichtangemessen eingesetzt werden.(23)

Konsequenz 2: Von der Angebots-orientierung zur Lernerorientierung

Dabei geht es nicht allein darum, dasbereits breit akzeptierte Prinzip derTeilnehmerorientierung unreflektiert wie-der aufzuwärmen und zu fragen, wie das,was angeboten wird, möglichst teilneh-mergerecht und situationsgerecht präsen-tiert und aufbereitet werden kann. Dasist zweifellos wichtig und richtig. DerParadigmenwechsel geht aber einenSchritt weiter: Es kommt zugleich daraufan, die Perspektive zu ändern. Die Frageist demnach nicht, was Mitarbeitern anQualifizierungsmaßnahmen angebotenwerden kann, sondern: Was brauchenMitarbeiter an welchen Stellen aktuell undin Zukunft, und welche Formen der Ver-mittlung sind für sie gemäß ihrer Berufs-und Bildungsbiographien die Richtigen?

Konsequenz 3: Qualität entsteht beimLernen(den)

Der aufgezeigte Paradigmenwechsel hatfür die Definition von Qualität undQualitätssicherung beim E-Learning weit-reichende Konsequenzen: Eine solcheSichtweise sieht den Lerner nicht als ei-nen Konsumenten des Lernangebotes,sondern als einen Ko-Produzenten seineseigenen Lernerfolges an. In dieser Sicht-weise steht der Begriff des Lerners aucheinem ökonomisch verkürzten Kunden-begriff – wie er vielfach rezipiert wird –entgegen. Denn insgesamt zeigt sich, dassdie mittlerweile auch im Bildungsbereich

gängige Definition „Qualität ist, was derKunde will“ – ausgelöst durch den Trans-fer von Prinzipien unterschiedlicherQualitätsmanagementphilosophien (z.B.TQM) aus dem Industriebereich in denBereich sozialer Dienstleistungen undauch in den Bildungsbereich seit etwaEnde der 1980er Jahre (Berwick 1989) –zur Aufschlüsselung des Konstruktes‚Qualität’ nicht viel beiträgt. Schon dieFrage danach, wer der Kunde ist, ist fürden Bereich beruflicher Bildung nicht ein-fach zu beantworten: Ist es die nachfra-gende Organisation – etwa der Betrieb,der seine Mitarbeiter zu einer Fortbildungschickt, oder sind es die Kursteilnehmerselber? Darüber hinaus sind Lernprozes-se keine zu erbringende Leistung einesBildungsanbieters an einem bzw. für ei-nen etwaigen Kunden, sondern bedürfender Mitwirkung des ‚Kunden’ (sprich: Ler-ners). Im Bildungs- und Sozialbereichwird daher von einer Ko-Produktion desBildungsproduktes ausgegangen.

Qualität entsteht erst dann, wenn der Ler-nende mit dem Lernarrangement in Inter-aktion tritt: Erst dann, wenn gelernt wird(Ko-Produktion des Lernerfolges). Ein E-Learning-Lernarrangement hat keine Lern-qualität an sich. Es ist lediglich der Rah-men (das Arrangement) mit Hilfe dessensich der Lernprozess vollzieht.

Konsequenz 4: Qualitätsförderungstatt Qualitätssicherung?!

Die meisten Evaluationskonzepte zur Be-wertung von Lernsoftware, die in Quali-tätssicherungsverfahren heutzutage an-gewendet werden, verfahren nach einemsog. Maschinenmodell der Wirkungs-forschung (Müller-Böling spricht auchvom ex-ante Evaluationsmodell(24)): EineLernsoftware, die anhand von bestimm-ten Qualitätskriterien (z.B. AKAB, MEDA‘97, etc.) getestet ist, wird eingesetzt, umbestimmte Wirkungen – Handlungs-kompetenzzuwachs bei den Mitarbeitern– zu erzielen. Dabei wird vernachlässigt,dass die Bewertung einer Lernsoftwarevon vornherein nichts über die erzielba-ren Wirkungen aussagt. Vielmehr zeigenStudien – z.B. die von Erich Behrendt inmehreren Branchen durchgeführten Fall-studien(25) –, dass nicht allein die Lern-software sondern vielmehr die Lern-arrangements, die betrieblichen Arbeits-,Lern- und Führungskulturen und insbe-

(23) vgl. Schenkel 1995: 22

(24) vgl. Müller-Böling 1995

(25) vgl. Behrendt 1998

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sondere auch die Motivation und dieHandlungen sowie Handlungsanordnun-gen der Lernenden für ein erfolgreichesE-Learning entscheidend sind. Diese Tat-sache unterstreicht noch einmal, dassLernqualität ein Zusammenspiel unter-schiedlicher Faktoren ist, von denen dieLernsoftware nur ein Teil ist.

Qualität entsteht erst im Zusammenspielder Anforderungen des Lernenden, demE-Learning-Lernarrangement und weiterenKontextfaktoren. Prognostive Standardshaben im Hinblick auf Lernqualität nureine schlechte Vorhersagevalidität(26).Qualität kann letztlich nur über eine stän-dige Optimierung - oder Förderung - die-ses Zusammenspiels erreicht werden. Esmacht daher Sinn, zukünftig eher von ei-ner Qualitätsförderung als von einer Qua-litätssicherung auszugehen. Denn: Gesi-chert werden können nur Standards. Dasheißt nicht, dass ab nun jegliche Standardsverneint werden sollen, aber es zeigt auf,dass Anbieter und Angebot nur dasRahmenmodell darstel len. Den ‚E’ -Lernprozess gestaltet primär der Lernen-de selbst – und damit auch die jeweiligeLernqualität. Natürlich müssen E-Learning-Angebote Mindeststandards entsprechen.

Aber Mindeststandards alleine bewirkennoch keine Lernqualität.

3. LernerorientierteQualitätsentwicklung

Die hoch bedeutsame Rolle des Lerners,die sich in den vier beschriebenen Kon-sequenzen für Qualitätssicherung beim E-Learning widerspiegelt, deutet darauf hin,dass in Zukunft eine konsequente Quali-tätsforschung aus der Lernerperspektivenotwendig ist. Dabei kommt es insbeson-dere darauf an, Determinanten eines Qua-litätsbegriffes aus Sicht der Lerners zuermitteln und soweit zu konkretisieren,dass sie in die Konstruktion von konkre-ten E-Learning-Angeboten überführt wer-den können. Die zugrunde liegende Fra-gestellung lautete daher: Was sind bedeut-same Faktoren für die Qualität beim E-Learning aus Lernersicht? Dem Lernermuss ein neuer Stellenwert eingeräumtwerden.

3.1 Lernqualitaet.de – Qualitätsfor-schung aus Lernerperspektive

Die Studie Lernqualitaet.de – Qualität ausLernersicht(27) nimmt ihren Ausgang ge-

QF5: Informationstransparenz bei Angebot/Anbieter

QF6: Kursverlauf/Präsenzveranstaltungen

InteraktionsorientierungLernmoderationLerner- vs. InhaltsorienierungIndividualisierte LernunterstützungEntwicklungs- und LernförderungTrad./Synch./asynch. Kommunikationsmedien

Hintergrundinfos im KursmaterialMultimediale MaterialaufbereitungGliederung und Struktur des MaterialsLernförderungTests/ÜbungenIndividualisierte Aufgabenstellung

Personale Kurs- und LernprozessbegleitungEinführung in Technik und InhaltPrüfungen

BeratungKursübergreifende InformationenInformationen zu Kursinhalten

Individualisierung und BedarfsorientierungIndividuelle außerökonomische KostenÖkonomische KostenTransfererwartungAußerfachliche Nutzeninteressen

Adaptive Bedienung und PersonalisierungSynchrone KommunikationsmöglichkeitenTechnische Verfügbarkeit der Inhalte

Soziale KooperationsdimensionDiskursive, virtuelle Kooperationsdimension

QF1: Tutorielle BetreuungQF2: Kommunikation und Kooperation

QF3: Technologie

QF4: Kosten- Erwartungen- Nutzen

QF7: Didaktik

(26) vgl. dazu: Meier in Schenkel 1995,Zimmer/ Psaralidis 2000, Behrendt1998, Schenkel 1995, Behrendt 1998:43ff, Schenkel 1995: 13ff

(27) Die Studie wurde an der Univer-sität Bielefeld durchgeführt (Ehlers2003) und kommt im Frühjahr näch-sten Jahres (2004) in den deutschenBuchhandel. Weitere Informationenim Internet unter http://www.lern-qualitaet.de.

Abbildung 3

Modell subjektiver Qualität

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nau an dieser Stelle. Gleich zwei innova-tive Ziele werden in Angriff genommen:Zum einen soll Qualität aus der Perspek-tive der Lerner ermittelt werden. Zumanderen findet eine Abkehr von der bis-lang gängigen Praxis statt, in der diesel-be Qualität für alle Lerner gleichermaßengilt. Stattdessen werden zielgruppenspe-zifische Qualitätsprofile erstellt. Die Er-gebnisse zeigen, dass Qualitätskriteriennicht für alle Lerner gleichermaßen gel-ten. Dieser Befund führt die oftmals ge-übte Praxis, Qualität anhand von allge-meingültigen Qualitätskriterien zu entwi-ckeln, ad absurdum.

Das Forschungsprojekt stellt zum erstenMal überhaupt eine empirisch gewonne-ne Klassifikation subjektiver Qualitätsan-forderungen für das E-Learning zur Ver-fügung. Diese ermöglicht nun, eine trag-fähige und angemessene Quali täts-entwicklung für netzgestützte Lernan-gebote anzugehen, die die Lerner-bedürfnisse in den Mittelpunkt stellt.

3.1.1 Umfassende E-Learning-Servicesfür Lerner

Grafik 3Ein subjektives Qualitätskonzept füronlinegestützte Lernarrangements mussmehr und umfassendere Einflussfaktorenberücksichtigen als ‚nur’ didaktische odertechnologische Aspekte. Das zeigen dieErgebnisse der Studie. Demnach lassensich die Qualitätsanforderungen vonLernern beim E-Learning in siebenQualitätsfelder gliedern (Abbildung 3).

Es wird deutlich, dass Lerner in ihremselbstgesteuerten Lernprozess durch einNetzwerk an begleitenden Angebotenunterstützt werden wollen, die insgesamtals „Learning Services“ bezeichnet wer-den können. Darüber hinaus zeigt sich,dass Qualitätsanforderungen von Lernernsich auf den gesamten Weiterbildungs-prozess beziehen und nicht nur auf denLernprozess als solches. Auch die Voraus-setzungen des Lernens (Strukturqualität)und die Ergebnisse (Outputqualität) sindsomit für Lerner von Bedeutung.

3.1.2 Zielgruppenbezogene Qualitäts-konzepte

Die Studie weist nach, dass Anforderun-gen an Qualität von Lerner zu Lerner un-terschiedlich sind und von unterschiedli-

Erlaüterung zu Abbildung 3

Modell subjektiver Qualität

Qualitätsfeld 1: Gestaltung des tutoriellen SupportsQualitätsansprüche, die Lerner in Bezug auf die Unterstützung beim Onlinelernendurch einen Tutor als bedeutsam angeben: tutorielle Aufgaben, Verhaltensan-forderungen, Ansprüche an die Verfügbarkeit eines Tutors, Qualifikationsan-forderungen an Tutoren und Aussagen über gewünschte Kommunikationsmedien.

Qualitätsfeld 2: Kooperation und Kommunikation im OnlinekursQualitätsanforderungen, die Lerner an kommunikative und kooperative Prozessebeim Onlinelernen haben. Dabei geht es um konkrete Kommunikationsformenund -möglichkeiten und deren Ausgestaltung zwischen den am Lernprozess betei-ligten Akteuren.(28)

Qualitätsfeld 3: LerntechnologienQualitätsansprüche, die Lerner in Bezug auf ausgewählte technische Komponen-ten einer Online-Lernplattform haben.

Qualitätsfeld 4: Kosten – Erwartungen – NutzenDie Kosten-Nutzen-Abwägungen von Lernern spielen auch bei der Bewertung derQualität beim E-Learning eine bedeutende Rolle. Der Aufwand, den Lerner in dieonlinegestützte Weiterbildung einbringen, und das Resultat, das sich dadurch er-gibt, z.B. durch eine gestiegene Handlungskompetenz im beruflichen Arbeitskontext,müssen demnach in einem günstigen Verhältnis zueinander stehen.(29)

Qualitätsfeld 5: InformationstransparenzQualitätsanforderungen an die Informationen über die Anbieter von Onlinekursenund über die Kurse, die diese anbieten. Im Vordergrund steht dabei die Frage:Welche angebots- und anbieterbezogenen Informationen sollen dem Lerner zurVerfügung stehen und welche Beratungsangebote werden benötigt, um Transpa-renz herzustellen?

Qualitätsfeld 6: PräsenzveranstaltungenQualitätsansprüche an den Kursverlauf, vor allem an Präsenzveranstaltungen: Ge-staltung von Präsenzveranstaltungen, Häufigkeit von Präsenzveranstaltungen, Lern-beratungen, zeitliche und organisatorische Lernmodi, Evaluation von Onlinekursen.

Qualitätsfeld 7: DidaktikDas Qualitätsfeld Didaktik umfasst die Bereiche Inhalt, Lernziele, Methoden undMaterialien. Qualitätsansprüche liegen hier vor allem in folgenden Faktoren: Hin-tergrundinformationen im Kursmaterial, Mediengerechte multimediale Materialauf-bereitung, Gegliedertes und strukturiertes Kursmaterial, Förderung der Lern-kompetenzen, Rückkoppelung des Lernens durch Übungen und Lernfortschritts-kontrollen, individuelle Aufgabenstellung, die an das Ziel- und Fähigkeitskonzeptdes Lerners angepasst sind.

(28) Dies können Lerner-Lerner-Interaktion, Lerner-Tutoren-Interaktion, Lerngruppen-Tutoren Interak-tion, Lerner-Experten-Interaktion o.ä. sein. Dabei wird der Aspekt der Lernerkooperation als eng andas Konzept der Kollaboration gekoppelt verstanden. Kooperation wird hier nicht im Sinne von Ar-beitsteilung verstanden, sondern viel mehr im Sinne einer verteilten Kognition in einem räumlichverteilten Lernsystem.

(29) Kosten sind dabei jedoch nicht ausschließlich durch den finanziellen Aspekt repräsentiert. Auchdie Zeit, die Lerner zur Verfügung stellen, die Mühe der Selbstorganisation und das Engagement zurEigenmotivation stellen für Lerner einen erheblichen Aufwand dar. Auf der Nutzenseite stehen nebeneinem finanziellen ROI ebenfalls unterschiedliche Aspekte, die für Lerner den Ertrag ihrer Bemü-hungen darstellen können.

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Q❏ Die eigenständigen Ziel- bzw. Ergeb-nisorientierten, die mit E-Learning vorallem ein vorher definiertes Ziel erreichenwollen und nur die dafür notwendigeUnterstützung benötigen. Sie sind mitStandardangeboten zufrieden und bewer-ten einen individualisierten Zuschnitt desLernarrangements als unwichtig.

❏ Die bedarfsorientierten Pragmati-ker sind durchaus an kommunikativerAuseinandersetzung interessiert, in ihrenPräferenzen jedoch pragmatisch, also amnotwendig Erforderlichen orientiert. Einebesondere Individualisierung im Lernan-gebot ist ihnen nicht so wichtig, ebensowie auch ein besonderer Medieneinsatznicht als notwendige Voraussetzung fürqualitativ hochwertige Lernarrangementsangesehen wird.

❏ Für die interaktionsorientiertenAvantgardisten drückt sich Qualität ineinem reichhaltigen Set an Unterstüt-zungsangeboten aus. Sie sind daran in-teressiert, neben fachlichen Zielen vor al-lem auch ihre Lernkompetenzen zu stei-gern. Dabei ist für sie ein interaktions-orientiertes Lernarrangement notwendig,das einen reichhaltigen und vielfältigenMedieneinsatz integriert.

Abbildung 4:Jeder Zielgruppe kann ein differenziertesSet an Qualitätsfaktoren aus den siebenFeldern des Modells subjektiver Qualitätzugeordnet werden. Die Studie zeigt deut-lich: Qualitätsentwicklung für Lernarran-gements, in denen selbstgesteuertes Ler-nen ermöglicht werden soll, muss sehrdifferenzierte Qualitätsbegriffe und -an-sprüche von Lernern berücksichtigen. Diesgilt insbesondere für die Unterstüt-zungsleistungen, die in Form von Beratungoder tutoriellem Support angeboten wer-den. Insofern ist das Berücksichtigen vonzielgruppenspezifischen Qualitätsbedürf-nissen ein strategischer Erfolgsfaktor fürAnbieter ‚e’-gestützter Weiterbildung. Umdiese neuen Erkenntnisse für das E-Learning fruchtbar zu machen, müssenzukünftig Instrumente entwickelt werden,die sie auf allen Ebenen eines e-gestütz-ten Weiterbildungsprozesses integrieren.Ein möglicher Evaluationsansatz, der dieunterschiedlichen Prozesse eines Bildungs-prozesses analysiert, wird im folgendenAbschnitt vorgestellt, konsequent auf E-Learning bezogen und mit der zuvor ent-wickelten Lernerorientierung verknüpft.

Abbildung 4

Vier Qualitätstypen im Überblick (ausgewählteMerkmale)

Der Ergebnisorientierte

(N=235)Eigenständig & zielorientiert• Individualisierung• Standardangebote• Arbeitsintegriertes Lernen• Instrumentelle Zweckorientierung• Lern- und Medienkompetenz• Präsenzveranstaltungen, Interaktion

und Kommunikation

Der Avantgardist

(N=392)Interaktionsorientiert• Diskussion/Kommunikation• Tutorielle Betreuung lernorientiert• Medien/Technik avantgardistisch• Virtuelle Lerngruppen• Information & Beratung• Didaktische Reichhaltigkeit

Der Individualist

(N=328)Inhaltsorientiert• Inhaltsbezogene Qualitätsansprü-

che• Individualisierte Angebote• Didaktische Strukturierung• Selbstgesteuertes Lernen• Präsenzveranstaltungen, Interaktion

und Kommunikation

Der Pragmatiker

(N=293)Bedarfsorientiert• Individualisierte Angebote• Tutorielle Betreuung sachorientiert• Außerökonomische Kosten• Information & Beratung• Personalisierung der LP• Didaktische Anforderungen

chen Faktoren wie bildungsbiographi-schen Erfahrungen, individuellen Lern-kompetenzen sowie sozioökonomischenFaktoren abhängen. In der Studie werdenhier aus der Vielfalt einzelner Qualitäts-anforderungen zielgruppenbezogeneQualitätsprofile ermittelt, die die beste-henden Unterschiede in den Qualitätsan-forderungen von Lernern beim E-Learningangemessen abbilden können. Es sindprototypische Qualitätsprofile, die alsLeitkonzepte für eine lernerorientierteQualitätsentwicklung fungieren können.Die Analysen legen eine Strukturierungin folgende Zielgruppen nahe (Abbildung4):

❏ Die inhaltsorientierten Individuali-sten, die eigenständig lernen wollen undeine tutorielle Begleitung als nicht wich-tig für gute Qualität empfinden. Sie ha-ben nur wenig Ansprüche an etwaigeUnterstützungsangebote. Ihre Qualitätsan-sprüche liegen lediglich im inhaltlichenBereich. Kommunikation und Interaktionsind für sie unwichtig.

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3.2 Qualität sichern auf allen Ebenen

Bislang beschränkt sich die Erfolgskon-trolle bei Weiterbildungsmaßnahmen oftauf die Befragung von Teilnehmern nachihrer Zufriedenheit, bestenfalls vielleichtauf die Überprüfung der unmittelbarenLernergebnisse.(30) Mittlerweile gibt es je-doch auch für den Bereich des E-Learning(für Lernsoftware und Onlinelernarrange-ments) detaillierte Evaluationsmodelle.Insgesamt gilt hier: Qualitätssicherung istmehr als die Kontrolle unmittelbarer Lern-effekte. Es geht darum, alle Einflussfakto-ren zu berücksichtigen (siehe Abb. 5): denLerner, das Lernthema, die gewünschtenErgebnisse und die technologische undsoziale Lernumgebung (Arbeitsplatz, be-trieblich Lernkultur, private Lernsituation,etc.).

Qualitätssicherung erschöpft sich nichtin guter Planung oder Vorbereitung, son-dern muss sich auf alle Phasen desQualifikationsprozesses erstrecken undden Lernenden einbeziehen. Sie beginntbeim Qualitätsbewusstsein und endet beider Sicherung der Transferleistungen, umdie es ja letztlich geht. Entscheidend istdemnach auch ein maßgeschneidertesEvaluationskonzept, um die Qualität zusichern.

Wichtig ist es, jede Phase des Qualifizie-rungsprozesses zu berücksichtigen: von

der Planung über die Entwicklung undDurchführung bis hin zur Transfersiche-rung.

Abbildung 5:Ein weit verbreiteter Irrtum ist es, zu glau-ben, dass E-Learning lediglich gut geplantund vorbereitet sein müsse, um dengewünschten Erfolg zu erzielen. Ein de-tailliertes Qualitätssicherungskonzeptkönnte dann etwa so aussehen, wie inAbb. 5 dargestellt. Es umfasst alle Phaseneines Qualifizierungsprozesses und gehtüber Standardevaluationsverfahren(31) fürWeiterbildungsmaßnahmen hinaus, indemes zusätzlich zu einer detaillierten Eva-luation der Einsatzphase auch noch diePlanungs- und Entwicklungsphase undauch die Auswirkungen der Maßnahme(z.B. Return on Investment in der betrieb-lichen Bildung) mit einbezieht.

Auf jeder der Ebenen müssen die vier Fak-toren Lernarrangement, Lerner, Lerninhaltund Lernergebnis/ Intention berücksich-tigt werden. Die Berücksichtigung der Ler-nervariablen nimmt dabei eine besonde-re Bedeutung ein. Qualitätssicherung be-deutet dann, in jeder Phase der Planung,Erstellung und Durchführung den Lernerzu integrieren. Lernerintegrierende Qua-litätssicherung sollte dann zumindest fol-gende Evaluationsfragen beinhalten, dieeine lernerintegrierende Qualitätssiche-rung ermöglichen (hier als Überblickzusammengefasst):

Tabelle

Abbildung 5

Evaluationsmodell für umfassende Qualitätssicherung (Kirkpatrick 1994)

Evaluationin derPlanungs-phase

Evaluationin derEntwicklungs-phase

Evaluationin derEinsatz-phase

EvaluationderAuswir-kungen

Reaktions-ebene

Lern-ebene

Handlungs-ebene

Erfolgs-ebene

(30) Bliesener 1997: 163-167

(31) Kirkpatrick schlägt ein vierstufi-ges Model l der Evaluat ion vonTrainingsprogrammen vor, das in denUSA auch heute noch der „Standard-ansatz“ von Evaluationen ist (Kirk-patrick 1994).

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Evaluation in der Planungsphase

Evaluationsgegenstände❑ Zielgruppenspezifische Voraussetzungen: Vorwissen, Interesse an der Q-Maßnahme, Erwartungen, Medien-

nutzungskompetenz der Teilnehmer, bildungsbiographische Kontextinformationen, Lernkompetenz: Selbst-organisation/ Selbststeuerungsfähigkeit, Was ist für die Lernenden Lernerfolg? (Modell subjektiver Qualität undzielgruppenbezogene Qualitätskonzepte)

❑ Kontextuelle Voraussetzungen: organisationale/ technische Voraussetzungen vor Ort, betriebliche Lernkultur,privates Lernumfeld, etc.

Methoden❑ Qualitative Methoden: Befragung, Beobachtung

Evaluation in der Entwicklungsphase

Evaluationsgegenstände❑ Zielgruppenangemessenes didaktisches Design der Kurs-/Lernmodule und des Kursablaufs (bspw. Blended Learning

vs. Rein virtuelles Selbstlernen)❑ Ergonomie❑ Akzeptanz❑ Motivationseffekte❑ Passen die Konzepte zu den Voraussetzungen der Lernenden? (Modell subjektiver Qualität und zielgruppenbezogene

Qualitätskonzepte)

Methoden❑ formative Evaluation durch iterative Optimierungsschleifen, Beobachtung, Verhaltensrecording, LogFile-Analysen,

Tests, aber auch Checklisten

Evaluation in der Einsatzphase

Evaluationsgegenstände (Modell subjektiver Qualität und zielgruppenbezogene Qualitätskonzepte)❑ Reaktionsebene: Wie reagiert der Lernende auf das Lernangebot? Wie muss das E-Learning-Angebot gestaltet sein,

damit der Lernende positiv reagiert?❑ Lernebene: Welche Lernererfolge werden erreicht? Wie kann der Lernprozess positiv beeinflusst werden?❑ Handlungsebene: Konnte der Lernende die Lerninhalte für seine Zwecke nutzen, z.B. auf die Arbeitssituation

übertragen? Hat sich die Handlungskompetenz erhöht (rekonstruktive Analysen)? Wie muss ein E-Learning-Angebotgestaltet sein, damit es die Handlungsfähigkeit und Kompetenzentwicklung des Lernenden angemessen unterstützt?

❑ Erfolgsebene: Welche Wirkungen hat die Weiterbildung auf die situativen Kontexte des Lernenden, z.B. seineStellung im Unternehmen, am Arbeitsplatz? War die E-Learning-Maßnahme für den Lerner erfolgreich?

Methoden❑ Kombination qualitativer und quantitativer Methoden: Befragungen, Beobachtungen, Tests

Evaluation der Auswirkungen

Evaluationsgegenstände❑ Hat die Weiterbildungsmaßnahme den gewünschten Erfolg (z.B. im Unternehmen/ Organisationskontext) erzielt?❑ Sind die individuellen Ziele oder die Organisationsziele (betriebliche Bildung) erreicht worden?❑ Ist beim Lernenden im Arbeitskontext der erwünschte Handlungskompetenzzuwachs zu beobachten?

Methoden❑ Kostenrechnung (ROI), Mitarbeitergespräche (Qualitätsmanagement), rekonstruktive Analysen des Handlungs-

kompetenzzuwachses

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diesem Hintergrund gewinnt‚ ‘Qualifizie-rung zur Selbstqualifikation’ (Lernen ler-nen) an Bedeutung. Was ist zur Erlangungdieser Kompetenz erforderlich?

Bildungsangebote sollten darauf abzielen,bei Lernenden Medienkompetenzenauszubilden. Dabei muss über die reineMediennutzungskompetenz hinaus auchdie Kompetenz zur Gestaltung mit Medi-en und ein kritischer Umgang mit medien-vermittelten Informationen herausgebildetwerden. Eine umfassende Medien-kompetenz besteht nach Baacke aus vierDimensionen(32):

Abbildung 1:Die Fähigkeit, Wissen über Medien zuerlangen, dieses nutzen zu können,Gestaltungskompetenzen anwenden zukönnen und auch kritische Reflektion zuden medial vermittelten Kommunikations-prozessen und Informationen vornehmenzu können, sind zentrale Kompetenzen,um erfolgreich mediengestützt zu lernen.

Wichtig ist weiterhin, die Fähigkeit zumselbstgesteuerten Lernen zu unter-stützen und zu fördern: Lernende sollenin die Lage versetzt werden, für sich sel-ber ihren eigenen Bildungsbedarf zu

4. Ausblick: Förderung derLernkompetenzen alsQualitätsbedingung

Es wird deutlich, dass die Position desLernenden eine neue Bedeutung für dieQualitätsentwicklung hat und dieser einezentrale Stellung dabei einnimmt. DamitQualität beim Lernen zustande kommenkann, ist jedoch ein weiterer Aspekt wich-tig: Die Lernkompetenz des Lernendenselbst. Die Deutsche Stiftung Warentest hatim Dezember 2001 eine Studie veröffent-licht, die der Frage nachgeht, ob eine Stif-tung Bildungstest in der Anbieterland-schaft der BRD sinnvoll sei. Ergebnis: DieEtablierung einer solchen Institution istdringend erforderlich, denn...

„...souveräne Entscheidungen der priva-ten Nachfrager setzen überschaubareMärkte voraus. Der Nachfrager sollte idea-lerweise wissen: Was ist auf dem Markt;in welchen Qualitäten ist das von mirgewünschte Produkt auf dem Markt; undwelches Preis-Leistungs-Verhältnis ist fürmeinen Bedarf angemessen.“ (StiftungWarentest Dez. 2001)

Aber: Um diese Entscheidungen treffenzu können, muss der Lernende aber zu-nächst einmal wissen, wo sein Bedarfliegt. Er muss wissen, was er im Vollzugdes lebenslangen Lernprozesses an Qua-lifikation braucht bzw. erlangen möchte.Er selber muss einen Qualitätsbegriff ent-wickeln. Er muss zu seinem eigenen „Bil-dungsmanager“ werden.

Nur wenn Lernende von ihrem Fähigkeits-konzept her dazu in der Lage sind, kön-nen sie ihren eigenen Lernerfolg proaktivgestalten und damit die Lernqualität fürsich positiv beeinflussen. Anbieter von E-Learning und arbeitsweltliche Betriebe/Organisationen sind „nur noch“ Er-möglicher in diesem Szenario. Der Lernen-de kann dann selbst ein hohes Maß anVerantwortung für die Lernqualität über-nehmen, die bei Qualifikationsprozessenentsteht. Denn im Ko-Produzenten-Verhält-nis zwischen Angebot und Lernendem tra-gen sowohl Lernender als auch Anbietereine Verantwortung für den Lernprozessund damit auch für die Qualität des ge-samten Lernens. Qualität zu sichern, heißtdaher auch immer, die Kompetenz desLernenden in diesem Sinne zu stärken. Vor

Abbildung 6

Medienkompetenzmodell nach Baacke

Medienkunde Mediennutzung

Medienkritik Mediengestaltung( )Abbildung 7

Notwendige Kompetenzen für E-Learning

Medienkompetenz• Mediennutzung• Medienkunde• Medienkritik• Mediengestaltung

selbstgesteuertes Lernen• Bedarf, Ziel• Materialien, Inhalte• Methodenkompetenz• Lerngelegenheiten

( 32) Das Konzept der Medien-kompetenz basiert nach Baacke aufdem Konzept der kommunikativenKompetenz und ist als BielefelderModell der Medienkompetenz beiBaacke 1997 aufgearbeitet.

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analysieren können, Ziele zu formulie-ren und die Kompetenz zu besitzen, sichselbständig Materialien und Inhalte zuerschließen. Dazu benötigen sie ein ho-hes Maß an Methodenkompetenz wieauch die Fähigkeit, sich ihre Lerngele-genheiten selber organisieren zu kön-nen.

Es geht nicht nur darum, die Lernendenzu befähigen, einzelne und isoliert auf-tretende Schwierigkeiten zu lösen, son-dern um umfassende Qualifizierung ineiner stark veränderten Lebens- und Ar-beitswelt. Otto Peters(33) hat diesen Zu-sammenhang deutlich gemacht:

„Bei der Frage, ob wir ... für das selbst-gesteuerte Lernen plädieren, so handelt essich dabei nicht etwa um eine Banalität,... sondern angesichts der auf uns zukom-menden gesellschaftlichen und kulturel-len Probleme schlicht um eine Maßnah-me zur Abwendung von Noten.“

Sicherung von Lernqualität beim E-Lear-ning heißt daher vor allem auch Siche-rung von Lernkompetenz beim Lernen-den. Lernende werden so befähigt, quali-tativ hochwertige Lernprozesse selbst zugestalten und die Potenziale der Angebo-te im Lernarrangement optimal für sichzu nutzen.

(33) vgl. Peters 1999

Literatur

Baacke, D. (1997): Medienkompetenz. Tübingen

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Lernende Organisatio-nen aus der Sicht vonBeschäftigten

Einleitung

Die Grundideen gängiger Management-konzepte haben sich in den letzten dreiJahrzehnten in ihrer Sichtweise auf dieRolle und Funktion von Beschäftigtengewandelt. Während bis in die 1980erJahre hinein tayloristische Arbeitsstruk-turen mit detaillierter Prozessreglemen-tierung die Arbeitswelt dominierten undTechnikglaube die Vision einer menschen-leeren Fabrik aufrecht erhielt, hat die MIT-Studie „The Machine that Changed theWorld“ (Womack, Jones & Roos 1990) zueinem Umdenken in den Management-etagen geführt. Es kam die Idee von ei-ner schlanken Organisation auf, nach derdie Reglementierung betrieblicher Prozes-se reduziert wurde und Verantwortungund Entscheidungsbefugnis dezentralisiertwurden. Das sollte zum einen die betrieb-lichen Abläufe effektiver machen und zumanderen eine rasche Reaktionsfähigkeitauf Veränderungen des Marktes ermög-lichen. Damit wandelte sich die RolleBeschäftigter hin zu Gestaltern von Ar-beitsprozessen. Im weiteren Verlauf der1990er Jahre konnte sich eine Reihe wei-terer Ansätze betrieblicher Arbeitsorgani-sation etablieren, die die Bewältigung vonVeränderungsprozessen als zentrale Her-ausforderung betrachteten und zu effek-tivieren versuchten. Sie folgen der Ideelernender Organisationen und weisen alsgemeinsamen Kerngedanken die Wert-schätzung der individuellen Kompetenzder Beschäftigten auf. Nicht mehr nur einkleiner Kreis von Führungskräften soll zurBewältigung der Herausforderungen fürdie Unternehmen beitragen, sondern diegesamte Belegschaft (Sattelberger 1999).Dahinter steht (u.a.) die Überlegung, dassangesichts unabsehbarer Entwicklungenin mehreren Köpfen ein größeres Poten-zial an vermutlich adäquaten Problemlö-sungen vorfindbar, ist als dies in nur we-nigen Köpfen der Fall ist.

Fasst man die individuelle KompetenzBeschäftigter als wichtiges Potenzial zurBewältigung zukünftiger, schwer antizi-pierbarer Problemstellungen auf und istan einer breiten Basis individueller Kom-petenz interessiert, liegt die Interpretati-on individueller Kompetenz als Ressour-ce, die es zu entwickeln und zu pflegengilt, auf der Hand. Nicht zuletzt deshalbverstehen sich viele Unternehmen als „ler-nende Organisationen“. Mittlerweile ha-ben auch traditionell strukturierte Betrie-be Teilaspekte lernender Organisationen– wie beispielsweise ein innerbetriebli-ches Verbesserungsvorschlagswesen – im-plementiert und versuchen somit, dasKreativitäts- und Kompetenzpotenzial dereigenen Belegschaft zur Weiterentwick-lung des eigenen Unternehmens zu nut-zen.

Dieser Beitrag gibt zunächst einen knap-pen Überblick über die Einstufung indi-vidueller Kompetenz Beschäftigter in Kon-zepten lernender Organisationen, bevoranhand von Befunden aus einer explora-tiven empirischen Studie der Frage nach-gegangen werden soll, wie Beschäftigtezweier großer deutscher Industrieunter-nehmen in ihrem Arbeitsumfeld einenAnsatz lernender Organisation verwirk-licht sehen.

Der Stellenwert individuel-ler Kompetenz in Konzep-ten lernender Organisation

Als lernende Organisation wird eine sol-che bezeichnet, „die sich ständig ändert,weil die Mitarbeiter ermuntert werden,ständig Änderungen und Anpassungenvorzunehmen. Eine lernende Organisati-on ... konzentriert sich darauf, Wissen zuschaffen, zu erwerben und zu übertragensowie das Verhalten dem Wissen entspre-

In den neuen Management-konzepten stellen die Rolleund Funktion des Unter-nehmens bei der Förderungindividueller Kompetenzeneine konstante Größe dar.Diese Förderung wird ein-hellig als Vorteil sowohl fürdie Beschäftigten als auchfür die Unternehmen dekla-riert.

Der vorliegende Beitragstellt die Ergebnisse einerUntersuchung in zwei High-Tech-Unternehmen vor, diesich selbst als lernende Or-ganisationen begreifen.Überprüft werden sollte,inwieweit der formulierteAnspruch verwirklicht wur-de.

Die Untersuchung ergab,dass zwar einige der imKonzept der lernenden Or-ganisation enthaltenenEmpfehlungen in beidenUnternehmen umgesetztwurden, dass sie aber, an-ders als von ihnen vorgege-ben, noch keineswegs als„lernende Organisationen“bezeichnet werden können.Unternehmen, die sich alslernende Organisationenverstehen möchten, müs-sen jedoch einsehen, dassdie Realisierung kompe-tenzfördernder Arbeitsbe-dingungen für ihre Beschäf-tigten auch eine Aufgabeder betrieblichen Organisa-tionsentwicklung ist.

ChristianHarteisUniversität

Regensburg,Institut fürPädagogik

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chend zu ändern“ (Friedman, Hatch &Walker 1999, S. 168). Praxisleitfäden füreine Implementierung lernorientierterOrganisationskonzepte (z.B. Probst &Büchel 1994) weisen Verfahrensweisenund Regelungen aus, die sowohl Möglich-keiten und Freiheitsgrade für Prozesse derKompetenzentwicklung eröffnen als auchverschiedene Dimensionen von Lernpro-zessen und deren Interdependenz be-rücksichtigen (vgl. Abb. 1). Auf einer theo-retischen Ebene der Erziehungswissen-schaft betrachtet, weisen diese Ansätzejedoch das Problem auf, dass sie zwar dasZiel – nämlich eine lernende Organisati-on zu werden – benennen, aber in Hin-blick auf konkrete Vorstellungen, wie derWissenserwerb der Beschäftigten ermög-licht oder unterstützt werden kann, ab-strakt, unklar und theoretisch diffus blei-ben. Das hat zur Folge, dass Beschäftigteunscharfen Anforderungen gerecht wer-den müssen. Sie haben als Adressatenunklarer Kompetenzanforderungen nor-malerweise auch keinen Einfluss auf dieBedingungen für die Verwertung ihrerKompetenz, da diese in der Regel außer-halb des Wirkbereiches ihres Arbeits-

handelns bestimmt werden (z.B. Kunden,Markt, Unternehmensleitung).

Abb. 1:Das abgebildete Konzept impliziert dieVeränderung des organisationalen Wis-sensbestandes in Reaktion auf Verände-rungen im Unternehmensumfeld. Es be-rücksichtigt sowohl individuelle als auchsoziale Lernprozesse sowie Lernen vonund in weiterer Folge über Multiplikato-ren. Zur Unterstützung der intendiertenLernprozesse erfolgt die Speicherung undDokumentation der Lernerfahrungen inverschiedenen Speichersystemen. Damitumfasst dieses Konzept Gesichtspunkte,die gemeinhin unter „Wissensmanage-ment“ im Rahmen von Wirtschaftsunter-nehmen diskutiert werden (z.B. Freimuth1997; Willke 1998). In ihrer Gesamtheitergeben diese vier Dimensionen des Ler-nens ein Konzept organisationalen Ler-nens, das die Nutzung der Problemlöse-kapazitäten der Beschäftigten ermöglichensoll (vgl. Wildemann 2000, S. 325ff.), wo-rin die zentrale Herausforderung von Un-ternehmen auf rasch sich veränderndenMärkten gesehen wird (vgl. z.B. Berryman& Bailey 1992, S. 10ff.; Kühl 1998, S. 35ff.;

Abbildung 1

Dimensionen einer lernenden Organisation (vgl. Probst & Büchel 1994, S. 63)

Learning Community

Die lernende Organisation

Speicherung vonLernerfahrungen inSpeichersystemen

Lernen einzelnerIndividuen

Lernen vonGruppen

Lernen vonMultiplikatoren

Kunden

Konkurrenten

Politik

ÖffentlichkeitVeränderung des gesamten in der

Organisation verfügbaren Wissensbestandes

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Lesgold 1997, S. 167). In der fehlendenKlarheit der Vorhersage zukünftiger An-forderungen liegt begründet, dass inProgrammatiken lernender Organisatio-nen die Förderung eines möglichst brei-ten Kompetenzspektrums der Beschäftig-ten angestrebt wird und dass ein umfas-sender Austausch von organisationalenWissensbeständen ermöglicht werden soll.

Wie in Abbildung 1 veranschaulicht, sinddie modernen Ansätze betrieblicher Ar-beitsorganisation, die Unternehmen alslernende Organisationen strukturieren,im Speziellen dadurch gekennzeichnet,dass sie den Beschäftigten in hohemMaße Entscheidungen und Verantwor-tungsbereitschaft abfordern und sich des-halb auf deren individuelle Kompetenzstützen. Je stärker formal die Steuerungdurch Zentralstellen im Unternehmenzurückgenommen wird, desto eher erhal-ten Beschäftigte formal die Möglichkeit,die Zwecke und Mittel ihres beruflichenHandelns mitzubestimmen. Dass schließ-lich solche Ansätze an Attraktivität ge-winnen, die organisationales Lernen pro-klamieren, kann als Indiz dafür interpre-tiert werden, dass in den Unternehmens-leitungen diese Mitbestimmung (aus wel-chen Überlegungen heraus auch immer)akzeptiert und intendiert wird und dar-aufhin Versuche erfolgen, die Basis fürdiese Mitbestimmung, nämlich die Ent-wicklung individueller Kompetenz, si-cherzustellen.

Generell sind die Anforderungen „in mo-dernen Arbeitsprozessen durch erhöhtekognitive und kommunikative Ansprüche,durch eine zunehmende Entkopplung vonArbeits- und Produktionsprozess, durcherhöhte Flexibilität, Mobilität und Effizi-enz sowie durch höhere Arbeitsintensitätund neue Kontrollformen gekennzeich-net“ (Dehnbostel, Erbe & Novak 2001, S.11). Der Arbeitsalltag unterliegt stetemWandel, dessen Ausprägungen kaum vor-hergesagt werden können. Die Beschäf-tigten stehen in der Erwartung, diesenWandel ökonomisch-effizient zu bewäl-tigen. Konkrete Qualifikationen lassensich vor diesem Hintergrund nicht be-schreiben – würden sie erst festgeschrie-ben, würde permanenter Wandel sie raschwieder in Frage stellen. Je enger eineKompetenzanforderung in Zusammen-hang mit vorfindbaren Erfordernissen amArbeitsplatz formuliert ist, desto größer

wird die Gefahr ihrer Entwertung durchaktuelle Entwicklungen im Beschäfti-gungssystem (vgl. Heid 1996, S. 20). Dieshatte auch schon Mertens (1974) erkannt,als er sein Konzept der Schlüssel-qualifikationen vorlegte. In jüngerer Zeitwird in bildungspolitischen und berufs-pädagogischen Zusammenhängen dazuübergegangen, bei der Beschreibung derAnforderungen an Beschäftigte auf dasKonzept beruflicher (Handlungs-)Kompe-tenz zurückzugreifen, weil damit dieseUnschärfe verschleiert und die Verantwor-tung für die Bewältigung der Anforderun-gen den Beschäftigten zugeschriebenwerden kann (vgl. Hof 2002).

Fragestellung und empiri-sches Vorgehen

Die Unternehmensphilosophien modernerIndustriebetriebe beschreiben Szenarienlernender Organisationen. Sie würdigen dieBedeutung individueller Kompetenz fürzukünftigen Unternehmenserfolg und ru-fen Bedingungen aus, unter denen die in-dividuelle Kompetenz der Beschäftigtengefördert und gefordert wird. Allerdingskönnen begründete Zweifel an einer um-fassenden Realisierung solcher Program-matiken vorgebracht werden (vgl. z.B.Büchter 1997). Zudem ergab eine Reprä-sentativuntersuchung von IAB/BIBB, dassfür einen Großteil Beschäftigter im Indu-strie- und Dienstleistungsbereich organi-sationale Veränderungen ohne direkteWirkung für ihr Tätigkeitsfeld bleiben(Jansen 2001). Von daher liegt die Fragenahe, ob Beschäftigte ihr Arbeitsumfeldtatsächlich in einer Weise als kompetenz-fördernd erleben, wie dies in den Program-matiken gefordert oder behauptet wird.

Dieser Beitrag verfolgt diese Frage auszwei unterschiedlichen Richtungen undberichtet Teilbefunde einer umfassenderangelegten Delphi-Studie (Harteis 2002):

1. Würden Beschäftigte solche Gesichts-punkte als Förderung und Forderung ih-rer individuellen Kompetenz erleben, diein den modernen Ansätzen betrieblicherArbeitsorganisation angedacht werden?Zur Klärung dieser Frage sollten Beschäf-tigte aus freien Stücken ohne Vorgabe vonBeispielen angeben, was sie in ihrem be-trieblichen Alltag als Förderung und For-

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derung ihrer individuellen Kompetenzerleben.

2. Wie weit erleben Beschäftigte Defizitein der Realisierung von lernenden Orga-nisationen? Da diese Frage die Kenntnisvon Ansätzen lernender Organisationenseitens der Befragten voraussetzt, wovonnicht ohne Einschränkung ausgegangenwerden kann, wurde die Frage indirektgestellt. Beschäftigte wurden aufgefordert,Verbesserungsvorschläge für den Fall zugenerieren, dass sie ihr Arbeitsumfeld hin-sichtlich der Förderung und Forderungihrer individuellen Kompetenz optimierensollen.

Hierzu wurde eine kleine Gruppe von 32Beschäftigten aus zwei modernen High-Tech-Unternehmen (eines aus der Auto-mobilbranche, eines aus der Elektronik-branche), die sich selbst als lernende Or-ganisationen begreifen, in einem vierstu-figen Delphi-Verfahren mit unterschiedli-chen Fragestellungen konfrontiert. Diebeiden o.a. Fragen waren ein Teil derbreiter angelegten Delphi-Untersuchung.Dabei wurde zweistufig vorgegangen, in-dem zunächst in einem ersten Schritt bei-de o.g. Fragen ohne Vorgabe einesAntwortformats gestellt wurden. In einemzweiten Schritt wurden – um ein diffe-renzierteres Bild zu erhalten – sämtlicheAntworten zu einer weiteren Einschätzungzurückgemeldet. Zum einen sollten dieBefragten einschätzen, für wie bedeutsamsie die Nennungen ansehen. Zum ande-

ren sollten die Antworten zur ersten Fra-ge dahingehend bewertet werden, wieweit die Nennungen im Arbeitsumfeld derBefragten realisiert sind. Die Antwortenzur zweiten Frage sollten dahingehendeingeschätzt werden, in welchem Ausmaßdie Verbesserungsvorschläge als realisier-bar angesehen werden. Hier ging es umeine subjektive Einschätzung durch dieBefragten und nicht um eine Bewertungvor dem Hintergrund einer Unterneh-mensstrategie. Die Beurteilungskriterienbei diesem zweiten Untersuchungsschrittwaren als solche nur von nachrangigerRelevanz. In erster Linie ging es um eineintersubjektive Validierung der Befundedergestalt, dass Einzelmeinungen ausmöglicherweise untypischen Arbeits-zusammenhängen von Mainstream-Nen-nungen unterschieden werden sollten.

Ergebnisse

Nachfolgende Tabellen zeigen die Ergeb-nisse zu den beiden aufgeworfenen Fra-gen. Tabelle 1 enthält Antworten zur Fra-ge, was Beschäftigte in ihrem Arbeitsum-feld als Förderung und Forderung ihrerindividuellen Kompetenz erleben. Sieumfasst die Auswahl derjenigen Nennun-gen, die im zweiten Delphi-Schritt alsbesonders wichtig erachtet wurden. In derSpalte Σ ist die Punktzahl angeführt, diefür die Bewertung hinsichtlich der Wich-tigkeit vorgenommen wurde. Die Spaltez enthält die z-standardisierte Bewertung

Tabelle 1

Übersicht über die in Hinblick auf die Förderung individueller Kompetenz amwichtigsten (ΣΣΣΣΣ) eingeschätzten Nennungen sowie die Einschätzung, wie zutreffenddie Beispiele für die Arbeitsumgebung der Befragten gesehen werden (z)

ΣΣΣΣΣ zUnterstützung bei der Lösung von Problemen durch Vorgesetzte und Kollegen 88 .27Projektarbeit 84 1.90Freiräume für Entscheidungen 80 1.26Teilnahme an Weiterbildung, Feedbackrunden und fachübergreifenden Arbeitskreisen 75 .2Übertragung von Personalverantwortung 72 .84Hohe Anforderung durch vielfältige Arbeitsaufgaben 68 1.6Gezielte und systematische Einarbeitung neuer Mitarbeiter 67 -.44Strategische Ausrichtung der Arbeitsorganisation 64 -.15Erfahrungsaustausch mit Kollegen und Vorgesetzten 61 -.44Vielfalt der Arbeitsaufgaben 53 1.05Regelmäßig stattfindende Mitarbeitergespräche 52 .48

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dahingehend, wie weit die Nennungen alsrealisiert gesehen werden.

Tab. 1:Analog hierzu zeigt Tabelle 2 die am wich-tigsten eingeschätzten Verbesserungsvor-schläge, wobei wiederum die Spalte S dieBewertungspunktzahl hinsichtlich Wich-tigkeit und die Spalte z die Einschätzungder Realisierbarkeit ausweist.

Tab. 2:

Diskussion

Zur ersten Frage

Die erste Frage diente der Erhebung vonBedingungen, unter denen Beschäftigte inihrem Arbeitsumfeld ihre individuelleKompetenz gefördert und gefordert se-hen. Die Befunde zu dieser Frage kön-nen vor dem Hintergrund modernerAnsätze betrieblicher Arbeitsorganisation– insbesondere denen der lernenden Or-ganisation – betrachtet werden, nach de-nen die individuelle Kompetenz Beschäf-tigter als zentrale Einflussgröße aufzukünftigen Unternehmenserfolg zu sehenist. Die Antworten der Befragten zur Fra-ge, was sie in ihrem Arbeitsumfeld alskompetenzfördernd erleben, lassen sichdem gegenüber stellen, was in den Kon-zepten lernender Organisation prokla-miert wird.

Die als besonders wichtig eingestuftenBeispiele lauten: Unterstützung bei derLösung von Problemen durch Vorgesetz-

te und Kollegen; Projektarbeit; Freiräumefür Entscheidungen; Teilnahme an Wei-terbildung, Feedbackrunden sowie fach-übergreifenden Arbeitskreisen; Übertra-gung von Personalverantwortung; hoheArbeitsanforderungen; gezielte und syste-matische Einarbeitung bei Neueinstellun-gen; strategische Ausrichtung der Arbeits-organisation; Erfahrungsaustausch mitKollegen und Vorgesetzten; Vielfalt derArbeitsaufgaben; regelmäßig stattfinden-de Mitarbeitergespräche (vgl. Tab. 1).

In den Beispielen zeigt sich eine sehrhohe Übereinstimmung mit Organisations-merkmalen, wie s ie in den neuenAnsätzen betrieblicher Arbeitsorganisati-on angedacht sind (vgl. hierzu Harteis2002): Bereits mit Einführung einer schlan-ken Organisation wurden Entscheidungs-befugnis delegiert und Projektarbeit undQualitätszirkel eingeführt, die als fach-übergreifende Arbeitskreise organisiertsind. Mit der Deregulierung der Arbeits-prozesse ging eine Steigerung der Arbeits-anforderungen und eine Anreicherung derArbeitsaufgaben einher. Kooperative Pro-blemlösung sowie eine strategische Aus-richtung der Arbeitsorganisation ist einMerkmal eines fraktalen oder eines virtu-ellen Unternehmens, in denen dauerhaf-te innere Strukturen zugunsten temporä-rer Kooperationsformen aufgegeben wer-den. Erfahrungsaustausch und expliziteErwähnung von Weiterbildungsteilnahmefindet sich in Ansätzen der lernendenOrganisation.

Tabelle 2

Übersicht über die in Hinblick auf die Förderung individueller Kompetenz amwichtigsten (ΣΣΣΣΣ) eingeschätzten Nennungen sowie die Einschätzung ihrer Realisier-barkeit (z)

ΣΣΣΣΣ zMehr Mut zur Änderung von Strukturen und bekannten Routinen 103 2.124Führungskräfte sollen sich mehr Zeit nehmen, auf Stärken und SchwächenBeschäftigter einzugehen 83 -.01Job-Rotation und Aufgabenerweiterung 78 1.743Organisierte Kommunikation unter Kollegen;Feedbackgespräche mit Vorgesetzten und Personalabteilung 69 1.353Beseitigung der Diskrepanz zwischen Verantwortung und Handlungsspielraum:Größere Entscheidungsspielräume 59 .277Orientierung an gemeinsamen Werten 55 .914Mehr Mitsprache bei der Gestaltung übergeordneter Ziele 49 -.35Förderung und Anerkennung von Kreativität 49 .329Langfristige Planung müsste genauer bekannt sein; klarere, strukturiertere Ziele 48 -.06

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Nicht in die Zielsetzung einer lernendenOrganisation passt das Beispiel der Über-tragung von Personalverantwortung,scheint sich hierin doch ein hierarchischesGefälle zu manifestieren, das seit der Ein-führung der schlanken Organisation zuüberwinden versucht wird. Denn zunächstist davon auszugehen, dass über die Zu-teilung von Personalverantwortung zu-gleich ein hierarchisches Gefälle definiertwird.

Trotzdem kann aber konstatiert werden,dass in einem Großteil der für die Förde-rung und Forderung individueller Kom-petenz als besonders bedeutsam einge-schätzten Beispiele Merkmale neuererOrganisationskonzepte aufgegriffen wer-den. Insofern können die Befunde als eineBestätigung eben jener Organisationskon-zepte gedeutet werden, weil die genann-ten Merkmale von den Beschäftigten ge-nau so wahrgenommen werden, wie esintendiert ist: Als Förderung und Forde-rung individueller Kompetenz.

Die Einschätzung der Bedeutsamkeit be-wegt sich jedoch noch auf dem Niveaunormativer, programmatischer Aussagen– möglicherweise darüber, was von denVersuchspersonen gewünscht wird. Infor-mationen, wie weit diese Beispiele in derPraxis des betrieblichen Alltags realisiertwerden, gibt die zweite vorgenommeneEinschätzung. Dort sollten die Befragtenangeben, wie weit die Beispiele für de-ren Arbeitsbereich als zutreffend ange-sehen werden. Besonders hoch wurdenhier die Beispiele Projektarbeit, hoheArbeitsanforderungen, Freiräume für Ent-scheidungen und vielfältige Arbeitsauf-gaben bewertet, die jeweils mehr als eineStandardabweichung über dem Mittel-wert der Gruppe liegen (vgl. z-Wert inTab. 1).

Die Realisierung wird lediglich bei denBeispielen Einarbeitung neuer Beschäftig-ter, wechselseitiger Erfahrungsaustauschmit Kollegen und Vorgesetzten sowie stra-tegische Ausrichtung der Arbeitsorganisa-tion zurückhaltender bewertet. Diese dreiNennungen erhielten negative z-Werte,d.h. sie wurden unterdurchschnittlich zu-treffend bewertet, allerdings nahe amMittelwert (z = [-.44;-.15], vgl. Tab. 1).

Alle anderen der elf besonders wichtigeingestuften Beispiele erhielten positive

z-Werte zwischen z = .2 bis z = .84 undscheinen daher eine weitgehend zutref-fende Beschreibung derjenigen Bedingun-gen zu sein, die die Befragten in ihrerArbeitsumgebung vorfinden.

Insgesamt liegen also günstige Realisie-rungsbedingungen für eine Ausgestaltungbetrieblicher Arbeitsorganisation vor, diedie individuelle Kompetenz Beschäftigterfördern und fordern:

1. In einer Bewertung der Bedeutung vonBeispielen der Förderung und Forderungindividueller Kompetenz im Rahmen desbetrieblichen Alltags wurden überwiegendsolche Beispiele hoch eingeschätzt, dieMerkmal neuerer Organisationskonzepteund insbesondere lernender Organisatio-nen sind. Daraus kann geschlossen wer-den, dass die qua Programm festgelegtenMerkmale betrieblicher Arbeitsorganisati-on zur Unterstützung des Kompetenz-erwerbs und deren Anwendung beitragen.

2. Die empirische Bestätigung, dass diebeschriebenen Beispiele großenteils zu-treffend den Arbeitsbereich der Versuchs-personen beschreiben, weist über dieEbene der Programmatik hinaus auf dieEbene betrieblicher Wirklichkeit. Damitbescheinigten die Befragten, dass sie inihrem Arbeitsumfeld konkrete Situationenwahrnehmen, in denen sie ihre individu-elle Kompetenz gefördert und gefordertsehen. Sie bekundeten damit (in ausge-wählten Beispielen) kompetenzförderndeArbeitsbedingungen.

Zur zweiten Frage

Neben der Frage, wie weit Beschäftigteihr Arbeitsumfeld als kompetenzfördernderleben, spielt bei der Untersuchungkompetenzfördernder Arbeitsbedingun-gen auch der Aspekt eine Rolle, welcheHindernisse für die Förderung und For-derung individueller Kompetenz im Ar-beitsalltag auftreten. Diese wurden indi-rekt über die Anregung von Verbesse-rungsvorschlägen erhoben.

Auch diese Befunde lassen sich vor demHintergrund neuer Organisationskonzep-te analysieren. Werden solche Verbesse-rungsvorschläge eingebracht, die eigent-lich laut dieser Organisationskonzeptebereits realisiert sein müssten, so kanndies als Indiz für eine unzureichende

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Umsetzung der Programmatik angesehenwerden.

Von den Verbesserungsvorschlägen wur-den von den Befragten die in Tab. 2 an-geführten Nennungen als besonders wich-tig in Hinblick auf eine bessere Förde-rung individueller Kompetenz einge-schätzt. Diese Beispielnennungen zielenauf drei verschiedene Aspekte des betrieb-lichen Alltags ab: (a) Formale Abläufe, (b)Verhalten und zwischenmenschlicherUmgang, (c) grundlegende Verbesserungs-vorschläge.

Zu (a): Auf formale Abläufe beziehen sichdie auf Beteiligung und Strukturierung derZielsetzungen bezogenen Verbesserungs-vorschläge, die Forderung nach Job-Ro-tation sowie der Ruf nach organisierterKommunikation. Interessant ist hier, dassdiese Vorschläge jeweils komplementäreBeiträge zum ersten Fragenkomplex auf-weisen. Das heißt, unter den Verbesse-rungsvorschlägen wurden Aspekte ange-sprochen, die zugleich als Beispiele derKompetenzförderung aus dem Betriebs-alltag genannt wurden. Dort wurden näm-lich - ebenfalls als besonders wichtig ein-gestuft - „hohe Anforderungen durch viel-fältige Arbeitsaufgaben“, „Erfahrungsaus-tausch mit Kollegen und Vorgesetzten“sowie die strategische Ausrichtung derArbeitsorganisation genannt. Was auf denersten Blick als ein Widerspruch erschei-nen mag, lässt sich plausibel mit dem Er-hebungsverfahren erklären. Die Versuchs-personen waren aufgefordert, im erstenSchritt sowohl Beispiele der Kompetenz-förderung als auch Verbesserungs-vorschläge einzubringen. Die Aufgaben-stellung im zweiten Schritt bestand danndarin, zu allen eingegangenen Vor-schlägen Wertungen vorzunehmen. Es warsomit möglich, dass im ersten Schritt einAspekt von einer Versuchsperson als Bei-spiel aus der eigenen Alltagserfahrunggenannt wurde, gleichzeitig aber von ei-ner anderen Versuchsperson als Verbes-serungsvorschlag vorgetragen wurde. Imzweiten Schritt mussten dann alle Proban-den diesen Aspekt sowohl als Beispiel ausdem Arbeitsalltag als auch als Verbesse-rungsvorschlag bewerten. In beiden Fäl-len war zunächst eine Einschätzung vor-zunehmen, wie wichtig dieser Aspekt fürdie Förderung und Forderung der indivi-duellen Kompetenz eingestuft wird. Eineähnlich hohe bzw. niedrige Wertung in

beiden Fällen ist naheliegend und folge-richtig. Unterschiede sind eher bezüglichder zweiten Wertung zu erwarten, näm-lich wie weit die Beispiele als zutreffendfür den eigenen Arbeitsbereich einge-schätzt wurden bzw. für wie realisierbardie Verbesserungsvorschläge gehaltenwurden. Anhand dieser zweiten Wertungsollen diese scheinbar widersprüchlichenBefunde gedeutet werden.

Das Komplementär zum Verbesserungs-vorschlag Job-Rotation wird bei den Bei-spielen der Kompetenzförderung als sehrzutreffend eingeschätzt. Es kann also da-von ausgegangen werden, dass für diemeisten Befragten hohe Anforderungendurch vielfältige Arbeitsaufgaben zumbetrieblichen Alltag gehören. Angesichtsdessen ist auch die hohe Einschätzung derRealisierbarkeit dieses Aspekts verständ-lich. Dass er in die Reihe der Verbesse-rungsvorschläge Eingang fand, soll dahernicht als Indiz für eine unzureichendeUmsetzung gewertet werden.

Bei den beiden anderen Scheinparadoxienin den Befunden fiel die Bewertung inanderer Form aus. Das Komplementär zurForderung nach Beteiligung bei der Ge-staltung, der Struktur und dem Bekannt-heitsgrad von Zielsetzungen kann in derListe der Beispiele im Beitrag „strategischeAusrichtung der Arbeitsorganisation“ ge-sehen werden. Dieses Beispiel erhielt je-doch bei der Einschätzung, wie weit esdie Befragten als für den eigenen Bereichzutreffend sehen, keine hohen Werte (z= -.15). Es scheint sich also vielmehr umein außergewöhnliches Beispiel zu han-deln. Dies spiegelt sich auch in der Ein-schätzung der Realisierbarkeit der Verbes-serungsvorschläge wider, die ehermittelmäßig (z = [-.35;-.06]) ausfiel. Somitscheint die Interpretation angebracht, dassdie Beteiligung der Beschäftigten an derGestaltung übergeordneter Ziele und derBekanntheitsgrad langfristiger Planungenvon den Versuchspersonen zwar ge-wünscht und für die Kompetenzförderungals wichtig angesehen werden, in derRealität des betrieblichen Alltags jedochunterentwickelt sind. Ein solcher Befundsteht jedoch im Gegensatz zu neuerenOrganisationskonzepten, die auf eineSelbstorganisation von Unternehmens-teilen z.T. in temporären Kooperationenabzielen. Strukturen dieser Art setzen dieGestaltbarkeit der Zielsetzungen durch die

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Beschäftigten voraus. Ein nur einge-schränkter Bekanntheitsgrad langfristigerPlanungen und Zielsetzungen deutet aufeine unzureichende Umsetzung eines al-len neueren Ansätzen gemeinsamen Merk-mals hin. Denn mit zunehmender Dele-gation von Entscheidungsbefugnis müs-sen die Zielsetzungen des Unternehmensexpliziert sein, um die Voraussetzung ei-ner auch im Sinne des Unternehmenskompetenten und vernünftigen Entschei-dung zu schaffen.

Ähnlich wird das letzte „Gegensatzpaar“in den unterschiedlichen Listen einge-schätzt: In der Reihe der besonders wich-tig bewerteten Verbesserungsvorschlägefindet sich die Forderung nach einer or-ganisierten Kommunikation unter Kolle-gen sowie nach Feedbackgesprächen. DieRealisierbarkeit dieses Vorschlags wirdbesonders hoch eingeschätzt (z = 1.353).Demgegenüber wird Erfahrungsaustauschmit Kollegen und Vorgesetzten als einbesonders wichtiges Beispiel für die För-derung individueller Kompetenz einge-bracht. Allerdings erachten dieses Beispielnicht viele Befragte als besonders zutref-fend, was in dem negativen z-Wert Nie-derschlag findet. Hierin könnte ein be-sonders gravierender Mangel bei der Um-setzung neuerer OrganisationskonzepteAusdruck finden. Zwar zielen beide Aus-sagen im Detail auf unterschiedliche Ge-sichtspunkte innerbetrieblicher Kommu-nikation. Aber da in den Verbesserungs-vorschlägen die Implementierung einerorganisierten, das heißt auch formalisier-ten Form gefordert wurde, liegt derSchluss nahe, in der Praxis würden Defi-zite vorliegen, die sich über den Organi-sationsgrad von Kommunikationsprozes-sen verringern ließen. Problematisch hin-sichtlich der Umsetzung neuerer Organi-sationskonzepte wäre dies in zweifacherHinsicht: Erstens würde dies darauf hin-deuten, dass die Bedingungen der betrieb-lichen Arbeitsorganisation die Kommuni-kation zwischen den Beschäftigten nichtfördern; zweitens würde die Regulierungsolcher Kommunikationsprozesse demBestreben nach Deregulierung zuwider-laufen.

Zu (b): Im zweiten Bündel können ver-haltensorientierte Nennungen zusam-mengefasst werden, nämlich der Appell,Führungskräfte sollten mehr Zeit für dieBerücksichtigung individueller Stärken

und Schwächen Beschäftigter aufbringen,und die Forderung nach einer Orientie-rung an gemeinsamen Werten. Die ersteder beiden Nennungen zielt auf wahrge-nommene Mängel im Führungsverhaltenvon Vorgesetzten ab. Die Realisierbarkeitdieses Vorschlags wurde mittelmäßig ein-geschätzt. Dieser Befund lässt eine ambi-valente Bewertung zu. Auf der einen Sei-te ist dieser Vorschlag als Ausdruck einesdiesbezüglichen Mangels zu sehen, derdamit auf ein eklatantes Hindernis für dieFörderung und Forderung individuellerKompetenz hinweist. Auf der anderenSeite ist hohe Bedeutungszuschreibungzugleich Ausdruck eines entsprechendenProblemverständnisses, was eine gute Vor-aussetzung für die Lösung des Problemsdarstellt.

Anders verhält sich die Einschätzung inBezug auf den Vorschlag einer Orientie-rung an gemeinsamen Werten. Wie Tab.2 zeigt, wird dieser Nennung eine hoheRealisierbarkeit zugesprochen. Zunächsteinmal lässt sich dieser Vorschlag als einIndiz für ein Defizit deuten, wobei demDatenmaterial nicht zu entnehmen ist,worin die Ursache zu suchen wäre. Denk-bar wäre einerseits, dass ein Teil der Be-schäftigten gemeinsamen Werten mitGleichgültigkeit gegenübersteht oder an-dererseits, dass die im Betrieb geltendenWerte nicht geteilt bzw. abgelehnt wer-den.

Beide Erwägungen, Gleichgültigkeit wieauch Ablehnung, würden im Falle ihresZutreffens Ansatzpunkte neuerer Organi-sationskonzepte unterlaufen. Gerade beineueren Ansätzen betrieblicher Arbeits-organisation spielen gemeinsame Wert-orientierungen eine nicht unerheblicheRolle. Dies beginnt im Grunde genommenschon bei einer ernst genommenen undseriös umgesetzten Delegation von Ver-antwortung und Entscheidungsbefugnis,die den Beschäftigten Freiheitsgrade undrealisierbare Handlungs- und Entschei-dungsalternativen eröffnet: Damit einedauerhafte Existenz und fortgesetzteHandlungsfähigkeit eines Betriebes aufdem Markt wahrscheinlich erscheint, istdie Grundlage gemeinsam geteilter Wer-te unverzichtbar, die für die Organisations-mitglieder verbindlich handlungsleitendwirken. Selbstredend können mit Wertenhier nur solche normativen Orientierungs-größen gemeint sein, die im Zusammen-

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hang mit beruflichem Handeln von Rele-vanz sind. Auf Privatsphäre bezogeneoder religiöse Werthaltungen dürften hierkeine Rolle spielen. Es kann auch davonausgegangen werden, dass die Befragtenbei der Bewertung dieses Vorschlags einesolche Eingrenzung vorgenommen haben.Die Frage der Möglichkeiten und Konse-quenzen auftretender Diskrepanzen undWertekollisionen zwischen Berufs- undalltäglicher Lebenswelt bleibt hier bewusstausgeklammert.

Zu (c): Das dritte Bündel bilden grund-legende Verbesserungsvorschläge, zumeinen die Diskrepanz zwischen Verant-wortung und Handlungsspielraum durchgrößere Entscheidungsfreiräume zu besei-tigen, zum anderen mehr Mut zur Ände-rung von Strukturen und bewährten Rou-tinen aufzubringen sowie Kreativität zufördern. Diese Gesichtspunkte stellen dieUmsetzung zentraler Aspekte modernerOrganisationskonzepte in Frage, in deneneben von der Delegation von Verantwor-tung und Entscheidungsbefugnissen, demAufbrechen verkrusteter Strukturen sowievon Innovationen die Rede ist.

Nun kann aber eigentlich nur dann vonder Delegation von Verantwortung ge-sprochen werden, wenn damit die Ermög-lichung von Freiheitsgraden für die Adres-saten der Delegation einher geht (vgl.Heid 1999). Die Tatsache, dass diesemVerbesserungsvorschlag ausgesprochenhohe Bedeutung beigemessen wurde,deutet darauf hin, dass ein solcher Zu-sammenhang nicht gegeben scheint undim betrieblichen Kontext im Zusammen-hang mit Verantwortung zumeist von dererfolgreichen Bewältigung extern definier-ter Aufgaben die Rede ist. Diese Vermu-tung wird durch einen Detailbefund auseinem anderen Teil der Delphi-Studiebestätigt, wonach die Befragten im Kon-text betrieblichen Arbeitsalltags Verant-wortung nicht im (erziehungswissen-schaftlichen) Verständnis als moralischenAnspruch interpretieren, sondern - umeiner Unterscheidung von Tenorth (1990)zu folgen - eher als Aufgabe sehen, wor-in deren nach welchen Kriterien auchimmer erfolgreiche Bewältigung impliziertist (vgl. Harteis u.a. 2001).

Nicht allein die Flut an populärer Litera-tur zum Veränderungs- bzw. Change-Ma-nagement (z.B. Berndt 1998; Doppler &

Lauterburg 2000; Gattermeyer 2000) ist alsIndiz dafür zu werten, dass Veränderun-gen eine zentrale Bedeutung in der Or-ganisation betrieblicher Arbeit beigemes-sen wird. Auch und gerade die neuerenManagementkonzepte sehen in der ra-schen Anpassung an die Bedürfnisse desMarktes und der Kunden das zentraleRezept unternehmerischen Erfolgs. DieseAnpassung verträgt sich nicht mit demunhinterfragten Festhalten an eingespiel-ten Verfahrensweisen. Ein sich rasch bisturbulent veränderndes Unternehmens-umfeld konfrontiert Betriebe mit Unsicher-heit, die Änderungen in den Strukturen -sei es an den Schnittstellen zur Unter-nehmensumwelt oder im Inneren vonUnternehmen selbst - zur Folge haben(vgl. Priddat 1999). Die hohe Bedeutung,die dieser Nennung sowie der Forderungnach höherer Anerkennung von Kreativi-tät als Verbesserungsvorschläge zugerech-net wurde, ist als Indiz für Defizite so-wohl der Umsetzung neuerer Konzeptebetrieblicher Arbeitsorganisation als auchder Realisierung kompetenzfördernderArbeitsbedingungen zu sehen.

Schlussfolgerungen

Lernende Organisationen sind auf dieFörderung und die Forderung individuel-ler Kompetenz Beschäftigter ausgerichtet.Die beschriebene Untersuchung dienteder Überprüfung, wie weit Beschäftigteaus Unternehmen, die sich selbst als ler-nende Organisationen begreifen, die Rea-lisierung kompetenzfördernder Arbeitsbe-dingungen erleben. Wie die Befunde zei-gen, scheint sich bezüglich der Program-matik lernender Organisationen folgendeDiskrepanz zwischen Anspruch und Wirk-lichkeit aufzutun:

Einerseits scheinen die Konzepte auf ei-nem „guten Weg“ zu sein, denn die Be-fragten empfinden genau solche Merkma-le betrieblicher Arbeitsorganisation alsFörderung und Forderung ihrer individu-ellen Kompetenz, wie sie in den neuerenOrganisationskonzepten und insbesonde-re in denen lernender Organisationenvorgesehen und angedacht sind. Zuver-sichtlich stimmt auch, dass ein Großteilder Befragten Merkmale kompetenz-fördernder Arbeitsbedingungen für daseigene Arbeitsfeld realisiert sieht.

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Andererseits deuten die Befunde jedochauch darauf hin, dass von einer vollstän-digen Umsetzung der Konzepte lernen-der Organisationen nicht die Rede seinkann. Das zeigt sich darin, dass die Be-schäftigten Verbesserungsvorschläge ein-bringen (und damit Defizite signalisieren),die (a) eigentlich laut den Program-matiken bereits realisiert sein sollten und(b) von den Befragten großenteils als rea-lisierbar eingeschätzt werden. Es gibt Hin-weise, dass diese Defizite auf das Verhal-ten von Führungskräften zurückführbarsein könnten. Eine tiefere Ursachen-analyse ist jedoch auf Basis des Daten-materials nicht möglich.

Ihrem Anspruch werden Programmatikenlernender Organisationen also insoferngerecht, als Beschäftigte sie tatsächlichals eine Förderung und Forderung ihrerindividuellem Kompetenz erleben. Dasssie ihr Arbeitsfeld auch als Bereich ihrerindividuellen Kompetenzentwicklung be-greifen, zeigt die Angemessenheit der

den Konzepten lernender Organisationzugrunde liegende Annahme, Beschäftig-te hätten ein Interesse an der Kompe-tenzentwicklung im beruflichen Umfeld.In der Wirklichkeit zeigen sich Unzuläng-lichkeiten in Form mangelhafter Umset-zung der Programmatiken, die jedochnicht zu Lasten der Konzepte gehen, son-dern auf das Verhalten von Einzelperso-nen zurückzuführen sind. Insofern istdem weithin geäußerten Hinweis zuzu-stimmen, wonach in der Kompetenz(ent-wicklung) der Beschäftigten das wichtig-ste Zukunftspotenzial für Unternehmenzu sehen ist. Unternehmen, die sich die-ser Einsicht verpflichtet sehen, stehen inder Verantwortung: Die Realisierungkompetenzfördernder Arbeitsbedingun-gen ist auch eine Aufgabe betrieblicherOrganisationsentwicklung. In welchemMaße Beschäftigte im Arbeitsalltag Kom-petenz entwickeln und einbringen, hängtauch davon ab, ob das Arbeitsfeld ent-sprechende Bedingungen und Anreizebereitstellt.

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Einleitung

In den Niederlanden wird wie in vielenanderen Ländern innerhalb und außerhalbEuropas von den Schulen erwartet, dasssie ein ganzes Bündel von gefordertenweit reichenden Neuerungen im Bildungs-wesen angehen. In der landwirtschaftli-chen Sekundarausbildung konzentrierensich die Neuerungen auf die Umsetzungeines obligatorischen Kernlehrplans fürdie Schüler der ersten drei Jahre (so ge-nannte Grundausbildung) und auf einProgramm zur besseren Abstimmung dervon Schülern erworbenen Zeugnisse undAbschlüsse auf die außerhalb der Schulezur Verfügung stehenden Berufe (so ge-nannte Qualifikationsstruktur) (vgl. auchJongmans, Sleegers, Biemans und DeJong, in Überarbeitung). Innerhalb diesesRahmens werden die Schulen dazu ermu-tigt, ihren eigenen schulpolitischen Kurszu bestimmen. Um eigene Verfahren, Stra-tegien und Richtlinien für einen Wandelin Unterricht und Organisation entwickelnzu können, sollten Schulen die Fähigkeitzur Gestaltung ihrer eigenen Schulpolitikhaben (vgl. auch Giesbers et al., 1987;Jongmans, Biemans und Beijaard, 1998).Die Fähigkeit von Schulen zur Gestaltungder eigenen Schulpolitik lässt sich defi-nieren als „the extent to which schoolscan independently perform their tasks inpolicy making“ [das Maß, in dem Schulenunabhängig ihre internen schulpolitischenAufgaben erfüllen können] (Sleegers et al.,1994, S.148).

Die Forschung hat gezeigt, dass sich Schu-len bezüglich ihrer Fähigkeit zur Gestal-tung ihrer eigenen Schulpolitik unterschei-den. Dies scheint sehr stark davon abzu-

Die Gestaltung vonSchulpolitik dank elek-tronischer Diskussio-nen zwischen Lehrernund Schulleitern

hängen, in welchem Maße die Lehrer anEntscheidungsprozessen beteiligt sind.Schulen, in denen die Lehrer stark in päd-agogische (und administrative) Entschei-dungen einbezogen werden, sind eher inder Lage, ihre eigene Politik zu gestalten,als Schulen, in denen dies nicht oder nurin ger ingerem Umfang der Fal l is t(Sleegers et al., 1994). Eine zunehmendeBeteiligung der Lehrer an (wichtigen) Ent-scheidungsprozessen ist demnach eineMöglichkeit, Schulen in professionellerarbeitende Institutionen umzuwandelnund die Ausbildung zu reformieren undzu verbessern (vgl. Jongmans, Biemansund Beijaard, 1998).

Erneuerungsprozesse in den Schulenscheinen oft nur mit Schwierigkeiten vor-anzukommen, weil die Lehrer isoliert ar-beiten (vgl. auch Jongmans, Sleegers,Biemans und De Jong, in Überarbeitung).Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dassdie Zusammenarbeit zwischen den Leh-rern und die Zusammenarbeit zwischenden Lehrern und der Schulleitung eineVerbesserung und Erneuerung der Aus-bildung unterstützen und vorantreibenkann. Und besonders die Beteiligung vonLehrern an schulinternen politischen Ent-scheidungen wird oft als eine strukturel-le Arbeitsbedingung angesehen, die dieUmsetzung von Neuerungen in den Schu-len positiv beeinflussen kann. Beteiligungan schulpolitischen Entscheidungen be-deutet, dass sich die Lehrer untereinan-der und mit der Schulleitung beraten undalle zusammen Entscheidungen über denpolitischen Kurs auf Schulebene treffen.Forschungsarbeiten über die Beziehungzwischen der Beteiligung von Lehrern anschulinternen politischen Entscheidungen

Dieser Artikel untersucht dieFrage, ob computergestützteskooperatives Arbeiten (Com-puter-Supported CollaborativeWorking, CSCW) einen Anreizfür die Einbindung von Leh-rern in schulpolitische Ent-scheidungen geben kann. Erbeschreibt eine sondierendeFallstudie zur Nutzung eineselektronischen Forums fürDiskussionen zwischen Leh-rern einerseits und zwischenLehrern und Schulleitung an-dererseits, die darauf abzielen,Lehrer verstärkt in richtungs-weisende Entscheidungen anSchulen einzubeziehen. Aufder Grundlage der Forschungs-ergebnisse werden Empfeh-lungen abgegeben, die es denLehrern ermöglichen sollen,den Mehrwert von CSCW imHinblick auf die Erarbeitungneuer schulpolitischer Zielewahrzunehmen.

P.M. van Oene

M. Mulder

A.E. Veldhuis-Diermanse

H.J.A.BiemansEducational StudiesUniversitätWageningen

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und der Verbesserung und Erneuerung derUnterrichtspraxis haben gezeigt, dass sichdiese Beteiligung positiv auf die Durch-führung von Neuerungen auswirkt. Die-ser Beteiligung wird zudem eine wichti-ge Rolle bei der Verbesserung der Quali-tät der Lehre zugeschrieben. Und schließ-lich liefert die Forschung Hinweise dar-auf, dass die Beteiligung der Lehrkräftean der Schulpolitik in einem positivenZusammenhang mit den Effizienzer-wartungen der Lehrer steht, zur Akzep-tanz von (neuen) strategischen Entschei-dungen beiträgt, in der Regel zu qualita-tiv besseren Entscheidungen führt undwichtig für die Fähigkeit der Schulen ist,ihre eigene Politik zu verfolgen.

Trotz der positiven Wirkung der Beteili-gung von Lehrern auf einen innovativenSchulbetrieb und auf bestimmte Aspekteder Lehre sind die Lehrer nicht immerdazu bereit, sich einzubringen. Unter-suchungen von Smylie (1992) über dieBereitschaft von Lehrern, an Entschei-dungsprozessen mitzuwirken, zeigen,dass die Bereitwilligkeit der Lehrer vomjeweiligen Entscheidungsbereich abhängt:Lehrer sind am ehesten zur Mitarbeit be-reit, wenn die Entscheidungen Fragen desLehrplans und Unterrichts betreffen (päd-agogischer Bereich). Die Bereitschaft istam geringsten, wenn es sich um Entschei-dungen über Personal- und Verwaltungs-fragen handelt (Verwaltungsbereich). Dasshier keine direkte Beziehung zum primä-ren Aufgabengebiet und zur täglichenArbeit von Lehrern besteht, scheint fürviele Lehrkräfte einen wichtigen Einwandgegen eine Betei l igung an solchenEntscheidungsprozessen darzustellen.Darüber hinaus wird die Bereitwilligkeitder Lehrer, sich einzubringen, unter an-derem von einem grundsätzlicherenAspekt der Lehrtätigkeit beeinflusst. Indiesem Zusammenhang hat Little (1990)auf die Tatsache hingewiesen, dass dieUnterrichtskultur als individualistisch undkonservativ beschrieben wird und hier-bei Normen der „Privatsphäre“ und derindividuellen Autonomie eine große Rol-le spielen (vgl. auch Smylie, 1992). Dieseberuflichen Normen der Autonomie undder „Privatsphäre“ haben Einfluss darauf,wie Lehrer ihre Arbeit verstehen und in-wieweit sie professionell damit umgehen.Aus dieser Perspektive betrachtet könntedie Professional i tä t der Lehrer einpotenzieller Einflussfaktor für den Grad

der Beteiligung von Lehrern an Entschei-dungsprozessen sein (Näheres hierzu beiJongmans, Sleegers, Biemans und DeJong, in Überarbeitung).

Auf der Grundlage der erwähnten For-schungsarbeiten kann man daher denSchluss ziehen, dass die Schulen ihre Lehr-kräfte in die Schulpolitik miteinbeziehensollten, wenn sie in der Lage sein wollen,Neuerungen einzuführen. Dieser Artikelbeschäftigt sich mit der Frage, ob die Ein-bindung der Lehrer in die schulpolitischenEntscheidungen durch computergestütz-te Diskussionen der Lehrern unter-einander und zwischen Lehrern undSchulleitung gefördert werden kann. An-gesichts zunehmender Arbeitsbelastung,sich wandelnder Unterrichtsorganisationund Unterrichtsinhalte, flexibler Stunden-pläne, Teilzeitarbeit und örtlich aufgesplit-terter Schulen wird es für Lehrer undSchulleitungen immer schwieriger, die Zeitfür regelmäßigen Austausch in persönli-chen Gesprächen zu finden. Hier könn-ten die IKT eine Lösung bieten. Zunächstbefassen wir uns mit computergestütztemkooperativen Arbeiten (CSCW) im Allge-meinen und erörtern dabei auch wichti-ge Aspekte des computergestützten ko-operativen Lernens (Computer-supportedCollaborative Learning, CSCL). Danachbeschreiben wir eine sondierende Fallstu-die über die Nutzung eines elektronischenDiskussionsforums, das die Beteiligungvon Lehrern an schulpolitischen Entschei-dungen erhöhen soll. Am Ende des Arti-kels ziehen wir einige Schlussfolgerungenaus der Fallstudie und gehen auf die Er-gebnisse der Untersuchung ein.

Computergestützteskooperatives Arbeiten(CSCW)

Einschlägige Literatur über Gestaltung vonSchulpolitik dank computergestützter Dis-kussionen zwischen Lehrern und Schul-leitung gibt es nicht. Die Studien von Beck,Brown, Marshall und Schwarz (2002) undvon Mwanza (2001) stehen jedoch in ge-wisser Weise damit in Zusammenhang.Beck et al. (2002) untersuchten die Rolle,die Lehrer im Verlauf von E-Mail-Diskus-sionen gruppenintern spielten, undMwanza (2001) befasste sich mit den Vor-und Nachteilen, die sich bei der Anwen-

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dung computergestützten kooperativenLernens (CSCL) bei der Ausbildung amArbeitsplatz ergeben. CSCL zielt auf Lern-prozesse ab, der Schwerpunkt liegt aufLernen und Wissenskonstruktion (Veld-huis-Diermanse, 2002). Dagegen zieltCSCW auf Arbeitsprozesse ab und gilt alsgeeignete Methode zum Informations-austausch, zur Meinungsbildung und zurEntscheidungsfindung während der Arbeit.Obwohl sich CSCL und CSCW im Hinblickauf bestimmte Merkmale wie Zielgruppesowie Art und Ziel der Diskussion unter-scheiden, können Forschungsergebnisseim Bereich des kooperativen Lernens auchfür das kooperative Arbeiten von Bedeu-tung sein, da CSCW ebenfalls eine Lern-komponente beinhaltet.

Engeström (1987) hat ein Modell entwi-ckelt, mit dessen Hilfe sich ein elektroni-sches Netzwerk für CSCW einrichten unddie Motivation der Teilnehmer währendder gesamten Diskussion aufrecht erhal-ten lässt (siehe Tabelle 1). Das Modellumfasst acht Aspekte kooperativen Ler-nens bzw. kooperativen Arbeitens sowieentsprechende Fragen, die den Teilneh-mern regelmäßig gestellt werden sollten,um mögliche Schwachstellen aufzude-cken. Bei der Einrichtung eines elektro-nischen Diskussionsforums, mit dessenHilfe man kooperative Lern- bzw. Arbeits-prozesse neu organisieren und somit die-se Prozesse effektiver und/oder effizien-ter gestalten kann, ist es sehr wichtig, dassdie beteiligten Personen diese neue Formder Zusammenarbeit akzeptieren.

Tabelle 1:Collis, Peters und Pals (2001) entwickel-ten das so genannte 4-E Modell. Anhanddieses Modells lässt sich voraussagen, inwelchem Maß eine IKT-Anwendung in derpädagogischen Arbeit eingesetzt wird. DasModell beruht auf den folgenden vierFaktoren: 1) Lerneffektivität; 2) einfacheHandhabung; 3) persönliches Engagementund 4) Umfeld (organisatorische, sozio-kulturelle und technologische Bestim-mungsfaktoren).

In einer Pilotstudie haben Alaké-Tuenterund Jongmans (2000) gezeigt, dass dieNutzung eines elektronischen Netzwerksmit anderen täglichen Aufgaben von Leh-rern konkurrieren muss. Die Lehrer soll-ten den Mehrwert von CSCW kennen ler-nen, bevor sie ihr Wissen regelmäßig aufelektronischem Weg untereinander aus-

tauschen. Außerdem wird die Einführungeines elektronischen Netzwerks die Tä-tigkeiten der Menschen verändern: DieLeute werden anders arbeiten (Orli-kowski, 1992). Dies wird nicht nur dieArbeit selbst beeinflussen, sondern auchdie Arbeitskultur (Mwanza, 2001).

Ein weiteres, damit zusammenhängendesProblem ist die Motivation der Teilneh-mer von elektronischen Diskussionen. Ineiner normalen Lernumgebung werdendie Menschen durch Interesse, Beteili-gung, Authentizität, aktuelle Ereignisse,das Diskussionsthema, die Beurteilungenusw. motiviert. Bei der Einrichtung eineselektronischen Netzwerks müssen dieTeilnehmer dadurch motiviert werden undmotiviert bleiben, dass klare Ziele formu-liert und Mehrwert erzeugt wird (vgl. auchEales, Hall und Bannon, 2002).

Beck et al. (2002) haben betont, wie wich-tig die Anwesenheit eines reflectivecommunicator in einem elektronischenDiskussionsforum ist . Ein reflectivecommunicator ist eine Person, die Infor-mationen aus anderen Quellen interpre-tiert und eigene Ideen und Ansichten ent-wickelt. Außerdem teilt sie den anderen

Tabelle 1

Achtstufiges Modell zur Einrichtung eines elektroni-schen Netzwerks für CSCW (Engeström, 1987)

1. Angestrebte Tätigkeit Welche Tätigkeit interessiert mich?

2. Ziel der Tätigkeit Warum wird diese Tätigkeit durchge-führt?

3. Zielgruppen der Tätigkeit Wer ist an dieser Tätigkeit beteiligt?

4. Instrumente Welche Instrumente werden bei derTätigkeit eingesetzt?

5. Werte, Maßstäbe, Normen Wirken sich kulturelle Werte, Maßstäbeoder Normen auf die Aufgabe aus?

6. Aufteilung der Arbeit Wer ist für welchen Teil der Aufgabezuständig und wie werden die Rollenaufgeteilt?

7. Umfeld In welchem Umfeld wird die Tätigkeitdurchgeführt?

8. Ergebnisse Welche Ergebnisse werden bei derDurchführung der Tätigkeit angestrebt?

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Mitgliedern des Diskussionsforums dieseIdeen und Ansichten mit und ermuntertdie Teilnehmer dazu, miteinander zu kom-munizieren. Darüber hinaus könnte einModerator die Teilnehmer anleiten, moti-vieren und zur Beteiligung an den Dis-kussionen anspornen.

Mwanza (2001) hat Möglichkeiten undSchwachstellen bei der Nutzung elektro-nischer Diskussionsforen im Geschäftsle-ben und bei der Ausbildung am Arbeits-platz oder beim internen Wissens-management untersucht. Auf diese Weisekann das bei der Arbeit gewonnene Wis-sen leichter an Kollegen weitergegebenwerden, so dass diese das Rad nicht nocheinmal neu erfinden müssen. Die Unter-suchungsergebnisse zeigen jedoch, dassdie sozialen und kulturellen Gewohnhei-ten der Beschäftigten in Bezug auf Grup-penarbeit, Wissensaustausch und interak-tive Kommunikation zu berücksichtigensind.

In diesem Zusammenhang ist der Unter-schied zwischen synchroner und asyn-chroner Kommunikation von Bedeutung.In synchronen Systemen können die be-teiligten Personen in Echtzeit an unter-schiedlichen Orten arbeiten. In asynchro-nen Systemen ist die Arbeit unabhängigvon Ort und Zeit. Die Art des Kommu-nikationsmediums hat unmittelbare Aus-wirkungen auf den Umfang und die Qua-lität der Interaktion zwischen den Nutzerndieses Mediums (Moore, 1993). Veermanund Veldhuis-Diermanse (2001) habenvier Untersuchungen beschrieben, beidenen Studenten bei der Bearbeitungkomplexer Aufgaben über ein CSCL-Sy-stem kooperieren mussten. Zwei der ver-wendeten Systeme waren synchron, diebeiden anderen asynchron. Bei den syn-chronen Systemen wurden kurze Nach-richten mit größer Häufigkeit in die Dis-kussion eingebracht. Bei den asynchro-nen Systemen war die Häufigkeit gerin-ger, aber die Nachrichten waren viel län-ger. Diese Unterschiede sind charakteri-stisch für die verschiedenen Arten vonZusammenarbeit und die mit synchronenund asynchronen CSCL-Systemen verbun-denen Kommunikationsmuster. Synchro-ne Zusammenarbeit muss schnell vor sichgehen. Der psychologische Druck, soschnell wie möglich zu reagieren, ist hoch(Moore, 1993). Synchrone Diskussionenkann man sich als fortlaufende Dialoge

vorstellen, wohingegen asynchrone Dis-kussionen eher gedrucktem Text ähneln(Mason, 1992). Folglich haben die Studen-ten bei der synchronen Kommunikationweniger Zeit zum Recherchieren von In-formationen. Ihre Beiträge sind nicht im-mer sorgfältig geprüft, es werden nur sel-ten komplexe Fragen gestellt und die Ide-en werden nicht immer durch Erklärun-gen ergänzt. Bei der Wahl eines elektro-nisches Diskussionsforums sollten dieseUnterschiede berücksichtigt werden, unddie Entscheidung für ein synchrones oderein asynchrones System sollte vom jeweilsgesetzten Ziel abhängen.

Schließlich ist zu beachten, dass Irish(1994) im Hinblick auf das kooperativeArbeiten die folgenden wichtigen Ein-flussfaktoren genannt hat: persönlicheVerantwortung, positive gegenseitige Ab-hängigkeit, gegenseitige Unterstützungdurch Interaktion, Fähigkeit zur Zusam-menarbeit und Arbeitsweise innerhalb ei-ner Gruppe. Außerdem ist die Größe derGruppe von Bedeutung. Eine Größe vonacht Personen ist laut Kinney und Panko(1996) vorteilhaft. Mwanza (2001) hat fest-gestellt, dass der Erfolg eines Systems fürWissensmanagement davon abhängt, obdie Teilnehmer bereit sind, das Systemtäglich zu benutzen, mit den anderenTeilnehmern zusammenzuarbeiten undInformationen auszutauschen. Als weite-rer wichtiger Punkt wird genannt, dasszusätzlich zu den Online-Diskussionenpersönliche Treffen stattfinden sollten. Indiesem Zusammenhang haben Roschelleund Pea (1999) sogar darauf hingewie-sen, dass es sehr schwierig ist, ohne per-sönliches Zusammentreffen überhaupteine gemeinsame Position oder Strategiezu entwickeln.

Fallstudie: auf schulpo-litische Entscheidungenausgerichtetes kooperati-ves Arbeiten

Ziel der Studie und wissenschaftlicheFragestellung

Wie in der Einleitung bereits festgestelltwurde, kann davon ausgegangen werden,dass Schulen eher in der Lage sind, Neue-rungen einzuführen, wenn sie ihre Leh-rer in die Gestaltung der eigenen Schul-

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politik einbeziehen. Das hier vorgestellteProjekt untersuchte die allgemeine Fra-ge, ob die Einbeziehung von Lehrern inschulpolitische Entscheidungen mittelselektronischer Diskussionen unter Lehrernund zwischen Lehrern und Schulleitunggefördert werden kann. Dafür wurde einesondierende Fallstudie konzipiert. Mithil-fe von Fallstudien können Forscher dieganze Fülle von Faktoren ermitteln, ausderen Zusammenspiel sich die spezifi-schen Eigenschaften des Untersuchungs-gegenstandes ergeben. Die Fallstudie isteine Methode zur Erforschung eines kom-plexen Falls durch Beschreibung undAnalyse des Umfeldes. Das Ergebnis isteine Beschreibung und ein Erklärungs-versuch, warum dieser Fall genau in derForm auftrat und was in ähnlichen Situa-tionen noch zu erforschen ist. Eine Fall-studie untersucht ein aktuelles Phänomenin seiner natürlichen Umgebung, wobeidie Grenzen zwischen Phänomen undUmgebung nicht völlig offensichtlich sindund Anhaltspunkte aus mehreren Quel-len herangezogen werden.

Die Studie befasste sich mit einer Grup-pe von mehreren Akteuren (Lehrer undSchulleiter), die an elektronischen Diskus-sionen über die Gestaltung der Schulpo-litik teilnahmen. CSCW wurde eingesetzt,um die Teilnehmer (unabhängig von Ortund Zeit) als Berater in die Entscheidungs-findung zu konkret anstehenden schul-politischen Themen einzubinden, im Ge-gensatz zum freien Austausch von Infor-mationen über allgemeine pädagogischeAnsichten und Innovationsmöglichkeitenohne tatsächliches Engagement in derSchulpolitik. In einer Pilotstudie zeigtesich, dass der Austausch von Informatio-nen allein die Lehrerbeteiligung nichtgewährleisten kann (vgl. Alaké-Tuenterund Jongmans, 2000). Wir gingen davonaus, dass die Nutzung eines elektroni-schen Diskussionsforums wie des zuvorbeschriebenen einen wertvollen Beitragzur Zusammenarbeit zwischen Lehrernund Schulleitung leisten und sie in dieEntwicklung von gemeinsamen Positionenund Richtlinien für die Schule einbindenkönnte.

Folgende Fragestellungen wurden im Ein-zelnen untersucht:

• Wie lässt sich der Prozess des compu-tergestützten kooperativen Arbeitens wäh-

rend elektronischer Diskussionen zwi-schen Lehrern sowie zwischen Lehrernund Schulleitung beschreiben?

• Nehmen die Teilnehmer durch CSCWeinen Mehrwert bezüglich ihrer Einbezie-hung in schulpolitische Entscheidungenwahr?

• Welche Bedingungen müssen erfülltsein, damit der Mehrwert von CSCW beider Beteiligung an schulpolitischen Ent-scheidungen spürbar wird?

Konzeption und Vorgehensweise

Von September bis Dezember 2001 nah-men sechs Lehrer und zwei Vertreter derSchulleitung auf freiwilliger Basis an dreiOnline-Diskussionsrunden über die Ge-staltung der Schulpolitik (und an beglei-tenden persönlichen Gesprächen) teil.Obwohl diese Lehrer und Schulleiter ge-wohnt waren, per E-Mail Informationenauszutauschen, hatten die meisten vonihnen noch nie CSCW zur Verbreitung undDiskussion von Informationen zu be-stimmten Fragen des Bildungswesens undzur Erarbeitung neuer schulpolitischerZielsetzungen benutzt. Die Fallstudieumfasste drei Phasen:

• Phase 1: Einführungssitzung (persön-liches Gespräch):In dieser Sitzung sollte das elektronischeDiskussionsforum Web Knowledge Forum(WebKF - KF, 2001) vorgestellt und dasZiel sowie die Vorgehensweise der Stu-die erklärt werden. Außerdem füllten dieTestpersonen einen Online-Fragebogenüber Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstel-lung bezüglich elektronischer Diskus-sionsforen aus.

• Phase 2: Drei elektronische Diskussi-onsrunden, die jeweils drei Wochen dau-erten. Diese Diskussionen wurden analy-siert und ausführlich beschrieben:Um die Teilnehmer zu motivieren, formu-lierten die Schulleiter für jede Diskussi-onsrunde ein Diskussionsthema, das ak-tuelle schulpolitische Fragen betraf (vgl.Eales, Hall und Bannon, 2002). ZurUnterstützung des kooperativen Arbeits-prozesses, d. h. für die Erarbeitung ge-meinsamer Positionen und die Formulie-rung schulpolitischer Entscheidungenwurde das elektronische Diskussions-forum Web Knowledge Forum (WebKF)

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genutzt. Das WebKF (KF, 2001) ist einasynchrones Diskussionsforum und wur-de vom Ontario Institute for Studies inEducation (OISE) entwickelt (vgl. auchVeldhuis-Diermanse, 2002). Im WebKFkönnen die Teilnehmer sowohl neue Bei-träge (new notes) als auch Antworten(build-on notes) schreiben, und die Ver-fasser können ihre Mitteilungen editieren.Man kann Beiträge allein oder zusammenmit Koautoren schreiben. Außerdem kön-nen die Teilnehmer Links oder Verweiseerstellen. Die Teilnehmer können nichtnur Beiträge schreiben, sondern auch alleMitteilungen im System lesen. Es ist auchimmer ersichtlich, wer eine bestimmteMitteilung gelesen hat und wie oft siegelesen wurde. Mitteilungen werden ineiner View oder einem Ordner, d.h. einerthemenorientierten Diskussionsliste, ab-gelegt. Alle Mitteilungen in einer Viewwerden durch einen Diskussionsfadenstrukturiert, aber es ist auch möglich, dieBeiträge nach Verfasser oder Datum zuordnen. Für größere Dokumente werdenzwei Verzeichnisse angelegt. Jeder Teil-nehmer hat ein persönliches Verzeichnisund darüber hinaus gibt es noch ein ge-meinsames Verzeichnis. Und schließlichbesteht im WebKF die Möglichkeit ,Internetquellen zu nutzen. Die Diskussio-nen wurden aktiv überwacht und die Test-personen zur Teilnahme an der Diskussi-on ermuntert (vgl. auch Alaké-Tuenterund Jongmans, 2000). Die Schulleiterfassten die Diskussionen regelmäßig zu-sammen und formulierten Konsequenzenfür die Schulpolitik.

• Phase 3: Auswertungssitzung (persön-liches Gespräch):Dieses Treffen wurde organisiert, um dieDiskussionen zu evaluieren. Die Testper-sonen füllten erneut einen Online-Frage-bogen zu Kenntnissen, Fertigkeiten undEinstellung bezüglich elektronischerDiskussionsforen aus. In diesem Frage-bogen wurde außerdem nach dem Mehr-wert elektronischer Diskussionsforen ge-fragt.

Forschungsergebnisse

Erwartungen

Alle Teilnehmer hatten sowohl zu Hauseals auch in der Schule einen Computermit Internetanschluss. Vor dem Beginn der

Diskussionsrunden gingen sie davon aus,dass sie sich ein paar Mal oder wenig-stens einmal pro Woche einloggen undan den Diskussionen beteiligen würden.Die Erwartungen der meisten Teilnehmerwaren positiv, was den Einsatz des WebKFfür den Austausch und die Diskussion vonInformationen im Hinblick auf die For-mulierung eines schulpolitischen Kursesangeht. Die folgenden Zitate machen die-sen Punkt deutlich:

• „Als Koordinator möchte ich Meinun-gen über konkrete Fragen sondieren, Ar-gumente zusammenstellen und somit dieEntscheidungsfindung in den Lehrkörper-versammlungen vorbereiten.“

• „Ich halte es für sinnvoll, unterschied-liche Kenntnisse und Fragen auszutau-schen.“

• „Ich hoffe, dass ich Erfahrungen dar-über sammle, wie ich anderen Leuten In-formationen zukommen lassen und Infor-mationen von Leuten bekommen kann,mit denen ich im täglichen Leben nichtviel Zeit verbringen kann.“

• „Ich hoffe, dass ich mehr Informationund Hilfestellung für die Entscheidungs-findung bekomme.“

• „Ich hoffe, dass ich in die Möglichkeitendes elektronischen Diskussionsforums ein-geführt werde und dies für organisatori-sche Fragen und lernerorientierte Aktivi-täten nutzen kann.“

• „Ich gehe davon aus, dass die Diskus-sionen durch die Nutzung eines elektro-nischen Diskussionsforums zielgerichteterund gründlicher geführt werden. Außer-dem glaube ich, dass ich stärker in dieSchulpolitik eingebunden werde, da ichin Teilzeit arbeite.“

• „Ich habe keine klaren Erwartungen.Ich hoffe, dass die Einbindung in Ent-scheidungsprozesse zunimmt und besse-re Entscheidungen getroffen werden. Viel-leicht kann man so den gesamten Prozessschulpolitischen Handelns optimieren.“

Diskussionsrunden

• Die erste DiskussionsrundeAuf der Grundlage eines konkreten Vor-schlags befasste sich die erste Diskussi-

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onsrunde mit dem Thema „Organisationvon Praktika“. Sechs (von acht) Teilneh-mern beteiligten sich an der Diskussion.Bemerkenswert ist, dass die Interaktionhauptsächlich zwischen den Lehrern undder Schulleitung stattfand. Die Lehrerkommunizierten kaum untereinander.Sechzehn Mitteilungen wurden in die Dis-kussion eingebracht. Sechs Nachrichtenwaren nähere Erläuterungen des Diskus-sionsgegenstandes, sieben Mitteilungenenthielten Kommentare und/oder Vor-schläge zum Diskussionsthema, eineNachricht fasste die Diskussion zusammenund zog eine Schlussfolgerung, und zweiMitteilungen waren Reaktionen auf dieseZusammenfassung. Daran anschließendstellte die Schulleitung fest, dass die vonden Lehrern vorgebrachten Ideen undAnsichten hilfreich für die Formulierungneuer schulpolitischer Ziele waren.

• Die zweite DiskussionsrundeDas Thema der zweiten Diskussionsrun-de war „Beurteilung von Lernergeb-nissen“, und auch hier wurde wieder einkonkreter Vorschlag formuliert. Die Hälf-te der Teilnehmer beteiligte sich an derDiskussion und steuerte sechs Nachrich-ten bei. Eine Mitteilung war eine nähereErläuterung des Diskussionsgegenstandes,vier Nachrichten enthielten Kommentareund/oder Vorschläge inhaltlicher Art, undeine Antwort fasste die Diskussion zusam-men und zog eine Schlussfolgerung. Wiein der ersten Diskussionsrunde reagier-ten die Lehrer untereinander nicht auf ihreBeiträge. Die Interaktion fand zwischender Schulleitung auf der einen Seite undden Lehrern auf der anderen Seite statt.Die Schulleitung hielt fest, dass einigeVorschläge für die Vorbereitung neuerschulpolitischer Ziele von Nutzen seinkönnten, aber dass eine ausführlichereBehandlung des Themas und weitere Dis-kussionen nötig seien.

• Die dritte DiskussionsrundeDie dritte Diskussionsrunde setzte sich mitdem Thema „Die Rolle der Praktikums-anbieter“ auseinander. Drei Teilnehmerbeteiligten sich an der Diskussion undschickten insgesamt nur fünf Nachrichtenan das Forum. Zwei Mitteilungen warennähere Erläuterungen des Diskussions-gegenstandes, zwei Nachrichten enthiel-ten Kommentare und/oder Vorschlägeinhaltlicher Art, und eine Antwort fasstedie Diskussion zusammen und zog eine

Schlussfolgerung. Wiederum fand dieKommunikation nur zwischen Schul-leitung und Lehrern statt. Dieses Mal be-kam die Schulleitung nicht genügendAnregungen, um neue schulpolitischeStrategien zu formulieren. Eine ausgiebi-gere Diskussion erschien notwendig. Da-her bekundete die Schulleitung die Ab-sicht, weiterhin das WebKF für Diskus-sionen über die Gestaltung der Schulpo-litik zu nutzen.

Beurteilung

Die meisten Teilnehmer empfanden dasWebKF als benutzerfreundlich. Aus Zeit-mangel hatten sie nur etwa eine Viertel-stunde pro Woche mit der Arbeit imWebKF zugebracht. Die Hälfte der Teil-nehmer beurteilte die ausgewählten The-men als geeignet für eine im WebKF ge-führte Diskussion zur Vorbereitungschulpolitischer Entscheidungen. Sie hiel-ten es jedoch für besonders wichtig, dassdie Themen und Vorschläge für die elek-tronische Diskussion sehr klar und ein-deutig formuliert werden. Fast alle Teil-nehmer waren mit der Zusammensetzungder Gruppe (Lehrer und Schulleiter) zu-frieden. Die Gruppe wurde allerdings alszu klein beurteilt. Die Teilnehmer emp-fanden die Anwesenheit eines Moderators,der alle zur aktiven Beteiligung ansporn-te und die Diskussionen strukturierte, alssinnvoll. Ein Vorteil von CSCW wurdedarin gesehen, dass die Teilnehmer wohlüberlegte Beiträge lieferten. Ein Nachteilwar hingegen der Mangel an persönlichemKontakt.

Fast alle Teilnehmer waren mit dem eige-nen Grad der Beteiligung und mit derInteraktion zwischen den Teilnehmern imAllgemeinen unzufrieden. Obwohl sie dieAbsicht bekundet hatten, in stärkeremMaße an den Diskussionen teilzunehmen,erreichten die meisten von ihnen diesesZiel nicht. Als Gründe für die geringeBeteiligung nannten die Testpersonen diegeringe Aktivität ihrer Kollegen und denMangel echter Interaktion zwischen denverschiedenen Teilnehmern. Als Folgedavon fühlten sich die Lehrer nicht in demMaße in den schulinternen politischenEntscheidungsprozess einbezogen, wie siees erwartet hatten. Sie erklärten, dass sieimmer noch vom Nutzen computerge-stützten kooperativen Arbeitens überzeugt

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seien, aber dass das volle Potenzial vonCSCW unter den Bedingungen dergeführten Diskussionen nicht ausge-schöpft wurde. Nach Meinung der Teil-nehmer sollten klare Regeln für die Ge-staltung von Schulpolitik mithilfe elektro-nischer Diskussionen aufgestellt und wäh-rend der computergestützten Zusammen-arbeit befolgt werden.

Schlussfolgerungenund Diskussion

Ziel der Fallstudie war es, die Möglich-keiten einer stärkeren Einbeziehung vonLehrern in schulpolitische Entscheidungenmittels elektronisch gestützter Diskussio-nen zwischen den Lehrern sowie zwi-schen den Lehrern und der Schulleitungzu erforschen. Im Hinblick darauf wur-den folgende spezifische Fragestellungenformuliert:

• Wie lässt sich der Prozess des compu-tergestützten kooperativen Arbeitens wäh-rend elektronischer Diskussionen zwi-schen Lehrern sowie zwischen Lehrernund Schulleitung beschreiben?

• Nehmen die Teilnehmer durch CSCWeinen Mehrwert bezüglich ihrer Einbezie-hung in schulpolitische Entscheidungenwahr?

• Welche Bedingungen müssen erfülltsein, damit der Mehrwert von CSCW beider Beteiligung an schulpolitischen Ent-scheidungen spürbar wird?

In Bezug auf die erste Frage lässt sichfolgender Schluss ziehen: Der Prozess deskooperativen Arbeitens war im Allgemei-nen von der Interaktion zwischen Lehrernund Schulleitung, aber nicht zwischen denLehrern untereinander geprägt. Die Leh-rer reagierten hauptsächlich auf die vonder Schulleitung vorgebrachten schul-politischen Vorschläge, sie diskutiertendiese Vorschläge aber nicht mit ihrenKollegen. Die Beiträge waren je nach Dis-kussionsrunde qualitativ unterschiedlich.Die von den Lehrern in der erste Rundevorgebrachten Ideen und Meinungenwaren hilfreich für die Formulierung neu-er schulpolitischer Zielsetzungen. In derletzten Runde erwies sich die Qualität derBeiträge jedoch als mangelhaft. Zudem

ließ die Beteiligung im Laufe der Studieimmer mehr nach. Die Lehrer selbst er-klärten, dass klare Regeln für die Gestal-tung von Schulpolitik mithilfe elektro-nischer Diskussionen notwendig seien,um die Mitarbeit und die Interaktion zugewährleisten und zu erhöhen. Die Teil-nehmer sollten sich zu Beginn der com-putergestützten Zusammenarbeit auf sol-che Regeln einigen und sich während derDiskussionen daran halten. Deshalb soll-te ein Diskussionsleiter besonders in derAnfangsphase den gesamten Prozess derauf schulpolitische Entscheidungen aus-gerichteten elektronischen Diskussionüberwachen.

Für die Kontrolle und Analyse der Inhal-te von Beiträgen in elektronischen Dis-kussionen kann man Klassifikations-systeme verwenden wie beispielsweisedas von Veerman und Veldhuis-Diermanse(2001) entwickelte Schema. Diese Auto-ren unterscheiden zwischen aufgaben-bezogenen und nicht aufgabenbezogenenMitteilungen. Aufgabenbezogene Mittei-lungen enthalten neue Ideen, Erläute-rungen und Beurteilungen. Eine neue Ideehebt wichtige, zuvor nicht erwähnte In-halte hervor. In einer Erläuterung werdenbereits bekannte Informationen ausge-führt und weiterentwickelt. Eine Beurtei-lung ist eine Mitteilung, in der ein frühe-rer Beitrag kritisch diskutiert wird, undbeinhaltet häufig argumentative Stellungs-nahmen oder Rechtfertigungen. Obgleichdieses Klassifikationssystem in Zusam-menhang mit CSCL entwickelt wurde, las-sen sich damit auch Diskussionen in ei-nem CSCW-Forum analysieren. Außer zurAnalyse von Beiträgen nach Art der Mit-teilung könnte das Klassifikationssystemauch für die Moderation von Diskussio-nen und zur Verringerung der Zahl nichtaufgabenbezogener Mitteilungen nützlichsein. Mit anderen Worten, der Diskussi-onsleiter könnte ein solches Klassifika-tionssystem verwenden, um die Inhalteder Mitteilungen der Teilnehmer zu kon-trollieren und ihnen spezifisches Feed-back über die Art ihrer Kommentare undVorschläge zu geben.

Mit Blick auf die zweite Fragestellungkommt man zu dem Schluss, dass die Dis-kussionsteilnehmer beim kooperativenArbeiten einen gewissen Mehrwert bezüg-lich ihrer Einbindung in schulpolitischeEntscheidungen wahrnahmen. Doch ob-

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wohl die Beteiligten positiv einstellt unddavon überzeugt waren, dass elektroni-sche Diskussionsforen die Zusammenar-beit von Lehrern und Schulleitung bei derFormulierung neuer schulpolitischer Ziel-setzungen unterstützen können, warenfast alle mit dem eigenen Grad der Betei-ligung und mit der Interaktion zwischenden Teilnehmern im Allgemeinen unzu-frieden. Infolgedessen fühlten sich dieLehrer nicht in dem Maße in die schul-politische Entscheidungen einbezogen,wie sie es sich vorgestellt hatten. Sie er-klärten, dass sie immer noch vom Nutzendes CSCW überzeugt seien, aber dass dasPotenzial von CSCW unter den Bedingun-gen der Diskussionsrunden nicht voll aus-geschöpft wurde. In gewisser Weise hat-te die Nutzung des elektronischen Netz-werks (wieder einmal) den Wettstreit mitden anderen täglichen Aufgaben der Leh-rer verloren: Offensichtlich müssen dieLehrer noch stärker den Mehrwert com-putergestützten kooperativen Arbeitenswahrnehmen, bevor sie es in Betracht zie-hen, regelmäßig Informationen auf elek-tronischem Weg auszutauschen (vgl.Alaké-Tuenter und Jongmans, 2000).

Nach Aussage der Teilnehmer sollten klareRegeln für die für die Gestaltung vonSchulpolitik mittels elektronischer Diskus-sionen formuliert und während der Zu-sammenarbeit im Netz eingehalten wer-den. Diese Schlussfolgerung betrifft un-sere dritte Fragestellung (Welche Bedin-gungen müssen erfüllt sein, damit derMehrwert von CSCW bei der Beteiligungan schulpolitischen Entscheidungen spür-bar wird?). Mit Blick auf die Regeln fürdie Diskussion sollten die Teilnehmerüber Folgendes Bescheid wissen: das Zielund das Thema der Diskussion, den zurLösung des Problems gewählten Ansatz,welche Rolle sie selbst dabei spielen sol-len, wozu die Ergebnisse der Diskussionverwendet werden usw. (vgl. auch Irish,1994; Eales, Hall und Bannon, 2002). Dasachtstufige Modell von Engeström (1987)könnte für die Durchführung von CSCW,für die Organisation und Unterstützungder Zusammenarbeit zwischen Lehrernund Schulleitung und für das möglichstfrühzeitige Aufspüren von Schwachstel-len von Nutzen sein. Laut Engeström er-geben sich aus Misserfolgen und Konflik-ten bei der Durchführung von Tätigkei-ten stets neue Einsichten über nützlicheInstrumente und mögliche Aufgabenbe-

reiche der Teilnehmer (learning byexpanding).

Eine weitere Möglichkeit besteht nachBeck et al. (2002) darin, in eine Dis-kussionsgruppe bewusst einige Teilneh-mer zu integrieren, die als reflectivecommunicators fungieren. Wie bereitserwähnt, ist ein reflective communicatoreine Person, die Informationen aus ande-ren Quellen interpretiert und eigene Ide-en und Ansichten entwickelt. Darüberhinaus teilt sie diese Ideen und Ansich-ten den anderen Teilnehmer der Diskus-sion mit und ermutigt diese dazu, mitein-ander zu kommunizieren. Laut Beck et al.bedarf es einer Mindestzahl von reflectivecommunicators, um eine Diskussion inGang zu halten. Nicht die Menge der indie Diskussion eingebrachten Mitteilun-gen, sondern der Inhalt dieser Beiträgebestimmt, ob ein Teilnehmer ein reflectivecommunicator ist oder nicht.

Zudem sollte ein Moderator die Teilneh-mer anleiten, motivieren und dazu anre-gen, sich aktiv an den Diskussionen zubeteiligen. Der Einfluss eines Moderatorssollte jedoch nicht überschätzt werden.Auch wenn ein Moderator an seiner Auf-gabe bzw. seinen Aufgaben wachsenkann, so darf man nicht erwarten, dassdiese Person zugleich als Problemlöser,technischer Berater, Redakteur, Manager,Experte für inhaltliche Fragen, Diskussi-onsleiter und Motivationsspezialist fun-giert (Berge und Collins, 2000; McConnell,2002). Ferner wird es als sinnvoll erach-tet, regelmäßige persönliche Zusammen-treffen zu organisieren, um das Gruppen-gefühl zu stärken, Verfahrensweisen kurz-zuschließen und Fortschritte zu beurtei-len. Ohne persönliche Gespräche ist esschwierig, eine gemeinsame Position oderStrategie zu entwickeln (vgl. Roschelleund Pea, 1999). Und schließlich solltendie Teilnehmer genügend Zeit haben, umalle Beiträge zu lesen, darüber nachzu-denken und eigene Ideen zu formulieren.Bei der Entwicklung eines neuen schul-politischen Kurses ist gründliches Ab-wägen wichtiger als Geschwindigkeit.Daher ist die Nutzung asynchroner Kom-munikationssysteme von Vorteil (vgl.Mason, 1992; Veerman und Veldhuis-Diermanse, 2001). Wenn solche Bedingun-gen erfüllt sind, wird die Bereitschaft derLehrer, mit einem elektronischen Diskus-sionsforum zu arbeiten, miteinander zu

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kooperieren und Informationen auszutau-schen, vermutlich zunehmen.

Welche Folgen könnte die Verbesserungund Umsetzung der beschriebenen Bedin-gungen für die elektronisch gestützteKooperation zwischen Lehrern und Schul-verwaltung im Hinblick auf die Leitungvon Schulen haben? Unserer Ansicht nachwerden dadurch vermutlich sowohl dieQualität als auch die Effektivität der ko-operativen Gestaltung der Schulpolitikgefördert. Mit anderen Worten, die Qua-lität der gemeinsamen Beiträge von Leh-rern und Schulleitung zur (Neu-)Gestal-tung der Schulpolitik würde sich wahr-scheinlich verbessern. Dasselbe gilt ausunserer Sicht für die Wirksamkeit des Dis-kurses unter den Beteiligten, besonderswenn die Wirkung der CSCW-Sitzungendurch persönliche Gespräche über dieangestrebte Zusammenarbeit bei schul-politischen Entscheidungen verstärkt wird.Wenn die Lehrer stärker und mit größe-rem Erfolg an der Gestaltung der Schul-politik mitwirken, dann wird die Fähig-keit der Schule zur Erarbeitung eigenerRichtlinien wachsen. Die Beteiligung derLehrer an schulpolitischen Entscheidun-gen wird oft als eine strukturelle Arbeits-bedingung betrachtet, die die Einführungvon Neuerungen an den Schulen positivbeeinflussen kann. Dadurch wird die be-treffende Schule professioneller geleitetund die Lehrkräfte sind eher in der Lageund darauf vorbereitet, notwendige Neue-rungen einzuführen. Wie in der Ein-führungssitzung erwähnt, geht man da-von aus, dass diese Beteiligung auch einewichtige Rolle bei der Verbesserung derQualität des Unterrichts spielt. Undschließlich steht die Beteiligung der Leh-rer an der Schulpolitik offenbar in positi-vem Zusammenhang mit den Leistungser-wartungen der Lehrer, trägt zur Akzep-tanz (neuer) schulpolitischer Entscheidun-gen bei und ist wichtig für die Fähigkeitder Schule, ihren eigenen Kurs zu bestim-men.

Unserer Meinung nach sind insbesonde-re Auswirkungen im Hinblick auf denpädagogischen Bereich der Schulpolitik(im Gegensatz zum Verwaltungsbereich)zu erwarten. Laut Smylie (1992) zeigenLehrer die größte Bereitschaft, sich anEntscheidungen zu beteiligen, wenn esum den Lehrplan und den Unterricht geht(pädagogischer Bereich). Lehrer sind am

wenigsten bereit, an Entscheidungen mit-zuwirken, wenn diese Personal- undVerwaltungsangelegenheiten betreffen(Verwaltungsbereich). Wie schon in derEinführungssitzung festgestellt wurde,scheint die Tatsache, dass keine direkteBeziehung zum primären Aufgabenbe-reich und zur täglichen Arbeit der Lehrerbesteht, für viele Lehrer ein wichtiger Ein-wand gegen die Beteiligung an Entschei-dungen im Verwaltungsbereich zu sein.Als Ergebnis einer zunehmend besserenQualität und Effektivität von Entschei-dungsprozessen darf man daher erwarten,dass sich insbesondere die Qualität derEntscheidungen in der Schule bezüglichLehrplan und Unterricht verbessern wird.Die verschiedenen Diskussionsthemen inunserer Studie („Organisat ion vonPraktika“, „Beurteilung von Lernergeb-nissen“ und „Die Rolle der Praktikumsan-bieter“) können hier als Beispiele für spe-zifisch pädagogische Themen dienen.Darüber hinaus werden Lehrer, die an denpädagogischen Grundsatzentscheidungender Schule mitwirken, diese Entscheidun-gen eher unterstützen und die neuenGrundsätze in ihrem eigenen Unterrichtumsetzen. (Dies is t weniger wahr-scheinlich, wenn die Schulleitung ihnendie pädagogischen Richtlinien der Schulevorschreibt.) Wir sind der Meinung, dassdies zu erfolgreicheren Neuerungen imUnterricht führen kann, beispielsweise beider Umsetzung neuer didaktischer undpädagogischer Richtlinien, in der Lernum-gebung und bei Beurteilungsverfahren.

Die Einbindung der Lehrer in schul-politische Entscheidungen könnte aucheine positive Wirkung auf die Unterrichts-kultur haben, die häufig als individuali-stisch und konservativ beschrieben wird(vgl. auch Smylie, 1992). Offensichtlichist es für die Entwicklung innovativerSchulen wichtig, dass sich die Lehrer nichtnur auf ihren eigenen Unterricht konzen-trieren, sondern auch auf ihre Kollegenund die Organisation der Schule als Gan-zes. Im Hinblick darauf sollte man unbe-dingt darauf achten, dass die Lehrer eingemeinschaftliches Engagement entwik-keln und in einer beruflichen Gemein-schaft arbeiten. Dies könnte sich auchpositiv auf die Verbesserung der eigenenUnterrichtspraxis und auf einen besserenUmgang der Lehrer mit den heutigen kom-plexen und anspruchsvollen Arbeits-situationen auswirken. Die Lehrer aus

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unserer Studie wiesen darauf hin, dasscomputergestütztes kooperatives Arbeitenin dieser Beziehung eindeutige Vorteilehaben könnte, wenn die genannten Be-dingungen erfüllt werden. Wir halten alsoabschließend fest, dass die Erarbeitungschulpolitischer Entscheidungen mittels

elektronisch gestützter Diskussionen zwi-schen Lehrern und Schulleitung nicht nureine Möglichkeit darstellt, die Fähigkeitder Schulen zur Gestaltung ihrer Schul-politik zu verbessern, sondern auch dazubeitragen könnte, die individualistischeLehrkultur abzubauen.

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Erfahrungen der Unter-nehmensgründungin baskischenBerufsbildungsstätten

1. Einführung: Das Berufs-bildungswesen in Spanienund in der AutonomenGemeinschaft des Basken-landes

Derzeit wird das System der beruflichenBildung in Spanien durch das Gesetz zurallgemeinen Neuordnung des Bildungs-wesens (LOGSE) aus dem Jahr 1990 gere-gelt. Mit dem Gesetz wird das neue Sy-stem der Berufsbildung in drei Ebenenunterteilt: die Erstausbildung oder staat-lich geregelte Berufsbildung, die berufli-che Fortbildung und Umschulung und dieWeiterbildung. Die Arbeitnehmerweiter-bildung untersteht der Arbeitsverwaltung,und ein wesentlicher Teil davon wird überdie Stiftung für Weiterbildung FORCEM1

abgewickelt, während die staatlich gere-gelte Berufsbildung wie auch die berufli-che Fortbildung und Umschulung vonArbeitslosen in den Zuständigkeitsbereichder Arbeitsverwaltung des Staates und derAutonomen Gemeinschaften fallen (PerezEsparrel, C., 2000).

Mit dem LOGSE wurde eine Reihe vonbedeutenden Reformen eingeführt, diebeträchtliche Auswirkungen auf dasBerufsbildungswesen haben. Die Einbin-dung der neuen Ausbildungszweige in dasgesamte Bildungssystem wird anhand derfolgenden Grafik deutlich:

Grafik 1:Gegenüber der Situation vor Einführungdes LOGSE, als es möglich war, mit 14 Jah-ren eine Berufsausbildung zu beginnen,ohne zuvor die Abschnitte der schulischenGrundbildung absolviert zu haben, wurdejetzt die Schulpflicht bis zum 16. Lebens-

jahr verlängert, und für den Zugang zurBerufsbildung mittleren Grades ist derAbschluss der obligatorischen Sekun-darschule (ESO) erforderlich. Für die Be-rufsausbildung höheren Grades wird derAbschluss des Bachillerato nach der zwölf-ten Klasse vorausgesetzt. Diese höherenAusbildungsvoraussetzungen haben mitdazu geführt, dass die Berufsbildung auf-gewertet wurde und dass sie, im Gegen-satz zu früher, nun nicht mehr als ein Bil-dungsweg angesehen wird, den nur schwa-che Schüler bzw. Schüler, die nicht weiterdie Schule besuchen wollen, einschlagen.

Während im Schuljahr 1995/96 rund 82Prozent der spanischen Schüler aus derstaatlich geregelten Berufsbildung keiner-le i Kontakte zu Betr ieben hat ten(Cedefop, 2001), wurde mit der schritt-weisen Umsetzung des LOGSE ein obli-gatorisches Lernmodul „Ausbildung in derArbeitsstätte“ (FCT) in allen Ausbildungs-abschnitten des mittleren und höherenGrades eingeführt. Dieses Lernmodul be-inhaltet die Absolvierung von betriebli-chen Praktika von acht bis 15 WochenDauer und hat zu einer größeren Annä-herung zwischen Bildungsstätten und Un-ternehmen geführt, was wiederum zu ei-ner besseren Eingliederung der Absolven-ten in das Erwerbsleben beitrug.

Was die Entwicklung der Schülerzahlenbetrifft, so weicht der Anteil der Schüler,die eine Berufsausbildung absolvieren, inSpanien erheblich vom europäischenDurchschnitt ab, wo mehr Schüler einenberufsbildenden als einen allgemeinbil-denden Zweig besuchen. Verglichen mitLändern wie Deutschland, Österreich undItalien, wo mehr als 70 Prozent der Schü-ler eine Berufsausbildung absolvieren,

Imanol BasterretxeaAna González

Aitziber OlasoloMaría SaizLola Simón

Universität des Baskenlandes

Die „eLearning“-Politik der EUkonzentrierte sich bislangmehr auf die Vernetzung alsauf den pädagogischen Aspektdes Lernens und betrachtete„E-Ressourcen“ eher duali-stisch, anstatt sie als zweiKomponenten eines zusam-menhängenden Prozesses zusehen. In diesem Beitrag wirdargumentiert, dass die Politikdie Bedeutung der „E-Ressour-cen“ für Unternehmen undEinzelpersonen so lange falscheinschätzen wird, bis sie dieEntwicklung einheitlicherRahmen für Arbeit, Technolo-gie und Lernen fördert. Es wirduntersucht, wie „E-Ressour-cen“ die Arbeits- und Lernpro-zesse in den KMU fördern kön-nen, indem: die Zusammen-hänge zwischen Management-strategie, Technologieeinsatzund Umgebungen der Wissens-erzeugung ermittelt, einigeneue Methoden des Einsatzesvon „E-Ressourcen“ zur Unter-stützung des Arbeitens undLernens innerhalb der KMUbeschrieben und zwei neueModelle vorgestellt werden,die veranschaulichen sollen,wie KMU beim Lernen mit E-Ressourcen und bei der Förde-rung des Wissensmanage-ments und der Unternehmens-entwicklung unterstützt wer-den können.

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sind es in Spanien lediglich 33 Prozent(Eurydice, 2000). Die meisten Schüler undSchülerinnen streben hier den Sekundar-schulabschluss, das Bachillerato, undanschließend ein Hochschulstudium an.In der Tat ist der Anteil derjenigen, diesich für eine Berufsausbildung entschei-den, nur in Irland und Portugal noch ge-ringer (Cedefop, 2001).

Ähnlich ist die Situation im Baskenland,was zu einer wachsenden Sorge um dieAnpassung des Ausbildungssystems an dieBedürfnisse der Unternehmen geführt hat.So fehlen nach Angaben des baskischenArbeitgeberverbandes CONFEBASK imBaskenland 18 000 Facharbeiter, in ersterLinie mit einem berufsbildenden Abschluss,während das Angebot an Hochschul-absolventen schneller als die Nachfragegewachsen ist und zu einer hohen Arbeits-losenrate unter Akademikern geführt hat(CONFEBASK, 2000, Araujo et al., 2001).Einige vom Staat in Auftrag gegebene For-schungen haben dieses Problem ebenfallsaufgegriffen und zeigen das Phänomeneiner „Überbildung“, deren Folge einehohe Akademikerarbeitslosigkeit undschlechtere Arbeitsbedingungen für Aka-demiker im Vergleich zum übrigen Euro-pa sind (Albert, C. et al., 2000, Dolado, J.J. et al., 2000; Sáez und Rey, 2000; GarcíaMontalvo und Mora, 2000).

Angesichts der geringen Zahl von Absol-venten einer Berufsausbildung hat dieöffentliche Verwaltung mehr Ressourcenfür diese Ausbildungsart bereitgestellt,und zwar auf staatlicher wie auch aufautonomer und lokaler Ebene. Sowohl dieZentralregierung in Madrid als auch dieRegierung des Baskenlandes und dieProvinzialverwaltungen führen derzeitKampagnen durch, um mehr Schüler fürdiese Art der Ausbildung zu gewinnen,die auch durch die Arbeitgeberverbändegefördert wird. Diese vereinten Bemü-hungen haben im Baskenland zu einerSteigerung der Qualität und der Quanti-tät der Auszubildenden geführt. So ist dieAnzahl der Schüler in der Berufsausbil-dung mittleren Grades in den letzten dreiJahren um 40 Prozent gesunken, gleich-zeitig hat die Berufsausbildung höherenGrades einen Zuwachs um 66 Prozent zuverzeichnen. Sie nimmt derzeit 58 Prozentder mehr als 31 000 Auszubildenden imBaskenland auf (Eustat, Estadística de laEnseñanza).

Grafik 1

Organigramm des Bildungssystems

Quelle: Ressort für Bildung, Hochschulen und Forschung der baskischen Regierung.http://www.euskadi.net/lanbidez/fp/organigrama_c.htm

Die von den Schülern innerhalb der Be-rufsbildung am meisten nachgefragtenFachrichtungen sind Metallverarbeitung,Elektrotechnik und Elektronik, Friseur-handwerk und Kosmetik sowie Gesund-heitsberufe auf der Ebene des mittlerenGrades. Bei der Berufsausbildung höhe-ren Grades sind es die Bereiche Verwal-tung, Metallverarbeitung, Elektrotechnikund Elektronik und EDV, die die meistenAuszubildenden haben. Die hohe Anzahlan Auszubildenden in technischen Fach-richtungen, wie zum Beispiel in Metall-berufen, entspricht der Unternehmens-landschaft des Baskenlandes, wo der in-dustrielle Sektor ein relativ starkes Ge-wicht hat.

Was den Rechtsstatus der beruflichen Bil-dungsstätten angeht, so überwiegt imBaskenland der Anteil der öffentlichengegenüber dem der privaten Bildungsein-richtungen.

Allerdings dominiert das private Netzwerkim Schulwesen der drei Provinzen.(2)

(1) Im Jahr 1997 wurde die baskischeStiftung für Weiterbildung Hobetuzgegründet, die nun unabhängig vonanderen Gremien für die Arbeitneh-merweiterbildung in der AutonomenGemeinschaft des Baskenlandes zu-ständig ist.

(2) Für weitere Informationen über dieBerufsbildung in Spanien und demBaskenland siehe (LOGSE, 1990;Perez Esparrel, C., 2000; AlonsoGarcía, M. A., 2000; Gobierno Vasco,1998, 2001; Basterretxea et al., 2002;Ministerio de educación, cultura ydeporte, 2002)

Bachillerato Logse(erklärt sich

aus dem Kontext)

Auswahlprüfung

Universität

Bildungsabschnitt derBerufsausbildung höheren Grades

(zwischen 1300 und2000 Stunden,

76 mögliche Abschlüsseals “Técnico Superior”)

Berufseinführungs-programme

(zwischen 1000 und 1900 Stunden über ein oder zwei Schuljahre, mit

einem Zertifikat als Abschluss)

Bildungsabschnittder Berufausbildung

mittleren Grades(zwischen 1300 und

2000 Stunden, 61 mögliche Abschlüsse

als “técnico”)

16 Jahre

18 Jahre

Schüler ohne Abschlussder ESO

Vorschule

Primarschule

0 Jahre

6 Jahre

12 Jahre

obligatorischeSekundarschule

(ESO)

16 Jahre

16 Jahre

18 Jahre

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2. Ziele und Methodik derStudie

Der vorliegende Beitrag entstand im Rah-men eines Forschungsprojekts(3), dessenHauptziel darin bestand, die Beziehungzwischen Berufsbildungsstätten und Un-ternehmen in der Autonomen Gemein-schaft des Baskenlandes zu analysieren.Eines der Vorhaben des Forscherteams imRahmen dieses Projekts war es, die Er-fahrungen verschiedener Bildungsstättenbei der Förderung des Unternehmergei-stes und der Unternehmensgründung un-ter ihren Schülern zu untersuchen und diebesten Verfahrensweisen aus den Bil-dungsstätten des Baskenlandes zu vorzu-stellen.

Obwohl es zahlreiche Berufsbildungs-stätten in Europa gibt, die den Unter-nehmensgeist und die Unternehmens-gründung fördern, so sind deren Erfah-rungen doch selten Gegenstand von Arti-keln oder wissenschaftlichen Publikatio-

nen. Aus diesem Grund legen wir diesenArtikel vor, in dem Glauben, dass die Er-fahrungen mit der Unternehmensgrün-dung, die in einigen baskischen Berufs-bildungsstätten gemacht wurden, als Vor-bilder dienen können, deren Praktiken aufandere europäische Berufsbildungsstättenübertragbar sind.

Die vorhandene Literatur zum ThemaUnternehmensgründung in Bildungsstät-ten ist dürftig. Sie behandelt fast aus-schließlich Erfahrungen von Hochschulenund besteht größtenteils aus Publikatio-nen von Vorträgen anlässlich von Kon-gressen und Veranstaltungen, bei denensich die für die universitären „Unter-nehmensbrutstätten“ verantwortlichenProfessoren über empfehlenswerte Prak-tiken austauschen (Meneses, J., 2001;Rubí, M., 2001; Tornatzky et al., 2002;Chiesa, V. und Piccaluga, A., 2000;Leiceaga, X., 2001; López, J., 2001;Ullastres, C., 2001; Madri+D, 2000). Eini-ge Ergebnisse dieser Forschungen lassensich leicht auf die Berufsbildungsstätten

Abbildung 1

Berufsbildungsstätten, die an der Studie mitgewirkt haben

Bildungsstätten des öffentlichen Netzwerks IKASLAN Bildungsstätten des privatenNetzwerks HETEL

Nur Fragebogen:1. IES Barrutialde (Arratzu)2. Iurreta GLHB Institutua3. Instituto EFPS Fadura4. Mutrikuko Institutua5. Instituto Politécnico Easo6. Martuteneko BHI7. Donostiako Eraikuntzako Institutua8. IEFPS Bidasoa GBLHA9. Instituto Plaiaundi10. Herrnani Institutua11. RM Zuazola-Larraña BHI12. Don Bosco –RENTERIA13. UNI. Eibar-Ermua14. IES Hostelería de Gamarra15. IES. „Samaniego“ La Guardia

Quelle: eigene Erstellung

Interview und Fragebogen:1. Instituto FP superior Nicolás Larburu

(Barakaldo)2. IEFPS Ategorri-Tartanga (Erandio).3. IMH –Elgoibar4. IEFPS- Usurbil5. IEFPS Mendizabala GLHBI

Nur Interview:1. Elorrieta2. San Jorge3. Emilio Campuzano

Nur Fragebogen:1. San Viator2. Zulaibar3. Zabalburu4. San José Obrero5. Lasalle

Interview und Fragebogen:1. Lea –Artibai2. Txorierri3. Instituto Politécnico Jesús Obrero.4. Diocesanas5. Somorrostro6. Goierri

Nur Interview:1. Zumarraga.2. Escuela Politécnica Superior de

Mondragón.

(3) Das Projekt wurde finanziell un-terstützt durch das Ressort für Be-schäftigung und Bildung der ‘Diputa-tción Foral de Bizkaia’, der FirmaDema-Enpresa Garapena und den Eu-ropäischen Sozialfonds. Seine Ergeb-nisse sind erschienen in: Basterretxeaet al. (2002) Colaboración entrecentros de Formación Profesional yempresas en la Comunidad AutónomaVasca. Servicio Editorial de la UPV/EHU. Bilbao.

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in unserem Umfeld übertragen, wie wirspäter anhand einiger im Rahmen dieserArbeit untersuchten Fälle aufzeigen wer-den. Die Hauptforschungsthemen dieserPublikationen sind:

• Probleme von Forschern und Profes-soren als Unternehmer (Tuominen, M.2000; Churchwell, T. L. 2000; de la Sota,D. 2000; Blanco, A., 2000; Meneses, J.2001).

• Finanzierungsprobleme der jungen Un-ternehmen, Erschließung von Finanzmit-teln über Risikokapital oder Finanzierungder Jungunternehmen durch die Hoch-schulen selber (Sandelin, J. 2000; Numark,C. I., 2000; Churchwell, T. L. 2000; Cullen,K. 2000, López, J., 2001; Ullastres, C.,2001; Tornatzky et al., 2002).

• Infrastrukturen, Inkubatoren, Techno-logieparks sowie in einigen Hochschulenverfügbare Personal-, Bildungs- und Fi-nanzmittel zur Unterstützung von Grün-dungsinitiativen. (Sandelin, J. 2000;Cullen, K. 2000, Rubí, M., 2001; López, J.,2001; Ullastres, C., 2001; Tornatzky et al.,2002).

• Nutzung der Verbindungen der Hoch-schule zu Unternehmen und Einrichtun-gen ihres Umfeldes für den Aufbau vonNetzwerken, in denen sich Forscher, Un-ternehmer, Auftragnehmer und Investo-ren zusammenschließen. (Numark, C. I.,2000; Sandelin, 2000; Tornatzky et al.,2002).

• Bedeutung der Führungsrolle und derkorporativen Kultur der Hochschule fürden Erfolg oder das Scheitern verschie-dener Programme zur Unterstützung derUnternehmensgründung (de la Sota, D.,2000, Meneses, J., 2001; Rubí, M., 2001;Tornatzky et al., 2002; Leiceaga, X., 2001;Ullastres, C., 2001).

Für die Durchführung unseres For-schungsprojektes haben wir die Datenüber die Erfahrungen, die in verschiede-nen Bildungsstätten mit der Gründungvon Unternehmen gemacht wurden, mit-tels eines Fragebogens(4) erhoben, der an72 berufliche Bildungsstätten im Basken-land(5) verschickt wurde, sowie über In-terviews mit verschiedenen Direktorenvon Ausbildungsstätten(6). Insgesamt ha-ben 36 Berufsbildungsstätten an der Stu-

die mitgewirkt, d. h. 23 der 53 öffentli-chen Ausbildungsstätten, die angespro-chen wurden, und 13 der 19 privaten Aus-bildungseinrichtungen.

Abbildung 1:Die in Abbildung 1 genannten Bildungs-stätten verteilen sich geografisch auf diedrei Provinzen, welche die AutonomeGemeinschaft des Baskenlandes bilden:Vizcaya, Guipúzcoa und Alava.

Grafik 2:

3. Unterstützung derUnternehmensgründungdurch Schüler in berufli-chen Bildungsstätten desBaskenlandes

In den letzten Jahren haben einige beruf-liche Bildungsstätten verschiedene Pro-gramme entwickelt, um den Unternehmer-geist ihrer Schüler zu fördern und diese

Grafik 2

Autonome Gemeinschaft des Baskenlandes

(4) Für die Datenerhebung haben wireinen eigenen Fragebogen verwendet.Zuvor wurde ein Prätest des Frage-bogens unter einigen der zu inter-viewenden Personen durchgeführt,um dessen Eignung und die Relevanzseiner Fragestellungen zu bewerten.Das Modell des Fragebogens, der andie Bildungsstätten verschickt wurde,ist in Anhang II von Basterretxea etal. (2002) abgebildet.

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auf die Sensibilisierung und die Förde-rung des Unternehmergeistes konzentrie-ren und die in einigen Fällen zur Grün-dung kleiner Unternehmen führen. In derzweiten Gruppe werden die Erfahrungenbehandelt, bei denen sich die Bildungs-stätte verstärkt für ihre betriebsgrün-denden Schüler engagiert hat und die esermöglichten, Unternehmen in bedeuten-derer Anzahl und Größe zu gründen.

3.1. SensibilisierungsmaßnahmenundGründung von Kleinstunternehmen

Der größte Teil der Aktivitäten, welchedie Berufsbildungstätten zur Unterstüt-zung der Unternehmensgründung durch-führen, beschränkt sich auf Maßnahmenzur Sensibilisierung und Förderung derunternehmerischen Kultur. Dabei geht esdarum, den Unternehmergeist der Schü-ler durch Veranstaltungen und Lehrgängezu wecken, die sowohl von den Lehrernder Ausbildungsstätte als auch durch Mit-glieder von Entwicklungsagenturen, öf-fentlichen Einrichtungen im Bereich derUnternehmensgründung oder von Unter-nehmerverbänden durchgeführt werden.Wenn die Schüler infolge dieser Sensibi-lisierungsmaßnahmen den Drang verspü-ren, ein Unternehmen zu gründen oderdie Chancen hierfür auszuloten, so wer-den sie an die Agenturen und Einrichtun-gen verwiesen, die sich auf die Unter-stützung von Betriebsgründern speziali-siert haben.(7) Sie sind diejenigen, die dieGründer in den Fällen, wo das unterneh-merische Projekt tatsächlich umgesetztwird, unterstützen. Die Bildungsstättenhingegen bieten den jungen Unternehmenin der Regel keine systematische und nen-nenswerte Unterstützung an. Nur in eini-gen Fällen wird den Schülern ein Bürozu einem besonders günstigen Preis über-lassen, dürfen sie eine Zeit lang bestimmteMaschinen oder Computer nutzen undwerden von einem Lehrer betreut.

75 Prozent der befragten Bildungsstättenbeschränken sich auf die oben erwähnteSensibilisierungsstrategie, die sie alleineoder mit Hilfe anderer Instututionen ver-folgen und die in der Regel nicht unmit-telbar zu einer Unternehmensgründungführt. Von den 26 Ausbildungszentren, diewir in diese Kategorie einordnen würden,geben nur drei an, dass ihre Schüler inden letzten sechs Jahren ein Unterneh-men gegründet haben: Jesús Obreo

bei der Entwicklung neuer Unternehmens-projekte zu unterstützen. Wie aus der fol-genden Abbildung ersichtlich ist, habenvon den befragten Schulleitern nur dreierklärt, dass die Gründung von Unterneh-men kein von der Bildungsstätte verfolg-tes Ziel sei. Fast die Hälfte der Bildungs-stätten beschränkt sich allerdings darauf,den Unternehmergeist der Schüler zu för-dern. Etwa ein Drittel kann auf dieUnterstützung verschiedener Stellen fürregionale Entwicklung, Unternehmerver-bände oder Gründungszentren zählen,sechs Bildungsstätten verfügen über ei-gene Gründungsprogramme.

Abbildung 2:Das Ausmaß dieser Erfahrungen ist je nachBildungsstätte sehr unterschiedlich, unddas Ergebnis, gemessen an der Anzahl dergegründeten Unternehmen und vor alleman der Qualität dieser Unternehmen (Be-triebsgröße, Beschäftigung von Mitarbei-tern, Umsatz, Konsolidierung auf demMarkt), variiert in Abhängigkeit der Rolle,der Bedeutung und der Mittel, die die Bil-dungsstätten den Gründungsprogrammeneinräumen bzw. zur Verfügung stellen.

Zum besseren Verständnis der unter-schiedlichen Erfahrungen bei der Unter-stützung von Unternehmensgründungenunterteilen wir diese in zwei Gruppen: Inder ersten Gruppe sind die Erfahrungenzusammengefasst, die sich in erster Linie

Abbildung 2

Unterstützung der Unternehmensgründung von Schü-lern durch die baskischen Berufsbildungsstätten

Häufig- Prozent-keit satz

Wir haben ein eigenes Gründungsprogramm 6 17,1 %

Wir arbeiten mit einer Entwicklungsagenturoder einer auf die Unternehmensgründungspezialisierten Einrichtung zusammen 10 28,6 %

Die Unternehmensgründung wird von unsererBildungsstätte nicht als Ziel verfolgt 3 8,5 %

Wir gründen keine Unternehmen,aber wir fördern den Unternehmergeist 16 45,7 %

Quelle: eigene Erstellung basierend auf Umfragen und Interviews von Schulleitern.

(5) Von den insgesamt 170 Berufs-bildungsstätten der Autonomen Ge-meinschaft des Baskenlandes wurden72 ausgewählt. Der Grund für ihreAuswahl war ihre Zugehörigkeit zuden Netzwerken IKASLAN (das 81,15Prozent der Schüler an öffentlichenBildungseinrichtungen umfasst) undHETEL (in dem die wichtigsten pri-vaten Bildunsgstätten organisiert sindund das 54,45 Prozent der Schüler anprivaten Einrichtungen umfasst). DieStichprobe wurde nach Absprache mitVertretern des Vizeministeriums fürBerufsbildung und lebenslange Wei-terbildung der baskischen Regierungausgewählt, die deren Repräsentati-vität für die Ziele der Studie bestätig-ten. Dieser und anderen konsultier-ten Quellen zufolge finden sich diezu untersuchenden Verbindungenzwischen Unternehmen und Bildungs-stätten (in Bezug auf Weiterbildung,Fortbildung und Umschulung, Ausbil-dung auf Anfrage, Forschung, Betei-ligung der Unternehmen an Verwal-tungsorganen der Bildungsstätten,wirtschaftliche Unterstützung der Aus-bildungsstätten oder Hilfe in Formvon Maschinen und Geräten, Unter-nehmensgründung usw.) fast aus-schließlich in den 72 Bildungsstättender ausgewählten Stichprobe.

(6) Das semidirektive Interview wur-de in je acht der öffentlichen und pri-vaten Berufsbildungsstätten durchge-führt. Außerdem wurden die drei Di-rektoren von IKALSAN und der Präsi-dent von HETEL sowie sein Amtsvor-gänger interviewt.

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(Alava), San Jorge (Vizcaya) und HernaniInstitutoa (Guipúzcoa). Das Ausbildungs-zentrum San Jorge de Santurce führt die-se Unterstützung für die Gründer in Zu-sammenarbeit mit der ‘Fundación DEMA-Enpresa Garapena’ und anderen Einrich-tungen durch, indem sie die Tragfähig-keit des unternehmerischen Projektesuntersucht. Auf diese Weise wurden zwölfKleinunternehmen gegründet, von denensieben noch heute bestehen. Nach Anga-ben von Hernani Institutoa haben dieSchüler dieser Einrichtung in der Zeit von1995 bis 2000 insgesamt 17 Unternehmengegründet, in denen 56 Arbeitsplätze ge-schaffen wurden.

Unserer Auffassung nach sollte es nichtals negativ betrachtet werden, dass es in90 Prozent der Ausbildungsstätten, diediesen Weg der Sensibilisierung verfolgen,zu keinerlei Betriebsgründung kam. Esbedeutet nicht, dass diese Programme zurFörderung des Unternehmergeistes ge-scheitert wären. Ihre Effizienz und Effek-tivität sollte nicht anhand der unmittelba-ren Gründung von Unternehmen gemes-sen werden, vielmehr sollte eine größereAnzahl an mittel- oder langfristigen Indi-katoren berücksichtigt werden. Zunächsteinmal wirkt sich die Förderung der un-ternehmerischen Kultur, wie einige derbefragten Schulleiter betonen, nicht nurbei denjenigen aus, die sich für eine selb-ständige Tätigkeit entscheiden. Vielmehrhat sie auch einen positiven Einfluss aufdie Unternehmens- und Innovations-fähigkeit der Schüler, die später als An-gestellte arbeiten. Auf der anderen Seite- dies zeigen Auraujo et al. (2001) auf -ist es gut möglich, dass, auch wenn dieAbsolventen einer Berufsausbildung einein der Schule entwickelte Geschäftsideenicht unmittelbar in die Tat umsetzen, diedort entwickelten positiven Einstellungenzur Unternehmensgründung zu einemspäteren Zeitpunkt neue Unternehmenentstehen lassen, wenn die Absolventenreifer an Erfahrungen sind. Diese Auffas-sung wird von mehreren der befragtenSchulleitern vertreten.

Diejenigen Ausbildungsstätten, die diesenWeg der Unters tützung der Unter-nehmensgründung gewählt haben, führenin der Hauptsache zwei Gründe an, war-um sie keine intensivere Zusammenarbeitund Hilfe für die Unternehmensgründerunter ihren Schülern anbieten:

Grafik 3

Lage der Ausbildungszentren Somorrostro, LeaArtibai und Bidasoa in der Autonomen Gemeinschaftdes Baskenlandes

a) Die berufliche Eingliederungsrate un-ter den Absolventen ist in der Regel hoch,was auf eine nicht sehr ausgeprägte un-ternehmerische Berufung schließen lässt.

b) Man will vermeiden, dass Unterstüt-zungsmaßnahmen für Unternehmens-gründer doppelt angeboten werden. Man-che Ausbildungsstätten verstehen sichnicht als Entwicklungsagenturen, da diesbedeuten würde, die Dienste von erfolg-reich arbeitenden Agenturen ein zweitesMal anzubieten.

Allerdings sollte nach unserer Ansicht derUmstand, dass es im Umfeld der Ausbil-dungsstätten effiziente Entwicklungs-agenturen gibt, diese nicht unbedingtdaran hindern, eine aktivere Rolle bei derUnterstützung von unternehmerischenAktivitäten der Schüler auszuüben.

3.2. Unternehmen, die im Rahmen der„Tradition“ der Ausbildungsstätte undder Betriebe des Umfeldes gegründetwurden

Es gibt eine relativ kleine Gruppe vonAusbildungsstätten, die über die Förde-rung des Unternehmergeistes hinausge-hende Gründungsprogramme entwickelt

(7) Herauszuheben sind die Fälle, indenen die Zusammenarbeit kontinu-ierlich und gewohnheitsmäßig ist, wiebei dem Ausbildungszentrum Usurbilmit dem ‘Centro de Empresas eInnovación Cei Saiolan’, bei ‘Dioce-sanas’ mit dem baskischen Jung-unternehmerverband Ajebask und derEntwicklungsagentur der Stadt Vitoria,zahlreichen Ausbildungszentren derProvinz Vizcaya mit Dema, und demAusbildungszentrum Txorierri mit ei-ner Firma namens I+D, usw.

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denen die Schüler der Ausbildungsstättedie ehemaligen Schüler, die im Begriffsind, ein Unternehmen zu gründen oderbereits ein erfolgreiches Unternehmen ge-gründet haben, beobachten, von ihnenlernen, ihre Leistungen beurteilen undnachahmen können.

• Obgleich sich die vorherrschendenWirtschaftssektoren im Einflussbereich derdrei Ausbildungsstätten erheblich vonein-ander unterscheiden, so weist das wirt-schaftliche Umfeld der drei doch bestimm-te Schwächen auf, die die Ausbildungs-stätten zu einer aktiveren Politik derUnterstützung neuer Unternehmen veran-lassen.(9) Laut Toranatzky, et al. (2000)ist etwas Ähnliches bei den Universitätenin den Vereinigten Staaten zu beobach-ten.(10)

3.2.1. Die Erfahrungen des Berufs-bildungszentrums Lea Artibai

Die ‘Escuela Técnica de Lea Artibai’(Vizcaya) ist eine Ausbildungsstätte in derRechtsform einer gemeinnützigen Genos-senschaft. Neben der staatlich geregeltenBerufsausbildung, der Weiterbildung undUmschulung bereitet die Schule auch aufdas Bachillerato vor. In den letzten Jah-ren ist sie dazu übergegangen, auch Aus-bildungen des tertiären Bereichs anzubie-ten. Seit der Organisation der Schule inForm einer Genossenschaft (im Jahr 1976)gehört sie zur ‘Grupo Mondragón Corpo-ración Cooperativa’ (MCC). Die Gruppeumfasst mehr als 150 Unternehmen undist mittlerweile der größte Industrie-verband des Baskenlandes und der siebt-größte Spaniens (Mondragón CorporaciónCooperativa, 2002). Die Beziehungen vonLea Artibai mit den Unternehmen desUmfeldes beschränkt sich nicht nur aufdie Betriebe, die Mitglieder in dem Ver-band sind. Sie äußern sich in konkreterForm in einer großen Anzahl von Lehr-stunden im Bereich der Weiterbildung, inder Bereitstellung technologischer Dienst-leistungen, der Beteiligung verschiedenerUnternehmen an ihren Verwaltungs-organen und schließlich im Erhalt bedeu-tender wirtschaftlicher Unterstützung vonSeiten der Unternehmen.

Die Förderung der Unternehmens-gründung mit Unterstützung der Ausbil-dungsstätten ist ein wesentlicher Bestand-teil der Unternehmenskultur der ‘Mon-

haben und damit zur Entstehung von Be-trieben mit einer bedeutenden Strukturund einem von Beginn an ein erheblichenBeschäftigungsniveau geführt haben. Die-se Erfahrungen wurden in den privatenAusbildungszentren Lea Artibai undSomorrostro sowie in der öffentlichenAusbildungsstätte Bidasoa gemacht, de-ren geografische Lage auf der folgendenKarte dargestellt ist.

Grafik 3:Die Erfahrungen dieser drei Bildungsstät-ten haben große Ähnlichkeit mit den Er-fahrungen, die einige Hochschulen mitder Gründung von Unternehmen gemachthaben. Als Gemeinsamkeiten bei den dreiErfahrungen wären zu nennen:

• Die enge Verbindung zwischen denAusbildungsstätten und den Unternehmendes Umfeldes. Diese Verbindung ermög-licht es ihnen herauszufinden, welche Be-dürfnisse noch nicht gedeckt sind, undob es Möglichkeiten für die Untervergabevon Aufträgen gibt. So gingen viele Erst-kontakte mit Unternehmen als Kunden bishin zu den später erfolgreichen Geschäfts-ideen nicht auf die Unternehmensgründerselbst, sondern auf die Mitarbeiter derAusbildungsstätte zurück.(8)

• Die Unterstützung der Unternehmens-gründung wird als ein bedeutendes Zielempfunden und ist in der korporativenKultur der Ausbildungsstätten fest verwur-zelt. Wenn einige Studien unterstreichen,dass die mit den Gründungsprogrammenerfolgreichen Universitäten diese Pro-gramme als wichtige, achtbare und zen-trale Aufgaben der Hochschule betrach-ten (de la Sota, D., 2000; Meneses, J., 2001;Rubí, M., 2001; Tornatzkyet al., 2002;Leiceaga, X., 2001; Ullastres, C., 2001), sokönnen wir das Gleiche von den Ausbil-dungszentren Lea Artibai, Somorrostro yBidasoa sagen.

• Die Betreuung, Unterstützung und Be-gleitung der Gründer durch die Mitarbei-ter der Ausbildungsstätte über einen län-geren Zeitraum. Die Bildungsstätten ver-fügen über eigenes Personal für die Wirt-schaftsförderung und unterstützen diebetriebsgründenden Schüler zudem mitihrer Ausrüstung, Maschinen und Infra-struktur.

• Förderung des Unternehmergeistesdurch die Erstellung von Hilfsmitteln, mit

(8) Der Aufbau von Netzwerken zwi-schen Forschern, Unternehmern, Auf-tragnehmern und Investoren ist einweiterer Schlüsselfaktor in den For-schungen über Unternehmensgrün-dungen in Universitäten. Der Aufbaueines solchen Netzwerkes ist leichter,wenn sich die Universität aktiv an ver-schiedenen Zusammenschlüssen mitUnternehmen und Einrichtungen ih-res Umfeldes beteiligt (Numark, C. I.,2000; Sandelin, 2000; Tornatzky et al.,2002). Der Hauptunterschied hinsicht-lich der hier untersuchten Ausbil-dungsstätten besteht darin, dass die-se die Netzwerke nutzen, um Ge-schäftsideen und potentielle Kundenausfindig zu machen, während dieUniversitäten sie vor allem für denErwerb von Drittmitteln und für dieErprobung der Geschäftsidee vor ih-rer Realisierung auf dem Markt nut-zen.

(9) Das wirtschaftliche Umfeld desAusbildungszentrums Somorrostrowurde durch die aufeinanderfolgen-den Krisen der großen Industrieberei-che Metall und Schiffsbau des linkenUnferbereichs von Bilbao beein-trächtigt. Im Falle des ZentrumsBidasoa handelte es sich nicht nur umdie Krise einiger traditioneller Indu-strien des Umfeldes, zusätzlich führ-te der Wegfall der europäischen Gren-zen dazu, dass im Laufe der neunzigerJahre viele Stellen im Bereich derZollverwaltung abgebaut wurden. ImFalle von Lea Artibai schließlich wirddie Unterstützung von Betriebsgrün-dungen als eine Art der Wirtschafts-förderung in einer nur schwach in-dustrialisierten Region verstanden.

(10) Mit Ausnahme von Stanford wer-den die Universitäten, die einen be-sonders großen Beitrag zur regiona-len und wirtschaftlichen Entwicklungleisten, durch die ungünstige regio-nale oder staatliche Wirtschaftslagehierzu angeregt.

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dragón Corporación Cooperativa’(11) undder Berufsschule Lea Artibai. Die Bedeu-tung, die Lea Artibai der Entwicklungneuer unternehmerischer Aktivitätenbeimisst, kommt auch in der Aufgaben-beschreibung der Schule zum Ausdruck,in der dieses Ziel als gleichbedeutend mitanderen Bildungszielen genannt wird (LeaArtibai Ikastetxea, 2002).

Mitte der neunziger Jahre zeichnete sichdie Einrichtung einer regionalen Ent-wicklungsagentur in der Berufsschule LeaArtibai ab. Nachdem die Initiative jedochgescheitert war, gab die Berufsschule denAnstoß für eine Stiftung unter Beteiligungder Stadtverwaltung von Markina undanderer Gemeinden der Region, mit demZiel, die Gründung von Unternehmen indem Landstrich zu fördern.

Manche Dienstleistungen, welche die Stif-tung den Unternehmensgründern anbie-tet, ähneln denen anderer Einrichtungen:kostenlose Räumlichkeiten sowie Lichtund Telefon, eine finanzielle Unter-stützung von 360 Euro monatlich für dieUnternehmensgründer, Beratung und Be-treuung usw. Die Unterschiede zu ande-ren Einrichtungen der Wirtschaftsförde-rung liegen in den Synergieeffekten, diedurch die Zusammenarbeit zwischen derStiftung und der Berufsschule Lea Artibaientstehen. Die enge Beziehung dieserAusbildungsstätte zu den Unternehmendes Umfelds und die Nutzung der Infra-struktur und der Maschinen der Ausbil-dungsstätte für diese neuen unternehme-rischen Aktivitäten ermöglichen die Grün-dung und Konsolidierung von Unterneh-men, die sich aufgrund ihrer Technolo-gie und ihres Marktes nicht mit Hilfe ei-ner herkömmlichen Entwicklungsagenturkonstituieren ließen.

„Es ist anders als bei einer Entwicklungs-agentur, denn wenn die Unternehmens-gründer ein bestimmtes technisches Pro-jekt verfolgen, so finden sie in unsererSchule das Material und die erforderlichenMaschinen vor. Das Wertvollste jedoch istdie Verbindung mit den Unternehmen desUmfeldes, die ihre potentiellen Kundensind. Dies ist der größte Vorteil im Ver-gleich zu einer Entwicklungsagentur“(Arizmendi, M.).(12)

Bisher wurden fünf Unternehmen gegrün-det. Neun weitere befinden sich in der

Abbildung 3

Unternehmensgründungen im BerufsbildungszentrumLea Artibai(14)

1998 1999 2000

Anzahl der gegründeten Unternehmen 1 2 2

Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze 9 7 9

Quelle: eigene Erstellung

Planungsphase, mit unterschiedlichen Pro-jekten wie der Herstellung von Möbeln,Katamaranen, Kunststoffeinspritzung,Herstellung seriennaher Prototypen, Alu-minium oder Lebensmittelerzeugnissenaus Fisch.(13)

Abbildung 3.Die Unterstützung des Ausbildungszen-trums bei der Entwicklung neuer Unter-nehmensprojekte verläuft nach dem in derfolgenden Abbildung dargestellten Verfah-ren (Abbildung 4):

Abbildung 4.Wie aus der Abbildung 4 ersichtlich ist,beginnt und endet der Prozess mit Maß-nahmen zur Förderung des Unternehmer-geistes und der Werbung neuer Gründer.Neben Lehrgängen zu Motivation undSensibilisierung(15), die auch in den mei-sten anderen Ausbildungsstätten angebo-ten werden, wird ein unternehmerischerIdeenwettbewerb durchgeführt, und dieSchüler werden über die in der Entwick-lung befindlichen Unternehmensprojekteinformiert.(16) In der letzten Phase desProzesses verpflichten sich diejenigen, dieUnternehmen mit Hilfe der Schule gegrün-det haben oder gründen, die Unter-nehmerkultur in der Region zu fördern.

Gegenüber der Äußerung von vielenBerufsschuldirektoren, derzufolge esschwierig ist, die Schüler angesichts ei-ner geringen Arbeitslosigkeit für eineUnternehmensgründung zu motivieren,geht man in der Berufsschule Lea Artibaidavon aus, dass der Schlüssel zu dieserMotivation in der Auslese von Schülernmit einem hohen Maß an Kreativität(17)liegt, sowie in der Ausrichtung ihresPotenzials auf die Unternehmensgrün-dung und der Stimulierung des Wetteifers,den die in der Schule vorhandenen Grün-der unter den übrigen Schülern auslösen.

(11) Die erste Firma dieser Unternehmens-gruppe wurde 1956 durch fünf Schüler derdamaligen Berufsschule, der jetzigen‘Escuela Politécnica Superior de Mon-dragón’, mit Unterstützung ihres DirektorsJosé María Arizmendiarreta gegründet.Weitere Unternehmen entstanden anschlie-ßend unter Mitwirkung verschiedener Aus-bildungszentren der Unternehmensgruppe.

(12) Interview vom 16.07.2001 mit MarkelArizmendi, Direktor von Hetel(Netzwerkder Ausbildungszentren sozialer Initiativen)und Verantwortlicher der Unternehmens-brutstätte sowie des Fachbereichs fürPolymertechnik in Lea Artibai.

(13) Dies ist der einzige der von uns unter-suchten Fälle, in denen die Gründerin eineLehrerin des Ausbildungszentrums ist. Dieskommt sonst eher im universitären Bereichvor, wenn man die in verschiedenen Pu-blikationen beschriebenen Erfahrungen be-rücksichtigt und die Bedeutung, die dieseden Problemen von Wissenschaftlern undDozenten als Unternehmer beimessen.(Tuominen, M. 2000; Churchwell, T. L.2000; de la Sota, D. 2000; Blanco, A., 2000;Meneses, J. 2001)

(14) Gegenwärtig gibt es neun Unterneh-men in der „Brutstätte“ des Berufsbildungs-zentrums Lea Artibai.

(15) Das Ausbildungszentrum veranstaltetfür seine Schüler einen 16-stündigen Lehr-gang zum Thema Selbständigkeit. Dabeientfallen zwei Stunden auf die Motivationund Sensibilisierung und die restlichen Un-terrichtsstunden auf die Festlegung der ein-zelnen Schritte, die bei der Erarbeitungeines Unternehmensplans zu berücksich-tigen sind. Das Zentrum bietet einen ähn-lichen Lehrgang, aber mit einer Dauer von28 Stunden, für Gründer außerhalb desZentrums an.

( 16) Die Informat ion wird über eineschulinterne Zeitschrift im Unterricht undin den Motivations- und Sensibilisierungs-seminaren verbreitet, außerdem auf infor-melle Art und Weise über den täglichenKontakt zwischen Schülern und Gründerninerhalb des Ausbildungszentrums.

(17) Hierbei ist anzumerken, dass einigeBerufsbildungszentren des privaten HETEL-Netzwerks ein eigenes Programm mit derBezeichnung „Sormen-Crea“ zur Förderungder Kreativität unter den Schülern entwi-ckelt haben und dies gegenwärtig umset-zen. (Siehe: Basterretxea, et al., 2002)

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„Im Laufe der Zeit stoßen wir auf einenbestimmten Prozentsatz von Leuten, diekreativ sind, die etwas Schöpferisches tunmüssen. Dies kann eine Kreativität aufkultureller, gesellschaftlicher oder unter-nehmerischer Ebene sein, aber es gibtMenschen, die diese Eigenschaften haben.Wenn wir in der Lage sind, kreative Men-schen, die auf diesen Ebenen tätig sind,ausfindig zu machen und ihre Kreativitätin Richtung Unternehmensgründung zulenken, so dass sie sehen, dass die Schu-le ihnen Möglichkeiten bietet, kreativ zusein und ein Unternehmen zu gründen,dann erreichen wir unser Ziel. Wenn das

Ausbildungszentrum als Anziehungspunktfungiert und seine kreativsten Schülersehen, dass andere junge Leute Unter-nehmensprojekte innerhalb des Zentrumsentwickeln, so bereiten wir diesen Schü-lern den Weg“ (Arizmendi, M.). (18)

Auch die zweite Phase des in Abbildung4 dargestellten Unternehmensgründungs-prozesses hat eine nennenswerte Beson-derheit. Lea Artibai unterhält Koopera-tionsabkommen mit verschiedenen Unter-nehmen des Umfeldes für die Entwick-lung von Geschäftsideen. So stammte dieGeschäftsidee in einigen Fällen nicht vonden Gründern selbst, sondern ging aufeine Empfehlung der Schule zurück, diediese wiederum ihrer Verbindung zu denUnternehmen verdankte:

„Das Berufsbildungszentrum steht mit denUnternehmen fast täglich in Kontakt, überdie Ausbildung am Arbeitsplatz, überWeiterbildungsmaßnahmen, Dienstleistun-gen für Firmen usw. Dies ermöglicht eineDynamik des gegenseitigen Kennen-lernens, infolgedessen Segmente und Sek-toren für mögliche Unteraufträge seitensder Unternehmen bestimmt werden. Wirgehen von der Vorstellung aus, dass, wenndas Zentrum dynamisch ist und die Un-ternehmen gut kennt, neue Beschäf-tigungs- und Produktfelder ausfindig ge-macht werden können“ (Arizmendi,M.).(19)

Ein anschauliches Beispiel für eine Unter-nehmensgründung aufgrund eines Be-darfs, den die Schule bei den Firmen desUmlandes ermittelt hat, ist eine Firma fürdie Herstellung von Formen für Kunst-stoffeinspritzung, deren Konzept gegen-wärtig entwickelt wird:

„Über unsere Verbindung zu Firmen wieMaier, Cicaucho und Alzola wurde errech-net, dass sie mehr als zwölf Millionen Euroim Jahr an Zulieferanten von Formen ausPortugal zahlten. Wir sahen die Möglich-keit, hierfür ein Unternehmen zu grün-den, doch ergab eine Studie, dass derschwächste Punkt das Fehlen an ausge-bildeten Fachkräften für die Formenher-stellung war. Das Ausbildungszentrumstellte sich dieser Herausforderung, undwir boten eine spezielle Ausbildung imBereich Formen an. Die nächste Barrierejedoch ergab sich aus der Tatsache, dasses keine Gründungsinteressenten gab.

Abbildung 4

Grundlegendes Verfahren bei der Entwicklung vonUnternehmensprojekten im BerufsbildungszentrumLea Artibai

1. Werbung potenzieller Gründer1.1. Innerhalb des Ausbildungszentrums1.1.1. Lehrgang zu Motivation und Sensibilisierung1.1.2. Regelmäßige Information über die Unternehmensprojekte1.1.3. Wettbewerb für Geschäftsideen1.2. Außerhalb des Ausbildungszentrums1.2.1. Gründungswettbewerb1.2.2. Ausschreibung von Bildungsangeboten für Unternehmensgründer

2. Entwicklung von Geschäftsideen2.1. Information über die bei der Unternehmensgründung erforderlichen Schritte2.2. Kooperationsabkommen mit Unternehmen

3. Definition der Geschäftsidee3.1. Erhebung der Daten des Gründers3.2. Allgemeine Beschreibung der Idee

4. Entscheidung, wie die Idee zu behandeln ist4.1. Abgleich mit den Grundkriterien zur Bewertung einer Geschäftsidee

5. Ausarbeitung der Idee5.1. Organisation des Projektes5.2. Auf die Erfordernisse der Idee zugeschnittene Beratung

6. Unternehmensplan6.1. Entwicklung der grundlegenden Inhalte6.2. Auf den konkreten Fall zugeschnittene Beratung6.3. Kooperationsabkommen mit BBK Gazte Lanbidean, BEAZ…

7. Langfristige Verpflichtungen7.1. Bezüglich der Einstellung von Mitarbeitern7.2. Engagement zur Stärkung der Unterrnehmerkultur in der Region

Quelle: Berufsbildungszentrum Lea Artibai.

(18) Op.cit

(19) Ibidem

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Nach diversen Verhandlungen formiertesich vor drei Jahren eine Gründungs-initiative aus jungen Leuten, die in ande-ren Unternehmen arbeiteten und von die-ser neuen Geschäftsidee begeistert waren.Derzeit besteht diese Gruppe aus neunoder zehn Personen, und in einem Jahrwerden sie die „Unternehmensbrutstätte“mit einem Jahresumsatz von rund 180.000Euro verlassen“ (Arizmendi, M.). (20)

Dabei muss jedoch vermerkt werden, dassdas Berufsbildungszentrum Lea Artibai fürdie Entwicklung dieses neuen Unterneh-mens nicht auf Schüler des Zentrums oderjunge Absolventen zurückgegriffen hat,sondern auf bereits im Erwerbsleben ste-hende ehemalige Schüler, denen somit einAnreiz geboten wurde, ihre Arbeitsstelleaufzugeben und sich selbständig zu ma-chen. Dieses Unternehmerprofil stimmtmit dem Profil überein, das Vertreter desbaskischen Arbei tgeberverbandesCONFEBASK und des Arbeitgeberverban-des der Provinz Vizcaya, CEBEK, als Re-zeptoren der Hilfen zur Unternehmens-gründung vorschlagen (siehe Araujo et al.,2001, p. 322). Verschiedene Untersuchun-gen über das Profil der Unternehmer be-stätigen, dass die Berufserfahrung derGründer den Erfolg der neuen Unterneh-men begünstigen kann. Die vorherigeBerufserfahrung ermöglicht es den Grün-dern, sich Fachwissen sowie geschäftli-ches und organisatorisches Geschick an-zueignen und innerhalb ihrer ehemaligenFirma Verbindungen zu Kunden und Lie-feranten aufzubauen. Diese Kenntnisse,Fähigkeiten und Beziehungen erleichterndem Gründer seine unternehmerischenEntscheidungen (Codex, 1998; de la Sota,2000).

Aufgrund dieser Verbindung zu Unterneh-men des Umfeldes, die Bedarf an der Ver-gabe von Unteraufträgen haben, könnendie neu entstandenen Unternehmen einreelles Bedürfnis bedienen und von Be-ginn an über bedeutende Kunden zu ver-fügen. Wenn eine Firma einen großenBedarf an der Vergabe von Unteraufträgenoder ein großes Interesse hat, einen Zu-lieferer in ihrer Nähe zu finden, so kannsie mit dem Berufsbildungszentrum undder Gründungsinitiative bei der Umset-zung des Unternehmensprojektes zusam-menarbeiten. So hat zum Beispiel die Fir-ma Maier S. Coop die eine oder andereMaschine für Unternehmensgründer aus

der Berufsschule Lea Artibai besorgt, diedann später zu ihren Zulieferern wurden.Außerdem haben diese eine Hospitationvon sechs Monate in der Firma Maier S.Coop absolviert und auf diese Weise einprofundes Wissen über die Erfordernisseihres ersten Kunden erworben. (21)

Dieser Firmentyp entspricht genau demPrinzip des Spin-off, denn er erfüllt diegrundlegenden Kriterien, wie sie von derEuropäischen Union über das EuropäischeNetzwerk der Gründer- und Innovations-zentren (EBN) definiert werden.

• Gründung einer neuen Einheit wirt-schaftlicher Tätigkeit, die aus einer odermehreren bestehenden Einheiten hervor-geht.

• Schaffung einer neuen Tätigkeit, ent-weder durch die Gründung eines neuenunabhängigen Betriebes oder aber durchdie Entwicklung eines neuen Produktesoder einer neuen Dienstleistung.

• Unterstützungsmaßnahmen seitens der„Mutterorganisation“.

Im Gegensatz zu anderen Erfahrungen,bei denen ein Unternehmen bei der Ent-stehung eines anderen mitwirkt, indem esdieses neue Unternehmen für eine be-stimmte Funktion oder Tätigkeit unterVertrag nimmt, werden bei den Spin-off-Aktivitäten, die das Berufsbildungs-zentrum Lea Artibai in Zusammenarbeitmit einigen Firmen des Umfeldes durch-führt, neue Produkte und Dienstleistun-gen in der Region entwickelt, was zu ei-ner bedeutenden lokalen Entwicklungund zu einer Schaffung von Arbeitsplätzenin einem weit höheren Maße, als es beieiner simplen Untervergabe von Aufträ-gen der Fall ist, beiträgt.

Solange sich die Initiatoren noch nicht zurGründung einer eigenen Firma entschlos-sen haben, stellt das Berufsbildungs-zentrum die Rechnungen über eine Ge-sellschaft mit Namen „Insertec“ aus. Dasso verdiente Geld wird von der Schuleverwahrt, bis die Initiatoren soweit sind,ihr Unternehmen zu gründen.

Die im Berufsbildungszentrum Lea Artibaigegründeten Unternehmen haben denzusätzlichen Vorteil, dass sie die Einrich-tungen, Geräte und Maschinen der Schu-

(20) Ibidem

(21) Diesbezüglich möchten wir aufähnliche Erfahrungen bei der Unter-nehmensgründung durch Universitä-ten verweisen, wie sie an der ‘StanfordUniversity’ gemacht wurden. In die-sem Fall unterstreicht Numark, C.I.(2000) die Bedeutung einiger Unter-nehmen des Silicon Valley, wie zumBeispiel HP, die er „Anker- oder Stütz-unternehmen“ nennt, und die neueUnternehmer ausgebildet und den Un-ternehmergeist gefördert haben.

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le für ihre Produktionstätigkeit nutzenkönnen. Angesichts der hohen Investitio-nen, die manche unternehmerischen In-itiativen erfordern, stellt die Möglichkeit,die Infrastruktur des Ausbildungszentrumszu nutzen, eine ganz entscheidende Hil-fe für die Jungunternehmer dar. Dank desSchutzes und der Hilfe durch das Zen-trum können sie ihre Investitionen auf-schieben, für andere Firmen arbeiten unddabei die Maschinen und Geräte der Schu-le nutzen, und die Tragfähigkeit ihresGeschäftes gründlich analysieren, indemsie ein Produkt für einen Kunden herstel-len, ohne dabei überhöhte Risiken einge-hen zu müssen(22). Nach Aussage der Ver-antwortlichen des Ausbildungszentrumsund der „Unternehmensbrutstätte“ birgtdie Nutzung der Geräte und Maschinendurch die Unternehmensgründer zuwei-len auch Vorteile für die Ausbildung. Indem Maße, wie dadurch Möglichkeiten fürPraktika geschaffen werden, oder be-stimmte technische und organisatorischeProbleme, auf die die Gründer stoßen, imUnterricht behandelt werden können,beeinflusst sie in positiver Weise die Krea-tivität der Schüler und ermöglicht dieAnwendung verschiedener Fächer in derPraxis.

In der Berufsschule Lea Artibai sieht mandiese Unterstützung der Unternehmens-gründung als eine Maßnahme zur Wirt-schaftsförderung in der Region, in dernoch immer rund 20 Prozent der Erwerbs-bevölkerung in der Landwirtschaft oderder Fischerei tätig sind. Die Absicht derSchule ist es, 15 Unternehmen bis zumJahr 2006 ins Leben zu rufen und so mit-tel- und langfristig zur Stärkung des Unter-nehmensgeflechts des Gebiets beizutra-gen. Von dieser Stärkung profitiert auchdie Bildungsstätte, denn wie aus der letz-ten Phase des in Abbildung 4 dargestell-ten Prozesses ersichtlich ist, übernehmendie neu entstandenen Unternehmen aucheine langfristige Verpflichtung gegenüberder Schule, indem sie Schüler als Prakti-kanten aufnehmen und Absolventen alsMitarbeiter einstellen.

Der Wunsch des Verbandes der privatenBerufsbildungszentren HETEL ist es, die-se Erfahrung und andere, wie die desBerufsbildungszentrums Somorrostro, inanderen Bildungsstätten zu verbreiten,und zwar nicht nur innerhalb des Verban-des, sondern auch unter öffentlichen Bil-

dungsstätten, die dem Gesamtnetzwerkder Berufsbildungszentren des Baskenlan-des angehören. (23) Viele der von uns be-fragten Schulleiter, sowohl aus öffentli-chen als auch aus privaten Einrichtungen,haben das Berufsbildungszentrum LeaArtibai besucht, um seine Erfahrungen auserster Hand kennenzulernen, und derLeistungsvergleich erleichtert den Aus-tausch, die Nachahmung und das Lernenaus diesen Erfahrungen unter den Bil-dungsstätten.

3.2.2. Die Erfahrungen mit der Unter-nehmensgründung im Berufsbil-dungszentrum Somorrostro

Das private Berufsbi ldungszentrumSomorrostro (Vizcaya) ist eine großeAusbildungstätte, die mehr als 5 000 Schü-ler in der staatlich geregelten Berufsaus-bildung, der Weiterbildung und der be-ruflichen Umschulung aufnimmt. Es ver-fügt über zahlreiche und solide Verbin-dungen zu den Unternehmen des Umfel-des. Neben einer großen Anzahl von Un-terrichtsstunden, die das Institut im Rah-men von Weiterbildungsmaßnahmen er-teilt, wurden zwei Gesellschaften gegrün-det (Gehilan und Laboradomo), um di-verse Dienstleistungen für die Unterneh-men anzubieten. Darüber hinaus ist dieSchule dabei, eine Stiftung ins Leben zurufen, um die Beteiligung der Unterneh-men an den Verwaltungsorganen derSchule zu ermöglichen.

Die Politik der Förderung von Unter-nehmensgründungen im Berufsbildungs-zentrum Somorrostro geht auf den Besucheines Gründerzentrums für Kleinstunter-nehmen in Turin zurück, der 1992 vonder Verwaltung der Provinz Vizcaya or-ganisiert worden war. Nach diesem Be-such beschloss das Institut, den Unterneh-mergeist zu fördern und die Gründungvon Unternehmen durch die Schüler zuunterstützen.

„Der Unternehmergeist ist ein Wert fürjede Gesellschaft. Wenn wir diesen Geistfördern, können wir erreichen, dass dieSchüler neue Unternehmen gründen unddass diejenigen, die in anderen Betriebenarbeiten, dies als Menschen mit unterneh-merischen Fähigkeiten tun. Neben derFörderung dieses Geistes wollen wir auchdie reale Unternehmensgründung voran-treiben. Es scheint uns der Einsatz und

(22) In der konsultierten Literatur ha-ben wir nur einen ausdrücklichenHinweis auf eine ähnliche Politik ge-funden, nämlich bei der ‘StanfordUniversity’. Die Universität verleihtGeräte und Ausrüstungsgegenstände,wenn diese gerade nicht gebrauchtwerden, wobei die Unternehmens-gründer die dabei anfallenden Be-triebskosten zahlen (Sandelin, J.,2000).

(23) Im Gesamtnetzwerk der Berufs-bildungszentren des Baskenlandessind die Bildungsstätten organisiert,die neben den Bildungsabschnittender staatlich geregelten Berufsausbil-dung auch Maßnahmen der Weiterbil-dung und Umschulung anbieten.

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der Weg einer Minderheit zu sein, denndie Mehrheit der Menschen wünscht sicheine angestellte Tätigkeit in einem Unter-nehmen, aber es ist auch ein Qualitäts-sprung“ (Ruiz, M.).(24)

Das Förderprogramm für Unternehmer,das in Somorrostro betrieben wird, kannauf die Mitarbeit verschiedener Einrich-tungen der Wirtschaftsförderung in derProvinz Vizcaya zählen (DEMA, Handels-kammer, CEDEMI und BBK Gaztelan-bidean), und nach den Angaben des Aus-bildungszentrums hat es zwischen 1995und 2000 zur Gründung von rund 20 Un-ternehmen und zur Schaffung von 120Arbeitsplätzen beigetragen.

Die im Ausbildungszentrum Somorrostroverfolgte Methode zur Förderung derUnternehmensgründung beinhaltet dreiPhasen: Motivation, Ausbildung, Start desUnternehmens.

1.- Motivation: In dieser Phase soll derUnternehmergeist gefördert werden. Hier-für besuchen die Schüler Kurse und Ver-anstaltungen, die von Unternehmern, Mit-arbeitern des Zentrums oder solchen Ein-richtungen abgehalten werden, mit denendas Zentrum Beziehungen unterhält. Ne-ben diesen Veranstaltungen organisiert dasZentrum Wettbewerbe für Geschäftsideenund versucht, dass auch Schüler oderehemalige Schüler, die sich selbständiggemacht haben, über ihre Erfahrungenberichten, sofern diese Erfahrungsberichteeinen größeren Motivationseffekt bieten.Nach dieser Motivationsphase sind unge-fähr zehn Prozent der Schüler bereit, indie nächste Phase der Ausbildung einzu-steigen.

Gegenwärtig ist das AusbildungszentrumSomorrostro dabei, diese Motivations-phase von Grund auf neu zu gestalten,um ab dem Schuljahr 2002/2003 einedurchgängige Veranstaltung unter derBezeichnung „Unternehmerworkshop“anzubieten, mit der bereits in jungen Jah-ren der Unternehmergeist der Schülergeschult werden soll.

„Wir glauben, dass man nicht erst im letz-ten Jahr der Berufsausbildung oder desStudiums damit beginnen sollte, den Un-ternehmergeist zu schulen. Wir sind da-gegen der Überzeugung, dass die unter-nehmerische Fähigkeit des Menschen be-

reits mit Beginn der obligatorischenSekundarschule (ESO) ausgebildet werdensollte. Nachdem wir andere interessanteErfahrungen kennengelernt haben, habenwir einen Lehrplan entworfen, der eineMethodik zur Förderung des Unterneh-mergeistes verfolgt, und zwar bereits abdem Alter von 12 bis 13 Jahren. Die un-ternehmerische Ausbildung muss dannnach und nach verstärkt werden, so dassdie jungen Leute im Alter von 20 Jahrenbereits Menschen mit Unternehmergeistsind, die, wenn sie dies wollen, mit Hilfeder entsprechenden Ausbildung und dererforderlichen Ressourcen eine Geschäfts-idee in die Tat umnsetzen können“ (Ruiz,M.).(25)

Dieser „Unternehmerworkshop“ umfasst18 Unterrichtsstunden, die Erarbeitungund gemeinsame Erörterung von Unter-nehmensprojekten sowie die Ausarbei-tung einer Idee, die dann in späterenAusbildungsphasen weiterentwickelt wer-den kann.

2.- Ausbildung: Die Schüler, die nachAbschluss der Motivationsphase mit demProgramm fortfahren wollen, erhalten einetheoretische und praktische Ausbildung,es werden Machbarkeits- und Markt-studien durchgeführt, ein Finanzierungs-plan erstellt, usw.

„Jedes Jahr bilden wir rund 50 Personenaus und führen zwölf oder dreizehnMachbarkeitsstudien durch. Insgesamthaben wir wohl 80 bis 100 Machbarkeits-studien durchgeführt, und von den ge-gründeten Unternehmen bestehen etwa 14bis heute fort“ (Ruiz, M.).(26)

3.- Start des Unternehmens: Wie in an-deren Ausbildungszentren auch, machenes die Jugend und die kaum vorhandeneBerufserfahrung der Gründer erforder-lich, diese umfassender zu betreuen, alses in anderen Einrichtungen der Fall ist.Außerdem erleichtern die Verbindungendes Zentrums zu den Unternehmen desUmfeldes die Geschäftstätigkeit derGründer und die Akquisition der erstenKunden.

„Wir begleiten die neu entstandenen Un-ternehmen drei bis fünf Jahre lang, wasandere Einrichtungen normalerweise nichttun. Die Begleitung besteht für uns dar-in, dass wir ihnen Kunden verschaffen.

(24) Interview mit Mikel Ruíz, Direk-tor des Berufsbildungszentrums So-morrostro, vom 23.7.2001.

(25) Ibidem

(26) Ibidem

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Später müssen sie dann in der Lage sein,diese zu halten. Von der Schule aus ver-suchen wir, ihnen einen ersten Kunden-stamm unter den rund 500 Unternehmenaufzubauen, mit denen wir regelmäßigeBeziehungen unterhalten“ (Ruiz, M.).(27)

Viele der Geschäftsideen, die in Somor-rostro zu Unternehmensgründungen ge-führt haben, kamen nicht von den Grün-dern selbst, sondern auf Anregung derAusbildungsstätte zustande. Einige dieserIdeen erwuchsen aus den Beziehungender Schule zu Unternehmen und öffentli-chen Einrichtungen des Umfeldes:

„Bei unserer formellen und informellenVorausschau beobachten wir, dass diegroßen, die Wirtschaft antreibenden Un-ternehmen nicht in erster Linie Personaleinstellen, sondern vielmehr Aktivitätenauslagern. Die drei großen Wirtschafts-kräfte in unserem Umfeld sind PETRO-NOR, der Hafen von Bilbao und das IGCC-Kraftwerk. Diese Projekte, zusammen mitdem der soziokulturellen Animation des„Bilbao Turístico“, wofür wir uns verstärkteinsetzen müssen, sind die vier treiben-den Kräfte der Zukunft“ (Ruiz, M.).(28)

Der Schulleitung zufolge ist das größteProblem nicht der Mangel an Ideen, son-dern die Schwierigkeit, Schüler zu finden,die das Risiko einer Unternehmens-gründung auf sich nehmen wollen.

„Wir müssen die Mentalität der Schülerändern, und das ist schwierig. Die hier-für zuständige Arbeitsgruppe verfolgt die-ses Ziel, aber sie hat Mühe, den Schülernverständlich zu machen, dass sie, wennsie sich zu dritt oder viert zusammen-schließen und eine kleine Firma gründenund zudem gut in ihrem Fach sind, vielmehr Möglichkeiten haben, Aufträge zubekommen, und sogar eine größereBeschäftigungsstabilität erreichen können,als wenn jeder für sich alleine nach einerArbeit sucht“ (Ruiz, M.).(29)

3.2.3. Die Er fahrung des Berufs-bildungszentrums Bidaso im Rahmendes Programms „URRATSBAT“

Das Berufsbildungszentrum Bidasoa inIrun (Guipúzcoa) ist eine öffentliche Ein-richtung, die staatlich geregelte Ausbil-dungen sowie Weiterbildungen und Um-schulungen anbietet. Die Einrichtung un-

terrichtet die Ausbildungsabschnitte desmittleren und höheren Grades in denBerufsfeldern: Mechanische Fertigung,Holz und Möbel, Elektrotechnik und Elek-tronik sowie Bauwesen. Sie unterhält sehrenge Beziehungen zu den Unternehmenin ihrem Umfeld, insbesondere, was dieDurchführung von Weiterbildungsmaß-nahmen betrifft.

Die Kultur des Ausbildungszentrums un-terstützt ebenfalls die Unternehmens-gründung durch seine Schüler, obwohl esdabei aufgrund seiner öffentlichen Rechts-form auf einige Schwierigkeiten stößt. DieHauptschwierigkeit liegt wohl in der ge-ringeren Arbeitsflexibilität, die verhindert,dass Mitarbeiter speziell für die Förderungneuer unternehmerischer Initiativen ein-gestellt werden. Dieses Problem stellt sichebenfalls in den Fällen, wo ein öffentli-ches Ausbildungszentrum Forschungenoder Dienstleistungen für Unternehmenbetreiben will.

Zudem können die öffentlichen Ausbil-dungsstätten in manchen Bereichen aufgrößere Hindernisse als die privaten sto-ßen. Erfahrungen, wie etwa die des pri-vaten Berufsbildungszentrums Lea Artibai,wo die Gründer bei ihrer Geschäftstätig-keit die Einrichtungen der Schule nutzenkönnen und die Schule selbst bis zur of-fiziellen Unternehmensgründung dieRechnungen ausstellt, dürften in eineröffentlichen Ausbildungsstätte schwierigerzu machen sein.

Angesichts der besonderen Schwierigkei-ten dieser Ausbildungsstätten hat das bas-kische Bildungsministerium das ProgrammURRATSBAT entwickelt, um Betriebs-gründungen durch Absolventen der bei-den Ausbildungsabschnitte aus den öffent-lichen Berufsbildungzentren heraus zufördern. An dem Programm sind verschie-dene Bildungsstätten des öffentlichenNetzwerks IKASLAN beteiligt: die Aus-bildunsgzentren Bidasoa, Tolosa, Bergaraund Usurbil in Guipúzcoa, Barakaldo undErandio in der Provinz Vizcaya, undschließlich Mendizabala in der ProvinzAlava. Um die Gründer aus diesen Schu-len zu unterstützen, gibt es eine definier-te Standardmethode und eine eigens hier-für zuständige Person. Jede Schule hat dasZiel, pro Jahr zwei Gruppen mit jeweilsdrei bis vier Schülern auszubilden. Im letz-ten Trimester absolvieren diese Schüler

(27) Ibidem

(28) Ibidem

(29) Ibidem

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eine Phase der Motivation und Entwick-lung von Geschäftsideen. Das URRATS-BAT-Programm und die Schulen un-terstützen die Gründer durch ihre räumli-che und technische Infrastruktur, solan-ge sich das Projekt noch in der Probe-phase befindet. Dabei wird angestrebt,dass sich die so gegründeten Kleinst-unternehmen im Laufe eines Jahres festi-gen und auf dem Markt behaupten.

Von allen Erfahrungen der Betriebs-gründungen durch Schüler, die aus demURRATSBAT-Programm hervorgegangensind, ist die des AusbildungszentrumsBidasoa besonders erwähnenswert. Nicht,weil hier besonders viele Unternehmengegründet wurden, sondern aufgrund dergroßen Zahl an Arbeitsplätzen, die in dendrei von der Schule geförderten Unter-nehmensinitiativen enstanden sind.

Abbildung 5:Genauso wie bei den untersuchten Bei-spielen der Ausbildungszentren Somor-rostro und Lea Artibai, ist die treibendeKraft des Berufsbildungszentrums Bidasoaund der Unternehmen des Umfeldes dieGrundlage für diese Unternehmens-projekte. Ein gutes Beispiel hierfür ist dasUnternehmen, das im Jahr 2000 gegrün-det wurde, um für den Küchenmöbelher-steller XEY zu arbeiten.

„Das Ziel der sieben Schreiner war es, eineFirma für die Montage von Küchenmöbelnzu gründen. Die Schule setzte sich mit derMöbelfirma XEY in Verbindung, um einesolche Firma zu gründen. XEY nahm dieSchüler einige Monate lang auf und zeig-te ihnen, welche Qualitätsstandards ge-fordert wurden, wie die fertig montiertenMöbel aussehen sollten, usw. Anschlie-ßend gründeten sie eine Sachgemeinschaftund begannnen, für XEY zu arbeiten, in-dem sie in vielen Wohnblöcken verschie-dener spanischer Städte Küchen montier-ten“ (Mujika, I).(30)

Angesichts der Schwierigkeit, Schüler ausBerufen, in denen Vollbeschäftigungherrscht, zur Gründung eines eigenenUnternnehmens zu motivieren, hält dieLeitung des Ausbildungszentrums Bidasoadiese Aufgabe für schwierig. Doch genau-so wie die beiden anderen untersuchtenAusbildungsstätten setzt sie auf denNachahmungseffekt, den die erfolgreichenGründer unter den übrigen Schülern aus-lösen. So kann der Erfolg vorhergehen-

der Erfahrungen Argumente liefern, umneue Gründer zu überzeugen.

„Fast allen Schülern wird nach denBetriebspraktika eine Arbeitsstelle ange-boten. Unter diesen Umständen sind dieSchüler nur schwerlich bereit, ein eige-nes Unternehmen zu gründen oder, wiein dem oben beschriebenen Fall derMöbelmonteure für die Firma XEY, dreiMonate lang unentgeltlich in der Firmades Kunden zu arbeiten und sich dortausbilden zu lassen. Doch ihr Erfolg unddie Tatsache, dass jeder von ihnen in derletzten Zeit zwischen 3000 und 3600 Euromonatlich verdient hat, was viel mehr alsdas ist, was sich in einer angestellten Tä-tigkeit verdienen lässt, sind ein Argument,das wir anderen Schülern entgegenhaltenkönnen“ (Iruretagoiena, J.I.).(31)

Der Rückgriff auf Spinoff-Förderungenoder die Zusammenarbeit mit bestehen-den Unternehmen bei der Gründung neu-er Firmen hat große Vorteile, wie anhandder verschiedenen untersuchten Erfahrun-gen aufgezeigt wurde. Von einem einzi-gen Kunden abhängig zu sein, stellt al-lerdings auch ein großes Risiko für dasjunge Unternehmen dar. Im Falle der imAusbildungszentrum Bidasoa gegründetenFirma wurde dieses Problem noch da-durch verstärkt, dass die Firma XEY ei-nen Exklusivvertrag forderte:

„Zunächst verlangte XEY absolute Treuezu seinem Unternehmen. Die Firma be-gründete dies damit, dass sie viel in dieAusbildung der sieben Gründer investierthabe, dass sie bei dieser Ausbildung ihrebesten Mitarbeiter eingesetzt habe, undsie erlaubte es ihnen nicht, für andereHersteller Küchen zu montieren. Mittler-

Abbildung 5

Unternehmensgründungen im BerufsbildungszentrumBidasoa

1997 2000 2001

Anzahl der gegründeten Unternehmen 1 1 1

Anzahl der geschaffenen Arbeitsplätze 22 7 4

Quelle: eigene Erstellung

(30) Interview mit Iñaki Mujika, Direk-tor des Berufsbi ldungszentrumsUsurbil und des Verbandes öffentli-cher Bi ldungss tä t ten IKASLANGIPÚZKOA, vom 26.07.2001.

(31) Telefonisches Interview mit JoséIgnacio Iruretagoiena, Direktor desBerufsbildungszentrums Bidasoa, vom10.12.2002.

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weile wird dies etwas lockerer gesehen“(Iruretagoiena, J.I.)(33).

In einem anderen Unternehmensprojekt,das vom Ausbildungszentrum Bidasoavorangetrieben wurde, als das URRATS-BAT-Programm noch nicht existierte, ent-deckte das Zentrum selber eine Geschäfts-lücke, entwickelte die Idee weiter undorganisierte eine Umschulungsmaßnahme,um Arbeitslosen aus der Region zu einerselbständigen Existenz zu verhelfen:

„Wir stellten fest, dass viele der Sofas, diein den großen Möbelhäusern verkauftwerden, in Andalusien hergestellt wurden,und wir dachten, dass man sie genausogut hier herstellen könnte. Wir organisier-ten einen Lehrgang für Arbeitslose aus derRegion. Sechs der Teilnehmer, ältere Men-schen mit geringen Chancen auf dem Ar-beitsmarkt, gründeten eine Genossen-schaft, Tapicerías Txingudi, und verleg-ten sich auf die Herstellung von maß-gefertigten Sofas, vor allem für Jachtenund Schiffe, und sie hatten Erfolg. Siehaben sich allmählich vergrößert, inzwi-schen sind zwei weitere Firmen aus derErstgründung entstanden, und sie beschäf-tigen mittlerweile 22 Mitarbeiter“ (Irureta-goiena, J.I.)(34).

Zu diesen beiden Firmen kommt eine drit-te, GEOTOP, hinzu, die Ende 2001 vonvier Schülern gegründet würde. Sie bie-tet geodätische und topografische Dienst-leistungen an und hat kürzlich eine derdrei vom baskischen Jungunternehmer-verband AJEBASK im Rahmen des „PremioJoven Emprendedor del País Vasco“ ver-gebenen Auszeichnungen erhalten. DasAusbildungszentrum Bidasoa unterstütztdieses und weitere, in der Planung be-findliche Projekte, indem es den Grün-dern die Beratung durch seine Mitarbei-ter anbietet und ihnen ein Jahr lang dieEinrichtungen und Materialien der Schu-le zur Verfügung stellt.

4. Schlussfolgerungen

1.- Der Entwicklungsgrad der Programmezur Unterstützung der Unternehmens-gründung ist in den drei untersuchtenAusbildungsstätten sehr unterschiedlich,und das Ergebnis, gemessen an der An-zahl der gegründeten Unternehmen undvor allem ihrer Qualität (Betriebsgröße,

Beschäftigung von Mitarbeitern, Umsatz,Konsolidierung auf dem Markt) variiert inAbhängigkeit der Rolle, der Bedeutungund der Mittel, die die Bildungsstätten denGründungsprogrammen einräumen bzw.zur Verfügung stellen.

2.-Auch wenn die Förderung des Unter-nehmergeistes in den meisten der unter-suchten Berufsbildungszentren nicht un-mittelbar zu Unternehmensgründungenführt, so kann diese Förderung doch an-dere positive Effekte haben. Zum einenhat die Förderung der unternehmerischenKultur mit Sicherheit eine positive Aus-wirkung auf die Unternehmens- undInnovationsfähigkeit der Schüler an ihrenkünftigen Arbeitsplätzen als Angestellte.Und selbst wenn die Absolventen einerBerufsausbildung eine in der Schule ent-wickelte Geschäftsidee nicht unmittelbarin die Tat umsetzen, so ist es doch gutmöglich, dass die positiven Einstellungenzur Unternehmensgründung, die sie ent-wickelt haben, zu einem späteren Zeit-punkt neue Unternehmen entstehen las-sen, wenn die Absolventen reifer an Er-fahrungen sind.

3.- Der bedeutendste Faktor bei der För-derung des Unternehmergeistes ist dieErstellung von Hilfsmitteln, mit denen dieSchüler der Ausbildungsstätte die ehema-ligen Schüler, die im Begriff sind, einUnternehmen zu gründen oder bereits einerfolgreiches Unternehmen gegründethaben, beobachten, von ihnen lernen, ihreLeistungen beurteilen und nachahmenkönnen. Der Motivationseffekt dieser Er-fahrungen aus der Nähe ist größer als der,der sich mit den von den meisten deruntersuchten Bildungsstätten angewand-ten Methoden erreichen lässt: Unterrichts-reihen oder Veranstaltungen mit Lehrern,Mitgliedern von Entwicklungsagenturen,öffentlichen Gründerzentren oder Unter-nehmerverbänden.

4.- Die Infrastrukturen, „Brutstätten“ fürJungunternehmen oder Bildungsprogram-me für Unternehmensgründer, könnenund werden von anderen Bildungsstättenleicht kopiert. Einige Faktoren aber, dieunserer Ansicht nach wichtiger sind, umden Erfolg der untersuchten Initiaven zuerklären, sind sehr viel schwieriger nach-zuahmen. Diese Faktoren dürften derAufbau von Netzwerken mit Unternehmenund Einrichtungen sein, die diese Initiati-

(33) Ibidem

(34) Ibidem

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ven unterstützen, sowie die Schaffungeiner das Unternehmertum begünsti-genden Kultur unter den Lehrern, denLeitern und den Schülern der Bildungs-einrichtung.

5.- Die Erfahrungen von Bildungsstättenwie Lea Artibai, Somorrostro oder Bidasoazeigen, dass es möglich ist , Unter-nehmensprojekte zu verwirklichen, diezahlreiche Arbeitsplätze und Wohlstandentstehen lassen, indem sie durch dieAusrüstung und die Infrastruktur der Aus-bildungsstätten und deren enge Verbin-dung zu den Unternehmen des Umfeldesunterstützt werden. Durch die Nutzungder schulischen Ausrüstung können dieUnternehmensgründer die Machbarkeitihrer Projekte tes ten, ohne gle ichkostpielige und riskante Investitionen tä-tigen zu müssen. Durch die Beziehung derAusbildungstätte zu den Unternehmenlässt sich feststellen, wo bei den Unter-nehmen ein noch unbefriedigter Bedarfund Auftragsmöglichkeiten bestehen, sodass die neu entstandenen Unternehmeneinen tatsächlich vorhandenen Bedarfbedienen und von Beginn an bedeuten-de Kunden haben. Wir glauben, dass die-se Erfahrungen anderen an der Grün-dungsförderung interessierten Berufs-bildungszentren und Hochschulen alsGrundlage dienen können.

6.- Das Profil der Schüler, die eine staat-lich geregelte Berufsausbildung absolvie-ren, ist aufgrund ihrer Jugend und ihresMangels an Erfahrung für das Entstehenneuer Unternehmen nicht sehr geeignet.Außerdem wird die Motivation zur Selb-ständigkeit durch den hohen beruflichenEingliederungsgrad der Absolventen einerBerufsausbildung zusätzlich erschwert.Auch wenn einige Erfahrungen zeigen,dass diese Motivation möglich ist und eserreicht werden kann, dass einige jungeLeute Unternehmen gründen, so machenverschiedene der befragten Bildungsstät-ten ihr Förderangebot mit Erfolg auch fürältere Unternehmensgründer zugänglich,vornehmlich für ehemalige Schüler mit Be-rufserfahrung oder für Teilnehmer an Um-schulungsmaßnahmen. Diese Öffnung fürältere Gründer wäre auch bei den univer-sitären Förderprogrammen zu empfehlen.

7.-Die Berufsbildungszentren mit einerSchülerschaft, deren Profil für die Füh-rung eines Unternehmens ungeeignet er-

scheint, die aber eine tragfähige Ge-schäftsidee haben, können den Anstoß füreine Betriebsgründung geben und dieanschließende Beschäftigung dieser Schü-ler ermöglichen, indem sie auf die Bei-spiele einiger Universitäten wie Glasgow,Stanford, Chicago oder Barcelona zurück-greifen. Hat ein Mitglied dieser Hochschu-len eine gute Gschäftsidee, verfügt abernicht über die erforderlichen unterneh-merischen Fähigkeiten, so unterstützt dieHochschule die Gründung des Unterneh-mens, engagiert hierfür aber ein Manage-ment-Team.

8.-Besonders interessant erscheint uns, diein einigen untersuchten Ausbildungs-stätten gemachten Spin-off-Erfahrungenzu exportieren. Zwar wurden diese Erfah-rungen in Zusammenarbeit mit expandie-renden Firmen gemacht, und es wurdendabei neue Produkte und Dienstleistun-gen entwickelt, doch ergibt sich aus derLiteratur zum Thema Spin-off, dass sichInitiativen dieses Typs, allerdings mit ei-nem defensiveren Profil, für Unternehmenin Krisensituationen eignen können. AlsAlternative zur Entlassung vieler hochqua-lifizierter Mitarbeiter mit einer langjähri-gen Berufserfahrung in verschiedenenBereichen, die derzeit in der Krise stek-ken, können die öffentlichen Einrichtun-gen, welche die Unternehmensgründungfördern, zusammen mit den Ausbildungs-stätten und den betroffenen Unternehmenden Anstoß für Programme geben, dieeinen Anreiz und eine Motivation für Aus-gründungen durch diese Mitarbeiter dar-stellen.

9.- Manche Förderprogramme für Unter-nehmensgründungen in Berufsbildungs-zentren, wie etwa das URRATSBAT-Pro-gramm der baskischen Regierung, wen-den sich vorrangig an Gründer aus Fach-richtungen, die größere Schwierigkeitenauf dem Arbeitsmarkt haben. Nach unse-rer Auffassung ist dies nicht der besteAnsatz. Wir glauben, dass sich die Förde-rung und Unterstützung neuer unterneh-merischer Initiativen auf das Marktpoten-zial und die Fähigkeit, starke und wett-bewerbsfähige Firmen ins Leben zu ru-fen, gründen muss, und nicht nur auf dieUnterstützung von Gründern mit geringenVermittlungschancen auf dem Arbeits-markt. Wollen die Ausbildungsstättenwirklich auf die Selbständigkeit setzenund die Schüler für die Gründung eines

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eigenen Unternehmens gewinnen, so hal-ten wir es nicht für angebracht, diesenWeg als eine Option zu präsentieren, die

sich vorwiegend für Schüler aus Fachrich-tungen eignet, die auf dem Arbeitsmarktnicht gefragt sind.

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Schwierigkeiten undAussichten der berufli-chen Bildung in Afrika– die Erfahrungen vonMISEREOR

ThomasGerhards

Misereor

Die vorliegenden Überlegungen widmensich der Frage der beruflichen Bildung inAfrika und den Erfahrungen und Perspek-tiven, die sich aus Sicht einer Spenden-organisation der katholischen Kirche inDeutschland ergeben. Für alle christlichenKirchen und seit Beginn der Missionsar-beit in Afrika spielte und spielt die beruf-liche Bildung eine entscheidende Rolle.Es waren die Kirchen, die in Afrika dieschulische Bildung eingeführt haben. DerEinfluss, den die europäischen Länder undihre Missionare während der Kolonialzeitauf das Berufsbildungssystem in Afrikaausgeübt haben, ist noch immer deutlicherkennbar und häufig ein Grund für dieProbleme, die sich heute zeigen: Franzö-sische Missionare haben die französischeSprache und Literatur, französisches De-sign und französische Berufe eingeführt.Britische Missionare haben britischeSchuluniformen, Londoner „City andGuilds“-Prüfungen sowie britische Werk-zeuge und Technik importiert. Und deut-sche Glaubenskongregationen habendeutsche Handwerksberufe, deutscheTechnologien und deutsche Bau- undKonstruktionsverfahren eingeführt. Groß-britannien und Frankreich haben außer-dem ihr Berufsbildungssystem nach Afri-ka exportiert. Und die postkoloniale An-passung dieser Systeme an die Be-dürfnisse der afrikanischen Gesellschaftund Wirtschaft ist bis heute nicht abge-schlossen. Noch immer spielen die christ-lichen Kirchen bei der Bereitstellung be-ruflicher Bildungsangebote in Afrika einezentrale Rolle. In Tansania beispielswei-se machen die beruflichen Bildungs-maßnahmen, die die christlichen Kirchenin ihren Einrichtungen anbieten, 31% desgesamten Berufsbildungsangebots imLand aus (Berufsbildungsbehörde, 1999).

In Kamerun zeichnen die Kirchen für rund13 % des Berufsbildungsangebots verant-wortlich (Winterstein, 1989).

1. MISEREOR stellt dienicht-formale Bildung inden Mittelpunkt

Die Deutsche Bischofskonferenz riefMISEREOR 1958 als Werk „für den welt-weiten Kampf gegen Hunger und Krank-heit“ ins Leben. MISEREOR bietet allenwohlmeinenden Menschen eine partner-schaftliche Zusammenarbeit an, um dieEntwicklung zu fördern, die Armut in derWelt zu bekämpfen, Menschen vom Un-recht zu befreien, Solidarität mit den Ar-men und Verfolgten zu üben und daranmitzuwirken, dass „Eine Welt“ entsteht.Die Unterstützung, die MISEREOR anbie-tet, soll die Bereitschaft und Fähigkeit zurSelbsthilfe fördern und den Weg für dienachhaltige Verbesserung der Lebensbe-dingungen armer Menschen zu ebnen.

MISEREOR vertritt die Auffassung, dassBildung sowohl im Rahmen des Schulsy-stems als auch außerhalb dieses Systemsvermittelt wird. Wir treffen in diesem Zu-sammenhang eine Unterscheidung zwi-schen formaler, nicht-formaler und infor-meller Bildung(1). MISEREOR betrachtet dieformale Bildung, beispielsweise die schu-lische Ausbildung, als zentrale Aufgabe desStaates. Die informelle Bildung ist in Afri-ka von vergleichsweise großer Bedeutung,bleibt im Rahmen der akademischen Dis-kussion aber häufig unberücksichtigt. Siefindet jeden Tag in den Familien, örtlichenGemeinschaften, Unternehmen und Mas-senmedien statt. Nicht-formale und infor-

Die beruflichen Bildung inAfrika befindet sich in der Kri-se. Eine Berufsausbildung istlängst keine Garantie mehr fürein eigenes Einkommen undeinen Arbeitsplatz. Die beruf-lichen Bildungseinrichtungenin Afrika stehen den Armennur selten offen und bildenhäufig am Bedarf des Arbeits-marktes vorbei aus. Auch sindsie nicht in der Lage, Aus-bildungsangebote für dengrößten Teil der afrikanischenJugend bereitzustellen und an-gesichts kaum verfügbarer öf-fentlicher Zuschüsse ihre lau-fenden Kosten selbst zu de-cken. Es werden aber auchvielversprechende Konzepterealisiert, wie das Beispiel deskatholischen Ausbildungszen-trums CTAP im Tschad zeigt:Gestützt auf das Subsidiaritäts-prinzip, das der Verfasser alsLeitprinzip für die beruflicheBildung vorschlägt, bietet dasCTAP in Zusammenarbeit mitörtlichen Gewerbebetriebenalternierende Ausbildungs-maßnahmen an. Es fördert dieinformelle Lehrlingsausbil-dung und stellt für Betriebe vorOrt Dienstleistungen undUnterstützungsangebote be-reit. Das CTAP wird nach Arteines Unternehmens geführtund ist daher in der Lage, dengrößten Teil seiner laufendenKosten selbst zu erwirtschaf-ten. Kirchliche Berufsbil-dungseinrichtungen müssenvon der angebots- zur nach-fragegesteuerten Ausbildungübergehen, die jungen Men-schen in Afrika anstelle vonBefähigungsnachweisen einEinkommen und einen Ar-beitsplatz sichert.

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melle Bildung sind insbesondere mit Blickauf die armen Zielgruppen von größterWichtigkeit. Im überwiegenden Teil derafrikanischen Ländern bleibt das formaleberufliche Bildungsangebot den meistenjungen Menschen verschlossen, weil sie alsSchulabbrecher nicht berechtigt sind, eineformale Berufsausbildung zu absolvieren(Lohmar-Kuhnle, 1994, S. 131). In Tansa-nia beispielsweise erwerben 33% derjeni-gen, die die Primarschule besuchen, kei-nen Abschluss der ISCED-Stufe 7. Nur 16%von ihnen setzen den Schulbesuch in derSekundarstufe fort, und die meisten ver-lassen den Sekundarbereich ohne Ab-schluss (Berufsbildungsbehörde 1998, S. 3).

Aus diesen Gründen konzentriert sichMISEREOR als Hilfswerk mit einer klarenAusrichtung auf die Armen auf den Be-reich der nicht-formalen Bildung (Mise-reor, 2002). Während die nationalen Lehr-pläne so beschaffen sind, dass sie nichtadäquat an die verschiedenen lokalen Si-tuationen in Afrika angepasst werdenkönnen, kann das nicht-formale Bildungs-angebot dem Bedarf auf lokaler Ebeneangepasst werden und zeichnet sich hin-sichtlich Methodik, örtlicher Sprache, Ziel-setzungen, Zulassungsvoraussetzungen,Zeitplanung, Lernort und Lernalter durchein hohes Maß an Flexibilität aus. Mitnicht-formalen Bildungsangeboten sindarme oder gefährdete, arbeitslose oderunter Kriegsfolgen leidende junge Men-schen besser zu erreichen. Bildungsange-bote dieser Art eröffnen den MillionenSchulabbrechern in Afrika neue Perspek-tiven.

2. Das Konzept derBerufsbildungszentren

Berufliche Bildung wird im Rahmenkirchenbezogener Projekte zumeist in sogenannten „Berufsbildungszentren“ ver-mittelt. Es ist nützlich, das in Afrika weitverbreitete Bildungsmodell der „Berufs-bildungszentren“ an dieser Stelle genau-er unter die Lupe zu nehmen: Unabhän-gig davon, welche Bezeichnungen dieseEinrichtungen im Einzelfall tragen, han-delt es sich um einen Komplex mit Werk-stätten, Büros und Unterrichtsräumen, derin den meisten Fällen durch eine Maueroder einen Zaun von der Außenwelt ab-geschirmt ist. In der „Vollinternats-Vari-

ante“ umfassen diese Zentren zudem Häu-ser für die Mitarbeiter, eine Küche, einenSpeisesaal sowie Schlafsäle. 20 bis 500Auszubildende verbringen dort drei bisvier Jahre ihres noch jungen Lebens. So-wohl erfolgreiche Absolventen des Primar-oder Sekundarschulwesens als auchBildungsabbrecher werden zur Ausbil-dung in diesen Zentren zugelassen. Ineinem geschützten Umfeld dieser Artwerden die Auszubildenden erfolgreichdarauf vorbereitet, eine Prüfung abzule-gen und einen Befähigungsnachweis zuerwerben. Anschließend werden die Ab-solventen, nun Inhaber eines einschlä-gigen Befähigungsnachweises, auf den Ar-beitsmarkt entlassen. Damit hat das Zen-trum seinen Auftrag erfüllt und setzt sei-ne Bildungsarbeit mit Kursen für neueAuszubildende fort, die aus den Reihender zahlreichen Bewerber rekrutiert wer-den, die auf Zulassung warten. Fragt mannach dem Erfolg der erteilten Ausbildung,so wird einem die Zahl der erfolgreichenAbsolventen genannt, die den Befä-higungsnachweis erworben haben, oderder Leiter des Zentrums führt einige derArbeiten vor, die die Ausbildungs-teilnehmer verfertigt haben. Wenn mansich mit einer gewissen Hartnäckigkeitdanach erkundigt, was aus den Ehemali-gen geworden ist, so löst dies manchmaleine gewisse Verlegenheit aus: „Naja“,bekommt man beispielsweise zu hören,„zwei Absolventen arbeiten unseres Wis-sens nach in Soundso, und drei hat dasZentrum selbst als Ausbilder angestellt.Über den Verbleib der Übrigen ist leiderkaum etwas bekannt“. In der Regel gibtes keine Studien oder Statistiken über denweiteren Werdegang der Absolventen.

Vor zwanzig Jahren schrieb das Konzeptder Berufsbildungszentren in Afrika Er-folgsgeschichte: Nach Abschluss der Aus-bildung fanden alle Absolventen eine Stel-le in der Industrie, in staatlichen oder inkirchlichen Einrichtungen, und dies ingroßer Zahl. In Zeiten großer Nachfragestand die Produktion der Ausbildungszen-tren nicht im Wettbewerb mit lokalenMärkten und trug zudem zur Finanzierungder laufenden Kosten bei. Häufig betei-ligte sich auch der Staat an den Gehälterndes Ausbildungspersonals.

Aber die Situation hat sich dramatischverändert, insbesondere in ländlichenGebieten und in den kleinen und mittle-

(1) Das formale Bildungsangebot fußtauf einem offiziell anerkannten natio-nalen Lehrplan und wird im Rahmendes Schulsystems bereitgestellt, bei-spielsweise durch technischen Fach-schulen. Nicht-formale Bildung wirdaußerhalb des Schulsystems vermit-telt; die einschlägigen Lehrpläne ori-entieren sich an dem Bedarf, der auflokaler Ebene besteht. Informelle Bil-dung schließlich wird nicht systema-tisch erworben, sondern ist das Er-gebnis von Praxislernen (Learning bydoing) oder einer Ausbildung am Ar-beitsplatz; Bildungsabschlüsse undBestimmungen gibt es nicht.

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ren Städten. Für den Einzelnen wurde esimmer schwieriger, im formalen Sektoreine Anstellung zu finden. In Afrika ha-ben Kleinstbetriebe in den vergangenenJahren deutlich mehr Arbeitsplätze ge-schaffen als der formale Industriesektor.Die Absolventen von Berufsbildungs-zentren finden immer seltener einen Job.Das Ausbildungsprogramm und die Aus-bildungsbedingungen entsprechen nichtmehr den Realitäten am Arbeitsmarkt. DieBerufsbildungszentren waren gut geeig-net, um qualifizierte Arbeitskräfte für dieIndustrie auszubilden. Sie haben jedochSchwierigkeiten, junge Menschen auf dieSelbständigkeit oder die Arbeit in Klein-und Kleinstbetrieben vorzubereiten.

Dies alles macht die Notwendigkeit deut-lich, dieses Berufsbildungskonzept, das inder Vergangenheit so erfolgreich war, andie neuen Gegebenheiten anzupassen.

3. Die berufliche Bildungin Afrika in der Krise

Die UNESCO verweist in diesem Zusam-menhang auf mehrere Aspekte der Krise:auf die Kostenproblematik und derenFolgen, auf die mangelnde Relevanz derAusbildung und auf das Problem man-gelnder Gerechtigkeit (Grierson 1997, S.11f).

3.1 Das Problem mangelnder Gerech-tigkeit

Berufliche Bildungsprogramme sind häu-fig nur schwer zugänglich, insbesonderefür die Ärmsten der Armen und für Frau-en. Für die Menschen, die am Rande derGesellschaft stehen, erweisen sich dieUnterrichtssprache, die theoretische Aus-bildung im Klassenzimmer, lange Ausbil-dungszeiten, Gebühren und Alters-beschränkungen häufig als Zugangs-barrieren. Wie soll sich eine arme Fami-lie den Luxus leisten können, die lei-stungsfähigsten und kräftigsten Familien-mitglieder für mehrere Jahre auf eine tech-nische Fachschule oder in ein Berufs-bildungszentrum zu schicken und auchnoch dafür zu bezahlen – und dies, ohnedass gewährleistet ist, dass die Absolven-ten nach der Ausbildung überhaupt eineAnstellung finden? Berufliche Bildungsan-gebote für die Ärmsten der Armen müs-

sen anders aussehen. Häufig habenSpendenorganisationen das Ausbildungs-programm ursprünglich als Hilfsangebotfür die Armen finanziert, im Verlauf derJahre ergab sich dann jedoch wegen desguten Rufs, den die betreffende Aus-bildungseinrichtung genoss, eine neueSituation: Die Zahl der Bewerber nahmerheblich zu und das Bildungsniveausteigt, weil die Ausbildungseinrichtungunter den Bewerbern diejenigen auswäh-len kann, die über die besseren Eingangs-qualifikationen verfügen. Angehörige derMittelschicht, Lehrer und Verwaltungsan-gestellte aus teilweise weit entferntenGebieten möchten ihre Kinder in der be-treffenden Einrichtung ausbilden lassenund sind auch bereit, höhere Ausbildungs-gebühren zu entrichten. Als Ergebnis die-ser Entwicklung ist den Armen der Zu-gang zu dieser Ausbildung sehr häufigvollständig versperrt.

3.2 Mangelnde Relevanz der Ausbil-dung

Das Ausbildungsangebot der Berufsbil-dungszentren deckt sich immer wenigermit den Kompetenzen, die im Arbeitsle-ben tatsächlich benötigt werden. Ein kras-ses Beispiel dafür begegnete mir in derDemokratischen Republik Kongo: In ei-nem sehr ländlichen Gebiet – die nächsteStadt lag Hunderte von Meilen entfernt –besuchte ich ein kleines Dorf. Und ob-wohl der nächste Stromanschluss mehr alshundert Meilen entfernt war, vermittelteeine kleine Sekundarschule im Ort eineelektrotechnische Ausbildung. Gebotenwurde eine theoretische Ausbildung imKlassenzimmer ohne praktische Kompo-nente. Eine Ausbildung also, die den Ab-solventen keinerlei Aussicht auf Be-schäftigung in der Region eröffnet. Unddas Schlimmste daran: Eltern, die zu denÄrmsten der Armen zählen, waren bereit,relativ hohe Schulgebühren aufzubringen,in der Hoffnung, ihren Kindern den Wegin ein besseres Leben zu bereiten. DieseSekundarschule war kein Ort der Bildung,sondern eine Stätte, die frustrierte undarbeitslose Jugendliche hervorbringt.

Untersucht man, für welche Berufe dieberuflichen Bildungseinrichtungen in Afri-ka ausbilden, so stellt man fest, dass sichfast alle Partner von MISEREOR auf einrecht schmales Spektrum von Kompeten-zen konzentrieren. Ausgebildet werden

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Maurer, Schreiner, Schlosser und Schnei-der. Hier stellt sich die Frage, ob dieseBerufe für eine zeitgemäße Entwicklungnoch relevant sind. In manchen Fällen istder Arbeitsmarkt für diese Berufe kom-plett gesättigt, in weniger konventionel-len Berufen werden hingegen durchausFachkräfte gesucht, beispielsweise Druk-ker, Mechaniker für die Instandhaltungund –setzung von Pumpanlagen, Klemp-ner, Fahrer, Fahrradmechaniker, Fachleu-te für Solaranlagen, Fernseh-, Video- undBürogerätetechniker, Klimatechniker, Si-cherheitskräfte usw. Ganz offensichtlichbieten sich weit mehr mögliche und rele-vante Ausbildungsgebiete an.

Ein weiteres Problem wird erkennbar,wenn man die demographische Situationin Afrika betrachtet. 43% der EinwohnerAfrikas sind jünger als 15 Jahre (in Euro-pa liegt dieser Anteil bei 18%). In denafrikanischen Ländern unterhalb der Sa-hara macht die Altersgruppe der 10- bis19-Jährigen nur 23,7% der Gesamtbevöl-kerung aus (United Nations, World Popu-lation Prospects 1999). Das Relevanz-problem, das sich mit Blick auf dieBerufsbildungszentren stellt, hängt damitzusammen, dass nur ein verschwindendgeringer Teil der Millionen junger Män-ner und Frauen, die in Afrika jedes Jahrauf den Arbeitsmarkt strömen, Zugang zueinem Berufsbildungszentrum hat. Wirsollten definitiv anerkennen, dass die al-lermeisten jungen Menschen in Afrika –und ganz besonders die Armen – ihreAusbildung nicht in einer beruflichen Bil-dungseinrichtung, sondern primär „amArbeitsplatz“ erwerben.

3.3 Die Kostenproblematik und derenFolgen

Die Vermittlung beruflicher Bildung inBerufsbildungszentren ist ziemlich kosten-intensiv: Die Ausgaben für Infrastruktur,Equipment, Personal und Fixkosten sindvergleichsweise hoch. Hohe Abbrecher-quoten, die Tatsache, dass nur wenigeAbsolventen nach der Ausbildung eineStelle finden, und eine unzulänglicheAusnutzung der verfügbaren Ausbildungs-kapazitäten haben die Kosten in den letz-ten Jahren in die Höhe getr ieben.Berufsbildungszentren weisen eine Arttypischen Lebenszyklus‘ auf. Die erstenJahre nach dem Start erscheinen vielver-

sprechend: Das Zentrum ist gut ausgestat-tet, die Gebäude sind in hervorragendemZustand, die Einrichtung genießt einenguten Ruf und beschäftigt hoch motivier-te Mitarbeiter. Wenn die anfänglicheProjektfinanzierung ausläuft, müssen diemeisten Berufsbildungszentren ihre lau-fenden Kosten durch Ausbi ldungs-gebühren, durch Einnahmen aus der ei-genen Produktion oder durch staatlicheZuschüsse decken. In der Folgezeit fal-len Maschinen und Geräte nach und nachaus, Handwerkzeuge kommen abhanden,gehen kaputt oder veralten. Die Gebäu-de müssten dringend renoviert werden –aber es fehlt an Geld. Nahezu alle Regie-rungen in Afrika haben mit knappenHaushaltsmitteln zu kämpfen und die öf-fentliche Förderung für von den Kirchenbetriebene Bildungseinrichtungen wurdeweithin eingestellt. Die Spendenorgani-sationen weigern sich (und sind auchnicht in der Lage), endlos zur Finanzie-rung der laufenden Kosten beizutragen.Also steigen die Ausbildungsgebühren,was dazu führt, dass die Armen von derAusbildung ausgeschlossen werden. Einqualifiziertes Management kann erreichen,dass die Einnahmen aus der eigenen Pro-duktion oder der Bereitstellung vonDienstleistungen die laufenden Kosten derEinrichtung decken, in der Regel reichtdas Geld aber nicht, um das teure Equip-ment zu finanzieren, das ja früher oderspäter ersetzt werden muss. Dementspre-chend haben viele der Berufsbildungs-zentren, die es seit 15 bis 20 Jahren gibt,mit Finanzproblemen zu kämpfen.

4. Das Subsidiaritäts-prinzip

Wir haben konstatiert, dass sich dasBerufsbildungssystem in Afrika gegenwär-tig in der Krise befindet: Eine Ausbildungist nicht mehr länger Garant für einenArbeitsplatz. Das Bildungssystem erreichtdie Armen nicht und sein Output ent-spricht nicht mehr dem Bedarf am Arbeits-markt. Es ist nicht in der Lage, dafür zusorgen, dass die Mehrheit der jungenMenschen eine Berufsausbildung erwirbtund weder die öffentliche Hand noch dieSpendenorganisationen sind finanziell inder Lage, diese Lücke zu schließen. An-dererseits finden sich in manchen afrika-nischen Ländern vielversprechende Kon-

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zepte und Erfahrungen, die helfen kön-nen, die oben dargestellten Beschränkun-gen zu überwinden. Ich möchte in die-sem Zusammenhang vorschlagen, dasPrinzip der Subsidiarität in den Mittel-punkt der Diskussion zu rücken.

Ein zentraler Grundsatz, auf dem dieSoziallehre der katholischen Kirche fußt,ist das Subsidiaritätsprinzip. Was bedeu-tet das? Wenn eine Person auf einer be-stimmten Ebene etwas tun kann, dannsollte sie dies auch auf der betreffendenEbene tun. Nur wenn eine Person bzw.eine Personengruppe nicht in der Lageist, eine bestimmte Sache eigenständig zuerledigen, sollten gegebenenfalls überge-ordnete Ebenen oder staatliche Stellenunterstützend eingreifen. Hier ein einfa-ches Beispiel: Will jemand lernen, wieman mit einem Hammer umgeht, so kanner dies ausprobieren, kann seine Elternfragen oder andere beim Umgang mit ei-nem Hammer beobachten – es bestehtaber keine Notwendigkeit, eine Ausbil-dung oder öffentliche Unterstützung zubeantragen. In einer beruflichen Bildungs-einrichtung lernt man – um bei unseremBeispiel zu bleiben - etwas über die un-terschiedlichen Arten von Nägeln, die esgibt, oder darüber, wie eine Bedachunggeplant und gebaut wird, Dinge also, dieman zu Hause nicht lernen kann. Nachder katholischen Soziallehre hat jederMensch und jede soziale Gruppierung dasRecht und die Pflicht, das zu vollbringen,wozu sie auf ihrer Ebene in der Lage ist.Die Gemeinschaft und der Staat sind nurdann zur Hilfestellung verpflichtet, wenndie betreffenden Personen oder sozialenGruppen ein anstehendes Problem nichtallein bewältigen können. Dem Staat undden öffentlichen Strukturen kommt alsoeine unterstützende, eine subsidiäre Funk-tion zu, die der Freiheit sowie den Bega-bungen und Fähigkeiten der MenschenRechnung trägt. Dem gemäß sollten be-rufliche Bildungseinrichtungen bereits lau-fende Aktivitäten und vorhandene Zustän-digkeiten fördern, anstatt diese zu erset-zen oder zu übergehen. Mit Blick auf dieEntwicklungsarbeit sprechen wir vomPrinzip der „Hilfe zur Selbsthilfe“. DasSubsidiaritätsprinzip ist demokratisch undfördert Partizipation und Dezentralisie-rung (Steinich, 1997, S.47-57).

Meiner Ansicht nach sollte Subsidiaritätzum Leitprinzip der beruflichen Bildung

in Afrika erhoben werden. Aber was be-deutet das mit Blick auf die Gerechtig-keits-, Relevanz- und Kostenprobleme?

5. Subsidiarität undkooperative Ausbildung –das CTAP-Projekt

Das folgende Projekt aus dem Tschad2

bietet ein Beispiel für ein subsidiäres undkooperatives Berufsbildungsmodell, dasvon MISEREOR unterstützt wird (Misereor,2001):

In der Stadt N’Djamena sind viele jungeMenschen ohne Arbeit. Die meisten vonihnen haben den Schulbesuch vorzeitigabgebrochen. Eine Einrichtung, die die-sen jungen Menschen eine Lebenspers-pektive eröffnen kann, gibt es nicht. An-gesichts dieser Situation hat die Kongre-gation der „Christlichen Schulbrüder“ inder katholischen Diözese von N’Djamenaein handwerkliches Lehrlingsausbildungs-und Weiterbildungszentrum errichtet. Die-ses „Centre Technique d’Apprentissage etde Per fect ionnement“ – oder kurz„CTAP“ - soll die Lehrlinge beim Erwerbder beruflichen Kompetenzen und prak-tischen Fertigkeiten unterstützen, die die-se im Erwerbsleben benötigen, es soll dieselbstständige Beschäftigung fördern undKleinstunternehmern Unterstützung bie-ten. Das CTAP wurde 1985 von den Christ-lichen Schulbrüdern gegründet und stelltheute Ausbildungsmöglichkeiten für 95Lehrlinge in den folgenden Bereichen be-reit: Kraftfahrzeugtechnik, Solar- und Elek-trotechnik, Schweißen, Klempnerei, In-standhaltung von audio-visuellen Gerätenund Anlagen, Kühltechnik und EDV. Umfür die Ausbildung am CTAP zugelassenzu werden, muss der Ausbildungsanwärterein Jahr praktische Arbeitserfahrung indem betreffenden Beruf und eine freieStelle in einer Privatbetrieb in der Stadtnachweisen können. Das Programm wen-det sich also primär an informelle Auszu-bildende/Arbeitskräfte, die in Kleinst-betrieben in N’Djamena tätig sind. Diezweijährige Ausbildung wird in privatenWerkstätten und im Ausbildungszentrumgleichermaßen absolviert. Die Auszubil-denden des CTAP verbringen drei Tagepro Woche im Ausbildungszentrum unddrei weitere Tage in privaten Betriebenin der Stadt.

(2) Der folgende Text basiert auf denJahresberichten des CTAP, auf Präsen-tationen und anderen Dokumentendieser Ausbildungseinrichtung sowieauf persönlichen Besuchen des Ver-fassers vor Ort.

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Außerdem stellt das CTAP Weiterbildungs-möglichkeiten für seine Absolventen be-reit, damit diese ihre Kompetenzen ver-bessern und sich mit neuen Methoden undVerfahren vertraut machen können. DasZentrum bietet ein Programm zur Nach-betreuung und einen Beratungsdienst fürUnternehmensgründer an, verleiht Werk-zeuge, organisiert Fortbildungskurse fürMeister/Betriebsinhaber und leitet Stellen-angebote gegen Gebühr an ehemaligeAuszubildende weiter. Unternehmen undNRO können Kurzlehrgänge für ihre tech-nischen Mitarbeiter in Auftrag geben, diespeziell auf die jeweilige Bedarfslage zu-geschnitten sind. Diese Lehrgänge wer-den gegen Bezahlung bereitgestellt, undder betreffende Betrag deckt alle entste-henden Ausgaben.

Interview mit dem ehemaligen Auszu-bildenden Naman Mahamat:

Ich habe im CTAP eine zweijährige Aus-bildung im Bereich Gebäude- und Solar-elektrik absolviert. Jetzt führe ich eineneigenen Betrieb. Ich arbeite als Elektro-instal lateur, verkaufe Solaranlagen,Telekommunikations-Equipment sowiehydraulische Ausrüstungen speziell fürDörfer.

Frage: Haben Sie vom CTAP ein Darlehenerhalten?

Nein. Ich habe in der Stadt verschiedenekleinere Reparaturarbeiten ausgeführt.Das hat mich in die Lage versetzt, meineigenes Geschäft zu betreiben. Das CTAPnimmt mich für manche seiner Geschäfteals Subunternehmer unter Vertrag. Diesalles hat mir geholfen, einen eigenenBetrieb aufzubauen. Heute vertrete ichhier in N’Djamena eine französische Fir-ma, liefere und verkaufe für sie Solaran-lagen. Ich habe viel als Installateur gear-beitet, unter anderem im Bereich hydrau-lischer Anlagen für Dörfer.

Interview mit dem ehemaligen Auszu-bildenden Elie:

Wenden Sie sich an das CTAP, wenn Sieauf technische bzw. fachliche Problemestoßen?

Elie: Ja. Wir wenden uns dann an dieNachbetreuungsabteilung, die das CTAPim Rahmen seiner Maßnahmen zur Nach-

betreuung und Begleitung der Ehemali-gen betreibt. Die Abteilung schickt unsdann einen Ausbilder, der qualifiziert ist,das betreffende Problem zu meistern.

Nimmt das CTAP Ihren Betrieb für be-stimmte Geschäfte als Subunternehmerunter Vertrag? Und wenn ja, in welchenBereichen?

Elie: Ja, tut es, und zwar in den Berei-chen Kühltechnik, Klimatechnik und Elek-trotechnik.

Können Sie uns mehr über die Arbeitenerzählen, die Sie gewöhnlich im Auftragdes CTAP durchführen?

Elie: Wir haben Wartungsarbeiten im Be-reich Kühl- und Elektrotechnik für dasAfrikanische Institut für Wirtschaftlicheund Soziale Entwicklung, INADES, inN‘Djamena durchgeführt und ebenso fürdas Lycée Sacré-Coeur (eine Sekundar-schule). Die Nachbetreuungsabteilungschickt uns einen Ausbilder, um sicher-zustellen, dass die Wartung professionellerfolgt. In manchen Fällen wird der Aus-bilder auch selbst aktiv.

Warum dringt das CTAP darauf, Ihre Ar-beit vor Ort zu betreuen?

Elie: Naja, schließlich wurden wir ja imCTAP ausgebildet. Sie wollen sichergehen,dass die Arbeit gut gemacht wird. Undnicht zuletzt sind es ja sie, die als Haupt-vertragnehmer fungieren.

Betrachten Sie als Techniker es als Ge-winn, wenn das CTAP ihre Aktivitätenbetreut?

Elie: Auf jeden Fall! Die Technologienverändert sich ja permanent. Die Nach-betreuung durch das CTAP ist für unsenorm wichtig.

Gegenwärtig haben die meisten der 520jungen Menschen, die am CTAP eine Aus-bildung abgeschlossen haben, einen Ar-beitsplatz. Etwa 35 von ihnen führen ei-nen eigenen Betrieb, andere haben Ko-operativen gegründet, um bessere Aufträ-ge akquirieren zu können. Und manchehaben sich für eine Tätigkeit in Privatun-ternehmen entschieden. Über den Ver-bleib der ehemaligen Auszubildenden lie-

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gen detaillierte Informationen vor. Abge-sehen von denjenigen, die die Ausbildungaus Krankheitsgründen nicht zu Ende füh-ren können, gibt es keine Ausbildungs-abbrüche und viele neue Bewerber war-ten auf einen Ausbildungsplatz. Das CTAPist in der Lage, 65%-80% seiner laufen-den Kosten durch eigene Einnahmen zudecken. Im Zeitraum 2000-2001 wurden95 junge Männer und Frauen ausgebildet,weitere 207 Personen haben an Weiter-bildungsmaßnahmen im Umfang von ins-gesamt 19 210 Stunden teilgenommen.Die Höhe der Ausbildungsgebühren istvertretbar, weil die Lehrlinge die Möglich-keit haben, während der Lehrzeit etwasGeld zu verdienen. Das CTAP stimmt seinAusbildungsangebot ständig auf die ak-tuelle Bedarfslage ab. Als man beispiels-weise feststellte, dass die Marktsituationfür Klempner schwierig wird, änderte dasZentrum sein Ausbildungsprogramm. 2003bietet das CTAP wegen der guten Beschäf-tigungsaussichten in diesem Bereich erst-mals Ausbildungsgänge auf den GebietenInformatik, Wartung von Büroanlagen undGastgewerbe an. In Anerkennung dieseserfolgreichen Konzepts wurde der Direk-tor des CTAP als Mitglied in die nationaleBerufsbildungsbehörde FONAP berufen.

Interview mit El Hadj Ousmane J.KolloTechnischer Leiter des NOVOTEL inN’Djamena

Wie wurden Sie technischer Leiter desNOVOTEL?

Ich bin gelernter Rohrleger, später war ichdann als Ausbilder tätig. In den SiebzigerJahren, noch vor dem Bürgerkrieg, absol-vierte ich eine Ausbildung an dem staat-lichen „Centre de Formation Profes-sionnelle et de Perfectionnement“, CFPP.Die Einrichtung wurde als Folge des Bür-gerkriegs 1979 zerstört und später nichtwieder aufgebaut. Zur damaligen Zeit fan-den alle Absolventen dieser Einrichtungsofort eine Stelle, zumeist in den großenUnternehmen des Tschad. Heute suchensolche Unternehmen kaum noch Mitarbei-ter und man muss als Handwerker für sichselbst sorgen, selbst Kunden akquirierenund sich als Kleinunternehmer irgendwiedurchschlagen. Für die jungen Leute istdie Situation heute wesentlich schwieri-ger als damals.

Wie beurteilen Sie die Ausbildung, die dasCTAP vermittelt?

Das CTAP ist die einzige berufliche Bil-dungseinrichtung am Ort, die mit ihrenAbsolventen in Verbindung bleibt, sie anihren Arbeitsplätzen aufsucht und in ei-nem dualen Konzept ausbildet. Dies istein hervorragender Ansatz und die Aus-zubildenden werden in bestmöglicherForm auf die Berufspraxis vorbereitet. Ausdiesem Grund waren wir auch froh, FrauMasinga als Elektrikerin einstellen zu kön-nen, nachdem sie ihre Ausbildung amCTAP abgeschlossen hatte.

Welche Erfahrungen haben Sie mit einemweiblichen Elektriker gemacht?

Sehr gute. Ich bin mit Frau Masinga alsMitarbeiterin äußerst zufrieden und sehenüberhaupt kein Problem darin, dass sieals Frau hier als Elektriker arbeitet.

Das CTAP bietet auch Fortbildungskursean. Welcher Bedarf besteht Ihrer Ansichtnach in dieser Hinsicht?

Fortbildungskurse werden wegen der im-mer rasanteren technischen Entwicklungzunehmend wichtiger. Das, was man vor25 Jahren einmal gelernt hat, reicht nichtmehr aus, und die Kenntnisse, die einjunger Mensch heute erwirbt, könnennicht das Fundament für ein ganzes Be-rufsleben legen. Aus diesem Grund musssich der Einzelne permanent weiterbilden.

Der Tschad gilt als muslimisches Land, dasCTAP hingegen wird von katholischenOrdensbrüdern betrieben?

Es gibt Leute, die wollen uns in Nord undSüd, Ost und West auseinander dividie-ren. Sie sagen, im Norden leben Noma-den und im Süden Bauern, es gebe Chri-sten und Moslems, und diese Gruppenkönnten nicht friedlich zusammenleben.Aber das sind keine wirklichen Proble-me. Die, die das behaupten, wollen ei-nen Keil zwischen uns treiben. Wir sindaber alle Brüder und Schwestern. Es istwichtig, etwas zu tun und auf Gott zuvertrauen. Jeder sollte nach seinem Glau-ben leben, wie es ihm gefällt, sollte soleben, wie es gut für ihn ist.MISEREOR-Mitarbeiter Th. Gerhards führ-te dieses Gespräch mit Herrn Kollo imNovember 1999 in N’Djamena

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6. Neue Erkenntnisseim Hinblick auf dieGerechtigkeits-, Relevanz-und Kostenproblematik

6.1 Ein neuer Wirkungsindikator:Beschäftigung und Selbständigkeit

Die UNESCO konstatierte insofern einRelevanzproblem, als ein großer Teil desberuflichen Bildungsangebots nur sehrbegrenzt Kenntnisse und Kompetenzenvermittelt, für die am Arbeitsmarkt heuteBedarf besteht. Die beruflichen Bildungs-einrichtungen sollten nicht länger die Zahlder erfolgreichen Absolventen im Augehaben, sondern sich primär darauf kon-zentrieren, ein beschäftigungsbezogenesAusbildungsangebot bereitzustellen. Einebeschäftigungsbezogene Ausbildung er-fordert sowohl in institutioneller als auchin didaktischer Hinsicht neue Ansätze undvor allem eine sehr enge Zusammenar-beit mit der Wirtschaft. Vor dem Hinter-grund der Arbeitslosenquoten in Afrika,die sich auf bis zu 80% belaufen, solltenkünftig Beschäftigung und Selbständigkeitals zentraler Indikator für erfolgreicheberufliche Bildung gelten. Wie das CTAPsollte jede berufliche Bildungseinrichtungin Afrika über detaillierte Informationenzum Verbleib ihrer Absolventen verfügen.Vermittlungsstatistiken bzw. Verbleib-studien sind die besten Indikatoren zurÜberwachung der Marktorientierung unddamit des Erfolgs eines beruflichen Bil-dungsprogramms. MISEREOR hat 2002 inallen Berufsbildungsprojekten, die in Afri-ka finanziert werden, „Verbleibstatistiken“als wesentlichen Indikator eingeführt.

6.2 Stärkung der informellen Lehr-lingsausbildung

Die UNESCO hat sich mit der Frage derGerechtigkeit befasst und dabei festge-stellt, dass der Zugang zu beruflichen Bil-dungsprogrammen nur wenigen Men-schen - und Armen nur unter Schwierig-keiten - möglich ist. Es ist bekannt, dassdie öffentlichen Einrichtungen in Afrikaauch künftig bei Weitem nicht in der Lagesein werden, berufliche Bildungsangebo-te für die Millionen von jungen Menschenbereitzustellen, die in den kommendenJahren auf den Arbeitsmarkt drängen.Bekannt ist außerdem, dass Millionen jun-ger Frauen und Männern in Afrika beruf-

liche Bildung durch eine „informelle Lehr-lingsausbildung“ erwerben, d. h. durchLernen „am Arbeitsplatz“. Wir wissenauch, dass diese Form der informellenLehrlingsausbildung manchmal miss-braucht wird, dass die Ausbildungsqualitäteher gering ist und dass innovative Ent-wicklungen und neue Technologien nurselten in die Ausbildung einfließen. Aus-bildungseinrichtungen, Hochschulen, Re-gierungen und die Kirchen haben dieBedeutung dieser so genannten „informel-len betrieblichen Ausbildung“ über langeZeit hinweg vernachlässigt, herunterge-spielt und ignoriert.

Subsidiarität bedeutet in diesem Zusam-menhang, dass berufliche Bildungsein-richtungen - nach Art des CTAP imTschad – komplementäre Ausbildungskur-se für informelle Lehrlinge oder Arbeit-nehmer anbieten könnten. Die beruflichenBildungseinrichtungen sollten die vorhan-denen informellen Ausbildungsaktivitätenunterstützen und fördern. Ausbildungs-zentren könnten sich bemühen, die Qua-lität der Arbeit in Kleinstbetrieben zu ver-bessern. Sie könnten kooperative Ausbil-dungsprogramme anbieten, die verhin-dern, dass die kostengünstige Arbeitskraftvon Lehrlingen ausgebeutet und miss-bräuchlich genutzt wird. Außerdem könn-te eine technische Fachschule fachliche,kaufmännische oder pädagogische Aus-bildungskurse für die Betriebsinhaberanbieten, die bereit sind , Lehrlinge auf-zunehmen und auszubilden.

6.3 Flexible Gestaltung der Ausbildung

Junge Menschen haben häufig nicht dieAusdauer oder das Geld, um ohne jedeGewähr auf anschließende Beschäftigungeine vergleichsweise teure drei- odervierjährige Ausbildung zu absolvieren.Neben dem CTAP im Tschad gibt es inAfrika noch andere berufliche Bildungs-einrichtungen, die gute Erfahrungen mitder Bereitstellung kürzerer Ausbildungs-kurse gemacht haben, die speziell aufden Bedarf am Arbeitsmarkt zugeschnit-ten sind. Kurse dieser Art kosten weni-ger als ein vierjähriges Ausbildungspro-gramm und erweisen sich mit Blick aufdie Eingliederung der Lernenden ins Er-werbsleben als recht effektiv. Auch armeMenschen können die Ausbildungs-gebühren aufbringen und sind interes-siert, teilzunehmen.

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Eine derartige Ausbildung ist kurz, wirdin der Sprache vermittelt, die vor Ort ge-sprochen wird, und ist, was die Lernzei-ten und –orte anbelangt, flexibel. Dennochbieten noch immer nur wenige technischeFachschulen und Ausbildungszentren einesolche Ausbildung in Form von Abend-oder Wochenendkursen an. Auch wird je-der die Auffassung teilen, dass die Ausbil-dungsbedingungen möglichst den Bedin-gungen entsprechen sollten, auf die derLernende später im Arbeitsleben trifft. Aberwo wird berufliche Bildung in einem Dorf,in einem kleinen privaten Betrieb, auf derStraße oder unter einem Baum angeboten,d. h. an Orten, an denen in Afrika die Ar-men in der Regel arbeiten? Wie sollenMenschen, die einen Kurs in einem nettenKlassenraum oder in einer hervorragendausgerüsteten Werkstatt absolvieren, dieerworbenen Kenntnisse anwenden, wennsie wieder zu Hause auf der Straße sind?Die Ergebnisse, die erzielt werden, wenndie Ausbildung dort stattfindet, wo dieArmen leben und arbeiten, sind vielver-sprechend (Gerhards, 1997, S.18-19).

6.4 Kooperative berufliche Bildung –ein Gebot

Das Beispiel des CTAP hat einen vielver-sprechenden Weg aufgezeigt: Die Zusam-menarbeit zwischen Ausbildungsein-richtung und der Wirtschaft vor Ort (z. B.den Abnehmern des Ausbildungsprodukts= qualifizierte Arbeitskräfte). Angebots-und Nachfrageseite, Ausbildungseinrich-tung und künftiger Arbeitgeber werdenzusammengebracht, um die beruflicheBildung gemeinsam zu planen (Lohmar-Kuhnle, 1994, S.149f). Bei dieser Zusam-menarbeit übernimmt die Ausbildungs-einrichtung eine subsidiäre Rolle. Sie un-terstützt die Betriebe dabei, die benötigtenqualifizierten Mitarbeiter und Arbeitskräftezu finden. Kooperative Bildung kann aufverschiedenen Ebenen verwirklicht wer-den, beispielsweise durch die Vermittlungvon Stellen oder Praktika bzw. die Orga-nisation von internen Ausbildungskursenin Unternehmen, durch regelmäßigeArbeitstreffen mit Wirtschaftsvertretern,durch aktive Mitwirkung von Vertreternder Arbeitswelt im Leitungsgremium derAusbildungseinrichtung, durch die ge-meinsame Konzeption und Durchführungeines Ausbildungsprogramms oder durchdie gemeinschaftliche Planung, Realisie-rung und Evaluierung von Fortbildungen

für Betriebsinhaber, Beschäftigte oderLehrlinge von Kleinst-, Klein- oder Mit-telbetrieben.

Die Erfahrungen von MISEREOR zeigen,dass kooperative Berufsbildungsprogram-me erfolgreich einen Weg in die Beschäf-tigung und die Selbstständigkeit eröffnenkönnen. Sie stellen außerdem eine Mög-lichkeit dar, neuen Technologien den Wegin die Wirtschaft zu ebnen. Sie sind nach-fragegesteuert, kostengünstiger und kom-binieren durch Bereitstellung von Ange-boten zur Unternehmensentwicklung be-rufliche Bildung mit Fördermaßnahmenfür Kleinstbetriebe. Kooperative Berufs-bildung heißt nicht, dass ein Modell, dasanderswo erprobt und getestet wurde(beispielsweise das duale System inDeutschland), auf ein bestimmtes Landoder Projekt übertragen wird. Es geht ganzeinfach darum, Anbieter und Abnehmerauf dem Berufsbildungsmarkt so zuvernetzen, dass Fehlallokationen undMarktsättigung minimiert werden.

Dies bedeutet, dass herkömmliche Berufs-bildungszentren, wenn sie ein relevantesAusbildungsangebot bereitstellen wollen,Verbindungen zur lokalen Wirtschaft auf-bauen müssen. Sie sollten bei der Pla-nung, Durchführung, Überwachung undEvaluierung ihrer Berufsbildungsmaß-nahmen die Vertreter der betreffendenBetriebe einbinden. Die Wirtschafts-vertreter könnten sogar die Auswahl derAuszubildenden übernehmen und einenAusschuss einrichten, der zum Abschlussder Ausbildung eine nicht-formale Prü-fung abnimmt.

Im Rahmen eines solchen Konzepts, dasauf Kooperation und Subsidiarität grün-det, entwickeln sich Berufsbildungs-zentren zu „Förderzentren für Betriebe“.Die aufgebauten guten Verbindungen zurBerufswelt vor Ort sichern dem Zentrumaktuelle Informationen über den fakti-schen Ausbildungsbedarf und über ge-sättigte oder aufblühende Märkte. Dieformalen oder informellen Unternehmenerläutern, was sie von einer qualitativhochwertigen Ausbildung erwarten. DieAusbildungseinrichtungen passen ihreAusbildungsangebote entsprechend anoder reorganisieren diese, so dass es fürdie Wirtschaft interessanter wird, ehema-lige Auszubildende einzustellen und auchzur Finanzierung beizutragen.

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6.5 Neue Chancen im Dienstleistungs-bereich

In der Vergangenheit haben sich diekirchenunterstützten Ausbildungseinrich-tungen in erster Linie auf den Produk-tionssektor konzentriert. Zwar nimmt derweltweite Produktionsausstoß weiter zu,wegen besserer Maschinen und Anlagenund einer effizienteren Logistik wachsendie Beschäftigtenzahlen in der Produkti-on aber nicht im selben Maß mit. In Afri-ka kostet ein importierter, industriell her-gestellter Gartenstuhl aus Kunststoff heuteweniger als ein sorgfältig gefertigter Holz-stuhl, den ein Handwerker vor Ort her-stellt. Die Globalisierung der industriel-len Massenproduktion wird weitergehenund örtliche Handwerker können kaummit industriell gefertigten Produkten kon-kurrieren. Auf der einen Seite nimmt dieArbeitslosenquote der unqualifiziertenindustriellen Arbeitskräfte zu. Auf deranderen Seite aber wächst auf allen Ebe-nen die Nachfrage nach effizienten Dienst-leistungsangeboten in Bereichen wie bei-spielsweise Transport, Instandsetzung,Wartung und Kommunikation. Dieser Sek-tor des Arbeitsmarktes verzeichnet deut-liche Zuwächse und die einschlägigenArbeiten können kaum automatisiert wer-den (oder würden Sie sich gern die Haa-re von einer programmierten Maschineschneiden lassen?). Die Kirchen haben diemodernen Berufe des Dienstleistungssek-tors in der Vergangenheit stark vernach-lässigt. Warum stellen Ausbildungs-einrichtungen eigentlich keine beruflichenBildungsangebote für Wachmänner,Sicherheitspersonal, Bestatter, Touristen-führer, Kraftfahrer, Babysitter, Call-Center,Handelsvertreter, Kosmetiksalons, Haus-haltspersonal, häusliches Pflegepersonal,für die Bereiche Gastronomie, Logistikund Informationsmanagement sowie füralle Formen von Dienstleistungen zurUnternehmensförderung bereit? Das CTAPbildet bereits für den Dienstleistungsbe-reich aus, beispielsweise im Bereich In-standhaltung von audiovisuellen Gerätenund Büroanlagen.

6.6 Ausbildung zur Selbständigkeit

Neue Arbeitsplätze schaffen dynamischeMänner und Frauen mit unternehmeri-scher Initiative und nicht der Staat oderFördereinrichtungen. In einer Situation, inder sich die Beschäftigung im öffentlichen

Sektor rückläufig entwickelt und die be-stehenden Wirtschaftsunternehmen keinWachstum verzeichnen, ist die Förderungvon Unternehmensgründern die einzigeMöglichkeit, um Arbeitsplätze zu schaf-fen. Millionen von Arbeitslosen haben inAfrika auf der Suche nach einer Verdienst-möglichkeit damit begonnen, sich auf ei-gene Faust durchzuschlagen und auf derStraße irgend etwas zu verkaufen oderDienstleistungen anzubieten. Es bildetsich gegenwärtig ein neuer Sektor heraus:die Kleinstbetriebe. Dieser Sektor ver-zeichnet in ganz Afrika deutliche Zuwäch-se. Berufsbildungszentren, die bislang inklassischer Form Arbeitskräfte für die In-dustrie ausgebildet haben, können diesenfür das Beschäftigungswachstum wesent-lichen Sektor nicht einfach ignorieren.Nach Schätzungen der IAO entstehen inAfrika 90% aller neuen Arbeitsplätze inden informellen, halb-formalen oder for-malen Kleinstbetrieben dieses Sektors. Dieberufliche Bildung muss diesen neuenund wichtigen Wirtschaftssektor der afri-kanischen Länder so fördern und stärken,dass sich aus diesen selbstständigen Tä-tigkeiten, die zunächst einmal das Über-leben sichern sollen, eines Tages offiziellregistrierte Kleinstbetriebe mit mehrerenBeschäftigten entwickeln können. Dieunternehmerische Ausbildung sollte nichterst dann beginnen, wenn eine Personarbeitslos geworden ist. Um unternehme-risches Denken und Handeln zu fördern,sollten bestehenden beruflichen Bildungs-programme so umgestaltet werden, dasssie auch unternehmerische Kompetenzund Kenntnisse in Bereichen wie Betriebs-führung, Buchhaltung usw. vermitteln.

Auf der anderen Seite ist aber auch zusehen, dass nicht jeder junge Mann undjede junge Frau ohne Arbeit das Potenzialmitbringt, das erforderlich ist, um unter-nehmerisch tätig zu werden. Eine drei-jährige Ausbildung reicht nicht aus, umden steinigen Weg in die Selbständigkeiterfolgreich bewältigen zu können. Werseinen eigenen Betrieb gründen will, musszuvor mehrere Jahre in dem betreffendenBeruf gearbeitet haben, damit er die nö-tige Berufserfahrung mitbringt. Aber wosoll er diese Erfahrung erwerben? Selbstdiejenigen, die eine Anstellung finden,sehen sich ohne das schützende Umfeldund die optimalen Arbeitsbedingungendes Ausbildungszentrums mit zahlreichenSchwierigkeiten konfrontiert. Wie das

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Beispiel des CTAP zeigt, wurden mit derBereitstellung von Nachbetreuungs- undStellenvermittlungsangeboten durch be-rufliche Bildungseinrichtungen vielver-sprechende Erfahrungen gesammelt.

6.7 Benötigt werden kompetenz-orientierte Ausbildungskonzepte

Berufliche Bildung umfasst weit mehr alsnur die Vermittlung bestimmter Kenntnisseund Fertigkeiten. Sie zielt auf die Entwick-lung des ganzen Menschen, seiner kör-perlichen und geistigen Fähigkeiten, sei-ner Begabungen und seiner ethischen Ein-stellungen. Die christlichen Kirchen fas-sen berufliche Bildung seit jeher alsProzess der persönlichen Entwicklung auf.Wer nur Faktenwissen und Fachkenntnis-se erwirbt, sich nur Daten, Zahlen undRegeln einprägt, ist für das Arbeitslebenin der heutigen Zeit schlecht gerüstet.Ausbildungskonzepte, die ausschließlichauf den Erwerb derartiger Kenntnisse ab-heben, sind veraltet und sollten abge-schafft werden. Es ist wesentlich wichti-ger, das der Einzelnen zu eigenverant-wortlichem ökonomischem Handeln be-fähigt wird. Dies erfordert neuartige Aus-bildungskonzepte. Vielversprechende Er-gebnisse wurden mit Action Learning-Methoden wie beispielsweise „The BestGame“ erzielt, ein Konzept, das derMISEREOR-Partner Triple Trust in Südaf-rika entwickelt hat (http://www.tto.org.za). Ein weiteres Beispiel ist das vonder Deutschen Gesellschaft für TechnischeZusammenarbeit (GTZ) entwickelte undgeförderte CEFE-Konzept, ein Fortbil-dungskonzept zur Steigerung kaufmänni-scher und unternehmerischer Kompeten-zen und Schlüsselqualifikationen (http://cefe.gtz.de).

Ein Hauptproblem, dass sich in unsererZeit stellt, besteht darin, dass junge Men-schen auf den Umgang mit Technologienvorbereitet werden müssen, die noch garnicht erfunden sind. Wie können Ausbil-der und Lehrkräfte in einer Welt, die sichim ständigen Wandel befindet, junge Men-schen auf eine Realität vorbereiten, dieheute noch nicht absehbar ist? (Siehe auchdas Interview mit Herrn Kollo.) Wer hättesich vor zwanzig Jahren den interessan-ten Markt für IT-Ausbildungsangebote,Mobiltelefone, Abfallwirtschaft oder er-neuerbare Energien vorstellen können?

Der Einzelne sollte heute in der Lage sein,im Team zu arbeiten, Entscheidungen zufällen, kundenfreundlich aufzutreten,Marketingaufgaben zu übernehmen, Kon-flikte zu bewältigen, Probleme zu erken-nen und zu analysieren, FinanzfragenHand zu haben, Risiken zu übernehmen,zu kommunizieren usw. Auf diese„Schlüsselkompetenzen“ wird allenthal-ben großer Wert gelegt – dies zeigt schonder Blick auf die Stellenangebote in derZeitung.

6.8 Internatsschulen: ein kosteninten-siver Hemmschuh

Internatseinrichtungen erweisen sich fürdie Entwicklung einer nachhaltigen be-ruflichen Bildung als Hemmschuh. DieGeschichte der Internatsschulen in Afri-ka begann mit den Konfirmandenschulen,mit denen die Kirche die angehendenKonfirmanden von ihren heidnischen Fa-milien isolieren und in das christliches Le-ben einführen, an die Werte und Verhal-tensweisen des Nordens gewöhnen woll-te. So gesehen ist es nicht uninteressant,dass wohlhabende Familien aus den Städ-ten Afrikas ihre Kinder heute sehr gernauf katholische oder protestantische Fach-internate auf dem Land schicken und be-reit sind, dafür hohe Gebühren zu zah-len.

Für berufliche Bildungseinrichtungen,deren Angebot sich vordringlich an armeMenschen richtet, sind Internate aufgrundder hohen Betriebskosten problematisch.Nach den Erfahrungen von MISEREORsind berufliche Bildungseinrichtungen fürdie Armen nie in der Lage, ihre Internats-einrichtungen durch die Einnahmen zufinanzieren, die sie durch die eigene Pro-duktion oder aus Gebühren erzielen. Nur„gefährdete“ junge Menschen bedürfen inmanchen Fällen einer schützenden Um-gebung. Die betreffenden „Kinder- bzw.Jugendheime“ sind auf hohe Zuschüsseaus externen Quellen angewiesen undfunktionieren besser, wenn sie von derAusbildungseinrichtung abgekoppelt wer-den und die Kinder bzw. Jugendlichenunterschiedliche Ausbildungsstätten besu-chen, die den jeweiligen Fähigkeiten undBegabungen des Einzelnen entsprechen.Das CTAP beispielsweise nimmt Lehrlin-ge auf, die von Wohlfahrtseinrichtungengeschickt werden, bietet aber selbst kei-ne Internatseinrichtungen an. Nur in sehr

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ländlich geprägten Regionen, wo die Ler-nenden weit weg von ihren Familien un-terrichtet werden, können Schlafräume,wo sich Schüler und Auszubildende selbstversorgen, eine Kompromisslösung dar-stellen. Berufliche Bildungseinrichtungenmit angeschlossenem Vollinternat und fi-nanziellen Problemen sollten daher dar-über nachdenken, ob sie ihr Vollinternats-angebot in Zukunft nicht zurückschraubenoder ganz abschaffen können, um nach-haltige finanzielle Stabilität zu erreichen.

6.9 Optimale Ausnutzung der Aus-bildungskapazitäten

Würde ein Unternehmer in eine Drehbankinvestieren und sie dann nicht nutzen?Würde ein Friseur eine Schere anschaf-fen, nur um diese unbenutzt wegzulegen?Ich habe eine Vielzahl von beruflichenBildungseinrichtungen in Afrika besuchtund meine Kritik ist, dass die Werkstät-ten und Maschinen sehr häufig nur unzu-länglich ausgelastet sind. Manchmal hatman eher den Eindruck, als befände mansich in einer Ausstellung oder in einemverstaubten Museum. Da berufliche Bil-dung mit erheblichen Kosten verbundenist und Zuschüsse aus öffentlichen Kas-sen oder Spenden auf lange Sicht nichtgewährleistet sind, ist es notwendig, zumeinen über erfolgreiche Strategien zurKostensenkung nachzudenken und zumanderen darüber, wie die Einnahmen auflokaler Ebene gesteigert werden können,indem man die verfügbaren Werkzeugeund Maschinen sowie das vorhandenenKnow-how zu Produktionszwecken undzur Generierung von Einnahmen einsetzt.Die beruflichen Bildungseinrichtungen inAfrika und insbesondere die technischenFachschulen stehen während der Schul-ferien, am Abend und samstags häufigleer. Die vorhandenen Kapazitäten könn-ten optimaler genutzt werden, indem manbeispielsweise nicht-formale Lehrgängeoder Abendkurse für arme Zielgruppenanbietet, die praktische Ausbildung inzwei oder drei Schichten organisiert oderDienstleistungen für Kleinstbetriebe in dernäheren Umgebung bereitstellt. Die Aus-rüstung der Werkstätten, die Fahrzeuge,der Maschinenpark, die Büroausstattungsowie die Generatoren, Gebäude undGrundstücke einer beruflichen Bildungs-einrichtung stellen ein immenses Vermö-gen, ein immenses Kapital dar. Wird die-ser Reichtum nicht genutzt, dann macht

es keinen Sinn, einer Ausbildungs-einrichtung noch mehr davon anzuver-trauen (siehe auch die Heilige Schrift, Mt25, 14-30).

6.10 Berufliche Bildung als geschäftli-che Unternehmung

Eine unternehmerische Ausbildung, die ander Tafel im Klassenraum vermittelt wirdund nur wenige Stunden umfasst, reichtkeinesfalls aus, um den Lernenden einenEinblick in die Geschäftswelt zu geben.MISEREOR ist der festen Überzeugung,dass die gesamte Einrichtung mit all ih-ren Räumlichkeiten und Anlagen nach Arteines Unternehmens geführt werden soll-te. Eine berufliche Bildungseinrichtung,die wie ein gewerbliches Unternehmenbetrieben wird, böte Ausbildungsbedin-gungen, die dem wirklichen Arbeitslebensehr nahe kämen, und würde die jungenMenschen hervorragend auf das Berufs-leben vorbereiten. Eine solche Optionerfordert jedoch ein qualifiziertes underfahrenes Management. Schulleiter, diedie öffentliche Verwaltung und ein festesmonatliches Einkommen gewohnt sind,können ernsthafte Schwierigkeiten haben,ihre alten Einstellungen zugunsten einerneuen, unternehmerisch geprägten Gei-steshaltung aufzugeben.

Berufliche Bildung als geschäftliche Un-ternehmung bedeutet auch, dass die Aus-bildung größtenteils in Werkstätten undnicht im Klassenraum erfolgt. Die Ausbil-dung sollte zu mindestens 75% in derWerkstatt vermittelt werden. Im CTAPbeispielsweise geschieht dies in Privat-betrieben und zum Teil auch im Zentrumselbst. Alle Produkte und Dienstleistun-gen, die im Rahmen der Ausbildung her-gestellt bzw. erbracht werden, sollten ei-nen Nutzen haben und zum Verkauf an-geboten werden. Der angehende Schwei-ßer beispielsweise, der das Schweißen nuran kleinen Metallstücken übt, die dannweggeworfen werden, sollte der Vergan-genheit angehören. Der Lernende solltewährend der Ausbildung mit allen Schrit-ten des Geschäftsprozesses vertraut ge-macht werden (erster Kundenkontakt -Planung – technischer Entwurf - Preiskal-kulation - Angebote – Auftragsannahme– Beschaffung und ökonomischer Einsatzder Rohmaterialien – Konstruktion/Bau –Endbearbeitung/Veredelung - Transport -Montage - Rechnungslegung - Gewinn-

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Gewinne (Greinert et al., 1994, S. 188-219).

7. SchlussbemerkungDie Erfahrungen mit dem CTAP-Projektim Tschad haben gezeigt, dass von derKirche betriebene berufliche Bildungsein-richtungen in Afrika in der Lage sind, fürdie Armen relevante und kosteneffektiveAusbildungsangebote bereitzustellen, diedem Bedarf am Arbeitsmarkt entsprechen.In manchen Fällen gelten diese Einrich-tungen in ihrem jeweiligen Land als bei-spielhaft. MISEREOR ist der Überzeugung,dass die berufliche Bildung eine entschei-dende Waffe zur Bekämpfung von Armutund Hunger in der Welt darstellt. Berufli-che Bildungseinrichtungen sind zur per-manenten Anpassung an die wirtschaftli-chen Herausforderungen verpflichtet, diesich durch neue Technologien und denlokalen und globalen wirtschaftlichenWandel laufend verändern. Diese Anpas-sung ist ein manchmal schmerzhafter undmanchmal aufregender Prozess, der aberunabdingbar ist, wenn berufliche Bildungzu mehr Beschäftigung führen und damiteinen substanziellen Beitrag zum Abbauder Armut in Afrika leisten soll.

ermittlung – Buchhaltung). Jede berufli-che Bildungseinrichtung sollte in der Lagesei, zumindest die entstandenen Materi-alkosten wieder zu erwirtschaften.

Eine solche Ausbildungseinrichtungengleicht mehr einem Unternehmen als ei-ner Bildungseinrichtung, bereitet aberwesentlich effektiver auf das wirklicheArbeitsleben vor als eine Fachschule.Durch einen solchen Ansatz lassen sichaußerdem die laufenden Kosten (nichtaber die Investitionen für Gebäude undEquipment) der Einrichtung erwirtschaf-ten, ohne hohe Ausbildungsgebühren er-heben zu müssen, selbst wenn die öffent-lichen Hand keine oder nur geringe Mit-tel beisteuert. Ein derartiges Konzept istin Einrichtungen, die es gewohnt sind, mitöffentlichen Mittel oder Spenden un-terstützt zu werden, nicht einfach umzu-setzen. Die Realisierung des Konzeptskann Jahre dauern und erfordert ein hoch-motiviertes Management, das diese Ent-wicklung nachhaltig unterstützt. Aber esist grundsätzlich machbar. MISEREOR hatberufliche Bildungseinrichtungen in Afri-ka und Asien unterstützt, die erfolgreichihre laufenden Kosten einspielen. Einigedieser Einrichtungen erwirtschaften sogar

Gerhards, Thomas: Vom Zentrum zum Dorf - Fort-bildung von Handwerkern vor Ort, in: Contacts,Dezember 1997, Nr. 4, S.18-19.

Greinert, Wolf-Dietrich; Wiemann, Günter: TheTraining & Production Concept, Baden-Baden:Nomos Verlag, 1994.

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Bibliografie

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Betriebliche Lernzeit-strategien - EmpirischeStudien zur Umsetzungvon Weiterbildung inBetrieben

SabineSchmidt-LauffHumboldt-Universität,Berlin

Im Rahmen personalorien-tierter Unternehmensent-wicklung geraten Lernzei-ten zunehmend in den Fo-kus betrieblicher Strategi-en. In zahlreichen Unter-nehmen werden neue Ar-beitszeitmodelle erprobtund Lernzeitkonzepte ver-wirklicht. In der Diskussionum eine Neuverteilung vonErwerbs- und Lernzeitenkommt dem Weiterbil-dungsbereich eine zentraleRolle zu, weil in dem Gedan-ken des lebensbegleitendenLernens ein Wechsel zwi-schen Arbeiten und Lernenvon Anfang an angelegt ist.Inwieweit differenzierenund flexibilisieren sichZeitformen, in denen neueKonsensfelder von ,Time-Sharing’ und ‚Finanz-Split-ting’ entstehen?

In einer Studie mit Bil-dungs- und Personalverant-wortlichen sowie Betriebs-räten verschiedener Betrie-be konnte das Aktionsfeldzwischen Erwerbs- undLernzeiten unterschiedli-che Regelungsgrade erhal-ten. Aus dabei aufgearbeite-ten Erfahrungen könneneinige Leitkriterien für dieGestaltung und Entwick-lung betrieblicher Lern-chancen gewonnen wer-den. Ziel ist es, neben einerersten Erfassung des Spek-trums eine systematischeBeschreibung und Bewer-tung des Feldes aus Sichtder Beteiligten zu bieten.

1. Einleitung

Da sich das Feld betrieblicher Realisie-rungsstrategien von Lernzeiten nicht nurin Deutschland sondern auch in vielenanderen EU-Ländern zunehmend vielfäl-tig gestaltet (vgl. Schmidt-Lauff, 2000 u.2001), steht die empirische Bearbeitungvor einer schwierigen Aufgabe. Die tradi-tionelle Dichotomie zwischen Arbeitszei-ten und Lernzeiten lässt sich nicht mehraufrecht erhalten, was weitreichende Aus-wirkungen auf betrieblicher, tariflicherund individueller Ebene hat. Bisher exi-stieren Forschungsarbeiten über dieseThematik z.B. in Deutschland bezogen aufzugehörige tarifliche und betrieblicheVereinbarungen (vgl. dazu Sutter, 1989;Bahnmüller, 1995; Seitz, 1997; Heide-mann, 1999). Die hier vorliegenden Er-gebnisse aus zwei empirischen Studienmit Personal- bzw. Bildungsverant-wortlichen und Betriebsräten stellen kon-krete Erfahrungen bei der Verzahnung vonLern- und Arbeitszeitmodellen vor(1). Wiekonkretisieren sich Lernzeitansprüche imZusammenhang flexibilisierter Arbeitszeit-modelle? Was kennzeichnet Konzepte zurKombination von Erwerbszeit-Lernzeit-Modellen in Betrieben? Wie wird der Wertund Geltungsbereich der vorhandenenRegelungen für die Inanspruchnahme vonLernzeiten eingeschätzt?

Für die Studien wurden zwanzig leitfaden-gestützte Interviews mit Bildungs- bzw.Personalverantwortlichen und Betriebsrä-ten in zehn Betrieben durchgeführt. SechsBetriebe können einer mittleren Unterneh-mensgröße (500 – 10 000 Beschäftigte)zugerechnet werden; als Vergleichsgrößen

wurden noch jeweils zwei kleinere Be-triebe (Beschäftigtenzahl < 300) und zweiGroßbetriebe (Beschäftigtenzahl > 10 000)befragt. Die Spannweite der befragtenBranchen reicht von Maschinenbau,Druck-, Mess- und Elektrotechnik, überden Energie- und Stahlbereich, bis hinzum Bankwesen und der IT-Branche.Neun der befragten Betriebe besitzen Ta-rifverträge; sieben dieser Tarifverträgebeinhalten explizite Regelungen zur Wei-terbildung. Zusätzlich zu den Tarifverträ-gen mit weiterbildungsrelevanten Rege-lungen haben noch zwei Betriebe Be-triebsvereinbarungen zur Bildung ihrerMitarbeiterinnen und Mitarbeiter abge-schlossen.

Ausgangssituation sind derzeitige Beob-achtungen über ein zunehmendes Span-nungsverhältnis zwischen Arbeitsorgani-sation resp. Arbeitszeitregelungen, Erosi-on des Normalarbeitsverhältnisses, Forde-rungen nach kontinuierlichem Lernen undsich ändernden betrieblichen Bildungs-prozessen (vgl. Herrmann et al., 1999;Bosch, 2001; Dobischat/Seifert, 2001). DasPostulat einer ständigen, ‚lebenslangen’Lernbereitschaft stellt die Betriebe, dieSozialparteien und die Beschäftigten vordie Aufgabe, angemessene tarifliche oderbetriebliche Vereinbarungen zur Qualifi-zierung zu entwickeln und durchzusetzen.Die zunehmende Auflösung von ‚Normal-arbeitsbiographien’ macht ein Nachden-ken über die Unterstützung und Kultivie-rung von Lernen außerhalb der traditio-nellen Lernzeiten notwendig. Gleichzei-tig erschwert die Flexibilisierung vonArbeitsstrukturen institutionelles Lernen.Was den tariflichen und betrieblichenVereinbarungen in Deutschland über Lern-

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zeiten und Weiterbildung bisher fehlt, istdie Einbindung arbeitsorganisatorischerVeränderungen und die Berücksichtigungflexibler Arbeitszeitformen.

Im Folgenden wird zunächst in einemersten Schritt eine Systematisierung vonLernanspruchs- und Weiterbildungs-regelungen versucht. Anschließend gehtes um die Zuordnung von Themen be-trieblicher Weiterbildung in Anrechnungs-typen und entsprechende zeitliche undmonetäre Formen des Co-Investment (d.h.Formen der gegenseitigen, anteiligen Bei-tragsleistung von Betrieb und Beschäftig-tem zur Weiterbildung). Nach der vertie-fenden Betrachtung der Relevanz für spe-zifische Beschäftigtengruppen werdenAnstöße, Erfahrungen und zukünftigeRichtungen für Lernzeitstrategien in Be-trieben gegeben. Zur Veranschaulichungsind an einige Stellen Zitate aus den In-terviews eingefügt(2). Ziel ist es, nebender Darstellung des Spektrums auch einesystematische Beschreibung und Bewer-tung des Feldes aus Sicht von Personal-verantwortlichen und Betriebsräten zubieten.

2. Regelungsgrade in Lern-anspruchs- und Weiter-bildungsregelungen

Die empirischen Ergebnisse weisen dreiunterschiedliche Regelungsgrade (hoher,mittlerer und niedriger Grad) aus. DieRegelungsgrade stehen für die systemati-sche Verortung zeitlicher und finanziellerVereinbarungen zur Weiterbildungs-teilnahme in Betrieben.

1. Hoher Regelungsgrad

Es bestehen konkrete und quantifizierteAnsprüche (z.B. zeitlich festgelegte An-zahl von Tagen) der Beschäftigten aufWeiterbildung. Die Betriebe unterscheidenin ihren Bildungsregelungen grundsätzlichzwei Formen der Qualifizierung: betrieb-lich veranlasste, meist funktionsbezogeneQualifizierung und individuell initiierte,oft extrafunktionale Qualifizierung. ImFalle der betrieblich veranlassten Qualifi-zierung findet diese im hohen Regelungs-grad grundsätzlich während der Arbeits-zeit statt. Die Kosten der Weiterbildung(Kurskosten, Anfahrt, Unterbringung) trägt

zu 100% der Betrieb. Die Bildungszweckesind auf fachliche Qualifizierung ausge-richtet.

Im Falle der von den Beschäftigten initi-ierten Qualifizierung tragen die Beschäf-tigten die halbe bis ganze Lernzeit selbst.Dafür können verschiedene Modelle derArbeitszeiterfassung genutzt werden, soz.B. angesammelte Überstunden in Ar-beitszeitkonten und Arbeitszeitverkür-zungen. Die finanziellen Kosten über-nimmt jeweils der Betrieb. Die Lern-zwecke sind dabei vorrangig auf extra-funktionale Qualifikationen gerichtet, dienicht im direkten Arbeitsplatz- oder be-trieblichen Verwendungszusammenhangstehen. Entscheidungen zu Weiterbil-dungsmaßnahmen und über konkreteZeiten bedürfen der Absprache zwischenVorgesetztem und Mitarbeiter.

2. Mittlerer Regelungsgrad

Es existieren Vereinbarungen zur Weiter-bildung, die wenig konkretisiert sind, sodass die Inanspruchnahme v.a. eine Frageder Absprache zwischen Beschäftigten undVorgesetzten ist. Den Rahmen für solcheAbsprachen bieten institutionalisierte Mit-arbeiter-, Zielvereinbarungs-, Bildungs-planungsgespräche o.a. Bei der unter-nehmensveranlassten Qualifizierung fin-den im mittleren Regelungsgrad dieWeiterbildungsaktivitäten während derArbeitszeit statt und die Kosten trägt derBetrieb. Bei der individuellen Qualifizie-rung wird die Bildungszeit mindestens zu50 % von den Beschäftigten getragen (dieBeteiligung kann auf bis zu 100 % Be-schäftigtenanteil gesteigert werden). DieLernzeiten können die Beschäftigten ausFreizeit oder Arbeitszeitkonten einbringen,die Kosten übernimmt der Betrieb.

3. Niedriger Regelungsgrad

Es gibt keine formalisierten Ansprüche derBeschäftigten auf Weiterbildung. Institu-tionalisierte Absprachen sind nicht vor-gesehen. Ausgegangen wird statt dessenvon Erfahrungswerten, die in etwa Zeit-räume festlegen lassen, die für Weiterbil-dung benötigt werden: „Das ist keineNorm – das sind heutige Erfahrungswer-te, dass wir etwa 5 % der Zeit benötigenfür die Schulung“ (G, S. 2). Die Beschäf-tigten sind von der herrschenden ‚Bil-dungskultur’ in diesen Betrieben ab-

(1) Die umfassende Veröffentlichungder Ergebnisse aus dem Projekt-verbund ‘Zei tpol i t ik und Lern-chancen’, durchgeführt von einemArbeitsverbund der Hochschulen Bre-men, Duisburg, Erfurt und Hamburgso wie des Wirtschafts- und Sozial-wissenschaftlichen Instituts (WSI) derHans-Böckler-Stiftung, ist in demBand von Dobischat, R. et al. (2003):„Integration von Arbeit und Lernen“erschienen.

(2) Die Zitate stammen aus denExperteninterviews selbst und sind alsSammlung des Projektverbundes ar-chiviert.

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hängig, weil keine institutionalisiertenAbsprachen für die Bildungsplanung derArbeitnehmer vorgesehen sind. Je größerdie Vielfalt bestehender Arbeitszeit-modelle (z.B. Teilzeitarbeit, Schicht-betrieb) und je dichter die Arbeitszeit or-ganisiert ist, desto größer werden dieSchwierigkeiten für die Beschäftigten,Ansprüche auf Lernzeiten durchzusetzen.

Probleme im mittleren und niedrigenRegelungsgrad ergeben sich besondersaus der hohen Bedeutung von Absprache,Aushandlung und Kommunikation zwi-schen Vorgesetzten und Mitarbeiter. Da-durch werden verschiedenste unter-nehmenskulturelle Bereiche, wie Füh-rungskompetenzen, herrschendes Bil-dungsverständnis, Mitspracherechte derBeschäftigten usw. berührt. Die Studienhaben gezeigt, dass nicht allein die Exi-stenz von Vereinbarungen über Qualifi-zierung wichtig ist, sondern vielmehr dieFrage, in welchem Maße Lernen bei derAusdifferenzierung von Arbeitszeit-modellen mitgedacht wird. So ist derRegelungsgrad zunächst einmal ein reinformaler Strukturaspekt, der sich in derkonkreten Umsetzungspraxis nichtzwangsläufig widerspiegeln muss. Aller-dings kennzeichnet er jeweils unterschied-lich große Entscheidungsspielräume. Diedavon betroffenen Ebenen tangieren the-matische, finanzielle, akkreditive (z.B.durch Teilnahmebescheinigung oder Zer-tifikate anerkannte), personelle und unter-nehmenskulturelle Aspekte.

2.1 Weiterbildungsthemen und An-rechnungstypen

Wie oben schon ersichtlich, lässt sich be-triebliche Weiterbildung bzw. ihre The-men im Spektrum der Interessenkons-tellation zwischen Betrieb und Beschäf-tigten verschiedenen Anrechnungstypenzuordnen:• betrieblich-veranlasste Qualifizierungund• beschäftigten-initiierte Qualifizierung.

Diese Anrechnungstypik verweist im er-sten Schritt auf die Initiierung und denVeranlassenden (Betrieb oder Beschäftig-ter) der Weiterbildung. Dabei ist nochnichts ausgesagt über die inhaltliche Zu-rechnung der Weiterbildungsmaßnahme.Hier kann unterschieden werden zwi-schen funktionaler Qualifizierung (direkt

auf den Arbeitsplatz bezogene Kompeten-zen) oder extrafunktionaler Qualifizierung(auch außerhalb des direkten Arbeits-bezugs einsetzbare Kompetenzen).

Wie die Ergebnisse gezeigt haben, ge-schieht häufig eine (unzulässige) Verknüp-fung von ‚betrieblich notwendig undfunktionsbezogen‘ gegenüber ‚individuellinitiiert und extrafunktional‘. Zudem istinsgesamt die Trennung zwischen funk-tionsbezogener und im individuellen In-teresse liegender Weiterbildung nicht im-mer eindeutig und in der Praxis schweraufrecht zu halten. Das führt dazu, dasszunehmend Mischformen entstehen, beidenen die Initiative zur Qualifizierung vonden Beschäftigten ausgeht, aber dieBildungsinhalte gleichzeitig auch arbeits-platznah und funktionsbezogen sind. Hierentsteht dann eine Interessenkumulation,da die Qualifizierung sowohl betrieblichverwertbar ist, als auch im Eigeninteresseder Beschäftigten (z.B. zur Steigerung desindividuellen Wertes auf dem Arbeits-markt) liegt.

Sowohl die Anrechnungstypen als auchdie in manchen Betrieben aufgrund deroben dargestellten ‚Mischform-Schwierig-keit’ existierenden Regelungskataloge fürWeiterbildungsthemen, sind als verhandel-bare ‚Kompromisslösungen‘ statt als fest-gelegte Themenkataloge zu sehen. „Wennich einen bestimmten Schweißkurs für je-manden durchführe, dann kann das fürden einen betriebsnotwendig sein, für dennächsten nicht mehr, für die Vorstands-sekretärin ist der mit Sicherheit nicht mehrbetriebsnotwendig. Das heißt, ich kann esnicht an der Maßnahme festmachen, son-dern ich muss es immer an der Maßnah-me, an der Person in der jeweiligen Ar-beitssituation festmachen, dann kann icheine Entscheidung treffen, aber das kannman nicht pauschal von außen vorgeben(...) es sind Kompromisse“ (F, S. 4f.). Daskann zu einer kritischen Interpretierbar-keit führen. Aus Sicht der Betriebsräteentsteht der Nachteil, dass ein als Orien-tierung und Unterstützung für Anspruchs-rechte gedachtes Instrumentarium durchEntscheidungsfreiräume und Ungenauig-keiten ausgehebelt wird. Den Erfahrun-gen der befragten Akteure nach entschei-den schlussendlich zumeist die Vorgesetz-ten über die Zuordnung der Qualifi-zierungsthemen und damit auch über diefinanzielle Beteiligung von Betrieben.

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Ein weiteres Problem entsteht aus derderzeitigen Überbetonung funktionalerWeiterbildungsinhalte. Diese finden alsbetrieblich-initiierte Maßnahmen zwar inder Arbeitszeit statt und die Kosten wer-den vom Betrieb getragen, jedoch vermit-teln sie nur einen Teil der notwendigenKompetenzen. Hier sind es in erster Liniedie Betriebsräte, die den Mangel an extra-funktionalen Qualifizierungsmöglich-keiten benennen. Ohne entsprechenderegelnde Hintergründe kommen solcheThemen für manche Beschäft igten-gruppen kaum in Frage. Die Ergebnissebelegen, dass derzeit ein Kennzeichenextrafunktionaler Bildungsmaßnahmen inBetrieben v.a. darin besteht, dass sie vonden Beschäftigten selbst initiiert sind. Jemehr der Mitarbeiter oder die Mitarbeite-rin den Inhalt bestimmen und je niedri-ger die Führungskraft das direkte Inter-esse des Betriebs an den Bildungsinhalteneinschätzt , desto geringer fäl l t dasunterstützende Co-Investment (s. nächstesKapitel) durch den Betrieb aus. Inhaltevon Bildungsmaßnahmen dieses An-rechnungstypus sind Fremdsprachen-,Aufstiegsfortbildungen und Fortbildungenzur Steigerung des ‚individuellen Markt-wertes’. Dabei ist die Zuordnung z.B. vonFremdsprachen zur beschäftigten-initiier-ten Qualifizierung gerade im Rahmen sichinternationalisierender Arbeitsmärktenicht unkritisch.

Betriebsräte befürchten vielfach eine zu-nehmende Beliebigkeit. Betriebe nutzenBedarfssituationen der Beschäftigten fürsich aus; gleichzeitig erzielen sie durchdie wachsende Eigenbeteiligung der Be-schäftigten z.B. eine Ausfallkostener-sparnis (durch z.B. Teilnahme am Abendoder Wochenende). Der Faktor Zeit wirddurch die strikte Trennung in Arbeits- undFreizeit, wenn auch indirekt, zum aus-schlaggebenden Element für die An-rechnung und Finanzierung von Weiter-bildung. Einflussmöglichkeiten der Arbeit-nehmervertretung in diesen Prozessenschrumpfen, weil die oben beschriebenenAushandlungen mehr und mehr zwischenMitarbeitern und Vorgesetzten direkt statt-finden.

2.2 Modelle zum Co-Investment für be-rufliches Lernen

Je nach Zuordnung der Weiterbildungs-maßnahme in den entsprechenden An-

rechnungstypus (s.o.) erfolgt eine unter-schiedliche Beteiligung beim Co-Invest-ment durch Betrieb und Beschäftigte (vgl.auch Heidemann, 1999; Fauls t ich/Schmidt-Lauff, 2000b). Der Begriff Co-In-vestment umfasst zunächst einmal alleFormen gemeinsamer, d.h. Arbeitgeberund Arbeitnehmer beteiligter, Aufwendun-gen für Weiterbildung. Um innerhalb sol-cher Co-Investitionen die eingebrachtenzeitlichen und monetären Aufwendungenunterscheiden zu können, wurde eineDifferenzierung nach zeitlicher Beteili-gung (Time-Sharing) und monetärer Be-teiligung (Finanz-Splitting) eingeführt(Faulstich/Schmidt-Lauff, 2000a).

Durch die Verteilung der Kosten zwischenBetrieben und Beschäftigten ergeben sichverschiedene Investitionsbeteiligungen ander Finanzierung bei Weiterbildungsteil-nahme. Gibt es keine reguläre Zuordnungüber Anrechnungstypik und Themen-kataloge, werden Time-Sharing und Fi-nanz-Splitting nur noch von Fall zu Fallentschieden. Die Entscheidungsprozesseüber Weiterbildung werden damit in denBetrieben zunehmend komplexer.

2.2.1 Formen des Time-Sharing inWeiterbildungsregelungenEine Beteiligung durch Zeitanteile (Time-Sharing) wird z.B. möglich über Freizeit,durch Abbau von Arbeitszeitkonten, Über-stundenabbau oder Arbeitszeitverkürzungbzw. Beschäftigungssicherungszeit. Time-Sharing beschreibt damit die MöglichkeitZeiten für Lernen aus unterschiedlichenZeitanteilen zu speisen; im betrieblichenUmfeld sind das vom Arbeitgeber bezahlteund vom Arbeitnehmer eingebrachte Zei-ten (Arbeitszeit, Freizeit, angesparte Über-stunden, Zusatzfreischichten etc.). ErsteBeobachtungen weisen darauf hin, dassneu diskutierte Modelle, wie das derlebensalter-differenzierten Arbeitszeit,unter bestimmten Gesichtspunkten auchfür ältere Mitarbeiter noch Anreiz zur Teil-nahme an Weiterbildung bieten und nichtals reines Zeit ansparen „für den vorzei-tigen Ruhestand“ (B2, S. 13) gesehenwerden.

Flexible Arbeitszeitmodelle gewinnen fürdie Weiterbildung eine besondere Rolle,wenn (angesparte) Zeiten aus ihnen ent-nommen werden können und Beschäftigtedamit ein zusätzliches Mittel zur Inan-spruchnahme für Lernen besitzen. Erfah-

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rungen der interviewten Betriebe legenoffen, dass Zeitentnahmen v.a. für lang-fristige Weiterbildungsmaßnahmen getä-tigt werden. Betriebsräte werten dies alspositives Signal des Betriebs, auch „um-fassendere Ausbildungen“ (A2, S. 1) zuunterstützen. Für kleine Betriebe helfenflexible Arbeitszeitmodelle und -kontenüber die Schwier igkei t personel lerKapazitätsengpässe hinweg. Diese ma-chen es erforderlich auf Freizeitanteile derBeschäftigten zurückzugreifen, um alle(kontinuierlich) an Bildung teilhaben zulassen. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dassdurch die eigene Zeitinvestition Beschäf-tigte eher in die Lage versetzt werdenWeiterbildungsmaßnahmen zu besuchenbzw. -inhalte mitzubestimmen, die nichtexplizit für den derzeitigen Arbeitsplatzgebraucht werden und im Sinne extra-funktionaler Bildung, über den direktenArbeitszusammenhang hinaus, weiterge-hende Qualifikationen vermitteln.

Als problematisch ist dabei die Entwick-lung anzusehen, dass vermehrt in der Frei-zeit gelernt wird und einseitige Finanzie-rungen von Weiterbildung durch die Be-schäftigten selbst zunehmen. Dies beziehtsich den Ergebnissen nach nicht mehr nurauf beschäftigten-initiierte, extrafunk-tionale bzw. den ‚Marktwert’ steigerndeMaßnahmen, sondern immer öfter auchauf funktionsbezogene Qualifizierungen.Die Thematik ‚Vertrauensarbeitszeit‘ und‚Zeitsouveränität‘ erhält durch Time-Sharing eine ganz neue Bedeutung. DerBetrieb überträgt arbeits- und zeit-organisatorische Verantwortung auf ein-zelne oder Teams (z.B. durch Ziel-vereinbarungen); häufig jedoch ohne ent-sprechende Kompetenzzuteilungen (vgl.Bosch et.al., 2001). Damit bedeutenVertrauensarbeitszeiten und Zeitsou-veränität keinesfalls zwangsläufig eigen-verantwortliche Zeitverwendungsformen.Nach Hildebrandt gerät der „neue Arbeits-typus“ in einen immanenten Widerspruch„zwischen Funktionalisierung und Ei-genständigkeit im Betrieb“, der durch„fremdbestimmte Selbstorganisation“ cha-rakterisiert ist (Hildebrandt 1999, S. 10f.).

Zeitinvestitionen für Weiterbildung sindinsofern davon betroffen, als mit demWegfall von Zeiterfassungssystemen nichtzwangsläufig ein Zugewinn an Autono-mie über die eigene Zeitverwendung statt-findet. Wo heute schon die Zuordnung

bestimmter Weiterbildungsmaßnahmen inAnrechnungstypen schwierig ist, wird,wenn die Zeiten insgesamt nicht mehrerfasst sind, die Zurechenbarkeit kaumnoch möglich sein. Die Investierbarkeitvon Zeit für Weiterbildung wird sounmöglich gemacht.

2.2.2 Formen des Finanz-Splitting inWeiterbildungsregelungenWo sich in den letzten Jahren erste Spiel-räume beim Time-Sharing entwickelt ha-ben, zeigen die Untersuchungsergebnisse,dass das Finanz-Splitting noch hinterherhinkt. Hier zeigen sich kaum Variantenfür Betrieb und Beschäftigte eine flexibleFinanzierung von Weiterbildungsmaß-nahmen zu vereinbaren. Derzeit herrschtbei knapp drei Viertel der befragten Be-triebe statt dessen zumeist ein ,Entweder-Oder’-Zustand vor, nach dem der Betriebentweder die ganzen Kosten übernimmtoder gar keine finanzielle Beteiligung ein-geht.

Formen von Finanz-Splitting findet manv.a. in abschlussgebundenen Kostenüber-nahmen bei Studiengängen, die entwedervom Abschluss überhaupt oder prozen-tual vom Erreichen eines bestimmtenNotendurchschnittes abhängen. Der aussolchen Regelungen möglicherweise ent-stehende Lerndruck oder Erfolgszwangwird von den Interviewten selten thema-tisiert. Vielmehr sehen sowohl die Perso-nal- und Bildungsverantwortlichen alsauch die Betriebsräte finanzielle Eigen-investitionen der Beschäftigten, durch ei-nerseits Interessenbedingtheit und ande-rerseits bei finanziell aufwendigen Wei-terbildungen, sehr wohl als berechtigt an.

Eine ‚umgekehrte‘ Variante von Finanz-Splitting ergibt sich aus Rückzahlungs-klauseln bei Verlassen des Betriebes. Siesollen zum einen das Dilemma ausQualifizierungsansprüchen und Folge-forderungen auflösen, zum anderen dieVerwertbarkeit erworbener Qualifikatio-nen durch den Verbleib der Beschäftig-ten im Betrieb sicherstellen.

2.3 Weiterbildungsregelungen undspezifische Beschäftigtengruppen

Ein weiteres Entscheidungsfeld(3) fürLernanspruchs- bzw. Weiterbildungsrege-lungen ist Relevanz für einzelne Beschäf-tigtengruppen. Laut den Ergebnissen der

(3) Hierbei handelt es sich um einentraditionellen Bereich betrieblicherWeiterbildungsregelungen, der auchin das Deutsche Bundesgesetz zur be-trieblichen Berufsbildung, dem Be-triebsverfassungsgesetz (BetrVG, § 98Abs. 3 und 4), aufgenommen ist. Da-nach hat der Betriebsrat bei der Aus-wahl der ArbeitnehmerInnen, die anBerufsbildungsmaßnahmen teilneh-men sollen, ein Mitbestimmungsrecht(weiteres bei Breisig, 1997).

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Befragungen gehören zu Problemgruppenin Weiterbildungsregelungen v.a. ältereBeschäftigte, ausländische Beschäftigteund flexibel Beschäftigte. Allgemeingül-tige Aussagen zu spezifischen Beschäf-tigtengruppen sind jedoch kaum möglich,was sich im Rahmen zunehmenderIndividualisierungstendenzen und Einzel-absprachen für Weiterbildung vermutlichnoch verstärken wird. Insgesamt ist beiden hier untersuchten Betrieben kaumexplizit die Weiterbildung irgendeinerBeschäftigtengruppe durchgängig geregelt– im Gegensatz z.B. zur Ausbildung. Ein-zig und zumeist auf große Betriebe be-schränkt, existieren spezielle Aufstiegs-fortbildungen für angehende Führungs-kräfte. Auch beginnen die Betriebe erstzaghaft die spezifische Position vonTeilzeitarbeitskräften in der Weiterbildungmitzudenken – und das, obwohl von ei-nem mengenmäßigen Zuwachs derTeilzeitarbeitsplätze und -kräfte auszuge-hen ist. Gleichzeitig werden daraus ent-stehende Schwierigkeiten von den Betrie-ben noch wenig differenziert und reflek-tiert wahrgenommen.

Bezogen auf Ältere werden von den Be-trieben sehr ambivalente Signale gesen-det. Zum einen wird der Wert ihrer Er-fahrungen betont, zum anderen sieht manfür diese Gruppe nur noch geringeEntwicklungsmöglichkeiten, was sie vonvornherein aus Potentialanalysen undlangfristig orientierten Qualifizierungs-maßnahmen ausschließt. Gleichzeitigmeinen die Betriebe bei der älteren Be-legschaft häufiger eine Lernentwöhnungerkennen zu können. Hierbei gehen Ur-sache und Wirkung Hand in Hand. Man-gelnde Entwicklungsperspektiven undfehlende Unterstützung oder Förderungziehen eine sogenannte Lernentwöhnungoder Bildungsabstinenz nach sich. „DasProblem ist halt, was mutet er sich selbstzu? Und wird ihm eine Weiterbildungüberhaupt zugemutet“ (G2, S. 8). Damitscheint die Akzeptanz für Weiterbildungnicht am Alter selbst zu liegen, sondernv.a. in den Rahmenbedingungen.

Eine weitere Problemgruppe bilden aus-ländische Beschäftigte. Nach Ansichtder Interviewten bedürfte es bei dieserGruppe einerseits spezieller Qualifizie-rungsmaßnahmen, die sprachlich an-gepasst sind und zugrundeliegendeSprechbarrieren berücksichtigen. Anderer-

seits fehlen aber auch hier wieder Auf-stiegs- oder Entwicklungsmöglichkeiten.Viele ausländische Beschäftigte sind ur-sprünglich als un- und angelernte Arbeits-kräfte in den Betrieb gekommen. Wo derberufliche Aufstieg zunehmend über dieKombination von Arbeit und Bildung statt-findet entsteht die Problematik für Un-und Angelernte erst einmal zu „qualifi-zierten Beschäftigten“ zu werden (vgl.Bosch, 2001). Damit dreht sich das Pro-blem der Weiterbildung für ausländischeBeschäftigte im Kreis: Bildung vorrangigfür qualifizierte Arbeitskräfte – aber, ohneQualifizierung gibt es keine Entwicklungs-perspektive und kaum Weiterbildungdurch den Betrieb.

Die dritte benannte Problemgruppe stel-len flexibel Beschäftigte dar. Dabei wirddie zeitliche Organisation, der Aufwand,aber auch die didaktische Gestaltbarkeitvon Weiterbildungsmaßnahmen als mög-liche Hürden benannt. Auf diese Gruppetrifft v.a. die Schwierigkeit eines Co-In-vestments im Zusammenhang mit Zeit-entnahmen für Qualif izierungsmaß-nahmen zu. Wo Arbeitszeiten eine stetigeFlexibilisierung erfahren (Gleitzeit, Teil-zeit, befristete Beschäftigung, Wochen-endarbeit etc.) steigt der Aufwand für dieSchaffung von Zeitfenstern für Lernen(z.B. im Schichtbetrieb) und die Erfassungvon Arbeitszeiten (z.B. im home-office,durch Zeitsouveränität) als Grundlage zurInvestierbarkeit in Bildungszeit.

3. Erfahrungen undzukünftige Richtungen fürLernzeitstrategien

Über die Hälfte der befragten Personennennen als Grund für die Einführung vonErwerbs-Lernzeit-Kombinationen eine ArtSignalwirkung, die innerhalb des Betrie-bes in unterschiedliche Richtungen zielt.So ist sie Appell an die „Mitverantwor-tung des Mitarbeiters für Qualifikations-erhaltung und -ausbau“ (B, S. 3). Es solleine Verbindung aus personaler Mitver-antwortung und zeit l icher Eigenbe-teiligung geschaffen werden. Motive da-für sind Erwartungen an eine gesteigerteBereitschaft und Akzeptanz des Einzelnenzur Weiterbildung sowie eine erhöhteLernmotivation. Dabei lautet das Motto:‚bildungsbeteiligte‘ MitarbeiterInnen sind

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‚bildungsmotiviertere‘ MitarbeiterInnenund lernen besser. Die Ergebnisse zeigen,dass v.a. Betriebsräte die Richtung derSignale auch als Ermutigung für die Be-schäftigten verstehen, sich nicht nur auffunktionale und betrieblich notwendigeQualifizierung zu konzentrieren, sondernLernen als Chance zur persönlichen Wei-terentwicklung zu sehen. Das setztzusätzliche Zeichen in Richtung Wertig-keit und Kontinuität von Weiterbildung,weil langfristige Bildungsplanung, Strate-gien für Weiterbildung im Betrieb und dieKombination aus Investitionen in techno-logische Richtungen und Human-Ressour-cen notwendig werden.

Die zunehmende Arbeitsüberlastung imoperativen Tagesgeschäft (vgl. Stück,1999; Bosch et.al., 2001) ist ein wichtigesArgument für die Einführung von Erwerbs-zeit-Lernzeit-Kombinationen und damiteinhergehend, rechtlichen Anspruchs-regelungen für die Inanspruchnahme vonLernzeiten. Wo sich die Arbeitszeit zuneh-mend verdichtet, wird die Notwendigkeitzum Lernen möglicherweise noch zu ei-ner zusätzlichen Belastung. Um Weiter-bildung nicht als weiteren Arbeits- undFlexibilitätszwang hinzuzufügen, sollenAnspruchsrechte auf ‚freie Zeiten zumLernen‘ Abhilfe schaffen.

Ein anderer Punkt ist der Aspekt derArbeitsplatzsicherung. Durch ihn wirdein zweifacher Anstoß zur Initiierung vonErwerbs-Lernzeit-Kombinationen geboten:Zum einen die Sicherung der Qualifikati-on einzelner mit Blick auf das kompeten-te Ausfüllen eines Arbeitsplatzes (employ-ability), zum anderen den Erhalt von Ar-beitsplätzen und Schaffung von Voraus-setzungen für den Betrieb im ständigenKonkurrenzkampf auf dem Markt (Wett-bewerbssicherung). Nach Ansicht der In-terviewten stehen sowohl die Betriebe alsauch die Beschäftigten gleichermaßenunter Existenzdruck, der nur durch dasständige Weiterlernen der Beschäftigtenaufgefangen werden kann. Die Ergebnis-se der Studie zeigen allerdings, dass sichfür den ersten Punkt, die Sicherung deremployability, weniger die Betriebe zu-ständig fühlen und statt dessen die Be-schäftigten selbst dafür verantwortlichgemacht werden.

Ein weiterer, aus Sicht der Betriebsräte derwichtigste Grund für die Einführung von

Erwerbs-Lernzeit-Kombinationen, ist daszeitökonomische Anliegen der Betrie-be „an die Zeit der Beschäftigten zu kom-men“ (E, S. 14). Da Lohnfortzahlungenimmer noch den größten Anteil an Kos-ten betrieblicher Weiterbildung einneh-men (vgl. Weiß, 1997), finanziert der ein-zelne, je nach Qualifizierungsinhalten und–themen, seine Weiterbildung in nichtunerheblichem Maße mit. Vor allem klei-nere Betriebe haben nicht die personelleKapazität, ihre Beschäftigten jederzeit undkontinuierlich an Weiterbildung teilneh-men zu lassen. Der Ausfall eines einzel-nen Mitarbeiters fällt viel stärker ins Ge-wicht. Aber auch in größeren Betriebenwird es zunehmend alltäglich, dass Zei-ten für Weiterbildung zu Lasten der Ar-beitnehmer gehen. Das gemeinsame Co-Investment durch Time-Sharing bzw. Fi-nanz-Splitting stellt eine Art Balance her,die der Entscheidungsfreiheit für Bildungförderlich ist. Dabei zeigen sich Vermi-schungen individualorientierter und unter-nehmenskultureller Beweggründe bei derEinführung von Erwerbszeit-Lernzeit-Kombinationen. Langfristig soll eine spe-zifische „Lernkultur“ (B, S. 4) in den Be-trieben Fuß fassen, die dem Postulat deslebenslangen Lernens folgt.

Die Erfahrungen aus Erwerbszeit-Lernzeit-Kombinationen weisen eine durchgehen-de Ambivalenz aus sowohl positiven alsauch negativen Erfahrungen auf. Es ist einrelativ differenziertes (wenn auch nochkaum reflektiertes) Verständnis auszuma-chen. Als positiv werden z.B. verstärktauftretende Forderungen der Beschäf-tigtenseite nach Weiterbildung und indi-vidueller Bildungsplanung gewertet. DieBeschäftigten bringen eine höhere Bereit-schaft auf, sich für die eigene Qualifizie-rung z.B. durch zeitliche Investitionen zuengagieren. Die sich ändernde Wertigkeitvon Bildung wirft zusätzlich eine Entwick-lung in Richtung kontinuierlichem, lebens-begleitendem Lernen auf. Aufgrund vonRegelungen eröffnen sich Chancen zurOrdnung, die die Willkür begrenzen undeine unternehmensweite Einheit undÜbersichtlichkeit der betrieblichen Wei-terbildungsprozesse ermöglichen. FesteRegelungen im Rahmen von Erwerbszeit-Lernzeit-Kombinationen sind besondersaus Sicht der Belegschaftsvertreter für allewichtige Orientierungshilfen. Das betrifftdie Einordnung in die Anrechnungstypikdurch die Vorgesetzten, genauso wie die

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Durchsetzung bestimmter Ansprüche sei-tens der Beschäftigten und die Unter-stützung durch den Betriebsrat. Durch dieVereinbarung fester Regelungen auf An-spruchsrechte geben die Betriebe insge-samt ein deutliches Signal an die Beleg-schaft, dass Weiterbildung gewollt ist.

Als weniger positiv bezeichnen die Per-sonal- und Bildungsverantwortlichen dievielfach noch schleppende Eigeninitiati-ve der Beschäftigten sich überhaupt mitWeiterbildung auseinanderzusetzen. Be-obachtet wird eine passive Haltung, diein Zusammenhang mit dem Erleben undWert von Lernen allgemein gebracht wirdund auf traditionelle Denkmuster, die dieNutzung bestehender Lernzeit-Regelun-gen erschweren. Traditionsbehaftet seiv.a. die Frage welche bzw. wessen Zeitfür Bildung investiert wird. Zum anderengreifen in der arbeitsweltlichen RealitätZeiterfassungssysteme an vielen Stellennicht mehr, so dass die Richtlinie ‚Lern-zeiten sind Arbeitszeiten‘ nicht mehr passt.Noch ungenügend ist die Einbindung be-stehender Regelungen in umfassende, län-gerfristige Bildungsstrategien im Betrieb;es besteht die Gefahr, dass Willkür undNichtbeteiligung aufgrund individuellerAushandlungsprozesse zwischen Vorge-setzten und Beschäftigten zunehmen. Einenicht zu unterschätzende Gefahr liegt fürBetriebsräte darin, dass sich Umverteilun-gen bei Lernzeiten meist als schleichen-de Prozesse vollziehen. Verstärkt wirddiese Entwicklung noch durch die Ablö-sung traditioneller Weiterbildungsformenwie z.B. Präsenzseminare. Immer mehr‚individuell, frei‘ zu bearbeitende Selbst-lernmaterialien, Abendakademien undvirtuelle Lernformen (e-learning, blended-learning) verdrängen klassische Bildungs-formen. Das hat Einfluss auf die Vertei-lung der Lernzeiten, weil sich Betriebe anden Materialien zwar finanziell beteiligen,die zeitliche Verantwortung aber an dieBeschäftigten abgeben. Zusätzlich lässtsich die Finanzierung entsprechenderBildungsmaßnahmen über Freizeitanteilescheinbar leichter rechtfertigen, wenn sichauch die Maßnahmen selbst von traditio-nellen, institutionellen Veranstaltungs-formen gelöst haben.

4. Ausblick: Lernzeit-strategien und ihreInanspruchnahme

Die Wirklichkeit betrieblicher Weiterbil-dung, Weiterbildungsregelungen und derUmgang damit stellt sich als komplexes,oft unübersichtliches, verwirrendes undunsystematisches Agieren bei der Vertei-lung von Verantwortungen, Zuständigkei-ten und Inanspruchnahme für Qualifizie-rung dar. Es hat sich herausgestellt, dassweder die Existenz tariflicher, betriebli-cher oder individualrechtlicher Weiter-bildungsregelungen, noch die Brancheoder Größe der Unternehmen einen ein-deutigen Rückschluss darauf zulassen, wiemit bestehenden Vereinbarungen tatsäch-lich verfahren wird. Dies zeigt auf, dasssich - trotz der häufig beschworenen Auf-wertung betrieblicher Weiterbildung, derDebatte um Qualifikation als Standortvor-teil und Human-Ressourcen als Quelle vonUnternehmenserfolg - Proklamationennoch kaum in einer Praxis umfassenderErwerbszeit-Lernzeit-Strategien nieder-schlagen.

Das Spektrum vorhandener Lernan-spruchs- und Weiterbildungsregelungenstreut insgesamt breit. Die Bedeutung derAbkehr von frühen Regelungen, in denenLernzeit immer Arbeitszeit ist, ist auch imZusammenhang mit personellen Engpäs-sen (v.a. bei kleinen Betrieben) und fle-xibilisierten Arbeitszeitformen zu disku-tieren, um dem Manko tariflicher undbetrieblicher Vereinbarungen über Lern-zeiten und Weiterbildung bei der Be-rücksichtigung des Aspektes der Arbeits-zeitflexibilität entgegenzuwirken. Durchdie Möglichkeit Lernzeiten neu zu orga-nisieren, indem Freizeiten, Zeiten ausArbeitszeitkonten, Beschäftigungssiche-rungszeiten etc. mit einbezogen werden,erleben Betriebe und Beschäftigte eineStärkung der Optionen zur Weiter-bildungsteilnahme. Dabei erfordert dieErosion des Normalarbeitsverhältnisseseine Berücksichtigung der wachsendenGruppe flexibel Beschäftigter, ihrer spe-zifischen Arbeitszeitformen, Zeitkontenjeglicher Art und die explizite Verknüp-fung mit Bildungszeiten. Naiv wäre es,nach den gewonnenen Ergebnissen, da-von auszugehen, dass Lernzeitkombi-nationen zu einer neuen Chancengleich-heit für alle Beschäftigtengruppen führen.

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Durch die gleichzeitig zunehmende Ge-wichtung der Führungskräfte als Bildungs-planer und -entscheider bestimmen mehrund mehr einzelne darüber, wer am‚Karriererennen‘ teilnehmen kann; über-greifende Legitimationsgrößen, wie tarif-liche und betriebliche Regelungen, wer-den ersetzt durch subjektive Definitions-macht (vgl. Wittwer, 1995).

Betriebsräte befürchten eine zunehmen-de Tendenz zur Ausbeutung von Zeitan-teilen der Beschäftigten, wovon auch diebetriebliche Weiterbildung nicht unbe-

rührt bleibt. Wo Zeit insgesamt nicht mehrerfasst wird und nur noch marginalenEinfluss auf Einschätzung und Bewertungvon Leistung besitzt, kann die Zuordnungin verschiedene Zeitverwendungsformenkaum mehr gelingen. Zeitverwendungenim Rahmen betrieblicher Weiterbildungwerden nur noch diffus - entweder ‚kon-tinuierlich‘ oder ‚lebenslang‘ oder ‚neben-her‘ – erbracht. Forderungen nach expli-ziten Zeitfenstern für verschiedene Tätig-keiten, und somit auch für Lernen, ge-stalten sich zunehmend schwieriger.

Literatur

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Schmidt-Lauff, S. (2003): Betriebliche Realisie-rungsstrategien von Lernzeiten – Empirische Un-tersuchung von Umsetzungsbeispielen in Unter-nehmen. In: Dobischat, R. et al. (2003): Integrationvon Arbeiten und Lernen – Erfahrungen aus derPraxis des lebenslangen Lernens. Berlin: 205-232

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Übergänge zwischenSchule und Erwerbsle-ben schaffenEine Studie über die Vor-gehensweisen verschiedenerSchulen zur Schaffung vongünstigen Voraussetzungenfür den Eintritt Jugendlicherins Erwerbs- undErwachsenenleben

MaritaOlsson

Institut für Arbeits-wissenschaft

Luleå TekniskaUniversitet

darstufe II untersucht; dies geschah durchmündliche Interviews, Beobachtungenund eine eingehende Lektüre von Doku-mentation über die betreffenden Schulen.Lernprozesse vollziehen sich teils impli-zit und mehr oder weniger bewusst durchSozialisierung, teils intentional in derSchule. Die Lernaktivitäten in der Schuleerfolgen größtenteils im Rahmen einesformalen Unterrichts, bei dem die Beto-nung auf kognitivem Wissen wie z. B.Fakten- und Verständniswissen liegt. Wis-sen kommt ebenso auch in verschiede-nen Situationen vor, in der Praxis sowiein unausgesprochener Form (d. h. impli-zit); zur Aneignung dieses kontextuellenWissens müssen die Lernaktivitäten inner-halb einer Gemeinschaft in einem Arbeits-umfeld stattfinden. Die von der Fallstu-die erfassten Schulen gehen bei der Ver-mittlung von Wissen, der Zusammenar-beit mit der Arbeitswelt und der Einfüh-rung der Schüler in die Arbeitswelt un-terschiedlich vor; die Schüler finden nachAbschluss ihrer Ausbildung eine Beschäf-tigung und werden somit in die Lage ver-setzt, ein eigenständiges Leben aufzubau-en und den Erwachsenenstatus zu erlan-gen.

Abstract

Der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt, so-wohl auf lokaler als auch auf globalerEbene. Es werden heute höhere formaleQualifikationen und umfassendere Kennt-nisse gefordert, was eine Erhöhung desArbeitslosigkeitsrisikos mit sich gebrachthat, insbesondere für junge Menschen.Eine Arbeitslosigkeit in jungen Jahrenkann dazu führen, dass persönliche Wer-te gefährdet werden, so beispielsweise dieErlangung des Erwachsenenstatus. DerSchule wird vorgeworfen, dass s ierealitätsfern sei und es ihr nicht gelinge,die Kenntnisse und Kompetenzen zu ent-wickeln, die in der Arbeitswelt nachge-fragt werden. Ziel der vorliegenden Fall-studie ist es, zu untersuchen, wie Schu-len, die berufsvorbereitende Ausbildungs-programme in der Sekundarstufe II an-bieten, ihren Unterrichtsbetrieb organisie-ren, um einerseits die in der modernenArbeitswelt geforderten Kenntnisse zuvermitteln und andererseits Jugendlicheins Erwerbs- und Erwachsenenleben ein-zuführen. Dazu wurden drei freie – d. h.nichtstaatliche – Schulen der Sekun-

Auf dem Arbeitsmarkt wer-den heute höhere formaleQualifikationen und umfas-sendere Kenntnisse gefor-dert, was eine Erhöhung desArbeitslosigkeitsrisikos mitsich gebracht hat, insbeson-dere für junge Menschen.Eine Arbeitslosigkeit in jun-gen Jahren kann dazu füh-ren, dass persönliche Wer-te gefährdet werden, so bei-spielsweise die Erlangungdes Erwachsenenstatus. DerSchule wird vorgeworfen,dass sie realitätsfern seiund es ihr nicht gelinge, dieKenntnisse und Kompeten-zen zu entwickeln, die inder Arbeitswelt nachgefragtwerden. Ziel der vorliegen-den Fallstudie ist es, zu un-tersuchen, wie Schulen, dieberufsvorbereitende Ausbil-dungsprogramme in derSekundarstufe II anbieten,ihren Unterrichtsbetrieborganisieren, um einerseitsdie in der modernen Ar-beitswelt gefordertenKenntnisse zu vermittelnund andererseits Jugendli-che ins Erwerbs- undErwachsenenleben einzu-führen.

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Einleitung

Jugend ist laut Mitterauer (1988) der Zeit-abschnitt im Leben eines Menschen, derzwischen der Kindheit und dem Erwach-senenleben liegt. In der Jugendzeit ent-wickelt sich eine selbständige Persönlich-keit, d. h. eine Unabhängigkeit von El-tern oder Erziehungsberechtigten im Hin-blick auf sowohl finanzielle und sozialeals auch psychologische Aspekte. DieWege zur Erlangung dieser Eigenstän-digkeit gestalten sich unterschiedlich.Das Leben eines einzelnen Menschensetzt sich aus verschiedenen Lebenspha-sen zusammen, die durch Schlüsselüber-gänge voneinander getrennt werden,welche eine Veränderung des Status derbetreffenden Person herbeiführen. EinBeispiel für einen solchen Schlüsselüber-gang ist etwa der Abgang von der Schu-le zum Eintritt in die Arbeitswelt. Sozia-le Strukturen, Institutionen und Normenwirken sich darauf aus, ab wann einMensch im Laufe seines Lebens als er-wachsen gilt. Um an den wesentlichenGrundprozessen der Gesellschaft teilha-ben zu können und von anderen Erwach-senen als Erwachsener betrachtet zuwerden, muss der Einzelne unter ande-rem seinen eigenen Lebensunterhalt be-s t re i ten können (vg l . h ie rzu u . a .Jacobsson 1997, 2000; Waara 1996). DerErwachsenenstatus eines Menschen hängtsomit in hohem Maße davon ab, inwie-weit er es geschafft hat, auf dem Arbeits-markt Fuß zu fassen.

Die Jugendzeit ist inzwischen länger ge-worden. Als einer der Gründe hierfür giltu. a. die im Allgemeinen längere Ausbil-dungszeit (vgl. hierzu u. a. Bjurström1997; Börjeson & Gullberg 1999), da aufdem Arbeitsmarkt immer höhere formaleQualifikationen und immer umfassende-re Kenntnisse gefordert werden (Ung-domsstyrelsen [Schwedischer NationalerJugendrat] 2000). Der Wandel des Arbeits-marktes hat auch ein erhöhtes Arbeits-losigkeitsrisiko mit sich gebracht, insbe-sondere für junge Menschen. Eine Arbeits-losigkeit in jungen Jahren kann lautOhlsson & Svärd (1994) dazu führen, dasswichtige persönliche Werte gefährdetwerden, so beispielsweise die Möglich-keit zur Führung eines selbständigen Le-bens und damit zum Eintritt in dasErwachsenendasein.

Die Fähigkeit schwedischer Schulen derSekundarstufe II zur Entwicklung derKenntnisse und Kompetenzen, die zu ei-ner Beschäftigung führen, hat offenbar ab-genommen. Es gibt heute in Schwedenkeine alternativen Ausbildungswege zuden Schulen der Sekundarstufe II. Gemäßdem Bericht Nr. 168 (1999) des Schwedi-schen Zentralamts für Schule und Erwach-senenbildung gingen nur vier von zehnAbsolventen der Sekundarstufe II, die imFrühjahr 1995 von der Schule abgegan-gen waren, anderthalb Jahre nachAbschluss ihrer Schulbildung einer Er-werbstätigkeit nach. Rund ein Drittel derAbsolventen hatte ein Studium an einerHochschule oder Universität aufgenom-men. Diejenigen Absolventen, die er-werbstätig waren, waren im Dienstlei-stungsbereich überrepräsentiert und in derIndustrie und im öffentlichen Dienst un-terrepräsentiert.

Die schwedische Sekundarstufe II ist einezusammenhängende Schulform mit ver-schiedenen Ausbildungsprogrammen.Hierzu zählen sowohl studienvorberei-tende als auch berufsvorbereitende Bil-dungsgänge. Die Sekundarstufe II sollJugendlichen aus verschiedenen Bevöl-kerungsgruppen eine gleichwertige Bil-dung bzw. Ausbildung vermitteln. Sämt-liche Ausbildungsprogramme sind drei-jährig angelegt und führen zum Erwerbder Hochschulreife. Dabei verleihen be-stimmte Programme die Zugangsberech-tigung für fortgeschrittene theoretischeStudiengänge, während andere eher prak-tisch ausgerichtet sind und lediglich einegrundsätzliche Berechtigung zur Aufnah-me eines Hochschulstudiums verleihen(vgl. hierzu u. a. Egidius 2001; Richardson1994; Proposition [Regierungsvorlage]1990/91:85.)

Jugendliche und junge Erwachsene sindin höherem Maße vom Anstieg der Ar-beitslosigkeit betroffen als ältere Erwach-sene (Ungdomsstyrelsen [SchwedischerNationaler Jugendrat] 2000). Dies ist dar-auf zurückzuführen, dass sie oft nochkeine Berufserfahrung besitzen und überkein Netz von Kontakten in der Arbeits-welt verfügen. Der Schule wird vorgewor-fen, dass sie realitätsfern sei. Laut Carlgren(1999) stellt die Schule eine besondereArt von Praktikum dar, während dessendie Schüler etwas lernen sollen, was siespäter in verschiedenen Kontexten außer-

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halb der Schule anwenden können. DieSchwierigkeit besteht darin, die Bildungs-tätigkeit der Schulen so zu gestalten, dasssie den Anforderungen der Arbeitswelt inpuncto Anpassung an die Realität bessergerecht wird.

In Schweden ist das Schulwesen seit je-her in hohem Maße eine Angelegenheitdes Gemeinwesens, d. h. des Zentralstaatsund der Kommunen. Die meisten Schu-len werden in staatlicher Trägerschaftgeführt, vom Staat finanziert und durchlandesweit gültige Gesetze, Curricula undkursspezifische Lehrpläne geregelt. Dasallgemeine Schulsystem orientiert sich ander Zielsetzung einer „gleichwertigenSchule für alle“ mit gleichen Wahl-möglichkeiten und der gleichen Bildungs-qualität im gesamten Land. Ebenso wiein vielen anderen westeuropäischen Län-dern hat sich durch gesellschaftliche Ver-änderungen im Laufe der letzten zwanzigJahre ein erhöhter Bedarf an individuel-len Wahlmöglichkeiten und mehr Flexi-bilität für die Bürger ergeben. Infolgedes-sen sind Gesetze und Bestimmungen mitt-lerweile weniger detailliert ausgeführt,was Freiräume für örtliche Variationengeschaffen hat (vgl. hierzu u. a. Arnman& Jönsson 1993; Olsson & Johansson2001).

Privatschulen – so genannte „freie Schu-len“ – hat es auf Ebene der SekundarstufeII während des gesamten 20. Jahrhundertsgegeben, doch war die Einstellung desStaates in dieser Beziehung lange restrik-tiv. Der Grund für eine Unterstützung die-ser Schulen vonseiten des Staates war inerster Linie die Förderung einer wün-schenswerten pädagogischen oder kon-fessionellen Ergänzung des Bildungsan-gebots im Rahmen des allgemeinen Schul-wesens. In den letzten Jahren hat sich dieBildungspolitik gewandelt. Freie Schulenwerden nunmehr als wichtiger Teil desallgemeinen Schulsystems angesehen, dasie zu einer größeren Vielfalt, einem stär-keren Wettbewerb zwischen verschiede-nen Schulen und der Entwicklung desschwedischen Schulwesens im Allgemei-nen beitragen (vgl. hierzu u. a. Arnman& Jönsson 1993; Richardson 1994; Jonsson2001; SOU 2001:12.).

Um staatliche Zuwendungen zu erhalten,müssen die Schulen Auflagen des Staatesin Hinblick darauf erfüllen, dass ihre

Unterrichtstätigkeit von den grundlegen-den Wertvorstellungen und allgemeinenZielsetzungen geprägt ist, die durch dasschwedische Schulgesetz, das allgemeineCurriculum und die kursspezifischen Lehr-pläne vorgegeben werden (Skolverket[Zentralamt für Schule und Erwachsenen-bildung] 2000).

1993 erhielten nichtstaatliche Schulen derSekundarstufe II das gesetzlich veranker-te Recht auf finanzielle Zuschüsse von denKommunen, in denen die Schüler ihrenWohnsitz haben. Diese Gesetzesänderungführte zu einem raschen Anstieg der Zahlder freien Schulen in der SekundarstufeII. Im Schuljahr 1992/93 wurden in Schwe-den 16 private Schulen der SekundarstufeII betrieben; diese waren im Schuljahr1996/97 auf 45 und im Schuljahr 2000/2001 auf 101 angewachsen. Die Zahl derSchüler lag im Schuljahr 1993/94 bei rund2500, erhöhte sich bis zum Schuljahr 1996/1997 auf etwa 7000 und zum Schuljahrauf nahezu 9000. Die Zahl der Schüler annichtstaatlichen Schulen entspricht unge-fähr drei Prozent der Gesamtschülerzahlin der Sekundarstufe II in ganz Schwe-den (Skolverket [Zentralamt für Schule undErwachsenenbildung] 2000; SOU 2001:12).

Untersuchungszweck

Anhand dieser Studie soll untersucht wer-den, wie freie Schulen, die berufsvor-bereitende Ausbildungsprogramme in derSekundarstufe II anbieten, ihren Unter-richtsbetrieb organisieren, um einerseitsdie in der modernen Arbeitswelt gefor-derten Kenntnisse zu vermitteln und an-dererseits Jugendliche in die Arbeits-welt einzuführen und somit die Zeit biszu ihrem Eintritt in den Arbeitsmarkt undins Erwachsenenleben zu verkürzen.

Methodik

Die vorliegende Untersuchung gründetsich auf drei Fallstudien, in deren Rah-men nichtstaatliche Schulen der Sekun-darstufe II beleuchtet wurden. Die aus-gewählten Schulen haben unterschiedli-che Träger, bieten unterschiedliche Aus-bildungsprogramme an und betreiben ihreUnterrichtstätigkeit in unterschiedlicherWeise. Die Fallstudien erfolgten mittelshalbstrukturierter Interviews mit offenenthematischen Interviewfragen (vgl. hierzuu. a. Frankfort-Nachmias & Nachmias

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1992; Denzin & Lincoln 2000; Andersson1994), die mit Schulleitern, Lehrern undSchülern sowie mit Ausbildungsbetreuernan den betrieblichen Ausbildungsplätzengeführt wurden. Des Weiteren erfolgtenBeobachtungen sowohl an den Schulenals auch an den betrieblichen Ausbil-dungsplätzen. Außerdem wurde Doku-mentation, die zu den betreffenden Schu-len vorlag, studiert. Als Auswahlrahmenwurde das vom Zentralamt für Schule undErwachsenenbildung erstellte Verzeichnisder freien Schulen mit berufsvorberei-tenden Ausbildungsprogrammen herange-zogen, in dem insgesamt 35 Schulen auf-geführt sind. Die auszuwählenden freienSchulen sollten hinsichtlich ihrer pädago-gischen Grundidee, Arbeitsformen, Orga-nisation und Kursinhalte innovativ sein.Zudem sollten die innovativen Vorgehens-weisen der Schulen sich bereits seit län-gerer Zeit im Einsatz befinden und gut inder Schule verankert sein und sich zu ei-nem gewissen Grade auch als erfolgreicherwiesen haben. Die Auswahl erfolgtemithilfe von Tipps und Anregungen, diezum einen von verschiedenen Personeneingeholt wurden, zum anderen aus ver-schiedenen Informationsschriften wieetwa Gutachten und Berichten zum The-ma Schule und Schulentwicklung, sowieschließlich durch Telefonate mit denSchulleitern der in Betracht gezogenenSchulen. Nach der Aussortierung bliebendrei freie Schulen übrig, denen in dieserArbeit folgende fiktive Namen gegebenwurden: Björklöv-Schule, Kronblad-Schu-le und Tallbarr-Schule.

TheoretischeAusgangspunkte

Um etwas zu beherrschen, muss man eserlernen. Lernprozesse vollziehen sichteils implizit und mehr oder wenigerbewusst durch Sozial is ierung, tei lsintentional in der Schule (Rasmussen2000). Der Unterricht an der Schule zieltdarauf ab, den Schülern Wissen und Fer-tigkeiten zu vermitteln (SOU 19992:94).Was als Wissen zählt, fällt zum einen voneinem Bereich zum anderen unterschied-lich aus und verändert sich zum anderenim Laufe der Zeit (vgl. hierzu u. a.Andersson 2000). Die Anforderungen anden Besitz theoretischen Wissens steigen,doch ist Wissen nicht nur etwas Kogniti-

ves. Wissen kommt ebenso in verschie-denen Situationen vor, in der Praxis so-wie in unausgesprochener Form (d. h.implizit) (vgl. hierzu u. a. Wenger 1998;Lave & Wenger 1991; Rolf 1995; Molander1996; Polanyi 1962). Zur Aneignung die-ses so genannten kontextuellen Wissensmüssen die Schüler an den Aktivitätenteilnehmen, in denen es enthalten ist.Durch die praktische Erfahrung lernen dieSchüler nicht nur das, was bewusst wahr-genommen wird und im Mittelpunkt desInteresses steht, sondern auch das impli-zite, unausgesprochene Wissen.

Im Allgemeinen spricht man von folgen-den Wissensformen: Faktenwissen, Ver-ständnis, Fertigkeit und Vertrautheit(vgl. hierzu u. a. Göranzon 1990; Mol-ander 1992; Marton et al. 1999). Der ent-scheidende Unterschied zwischen diesenliegt vor allem darin, dass Faktenwissen,Verständniswissen und Fertigkeitswissensichtbare Wissensformen sind, währendVertrautheitswissen eine implizite, d. h.unsichtbare Wissensform bildet. Der Be-sitz von Vertrautheitswissen bedeutet, dassman tiefer liegende Mechanismen begreiftund Kontrolle über Situationen hat.Vertrautheitswissen wird durch Erfahrungerworben und kommt beispielsweise beiBeurteilungen zum Einsatz.

In der berufsvorbereitenden Ausbildungerfolgt der Großteil der Lernaktivitäten imUmfeld des Klassenzimmers, d. h. im Rah-men eines formalen Unterrichts, der einemündliche Unterweisung beinhaltet (vgl.hierzu u. a. Proposition [Regierungsvor-lage] 1990/91:85; Skolverket Rapport [Be-richte des Zentralamts für Schule und Er-wachsenenbildung Nr.] 149, 163, 182 und187). Folglich liegt die Betonung auf ko-gnitivem Wissen wie z. B. Faktenwissenund Verständnis. Zur Aneignung von Wis-sen, das durch Ausprobieren erworbenwird, z. B. Fertigkeitswissen, müssen sichdie Schüler in einem Umfeld aufhalten,das ihnen die Möglichkeit zum prakti-schen Handeln bietet. Zur Aneignung vonVertrautheitswissen müssen sich die Schü-ler in einer Gemeinschaft aufhalten, d. h.in einem Umfeld, das ein kontextuellesLernen ermöglicht. Es kommt also daraufan, diese verschiedenen Wissensformenin ein wohl ausgewogenes Verhältnis zubringen, damit die Schüler in der berufs-vorbereitenden Ausbildung in die Lageversetzt werden, sich die Kenntnisse an-

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zueignen, die in der Arbeitswelt nachge-fragt werden, und die Erfahrungen zu er-werben, die für den Eintritt in den Ar-beitsmarkt erforderlich sind.

Ergebnisse

Gemeinsam ist den drei freien Schulen derSekundarstufe II in unserer Studie, dassihre jeweiligen Träger Aktiengesellschaf-ten sind, dass es sich um ziemlich kleineschulische Einheiten handelt, dass sie alleeng mit der Arbeitswelt kooperieren unddass der überwiegende Teil der Schülernach Abschluss der Ausbildung in einBeschäf t igungsverhäl tnis übergeht .Gleichwohl weisen die drei Schulen be-trächtliche Unterschiede zueinander auf.

Björklöv-Schule

Träger der Björklöv-Schule ist eine Akti-engesellschaft. Die Schule wurde 1994 mitdem Ziel gegründet, einen Ausbildungs-gang in der Sekundarstufe II für Jugend-liche einzurichten, die an einer berufli-chen Tätigkeit in der Industrie mit demSchwerpunkt Technik und Naturwissen-schaften interessiert sind. Die Björklöv-Schule ist eine Schule mit rund 150 Schü-lern, die auf dem Industriegelände desTrägerkonzerns in modernen Räumlich-keiten mit guter technischer Ausstattungund Laborausrüstung untergebracht ist.Die Schule beschäftigt rund 15 Vollzeit-lehrkräfte; als Lehrer im Fach Technik sindDiplom-Ingenieure mit Arbeitswelt- undBerufserfahrung tätig. Bei bestimmtenLehrkräften handelt es sich um aus derFachwelt herangezogene Lehrbeauftrag-te, so z. B. in den Fächern Kommunika-tionspsychologie, Präsentationstechnik,Gruppendynamik und Gruppenprozesse.Die Lehrer arbeiten 40 Stunden wöchent-lich, haben eigene Arbeitsplätze und sindan der Schule den ganzen Arbeitstag überverfügbar.

Das Industrieausbildungsprogramm istsowohl berufs- als auch studienvor-bereitend konzipiert. Die Ausbildung istsehr breit angelegt und enthält mehr Lei-stungseinheiten als viele anderen Indus-trieausbildungsprogramme in der Sekun-darstufe II, sodass die Schüler ein nahe-zu vierjähriges Ausbildungsprogramm imLaufe von nur drei Jahren absolvieren. Die

Ausbildung bewegt sich auf einem hohenNiveau. Dass die Schule auch tatsächlichdie auf dem Arbeitsmarkt gefragten Kennt-nisse vermittelt, wird von einem Sach-verständigengremium kontrolliert, dassich aus Betriebswirten, Technikern, Mar-ketingfachleuten und Produktions- undVerwaltungspersonal zusammensetzt.

Das Ausbildungsprogramm ist in fünf Fach-bereiche unterteilt: Technik, Wirtschaft,Kommunikation und soziales Training,Englisch und EDV. Der Fachbereich Tech-nik zieht sich wie ein roter Faden durchdie gesamte Ausbildung hindurch, indemdie Lehrer die übrigen Fachbereiche in denFachbereich Technik integrieren. Die Leh-rer kooperieren und suchen gemeinsamnach Möglichkeiten einerseits zur Zusam-menarbeit in großen und kleinen Projek-ten und andererseits zur Schaffung vonVerbindungen zur realen Welt, sowohl in-nerhalb des Konzerns als auch außer-betrieblich im gesellschaftlichen Umfeld.In ihrem Unterricht gehen die Lehrer vomPrinzip des problembasierten Lernens undeinem Portfolio-Ansatz aus. Die Kernfächerfungieren dabei als Hilfsmittel zur Wissens-aneignung und nicht etwa als eigene Fä-cher mit gesonderten Übungen. Das be-deutet, dass beispielsweise Mathematiknicht als eigenständiges Fach zählt, son-dern vielmehr als Instrument zur Lösungvon Problemen eingesetzt wird. Als indi-viduelle Wahlfächer können die Schülerferner Fremdsprachen, Programmierung,CAD und moderne Technologien belegen.Fremdsprachen wird besondere Bedeutungbeigemessen, was auf der Annahme be-ruht, dass die Arbeitswelt der Zukunft dieUnterhaltung internationaler Kontakte vor-aussetzen wird.

Die Schüler arbeiten zwischen 8.00 und16.00 Uhr und haben dazwischen eineeinstündige Mittagspause. Sie verfügenjeweils über einen eigenen Arbeitsplatzmit einem eigenen Computer. Die Schü-ler arbeiten in so genannten Basisgrup-pen zusammen, einerseits um im Lern-prozess voneinander profitieren zu kön-nen und andererseits um die Zusammen-arbeit mit unterschiedlichen Persönlich-keiten zu lernen. Die Lehrer stellen einProjekt vor, woraufhin sich die Schüler inihre Basisgruppen zurückziehen, um sichmittels Diskussion auf eine Vorgehenswei-se zur Lösung der Projektaufgabe zu ei-nigen. Die Schüler tragen dazu Informa-

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tionen zusammen, beispielsweise durchRecherchen in Büchern, im Internet, inder städtischen Bibliothek oder durch In-terviews. Nachdem die Aufgabe abge-schlossen ist, wird das Ergebnis in ver-schiedener Weise referiert, für gewöhnlichin schriftlicher oder mündlicher Form. DieSchüler bekommen keine Hausaufgaben,ausgenommen in Fremdsprachen. DerGrund hierfür liegt darin, dass sie ihreschulische Arbeit während der Arbeitszeitbewältigen können sollten. Die Schülermüssen ihre Arbeit sorgfältig planen undselbst die Verantwortung für ihrenWissensaufbau übernehmen.

Während der Ausbildungszeit absolvierendie Schüler zahlreiche Studienbesuche inden verschiedenen Tochtergesellschaftendes Trägerkonzerns. Die Schüler habenin diesen Betrieben Betreuer („Paten“), andie sie sich wenden können, wenn sieUnterstützung und Hilfe brauchen. DieseBetreuer organisieren unter anderemArbeitsplatzbesuche und Diskussions-zusammenkünfte. Nach dem ersten Aus-bildungsjahr wird den Schülern eine Fe-rienarbeit in einem der Tochterbetriebedes Konzerns während der Sommerferi-en angeboten. Die Schüler dürfen selbstbestimmen, ob sie eine solche Ferien-beschäftigung annehmen wollen und wielange sie gegebenenfalls in den Sommer-ferien arbeiten möchten. Nach dem zwei-ten Ausbildungsjahr absolvieren die Schü-ler ein vierwöchiges Auslandspraktikum.Dabei dürfen sich die Schüler – wenn siedies wünschen und dazu in der Lage sind– selbst das Land aussuchen, einePraktikumsstelle und eine Gastfamiliebesorgen. Die Schule verfügt über antritts-bereite Praktikumsstellen, vorwiegend inDeutschland und der Schweiz. Das Aus-landspraktikum kostet den einzelnenSchüler 2000 schwedische Kronen; dierestlichen Kosten übernimmt die Schule.Während des Auslandspraktikums sollendie Schüler in erster Linie Übung inFremdsprachen erhalten und sich Kennt-nisse über unterschiedliche Kulturen an-eignen. Im dritten Ausbildungsjahr füh-ren die Schüler eine größere Projektar-beit durch. Die Tochterunternehmen desKonzerns beauftragen die Schule damit,so genannte „reale“ Probleme zu lösen.Die Schüler wählen selbst unter denVorschlägen der Tochterunternehmen die-jenigen Aufträge aus, die sie übernehmenwollen, und werden während der Durch-

führung sowohl von den Lehrern als auchvon den Mitarbeitern des betreffendenUnternehmens beratend unterstützt. Wenndie Projekte abgeschlossen sind, werdendie Lösungen auf einer größeren Veran-staltung mit geladenen Ehrengästen vor-gestellt. Im Rahmen dieser Feier werdenPreise und Stipendien vergeben.

Nach dem Abschluss der Ausbildung bie-ten sich den Absolventen Beschäftigungs-möglichkeiten innerhalb des Konzerns.Rund 25 bis 30 % eines Jahrgangs ent-scheiden sich normalerweise für die Auf-nahme einer Tätigkeit innerhalb des Kon-zerns. Einige leisten ihren Militärdienst ab,andere entscheiden sich dafür, ein Jahrzu arbeiten und danach ihre Ausbildungfortzusetzen. Im Normalfall gehen etwa30 % eines Absolventenjahrgangs direktan eine Universität oder Hochschule über.Nach dem Abschluss ihres Hochschulstu-diums kehren viele der ehemaligen Schü-ler in den Konzern zurück. Sie kennenden Betrieb, wissen, wie der Konzern ar-beitet, und beherrschen die dort ange-wandten Programme. Während ihrer ge-samten Ausbildung in der SekundarstufeII sind die Absolventen in der konzern-spezifischen Unternehmenskultur geschultworden und sind daher mit den Denk-weisen des Konzerns gut vertraut.

Kronblad-Schule

Träger der Kronblad-Schule ist eine Akti-engesellschaft. Diese Schule der Sekun-darstufe II, die im Herbst 1994 ihren Be-trieb aufnahm, beschäftigt gut 20 Ange-stellte und hat ca. 150 Schüler. Zielset-zung der Schule ist die Veranstaltung ei-ner dynamischen und interessanten Aus-bildung im Bereich der Gastronomie. DieAusbildungsräumlichkeiten der Träger-gesellschaft bestehen zum einen inUnterrichtsräumen für den theoretischenKernfächerunterricht und zum anderen inKüchen und Speisesälen für den prakti-schen Unterricht in den programm-spezifischen Fächern. Die praktische Aus-bildung umfasst während des Schul-halbjahres die Mitarbeit in einem „offe-nen Betrieb“ mit täglichen auswärtigenGästen, denen Mittagsgerichte und Spei-sen à la carte serviert werden.

Die Schüler arbeiten selbständig und tra-gen selbst die Verantwortung für ihreneigenen Lernprozess. Die Schule arbei-

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tet auch thematisch, d. h. Einzelkursewerden in verschiedenen Themen zusam-mengeführt, sodass im Unterricht einganzheitliches Bild vermittelt wird. DerUnterricht ist in Unterrichtsperioden un-terteilt. Die Schüler erhalten im Abstandvon zwei bis vier Wochen abwechselndKernfächerunterricht und Unterricht inden programmspezifischen Fächern. Die-ser Wechsel wird von den Schülern alsausgesprochen positiv empfunden, da esdadurch nie dazu kommt, dass sie einender beiden Fachbereiche leid werden.Die Schule arbeitet zudem stark realitäts-bezogen, indem sie verschiedene Projekt-arbeiten in Zusammenarbeit mit einerReihe von Kontaktpersonen und Sach-verständigengruppen ausführt und exter-ne Aufträge verschiedener Art über-nimmt.

Bei der Durchführung der Projektarbei-ten und der externen Aufträge wird inpädagogischer Hinsicht vom Prinzip desproblembasierten Lernens und einemPortfolio-Ansatz ausgegangen, und siebilden so eine wichtige Ergänzung zumtäglichen, etwas traditioneller angelegtenUnterricht. Beispiele für solche Projekt-arbeiten sind etwa die Kooperation imtransnationalen Netzwerk im Rahmen desEU-Programms Leonardo da Vinci sowiedie Zusammenarbeit mit Finnland im Rah-men des Projekts „Das Essen der Ostsee-länder“ („Maten runt Östersjön“). Beispie-le für externe Aufträge sind die Ausrich-tung von verschiedenen Festveranstaltun-gen im Festsaal der Schule wie etwaJahresversammlungen, Vereinstreffen, EU-Tagungen sowie anderen Veranstaltungenvon eher privater Natur wie z. B. Hoch-zeiten und Beerdigungen. Den Schülernwird darüber hinaus die Möglichkeit ge-boten, an Koch- und Servierwettbewerbensowohl auf nationaler als auch auf inter-nationaler Ebene teilzunehmen. Dabeigelang es ihnen in einer Reihe von Fäl-len, bei einem Wettbewerb den Sieg da-vonzutragen, und noch öfter schafften esSchüler der Schule, einen der vorderenPlätze zu belegen. Die Schule ist Mitgliedder europäischen Vereinigung der Hotel-und Tourismusfachschulen, AssociationEuropéenne des Ecoles d’Hôtellerie et deTourisme (AEHT).

Die Schüler durchlaufen ein 16-wöchigesAusbildungspraktikum an einem betrieb-lichen Arbeitsplatz. Dieser betriebliche

Ausbildungsabschnitt soll den SchülernEinblicke in die beruflichen Bedingungender Branche vermitteln. Die Schule, dieeine enge Zusammenarbeit mit guten Re-staurants und überaus fähigen Küchen-chefs pflegt, bietet ein breites Spektrumvon Praktikumsplätzen für den betriebli-chen Ausbildungsabschnitt an – vonÀ-la-carte-Restaurants und Gaststätten bishin zu Konferenzhotels. Außerdem unter-hält die Schule internationale Kontakte zuEinrichtungen in Irland, Deutschland, Ita-lien, Portugal und Norwegen, und dieSchüler haben im zweiten Ausbildungs-jahr die Möglichkeit, ein vierwöchigesbetriebliches Ausbildungspraktikum ineinem dieser Länder zu absolvieren.

Die Mehrzahl der Schüler der Schule hatnach dem Abschluss der Ausbildung eineArbeitsstelle angenommen. Im Normalfallsind nur 15 % der Beschäftigten im Gast-stättengewerbe nach vier Jahren noch inder Branche tätig. Eine vom Leiter derSchule durchgeführte Untersuchung ergabhingegen, dass eine deutlich höhere Zahlvon Absolventen seiner Schule weiterhinin der Branche beschäftigt war, was dieSchulleitung als ein ausgesprochen gutesAusbildungsresultat wertet.

Tallbarr-Schule

Träger der Tallbarr-Schule ist eine Akti-engesellschaft. Die Schule nahm ihrenregulären Betrieb 1999 auf, nachdem sieeinige Jahre lang als Schulversuch betrie-ben worden war. Sie wendet sich an Ju-gendliche, die eine praktische Tätigkeitanstreben und den größten Teil ihrer Aus-bildung an einem Arbeitsplatz absolvie-ren möchten. Sämtliche Ausbildungspro-gramme sind speziell zugeschnittene Aus-bildungsgänge in den FachrichtungenElektrotechnik, Energiewirtschaft, Kraft-fahrzeugtechnik, Industrie, Schlosserei,Malerhandwerk, Fliesenlegerhandwerkund Lüftungstechnik. Die Schüler könnenihre Ausbildung in der Sekundarstufe IIzu jedem beliebigen Zeitpunkt währendeines Jahres beginnen, zumal sich dieSchuljahresabschnitte und die Ferien-termine an dieser Schule nicht mit der tra-ditionellen Schuljahreseinteilung decken.Im Ausbildungsjahr 2000 hatte die Schule28 Schüler. Da elf dieser Schüler eineAusbildung in der Fachrichtung Kraft-fahrzeugtechnik durchlaufen, wird diesesAusbildungsprogramm hier dargestellt.

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Die Ausbildung erinnert stark an ein dua-les Lehrlingsausbildungsmodell. Von dergesamten Ausbildungszeit werden 80 %an einem betrieblichen Arbeitsplatz ver-bracht. Das bedeutet, dass die Schüle vierTage in der Woche in einem Betrieb tätigsind, wo ihre Arbeit von einem betriebli-chen Ausbildungsbetreuer überwachtwird. Am fünften Tag erhalten die Schü-ler Theorieunterricht; dieser Teil der Aus-bildung findet in einem traditionellenschulischen Umfeld statt. Jeder Schüler hateinen individuellen Ausbildungsplan, derin Zusammenarbeit zwischen der Schuleund dem Ausbildungsbetrieb ausgearbei-tet wird. Der Ausbildungsplan wird vomBerufsfachausschuss der betreffendenBranche geprüft, der kontrolliert, ob dieAusbildung des Schülers den innerhalbdes jeweiligen Berufes gestellten Kompe-tenzanforderungen gerecht wird und dassdie Ausbildung der Nachfrage des Arbeits-marktes entspricht.

Eine Voraussetzung dafür, dass ein Aus-bildungsgang in einer bestimmten beruf-lichen Fachrichtung anlaufen kann, ist,dass sich Arbeitgeber finden, die bereitsind, Schüler für die Dauer der betriebli-chen Ausbildung bei sich aufzunehmen.Die Schule kümmert sich um die Beschaf-fung der betrieblichen Ausbildungsplät-ze, und die Ausbildungsbetriebe werdennach Rücksprache mit den Institutionendes Kraftfahrzeuggewerbes ausgewählt,d. h. dem Verband des schwedischen Kfz-Gewerbes (Motorbranschens Riksför-bund), dem Berufsfachausschuss desschwedischen Kfz-Gewerbes (Motor-branschens Yrkesnämnd) und dem Arbeit-geberverband des schwedischen Kfz-Ge-werbes (Motorbranschens Arbetsgivar-förbund). Der Ausbildungsbetrieb stelltder Schule einen Maschinenpark, Mecha-niker und Ausbildungsbetreuer zur Ver-fügung, wofür das Unternehmen von derSchule eine Vergütung erhält. Die Über-einkunft wird vertraglich geregelt. Voreinem etwaigen Vertragsabschluss über-prüft die Schule den in Aussicht genom-menen Ausbildungsbetrieb, um zu kon-trollieren, ob das Arbeitsumfeld auch alsAusbildungsort geeignet ist. Es herrschtgegenwärtig kein Mangel an betrieblichenAusbildungsplätzen.

Alle Schüler, die sich um einen Ausbil-dungsplatz an der Schule bewerben, wer-den angenommen. Es handelt sich dabei

oft um Jugendliche, denen die Motivati-on zu einer rein theoretisch angelegtenAusbildung fehlt und die deshalb schlech-te Zeugnisse mitbringen, die jedoch dasInteresse und die Voraussetzungen dafürbesitzen, einen Ausbildungsgang zu ab-solvieren, der sich auf ein Modell grün-det, das praktische Kenntnisse und theo-retischen Unterricht miteinander ver-knüpft. Der erste Monat an der Schule undam betrieblichen Ausbildungsplatz ist einEinführungsmonat, dem sowohl für denSchüler als auch für den Ausbildungsbe-trieb große Bedeutung zukommt. DerSchüler kann dabei herausfinden, ob dieWahl des Arbeitsplatzes und die Berufs-wahl wohl durchdacht waren, und derAusbildungsbetrieb hat die Möglichkeit,zu prüfen, ob der Schüler das erforderli-che Geschick für den Beruf mitbringt undob er die Aufgabe übernehmen will. So-bald die beiden Seiten einander und dieherrschenden Bedingungen gebilligt ha-ben, läuft die Ausbildung an. Einige Schü-ler erhalten eine Ausbildungsvergütung,andere wiederum nicht. Das Vergütungs-system unterliegt weder einer bestimm-ten Logik noch dem Grundsatz der Ge-rechtigkeit.

Am Arbeitsplatz arbeitet der Schüler zu-meist selbständig, manchmal jedoch auchzusammen mit seinem Ausbildungs-betreuer oder anderen Mitarbeitern desBetriebs. Der Ausbildungsbetreuer wirdvom Betrieb ausgewählt. Die Schule gibtdem Ausbildungsbetrieb im Hinblick aufdie Wahl des Betreuers Empfehlungen andie Hand. Der Ausbildungsbetreuer mussfachliche Qualifikationen besitzen, sichfür Jugendliche und Pädagogik interessie-ren, Zuversicht und Geduld mitbringenund in seiner Kommunikation mit denJugendlichen offen, ehrlich und direktsein. Der Betreuer durchläuft eine von derSchule organisierte Betreuerschulung, inderen Rahmen u. a. Informationen überdie Struktur der Sekundarstufe II, Fach-kurse und das Benotungssystem, pädago-gische Erkenntnisse über die Auffassungvon Wissen und Lernen sowie Informa-tionen über Jugendliche und Jugendkulturvermittelt werden. Die Schulung des Aus-bildungsbetreuers erfolgt fortlaufend wäh-rend der dreijährigen Ausbildungszeit desSchüler.

Sämtliche Lehrer werden auf der Grund-lage von Lehraufträgen beschäftigt. Die

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Berufsfachlehrer arbeiten sowohl in derSchule als auch vor Ort in den Ausbil-dungsbetrieben. Alle praktischen Ausbil-dungsinhalte und alle berufstheoretischenUnterrichtsinhalte, die sich in die prakti-sche Arbeit einflechten lassen, werden amArbeitsplatz absolviert . Die Berufs-fachlehrer besuchen die Schüler regelmä-ßig in ihrem Ausbildungsbetrieb und fra-gen beim Ausbildungsbetreuer nach, wasder einzelne Schüler durchgenommen,geübt und welche Kenntnisse er erwor-ben hat und bilden diesen weiter. Derje-nige Ausbildungslehrstoff, der nicht anden Arbeitsplatz verlegt werden kann, seies berufstheoretischer Unterrichtsstoffoder aber auch Lehrstoff von eher prakti-scher Natur – beispielsweise die Zerle-gung und anschließende Reparatur einesGetriebes –, wird in der Schule durchge-nommen. Der theoretische Unterricht inden Kernfächern, der einen geringerenBezug zur praktischen Arbeit aufweist,erfolgt in der Schule an einem Tag derWoche. Die Unterrichtsgruppen in derSchule sind klein, und der Unterricht wirdindividuell angepasst. Die Lehrer in denKernfächern bemühen sich darum, dieKernfächer in die Berufswahl zu integrie-ren, beispielsweise indem sie die Schüleran Texten arbeiten lassen, die sich auf dasKfz-Gewerbe beziehen.

Die Schüler geben an, dass sie schnellerund mehr lernen, wenn sie sich an einembetrieblichen Arbeitsplatz befinden, da esihnen leichter fällt, etwas zu begreifen,wenn sie gleichzeitig die entsprechendepraktische Arbeit ausführen. Die Absol-venten des ersten Ausbildungsjahrgangserhielten unmittelbar nach dem Abschlussder Ausbildung Anstellungen in der örtli-chen Wirtschaft, und wie die vom Leiterder Schule vorgenommenen Folge-untersuchungen zeigen, sind sämtlicheAbsolventen nach wie vor in der Branchetätig.

Schlussfolgerungen undabschließende Bemerkun-gen

Eine Schule kann ihren Unterrichtsbetriebauf verschiedenste Weise organisieren. ImVorangegangenen wurden die Vorgehens-weisen von drei freien Schulen derSekundarstufe II in Schweden dargestellt.

Die drei Schulen, die alle berufsvor-bereitend angelegt sind, veranstalten un-terschiedliche Ausbildungsprogramme.Die Björklöv-Schule bildet Jugendliche imRahmen eines speziell gestalteten Indus-tr ieausbi ldungsprogramms aus, dieKronblad-Schule bietet ein speziell ent-worfenes Ausbildungsprogramm im Ho-tel- und Gastronomiegewerbe an und dieTallbarr-Schule ein speziell zugeschnitte-nes Ausbildungsprogramm im BereichKraftfahrzeugtechnik. Die drei Schulenhaben unterschiedliche Auffassungen vomWissen und davon, wie Wissen vermitteltwerden sollte sowie in welchem Umfangund auf welche Weise die Schüler in dieArbeitswelt eingegliedert werden könnenund sollen.

In der Björklöv-Schule liegt meiner An-sicht nach das Schwergewicht auf Fakten-wissen. Die Ausbildung ist sehr breit an-gelegt und enthält viele Leistungseinhei-ten, und sie bewegt sich auf einem ho-hen theoretischen Wissensniveau. ZurErhöhung des Verständnisses des zu er-werbenden Faktenwissens werden dieKursfächer in verschiedenen Projektenzusammengeführt, die wiederum mit denrealen Gegebenheiten verknüpft werden,denen die Schüler nach Abschluss ihrerAusbildung begegnen werden. DurchAnwendung des problembasierten Ler-nens als pädagogisches Arbeitsmodell ler-nen die Schüler, selbst Informationen zu-sammenzutragen, zu bearbeiten und zuanalysieren und die ermittelten Ergebnis-se darzulegen. Bedingt durch die Arbeits-weise der Schule werden sie darin ge-schult, in Gruppen gemeinsam Objektezu entwickeln oder Aufgaben anzugehen,die eventuell eine Aneignung neuerKenntnisse erforderlich machen. DieBjörklöv-Schule betont das kognitive Wis-sen, bei dem der Lernprozess hauptsäch-lich in der Schule erfolgt. Gewiss werdenden Schülern während der Ausbildungs-zeit umfassende Kontakte zur Arbeitsweltgeboten, von Studienbesuchen in denverschiedenen Tochterunternehmen desTrägerkonzerns bis hin zu Projektarbei-ten mit starkem betrieblichem Bezug. In-dem die Schule geografisch auf demGelände des Konzerns angesiedelt ist unddie Arbeitsorganisation für sowohl Leh-rer wie Schüler der eines herkömmlichenArbeitsplatzes angeglichen wurde, werdendie Schüler in die Arbeitswelt und dasErwerbsleben eingeführt. Dank dieser

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engen Tuchfühlung mit der Arbeitsweltbauen die Schüler ein Netz von Kontak-ten innerhalb des Konzerns auf und wer-den so nach und nach in die Unter-nehmenskultur hineinsozialisiert. VieleSchüler bleiben nach ihrem Ausbil-dungsabschluss im Unternehmen und er-halten folglich die notwendigen Voraus-setzungen für den Eintritt ins Erwach-senenleben.

In der Kronblad-Schule steht das Fakten-wissen nicht in gleichem Maße im Mittel-punkt wie an der Björklöv-Schule. DieKursfächer werden an dieser Schule nichtganz so weitgehend integriert, indem derKernfächerunterricht in Theorieunter-richtsräumen stattfindet, während dieprogrammspezifischen Fächer in denpraktischen Ausbildungsräumlichkeitenunterrichtet werden. Der Unterricht istvergleichsweise konventionell gestaltet,doch werden zur Vermittlung eines ganz-heitlichen Bildes und somit zur Erhöhungdes Verständnisses bestimmte Kursfächerthematisch zusammengeführt. Die Schü-ler nehmen am „offenen Betrieb“ teil underwerben dadurch praktische Fertigkeiten.Die Kronblad-Schule ist somit organisa-torisch sowohl für ein kognitives als auchfür ein kontextuelles Lernen ausgelegt.Beide Lernstrategien ziehen sich auchparallel zueinander durch die gesamteAusbildung hindurch. Ein 16-wöchigesbetriebliches Ausbildungspraktikum bie-tet den Schülern zudem die Möglichkeitzur Verbesserung ihres Fertigkeitswissensund zur Erreichung eines bestimmtenMaßes an Vertrautheitswissen. Ferner führtdie Kronblad-Schule ihre Schüler auchdurch Projektarbeiten, externe Aufträgeund die Teilnahme an Koch- und Servier-wettbewerben in die Arbeitswelt ein.Während ihrer Ausbildungszeit erhaltendie Schüler somit zahlreiche Gelegenhei-ten zur Knüpfung von Kontakten in derArbeitswelt, die Voraussetzungen für denEintritt in den Arbeitsmarkt und dasErwachsenenleben schaffen.

Die Tallbarr-Schule stellt individuelle Aus-bildungspläne auf, die in der Hauptsachenicht auf schulisches Faktenwissen abhe-ben, sondern eher darauf zielen, einenmöglichst großen Teil der Ausbildung aneinen betrieblichen Arbeitsplatz zu verle-gen. Die Schüler arbeiten selbständig un-ter Aufsicht von sowohl betrieblichenAusbildungsbetreuern und Berufsfach-

lehrern als auch Kernfachlehrern. AmArbeitsplatz üben die Schüler die prakti-schen Arbeitsprozesse ein und erwerbenauf diese Weise Fertigkeitswissen. Wäh-rend die Schüler sich an ihrem betriebli-chen Ausbildungsplatz befinden und ihrLernprozess fortschreitet, eignen sie sichzugleich Vertrautheitswissen an. Durch dieGestaltung ihrer Ausbildungsprogrammebegünstigt die Tallbarr-Schule ein kontex-tuelles Lernen, d. h. einen Lernprozess,der in Zusammenarbei t mi t e inemaußerschulischen Betrieb erfolgt, an demdie Ausbildungstätigkeit stattfindet. Durchdiese Herangehensweise ermöglicht dieSchule den Schülern die Aneignung desso genannten impliziten Wissens des je-weiligen Berufes. Angesichts dessen, dassein so umfangreicher Teil der Ausbildungan einem betrieblichen Arbeitsplatz ab-solviert wird, werden die Schüler in ho-hem Maße in die Arbeitswelt eingeführt;da sie sich jedoch während der gesamtenAusbildungszeit an ein und demselbenArbeitsplatz befinden, werden sie in dieberuflichen Tätigkeiten des jeweiligenAusbildungsbetriebs hineinsozialisiert unddürften somit auf diejenigen Automarkenspezialisiert werden, mit denen der Aus-bildungsbetrieb arbeitet. Die Schüler er-halten direkt im Anschluss an ihre Aus-bildung eine Anstellung und damit dieVoraussetzungen für den Eintritt in einErwachsenendasein.

Abschließend lässt sich feststellen, dassdie drei Schulen ihre Unterrichtstätigkeitin sehr unterschiedlicher Weise organisie-ren. Die Björklöv-Schule vermittelt kogni-tives Wissen, bietet den Schülern vielfäl-tige Kontakte zur Arbeitswelt innerhalbdes eigenen Konzerns und sozialisiert siein die Unternehmenskultur des Konzernshinein. Die Kronblad-Schule integriertTheorie und Praxis, führt die Schülerdurch ein 16-wöchiges betriebliches Aus-bildungspraktikum in die Arbeitswelt einund verschafft ihnen Möglichkeiten zurKnüpfung von Kontakten in der Arbeits-welt durch Projektarbeiten, externe Auf-träge und die Teilnahme an verschiede-nen Wettbewerben. Die Tallbarr-Schulestellt das kontextuelle Lernen in den Mit-telpunkt, vermittelt den Schülern durchdie Ausbildung an einem betrieblichenArbeitsplatz die Möglichkeit zur Aneig-nung von implizitem Wissen und soziali-siert sie in die beruflichen Tätigkeitenihres Ausbildungsbetriebs ein. Die Schu-

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len gehen demnach bei der Vermittlungvon Wissen, der Zusammenarbeit mit derArbeitswelt und der Einführung der Schü-ler in die Arbeitswelt auf unterschiedli-che Weise vor. Diese Vielfalt in punctoWissen, Lernstrategien, Zusammenarbeits-formen und Kontakten zur Arbeitsweltbietet Schülern mit unterschiedlichen Be-dürfnissen die Möglichkeit, Wissen zuerwerben und nach Abschluss ihrer Aus-bildung in ein Beschäftigungsverhältniseinzutreten. Meine Studie zeigt, dass diegrundverschiedenen Vorgehensweisen derdrei Schulen günstige Voraussetzungen fürJugendliche mit unterschiedlichen Inter-essen und Bedürfnissen schaffen, nachAusbildungsabschluss eine Anstellung zufinden und damit finanzielle Möglichkei-ten zu erhalten, um sich ein eigen-ständiges Leben aufbauen und den

Erwachsenenstatus erlangen zu können.Wie die vorliegende Studie belegt, kön-nen junge Menschen in Schweden heuteinfolge der neuen Ausrichtung der Bil-dungspolitik unter einer breiteren Palettevon Angeboten auswählen. Es gibt örtli-che Variationen und freie Schulen im Rah-men des allgemeinen Schulwesens, wases den Jugendlichen ermöglicht, ein Aus-bildungsprogramm zu finden, das auf siezugeschnitten ist.

Danksagung

Die Autorin möchte sich bei ihrer Kolle-gin Sara Cervantes vom Institut für Arbeits-wissenschaft der Technischen UniversitätLuleå in Schweden für ihre Mitwirkungan der Durchführung der Fallstudien be-danken.

in historischer und internationaler Perspektive]Stockholm: Bokförlaget Natur och Kultur, 2001.

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ReferNet – Das europäische Fachwissens- und Referenznetzwerk

CEDEFOP

Europäisches Zentrum für dieFörderung der BerufsbildungP.O. Box 22427GR-55102 THESSALONIKITel. (30) 23 10 49 01 11 GeneralTel. (30) 23 10 49 00 79 SecretariatFax (30) 23 10 49 00 43 SecretariatMarc Willem, Head of Library &Documentation ServiceE-mail: [email protected] Information NetworkSecretariatE-mail: [email protected] address:http://www.cedefop.eu.intWeb address:http://www.trainingvillage.gr

VDAB/ICODOC

Vlaamse Dienst voor Arbeids-bemiddeling en BeroepsopleidingIntercommunautair documentatie-centrum voor beroepsopleidingKeizerlaan 11B-1000 BRÜSSELTel. (32-2) 50 61 321R. Van WeydeveldtFax (32-2) 50 61 561Reinald Van Weydeveldt,DocumentationE-mail: [email protected] address: http://www.vdab.be

CIRIUS

Center for Information og Rådgiv-ning om International Uddannelses-og SamarbejdsaktiviteterMobility in Education and TrainingFiolstræde 44DK-1171 KØBENHAVN KTel. (45-33) 95 70 00Fax (45-33) 95 70 01Mr. Benny Dylander, DirectorE-mail: [email protected] PovelsenE-mail: [email protected] address: http://www.ciriusonline.dk/

BIBB

Bundesinstitut für BerufsbildungFriedrich-Ebert-Allee 38D-53113 BONNTel. (49-228) 10 71 602 Dr. G. HanfTel. (49-228) 10 72 131 M. KrauseFax (49-228) 10 72 974Dr. G. HanfE-mail: [email protected] KrauseE-mail: [email protected] address: http://www.bibb.de

OEEK

Organisation for Vocational Educa-tion and TrainingEthnikis Antistatis 41 &KaramanoglouGR-14234 ATHENTel. (30) 21 02 70 91 44 E. BarkabaFax (30) 21 02 70 91 72Ermioni Barkaba, Head ofDocumentationE-mail: [email protected] address: http://www.forthnet.gr/oeek/

INEM

Instituto Nacional de EmpleoMinisterio de Trabajo y SeguridadSocialCondesa de Venadito 9E-28027 MADRIDTel. (34-91) 58 59 582 GeneralTel. (34-91) 58 59 834M. Luz de las Cuevas TorresanoFax (34-91) 37 75 881Fax (34-91) 37 75 887Ana Maria Martin Arahuetes, DeputyDirector General of Technical Servi-cesMaria Luz de las Cuevas TorresanoInformation/DocumentationE-mail: [email protected] address: http://www.inem.es

Centre INFFO

Centre pour le développement del’information sur la formation per-manente4, avenue du Stade de FranceF-93218 SAINT DENIS LA PLAINECedexTel. (33-1) 55 93 91 91Fax (33-1) 55 93 17 28Patrick Kessel, DirectorE-mail: [email protected] PerkerE-mail: [email protected]éphane HéroultDocumentation DepartmentE-mail: [email protected] address: http://www.centre-inffo.fr

FÁS

The Training and EmploymentAuthorityP.O. Box 45627-33 Upper Baggot StreetDUBLIN 4, IrelandTel. (353-1) 60 70 536Fax (353-1) 60 70 634Margaret Carey, Head of Library &Technical InformationE-mail: [email protected] Wrigley, LibrarianE-mail: [email protected] address: http://www.fas.ie

ISFOL

Istituto per lo sviluppo dellaformazione professionale deilavoratoriVia Morgagni 33I-00161 ROMTel. (39-06) 44 59 01Fax (39-06) 44 29 18 71Enrico Ceccotti, General DirectorColombo Conti, Head of Documen-tationE-mail: [email protected] Elena MoroE-mail: [email protected] address: http://www.isfol.it

ETUDES ET FORMATION S.A

335 route de LongwyL-1941 LUXEMBOURGTel. (352) 44 91 99Fax (352) 44 92 08Marc Ant, DirectorE-mail: [email protected] CornéliusE-mail: [email protected] address: http://www.etform.lu/

CINOP

Centrum voor Innovatie vanOpleidingenThe Dutch Centre for the Innovationof Education and TrainingPettelaarpark 1, Postbus 15855200 BP’s-HERTOGENBOSCHThe NetherlandsTel. (31-73) 68 00 800Tel. (31-73) 68 00 619 M. MaesFax (31-73) 61 23 425Martine MaesE-mail: [email protected] CoxE-mail: [email protected] address: http://www.cinop.nl/internationaal

abf-Austria

Austrian Institute for Research onVocational TrainingWipplingerstraße 35/4A-1010 WIENTel. (43-1) 31 03 334 P. SchlöglFax (43-1) 31 97 772Peter SchlöglE-mail: [email protected] address: http://www.oeibf.at

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Assoziierte Organisationen

INOFOR

Instituto para a Inovação naFormaçãoRua Soeiro Pereira Gomes n.° 7,P-1600-196 LISBOA CodexTel. (351-21) 794 62 00Fax (351-21) 794 62 01Margarida Abecasis, PresidentMarta AlvesE-mail: [email protected] address: http://www.inofor.pt/

NBE

OpetushallitusNational Board of EducationHakaniemenkatu 2P.O. Box 380FIN-00531 HELSINKITel. (358-9) 77 47 71 24 M. KyröTel. (358-9) 77 47 72 43 A. MannilaTel. (358-9) 77 47 78 19 K. NyyssöläFax (358-9) 77 47 78 65 or 69Matti KyröE-mail: [email protected] MannilaE-mail: [email protected] NyyssöläE-mail: [email protected] address: http://www.oph.fi

Statens Skolverket

National Agency for EducationKungsgatan 53SE-106 20 STOCKHOLMTel. (46-8) 72 33 200Fax (46-8) 24 44 20Annika Andrae Thelin,Director of ResearchE-mail: [email protected] ÖjbornE-mail: [email protected] address: http://www.skolverket.se/

QCA

Qualifications and CurriculumAuthority83 PiccadillyLONDONW1J 8QAUnited KingdomTel. (44-20) 75 09 55 55David HandleyFax (44-20) 75 09 66 66David HandleyE-mail: [email protected] CuddyE-mail: [email protected] address: http://www.qca.org.uk/

MENNT

samstarfsvettvangur atvinnulífs ogskólaEDUCATE - IcelandLaugavegi 51IS-101 REYKJAVIKTel. (354) 51 12 660Fax (354) 51 12 661Thóra Stefánsdóttir, General DirectorE-mail: [email protected] Jónsdóttir, ProjectManagerE-mail: [email protected]ára Stefánsdóttir, [email protected] address: http://www.mennt.is

Teknologisk Norge

P.O. Box 2608St. HanshaugenN-0131 OSLOTel. (47-22) 86 50 00Fax (47-22) 20 18 01Aagot van ElslandeE-mail:[email protected] address: http://www.teknologisk.no/leonardo/

DGEAC

European CommissionDG Education and CultureRue de la Loi 200B-1049 BRUXELLESTel. (32-2) 29 57 562 E. SpachisTel. (32-2) 29 55 981 D. MarchalantFax (32-2) 29 55 723Fax (32-2) 29 64 259Eleni SpachisE-mail: [email protected] MarchalantE-mail:[email protected] address: http://europa.eu.int/comm/dgs/education_culture/index_en.htm

EURYDICE

the Education Information Networkin EuropeLe réseau d’information sur l’éduca-tion en EuropeAvenue Louise 240B-1050 BRUXELLESTel. (32-2) 60 05 353Fax (32-2) 60 05 363Patricia Wastiau-Schlüter, DirectorE-mail:[email protected] DelhaxheE-mail: [email protected] address: http://www.eurydice.org

FVET

Foundation for Vocational Educationand Training ReformLiivalaia 2EE-10118 TALLINNTel. (372) 63 14 420Fax (372) 63 14 421Lea Orro, Managing DirectorE-mail: [email protected] KirsipuuE-mail: [email protected] address: http://www.sekr.ee/eng/index.html

ETF

Europäische Stiftung fürBerufsbildungVilla GualinoViale Settimio Severo 65I-10133 TORINOTel. (39-011) 63 02 222Fax (39-011) 63 02 200Gisela Schüring, Information andPublications DepartmentE-mail: [email protected] address: http://www.etf.eu.int/etfweb.nsf/

OIT

Centre international de formation deL’OITViale Maestri del Lavoro, 10I-10127 TORINOTel. (39-011) 69 36 510Fax (39-011) 69 36 535Catherine Krouch, DocumentationE-mail: [email protected] address: http://www.itcilo.org

ILO/BIT

International Labour OfficeBureau International du Travail4 Route des MorillonsCH-1211 GENEVE 22Tel. (41-22) 79 96 955Fax (41-22) 79 97 650Pierrette DunandEmployment & Training DepartmentDocumentalistE-mail: [email protected] address: http://www.ilo.org

DfES

Department for Education and SkillsRoom E3, MoorfootSHEFFIELD S1 4PQUnited KingdomTel. (44-114) 25 93 339Fax (44-114) 25 93 564Amanda Campbell, LibrarianE-mail:[email protected] address: http://www.dfes.gov.uk/index.htm

CINTERFOR/OIT

Centro Interamericano deInvestigación y Documentación so-bre Formación ProfesionalAvenida Uruguay 1238Casilla de correo 176111000 MONTEVIDEO, URUGUAYTel. (598-2) 92 05 57Tel. (598-2) 92 00 63Fax (598-2) 92 13 05Pedro Daniel Weinberg, DirectorE-mail: [email protected] Andres TellagorryDocumentalistE-mail: [email protected] address: http://www.cinterfor.org.uy

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Nr. 26/2002

Untersuchungen zum Thema Beratung und Orientierung – Beiträge zu dem am 19./20. Oktober 2000 in Thessaloniki veranstalteten Agora-X-Seminar des Cedefop übersoziale und berufliche Orientierung

• Untersuchungen zum Thema Beratung und Orientierung.Die Agora X des Cedefop zur sozialen und beruflichen Orientierung(Éric Fries Guggenheim)

• Problemstellung und Zielsetzung der Berufsberatung (Jean Guichard)• Berufsberatung, Ausbildung und Beschäftigung. Vorbereitung auf einen Beruf

oder Anpassung an den Arbeitsmarkt (Jean-François Germe)

Forschungsbeiträge

• Humanvermögensentwicklung in Europa – am Scheideweg (Barry Nyhan)• Kooperatives eLearning: Ein Anreiz für das Tiefenlernen? (An Verburgh; Martin Mulder)• Mobilität in Europa (EU und EWR) unter besonderer Berücksichtigung von Gesundheits-

berufen und der Anerkennung von entsprechenden Berufsqualifikationen(Burkart Sellin)

• Ein niedriges Bildungsniveau in Europa: ein Risikofaktor (Pascaline Descy)

Analyse der Berufsbildungspolitiken

• Ausbildung zur Hilfskraft: Sicherheitsnetz oder Vorbereitung auf die Erwerbstätigkeit?(Jittie Brandsma)

• Lernortverlagerung ins Ausland - ein Modellversuch in Deutschland(Wolfgang-Dieter Gehrke, Peter-Jörg Alexander)

Nr. 27/2002

Forschungsbeiträge

• Brückenschlag zur Bildung der Zukunft (Friedrich Scheuermann)• Kollektives Lernen: Theoretische Perspektiven und Wege

zur Unterstützung von vernetztem Lernen (Maarten de Laat, Robert-Jan Simons)• Können Organisation Lernen lernen? (Randolph Preisinger-Kleine)

Analyse der Berufsbildungpolitiken

• Lernen mit „E-Ressourcen“ – die Erfahrungender kleinen und mittleren Unternehmen (David Guile)

• Junge Frauen in der Erstausbildung in den neuen Informations-und Kommunikationstechnologieberufen in Deutschland (Agnes Dietzen)

Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), E-Learning und lokale undregionale Entwicklung

• Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT),eLearning und Gemeindeentwicklung (Brian Dillon)

• eLearning als Strategie zur Schaffung regionaler Partnerschaften (Hanne Shapiro)

Zuletzt

erschienene

deutsche Ausgaben

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Ich will europäisch lesen und abonniere hiermit die Europäische Zeitschrift “Berufsbildung” (3 Ausgaben, EUR 20 zzgl. Mwst. und Versandkosten).

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GR-55102 Thessaloniki

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Nr. 28/2003

Forschungsbeiträge

• Die Position junger Erwerbspersonen im Beschäftigungssystemim europäischen Vergleich (Thomas Couppié; Michèle Mansuy)

• Eine pädagogische Rahmenstruktur für das Onlinelernen (Shyamal Majumdar)• Die Bedeutung des kompetenzbasierten Ansatzes für die Konzeption

der beruflichen Bildung. Ein Paradigmenwechsel in der arbeitsplatzbezogenenAusbildung und der Wissensentwicklung in Unternehmen (Burkart Sellin)

Analyse der Berufsbildungpolitiken

• Ausbildung und Flexibilisierung der Arbeitsorganisationin den europäischen Unternehmen der Metallindustrie:die Situation in Spanien, Frankreich, Italien und Portugal (Ángel Hermosilla Pérez;Natalia Ortega)

• Pädagogische Qualifikation des Ausbildungspersonalsim Bauhandwerk (Michael Leidner)

Fallstudien

• Der Übergang von finnischen Fachhochschulen in die Arbeitswelt(Marja-Leena Stenström)

• Berufsbildungskooperation mit der VR China (Hans-Günter Wagner)

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Dirección

Juan José Castillo,Santiago Castillo

Consejo de Redacción

Arnaldo Bagnasco,Dipartamento di Sociologia,Universidad de Turín

Juan José Castillo,Dpto. de Sociología III, UCM

Santiago Castillo,Dpto. de Ciencia Política y de laAdmón. III, UCM

Daniel Cornfield,Word and Occupations, VanderbiltUniversity (Estados Unidos)

Michel Freyssenet,CSU-IRESCO, CNRS, París

Enrique de la Garza,UAM, Iztapalapa, México

Juan Manuel Iranzo,Dpto. de Sociología, Univ. PúblicaNavarra

Ilona Kovács,Istituto Superior de Economia eGestão, Lisboa

Marcia de Paula Leite,Universidades de Campinas, Brasil

Ruth Milkman,Department of Sociology, UCLA,Estados Unidos

Alfonso Ortí,Dpto. de Sociología UAM

Andrés Pedreño,Dpto. de Sociología, Universidad deMurcia

Ludger Pries,Ruhr-Universität Bochum, Alemania

Helen Rainbird,Faculty of Humanities and SocialSciencies, Northampton, RU.

José Mª Sierra,Dpto. Geografía, Urbanismo y O. delTerritorio, Univ. Cantabria

Agnes Simony,Lorand Eotvos University, Hungría

Jorge Uria,Dpto. de Historia Contemporánea,Universidad de Oviedo

Fernando Valdés Dal-Re,Departamento de Derecho delTrabajo, UCM

Inmanol Zubero,Departamento de Sociología I,Universidad del País Vasco, Bilbao

Revista cuatrimestral de empleo, trabajo y sociedad

Expulsados del trabajo

• La forma más sencilla de equivocarse en ciencias sociales• Expulsados del trabajo… y más. Un estudio de la salida anticipada del mercado

de trabajo de los trabajadores mayores• ¿La pérdida de la época dorada? La terciarización y el trabajo en las sociedades

postindustriales• „Flexeguridad“: tiempo de trabajo y empleo en los pactos de empresa• El Ejido, entre la política y la sociología

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Los autores recibirán, oportunamente,comunicación de la recepción de sus tra-bajos, notificándoseles con posterioridadsu eventual aceptación para la publica-ción.

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Los autores recibirán, al publicarse su tex-to, 20 separatas, además de 2 ejemplaresdel número en el que se publique su artí-culo.

Todos los artículos publicados en ST, in-cluidos los traducidos, son originales,salvo indicación contraria, en el momen-to de ser sometidos al Consejo de Redac-ción.

Los resúmenes-abstracts de los artí-culos publicados en ST se recogen enECOSOC-CINDOC y en SociologicalAbstracts

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Para las formas de cita y referencias bi-bliográficas, los autores deben remitirsea os artículos publicados en este (o encualquier otro) número de ST.

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Deberán dirigirse a Redacción de la re-vista Sociología del Trabajo, Facultad deCiencias Políticas y Sociología, Campusde Somosaguas, 28223 Madrid.

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Europäische Zeitschriftfür BerufsbildungAufforderung zur Einreichungredaktioneller BeiträgeDie Europäische Zeitschrift für Berufsbildung veröffentlicht Artikel von Berufsbildungs-und Beschäftigungsforschern und -fachleuten. Interesse besteht vor allem an Beiträ-gen, die die Ergebnisse hochkarätiger Forschungsarbeiten, insbesondere grenz-übergreifender vergleichender Forschung, einem breiten, internationalen Publikum auspolitischen Entscheidungsträgern, Forschern und praktisch Tätigen nahe bringen.

Die Europäische Zeitschrift ist eine unabhängige Veröffentlichung, deren Inhalt stän-dig überprüft wird. Sie erscheint dreimal jährlich in englischer, französischer, deut-scher und spanischer Sprache und wird in ganz Europa, sowohl in den Mitglied-staaten der Europäischen Union als auch in einigen Nicht-Mitgliedstaaten, vertrieben.

Die Zeitschrift wird vom Cedefop (dem Europäischen Zentrum für die Förderung derBerufsbildung) herausgegeben und soll der Diskussion über die Entwicklung derberuflichen Bildung, insbesondere durch die Darstellung der europäischen Sichtweise,Impulse verleihen.

In der Zeitschrift sollen Beiträge veröffentlicht werden, die neues Gedankengut ent-halten, Forschungsergebnisse verbreiten und über Vorhaben auf einzelstaatlicher undeuropäischer Ebene berichten. Ferner werden Positionspapiere zu berufsbildungs-relevanten Themen sowie Reaktionen auf diese veröffentlicht.

Eingereichte Artikel müssen wissenschaftlich exakt, gleichzeitig jedoch einem brei-ten und gemischten Leserkreis zugänglich sein. Sie müssen Lesern unterschiedlicherHerkunft und Kultur verständlich sein, die nicht unbedingt mit den Berufsbildungs-systemen anderer Länder vertraut sind. Das heißt, die Leser sollten in der Lage sein,Kontext und Argumentation eines Beitrags vor dem Hintergrund ihrer eigenen Tradi-tionen und Erfahrungen nachzuvollziehen.

Neben der Hardcopy-Fassung werden Auszüge aus der Zeitschrift in das Internetgestellt. Auszüge der letzten Ausgaben können eingesehen werden unter http://www.trainingvillage.gr/etv/editorial/journal/journalarc.asp.

Die Autoren sollten ihre Beiträge entweder in eigenem Namen oder als Vertretereiner Organisation verfassen. Diese sollten rund 2500 bis 3000 Wörter lang sein undin spanischer, dänischer, deutscher, griechischer, englischer, französischer, italieni-scher, niederländischer, norwegischer, portugiesischer, finnischer oder schwedischerSprache abgefasst sein.

Artikel sollten sowohl als Ausdruck als auch auf Diskette im Format Word oder via E-mail (als Textanlage im Word-Format) eingereicht werden. Außerdem sollten eineKurzbiografie des Autors und knappe Angaben zu seiner derzeitigen Stellung beige-fügt werden. Alle eingereichten Artikel werden vom redaktionellen Beirat der Zeit-schrift geprüft, der sich die Entscheidung, diese zu veröffentlichen, vorbehält. DieVerfasser werden über seine Entscheidungen unterrichtet. Die veröffentlichten Arti-kel müssen nicht unbedingt die Meinung des Cedefop widerspiegeln. Die Zeitschriftbietet vielmehr die Möglichkeit, unterschiedliche Analysen und verschiedene, ja so-gar kontroverse Standpunkte darzustellen.

Wenn Sie einen Artikel einreichen möchten, so wenden Sie sich bitte telefonisch(30) 23 10 49 01 11, per Fax (30) 23 10 49 00 99 oder via E-Mail ([email protected])an den Herausgeber Éric Fries Guggenheim.

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Die Europäische Zeitschrift Berufsbildungerscheint dreimal jährlich in fünf Sprachen (DE, EN, ES, FR, PT). Ein Jahresabonnement umfasst alle im Kalenderjahr(Januar bis Dezember) erscheinenden Ausgaben derEuropäischen Zeitschrift Berufsbildung. Es verlängertsich automatisch um ein Kalenderjahr, falls es nichtbis zum 30. November gekündigt wird. Die Europäische Zeitschrift Berufsbildung wird Ihnenvom Amt für amtliche Veröffentlichungen der EG,Luxemburg, zugesandt. Die Rechnung erhalten Sie von Ihrem zuständigen EU-Vertriebsbüro. Im Preis ist die Mehrwertsteuer nicht enthalten.Zahlen Sie bitte erst nach Erhalt der Rechnung.

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